DEUTSCHLANDFUNK Hintergrund Kultur / Hörspiel …€¦ · Von der Arktis bis zu den Subtropen...

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DEUTSCHLANDFUNK Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Sabine Küchler Feature Transitnik – Unerkannt durch Freundesland Illegale Reisen durch die Weiten der Sowjetunion Von Frank Möller Sprecher 1: Sprecher 2: REGIE: Sabine Küchler Urheberrechtlicher Hinweis Urheberrechtlicher Hinweis Urheberrechtlicher Hinweis Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar -

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DEUTSCHLANDFUNK Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Sabine Küchler Feature Transitnik – Unerkannt durch Freundesland Illegale Reisen durch die Weiten der Sowjetunion Von Frank Möller Sprecher 1: Sprecher 2: REGIE: Sabine Küchler

Urheberrechtlicher HinweisUrheberrechtlicher HinweisUrheberrechtlicher HinweisUrheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

©

- unkorrigiertes Exemplar -

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Sendung: Freitag, 29. Juli 2011, 20:10 – 21:00 Uhr

Regie Atmo fahrender, etwas altertümlicher Zug (bitte besorgen!. Zunächst

einige Sekunden hochgefahren lassen, dann runterfahren und bis

Ende „OT 2 Oelker“ unterlegen.

OT 1 Oelker (Kramt in der Tonne) Das ist meine wasserdichte Tonne, die hatte

Eddie damals in einer Fabrik geholt, wo die Gurken drin gelagert

haben, grüne Gurken. Und die haben hier so einen riesen Sprengring,

wo alles wasserdicht verpackt ist. An der Seite siehst du noch unsern

Aufkleber. Wir hatten so mit Siebdruck Aufkleber gemacht

„СИБИРЬ 89“ („Sibir 89“) in kyrillischen Buchstaben mit dem

Elch. Die haben wir immer verteilt, um der ganzen Reise so’n

offiziellen Anstrich zu geben…

Regie Falls die Atmo unter der Anmoderation zu kurz ist, finden sich

weitere Töne in der Datei „01 u. 02 Oelker Atmo“ aus Oelkers

Wohnung (knisterndes Feuer im Ofen)

Sprecher 2 Transitnik – Unerkannt durch Freundesland.

Illegale Reisen durch die Weiten der Sowjetunion.

Ein Feature von Frank Möller

OT 2 Oelker … Und eh unangenehme Fragen aufkommen, haben wir immer

gesagt, wir sind eine Expedition, eine sportliche Expedition, wir

wollen den Fluss runterfahren, weil, es gab keine Ausrede mehr.

Früher haben wir immer die Ausrede gehabt, wir wollen zum

Studentensommer und dann in die Berge und so was, wenn man

nach Bergausrüstung gefragt hatte, aber mit ’nem Boot nach Sibirien

fahren im Zug, da dachten wir, wenn wir keine richtige Ausrede

haben, dann müssen wir in die Offensive gehen und haben uns als

Expedition ausgegeben. Und das hat man uns auch abgenommen,

auf der Reise wurden wir nicht ein Mal danach gefragt.

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Sprecher 1 (Nüchtern, sachlich, als Protokollnotiz)

Jan Oelker, geboren 1960 in Dresden, aufgewachsen in Cottbus, lebt

heute in Radebeul. Diplom-Ingenieur und seit 1991 freiberuflicher

Fotojournalist und Autor. Begleitet seit zwei Jahrzehnten die Ent-

wicklung der Windenergienutzung in allen Ländern der Erde. Mit-

herausgeber des Buches „Transit. Illegal durch die Weiten der

Sowjetunion“. War als „Transitnik“ in Usbekistan, am Baikal-See,

im Kaukasus und in Sibirien unterwegs.

OT 4 Oelker 1988 war ich im Kaukasus, und Uwe Wirthwein, der war auch im

Kaukasus ’88 an der Uschba, und der Edgar Winkler, mit dem war

Uwe vorher mal im Altai zusammen gewesen. Und wir hatten alle

die Gebirge dann gesehen. Und da haben wir gesagt: Wir müssen

mal was anderes machen. Und da kam Edgar mit der Idee, einen

Fluss runter zu fahren mit etwas Wildwasser, das wäre nicht

schlecht. Und dann haben wir das ein bisschen gesponnen und dann

kamen wir auf diesen Katamaran, haben uns den Fluss ausgesucht

und dann ging das los.

Sprecher 1 Reisen in die Sowjetunion, ins „sozialistische Bruderland“, waren in

der Regel nur auf festgelegten Routen, mit klaren Zeitvorgaben und

in der Zwangsgemeinschaft von Reisegruppen möglich.

Sprecher 2 Ein Schlupfloch für all diejenigen, die das Reisefieber gepackt hatte,

öffnete sich paradoxerweise in dem Augenblick, als die Panzer der

Warschauer Pakt-Staaten im Jahr 1968 die kommunistische

Reformbewegung in der ČSSR blutig erstickten und damit die

ohnehin erstarrten politischen Verhältnisse in der kommunistischen

Hemisphäre weiter zementierten.

Sprecher 1 Die DDR-Regierung, die die militärische Intervention ausdrücklich

gefordert hatte, mochte ihre Bürger anschließend nicht mehr über die

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Tschechoslowakei ins europäische sozialistische Ausland reisen

lassen. Per Gesetz wurde daher die Möglichkeit geschaffen, ein

Transitvisum für die Durchreise durch die Sowjetunion zu beantra-

gen, um via Polen an die Urlausziele in Ungarn, Rumänien und Bul-

garien zu gelangen. Die Behörden hatten das Visum auf drei Tage

befristet.

Sprecher 2 Das 3-Tage-Visum schuf unverhoffte Möglichkeiten. Denn einmal

drin im „Freundesland“ hielten sich viele nicht länger an die

zeitlichen Vorgaben. Und so führten Reisen schließlich von Leipzig

bis ins Pamir, von Suhl auf die Gipfel über 7.000 m hoher Berge

oder von Weimar auf die verbotene Vulkanhalbinsel Kamtschatka

am östlichen Ende des sowjetischen Imperiums.

Sprecher 1 Mit dem befristeten Transitvisum beginnt die Geschichte gezielter

Regelverletzungen, eines phantasievollen Katz- und Mausspiels mit

den Behörden der SU, hier beginnt die Geschichte einer Reisebewe-

gung, die bis vor kurzem weitgehend unbekannt war und die gerade

erst von ihren individualistischen Protagonisten als gesellschaftliches

Phänomen der DDR entdeckt wird. Hier beginnt die Geschichte der

Reisenden, die ihrem Aufbruch selbst den Namen UdF gaben:

Unerkannt durch Freundesland.

Regie ГАЙДАМАКИ / Gaidamaki, Track 3, nur die ersten 14 Sek. )

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

1. Etappe: Über das Verlangen, in die Ferne zu schweifen, von

Sehnsuchtsorten und kühnen Plänen.

