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Weltmarktführer von morgen TOP500-STUDIE DEUTSCHLAND Neue Ökosysteme in den Industrien – Wertschöpfungsketten neu gedacht

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Weltmarktführer von morgen

TOP500-STUDIEDEUTSCHLAND

Neue Ökosysteme in den Industrien – Wertschöpfungsketten neu gedacht

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Auch deshalb steht die deutsche Industrie im aktu-ellen Konjunkturabschwung vor enormen Heraus-forderungen, die kaum mit denen der Rezession des Jahres 2009 vergleichbar sind. Nach der Finanzkrise waren die Top500 mit bewährten Strategien rasch zu alter Stärke zurückgekehrt. Der sich in der Techno-logiepolitik äußernde Systemwettbewerb zwischen den USA und China bringt Deutschland und Europa in eine schwierige Situation. So werden in China mit einer beispiellosen Geschwindigkeit nationale Infrastrukturen geschaffen, die über Konnektivität, Daten- und Servicearchitekturen flächendeckend ein hohes Digitalisierungsniveau schaffen.

Die Studie „Weltmarktführer von morgen“ sucht daher nach strategischen Weichenstellungen, mit denen die Top500 in einem verschärften globalen Wettbewerb bestehen und ihre Position in der Wert-schöpfungskette behaupten können. Bereits zum elften Mal untersucht Accenture die Entwicklung der deutschen Konzernlandschaft. Basis der Studie ist das jährlich in der Tageszeitung DIE WELT erschei-nende Ranking „Deutschlands Große 500“. Die nach Umsatz 500 größten deutschen Unternehmen erlösen jeweils mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Bei vielen dieser Industrieunternehmen droht ein Positionswandel in der Wertschöpfungskette – vom Innovationsschrittmacher zum Zulieferer einer Reihe von neuen globalen Weltmarktführern.

Traditionell ist Deutschland das Land der Weltmarkt-führer. Bisher haben es Konzerne und Mittelständler in keinem anderen Land geschafft, so geschickt Absatzrekorde in Nischen oder größeren Marktseg-menten zu erzielen. Accenture präsentiert deshalb die Felder, in denen dringender Handlungsbedarf für die deutsche Wirtschaft besteht.

Ganz vorn steht dabei die Entwicklung neuer zukunftsfähiger Geschäftsmodelle – und zwar im großen Umfang. Das geht aber nicht im Alleingang. Nur mit dem Willen zur unternehmens- und branchen-übergreifenden Kooperation und einer unterstüt-zenden – oder gar treibenden – Wirtschaftspolitik können dringend benötigte Investitionen in global relevante digitale Infrastrukturen oder Plattformen gelingen. Nicht die USA, sondern China setzt dabei den Maßstab. Wichtig ist auch, den Bankensektor zu stärken, denn er ist es, der maßgeblich die Finan-zierungen für die Skalierung von Innovationen bereitstellt.

Mit Blick auf die globalen Märkte ist auch der neue Systemwettbewerb ein wichtiges Thema. Die wach-sende Wirtschaftsmacht China verändert die Spiel-regeln, auf deren Basis Unternehmen international gegeneinander antreten. Neben marktwirtschaft-lichen Prinzipien prägen staatlich gelenkte Pro-gramme zum Aufbau und zur Stärkung nationaler Wirtschaftszweige zunehmend die Konkurrenz auf den Weltmärkten. Mehr und mehr verwandeln sich dabei Handelskriege und Protektionismus zu Instru-menten eines Wettbewerbs der Systeme.

Maßgebend für den Erfolg der deutschen Wirtschaft ist nach Ansicht von Accenture auch, dass Unter-nehmen sowie die Wirtschaftspolitik in Deutsch-land ein höheres Ambitionsniveau anstreben. Der deutsche Staat kann dabei eine wichtige Rolle als Leitanwender einnehmen, um für Innovationen aus dem Unternehmenssektor erste Skalierungsphasen zu ermöglichen. Der aktuelle Wirtschaftsabschwung kann dabei auch zur Chance werden, wenn die Bereitschaft, sich neuen Geschäftsmodellen zuzuwenden, steigt. Deshalb sind jetzt mehr denn je „Macher“ in den Führungsetagen gefragt.

Weltmarktführer von morgen. Die großen deutschen Konzerne durchleben eine Schwächephase. Protektionismus, Handelskriege und der Brexit verunsichern die exportorientierten Großunternehmen. Es fehlen verlässliche Rahmenbedingungen und wirtschaftspolitische Strategien, die den Unternehmen Orientierung für Investitionen in Zukunftstechnologien und innovative Geschäftsmodelle bieten.

3Weltmarktführer von morgen

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Unsere Leitindustrien sind nicht mehr SchrittmacherDas Wachstum der deutschen Top500 hat in den vergangenen Jahren tendenziell immer weiter abgenommen. Accenture hat die Hinter-gründe analysiert und identifiziert als Ursache unter anderem die schwindende Innovations-kraft in der deutschen Industrie sowie verpasste Chancen bei der digitalen Transformation.

· Klassische Leitindustrien ohne Wachstumsimpuls

· Die „Bottom Line“-Falle: Digitalisierung in Deutschland heißt Effizienz

· Ohne Geschäftsmodellinnovation vom Leitanbieter zum Zulieferer

· Die Wachstumskrise wird sich fortsetzen

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Klassische Leitindustrien ohne Wachstumsimpuls

Die 500 größten deutschen Konzerne, die alle mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielen, sind in Deutschland lange Zeit die Stützen der deutschen Wirtschaft gewesen. Mit ihren Umsatzzuwächsenübertrafen sie das prozentuale Wachstum oft deut-lich. Noch im Jahr 2017 konnten die Top500 ihre Erlöse um durchschnittlich 6,9 Prozent ausbauen. Wichtigster Wachstumstreiber der deutschen Industrie war dabei die Automobilindustrie, die ihr Geschäftsvolumen um 6,5 Prozent steigerte. Zweistellig wuchsen die Bauindustrie, die Chemie-industrie und die Branche Industrie, Rohstoffe und Ressourcen.

Nun aber sind es genau diese Branchen, die deut-lich an Wachstumsdynamik verlieren. Im Jahr 2018 sind die Umsätze der Top500 um nur insgesamt 3,3 Prozent angewachsen (deutliche Abschwächung zum Vorjahr mit 6,9 Prozent). Besonders schmerz-haft dabei: Die Automobilindustrie schaffte nur noch ein Plus von 1,6 Prozent. Der Maschinen- und Anlagenbau sowie die IT- und Telekommunikations-branche (ITK) präsentierten sich 2017 und 2018 auf einem relativ stabilen Wachstumsniveau, ohne aber die Rolle eines Wachstumsmotors einnehmen zu können.

-5 0 5 10 15 20 25 30

Absoluter Umsatzzuwachs und relativer Umsatzzuwachs der Top500 zum Vorjahr

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITAL IQ; UNTERNEHMENSANGABEN

Einzelhandel

Automobilindustrie

Energie

Chemie

Transport und Logistik

Pharma, Kliniken

ITK

Maschinen- und Anlagenbau

Industrie, Rohstoffe und Ressourcen

Dienstleistungen

Bauindustrie

Elektronik und Hightech

Großhandel

Medien und Unterhaltung

Konsumgüter

Energieversorger

in %in Mrd. €

7,112,9

11,9

10,6

8,0

9,6

5,4

4,0

3,6

3,0

2,4

1,5

1,2

1,2

-2,2

23,2

6,3

2,2

4,3

3,0

2,5

4,5

4,1

7,3

2,9

3,6

1,5

1,6

-0,9

1,6 5,9

1,6

Grafik 1: Umsatzentwicklung der Top500 in 2018 nach Branchen

5Unsere Leitindustrien sind nicht mehr Schrittmacher

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Die Schwäche der Automobilindustrie ist fatal für die deutsche Wirtschaft, denn die Top500 wurden in den vergangenen Jahren immer abhängiger von dieser Kernbranche. Das belegen zwei Zahlen: Gemessen am Umsatz der 100 größten Unterneh-men Deutschlands hält die Automobilindustrie im Jahr 2018 einen Anteil von 30,9 Prozent. Zum Vergleich: 2007 waren es noch 21,9 Prozent (vgl. Grafik 2).1

Die Analysen von Accenture zeigen, dass im Jahr 2018 nicht mehr die Automobilindustrie, sondern eher der Einzelhandel inklusive des E-Commerce die Rolle des Wachstumstreibers einnehmen. Dieser Wirtschaftszweig hat aber in den Top500 bei Wei-tem nicht das Gewicht der Automobilindustrie.

