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DEUTSCHLANDFUNK

Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel

Redaktion: Sabine Küchler

Feature

Almas kleiner Fotograf

Das Album des Erich Rietenauer

Von Susanne Ayoub

Produktion: ORF/DLF 2012

Regie: Susanne Ayoub

Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt

und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein

privaten Zwecken genutzt werden.

Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige

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©

- unkorrigiertes Exemplar -

Sendung: Freitag, 09. November 2012, 20.10 - 21.00 Uhr

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- O-TON ERICH RIETENAUER

- Zitate aus Erich Rietenauers Buch, „Alma meine Liebe“

und

- Alma-Textmontage: Alma Mahler-Werfel stellt sich und andere historische

Persönlichkeiten vor, zitiert aus ihren Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen.

JEDES ECKERL JEDES FLECKER GUSTAV MAHLER

23.2.-3. 3’ 15 Ich leb doch schön, jedes Eckerl, jedes Fleckerl in meiner Wohnung

sagt Servus zu mir. Das sind alles Erinnerungen! Da oben Gustav Mahlers schwarze

Elefanten...

GUSTAV MAHLERS MÖBEL

GUSTAV MAHLERS TISCH

23.2. -1. 2’15 G.M. Sessel, Heiligtum.

ALMAS FÄCHER

24.2. -3. 0’ Fächer aus Almas Jugend. „Ich hab kein Stammbuch, ich hab einen

Fächer.“ Das hat schon einen historischen Wert.

WERFEL FÜLLFEDER

Der Füllhalter, den hat mir der Werfel gegeben. Da hat er gerade die 40 Tage des

Musa Dagh geschrieben.

FOTOS BRIEFE AUTOGRAMME GESAMMELT

23.2. -1. 10’18 Die Fotos, wo ich noch die Negative hab. Briefe, Autogramme in der

Nationalbibliothek.

HUFEISEN

24.2.-2. 5’ Oben über der Tür hängt ein Hufeisen. Das hat eine Bedeutung.

TITEL

Almas kleiner Fotograf.

Das Album des Erich Rietenauer.

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Sieben Jahre mit der Familie Mahler-Werfel

von Susanne Ayoub

Musik Tom Lehrer „The Most Beautiful Girl in Vienna“ – Anfangsstrophen:

(alternierend mit der deutschen Version von Felix Janosa verwenden)

‘The lovelist girl in Vienna Was Alma, the smartest as well. Once you picked her on your antenna You’d never be free of her spell. Her lovers were many and varied, from the day she began her beguine. There were three famous ones whom she married, And God knows how many between. Alma Mahler-Werfel:

„Alma Maria Schindler. Verwitwete Mahler. Geschiedene Gropius. Verwitwete Werfel.

Meine Parole lautet: Amo - ergo sum!“

Alma. tell us, All modern women are jealous, Which of your magical wands Got you Gustav and Walter and Franz?’

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 9

„Meine Lebensgeschichte würde sich wahrscheinlich kaum von der eines anderen

Menschen unterscheiden, der in der Zwischenkriegszeit in sehr ärmlichen

Verhältnissen aufgewachsen ist, wenn nicht… Und dieses ‚wenn nicht’ ist in weiten

Teilen der Hauptbestandteil meiner Biographie. Durch Zufall hatte ich Gelegenheit,

die Mutter und den Stiefvater von Alma Mahler-Werfel, Anna und Carl Moll, und in

der Folge auch ihre ganze Familie kennen zu lernen. Sich als Kind in diesem Kreis

der Künstler und Politiker aufzuhalten, war für mich damals noch kein so großes

Ereignis. Erst später wurde mir bewusst, mit welchen Größen ich seinerzeit in

Kontakt kam. Alma Mahler Werfel, Franz Werfel, Carl Zuckmayer, Max Reinhardt,

Stadtrat Julius Tandler sind nur einige der Persönlichkeiten, die ich kennen lernen

durfte, wobei ich als Kind auch Autogramme sammelte und von vielen auch ein

solches erhielt.“

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SCHUHE DES ONKELS

23.2. – 1 ab 14’

1931 war ein Krisenjahr, Kaufleute keine Ware gehabt, wenn sie z.b, Schuhe kaufen

wollten. Sie können Größe 40 oder 45 haben, der hat die Leute entlassen müssen,

weil er kein Geld gehabt hat. Schuhe, die ich gehabt habe, gedehnt…Keine Schuhe.

Meine Mutter hat ja von der Hand in den Mund gelebt. (15’12) Das einzige

Schuhpaar in unserer Familie war von meinem Onkel, Größe 45,der hat einen Gang

gehabt wie der Charlie Chaplin. Die Schuhe wurden an meine Füße gebunden,

Papier vorne, hinten. Aber ich konnte ja nicht gehen. Lernen sie einem Kind 7 Jahren

trampeln. (16’08)Gaudium, der erste Schulgang.

Boxer im Wirtshaus Geliebte gehabt, ich hab oft, wenn ich einkaufen oder Brotmarke

der Stadt Wien, Klostersuppe, so haben wir uns ja ernährt, hab ihn gekannt.

(17’22)Der (Boxer) hat mich gekannt, es war Ende November hat schon geschneit,

der sieht mich, was machst n, machst a Theater, i hab ja nix anderes, hab nur die

Schuh, sagt er, i trag die auffe, die Dittesgasse, steil, die Lazaristengasse, 3.-steilste

in Wien.

(17’55)Ich komme in die Schule, Gaudi, Lehrer ermahnt, nichts genützt. Wenn die

Schule aus, wird mich schon die Mama holen. Die haben gewartet auf mich,

Oberbosheit. Da waren riesige Schneehaufen. Da haben sie mich runter. Ohne

Schuhe, Socken. Mühsam Gärten, Gitter. (19’30) Hab ich geschaut, dass ich die

Schuhe nicht vergiss, hab ja keine anderen. Das war so grausam...

WEIHNACHTSFEIER 1

(24’45)Kommt der Stadtrat Tandler zu mir, der hat das gesehen, 1. Weihnachtsfeier

im Zögernitz, 50 der Ärmsten, essen, können sich durchwärmen, Eine Prominente

gibt die Pakete weiter.

(kombinieren mit Wiederholungen der Geschichte 23.2. -2 und 24.2. -1):

WEIHNACHTSFEIER IM ZÖGERNITZ (Stadtrat Tandler)

ALMA BEI DER WEIHNACHTSFEIER

ALMAS WIRKUNG WEIHNACHTSFEIER

ALMAS WIRKUNG ERGÄNZEN

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(26’ 43) Wie ich da hineintrampel in den Saal, alles zeigt auf mich. Der Tandler nimmt

mich an der Hand. „Wer kann ein Gedicht?“ - „Ich kann Markt und Straßen, aber ob

ichs ganz kann…?“

(evtl Ausschnitt Gedicht, von ihm zitiert)

(28’ 04) Auf einmal ist es still, man hört Löffel auf den Boden fallen, ganz still. Bei der

Türe steht wie eine magische Gestalt mit Diadem, weiß gekleidet, Hermelinjacke,

reißt die Augen auf, will schon wieder gehen, der Tandler nimmt sie bei der Hand,

Madame, Madame, man hat Gefühl gehabt, sie ist falsch. Die anderen haben

gesungen, Tannenbaum, falsch! Und dann komm ich. Ich war ein wunderschönes

Kind, viele wollten mich adoptieren. Wie sie mich sieht, da trampeln, es war

Totenstille, niemand hat sich gemuckst...