OT 3 Oelker Eine Reisesehnsucht, die kam für mich schon als Kind. Ich habe

mich immer für ferne Länder und so was interessiert. Die Reisen von

Columbus und Magellan als Bücher gelesen. Als ich in der 5. Klasse

war und das mit Geographie-Unterricht losging, da hatte meine Oma

immer Postkarten geschickt aus aller Welt und so was. Und als sich

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dann mir die Möglichkeit eröffnete, mit dem Transitvisum zu fahren,

als ich das gehört hab, von einem Freund aus meiner Seminargruppe,

war ich sofort Feuer und Flamme, weil als Land das war 1/6 der

Landmasse der Erde, und gigantische Ausmaße über 11 Zeitzonen.

Von der Arktis bis zu den Subtropen waren alle Klima- und Vegeta-

tionszonen vertreten, und wir hatten dort auf unseren Reisen die

erste Begegnung mit islamischer Kultur in Mittelasien. Und in

Sibirien, das ist letztlich, wenn man im Wald ist, dann ist es letztlich

egal, ob das Land Kanada oder Sibirien heißt. Das ist eine ähnliche

Vegetation.

OT 5 Klauß Also dadurch, dass man in der DDR nicht reisen konnte, war das ein

Riesenthema. Das hat uns alle immer sehr beschäftigt und bewegt

und wir haben uns natürlich viel mit Sehnsuchtsorten und mit Pro-

jektionen beschäftigt. Und was hab ich mir damals vorgestellt unter

Amerika, und was hab ich mir vorgestellt unter Frankreich.

Sprecher 1 Cornelia Klauß, geboren 1962 in Dresden, aufgewachsen in Berlin,

lebt am Prenzlauer Berg. Autorin, Dramaturgin, Filmemacherin,

Kuratorin. Dreht 2006 den Dokumentarfilm „Unerkannt durch

Freundesland“. Der Film wird zum Katalysator für die Selbstent-

deckung der UdF-Reisenden der DDR als Reisebewegung. Dem

Film folgt 2010 eine gleichnamige Wanderausstellung und 2011 ein

gemeinsam mit Frank Böttcher herausgegebenes Buch „Unerkannt

durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich“.

OT 6 Klauß Es gab die, die bewusst alleine gereist sind, weil, wenn man alleine

gereist ist, dann ist man natürlich viel enger mit dem Land zusam-

men getroffen. Es gab die, die bewusst als Gruppe gereist sind, weil

sie sich gesagt haben, OK, da haben wir so einen Schutz, und als

Gruppe fallen wir auch nicht so auf in der Sowjetunion. Es gab die-

jenigen, die nach Mittelasien gefahren sind, weil – exotischer ging es

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gar nicht mehr. Und es gab auch welche, die natürlich mit einem

politischen Hintergrund gereist sind, und dort Verbündete gesucht

haben in Künstlerkreisen oder in Hippiekreisen auch oder in kirchli-

chen Kreisen.

Regie ГАЙДАМАКИ / Gaidamaki, Track 3, die ersten 33 Sek. )

OT 7 Böhning Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, wo das Reisen stark in

den Jahresplan der Familie einintegriert war, dass es im Sommer

immer mit dem Auto in ein unbekanntes Land gefahren wird. Und

irgendwann sind die Eltern dann auf die Idee gekommen, in die SU

zu fahren. Es ist natürlich so, Familienurlaub ist Familienurlaub. Es

gab ganz klare Anweisung. Und wir wussten auch nicht wohin es

ging. Wir durften auch keine Fragen stellen. Wir wurden auch gar

nicht gefragt. Und ich muss dazu sagen, sobald ich ein Auto gesehen

hab, ich hab mindestens in jedes Auto gekotzt. Ich bin nur mit

Plastetüten gefahren. Und wir sind von Hoyerswerda losgefahren

und bis auf die Insel Krim fährt man ungefähr eine Woche. Das hieß

eine Woche reine Autofahrt. Jeden Tag zwischen sechs bis sieben

Stunden im Auto sitzen. Es ist heiß. Es ist eigentlich langweilig.

Wenn man allein durch die Ukraine fährt, da sieht man nur Felder.

Und für Kinder ist das irgendwann nicht mehr lustig. Es gab kein

Radio oder keine Kassetten. Es gab nix. Wir haben stundenlang aus

dem Fenster geguckt.

Sprecher 1 Iduna Böhning, geboren 1959, aufgewachsen in Hoyerswerda. Be-

treibt seit 1990 in Dresden-Neustadt die Galerie Raskolnikow für

zeitgenössische Kunst. Anfang 2011 zeigt sie die von Cornelia

Klauß kuratierte Ausstellung „Unerkannt durch Freundesland“. Zur

Vernissage finden sich rund 200 ehemalige UdF-Reisende ein.

OT 8 Böhning Und als ich dann sozusagen in meinen jungen Jahren meine eigenen

Reisen unternommen habe, habe ich die erstmal nicht mit dem Auto

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gemacht. Wir sind immer in die SU geflogen, bis Odessa oder bis

nach Sotschi, um dort mit den einheimischen Verkehrsmitteln so

unauffällig wie möglich sich fortzubewegen. Ich bin insgesamt vier

Mal auf diese Weise während meines Studiums und nach meinem

Studium unterwegs gewesen. Das bevorzugte Gebiet war bei mir der

Kaukasus. Der Kaukasus mit den verschiedenen Regionen um den

Elbrus herum, Swanetien, Abchasien, dann Armenien, Aserbei-

dschan. Und dann, Jahre später, sind wir dann nach Mittelasien. Und

ich bin immer in Gruppen gereist, wir haben nicht nur reines

Bergsteigen gemacht, sondern wir haben Bergtouren gemacht und

sind aber dann auch immer in Orte gefahren, die uns von der Kultur-

historie sehr angesprochen haben, interessiert haben. Wir haben dann

auch immer noch Städte besucht hinterher und haben uns die ange-

schaut.

OT 9 Maaß Also es gab bei mir in meinem Leben zwei Hintergründe. Einmal

dass meine väterlichen Vorfahren Deutschbalten waren, die auch in

Petersburg gelebt hatten und in Estland, was damals ja alles zum

Russischen Reich gehörte. Mein Großvater hat noch Lenin vom Bal-

kon des Smolnys reden hören, d. h. er hat ihn persönlich erlebt und

auch in seinen Memoiren geschildert, allerdings nur in einem

Nebensatz: „ein gewisser Lenin … usw., usw.“. Das zweite war,

dass ich in dem Dorf, in dem ich meine Kindheit verlebte, in Schön-

borg bei Naumburg an der Saale, engen Kontakt hatte mit sowjeti-

schen Soldaten, die in den Wäldern unseres Dorfes ihre Sommerla-

ger abhielten.

Sprecher 1 Ekkehard Maaß – der Mann mit der Gitarre und dem Harmonium.

Jahrgang 1951, lebt in Berlin-Prenzlauer Berg. In den 80er Jahren

zählt seine Künstlerwohnung in der Schönfließer Straße zu den

wichtigsten Treffpunkten der ostdeutschen Dichter- und Malerszene.