Branchengewichtung der Top100 (Umsatzerlöse): 2007 vs. 2018 (in Prozent)

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITAL IQ; UNTERNEHMENSANGABEN 2007 2018

Einzelhandel

Automobilindustrie

Energie

Chemie

Transport und Logistik

Pharma, Kliniken

ITK

Maschinen- und Anlagenbau

Industrie, Rohstoffe und Ressourcen 

Dienstleistungen

Bauindustrie

Elektronik und Hightech

Großhandel

Medien und Unterhaltung

Konsumgüter

Energieversorger

0,8

0,7

0,6

21,9

16,9

1,0

0,5

0 5 10 15 20 25 30 35

30,9

18,3

7,39,3

6,38,6

5,85,3

5,26,0

4,78,0

4,64,4

4,1

3,3

2,9

2,8

1,7

4,6

4,6

2,4

2,8

1,9

1,9

Grafik 2: Die Automobilindustrie ist die mit Abstand dominierende Branche – ITK hat keine kritische Größe

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Seit einigen Jahren ist die digitale Transformation eines der wichtigsten Themen in den Vorstands- etagen der Top500. Accenture hat diese Entwick-lung in vorangegangenen Studien mehrfach unter-sucht. Fazit: Die meisten Konzerne erkannten die Bedeutung der Digitalisierung schnell. In der Folge entwickelten sie Strategien und Programme für die Nutzung der neuen Technologien. Doch Erfolge zeigten sich allenfalls in verbesserten Prozessen. Es entstanden aber nur wenige neue umsatzrelevante Geschäftsfelder bei den Top500-Unternehmen.

Eine Umfrage von Accenture zeigt, dass 91 Prozent der Unternehmer den Erfolg von Innovationsprozes-sen anhand von „Kostenersparnissen“ messen. 87 Prozent der Befragten nannten „Umsatzsteigerun-gen durch neue Produkte und Dienstleistungen“ als wichtigen Faktor (s. Grafik 3).

Anhand welcher der folgenden Aspekte messen Sie den Erfolg von Innovationsprojekten in Ihrem Unter-nehmen? (Das heißt, bei welchen Aspekten quantifizieren Sie den Wertbeitrag eines Innovationsprojektes durch konkrete KPIs?)

Außen-reputation (Ansehen des Unter-nehmens)

QUELLE: ACCENTURE, AUS INNOVATIONEN WERTE SCHAFFEN, 2019

Kosten-ersparnisse

91 %

Verkürzung der „Time-to-Market“

48 %Umsatz-steigerung durch neue Produkte und Dienst-leistungen

87 %53 %

Umfrage unter Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz; n=258; Mehrfachnennungen

Höhere Kunden-zufriedenheit und -loyalität

64 %

Grafik 3: Kostenersparnisse sind der dominierende Faktor bei der Beurteilung des Wertbeitrags von Innovationen

Die „Bottom Line“-Falle: Digitalisierung in Deutschland heißt Effizienz

7Unsere Leitindustrien sind nicht mehr Schrittmacher

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Bezeichnend ist auch, dass sich in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) mehr Unternehmen mit Prozess- und Verfahrensinnovationen (72 Prozent) als mit Geschäftsmodellinnovationen (54 Prozent) befassen:2

Die aktuelle Analyse der Top500 zeigt aber: Unternehmen, die konsequent die Digitalisierung für Geschäftsmodellinnovationen genutzt haben und zum Teil sogar auf eigenen Plattformen Umsätze generieren, können sich der allgemeinen Wachstumsschwäche entziehen:

Wenn es um Innovation geht, auf welche der folgenden Bereiche fokussiert sich Ihr Unternehmen derzeit stark, teilweise oder gar nicht?

QUELLE: ACCENTURE, AUS INNOVATIONEN WERTE SCHAFFEN, 2019

n=258

Geschäfts-modell-

innovation

54 %

38 %

Management-/Organisations-

innovation

33 %

56 %Prozess-/Verfahrens-

innovation

26 %

Produkt-/Service-

verbesserung

82 %17 %

Stark fokussiert

Teilweise fokussiert

Nicht fokussiert

72 %

Grafik 4: Die Wachstumsfelder von morgen sind nur dritte Priorität

Grafik 5: Jährliche Umsatzwachstumsraten der Unternehmen, die Digitalisierung für Geschäftsmodellinnovationen genutzt haben

5,3 %

SAP CAGR 2014–2018:

8,9 %

YoY

9,0 %

Otto CAGR 2014–2018:

3,1 %

YoY

20,0 %

Zalando CAGR 2014–2018:

24,9 %

YoY

34,4 %

Wirecard CAGR 2014–2018:

37,7 %

YoY

16,0 %

Zooplus CAGR 2014–2018:

23,9 %

YoY

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITALIQ; UNTERNEHMENSANGABEN

YoY = Jahresvergleich (Year-over-year) CAGR = Jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate)

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Ohne Geschäftsmodellinnovationen drohen wich-tige deutsche Industrieunternehmen vom Leitanbie-ter zum Zulieferer abzurutschen. Die Digitalisierung ändert bestehende Geschäftsmodelle und ermög-licht neue Werteversprechen und Kundenerfahrun-gen. Diese Veränderungen haben das Potenzial, Wertschöpfungsketten durcheinanderzubringen.

Beispiele für solche Gefahren gibt es insbesondere in der Automobilindustrie. Die Gründe für die aktu-elle Schwäche der Branche sind vielfältig und gehen weit über die allgemeinen Problemfelder Handels-krieg, Brexit und Konjunkturabschwung hinaus. Der gesamte Wirtschaftszweig steht vor einer funda-mentalen Neuausrichtung, die maßgeblich von den Einflussfaktoren Klimaschutz und Digitalisierung geprägt sein wird. Zudem verschlechterte die Dieselaffäre selbst verschuldet die Ausgangsposi-tion für den Wandel. Die Aufarbeitung des Skandals bindet Ressourcen und die daraus resultierenden Kosten verringern den finanziellen Spielraum für Investitionen.

Zu den größten Herausforderungen zählt die sich verändernde Wettbewerbssituation. Neue globale Konkurrenten geben in der Elektromobilität und beim autonomen und vernetzten Fahren derzeit den Innovationstakt vor – allen voran Tesla und Alphabet mit Waymo. Darüber hinaus treten auch in China neue innovative Anbieter hervor. Zum Beispiel sollen sich Elektro-SUVs der Marken NIO und Byton auch auf europäischen Märkten etablieren. In der Elektro-mobilität ist China nach wie vor der globale Treiber. Zunehmend wird darüber hinaus auf synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff gesetzt.

In einigen Jahren könnten Fahrzeuge die Märkte dominieren, die ganz neue Kundenerfahrungen ermöglichen und in der Folge auch die Wertschöp-fungskette dieser Industrie umkrempeln. Es stellt sich die Frage: Werden die deutschen Hersteller auch dann noch an der Spitze stehen oder gliedern sie sich als Zulieferer in die zweite Reihe ein? Fest steht: Nur als Innovationstreiber können die traditio-nellen Autohersteller ihre Spitzenposition verteidi-gen. Hier gilt es aufzuholen.

Ohne Geschäftsmodellinnovationen vom Leitanbieter zum Zulieferer

9Unsere Leitindustrien sind nicht mehr Schrittmacher

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Zuletzt machten aber verstärkte Innovationsbemühungen der deutschen Konzerne Hoffnung. Insbesondere, weil sie ihre Organisationsstrukturen auf die wachsende Bedeutung von Software in den Fahrzeugen ausrichten:

• So will Volkswagen Software-Kompetenzen in der Einheit „Car.Software“ bündeln und ausbauen – und zwar bis 2025 mit mehr als 5.000 Digitalexperten. Der Eigenanteil der Softwareentwicklung soll von 10 auf mindestens 60 Prozent wachsen.3

• Mit Amazon Web Services arbeitet Volkswagen an einer Industrial Cloud. Darin sollen die Daten aller Maschinen und Systeme aus allen 122 Konzernfabriken zusammenfließen. Langfristig will Volkswagen die gesamte globale Lieferkette integrieren – mit über 30.000 Standorten von mehr als 1.500 Zulieferern und Partnern.4

• Bis 2024 will Volkswagen insgesamt 60 Milliarden Euro in die Elektromobilität, in das autonome Fahren, in neue Mobilitätsdienste sowie in die Digitalisierung von Fahrzeugen und Werken fließen lassen.5

• Daimler Trucks hat die Autonomous Technology Group als globale Organisation für automatisiertes Fahren gegründet. Das Ziel ist die Serienproduktion hoch-automatisierter Lkw.6

• Mit einem 10 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm will Daimler bis 2025 neue Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen.7

• Bei der Entwicklung selbstfahrender Autos kooperieren Daimler und BMW.8

Unter dem Strich ist die gegenwärtige Lage der größten deutschen Unternehmen besorgniserregend. Da die Gesamtwirtschaft die Top500 in ihrer Rolle als Innova-tionstreiber und Taktgeber braucht, müssen Lösungen her, mit denen die Konzerne wieder zu neuer Stärke finden können.