(30’11) Sie reißt mich an sich, ihr Blick, Duft, ich war wie erschlagen, sie hat gesagt,

zieh die Schuhe aus in dem Paket sind andere und dann ist sie abgerauscht.

(31’29)Kommt der Tandler zu mir, sagt, wie dich die Alma Mahler Werfel an sich

gerissen hat, haben dich alle im Saal beneidet, na hab die Ehre, zuerst ausgelacht,

dann beneidet. Und da hab ich zum ersten Mal den Namen Alma Mahler Werfel.

gehört, und den ganzen Weg nach Haus hab ich gesagt, Alma Mahler Werfel, damit

ich ihn nicht vergiss.

(32’12) Das war der Anfang einer für mich historischen Zeit.

Ergänzen, vorher einfügen:

ALMAS WIRKUNG ERGÄNZEN

23.2. – 2 9’45 Das erste Mal, das war im Zögernitz. Wenn die Armen eine

gutsituierte, gut angezogene Frau gesehen haben, da haben sie sich lächerlich

gemacht, schau dir die Alte an, sind in ihrer Armut zum Angriff übergegangen. Bei ihr

Totenstille!

ALMA-KLANG PARFUMFLAKON

Alma Mahler-Werfel:

„Gustav Mahlers Almschi. Kokoschkas Windsbraut. Franz Werfels Zauberfrau.

Eine der exzentrischsten, schönsten und intelligentesten Frauen ihrer Zeit!“

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 27

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„Etwas werde ich Zeit meines Lebens niemals vergessen: Das war Almas

berauschendes Parfum. Dieser Geruch war verwirrend. Er roch nach Honig und

diversen anderen unerklärbaren Düften, die ich nicht beschreiben kann. Mit sieben

Jahren hat man noch keine erotischen Gefühle. Wenn man sich jedoch das ganze

Ambiente vorstellt! Eine in wallende Kleider gehüllte vornehme Dame mit einem

Hermelincape drückt einen armselig angezogenen Knaben mit unmöglichen riesigen

Schuhen an ihre Brust. Als ich Monate später ihrer Mutter Frau Anna Moll von dieser

Begebenheit erzählte, war sie sprachlos: Um Gottes Willen, die Alma? Geht sie am

Ende schon auf die Kinder los? Da fiel ihr Carl Moll ins Wort: Dass sie auf Kinder

losgeht, das brauchst du nicht glauben. Das hier war ein ungewohntes Gefühl von

Menschlichkeit bei ihr, darüber hat sie sich geschämt und ist geflüchtet. Doch eines

ihrer Geheimnisse wurde gelöst. Der Grund, warum sie alle Männer so verwirrt: Es

ist einfach ihr Duft. Der Burschi hat das Rätsel gelöst.“

ALMA-KLANG PARFUMFLAKON

Alma Mahler-Werfel:

„Ich bin die Tochter eines großen Monumentes, gewissermaßen. Mein Vater Emil

Schindler war der bedeutendste Landschaftsmaler der österreichischen Monarchie.“

STRASSENBAHN O-Ton heute und historisches Geräusch

HOHE WARTE AUTOFAHRT WEGBESCHREIBUNG

(oder 3.3 – 3: Autofahrt mit Erklärung Rietenauer, Zögernitz. Wo abbiegen usw,

Tonqualität?)

MIT 37er HOHE WARTE

23.2. – 3. 1’15

Man braucht nur mit dem 37er auf die Hohe Warte Endstation fahren, da ist ein

kleineres Haus, das ist leider verschandelt worden. Die suchen Mieter, aber es

kommt keiner. Nur der vordere Teil ist erhalten. Leider, denn das Haus war voller

Geheimnisse.

HOHE WARTE MOLL UND KOLOMAN MOSER ERSTES HAUS

Das war das erste Haus, wo der Koloman Moser und der Moll gelebt haben.

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Alma Mahler-Werfel:

„Als ich dreizehn war, starb mein Vater. Nach fünf Jahren heiratete meine Mutter

wieder.“

ALMA-KLANG KAMERA KNIPST

„Anna Moll.“

ALMA-KLANG KAMERA KNIPST

„Mein Stiefvater Carl Moll. Maler. Der ewige Schüler meines Vaters. Er sah aus wie

ein mittelalterlicher holzgeschnitzter heiliger Joseph und störte meine Kreise in der

alleraufdringlichsten Weise.“

HOHE WARTE SECESSION

23.2.-1. 33’ Ursprünglich, die Maler, die Gründer der Sezession, wollten auf der

Hohen Warte eine Künstlerkolonie, Olbricht, Moser…und die Moll. Wieder

zerstritten, ausgetreten. Das größte Haus da oben die Villa Ast, Industrieller.

(34’10) Die Villa war wunderbar, 28 Räume, wo sie ihre Kunstwerke hatte. Im 32er

Jahr hat sie zu renovieren begonnen.

ALMA-KLANG KLAVIER– ATMO SALON

Alma Mahler-Werfel:

„Am 30. März bin ich also am Vormittag nach unsäglicher Arbeit auf der Hohen Warte

eingezogen. Das Haus empfing mich mit warmen Armen, und ich schlief am Abend

dort bereits in meinem eigenen Bett, mit dem Gefühl, nirgends anderswo je

geschlafen zu haben.

Mit atemloser Eile richtete ich nun dieses schöne Herrenhaus ein, und mit

wachsender Freude fühlte ich es heimatlich werden. Ich hatte mir ein großes

Musikzimmer anbauen lassen.“

HOHE WARTE SECESSION Fortsetzung

Leute, Persönlichkeiten, eingeladen. Das Prunkstück war die Symphonie, die 3. von

Brucker, die Alma in einer alten Kiste fand, Nachlass von Otto Mahler, der hat sich

umgebracht, Liebeskummer, da drinnen war die Partitur. Der Hitler hat nicht den

Wagner, der hat den Bruckner wollen, hat erfahren, 7000 Reichmark geboten, sie hat

gesagt, wer die Bücher meines Mannes verbrennt, mit dem mach ich keine

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Geschäfte. Und andere Kunstwerke, war ein kleines Museum. Und die Leute sind da

hinaufgeströmt.