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Wird im Zusammenhang mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns von

der Humboldt-Universität relegiert. Nach der Wende Mitarbeit in der

Heinrich-Böll-Stiftung. Gründet 1996 die Deutsch-Kaukasische

Gesellschaft und setzt sich mit Nachdruck für tschetschenische

Flüchtlinge ein.

OT 10 Maaß Und als ich dann, ich glaube das war 1970, 69/70 zufällig Wolf Bier-

mann erlebte, der das Lied von Булат Окуджава (Bulat Okudshawa)

„Ach, die erste Liebe“ übersetzt hatte und von ihm hörte, dass es

Dissidenten-Sänger gibt in Moskau, wie Высоцкий (Wladimir

Wyssozki) und wie Окуджава, da begriff ich, das sind meine Leute,

die muss ich suchen. Biermann konnte ja kein Russisch, ich konnte

Russisch. Und das hat in mir den Wunsch gelegt, dort auch hin zu

reisen. Und nachdem ich dann ein paar Mal gereist bin, immer über

Moskau, wo meine ganzen Freunde wohnten nach Belissi, dann hatte

ich genügend Kontakte, um mich auch in weitere, entlegenere

Gebiete einladen zu lassen, wie z. B. nach Jakutsk, nach Jakutien.

Und es war für mich natürlich auch spannend, einmal ein Viertel der

Erde abzufahren mit einer Eisenbahn, um zu spüren, wie rund ist die

Erde, wie groß ist sie eigentlich. In einer Woche fährt man diese

10.000 Km ab und da weiß man, wenn man einen ganzen Monat in

dieser Eisenbahn fahren würde, dann würde man die ganze Erde

umrundet haben. Und dahinter steckte dann auch die Neugier, wie

das Land dort aussieht, ob es genauso aussieht wie hier oder ganz

anders.

Regie Auszug „Hundekalt“ („Trifft uns Gram oder Glück…“), gespielt von

E. Maaß. Datei „Musik Maaß Hundekalt“

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

2. Etappe: Über die Kunst der Improvisation, über das

Kartenstudium und die verbindende Kraft der Künste.

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OT 11 Oelker In dem Fass hab ich noch ein paar Utensilien aus der damaligen Zeit.

Meine Freundin Tina hat mir hier ein Sitzgurtzeug aus Trabant-Si-

cherheitsgurten genäht. Einmal war ich offiziell in der Sowjetunion,

das war als 18-jähriger mit der Schule – und da habe ich mir diese

Russenbäre gekauft, ein riesengroßer Rucksack, groß und rund und

unförmig, aber der war so groß, dass diese Plastetonne dort

reinpasste, da hatte ich gleich ein Gestell. Brauchte ich mir nicht

extra ein Gestell bauen. Wir waren ja zu dritt, wir hatten jeder etwa

40 Kg Gepäck auf dem Rücken. Wir hatten draußen dran dann noch

unsere Schwimmkörper gehabt. Wir hatten ja so ne großen 6 m

langen Zigarren gebaut aus Schlauchbootgummi rund 40-45 cm im

Durchmesser und eine Zigarre hat 10 kg gewogen. Und vorn hatten

wir einen Gipsbecher eingeklebt und hinten gab es so einen

zusammenfaltbaren Autowascheimer aus Gummi, und die haben wir

hinten eingeklebt als Abschluss. Dann ein paar Laschen dran, um

dann ein Gestell, obendrauf ein Holzgestell. Man konnte das so

verknebeln mit einem Holzstück und dann immer verdrehen und

dann das Holzstück, wenn es richtig straff ist, festbinden. Das hatte

eine sehr feste, aber elastische Verbindung. Wir hatten nicht einen

Holzbruch auf unserer ganzen Wildwassertour.

OT 12 Böhning Die meisten von uns haben an der Technischen Universität in Dres-

den studiert, und ich hab dazu trainiert an der Uni: „Sektion

Bergsteigen“. Wir sind auch im sächsischen Fels viel unterwegs

gewesen. In der TU studierten auch russische Studenten. Und da gab

es z.B. einen, das war auch ein extrem guter Bergsteiger. Der hat aus

der Heimat Kartenmaterial mitgebracht. Und das wurde dann an der

Uni vervielfältigt. Und dann wurde, von diesem Kartenmaterial

ausgehend wurden dann Zeichnungen angefertigt. Wir sind also alle

eigentlich mit gezeichneten Karten gelaufen, wo sozusagen die

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Bergrücken und Bergläufe gezeichnet waren. Aber konkrete

Wegkarten gab es gar nicht. Das hatte der russische Freund

eigentlich auch nicht. Und dort haben die Jungs an der Uni in der

Sektion Bergsteigen, haben sich richtig Reisebeschreibungen und

Routen auch aufgeschrieben, so dass die auch genau wussten, wir

müssen jetzt in das Tal, wir müssen dann so und so viele Kilometer

laufen. Das waren nur so vage Beschreibungen, und wir müssen dort

queren. Wir wissen aber alle, dass sich eine Berglandschaft durch die

Schmelzen-, durch Schnee- und durch Wettereinflüsse auch ändert.

Zum Glück, in den Gruppen, in denen ich gelaufen bin, ich bin

immer mit Leuten gelaufen, wo es Männer gab, die sich extrem gut

orientieren konnten. Ich wäre dort verloren gewesen. Hundertpro-

zent.

OT 13 Oelker So richtige Vorstellungen von dem Fluss hatten wir vorher nicht.

Wir haben den ausgesucht an einem Atlas, Maßstab 1: 9.000.000. Da

war das gesamte Gebiet, also Ostsibirien, Kamtschatka, Tschu-

chotka. Wir haben uns also Flüsse ausgesucht, die unserer Meinung

nach ein bisschen bewegter sind. Wir wollten nicht so’n ewig

langen, breiten Fluss fahren, sondern wir wollten schon gucken, dass

wir mit so einem Katamaran ein leichtes Wildwasser haben. Da

haben wir geguckt nach Gebirgen. Und unsere Wahl fiel dann

letztlich auf den Aldan, der entspringt im Stanowoigebirge. Wir

hatten dann in Berlin, an der Nationalbibliothek war das, glaube ich,

da gab es amerikanische Fliegerkarten von 1961 als Vorlage und die

haben wir uns abkopiert auf Fotopapier und dann sieht das so aus

hier, eine Karte: Maßstab 1: 1.000.000, ein cm sind immer noch 10

km in Wirklichkeit. Und hier konnte man wenigstens eine

Grobstruktur im Gelände kennen lernen. Und das Perikartnoj, was

dann letztlich der Endpunkt unserer Reise war, war auch noch nicht

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hier eingezeichnet. Das habe ich jetzt irgendwo in wikipedia gelesen,

dass das erst 1963 gegründet wurde als Ort. Der existierte noch nicht

als die Fliegerkarte in die Hände der Russen kam (lacht).

OT 14 Maaß Und wichtig war dann, dass man eine Technik sich ausdachte, wie

man in einer fremden Stadt unterkommt. Man muss ja auch sozial

überleben. Ich war ja nicht so reich, dass ich mich in das Interhost-

Hotel einmieten konnte. Abgesehen davon, dass man dort auch

meinen Pass verlangt hätte. Und ich kriegte irgendwann mit, die

freisten Menschen in der Sowjetunion sind die Künstler, die Maler.