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Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland gegenüber dem Vorquartal (preis-, saison- und kalenderbereinigt) vom 2. Quartal 2015 bis zum 3. Quartal 2019

1,2 %

1,0 %

0,8 %

0,6 %

0,4 %

0,2 %

0 %

-0,2 %

-0,4%

Verä

nder

ung

BIP

Q2 Q3 Q4 Q2 Q3 Q4Q1 Q2 Q3 Q4Q1 Q2 Q3 Q4Q1 Q2 Q3Q1

2015Quartale: 2016 2017 2018 2019QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; DESTATIS

Grafik 6: Das BIP-Wachstum stagniert – keine Wachstumsimpulse zu erwarten

Es ist zu erwarten, dass die Wachstumsschwäche der deutschen Leitindustrien anhält – insbesondere die der Automobilproduktion. Jedenfalls haben die Verbände für das Jahr 2020 pessimistische Erwar-tungen geäußert. Der Verband der Automobilindus-trie (VDA) rechnet damit, dass 2020 der globale Absatzmarkt für Pkw noch einmal um 1 Prozent sinkt, nach einem Minus von 5 Prozent im Jahr 2019.9 Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) geht für 2020 von einem Produktionsrückgang in der deutschen Chemieindustrie von 0,5 Prozent aus.10 Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) prognostiziert sogar ein Produktionsminus von 2 Prozent.11

Für 2019 rechnen die Bundesregierung und der Internationale Währungsfonds (IWF) nur noch mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent. Auch für 2020 prophezeien sie ein mäßiges Wachstum (IWF: 1,2 Prozent, Bundesregierung: 1,0 Prozent).12

Schlechter sieht es aus, wenn allein die Industrie be-trachtet wird. Laut eines im November 2019 veröffent- lichten Berichts des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) steckt die deutsche Industrie seit dem dritten Quartal 2018 in einer Rezession.

Die Wachstumskrise wird sich fortsetzen

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Ein Grund für die Rezession in der Industrie: Die Aus-fuhren entwickeln sich schwach. Nach einem Export-wachstum von 6,2 Prozent im Jahr 2017 stiegen die Verkäufe ins Ausland 2018 nur noch um 3,0 Prozent.13 In den ersten neun Monaten 2019 fiel der Zuwachs sogar auf 0,9 Prozent zurück.14 Laut IWF wächst die Weltwirtschaft mit 3 Prozent im Jahr 2019 so schwach wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr.15

Deutschland trifft der Abschwung der Weltwirtschaft schwer, da hierzulande der Anteil der exportorien-tierten Industrie besonders hoch ist. Unter den 100 größten Unternehmen Deutschlands entfallen nach Marktkapitalisierung in 2018 rund 28 Prozent auf die Industrie. Zum Vergleich: In den USA sind es nur 6,1 und in China nur 6,7 Prozent.16 Mit 47 Prozent ist zudem die Exportquote der deutschen Wirtschaft sehr hoch.17

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Sektorgewichtung auf Basis der Marktkapitalisierung*: 2007 vs. 2018 (in Prozent)

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITAL IQ

* Marktkapitalisierung der Top100-Unternehmen, jeweils zum 31.12.** Traditionelle Industrie: Autobauer, Autozulieferer, Maschinen- und Anlagenbau, Stahl

Banken

Industrie**

ITK

Chemie/Pharma

Versicherungen

Energie

Andere

8,9 1,4 10,58,2

31,029,1

28,428,1

11,3 6,18,5

6,7 9,58,1

3,4 0,0 8,97,5

14,1

19,6

15,0 16,5

1,01,7

13,0 4,9 5,2 8,0

16,8

19,9 24,024,0

19,0

22,7

9,3 9,7

18,0 26,1

40,0

5,1

24,3

2007

2018

Deutschland

USA

China

26,5

Grafik 7: Auf Basis der Branchenanteile der Top100 dominieren in Deutschland unverändert die Industrieunternehmen

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Wo jetzt für Deutschland Handlungs- bedarf bestehtDie stark veränderte geopolitische Lage und die Digitalisierung haben zu neuen Rahmen- bedingungen im globalen Wettbewerb für die deutschen Top500 geführt.

Für die Wirtschaftspolitik und die Unternehmen ergibt sich nach Ansicht von Accenture in vier Feldern dringender Handlungsbedarf:

· Eine europäische Position im System- wettbewerb

· Neue Fähigkeiten, neue Geschäftsmodelle

· Ein wettbewerbsfähiger Finanzsektor

· Kulturwandel im Verständnis von Partner- schaften und Ökosystemen

2

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Der Begriff Systemwettbewerb, der vormals den Gegensatz von Markt- und Planwirtschaft beschrieb, erlebt aktuell eine Renaissance: Damit verbindet sich die Sorge, dass die hiesige Volkswirtschaft in der Konkurrenz mit den stark staatlich geprägten Ökonomien ins Hintertreffen gerät. Auch die USA sind heute in Zeiten von „America First“ weniger als früher auf rein marktwirtschaftliche Allokations-prozesse fokussiert. Die dritte Dekade dieses Jahr-hunderts ist also die eines neuen und substanziell anderen Wettbewerbs zwischen den Systemen. Die seit der industriellen Revolution vor 200 Jahren geltende wirtschaftliche, technologische und mili-tärische Überlegenheit des Westens ist erschüttert. Nun stehen wir vor einer Verschiebung und Aus-differenzierung von politischer Macht, die vor allem technologisch getrieben ist.

China baut die eigene Wirtschaft mit einer Misch-form aus markt- und staatswirtschaftlichen Elemen-ten auf. Zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten des Staates – unter anderem staatliche Förderungen – prägen das System, mit dem das Land zum High-techanbieter geworden ist und mittlerweile in einigen Branchen als Innovationschampion gilt. Zwischen dem Modell einer offenen und sozialen Marktwirtschaft und dem chinesischen Weg einer stark staatlich geprägten Wirtschaft besteht daher ein Systemwettbewerb, dessen zentraler Hebel die Technologiepolitik ist. Das Ziel der Technologie- politik ist es, Betriebssysteme und Datenströme zu kontrollieren, um in einer zunehmend digitalen Weltwirtschaft die Marktmacht zu steigern.

Das Neue ist, dass es sich nicht um einen Konflikt um Handel und Zölle handelt, sondern um einen Technologiekrieg, in dem der Wettbewerb zwischen digitalen Ökosystemen im Zentrum steht. Erfolg basiert zukünftig auf der Digitalisierung ganzer Wertschöpfungsnetzwerke, in denen Tausende von Unternehmen zusammenarbeiten.

Im Rahmen des Systemwettbewerbs werden Vorteile unter anderem durch protektionistische Handels-beschränkungen, die Wechselkurspolitik oder die Monopolisierung von Rohstoffen angestrebt. Die Anzahl der weltweiten Handelsbarrieren ist im Jahr 2018 erneut deutlich angestiegen, und zwar um gut 7 Prozent.18 Nicht zuletzt beweist der Handelskrieg zwischen den USA und China den Paradigmenwech-sel in der Weltwirtschaft.

Protektionismus ist eine gewaltige Herausforderung für die Top500. Die Abhängigkeit vom Handel mit den USA und China ist enorm. Diese Länder sind der wichtigste und der drittwichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen (vgl. Grafik 8).

Eine europäische Position im Systemwettbewerb

15Wo jetzt für Deutschland Handlungsbedarf besteht

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Rangfolge der wichtigsten Handelspartner Deutschlands nach Wert der Exporte im Jahr 2018 (in Mrd. €)

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; DESTATIS

0 20 40 60 80 100 120

USA

Frankreich

China

Niederlande

Vereinigtes Königreich

Italien

Österreich

Polen

Schweiz

Belgien

Tschechien

Spanien

Ungarn

Schweden

Russland

113,29

105,28

93,04

91,14

82,06

69,92

64,98

63,35

54,04

44,36

44,23

44,22

26,28

26,23

25,88

Exportvolumen in Milliarden Euro

Deutschland muss sich dringend fragen, welche Reaktion auf die staatswirtschaftlichen Tendenzen sinnvoll ist. Die deutsche Wirtschaftspolitik braucht eine eigene Position im Systemwettbewerb – und zwar eine, die auf Europa setzt. Nur zusammen können die Staaten der Europäischen Union den

Wirtschaftsmächten China und USA auf Augenhöhe begegnen. Für den europäischen Unternehmens-sektor sind dabei unternehmens- und branchenüber-greifende Kooperationen von zentraler Bedeutung – zum Beispiel für große digitale Infrastrukturprojekte.

Grafik 8: Derzeit hohe Unsicherheiten bei drei der Top-5-Handelspartner

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In Deutschland gibt es unter den Top500-Konzernen nach wie vor nur sehr wenige erfolgreiche Unter-nehmen, die innovative und auf Plattformen basie-rende Geschäftsmodelle aufgebaut haben. Diese wenigen Plattformunternehmen, wie zum Beispiel Zalando oder Wirecard, bleiben in der gegenwär-tigen konjunkturellen Schwächephase robust auf Wachstumskurs.

Solche Unternehmen sind allerdings bereits seit ihrer Gründung digitale Unternehmen. Aus Sicht der großen Traditionsunternehmen in den Top500 stellt sich eher die Frage: Wie kann die Transfor-mation zum digitalen Unternehmen angesichts der immensen Abhängigkeit von den bestehenden – bis-lang erfolgreichen – Geschäftsmodellen gelingen? Eine Option besteht darin, strategisch den Weg der Ambidextrie (Beidhändigkeit) zu wählen. Die Kon-zerne müssen jetzt Freiräume für Investitionen in neue Geschäftsmodelle schaffen, ohne dabei ihr profitables Bestandsgeschäft aufzugeben. Eine Vor-aussetzung dafür ist die Optimierung des Kernge-schäfts. Die Margen in den bestehenden Geschäfts-modellen müssen möglichst erhöht werden, um neue Investitionsspielräume zu schaffen.