Ich hab - im Trainingsplatz auf der Hohen Warte, ich war der Tormann -

leidenschaftlich Fußball gespielt.

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 29

„Es gab - und gibt ihn heute noch - den ältesten Fußballclub Österreichs, den FC

Vienna. Dieser Club war damals schon sehr fortschrittlich. Besonders die

fußballbegeisterte Jugend förderte er sehr.

Neben den Fußballerfolgen der Vienna ab es auf der Hohen Warte ein weitaus

wichtigeres Gesprächsthema: die Übersiedlung der berühmten und schönen Alma

Mahler-Werfel in die neu renovierte Ast-Villa. Als ich den Namen hörte, erinnerte ich

mich sofort an das Weihnachtsfest der Stadt Wien, als diese schöne vornehme

Dame mir meinen Kopf streichelte, mich an ihren Busen drückte und dabei die

Gelegenheit gab, ihr atemberaubendes Parfum intensiv zu riechen. Daher beschloss

ich mich auf der Hohen Warte umzusehen. Ich fuhr mit der Straßenbahn die eine

Station zur Steinfeldgasse hinauf.“

HOHE WARTE SECESSION (Ende)

23.3.-1. 36’20

Bin ich raufgangen, schaun. Visavis vom Eingang war ein Baum,hinter dem hab ich

mich versteckt und geschaut, was passiert.

ALMA-KLANG KLAVIER– ATMO SALON

ALMA-KLANG GARTENFEST MIT VIELEN GÄSTEN

Alma Mahler-Werfel:

„Trotz des unfertigen Hauses wurde ich von Felix Salten gezwungen, einen großen

Abend zu geben. Alle tranken und tanzten bis zum frühen Morgen.“

ATMO HOHE WARTE AUSSEN, KIRCHENGLOCKE 3.3. – 5.

HOHE WARTE MOLL ERSTER BESUCH (lang)

HOHE WARTE ERSTER BESUCH

23.3. –2. Anfang

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Bei meinem ersten Besuch hab ich mir gedacht, ich geh wieder heim, da ist um die

Ecke, Wollergasse, ein Haus. Lieblich. Frühlingswetter. Seh ich einen alten Mann mit

weißem Bart, schöner Hund. Sieht mich der Mann: „jetzt schicken sie uns schon die

Kinder zum Betteln!“ Und der Hund – ich wollt sagen, ich will nicht betteln, es ist nur

der Hund! Und der Hund schleckt mich ab wie verrückt.

Eine alte Frau: „Du brüllst da herum, das muss doch ein gutes Kind sein, wenn der

Harro..:“

Da kommt ein Mädchen, wunderschön, sagt: „Burschi, du kannst immer kommen,

weil der Hund hat dich lieb.“

Jedenfalls, eine Freundschaft begann.

MIT HUND AUF HOCKER IN GESPRÄCHE EINGEBUNDEN

Der Hund, Wolferlhund. Ich am Hocker, kleiner Schemel, ich und der Hund, zugehört,

da hab ich vieles mitbekommen, nicht verstanden.

BURSCHI GEHÖRT ZU UNS

23.3. –2. 20’ Die Frau Moll, die war wie a Großmutter zu mir und der Herr Moll und

der Werfel natürlich auch. „Der Burschi, der gehört zu uns, wie ein Möbelstück, sonst

sind wir leer.“

HUNGER JUDE SALOMON GESCHÄFT GAB ZU ESSEN

GERÄUSCH NÄHMASCHINE teilweise UNTER TEXT

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 13

„Wir wohnten im 18. Wiener Gemeindebezirk in der Währingerstraße 158, 3. Stock,

Tür 14. Unter Wohnen stellt man sich im Allgemeinen eine Wohnung vor. In unserem

Fall war das ein 11m2 großes Kabinett. Unter dem Fenster stand eine Kohlenkiste.

Sie war unser Allzwecktisch. Links daneben stand unsere ‚heilige Kuh’, das war eine

Singer-Nähmaschine, mit der unsere Mutter durch Weißnäherei unseren Fortbestand

mit ihrem kargen Lohn sicherte. An der linken Wand befand sich ein uralter Diwan,

auf dem Generationen vor mir wie auch ich einen aussichtslosen Kampf gegen

Wanzen geführt hatten. Daran grenzte ein Schubladkasten, darauf lag eine

Marmorplatte mit einer Waschschüssel und einem Wasserkrug. Daneben stand ein

Bett für Erwachsene. Damit war die eine Hälfte des Kabinetts ausgefüllt. Angrenzend

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an das Küchenkasterl stand ein vollgestopfter Kasten mit Kleidern und Motten. Der

Gang zwischen Bett und Kleiderkasten war so eng, dass sich meine Mutter kaum

umdrehen konnte. Wasser und Klosett waren am Gang, das Klosett war ein

Plumpsklo ohne Wasserspülung.“

MAMA DIE ARME FRAU UND LUXUS OBEN

28.2. –1. 1h23’ 40

Ich hab schon Aufgabe gemacht, einkaufen, hab mir ein paar Schilling verdient.

Meine Mutter hat gefragt, hast noch was für morgen. Meine Mama. Die war ja

neugierig, sitzt immer in ihrem kleinen Kammerl, näht den ganzen Tag, wartet, dass

ich komm. Jessas Maria, da hats Diskussionen gegeben, was sie auch nicht

verstanden hat…

1h 24’ 55 Weil ich dort Fußballspielen gegangen bin, aber eine Mutter lässt nicht ihr

Kind so leicht. Bin ich mit dem Onkel Max ein paar Mal… hab ich zu Herrn Moll

gesagt, das ist mein Onkel können Sie nicht mit ihm sprechen, der glaubt, ich fall

unter die Räuber bei euch. Ja, komm. Hat er ihn eingeladen auf ein Glas Wein… nur

die beste… ganz reiche Familie.

1h 25’ 42 Für mich, ich schlaf in mein Loch, auf dem Diwan, wo die Federn

herausschauen, auf der Wellpappe, verbrenn die Wanzen in der Früh, geh in die

Schul, mach meine Aufgabe auf der Kohlenkistn, in bitterster Armut, schau mal, jetzt

geh ich wieder zur Frau Moll, der zeig ich meine Aufgabe – und da seh ich den Luxus

mir gegenüber – Teller, Tisch, eine Frau die gepflegt ist, meine Mutter hat ja nichts

zum Anziehn gehabt, die hat sich nicht auf die Straße getraut …

1h 26’ 34 die arme Frau.

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 13/14

„An der Rückseite des Kabinetts stand ein kleiner Kohleofen. Darauf musste meine

Mutter im Sommer und Winter kochen. Im Sommer wurde die Hitze oft unerträglich.

Unser Speisezettel war mehr als karg, drei Tage altes Brot, Schmalz, Grammeln und

Wurstenden, die unverkäuflichen Reste, die mir Kaufmann Salomon zusteckte.