Und ein Teil von ihnen lebt in einem Haus der Künstler, Dom Chu-

doschnika. Das gab es fast in jeder sowjetischen Stadt. Da kriegten

manchmal 10, 12 Künstler ihre Ateliers, dort lebten sie auch mehr

oder weniger. Das heißt, ich konnte in einer mehr oder weniger

fremden Stadt ins Taxi steigen, und sagen: Ich will zum Dom Chu-

doschnika. Und dort ging ich dann frech durch die ganzen Ateliers.

Und der Künstler, der mir gefiel und dessen Bilder mir gefielen, die

konnte man ja auch gleich sehen, und den sprach ich dann an: Was,

du kommst aus Deutschland, aus Berlin. Und dann waren die happy.

Und dann hat man sofort über die Kunst reden können. Ich hatte

immer die Lieder im Gepäck, die Lieder Okudschawas, die bei allen

Leuten sofort mir einen Vertrauensvorschuss einbrachten, und dann

auch die Lieder Biermanns, die ich z. T. angefangen hatte, schon ins

Russische zu übersetzen, also: fantastisch. Und diese Künstler haben

mich dann auch weiter geschickt.

Regie Musik von Okudschawa, Track 18, die ersten 24 Sek.

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

3. Etappe: Über Aufbrüche, neue Erfahrungen, über den Weg und

das Ziel.

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OT 15 Klauß Bevor man das erste Mal in die Sowjetunion gereist ist, hatte man ja

diese ganze Propaganda im Kopf, wo die Sowjetunion sich ja

pompös und gewaltig darzustellen wusste. Ich bin sehr geprägt von

diesen Filmen von Eisenstein zum Beispiel. Wo große Bilder

generiert wurden: von der Metro, von den Städten, von dieser Tech-

nologiebesessenheit, die Traktoren, die über riesige Felder ziehen

und lachende Bäuerinnen mit blendend weißen Zähnen. Wenn man

sich vorstellte, wenn man mit diesen Bildern im Kopf in das Land

einreiste, dann gab es natürlich eine Korrektur, denn das Land war

natürlich nicht so, wie es im Kino aussieht und nicht so, wie es auf

den Bannern geschrieben stand und auch nicht so, wie es bei Lenin

erzählt oder geschrieben wurde. Aber es war auf eine andere Weise

spannend und auf eine andere Weise natürlich interessant. Es hatte

etwas, das beschreiben ja viele, von einer unglaublichen Warmher-

zigkeit und Gastfreundschaft auf der einen Seite. Paranoid, von

Verfolgungswahn getrieben, xenophobisch auf der anderen Seite.

Man muss auch immer dazu sagen, das war die Zeit des Kalten

Krieges, jeder Fremde wurde auch wirklich beäugt, der Fremde war

da nicht das Normale. Und je weiter die Leute gekommen sind, in

um so bizarrere, exotischere und verrücktere Gegenden sind die

natürlich gekommen, und Kulturkreise, die mit Sozialismus gar

nichts mehr zu tun hatten und die sich auch jedem Westreisenden

damals als sehr exotisch dargestellt hätten, weil das natürlich sehr

abgeschlossene, hermetische Territorien waren in sich. Und so eine

Begegnung mit so Natives, das ist schon etwas sehr, sehr Spezielles.

OT 16 Maaß Und dann stand ich plötzlich, endlich auf dem Roten Platz, und das

erste Erlebnis war, dass ich von einer älteren Dame angesprochen

wurde, was ich dort in dem Kasten hätte. Die Russen sind ja auch

sehr neugierig. Ich hatte diesen Gitarrenkasten, und sie wollte

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wissen, ob das ein Cello ist oder was ich da mache. Ich sage, nein,

das ist eine Gitarre. „Ach, eine Gitarre. Wie interessant. Und was

spielen Sie darauf?“ Da sag ich, ja, z. B. die Lieder von Bulat

Okudshawa. „Bulat Okudshawa“, sagte sie, „den lieben wir so sehr.

Aber wir Alten, wir haben überhaupt keine Chance, zu seinen

Konzerten zu kommen. Da sind die Karten immer gleich weg.

Wollen Sie nicht hier zu unserem kleinen Arbeitskollegium

kommen. Ich bin hier in diesem sesna juschna knischnaja palata?“

Das ist ein Verlag, in dem sämtliche Bücher registriert wurden, die

damals in der Sowjetunion erschienen. „Und uns ein paar Lieder

vorsingen?“ Ich sage: natürlich, gerne, dann schnappte ich meine

Gitarre, begann gerade noch ein Platzregen, und dann stand ich

völlig durchnässt vor etwa 20 Mitarbeitern dieses knischnaja palata

und sang ihnen alle Okudschawa-Lieder vor, die ich damals schon

kannte, 1978, und die waren begeistert. Und wie sie mir die Worte

von den Lippen ablasen, wie sie innerlich mitsangen, machten mir

deutlich, wie wichtig diese Lieder für diese Menschen sind.

OT 17 Oelker Das ist mein Reisetagebuch. Hier steht: Moskau – Tynda: 7.401 Km

für 53 Rubel 50, also das waren 150 Mark der DDR. Von Moskau

bis Tynda, das waren – ich weiß es gar nicht mehr genau – fünf oder

sieben Tage. Jeden Tag ein ganz anderer Landschaftstyp, der aber

immer so tausend Kilometer Ausdehnung hatte bei der Fahrt. Und in

den Städten ein Riesenraubbau. Kurze Schornsteine, immer tief-

schwarze Qualmwolken. Filter, das Wort kennt man wohl nicht im

Russischen, höchstens an der Zigarette. In Tynda hatten wir uns

dann einen Zug ausgeguckt. Dann sind wir auf den Bahnhof

gekommen, der Zug fuhr gerade an und wir sind mit unseren riesigen

Tonnen, jeder 40 Kilo hier, noch gerade so konnten wir aufspringen,

sind wir in die Nacht hineingefahren und früh um sechs auf einem

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verlassenen Bahnhof angekommen. Es war eigentlich bloß ein

Haltepunkt in der Taiga. Und da sind wir ausgestiegen als einzige,

der Zug fuhr ab, und da standen wir auf diesem Bahnsteig, wo auch

niemand war, und haben uns kurz am Licht orientiert wegen der

Himmelsrichtung. Wir sahen das Gebirge vor uns, tausend Meter

hoch, erkennt man schon, in der Richtung führte ein Weg, da sind

wir losgelaufen. Jetzt waren wir ja da. Hinein in die Wildnis, dann

kann auch wirklich niemand mehr Fragen stellen.

OT 18 Böhning Ich bin keine Person, die nach Höhenmetern jagt. Mir ist das egal, ob

das ein Fünftausender ist oder ob das 5.500 oder 6.000 Meter sind.