Der erste Schritt, um neue Fähigkeiten für neue Businessmodelle aufzubauen, ist demnach die sorg-fältige Analyse aller Geschäftsfelder hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit und Profitabilität. Das Ziel ist, mit den freigesetzten Investitionsmitteln das Kerngeschäft um neue, zukunftsgerichtete Business-modelle zu erweitern. Schließlich gilt es, funktions-fähige neue Geschäfte zu skalieren.

Nach den erfolgreichen letzten Jahren – insbeson-dere 2016 und 2017 – hat die Automobilindustrie jedoch insgesamt zu zögerlich neue Geschäfts-modelle aufgebaut. Hersteller und Zulieferer fokus-sieren sich eher auf Investitionen, die die Produk-tion und Lieferung der Autos sicherstellen, als auf Innovationen in Zukunftsthemen wie das autonome Fahren. Die Analysen von Accenture zeigen, dass im Vergleich zum Investitionsverhalten deutscher Konzerne die Wettbewerber in den USA und in China deutlich mehr in das Neugeschäft und in Innovatio-nen investiert haben.19 Allerdings ist hierzulande ein Sinneswandel erkennbar, wie das von Volkswagen angekündigte Investitionsprogramm zeigt.20

Die Tendenz, Investitionen stärker auf das Tages- und Kerngeschäft zu fokussieren, ist ein Merkmal in der gesamten hiesigen Wirtschaft. Bislang haben nur die wenigsten der Top500-Konzerne ihr Alt- und ihr Neugeschäft erfolgreich ausbalanciert. Zudem wird derzeit mehr angekündigt als umge-setzt. Die Top500-Unternehmen brauchen daher eine Innovationsstrategie, die die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen, Synergiepotenziale zwischen Kern- und Neugeschäft sowie ein ausrei-chendes Volumen an Investitionsmitteln beinhaltet.

Neue Fähigkeiten, neue Geschäftsmodelle

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Der Finanzsektor stellt in Europa und auch in Deutschland zu wenig Kapital für Innovationen bereit. Das zeigt ein Vergleich mit den Venture- Capital-Investitionen in Nordamerika (113 Milliarden US-Dollar) und China (107 Milliarden US-Dollar). In Europa beliefen sich die Ausgaben 2018 nur auf 22 Milliarden US-Dollar, in Deutschland waren es sogar lediglich 1,4 Milliarden US-Dollar.21 Auch im innereuropäischen Vergleich investiert Deutschland unterdurchschnittlich viel Venture-Capital. Finnland oder Dänemark geben im Verhältnis zum Brutto-inlandsprodukt doppelt so viel Risikokapital aus wie Deutschland.22

Die schwache Ausstattung der deutschen Wirtschaft mit Risikokapital und der dramatische Bedeutungs-verlust des deutschen Bankensektors sind ein Problem. Aktuell befindet sich der Bankensektor in einer schwer aufzuhaltenden Abwärtsspirale. Die sinkenden Erträge führen zu rückläufigen Inves-titionen und diese wiederum zu schwindenden Chancen im Markt. Von 2014 bis 2018 haben die drei größten deutschen Geschäftsbanken (Deut-sche Bank, DZ Bank und Commerzbank) ihre Inves-titionen im Durchschnitt um neun Prozent im Jahr zurückgefahren.23

Ein wettbewerbsfähiger Finanzsektor

Grafik 9: Deutschland ist kein Investitionsland für Risikokapital

1,4

107,0

22,0

Venture-Capital-Investitionsvolumen (in Mrd. USD)

China

113,0

Nord-amerika

Europa

Deutsch-land

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; STATISTA; BVK

18

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Die deutschen Banken werden auch weiterhin Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Institute aus anderen Ländern haben zum Teil deutlich höhere Technologiebudgets zur Verfügung. So hat bei-spielsweise die Commerzbank für 2019 ein IT- Budget von 500 Millionen Euro angekündigt.24 JPMorgan verfügte im selben Jahr dagegen über ein IT-/Tech-Budget von 11,4 Milliarden US-Dollar.25 Eine leistungsfähige IT ist eine Voraussetzung, um die Industrie mit neuen digitalen Geschäfts-modellen zu unterstützen.

Wirklich starke, weltweit agierende Banken, die Unternehmen global und umfassend bei ihren Exportaktivitäten begleiten, gibt es in Deutschland nicht. Die Deutsche Bank und die Commerzbank

spielen international längst keine tragende Rolle mehr. Zusammen erreichen sie nur noch eine Markt-kapitalisierung von 22 Milliarden Euro. Bei Banken aus den 100 größten US-Unternehmen mit 1.070 Milliarden Euro und auch bei den Banken aus den Top100 Chinas mit 1.098 Milliarden Euro Markt- kapitalisierung sieht das deutlich anders aus.26 Es ist also in Deutschland nicht in erster Linie der ITK-Sektor – wie vielfach behauptet –, der die erste Halbzeit der Digitalisierung gegenüber der Konkur-renz aus den USA und aus China komplett verloren hat, sondern der Bankensektor, der den Anschluss verspielt hat.

-10

-5

0

5

10

15

20

-5 0 5 10 15 20

Umsatzveränderung vs. Investitionsveränderung (CAPEX): 2014–2018* (ausgewählte Industrien)

CAGR CAPEX** 2014–2018 (in %)

Automobilindustrie

Konsumgüter

Maschinen- und Anlagenbau

Elektronik und Hightech

ITK

Industrie, Rohstoffe und Ressourcen

Energieversorger

Banken*** CAGR Umsatz 2014–2018 (in %)

* n=135, da nicht für alle Unternehmen CAPEX verfügbar

*** Banken: Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank

** CAPEX (Capital Expenditures): Hiermit werden Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter bezeichnet, wie bspw. Maschinen, Gebäude, aber auch die Erstausrüstung, Ersatzteile, Rechnersysteme etc.

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITAL IQ Größe auf Basis der Umsatzerlöse in 2018

Dienstleistungen

Grafik 10: Die Automobilindustrie und der Maschinen- und Anlagenbau haben in den vergangenen Jahren die Investitionen deutlich angehoben

19Wo jetzt für Deutschland Handlungsbedarf besteht

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Der deutsche Finanzsektor muss sich daher wei-terentwickeln und der Industrie mehr Unterstüt-zung bieten. Er läuft Gefahr, die global agierenden Top500-Unternehmen nicht mehr ausreichend inter-national begleiten und finanzieren zu können. Heute sind innovative Unternehmen mit einem

hohen Bedarf an Kapital für Forschung und Entwick-lung weitgehend auf eigene Finanzierungsquellen angewiesen. Die wirtschaftspolitische Ausrichtung in Deutschland muss daher zwangsläufig den Ban-kensektor in die Reformagenda einbeziehen.

Vergleich der Marktkapitalisierung der Top100*: 2007 vs. 2018 (in Mrd. Euro)

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; CAPITAL IQ

Banken

Industrie**

ITK

123,6

-83 %

21,6 639,3

1,069,8834,2

1,097,6

393,9428,0

691,8

794,2

229,4252,6

128,8275,0

5.191,6

137,5

914,71.597,5

+67 % +32 %

+9 % +15 % +10 %

+114 % +225 % +565 %

* Marktkapitalisierung der Top100-Unternehmen, jeweils zum 31.12.** Traditionelle Industrie: Autobauer, Autozulieferer, Maschinen- und Anlagenbau, Stahl

2007

2018

Deutschland

USA

China

Grafik 11: Der Bankensektor in Deutschland spielt international keine Rolle

20

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Deutsche Unternehmen sind noch immer zögerlich, wenn es um den Aufbau von Ökosystemen für die Ent-wicklung und Skalierung digitaler Services geht. Dieses Silodenken ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass eine vertiefte Kompetenz in digitalen Geschäfts-modellen in den deutschen Top500 noch selten

ist.27 Wer erfolgreich datengetriebene Services und Geschäftsmodelle betreiben möchte, muss Entfaltungs-raum und eine kritische Größe zulassen. Ein einzelnes Unternehmen ist, auch wenn es groß ist, in den seltens-ten Fällen imstande, die neue Dynamik der digitalen Wirtschaft zu erfassen und sich darin zu orientieren.

Kooperationen bekommen deshalb im Zuge der Digitalisierung eine neue Qualität. Im Vergleich zu konventionellen Partnerschaften führt die Teilnahme an einem digitalen Ökosystem schnell zu tieferen Bindungen. Zudem verlaufen sie oft über traditio-nelle Branchengrenzen hinweg.

Viele Unternehmen suchen derzeit nach Partnern mit digitaler Kompetenz außerhalb ihrer Industrie. Prominente Beispiele für solche Partnerschaften sind die Kooperation zwischen Volkswagen und Microsoft28 bei der Automotive Cloud sowie die zwischen Volkswagen und Amazon Web Services bei der Industrial Cloud.

Digitale Ökosysteme können schon durch die Vernet-zung smarter Produkte entstehen. So zum Beispiel, wenn diese Produkte ihre Daten an eine Software-Plattform senden, um sie zu aggregieren und weiter-zuverarbeiten. Durch Virtualisierung können sich diese Plattformen sogar von der physischen Repräsentation lösen. Ein Beispiel ist der Digital Twin eines Triebwerks.