WENN ICH ELEND SEH

28.1. –1. 1h 27’

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Wenn ich seh ein Elend, erinnere ich mich an mein Elend und weiß, was das ist.

Hungernde Kinder, ich weiß, was das ist. Mutter Brotrinde, ich Schmolle …

GERÄUSCH NÄHMASCHINE ENDE

Alma Mahler-Werfel:

„Die Kleider schwarz, einfach, gerade geschnitten. Maßgefertigt, mit langen Ärmeln,

V-Ausschnitt und um die Mitte weit. Schwarze Schuhe mit Keilabsatz, Die Beine

immer noch wohlgeformt. Keine Korsage, keine Schlüpfer. Feine Strümpfe, glatt.“

ALMAS WIRKUNG

23.2. –2. 7’30

Heute schreiben Leute über die Alma,die haben sie nie gesehen, die haben nie

erfahren, was die Frau für eine Wirkung gehabt hat.

ALMAS AUDIENZEN

24.2. – 1. 4’40

Ihre Wirkung auf Männer. Also wenn sie zur Audienz gekommen sind, ich kann das

nicht anders sagen. Wildgans…Zuerst waren sie in ihrem Wert bewusst, dann wenn

sie vor ihr gestanden sind, ja, küss die Hand…

Sie hat eine wunderbare Wirkung gehabt. Stahlblaue Augen. Immer lange Kleider,

Klimt, Flöge. , ihr Gesicht war strahlend Haltung so, schlecht gehört. Scharlach,

Diphterie auf einmal. Politiker, sind gekommen, der Renner, Dollfuss, Tandler.

Kaiser, Adelige, Maler, Schriftsteller. Zuerst groß, dann so klein mit Hut.

ALMA SCHMIEREN TUST DU NICHT SCHLECHT

24.2. – 1. 7’30

Sie hat mich geduldet, mein Heft angeschaut, hat sie genommen - „Aber schmieren

tust du nicht schlecht!“

ALMA STRENG ÜBERIRDISCHE ERSCHEINUNG

ALMA GANZ SANFT

24.2. – 1. 33’ 08 Sie war streng, eine überirdische Erscheinung für mich als Kind.

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Alma Mahler-Werfel:

„Eltern hat man, um sie zu belügen…

Männer hat man, um sie zu betrügen…

Seele hat man, um sie zu vertieren…

Gott, o Gott! Was liebst du so das Böse!?

MANON GELIEBT

24.2.-1. ca 10’

Alma hätte keine Kinder haben dürfen. Die einzige, die sie geliebt hat, war die

Manon. Anna mit 17 Jahren aus dem Haus gedrückt, sie konnte nicht so eine große

Tochter haben. Die Manon hat sie geliebt!

ALMA-KLANG KAMERA KNIPST 2x

Alma Mahler-Werfel:

„Mutzi. Manon Gropius.

Die Art – der Moment des Gezeugt-Empfangen-Werdens und des Geboren-Werdens

ist ausschlaggebend und bestimmend für das Leben der Menschen. Ich trug sie zehn

Monate.

Meine ewig holde Manon. Schlank und edel. In ihrer großen Schönheit.“

MANON GELIEBT Fortsetzung

Als Baby hat sie der Vater, der Walter Gropius nicht angreifen dürfen. Alma hat das

Kind so geformt, Gropius im ganzen vielleicht nur 30 Tage gesehen.

ALMA-KLANG KAMERA KNIPST 3x

Alma Mahler-Werfel:

„Walter Gropius. Architekt aus Berlin. Gründer des Bauhauses, Heimstätte der

Avantgarde. Der elegante Herr in den hellen Gamaschen. Sicher die merkwürdigste

Ehe, die sich denken lässt.

‚Unsere Ehe war niemals eine Ehe‘, schrieb er. ‚Die Frau in ihr fehlte. Eine kurze Zeit

warst du mir die herrlichste Geliebte, die sich denken lässt, und dann gingst du fort.“

MANON GELIEBT Fortsetzung

Briefe, Alma wollte sie vernichten,Gropius-Briefe in der Nationalbibliothek.

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MANON FREUNDSCHAFT

Es war sofort eine Freundschaft. Ich war der Ansprechpartner für sie. Und für Werfel.

Sie war groß. schlank, wunderschönes Gesicht. Wenn sie nachgedacht hat, sie hat

nicht sofort geantwortet, dann hat sie so eine Falte gemacht, dann hat sie

geantwortet. Reines Deutsch. sie hätte Simultandolmetscher werden können. Sie

wollte Schauspielerin werden. Du wirst Dolmetscherin, hat die Alma gesagt, hat

immer bestimmt über sie. Und sie hat nichts gesagt.

Wenn sie mit dem Werfel gestritten hat, hat sie gesagt: „Ich verstehe nicht, Mamele.

Spricht so eine Gattin mit ihrem Gatten?“

ALMA-KLANG KAMERA FILM WEITERSPULEN

Alma Mahler-Werfel:

„Franz Werfel. Dichter aus Prag. Mein süßes Mannkind. Er hat sich etwas zu Grunde

gerichtet durch wahnsinniges Onanieren – bis er mich kennen lernte. Von seinem

zehnten Jahre an war es täglich bis zu drei Malen geschehen. Dadurch ist er auch

vielfach müde und zerschlagen und seine Zellen sind morbid.“

WERFEL MUSA DAGH

23.2. -2.11’ Der Werfel, den hab ich im 32er Jahr unerhört oft erlebt, im 29er Jahr war

er in Damaskus in einer Teppichweberei, ich hab da einen zur Erinnerung. Hat er

sich interessiert für die Webstühle, da waren so verkrüppelte Kinder, fragte. „Das

sind die Kinder der Armenier, die von den Türken vertrieben.“ Das hat ja niemand

gewusst, Türkei war ein Verbündeter der Monarchie. 1 ½ Millionen von einem Tag

zum anderen, in die Wüste, wo nicht einmal die Beduinen. Werfel hat in Balbek

Recherchen gemacht- „ein weltberühmter Schriftsteller, der interessiert sich für unser

Problem!“ Der Patriarch in Damaskus, Werfel konnte verschiedene Sprachen. Der

nimmt ein Kreuz, Werfel: „Aber ich bin ein Jude. – „Auf das kommt es nicht an.“

Ich hab das Kreuz 3x war das im Mistkübel. Und die Alma hat das Kreuz bekommen,

von die Kreuzritter, und ich hab das Kreuz gekriegt, ich trag das in Ehren.

Alma Mahler-Werfel: (vielleicht)

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„Franz Werfels großes Buch „Die vierzig Tage des Musa Dagh“! Es ist eine

Gigantenleistung für einen Verfolgten einer solchen Zeit, während dieser

Anfeindungen sein solches Werk zu schreiben.“

Alma Mahler-Werfel:

„Es ist gut für Franz Werfel, dass wir oft in politischen Dingen aneinander geraten.