Es ist alles schwer. Auch ein Dreitausender kann dir schon völlig das

Genick brechen und du kannst irgendwie die Kräfte verlieren, weil

du eben Durchfall hast oder weil irgendwas ist. Für mich war immer

nicht das Ziel entscheidend, sondern der Weg, der Weg dahin. Und

bei aller Bereitschaft auch, dort sich durch diese mühsamen Land-

schaften zu schleppen, um dort eben auf diesen Gletscher zu

kommen oder den Pass zu schaffen oder auf diese Bergspitze zu

kommen, war für mich eigentlich immer entscheidend, dass es in der

Gruppe harmonisch geht, dass wir alle hochkommen und alle wieder

runterkommen und dass es irgendwie zusammen geht, weil allein

schafft man das nicht. Lieber verzichten wir auf ein paar

Höhenmeter, aber wir überstehen das alle.

Regie Atmo Flussrauschen (Bitte besorgen!) beginnt im vorangehenden O-

Ton, steht dann für einige Sekunden isoliert und bricht dann abrupt

ab. Daran schließt sich nach einer kurzen Leere der folgende

Sprecher an.

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

4. Etappe: Von Abenteuern, der Kunst der Verstellung und von der

Schönheit der Speisen.

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OT 19 Oelker Na, wir haben dort also in 1 ½ Tagen unser Boot aufgebaut, also

auch die Schwimmkörper aufgepustet mit dem Mund, weil für ne

Pumpe das Gewicht haben wir gespart. Dann haben wir das Boot auf

den Fluss getragen, und dann ging es ab. Erstmal ganz ruhig. Und

dann kamen wir an die erste Stromschnelle, wo wir gesehen haben,

da vorne ist bewegtes Wasser; ausgestiegen, gucken gegangen, ja, ist

machbar, und dann rauf aufs Boot, das hat so einen Spaß gemacht.

Wir sind da mit einem Affenzahn durchgezogen. Aber wir haben mit

jeder Stromschnelle mehr vertrauen bekommen in unseren

Katamaran, die Stromschnellen in der Mitte genommen, wo es am

schnellsten fließt. Das war auch, bisschen Adrenalinschübe geholt.

Aber irgendwann kamen wir dann so ne lange Rinne lang und dann

war so ein Baum quer drüber und das ging so schnell, wir haben

versucht raus zu kommen aus der Rinne, aber es war zu schnell. Und

dann, Eddi hat sich rechtzeitig abgeduckt und Uwe und ich wir

hingen dann an dem Baum und Eddi trieb dann flussab mit dem

Boot. Wir haben uns dann ans Ufer gehangelt, als wir dann Eddi

erreicht haben und festgestellt haben, dass wir nichts an Ausrüstung

verloren haben. Und wir hatten jeder noch unser Paddel in der Hand,

ein paar Abschürfungen, weil wir mitten in das Geäst da rein

gerauscht sind, aber ansonsten konnten wir drüber lachen. Das war

eigentlich so die einzige haarige Situation. Ja, dann ging es den Fluss

lang. Man konnte es ja nicht mehr verfehlen, es war der Aldan. Da

waren wir uns ganz sicher, am Anfang nicht, aber später immer

mehr. Aber wo wir uns auf dem Fluss befinden …

OT 20 Böhning Wir haben in Asien zum Beispiel die Erfahrung gemacht, und auch

im Kaukasus, das muss ich auch sagen, in Swanetien, das ist auch

ein streng abgeschlossenes Gebiet gewesen, und die sind sehr gläu-

big und sind sehr strikt auch in ihren Lebensregeln. Da haben wir

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uns im Vorfeld geeinigt innerhalb der Gruppe, dass wir uns familiär

verbinden. Das heißt, wir haben erklärt: das ist mein Mann, und

derjenige ist der Bruder meines Mannes. Wenn die ein bisschen

pfiffig gewesen wären, hätten die natürlich gesehen, dass das gar

nicht geht, denn wir waren alle in einem Alter. Aber damit haben

zum Beispiel die Swanen, als wir da in einer sehr abgelegenen

Gegend waren, haben die uns z. B. auch eine Unterkunft gegeben.

Weil wir wären als lose Gruppe mit Frauen, die einfach so mitreisen,

wären wir gar nicht untergekommen. Die hätten uns kein Quartier

gegeben. Auch wenn wir in die Hirtenhütten eingeladen worden sind

in Asien z.B., haben wir das auch gemacht. Da haben wir auch ein

bisschen geflunkert, um die nicht zu pikieren, ganz einfach.

OT 21 Maaß Und Georgien, also: ein Wahnsinnsland. Ich kam dahin, nachdem

meine Ehe hier zerbrochen war durch Sascha Anderson usw. Ich war

gerade in einer sehr schwierigen Situation, es ging mir gar nicht gut.

Ich habe sehr getrauert um diese erste Frau, ich habe sie sehr geliebt.

Und die Georgier haben nächtelang für mich gesungen. Man war bei

deren Tischen so aufgehoben. Ich hatte das Gefühl, ich habe dort

auch ein Stückchen meiner Kindheit wieder gefunden. Denn in

meinem Elternhaus, da gab es auch sehr schöne Tische, da wurde

auch nicht nur gefressen, sondern auch gesungen und gesprochen

und Reden gehalten. Und das hat mich an Georgien wahnsinnig

fasziniert. Diese schöne Art den Tisch zu decken. Auch dieses

unheimliche Achten auf die Schönheit. Und wie diese Speisen dort

aufgetischt wurden. Das ist alleine schon ein Kunstwerk, so ein

Tisch. Da guckte man sich den Tisch an, das war Wahnsinn. Und

dann noch diese schönen Menschen dazu, die wunderbar dann auch

singen konnten. Das ist ein unvergleichliches Erlebnis gewesen.

Georgien wurde dann für mich zu einer Art zweiter Heimat und ich

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bin dann bis zum Ende der DDR jedes Jahr nach Georgien gereist.

Immer über Moskau. Moskau war meine Zwischenstation, da war

ich dann zwei, drei Tage bei meinen russischen Freunden. Und dann

flog ich weiter nach Tbilissi.

Regie Atmo knackendes Unterholz (Bitte besorgen) beginnt bereits im

vorangehenden O-Ton, steht dann unter Sprecher 3 und läuft dann

in OT 22 aus.

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

5. Etappe: Von unerwarteten Begegnungen mit Fremden und Geis-

tesverwandten.

OT 22 Oelker Am Abend des fünften Tages da knackt es dann plötzlich im

Unterholz und da kam Anton angeritten, ein Jakute, an dem war alles

schief. Er kam auf seinem Rentier daher und erschrak richtig als er

uns sah, weil er hat noch weniger vermutet als wir. Und wir saßen

grad, dann half er uns ein Feuer zu machen. Wir haben unsern Tee

aufgesetzt, und dann haben wir eine Flasche Schnaps rausgeholt.

Und als die alle war, hat er dann gefragt, ob wir noch mehr haben.

Das war nun tatsächlich unsere letzte Flasche. Dann ist er aber weg-

geritten und kam nach einer halben Stunde wieder mit einem Freund.

Die wollten partout nicht glauben, dass wir keine Flasche Schnaps

mehr haben. Das war für die traurig, aber war vielleicht ganz gut so.