Ein Triebwerk lässt sich mit all seinen Funktionen virtuell abbilden, sodass Funktionstests digital genauso wie mit dem realen Produkt möglich sind.

Innerhalb digitaler Ökosysteme werden die dar-aus gewonnenen eigenen Daten nicht gebunkert, sondern über die Plattform offengelegt, um mehr Erkenntnisse für alle zu ermöglichen. So können aus Analysen größerer Datenmengen neue Geschäfts-modelle abgeleitet und umgesetzt werden29 und veredelte Daten über Serviceplattformen zur Grund-lage neuer Dienstleistungen heranreifen.

Geschäftsmodelle, die in digitalen Ökosystemen über Plattformen entwickelt werden, ermöglichen für die Teilnehmer sehr schnelle Skalierungen und bringen in der Folge hohe Margen. Es zeigt sich damit sehr deutlich, dass ein digitales Ökosystem mehr ist als die Summe seiner Teile. In der digitalen Wirtschaft stehen auf Dauer somit nicht mehr ein-zelne Unternehmen im Wettbewerb miteinander, sondern „lebendige“ Ökosysteme.

Kulturwandel im Verständnis von Partnerschaften und Ökosystemen

Kooperationen fördern in vielerlei Hinsicht die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle, zum Beispiel, um …

… eine kritische Masse an Daten zu erhalten, die notwendig ist, um markt-

relevante Smart Services zu entwi-ckeln und rentabel zu gestalten.

… an Agilität im Unter- nehmen zu gewinnen.

… neue Wachstums- und Wertschöp-fungsperspektiven zu schaffen,

indem von anderen Unternehmen andere Arbeitsweisen erlernt werden.

21Wo jetzt für Deutschland Handlungsbedarf besteht

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Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarkt- führerschaft von morgenIm Zuge der Digitalisierung entwickeln sich neue Wert-schöpfungsketten in allen Industrien. In weiten Teilen der deutschen Wirtschaft gilt es, neue Wege zu beschrei-ten, um die Spitzenstellungen in der jeweiligen Branche zu behalten.

Insbesondere geht es darum, auch im digitalen Zeitalter Innovationsführer zu bleiben. Dazu gehören mutige Ent-scheidungen zum Aufbau neuer, innovativer Geschäfts-modelle. Die gegenwärtigen Herausforderungen kann die Wirtschaft in Zeiten des Systemwettbewerbs aber nicht allein bewältigen. Auch der Staat muss ein höheres Ambitionsniveau erreichen. Die Top500 brauchen einen Staat, der als Leitanwender neuen Technologien zum Durchbruch verhilft und Rahmenbedingungen schafft, in denen sie ihren internationalen Stellenwert im Wett- bewerb erhalten können.

3

22

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Accenture beschreibt vier wichtige Bausteine, die eine wesentliche Grundlage dafür sein können, die Weltmarktführerschaft in den deutschen Leitindustrien zu sichern:

· Vision für die Plattformökonomie in unseren Leitindustrien

· Von Innovation zu Transfer und Skalierung

· Digital by Default: Der Staat als Leitanwender für digitale Infrastruktur

· Europäische Souveränität bei der Nutzung digitaler Infrastrukturen aus den USA und China

23Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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In Zukunft wird es kaum noch Produkte geben, die ohne digitale Services wettbewerbsfähig bleiben. Die Wertschöpfungspotenziale liegen dabei immer mehr in Services, mit denen sich herkömmliche Produkte zu „Smart Products“ veredeln lassen. Diese Services liefern Daten als Grundlage für per-manente Optimierungen des Kundennutzens und der Herstellungsprozesse. Je mehr Daten verfügbar sind, desto besser gelingen diese Optimierungen.

Aus diesem Grund sind Ökosysteme, die den Betrieb ihrer Smart Products über Plattformen bündeln, einzelnen Unternehmen prinzipiell überlegen. Sie verfügen aufgrund der schieren Größe über mehr Informationen, um Kundenwünsche oder Betriebs-abläufe besser zu verstehen.

Die Plattform wird damit zur zentralen Kunden-schnittstelle und zum Orchestrator der Wertschöp-fungskette. Nur wenn sich die deutschen Leitindus- trien an Plattformen beteiligen, verteidigen sie ihre Topposition im globalen Wettbewerb. Industrie-konzerne aus den Top500 müssen sich also zum Ziel setzen, Ökosysteme aufzubauen, um eigene Platt-formen zu entwickeln und am Markt durchzusetzen.

Grundsätzlich stehen die Topmanager der Platt-formökonomie aufgeschlossen gegenüber. Einer Umfrage zufolge sehen deutsche Industrieunterneh-men in erster Linie mehr die Chancen (45 Prozent) als die Risiken (30 Prozent) von Plattformen. Jedes dritte Unternehmen will 2020 seine Investitionen in Plattformen steigern.

Sehen Sie digitale Plattformen eher als Chance oder eher als Risiko für Ihr Unternehmen?

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; BITKOM n=502, deutsche Industrieunternehmen

18 %

30%45%

Eher als Risiko

12 %Ausschließlich als Risiko

22%Keine Auswirkungen auf das Unternehmen

3 %Weiß nicht/k. A.

29 %Eher als Chance

16 %Ausschließlich als Chance

Wie sich eine unternehmensübergreifende Plattform etablieren lässt, zeigte die europäische Luftfahrtindustrie schon Ende der 1980er-Jahre. Air France, Iberia, SAS und die Deutsche Lufthansa hatten damals das Flugreservierungssystem Amadeus gegründet, um die US-amerikanische Dominanz auf diesem Markt zu brechen. Mit Erfolg: Im Jahr 2002 stieg Amadeus zum Weltmarktführer auf.

Visionen für die Plattformökonomie in unseren Leitindustrien

Grafik 12: Bei Unternehmen dominieren die Chancen und Perspektiven digitaler Plattformen

24

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In den Branchen Fahrzeugbau, Maschinen- und Anla-genbau sowie Medizintechnik gibt es erstklassige Aussichten, dieses Ziel zu erreichen. Mit den Betriebs-daten von etwa einer Milliarde Anlagen, Maschinen und Geräten deutscher Hersteller verfügen die Top500-Unternehmen über einen ungeheuren Start-vorteil. Wenn sie die physische Welt mit der Datenwelt verbinden, kann Deutschland global seine Spitzen-position in den Leitindustrien verteidigen. Entschei-dend ist der Betrieb der physischen Welt.

Doch das Topmanagement der großen deutschen Industrieunternehmen muss jetzt die Weichen für die künftige Spitzenposition in den jeweiligen Märkten

stellen. Der Weg zu diesem ambitionierten Ziel führt über die Transformation der Industrie zu einer Pro-dukt-plus-Service-Ökonomie. Statt wie früher ein Produkt zu verkaufen, lautet das zentrale Paradigma: Everything as a Service.

Produkt und Service mit einem neuen Wertever-sprechen zusammenzuführen, ist der Schlüssel für die Entwicklung neuer, innovativer Geschäfts-modelle. Damit ist nicht mehr nur die Qualität des Produkts wettbewerbsentscheidend, sondern der Ehrgeiz, das gegenüber dem Kunden getätigte Werteversprechen umzusetzen. Hierin liegt die große Chance der Differenzierung.

Wie entwickeln sich die Investitionen Ihres Unternehmens in digitale Plattformen?

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; BITKOM n=502, deutsche Industrieunternehmen

2 %Habenabgenommen

6 %Weiß nicht/k. A.

55 %Haben zugenommen

37 %Sind unverändert geblieben

8 %Werdenabnehmen

4 %Weiß nicht/k. A.

34 %Werden zunehmen

54 %Bleiben unverändert

Investitionen2020

Investitionen2019

Grafik 13: Jedes dritte Unternehmen wird 2020 Investitionen in Plattformen ausbauen

Intelligente Produkte, smarte Dienstleistungen und Leistungs- versprechen im Betrieb sind die Chancen der deutschen Industrie

Intelligente Produkte & Produktion

IntelligenteDienste

Neue Geschäftsmodelle

NeuerWert

25Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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Der Erfolg neuer Geschäftsmodelle hängt in der digi-talen Welt mehr denn je von der Skalierung ab. Um Daten zu aggregieren und das Potenzial der Verwer-tung zu maximieren, müssen die Top500 technische und strategische Voraussetzungen für die Plattform-ökonomie schaffen. Denn Plattformen spielen eine entscheidende Rolle beim Orchestrieren der Daten-welt und damit für die Skalierung von Geschäfts-modellen. Viele der von deutschen Unternehmen eingeführten Plattformen erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen, um alle Potenziale der Skalierung zu erschließen. Vielfach sind sie nicht offen für den Eintritt weiterer Unternehmen. Außerdem sind sie nur einseitig und nicht mehrseitig strukturiert.30 Das heißt: Diese Plattformen ermöglichen nur die Kommunikation zwischen dem Plattformbetreiber und den Anwendern, nicht aber den Austausch der Anwender untereinander.