Eine Kaffeehaus-Literatin hätte schon längst ein Abstraktum aus ihm gemacht. Er

hatte diese Gefahr in sich. Der wachsende Antisemitismus hat ihm den Anstoß

gegeben.“

WERFEL SCHREIBWEISE UND RAUCHEN

Werfel seine Schreibweise: jedes Manus mit der Hand, 2-3 umgeschrieben, dann hat

ihn die Alma nach Breitenstein verfrachtet, wie ein Eremit, von 10 bis 1 in der Nacht.

Hin und wieder hat er einen Menschen gebraucht, ist er auf die Hohe Warte, aber da

war niemand, nur der Burschi. Das waren Gespräche.

Wie er geraucht hat: Zigarette, hat er abgeschleckt, in den Mund gesteckt, durfte

man nicht sprechen, tiefen Zug, die halbe Zigarette, da war die Asche, in die letzten

Fugen der Lunge, langsam heraus, das hat ihn inspiriert.

Ich war ja der kleine Bua, „da schreibens halt auf der Maschin, geht schneller.“ Er hat

gesagt, ich schreib nach die 3 H’s: Hirn, Herz, Hand.

„Du ist ein armer Bua,aber die Frauen der Armenier haben die Getreidekörner aus

den Rossknödeln gegessen.“

Ich hab in meiner Armut Hoffnung gehabt. Dadurch dass ich 7 Jahr dort hin

gegangen, ich bin ja geflüchtet aus meiner Höhle. Da konnt ich mich frei bewegen. –

18’ 44

ALMA-KLANG KLAVIER ATMO SALON

Alma Mahler-Werfel:

„Im Hause auf der Hohen Warte hatte ich Franz Werfel den ganzen Oberstock mit

dem Entfernen aller Zwischenwände zu einem idealen Arbeitsraum gestaltet. Er

wollte immer große Räume zum Arbeiten, ging dann aber meist in irgendein kleines

Hotelzimmerchen in der Nähe Wiens.“

WERFEL RAUCHATEM

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WERFEL RAUCHEN TRABUKKERL

WERFEL ZARTBESAITETER MENSCH

- dazu 23.2. - 3. 19’ 45 ergänzend

Ich war ein Kind, kindlich, 8,9, 10 Jahr. Interessant, der hat gschaut, geraucht,

Trabukkerl, Zigarren, sie hats ihm immer versteckt, du bist ein Selbstmörder Franz.

Wenn er ausgeatmet hat, da ist was mitkommen! Aber er war a Mensch, hat mir

immer vom Buch erzählt, Diktatur ist das Fürchterliche.

ALMA-KLANG KLAVIER ATMO SALON

Alma Mahler-Werfel:

„Ich hatte ihm ein kleines transportables Klavierchen geschenkt, an dem saß er nun

und spielte mit einem Finger jeder Hand Verdi-Melodien, die er sich mühsam

zusammensuchte, schlief dann oben auf einem Riesensofa, denn kein Zimmer

konnte zu groß, kein Bett zu ausladend, kein Sofa zu geräumig für ihn sein.

Eine eiserne Tür verschloss das Obergeschoß vor jedem Lärm. Mit seinen

überfeinen Ohren erlauschte er aber jedes Geräusch im Haus, und wenn er fühlte,

dass ich Gäste hatte, stand er plötzlich da, denn teils trieb ihn die Neugierde, teils

Eifersucht…“

ATMO ERICH RIETENAUER WOHNZIMMER

THOMAS MANN ZAUBERER AUFTRITT ALMA VERPATZT

THOMAS MANN TARZAN

23.2. - 3. 9’32 und 28.2.- 1. 1h 21’

Eines Tages waren alle desperat, da kommt „der Mann“. Warum so ein Bahöö, der

Mann, was ist das, hab ich meine Mutter gefragt.

Was er isst, was er in petto hat, was er schreibt. Am Mittwoch kommt er. Ich auch.

Ein Taxi hält. Ein alter Mann, eine alte Frau. „Aber Zauberer, pass auf!“ Ich – ein

Zauberer! Hin – „bitte ein Autogramm, Herr Zauberer, aber mit Datum.“ - „Der schaut

aus wie der Tazio, Tod in Venedig.“ Ich war total kaputt, der Tarzan!

Hinter mir stand die Alma. Niemand hat gewusst, dass er zu Hause Zauberer

genannt wurde. Geht auf Zauberberg zurück.

Alma Mahler-Werfel:

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„Der Zauberberg, das wunderbare Buch von Thomas Mann. Erst wirkt die Sprache

etwas gekünstelt, aber dann liest man sich frei. Meisterhaft wie alles von ihm.“

(O-TON weiter)

Ich hab ihr den Auftritt verpatzt, die hat scho geschert schon hinter mir, das Kind

verdirbt mir den Auftritt! Da hätt ich alles verloren. Der schaut mir ununterbrochen

nach, wie der Tazio!

Ich geh zur Frau Moll. „Mann, aber er ist ein Zauberer.“- „Der ist doch kein Zauberer,

der ist ein Dichter!“ Da geht die Gartentür auf, kommt schon die Mutzi - „Weißt, wie

der Burschi zum Thomas Mann gegrüßt hat, Herr Zauberer, aber bitte ein Datum,

das war so lustig, aber der Mama hats nicht gefallen!“

T MANN IMMER ERST IM NACHHINEIN

13’ 31 Mir hat ja nie wer was gesagt, ich hab immer nachher erfahren, mit wem ich

geredet hab. Wenn ich gewusst hätte, dass das ein großer Dichter ist, hätt ich mich

nie hingetraut.

Musik Tom Lehrer „The Most Beautiful Girl in Vienna“ – Fortsetzung:

‘While married to Gus she met Gropius, And soon she was swinging with Walter. Gus died, and her teardros were copious. She cried all the way to the altar. But he would work late at the Bauhaus, And only came home now and then. She said, “Vat am I running a chowhuse?” It’s time to change partners again. Alma tell us, All modern women are jealous. Though you didn’t even use Ponds, You got Gustav and Walter and Franz.’

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 45

„Am 3. August 1918 wurde in das Spital ein Knabe eingeliefert, der zwei Monate zu

früh geboren worden war. Er war so schwach, dass er in den Brutofen gelegt werden

musste. Gleichzeitig mit dem Baby traf ein Brief von Stadtrat Prof. Julius Tandler an

die Spitalsverwaltung ein, worin er ausdrückte, dass ausschließlich Schwester Agnes

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Ida Gebauer die Pflege dieses Knaben übernehmen sollte. Ida dachte, dass dieses

Kind aus Adelskreisen stammte, deshalb diese Geheimhaltung. Doch nach einigen

Tagen wurde es ihr unheimlich. Sie bemerkte am Körper des Kindes merkwürdige

Veränderungen. Der kleine Körper wurde immer zerbrechlicher und schrumpfte,

während der Kopf des Kleinen gleichzeitig größer wurde. Der Chefarzt fragte sie:

Haben Sie schon von der Krankheit Progeria gehört? Wir haben bei diesem Kind ein

Musterbeispiel dieser Krankheit vor uns.“

DER KLEINE MARTIN

24.2. – 2. 12’45

Das war der kleine Martin von der Alma.