Die hatten ein Gewehr dabei, haben sich natürlich erkundigt, ob wir

keine Angst vor Bären haben, man braucht doch ein Gewehr. Und

dann haben wir ein Wettschießen gemacht. Die hätten mehr Angst

haben müssen vor dem Bären als wir, immer daneben geschossen.

Vielleicht lag das an der Flasche Schnaps. Wir haben ganz gut

getroffen. Dann sind die weiter gezogen und haben gesagt, noch

zwei Tagesmärsche, da kommt Balchina Aldan.

18

OT 23 Böhning Als ich mit meinen Eltern gereist bin, aus dieser Zeit sind für mich

natürlich die persönlich intensivsten Kontakte entstanden. Da habe

ich z. B. Adele Iaschwilli kennen gelernt. Das war eine Wolgadeut-

sche, die in Suchumi gelebt hat, das ist im Kaukasus. Sie hat als

Dolmetscherin gelebt und hat für Intourist gearbeitet. Mit ihrer

gesamten Familie haben wir, auch über die Zeit der Wende Freund-

schaft und Kontakt gehalten. Und sie ist dann durch den Bürger-

krieg, der im Kaukasus ausgebrochen ist, hat sie bei uns hier nach

der Wende in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Wir haben mit

ihr diesen Asylantrag durchgebracht, damit sie hier mit ihrer Familie

in Deutschland leben kann. Und die ist auch hier in Deutschland

gestorben. Und die Biographie von dieser Frau ist so wahnsinnig

spannend, dass ich über diese Freundschaft und über diesen Kontakt

auch so historische Zusammenhänge kennen gelernt hab. Denn diese

Frau entstammt einer Familie, ihr Vater war ein Österreicher, der als

Sympathisant der Russischen Revolution nach Moskau gegangen ist,

1917 rum, und hat dort Pauline kennen gelernt, die eine Wolgadeut-

sche war. Die beiden haben geheiratet, haben eine großbürgerliche

Familie gegründet mit drei Kindern. Die eine Tochter war Tänzerin

am Bolschoi-Theater. Das war die Adele, die war Tänzerin am

Bolschoi-Theater! Die andere war Künstlerin, Malerin, und der Sohn

war Dichter. Diese Familie ist durch den Beschluss von Stalin, weil

die deutsch waren, nach Sibirien verbannt worden, nach Ende des

Krieges. Und sind nach Sibirien verbannt worden, um dann dort aus

dem Arbeitslager heraus nach Kasachstan verbannt worden, sind

also in ein anderes Gebiet verbannt worden. Warum das so war,

weiß ich nicht. Und diese ganzen Vertreibungsgeschichten hat mir

die Adele natürlich, weil die ja perfekt deutsch sprechen konnte, hat

die mir erzählt, und ich hab erstmal diese Wirrnisse dieser großen

19

SU kennen gelernt aus dieser persönlichen Tragödie. Und solche

Geschichten haben mich schon sehr geprägt.

OT 24 Maaß Einer der schönsten Besuche war der bei Tschingis Aitmatow. 1987

habe ich ihn besucht, bei dieser langen Reise. Ich kam dann nach

Bischkek, kam dort an und fragte jemanden auf der Straße: Ent-

schuldigen Sie, können Sie mir bitte sagen, wo hier ihr berühmtester

Schriftsteller Tschingis Aitmatow wohnt. Und der erste, der kratzte

sich an der Wange und sagte „Tschingis Aitmatow, och, der ist lange

tot, den gibt’s hier nicht mehr.“ Hm, weiß nichts, musst einen

anderen fragen. Und dann fragte ich den zweiten. Der sagte:

„Tschingis Aitmatow, der ist in Amerika, der ist hier nicht.“ Ach,

weiß auch nix. Dann hab ich geguckt, ob ich jemanden sehe, der so

ein kleines bisschen moderater aussieht, mit Jeans oder ein bisschen

intellektuellem Aussehen, und hab dann einen jungen Künstler

gefragt, wo Tschingis Aitmatow wohnt. Und der sagte: „Ach, der

wohnt dort, hier dieses fünfgeschossige Haus, das neu gebaute, die

ganze vierte Etage, das alles gehört ihm.“ Und dann bin ich dahin

gestiefelt und habe geklingelt. Und es passierte ein Wunder:

Tschingis Aitmatow war da. Er zog mich gleich in die Wohnung

rein, „aus der DDR, aus Berlin, wie geht es euch. Erzählen Sie mir,

wie Sie sich dort jetzt fühlen“. Also, er war hochgradig interessiert,

und die 80er Jahre, das war gerade die Zeit, wo fast alle meine

Freunde, die ja nicht mehr an dies sozialistische Ideal glaubten, die

DDR verlassen hatten oder gerade dabei waren, sie zu verlassen.

Und diese Abschiede waren ja auch irgendwie bitter. Man wusste,

die sieht man viele, viele Jahre nicht wieder. Und dann sagte ich ihm

dieses Gedicht auf von Wolf Biermann, auf Russisch: „Was wird

bloß aus unsern Träumen? / In diesem zerrissenen Land / Die Wun-

den sie wollen nicht zugehen / Unter dem Dreckverband / Und was

20

wird aus unseren Freunden? / Und was wird aus mir? / Ich möchte

am liebsten weg sein / Und bleibe am liebsten hier.“ Und das

stimmte natürlich auch für die Situation von Tschingis Aitmatow

selber, der eines Teils noch verhaftet war an seinem Kirgisien mit

seinen Traditionen, mit seinen Freunden. Und gleichzeitig

sowjetischer Botschafter in Luxemburg war und schon in der

westlichen Welt sich auch bewegte. Und das hat ihn so fasziniert,

dass er mich das bat, noch drei Mal ihm aufzusagen. Auf Russisch.

Und das hat mich wieder für ihn eingenommen, dass er sich für so

ein Lied begeistern kann.

Regie Gaidamaki, Track 10, nach 30 Sek. rausgehen

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

6. Etappe: Über Begegnungen mit der Obrigkeit, über Drohungen,

Ratlosigkeit und Nachsicht.

OT 25 Klauß Die DDR wird ja gerne so als eine Diktatur beschrieben und dann

hat man sofort das Gefühl von einem perfekt arbeitenden Apparat.

Aber so war es überhaupt nicht. Das ging schon damit los, dass man

dieses Transitvisum bei der einen Meldestelle in der einen Stadt

bekam und jemand anders an einer anderen Stelle in einer anderen

Stadt an der Meldestelle es nicht bekam, weil man da angeblich gar

nichts davon wusste. Die waren untereinander gar nicht so informiert

und so vernetzt.

OT 26 Maaß Beim ersten Mal ist man ein bisschen erschrocken, aber dann weiß

man schon, wie diese Beamten ticken. Es ist so, dass sie zuerst einen

immer heftig bedrohen. Da werden einem Strafen angedroht noch

und nöcher. Du kommst hier überhaupt nicht mehr nach Hause, wir

lochen Sie erstmal ein halbes Jahr ein. Und noch viel schlimmer.