Um die Wettbewerbsfähigkeit von Plattformen im digitalen Zeitalter zu gewährleisten, ist der Einsatz neuer Technologien, wie zum Beispiel der Künst-lichen Intelligenz (KI), notwendig. In diesem Bereich zeigen deutsche Unternehmen eine starke Aktivität: Im Rahmen einer Umfrage von Accenture gaben 88 Prozent der befragten Führungskräfte deutscher Unternehmen an, zumindest in einer der aufstre-benden Technologien (Blockchain, Künstliche Intel-ligenz, Extended Reality, Quantencomputing) ein Pilotprojekt gestartet oder aber in mindestens einer Geschäftseinheit implementiert zu haben.31

Zu den Kernaufgaben der Top500-Unternehmen gehört es nun, die Investitionsspielräume für neue Geschäftsmodelle auf Basis von Zukunftstechno-

logien zu erweitern. Zuletzt war ein verstärkter Trend zum Umbau neuer Geschäftsmodelle zu beobachten.32

Bitte geben Sie für jede der folgenden neuen Technologien den Stand der Einführung in Ihrem Unternehmen an:

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; TECHVISION, 2019 Global n=6672; Deutschland n=329

KünstlicheIntelligenz

Distributed Ledgers/Blockchain

ExtendedReality

7%

22%

25%

24%

18%2%

12%

21%

23%

23%

18%3%

9%

23%

27%

23%

15%3%

15%

16%

32%

21%

13%4%

11%

24%

27%

22%

13%3%

18%

17%

33%

19%

10%3%

Evaluierung oder Pilotprojekt geplant

Keine Implementierung geplant

Weiß nicht

In mehreren Bereichen implementiert

In einem Bereich implementiert

Pilotprojekt

Global

Deutschland

Grafik 14: 88 % der Firmen in Deutschland experimentieren aktuell mit neuen Technologien

26

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Welche Hemmnisse sehen Sie beim Einsatz von Industrie-4.0-Anwendungen in Ihrem Unternehmen(in Prozent, Mehrfachnennungen möglich)?

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; BITKOM

Fehlender Rechtsrahmen

Störanfälligkeit der Systeme

Fehlende Standards

Fehlende Akzeptanz in der Belegschaft

Hohe Investitionskosten

Anforderungen an den Datenschutz

Anforderungen an die Datensicherheit

Mangel an Fachkräften

Komplexität des Themas

0 10 20 30 40 50 7060

66

65

61

55

49

39

38

24

23

Um Weltmarktführer zu sein, müssen deutsche Industrieunternehmen auch Innovationsführer blei-ben. Dazu müssen sie den Dreiklang aus Innovation, Transfer und Skalierung beherrschen. Dieser Drei-klang wird – getrieben durch China – eine zweite Welle der Digitalisierung auslösen. In puncto Inno-vation hat der Standort Deutschland auch dank zahlreicher leistungsfähiger wissenschaftlicher Institute traditionell viel zu bieten. Schwer fällt es, die Erfindungen von der Wissenschaft in die Indus-trie zu transferieren und daraus Produkte mit marktfähigen Geschäftsmodellen zu gestalten.

Heute muss das Zusammenspiel von Innovation, Transfer und Skalierung im Zuge der digitalen Transformation und der Entwicklung datengetrie-bener Geschäftsmodelle neu definiert werden.

INNOVATION: Um die Daten für datengetriebene Geschäftsmodelle zu generieren, braucht es neue Architekturen für Smart Products. Die notwendige Innovationsleistung besteht darin, intelligente Geräte und Maschinen zu entwickeln, die auf die Plattformökonomie ausgerichtet sind und mithilfe von Software und Daten permanent neue Fähigkei-ten erhalten können. TRANSFER: Die über Smart Products gewonnenen Daten müssen aggregiert und analysiert werden, um daraus schließlich neue Werteversprechen und neue Geschäftsmodelle ableiten zu können.33

SKALIERUNG: Was Massenproduktionsvorteile in der klassischen Industrie erreichen konnten, schaf-fen in der digitalen Wirtschaft Plattformen, die das Ökosystem skalieren und noch mehr Daten aggre-gieren können.

Von Innovation zu Transfer und Skalierung

Grafik 15: Hohe Investitionskosten und Sorgen um den Datenschutz stellen die größten Hemmnisse beim Einsatz von Industrie 4.0 dar

27Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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Bislang befindet sich die Nutzung der neuen digita-len Technologien für innovative Geschäftsmodelle jedoch erst im Anfangsstadium. Viele Unternehmen vernetzen bereits Maschinen und Haushaltsgeräte, nutzen aber nicht die damit erzeugten Daten.

Insbesondere die hohen Investitionskosten sowie die Anforderungen an den Datenschutz hemmen die Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle.34

Dass deutsche Unternehmen Investitionskosten für die größte Herausforderung für Industrie 4.0 ansehen, lässt auf eine Bedeutung der Innovations-finanzierung für Erfolge in der Plattformökonomie schließen. Traditionell ist die Innovationsfinanzie-rung in Deutschland in einem stark bankenorien-tierten System angesiedelt. Angesichts des zuneh-menden Bedeutungsverlusts der großen deutschen Kreditinstitute ist die starke Abhängigkeit von Ban-ken problematisch. Alternative Finanzierungsquellen stehen nur in einem sehr begrenzten Ausmaß zur Verfügung. Innovationsprojekte sind immer von einer hohen Unsicherheit hinsichtlich des künftigen Erfolgs und eines geringen Anteils an Sachanlagen geprägt. Ein Umstand, der externer Finanzierung über Bankkredite entgegensteht.

So lassen sich zum Beispiel Investitionen in die digi-tale Transformation nicht besichern – das betrifft die Einführung neuer Prozesse oder den Zugewinn an digitalem Wissen. Banken müssen hier mehr Unter-stützung bieten.

Dazu müssen sie mangels fehlender Sicherheiten die jeweiligen Geschäftsmodelle der Unternehmen sowie deren Digitalisierungsprojekte genau beurteilen können. Hier haben insbesondere deutsche Mittel-ständler aufgrund ihrer geringeren Projektgrößen Nachteile, da sich der Aufwand aufseiten der Bank nur bei größeren Volumina rechtfertigen lässt. Die Schwäche der Banken in Deutschland hemmt somit auch die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft.

Insbesondere in der Phase der Skalierung sind wachstumsstarke Unternehmen oft auf Kapital aus dem Ausland angewiesen, sodass der Gesell-schafterkreis international wird. Ein Beispiel ist Auto1.com. Die Plattform für den Gebrauchtwagen-handel gehört in der deutschen Digitalwirtschaft zu den Unternehmen mit der höchsten Bewertung und zählt mit einem Umsatz von 2,9 Milliarden Euro (2018) bereits zu den deutschen Top500. Von den knapp 900 Millionen Euro, die das Unternehmen in Finanzierungsrunden eingesammelt hat, stammt ein Großteil von ausländischen Investoren, darunter die Softbank aus Japan (460 Millionen Euro), JPMorgan aus den USA und DN Capital, eine internationale Risikokapitalgesellschaft mit Hauptsitz in London.35 Weitere Beispiele für Start-ups, deren Skalierung ausländische Investoren stark vorantreiben, sind BioNtech, N26 und FlixMobility.

28

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29Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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Bei der Skalierung von innovativen Technologien und Geschäftsmodellen sowie beim Aufbau digita-ler Infrastruktur kann auch der Staat eine wichtige Rolle übernehmen – insbesondere, indem er stärker, teils schon vorher, als Leitanwender auftritt. Wenn der Staat mit seinen fünf Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst konsequent die digitale Trans-formation vorantreibt, wird er zum Schrittmacher für die gesamte Gesellschaft. Er kann dazu beitragen, die Akzeptanz für digitale Dienste zu vergrößern und Investitionen gezielter zu steuern.

In dieser Hinsicht sind die Potenziale des Staates enorm. Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Stellen in Deutschland liegt bei etwa 350 Milliarden Euro.36 So lässt sich zum Beispiel bei der Bundeswehr, der Polizei, im Bildungssektor oder bei der Bahn

zeigen, wie mit hoher Innovationskraft schnelle Transferleistungen und massive Skalierung funktio-nieren. Auf diese Weise kann Deutschland die Wei-chen für eine bessere digitale Infrastruktur stellen.

Wenn sich die deutsche Politik nicht in diese Rich-tung bewegt, besteht die Gefahr, dass sich dies auf das Land auswirkt. Die fehlende Geschwindigkeit in der Digitalisierung hierzulande ist unter ande-rem darauf zurückzuführen, dass die Verwaltung ihre Transformation nicht schnell genug vorlebt. Ein Vergleich mit anderen EU-Staaten macht den Handlungsbedarf beim E-Government deutlich: Nur Ungarn, Kroatien, Griechenland und Rumänien haben die Modernisierung der Verwaltung bisher noch weniger vorangetrieben als Deutschland.37

0 20 30 40 50 6010 70 0 20 30 40 50 6010 70

Spanien

Estland

Finnland

Lettland

Niederlande

Irland

Litauen

Schweden

Österreich

Dänemark

Portugal

Malta

Frankreich

Vereinigtes Königreich

Europäische Union

Luxemburg

Zypern

Belgien

Slowenien

Italien

Polen

Tschechien

Bulgarien

Slowakei

Deutschland

Ungarn

Kroatien

Griechenland

Rumänien

67,0

66,1

65,7

65,3

65,3

64,8

64,7

63,5

62,9

61,9

61,4

57,8

57,6

55,7

55,5

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; EUROPÄISCHE KOMMISSION (DESI) E-Government Index

54,7

54,6

54,6

52,9

50,0

49,9

49,0

48,5

48,4

42,8

41,7

41,3

38,6

55,4

Der E-Government Index ist eine Sub-Dimension des Digital Economy and Society Index. Er misst den digitalen Fortschritt der öffentlichen Verwaltung (in Indexpunkten).