ALMA-KLANG KAMERA KNIPST (unter Text)

Alma Mahler-Werfel:

„Schulli. Oberschwester Ida Gebauer. Rotkreuz-Schwester aus Dresden. Kinderfrau.

Pflegerin. Langjährige Vertraute. Unsere Schulli.“

SCHULLI PFLEGT MARTIN

SCHULLI PFLEGT MARTIN 2 AUSSTELLUNG NS

28.2. – 1.1h 01’

Die Schwester Ida, die Schulli, hat das verkrüppelte Kind, Martin, gepflegt bis zum

Tod. Das ist gestanden im Abstellraum, weil man das niemand zumuten konnte. Ich

habs gesehen in der Ausstellung. Damals hat man das aufbewahrt, aber die

Nationalsozialisten haben das als abschreckendes Beispiel, so leben die Juden, so

ist ihre Brut. Das war ihr Meisterstück vom Narrenturm im AKH. Ich habs ja gesehen,

sie haben uns ja hineingeführt im 38er Jahr. Das war wie ein kleiner Körper, Baby,

aber der Kopf war so groß und wie ein alter Rabbiner, Pejes, Bart, weiß, furchtbar!

Immer älter, im Zeitraffer.

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 46/47

„Ein Jahr später wurde Schulli zum Stadtrat Tandler gerufen. Er erklärte ihr, dass

eine berühmte Dame der Wiener Gesellschaft für ihre vierjährige Tochter eine

Kinderschwester suchte. ‚Die Dame heißt Alma-Mahler-Gropius. Sie hat eine

entzückende kleine Tochter.Sie heißt Manon, hört aber auf den Namen ‚Mutzi’.

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Übrigens ist das die Dame, deren Sohn Martin Sie so hingebungsvoll gepflegt

haben.’ Das war der Beginn einer vierzig Jahre dauernden Verbindung zwischen

Alma Mahler und der Oberschwester Agnes Ida Gebauer, der Schulli.“

Musik –Tristan oder Brahms-Walzer op 39

Alma Mahler-Werfel:

„Für die Musik würde ich jeden Mann aufgeben. Musik bedeutet mir alles. Süße,

innigst geliebte Musik. Und nur deutsche Musik.“

ALMA MUSIK FEELING

24.2.-1. 51’

Alma ein musikalisches Feeling gehabt – unwahrscheinlich wie sie sich einfühlen

konnte in den Komponisten.

Alma Mahler-Werfel:

„Ich musiziere jetzt wieder mehr, und zwar das was mich glücklich macht, Nicht diese

ewige Verdi-Drescherei.“

ALMA MUSIK BRAHMS LISZT

23.2. -2. 52’40

Gewisse Sachen hab ich sogar im Ohr. Brahms hat sie gespielt. Der Liszt hat über

Tristan und Isolde improvisiert. Die hat die Alma auswendig gespielt.

Alma Mahler-Werfel:

„Alle Juden lieben als mittelmäßige Menschen italienische Musik. Deutsche Musik

lässt sie kalt.“

„Die meisten jüdischen Melodien beginnen mit einer Dissonanz, so wie die Barcarole

aus ‚Hoffmanns Erzählungen‘. Das ist, weil sie ihren Messias noch nicht erlebt

haben. Wir beginnen mit einem C-Dur-Akkord, zeigen Konflikte auf und endigen in

Christus! Gibt es ihn wirklich?“

ALMA MUSIK KLAVIER LIEDER KOMPONIERT

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23.2.-2. 24’25

Alma Mahler, Klavier, eine Naturbegabung.

(Bringt Dokumente – blättert - ) i bin ein Zeitzeuge, wie Sie keinen finden. Die Alma

hat Lieder komponiert, wunderschöne Lieder, wenn ihr ein Gedicht zugesagt hat, hat

sie komponiert.

ALMA NIE IN SCHULE

23.2.-2. 5’30

Alma ist nie in die Schule gegangen, der Vater hat sie gelehrt. ein Vater ist mehr als

hundert Lehrer. Griechisch gelesen. Noch auf ihrem Totenbett die Ilias gelesen.

Musik Almas Lied „In meines Vaters Garten“ oder „Die stille Stadt“

BLÄTTERN IM ALBUM MANON GROPIUS ALMA WIDMUNG

FOTO UM DIE WELT GEGANGEN

Für diese Aufnahme, die ist um die Welt gegangen, die Mutzi mit der Alma, die hab

ich aufgenommen, und da hab ich 20 Schilling bekommen, „Gib die deinem Onkel.“

DER KNIRPS KNIPST

Da ich einen Onkel gehabt hab, irgendwo eine Box Tengor gekommen, Rollfilm…

(beschreibt.) Knipsen. Lochkamera, sehr gut. Hab ich die ersten Versuche gemacht.

Dann hat die Alma meine Fotos gesehen. Der Alma ist nichts entgangen. Von Mutzi

und Frau Moll über mich berichtet. Wenn der Krieg nicht gekommen wäre, hätte ich

Karriere gemacht, nicht so mühsam mit Fujifilm.

WAS MICH BEGEISTERT GESICHTER

Was mich begeistert hat, waren Gesichter. Im Sucher das Gesicht, geknipst. Hat die

Mutzi gesagt, heut knipst du uns alle. Die Fotos sind von mir, mit acht, neun, zehn,

elf Jahren. Die Alma hat das gehört, ja kann er das? Werfel, der Knirps knipst.

GERÄUSCH KAMERA KNIPSEN, MEHRERE MALE SCHNELL HINTEREINANDER

FÄHIGKEITEN GEZWEIFELT

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Wenn ich gefragt hätte, hättens gesagt geh furt. an meinen Fähigkeiten gezweifelt.

FOTO ENTWICKLUNG ERKLÄRT

Später hab ich eine Weltix gekriegt. Die Entwicklung war viel leichter. (Beschreibung

– sehr interessant!) Gaslichtpapier, hellgelb entwickeln. Gartl, vormittag eins zwei

drei, zu Mittag einundzwanzig, zweiundzwanzig, usw.

WIE GESTERN

24.2.-1. 49’35 Ich kann mir nicht erklären, dass ich das alles können hab, auch nicht,

dass ich das heute erzählen kann.