Nachdem sie dann erstmal sich ordentlich dargestellt haben, was sie

alles für Macht haben, dann am zweiten Tag sind sie schon etwas

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mäßiger. Und man weiß genau beim dritten Treffen suchen sie nach

einer Lösung. Denn sie haben keine Lust jetzt lange Berichte zu

schreiben über diesen Ausländer, der jetzt hier ist usw. Also, eigent-

lich wollen sie einen nun loswerden. Und wenn man dann sich einen

kleinen Trumpf aufhebt, den man aber nicht gleich sagt, den man

erst ausspielt, wenn der richtige Zeitpunkt ist. Ich wurde z. B. einmal

verhaftet auf der Reise von Jakutien nach Georgien. Nun ist das gar

nicht erlaubt, dass man mit einer Einladung nach Jakutien … über-

haupt durfte man keine zwei Einladungen haben. Aber ich hatte

diese Einladung noch in petto, und als dann in Alma Atar, also in

Kasachstan am dritten Tag diese Leute vom Innenministerium, dann

merkte ich schon, jetzt wollen sie, dass ich Ihnen irgendwas biete,

wohin ich gehe. Da hab ich gesagt, ich hab hier eigentlich noch eine

Einladung nach Georgien. Da haben die sich so gefreut: Ach, dann

reist du ja nach Georgien, wie wunderbar, nimm sofort das Flug-

zeug. Dann haben sie von den Wänden die metallgetriebenen Stadt-

ansichten, den Kitsch, den sie da hatten, den haben sie mir noch

geschenkt, und waren froh, dass sie mich nun loswurden.

OT 27 Böhning Meine Erfahrung in dem Fall ist, erst mal die Ruhe bewahren.

Freundlich bleiben und den größten Respekt der Behörde zu zeigen

auch. Wir sind Gast in dem Land und wir würden gern uns ziemlich

problemlos in dem Land bewegen. Die Behörden selber hatten mit

dem Problem noch keine, sind noch nicht konfrontiert worden, und

deshalb war das für die völliges Neuland. Und wenn da eben so ein

paar Bergsteiger herumstehen, die können gar kein Böses vorhaben

oder das können keine Spione sein, also die klassischen Feindbilder

haben hier nicht gewirkt. Sondern die haben einfach gesehen, das

sind junge Leute, das sind Sportler, und Sport war in der SU auch

immer was ganz groß geschriebenes, was man zu unterstützen hat.

22

Das ist wichtig. Und wir konnten alle russisch. Wir kannten ein paar

Floskeln oder Redegewandtheiten oder Sprichwörter, die einfach

dann auch ziehen.

Regie Gaidamaki, Track 5, etwa nach 40 Sek. rausgehen.

Sprecher 2 (Deklamatorisch, etwas altertümlich)

7. Etappe: Vom Heimkehren und dem Wert der Erfahrung für das

Leben.

OT 28 Klauß Viele dieser Reisenden haben ja ihre Reisen erstaunlich gut

dokumentiert. Mit Fotoapparaten, mit Tagebuchaufzeichnungen, mit

Dia-Shows, die hinterher dann gezeigt wurden, bis hin zu Super-8-

Filmen. Ich muss das voller Bewunderung sagen, weil, die Leute

hatten ja eh schon riesiges Gepäck dabei, weil die ja als Selbstver-

sorger ihre ganzen Lebensmittel mitnehmen mussten. Wenn die noch

eine Bergausrüstung dabei hatten, das alles noch, dann war es heiß,

und dann noch eine Super-8-Kamera mitzunehmen, und dann noch

die Filmrollen und dann vielleicht noch einen Fotoapparat, das war

schon ein ehrgeiziges Unterfangen. Aber es war eben auch vielen

wichtig, dass sie von dieser Reise hinterher erzählen konnten. Die

haben von diesen Reisen das ganze Jahr über gezehrt und nach der

Reise war dann vor der Reise. Das waren die Höhepunkte im Leben

und die wurden so weit ausgekostet, wie es eben nur ging. Und da

hat man versucht im Freundeskreis, die anderen da mitzunehmen.

OT 29 Oelker Ja, und dann kommen wir nach Hause und das war dann der totale

Heimkehrerblues. Die Grenze nach Ungarn war inzwischen offen,

Hinz und Kunz aus dem Freundeskreis waren weg. Ganz viele. Hab

denn meine Freundin getroffen abends, und die sagt, och weißt du

was, der ist weg, die ist weggegangen, Ungarn ist offen. Wir hatten

das alles nicht mitgekriegt. Irgendwie hatten wir das Gefühl, in die

falsche Richtung gereist zu sein. Dann sind wir klettern gegangen

23

ein paar Wochen später. Wir hatten schon unser Zeug. Und Eddi der

war schon so komisch. Der ist dann über ČSSR und Ungarn auch

weg. Und Uwe und ich, wir saßen denn in Dresden. Wir kamen uns

vor völlig wie im falschen Film. Und dann haben sich ja die

Ereignisse überschlagen. Das war ein verrücktes Jahr ’89.

OT 30 Maaß Alle die hier aufkreuzten in der DDR, Andrej Bitow oder Tschingis

Aitmatow oder irgendjemand, die habe ich alle auch hier eingeladen.

Und dann gab es immer hier auch einen halblegalen Abend. Aber

vor allem habe ich hier auch dann direkt die Künstler eingeladen, die

mich bei meinen Reisen beherbergt hatten und wo es doch zu

engeren Freundschaften dann gekommen war, die hab ich hier

eingeladen, und das waren Künstler aus Georgien besonders. Ich

erinnere mich, dass hier 1986 eine ganze Truppe von fünf Künstlern

war. Die haben dann bei mir den ganzen Sommer über gelebt, sechs

Wochen lang haben die gemalt, haben hier draußen im Hof eine

Wandmalerei auch zustande gebracht. Ich habe für sie Ausstellungen

organisiert in Berlin und in Leipzig damals bei „Judy“ Lybke, der

inzwischen die Galerie Eigen+Art hier weiter führt. Und diese

Ausstellungen haben dann auch andere Galerien aus dem Westen

interessiert und d. h. der Aufenthalt hier bei mir war dann für viele

Künstler auch das Sprungbrett in den Westen, d. h. in den 80er

Jahren suchte man ja nach der Kunst aus dem Osten und gerade nach

einer Avantgarde-Kunst, nach Avantgarde-Leuten. Und die sind

dann nach Köln gekommen, nach München gekommen, nach

London bis in die USA und haben bis heute sehr gute Kontakte mit

dem Westen. D. h. mein Beitrag hier zu dieser Zeit war eben der,

dass ich diese Dichter- und Malerszene vom Prenzlauer Berg auch

vernetzt habe mit vielen Künstlern aus der damaligen Sowjetunion.

24

OT 31 Böhning So ein kreativer Eigensinn gehört, glaub ich, dazu, solche Reisen

machen zu können, und der unbedingte Wille, so was eigenes selber

machen zu wollen, kreieren zu wollen, selbständig zu sein, selber zu

denken, selber zu agieren, dafür auch die Verantwortung zu tragen.