Digital by Default: Der Staat als Leitanwender für digitale Infrastruktur

Grafik 16: Deutschland beim E-Government 2019 deutlich abgeschlagen

30

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Der Grund für den Rückstand: In der Verwaltung fehlen Strukturen und Fähigkeiten für eine schnelle digitale Transformation sowie für die Skalierung wegweisender Maßnahmen. Viele wünschen sich zudem eindeutigere politische Vorgaben, die als klare Vision die Richtung weisen. Der Staat setzt Pläne für die Digitalisierung aller föderalen Ebenen nicht um. Die diversen angestoßenen Initiativen ent-falten ihre Wirkung zu langsam und müssten stärker über alle Ministerien hinweg koordiniert werden.

Beispiele für Projekte, die der Staat sehr viel ent-schlossener und zielstrebiger anstoßen und beglei-ten könnte, gibt es viele – insbesondere im Bereich der Digitalisierung. Weder der Breitbandausbau, noch die Gesundheitskarte, der neue Personal-ausweis oder das Bürgerportal erfüllten anfangs die Bürgererwartungen. Zwar waren alle Initiativen richtig gedacht und lösten große Hoffnungen aus, doch die Umsetzung war am Ende zu oft gebremst, u. a. durch Datenschutzbedenken. Das hat zur Folge, dass die digitale Infrastruktur in Deutschland so schwach ausgebaut ist, dass viele Innovationen, die potenziell darauf aufbauen könnten, schlicht nicht realisierbar sind.

Der Staat versucht zwar bereits, ambitionierte Infrastrukturprojekte effizient umzusetzen. Es gibt allerdings kaum öffentliche Infrastrukturprojekte, die gemäß dem vorgegebenen Zeitplan und Budget realisiert werden.

Dabei ist eine funktionierende digitale Infrastruktur die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Digi-talisierung der deutschen Unternehmen und damit auch für ihre künftige globale Wettbewerbsfähig-keit. Wenn weiterhin so viele Weltmarktführer aus Deutschland kommen sollen wie bisher, müssen Bund, Länder und Kommunen den Ausbau der digitalen Infrastruktur dramatisch beschleunigen.

In ländlichen Regionen, in denen viele deutsche Hidden Champions ihren Sitz haben, hemmen leistungsschwache Datennetze oftmals die Unter-nehmensentwicklung. Auch der Agrarsektor kann viele digitale Innovationen nicht anwenden, weil keine Breitbandnetze verfügbar sind. In einer aktu-ellen Umfrage des BITKOM gaben 80 Prozent der befragten deutschen Unternehmen an, dass sie sich mehr Unterstützung der Politik beim Thema Breit-bandausbau wünschen.38

In welchen Bereichen sich Unternehmen mehr Unterstützung vonseiten der Politik wünschen(in Prozent, Mehrfachnennung möglich):

80 %67 %

56 %

29 %

BessererBreitbandausbau

Fachkräftesuche PraxistauglicherDatenschutz

Mehr Forschungs-investitionen

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; BITKOM n=555, deutsche Industrieunternehmen

Grafik 17: Deutschland muss seine digitalen Hausaufgaben machen

31Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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Auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirt-schaft belegt, dass deutsche Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit vorrangig durch eine mangel-hafte Infrastruktur (vor allem Straßen- und Kommu-nikationsnetze) erschwert sehen. Besonders stark wirken sich die infrastrukturellen Probleme im Dienstleistungssektor und im Baugewerbe

aus – jeder fünfte Betrieb fühlt sich hier derzeit deutlich beeinträchtigt. Knapp drei Viertel aller deutschen Firmen beklagen die unzureichenden Kommunikationsnetze hierzulande. Dabei hat sich die Stimmung seit 2013 erheblich verschlechtert. Damals bemängelte erst gut die Hälfte der Firmen die vorhandene Ausstattung.39

Beeinträchtigung der aktuellen Geschäftsabläufe von deutschen Unternehmen im Frühjahr 2018 und im Herbst 2013 durch Infrastrukturmängel (Angaben in Prozent der befragten Unternehmen):

QUELLEN: ACCENTURE RESEARCH; INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT Deutliche Beeinträchtigung Geringe Beeinträchtigung

Luftverkehr

Schiffsverkehr

Straßenverkehr 2013

2018

Kommunikationsnetz 2013

2018

Energieversorgung 20132018

Schienenverkehr2013

2018

2013

2018

2013

2018

0 10 20 30 40 50 7060 80

23 41

28 4415 39

4 24

6 195 16

3 16

3 12

2 12

2 10

14 29

30 42

Grafik 18: Digitale Infrastrukturen sind ein Wettbewerbsfaktor – Deutschland fällt weiter zurück

32

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Digitale Infrastruktur ist ein wesentlicher Erfolgs- faktor für die Weltmarktführerschaft von morgen. An der Spitze des Wettbewerbs werden zunehmend nur noch Unternehmen stehen, die marktführende Plattformen auf der Basis digitaler Plattformen anbieten können. Von großer Bedeutung sind ins-besondere Cloud-Infrastrukturen, flächendeckende und schnelle Datennetze, Datenmarktplätze und eine sichere Identitätsinfrastruktur.

Europäische Unternehmen spielen auf der Seite der Anbieter für digitale Infrastrukturen nur eine unter-geordnete Rolle. US-amerikanische und chinesische Konzerne haben die Skalierung mit hohen und mutigen Investitionen am weitesten getrieben. Sie verfügen bereits über einen immensen Vorsprung.

Insofern wird es für europäische Projekte nicht ein-fach, zu den Weltmarkführern unter den Infrastruk-turanbietern aufzuschließen. Verdeutlichen lässt sich das Dilemma anhand der Europa-Cloud Gaia-X, eines von der Bundesregierung angetriebenen Projekts, das deutschen und europäischen Unter-nehmen eine unter vertrauenswürdigen Bedingungen agierende Datenplattform bieten will.

Die Initiative ist grundsätzlich begrüßenswert. Bis-lang gibt es keinen europäischen Cloud-Anbieter, der im globalen Rahmen relevant ist. Aufgrund der immensen und wachsenden Bedeutung digitaler Infrastrukturen müssen aber Datensouveränität und Datenverfügbarkeit in Europa gewährleistet sein. Im Krisenfall dürfen Infrastrukturen von Unter-nehmen aus anderen Wirtschaftssystemen nicht einfach abgeschaltet werden können. Doch genau das ist zu befürchten – angesichts zunehmender protektionistischer Maßnahmen und Handelskriege in der jüngeren Vergangenheit.

Andererseits können Unternehmen auf das Know-how der ausländischen Internetgiganten, die bereits viele Milliarden Dollar in ihre Cloud-Lösungen gesteckt haben, kaum verzichten. Denn in einer nicht wettbewerbsfähigen Cloud-Infrastruktur kann keine global marktführende Plattform entstehen.

Die Bundesregierung hat das Thema der digitalen Souveränität auf der Agenda. So hat das Bundes-ministerium des Innern eine Marktanalyse in Auf-trag gegeben, um die Folgen der Abhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von kommerziellen Soft-wareanbietern zu untersuchen. Nach der Veröffentli-chung der Ergebnisse erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer die digitale Souveränität der öffent-lichen Verwaltung zu einem Schwerpunktthema der nächsten Jahre.

Kurzum: Auf die Technologien der wichtigsten Anbieter aus anderen Wirtschaftssystemen zu ver-zichten ist aus europäischer Sicht schwierig. Daher muss nach Möglichkeiten geforscht werden, wie sich eine Souveränität auch bei der Nutzung solcher Infrastrukturen gewährleisten lässt. Im Fall von Cloud-Lösungen wäre zu prüfen, ob Rechenzentren sicher sind, wenn sie auf europäischem Boden ste-hen und ihre Daten auf hiesigen Servern gespiegelt werden, die unter dem hoheitlichen Schutz deut-scher oder europäischer Behörden stehen.

Europäische Souveränität bei der Nutzung digitaler Infrastrukturen aus den USA und China

33Titelverteidiger: Bausteine der Weltmarktführerschaft von morgen

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Fazit … und ein-fach mal machen! Von großen Ankündigungen zur Umsetzung ambitionierter PläneEine schwache digitale Infrastruktur, zu wenig Plattformunternehmen von internationalem Format, zu wenig unternehmens- und branchenübergreifende Kooperationen für wegweisende Digitalprojekte – zum Ende der 2010er-Jahre liest sich die Erfolgsbilanz der digitalen Transformation in Deutschland wenig schmeichelhaft. Bislang wurde viel angekündigt – und wenig umge-setzt. Und die Zeit wird knapp: China ist mittlerweile Schrittmacher im Aufbau von unternehmensübergrei-fenden digitalen Ökosystemen, die den Wettbewerb im 21. Jahrhundert bestimmen werden.