FOTO REHE

(Fotoalbum, blättert.) 50’30 Das Bild ist eine Sensation. / 51’15 Da kam ich gerade,

sehe ich 2 Rehe, Bock und Geiß. Von der anderen Seite kommt die Mutzi Die Rehe

an mir vorbei, zur Mutzi, sie hat sie um den Hals genommen und zur Gartentür

geführt. Alma sieht das, um Gottes willen, die Rehe, man muss den Tierschutzverein

rufen. Ich habs fotografiert. bis Abend. Meine Mutter hat geglaubt, ich lüg, aber ich

hab ja den Film entwickeln lassen.

evtl ergänzen / ersetzen die vorige Fotogeschichte:

FOTOGESCHICHTE MANON FOTO KAMERA SUCHER ONKEL ENTWICKELT

28.2. – 1. 2h 03

Foto: Box Tengor. (zu Manon) „Du bist so schön und ich bin so klein, möchte ein

Foto von dir.“ Von mir gibt’s keine. Lochkamera, 6x9 Film. Orthochromatisch, nicht

panchromat. – Sucher. Geknipst. Im Sonnenschein ist das wunderbar gegangen.

Das 1. Bild von ihr abgschnitten.

Aber sie haben mich nicht fotografiert. Ich sie, sie mich nicht.

FOTOS GELD ONKEL HAT SICH NICHT GETRAUT GELD VERLANGEN

Der Onkel entwickelt, Kopien. Hab ich hin und wieder was gekriegt. „Onkel, was soll

ich verlangen?“ – „Was sie dir geben.“ Der hat sich auch nicht getraut was verlangen

von die feinen Leut.

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MANONS LETZTES FOTO

MANONS LETZTES FOTO IN EHREN

MANON KINDERLÄHMUNG WERFEL WEG

Ungefähr 2 Monate, hab ich eh gezeigt, so ein kleines Bild – da, das ist von mir.

Mutzi am Krankenbett, mein Foto. Da hat sie nicht mehr aktiv mitgetan, man siehts

deutlich. Die Haare waren immer offen. Ungefähr 2 Wochen bevor sie gestorben ist.

Ein Bild, das ich immer in Ehren halt.

ALMA KLANG – GERÄUSCH FERNSCHREIBER TELEFON SINGEN IN LEITUNG

Alma Mahler-Werfel:

„Es war Kinderlähmung. Manon umarmte mich weinend, wobei sie immer wieder

sagte: ‚Jetzt ist alles gut, wenn meine Mami da ist.‘ Wenige Zeit danach kamen die

Ärzte. Sehr ernst.“

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 46/47

„Ende Mai 1934 hatte sich Manons Zustand stabilisiert. Zu Beginn ihrer schweren

Krankheit konnte sie nur mühsam sprechen und schlucken und musste flüssig

ernährt werden. Sie hatte in den Beinen fürchterliche Schmerzen und war vom Hals

an bis zu ihren Zehen gelähmt. Franz Werfel verlangte vom Arzt eine ehrliche

Auskunft. ‚Bei dieser Krankheit gibt es keine Heilung. Seien Sie darauf gefasst, dass

die Patientin ein Leben lang ein Pflegefall bleibt.“

28.2.-1. 1h 49’38

MANON KINDERLÄHMUNG VERLAUF

Das ist so bei der Kinderlähmung … Es gibt eine leichte Form und eine schwere

Form,die hat die Mutzi gehabt, Atembeschwerden. In Venedig wär sie schon

erstickt,… man hat das überhaupt nicht erkannt, dass das die Kinderlähmung ist.

Ein junger Mensch merkt Veränderung. Wenn das Bein nicht mehr weh tut,zuerst

diese furchtbaren Schmerzen, dann Bein taub… Werfel hat den Primarius Plöchl

gefragt, der hat gesagt, keine Rettung. Gliedmaßen vollständig verlieren. Hände

bewegen oder nur Kopf. Pflegefall. Man muss aufmerksam sein, ob sie nicht den

Ausbruch der Krüppel hat, wo sie ihre Umgebung verantwortlich macht, dann kommt

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sie in ein Heim, wo man sie niederdrückt. Der Werfel war weg, kam nicht mehr

zurück. Die Alma nur in der Früh - „Wie geht’s ihr?“

Ich hab sie 3 Monate nicht gesehen. Ansteckung. Einmal ist der Tandler gekommen.

hab ich gefragt, kann ich mit ihnen gehen? Ja. Keine Schmerzen mehr. Die Gestalt,

alles weg. Das Gesicht blieb wunderschön. Als sie mich gesehen hat- „Bleib weg!“,

wegen der Ansteckung. Da hab ich ihr immer vorgelesen.

MANON VORLESEN

1h 54’ 43 Rückfall vom Slezak, Winnetou, Karl May. Ich war ganz heiser immer. Sie

soll dir rohe Eier geben, ich hab ja keine.

ALMA-KLANG SCHREIBFEDER KRATZT

Alma Mahler-Werfel:

„Endlich kann ich schreiben! Es ist fast ein Jahr her, dass Manon so schwer

erkrankte, und wir schleppen diese furchtbare Krankheit mit ihr. Seitdem ist Franz

Werfel ruhelos. Arbeiten kann er nur mehr anderswo; also war dieser Hauskauf eine

Unsinnigkeit. Denn das Haus in Wien sollte Werfel helfen, ruhig zu arbeiten.

Momentan arbeitet Franz Werfel in Baden bei Wien in einem öden

Hotelschlafzimmer.“

MANONS TOD

28.2.-1. 1h 55’ 20

Sie wäre Pflegefall der höchsten Potenz geworden. Das Herz war gut. Der Karfreitag,

19. April Auslöser. Da haben die Alma und die Schulli gesoffen. Das war der Alma

ihre Red: Saufen wir einen. Die Schulli hat ja nichts vertragen. Plötzlich, die Manon,

ich habs nötig, die Schüssel. die zwei wussten nichts von einer Schüssel, da ist alles

reingegangen, pfff. Sie hat aufgepasst, jede Unpässlichkeit ihres Körpers zu

vermeiden. sie war sauber… Da ist die Krankheit zurückgekommen. Konzil von 7

Ärzten. Man hat alles versucht, totaler Verfall. Sie hat dahingedämmert, in Agonie

gelegen. Immer friedlicher geworden. Ostersonntag, Ärzte haben aufgegeben. Am

Ostermontag Messe, der Hollensteiner nicht dazugekommen, er ist dann mit mir zum

Gebet. Ich war ja Ministrant. Da sind wir gerade dazu gekommen, ihr letzter

Schnaufer. Sie war allein. Die Alma war im Nebenzimmer und hysterisch. Da gibt es

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den Brief: Gehen wir dorthin wo die Mutzi ist. Zwischen tun und lassen fließt der

Missisippi.

Sie war allein in dem Zimmer. Im Nebenzimmer Stimmen, die Alma ist

zusammengebrochen. Gebet. Die Anna hat schon gewartet, für die Totenmaske. Da

fangt die an mit dem Gips. Herunternehmen. Wunderschön. Die schönste

Totenmaske, die je gemacht wurde.