Und auch gern den Preis zu zahlen. Und das auch gern in einer

Gruppe von Gleichgesinnten. Das ist eigentlich das, was ich bis

heute auch so in meinen Arbeitsbereich übernommen habe. Dann ein

anderes Motto, so ungefähr: „Geht nicht, gibt’s nicht“. Wenn mir

gesagt worden ist, das geht nicht, und du darfst nicht, und du sollst

nicht, dann hat sich bei mir immer so ein Widerspruch gemeldet,

dass ich gesagt hab, ja, wieso eigentlich nicht? Ich habe immer

versucht, hinter die Dinge zu schauen. Und das ist, glaub ich, heute

auch noch so.

OT 32 Maaß Nachdem die Wende kam habe ich drei Konferenzen in Georgien

organisiert. Und zwei dieser Konferenzen waren Gesamtkaukasische

Konferenzen. Die ersten nach dem Zusammenbruch dieses Systems.

Und das Kaukasische Haus, mit dem ich zusammenarbeite, hatte

schon Ende der 80er Jahre begriffen, dass bei einer Implosion dieses

Systems sämtliche Beziehungen dieser vielen Völker untereinander

gekappt sind. Die waren ja untereinander verbunden: durch die

Parteiarbeit, über die Politik, über die Kultur, über den Sport, über

die Wissenschaft. Die waren alle miteinander vernetzt. Alle studier-

ten sie in Tbilissi. Es gab dort einen ganz tollen Austausch und mit

einem Mal war der unterbrochen. Mit einem Mal war das so, dass

dort neue Staaten entstanden waren im Südkaukasus und jeder

musste versuchen, selber zu überleben, was gar nicht möglich war.

Es brach einfach ein ganzes System zusammen. Und das war die

beste Voraussetzung um ethnische Konflikte, nationale Konflikte zu

initiieren, vom Zentrum aus, von Russland aus, um die Völker

25

gegeneinander aufzuhetzen und immer weiter diesen Stiefel dort drin

behalten zu können. Das ist so der große Hintergrund für die Konfe-

renzen, die wir dort hatten. Und dort wurde ich das erste Mal, ich

sage das ganz ehrlich, konfrontiert mit dem Schicksal der nordkau-

kasischen Völker, die ich zuvor gar nicht kannte in der DDR. Und

mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Ich begriff sofort, dass das

Schicksal dieser kaukasischen Völker, dass man das nur vergleichen

kann mit dem der nordamerikanischen Indianer. Also blutige Erobe-

rung, Vertreibung, Überfremdung, Unterdrückung ihrer Kulturen.

Und das ist der Hintergrund dann für meine Tschetschenienarbeit

geworden.

OT 33 Oelker Und persönlich ist es, dass ich schon Grenzen, auch administrative

Grenzen zu überwinden gelernt hab und auch hinterfrage. Viele

meiner Freunde, ich ja auch, sind selbständig oder sind Unternehmer

geworden, ja es hat einen schon sehr geprägt, auch individuell sein

Leben, sich zu emanzipieren von dem – in Anführungsstrichen –

sozialistischen Berufsweg. Das haben wir alles über Bord geworfen.

Dass dann am Höhepunkt unserer Reisetätigkeit die Wende kam, da

waren wir sozusagen gewappnet, uns durchzuschlagen. Das war

ganz gut.

Regie Gaidamaki, Ende von Titel 6, etwa bei 3:20 reingehen und bereits in

OT Oelker beginnen lassen, etwa bei 4:15 runterblenden.

Sprecher 1 Die Erlebnisse und Erfahrungen der Transitniks sind bis heute in den

Köpfen der Reisenden präsent. Tagebücher, Berichte, Landkarten,

Bilder, selbst gefertigte ДОКУМЕНТИ (sprich: Dakjumentih =

Dokumente) aus den 70er und 80er Jahren überstanden die bewegte

Zeit der Wende in Schubladen, Kartons und auf Dachböden. Und

inzwischen gibt es einen Film, eine Ausstellung, zwei Bücher und

einige Websites über das Phänomen des Reisens „Unerkannt durch

26

Freundesland“. Unklar ist allerdings nach wie vor, wie groß die

UdF-Bewegung tatsächlich war; waren es einige hundert Reisende

oder tausende? Man weiß es nicht.

[ Sprecher 2 Dass die Wiederentdeckung der ostdeutschen Reisebewegung erst

vor wenigen Jahren begonnen hat, ist kein Zufall. Bedenkt man, dass

die meisten der reisenden Nonkonformisten zum Zeitpunkt der

Wende Mitte bis Ende 20 waren, ist es nahe liegend, dass bei vielen

zunächst familiäre und berufliche Weichenstellungen sowie die

Bewältigung des gesellschaftlichen Transformationsprozesses

Priorität hatten statt Geschichtsforschung in eigener Sache.

Sprecher 1 Inzwischen gibt es Anzeichen, dass sich nach der Selbstentdeckung

der UdF-Reisenden als „Bewegung“ auch die Wissenschaft für das

Phänomen zu interessieren beginnt. Zu erforschen ist eine

bemerkenswerte Facette der Alltags- und Mentalitätsgeschichte der

DDR, über die immer noch viel zu wenig bekannt ist. Und es geht

um das große Thema der Wechselbeziehung von Herrschaft und

Gesellschaft unter den Bedingungen einer Partei-Diktatur. ]

Sprecher 2 Erste Hinweise darauf, wie die DDR-Behörden die Transitniks

eingeschätzt haben, lassen sich in Stasi-Akten lokalisieren. Demnach

gab es wegen der Transitvergehen eine ganze Reihe von Treffen

zwischen Mitarbeitern von DDR-Ministerien. Zeitweise nahmen

auch Vertretern der UdSSR daran teil, denen die unkonventionell

Reisenden schon deshalb ein Dorn im Auge waren, weil sie hinter

die mühsam aufrecht erhaltenen potemkinschen Fassaden der sowje-

tischen Wirklichkeit blicken konnten und so zu Augenzeugen des

zunehmenden Verfalls des „Imperiums“ wurden. Interessant ist, dass

die Dienste der DDR nach internen Diskussionen offensichtlich gar

nicht daran interessiert waren, die illegalen Reisen zu unterbinden,

weil sie sich über deren Ventilfunktion im Klaren waren. Kurz: Man

27

fürchtete innenpolitische Turbulenzen bei einem allzu rigiden Auf-

treten gegen die Transitniks und reagierte flexibel. Die Zurückhal-

tung fiel auch deshalb leicht, weil nur ein verschwindend geringer

Prozentsatz der Reisenden das Transitvisum nutzte, um auf ver-

schlungenen Wegen in den Westen zu wechseln. Die allermeisten

kehrten in ihre Heimatorte zurück … und planten den nächsten Trip

– unerkannt durch Freundesland.

Regie Fulminanter Ausklang mit Gaidamaki, Track 12. Darein die Absage:

Sprecher 1: Transitnik – Unerkannt durch Freundesland.

Illegale Reisen durch die Weiten der Sowjetunion.

Ein Feature von Frank Möller

Es sprachen:

Ton und Technik:

Redaktion und Regie:

Deutschlandfunk 2011