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Accenture sieht vor allem sechs Bausteine, mit denen sich die ins Stocken geratene Digitalisierung wieder vorantreiben lässt und deutsche Konzerne auf Welt-marktführer-Kurs bleiben:

1. Unternehmertum 2. Ambition3. Strategie 4. Digitale Infrastruktur5. Ökosysteme 6. Plattformen

35Fazit

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1. UNTERNEHMERTUM Um neue, innovative digitale Geschäftsmodelle zu etablieren, benötigen die Top500-Konzerne in ihren Spitzengremien und Führungsetagen neuen unter-nehmerischen Mut und mehr Digitalkompetenz. Nur wenige Spitzenmanager gehen das Risiko ein, dem Aufsichtsrat umfangreiche Digitalisierungspro-gramme vorzuschlagen, denn nur wenige Gremien haben die Kompetenz und den Mut, ambitionierten Vorhaben zuzustimmen. Die Top500 brauchen daher eine Kompetenzoffensive in den wichtigsten Unternehmensgremien. Auch müssen sie jungen, digitalaffinen Talenten mit Macherqualitäten eine Chance zur Umsetzung geben.

2. AMBITION In vielen Unternehmen fehlt die Ambition, Digital-projekte in größeren Maßstäben zu denken, zu skalieren und die Disruption von Märkten in Angriff zu nehmen. Stattdessen lässt sich das Manage-ment von einigen wenigen funktionierenden Piloten blenden. Oft werden Hunderte von Pilotprojekten losgetreten – allerdings nur isoliert voneinander. Laut einer Studie von Accenture wurden vier von fünf Projekten abgebrochen, erzielten also keine befriedigenden Resultate.40 Ein Fünftel der Projekte verlief zwar zufriedenstellend, es blieb jedoch bei „Inselpiloten“. So bleiben Puzzlestücke übrig ohne Aussicht auf Skalierung und hohe Ergebnisbeiträge. Eine ambitionierte Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen setzt eine starke Vision für das Unternehmen voraus.

3. STRATEGIE Der Kern von Konzernstrategien in Zeiten der digitalen Transformation heißt Ambidextrie. Das bestehende Geschäft muss optimiert werden und profitabler sein, um die maximalen Spielräume für Investitionen in neue digitale Geschäftsmodelle zu eröffnen. Eine ambitionierte Unternehmensstrategie

sollte zudem einen gesellschaftlichen Nutzen zum Ziel haben, um Mitarbeiter und Kooperationspart-ner von der Aufgabe zu begeistern und auch mehr Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Sektor zu finden. Der Wille zu unternehmens- und branchenübergreifenden Kooperationen ist zudem wichtiger Bestandteil einer auf digitale Transformation ausgerichteten Strategie. Im Alleingang sind viele bahnbrechende Geschäftsmodelle in der digitalen Welt kaum noch umzusetzen.

4. DIGITALE INFRASTRUKTUR Die digitale Infrastruktur ist die Voraussetzung dafür, um Weltmarktführer mit digitalen Geschäftsmodellen zu sein und an der Spitze der Wertschöpfungskette zu bleiben. Cloud-Lösungen, Identitätssysteme, digitale Marktplätze sowie schnelle Datennetze und -Infrastruktur sind entscheidende Wettbewerbs-faktoren in der Plattformökonomie.

5. ÖKOSYSTEME Top500-Konzerne, die ambitionierte Unternehmens-strategien verfolgen wollen, müssen den Transfer von Innovationen in Geschäftsmodelle und deren anschließende Skalierung beherrschen. Zu den Kernkompetenzen der Skalierung gehört der Aufbau von Ökosystemen in digitalen Infrastrukturen. Darin lassen sich mehr Daten generieren und analysieren und für ein tieferes Kundenverständnis nutzen.

6. PLATTFORMEN An der Spitze des Wettbewerbs stehen in der digita-len Welt die Unternehmen, die eine marktführende, offene und mehrseitige Plattform etabliert haben. Google, Apple, Facebook und Amazon haben in B2C-Märkten vorgemacht, welcher Weg dorthin führt. Die deutschen Top500-Konzerne haben nun die Chance, in ihren jeweiligen B2B-Märkten die ent-sprechenden Weichen zu stellen.

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Die Top500 brauchen also ein neues Ambitions-niveau. Das heißt: Sie brauchen den Mut, ihre Geschäftsmodelle ganz neu zu denken, um ihre Position in der Plattformökonomie zu finden. Dazu gehört, den Transfer von Innovationen in neue Geschäftsmodelle erheblich zu beschleunigen und neue Fähigkeiten in der Skalierung herauszubilden. Allein werden aber auch große Konzerne heute oft-mals keine relevanten digitalen Infrastrukturen oder ambitionierten digitalen Geschäftsmodelle mehr skalieren können. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zur unternehmens- und branchenübergreifenden Kooperation sind daher fundamentale Voraussetzun-gen für die Weltmarktführerschaft von morgen.

Accenture hat in dieser Studie aufgezeigt, welchen Weg die Top500 einschlagen müssen, um Märkte weiterhin anführen zu können. Große Ankündigun-gen reichen dafür nicht aus. Die Umsetzung von ambitionierten Plänen ist jetzt gefragt. Also: einfach mal machen!

37Fazit

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1 Accenture Research2 Accenture, Aus Innovationen Werte schaffen, 20193 https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/volkswagen-vw-schafft-neue-software-einheit-mit-

5000-digital-experten-a-1272948.html; https://www.volkswagenag.com/de/news/2019/06/volkswagen-with-new-software-unit.html

4 https://www.volkswagenag.com/de/news/2019/03/volkswagen-and-amazon-web-services-to-develop-industrial-cloud.html 5 https://www.manager-magazin.de/digitales/it/volkswagen-investiert-bis-2020-60-milliarden-euro-in-elektromobilitaet-

a-1296711.html6 https://www.daimler.com/innovation/case/autonomous/autonomous-technology-group.html7 https://www.automobil-produktion.de/hersteller/wirtschaft/daimler-setzt-voll-auf-elektro-investition-von-10-mrd-

euro-290.html8 https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/daimler-und-bmw-bilden-allianz-bei-roboterautos-und-

autonomen-fahren-a-1255576.html9 https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/191104-mattes-politik-muss-automobilstandort-Deutschland-jetzt-wett-

erfest-machen.html10 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/vci-prognose-warum-die-chemie-kriselt-und-das-ein-fruehwarnsig-

nal-fuer-die-gesamte-wirtschaft-ist/25295010.html11 https://www.vdma.org/v2viewer/-/v2article/render/4172159312 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/wirtschaftliche-entwicklung.html13 Destatis: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/02/PD19_047_51.html14 Destatis: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/11/PD19_430_51.html15 Handelsblatt vom 18.10.2019, Seite 116 Accenture Research17 Destatis18 https://www.vdma.org/v2viewer/-/v2article/render/3585549519 Accenture Research20 https://www.volkswagenag.com/de/news/stories/2018/11/e-mobility-and-autonomous-driving-volkswagen-

invests-billions.html21 BVK, statista22 statista23 Accenture Research24 Commerzbank Jahresabschluss 2018: https://www.commerzbank.de/media/aktionaere/service/archive/konzern/2019_1/

Geschaeftsbericht_2018_AG_DE.pdf25 JPMorgan: https://www.jpmorganchase.com/corporate/news/stories/tech-investment-could-disrupt-banking.htm26 Accenture Research27 Titelverteidiger – Wie die deutsche Industrie ihre Spitzenposition auch im digitalen Zeitalter sichert, 201928 https://news.microsoft.com/de-de/volkswagen-und-microsoft-treiben-zusammenarbeit-bei-automotive-cloud-voran/29 Titelverteidiger - Wie die deutsche Industrie ihre Spitzenposition auch im digitalen Zeitalter sichert, 201930 Accenture: Top 500 – Götterdämmerung, 201931 Accenture, TechVision, 201932 Heidelberger Druck: https://www.heidelberg.com/global/media/de/global_media/investor_relations/annual_general_

meeting_1/2019_32/190725_agm_presentation.pdf Mann + Hummel: https://www.mann-hummel.com/de/kompetenzfelder/produktmarken/senzit/ https://www.etventure.de/blog/etventure-und-putzmeister-entwickeln-digitale-geschaeftsmodelle-fuer-die- baubranche/

33 Titelverteidiger – Wie die deutsche Industrie ihre Spitzenposition auch im digitalen Zeitalter sichert34 BITKOM35 https://www.gruenderszene.de/automotive-mobility/auto1-zahlen-2018?interstitial36 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Monatsbericht/Monatsbericht-Themen/2017-03-innovative-

beschaffung.pdf?__blob=publicationFile&v=837 Europäische Kommission: https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/policies/egovernment38 BITKOM: https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019-04/bitkom-pressekonferenz_industrie_4.0_01_04_2019_

prasentation_0.pdf39 Institut der deutschen Wirtschaft: https://www.iwd.de/artikel/infrastrukturmaengel-in-deutschland-belasten-

unternehmen-397286/40 Ein neuer Weckruf zur Digitalisierung, Accenture, 2019

Referenzen

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