Alma Mahler-Werfel:

„Manon sagte heute mit verhauchender Stimme: ‚Lasst mich ruhig sterben, ich werde

doch nicht mehr gesund… Mami, du kommst darüber hinweg, wie du über alles

hinweg gekommen bist’ – darauf verbesserte sie sich – ‚wie jeder über alles hinweg

kommt.

Das waren ihre letzten Worte zu mir.“

Musik Mahler Kindertotenlied „Sie sind uns nur vorausgegangen und werden bald

nach Hause gelangen…“

MANONS BEGRÄBNIS CANETTI

28.2.-1. 12’ 20

Der Canetti schreibt, dass das Begräbnis von der Manon – das war ein Stadtereignis

Ich habe noch nie so viel Menschen am 24.- April 1935 auf dem Grinzinger Friedhof

gesehen. Man hat nicht einmal Grabsteine gesehen, weil die Leut sind

daraufgesessen. Da war die Schulli, da war die Anna, aber keine Alma. Sie hat den

Friedhof gemieden, seit sie ihren verwesenden Vater identifizieren musste, ein 17-

jähriges Madel, (Achtung Alter falsch, schneiden?) wenn sie so mit dem Tod

konfrontiert ist, die schaut nie mehr einen Friedhof an. Da schreibt doch der Zanetti

(falsch), dass die Alma mit Tränen in den Augen beim Grab sitzt und weint.

15’33 Das stimmt nicht, dichterische Freiheit, ich will ihn nicht kritisieren.

ALMA KLANG ATMO SALON

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Alma Mahler-Werfel:

„Niemand wird sie vergessen, der sie je kannte. Wir sind vollkommen verarmt

zurückgeblieben. Sie wurde wie eine Königin beerdigt, denn als eine solche hat sie

auch gelebt. Nichts hält mich mehr. Ich möchte von der Welt fortgehen, aber der

letzte Mut fehlt mir, ein Ende zu machen.“

MANONS GRAB

28.2.-1. 19’56

Schulli – „das Grab, da muss doch irgendwas gemacht werden, nur ein Holzkreuz

dort.“ (Alma) „Was willst du denn mit dem Grab, die Mutzi ist schon lang woanders!“

Das war nach einer langen Zeit, fast 1 Jahr, geh ich zufällig wieder auf den Friedhof.

Stell dir vor 3 m hoch die Kränze… Also alles verdorrt schon, da haben die Mäuse

schon ihr Lager gehabt. Die Alma war weg, und ich war ein Bub. Zufällig hab ich

einen Wachmann gesehen, den hab ich angesprochen. Können Sie sich erinnern,

das Begräbnis von der Manon Gropius, der ist mit mir zum Grab. Wir haben keinen

Auftrag. Jetzt habens einen Auftrag. Da haben sies weggeräumt. Aber bis 60er Jahr

war nur das Kreuz.

Da hat die Schulli das Grab gesehen und dem Gropius geschrieben, wie das Grab

ausschaut. Da hat er den Dreifaltigkeitsstein geschickt…

Ich hab Jahrzehnte das Grab bezahlt. Laternen… In den 50er Jahren hat das

angefangen, hab ich das Grab bezahlt.

Begräbnis kürzen oder streichen und hier weiter

MANONS TOD SCHLECHTES GEWISSEN

28.2.-1. 2h 07’ 40

Ein Mensch, den man liebt, in irgendeiner Situation wird man auf ihn grantig. Und

dann stirbt der Mensch. So war die Situation. Der Werfel war nicht mehr zu kennen.

Und sie auch, ein altes Weib…. Die haben alle ein schlechtes Gewissen gehabt, weil

sie sich viel zu wenig um dieses Mädchen gekümmert haben.

Musik Mahler Kindertotenlied „Sie sind uns nur vorausgegangen und werden bald

nach Hause gelangen…“

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Alma Mahler-Werfel:

„Meine Ehe ist keine Ehe mehr. Ich lebe unglücklich neben Werfel, dessen Monologe

keine Grenze mehr kennen. Es ist immer seine Absicht, seine Worte, seine, seine! Er

hat vergessen, wie wichtig einmal meine Worte für ihn waren.

HISTORISCHER TON: RADIO ÖSTERREICH HYMNE

POLITIK WENN DIESE LEUTE NICHT EMIGRIERT WÄREN

23.2.-3. 33’ 39

Wenn diese Leute gelebt hätten, wenn die Zeit nicht gewesen wär,

nationalsozialistisch - Wenn die Zeiten…normale gewesen wären, die hätten mich

nicht im Stich gelassen.

POLITIK WERFEL FÜRSPRECHER

KESSEL LEER

24’46

Werfel wär ein Fürsprecher für Ö gewesen, obwohl er Tscheche war, war ein

fanatischer Österreicher, hat Wien gelebt. Du lebst in einer schönen Stadt, musst

dich anstellen, aber die lassen dich nicht verhungern. Hab ich erzählt, Herr Dichter,

die warten auf mich, die Bücha, wollen mir das Geschirr wegnehmen. Da waren die

Kessel, oft,wenn ich dran gekommen, waren die Kessel leer.

POLITIK WERFEL DOLLFUSS

21’40

Damals hat er fest geglaubt, dass der kleine Dollfuß mit seiner Begeisterung, seinem

Österreichertum, dem Hitler standhalten kann. Aber der Schuschnigg, paar Mal

erlebt, war laut Moll ein weicher Bruder. Den putz ma weg. Haben zuerst geglaubt,

Hitler befreit Ö-Aber nur ein Volk ein Reich ein Führer, Österreich selbständiger

Staat, niemals!

HISTORISCHES RADIO RAUSCHEN STÖRGERÄUSCH

Alma Mahler-Werfel:

„Die Juden Europas haben mehr bekommen als sie gegeben haben. Der analytische

Geist, ein Ding namens Sozialdemokratie, selbst der Liberalismus – alle diese

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‚Erleuchtungen‘ stammten von Juden. Heute jedoch sind sie anders. Sie brauchen

Hilfe und Lenkung – unser Denken und Fühlen!“

POLITIK IMMER FÜRCHTERLICHER DISKURS (kurz)

MOLL WAR EIN GUTER MALER ABER NAZI

23.2. – 2. 40’45

Der Moll war ein guter Maler, toller Maler, aber er war ein Nazi.

POLITIK MOLL WERFEL ALMA FRANCOREGIME

38’30

Ich hab da ein Gespräch miterlebt, im 37er Jahr, das war im Garten, Stuka, haben

die Spanischen unterstützt. Da waren Leut, nicht alle astrein…Diebe, waren aber

Patrioten,auch welche dabei, die gegen Francoregime gekämpft.

Hat der Werfel gesagt, der Hitler, der wirft Bomben gegen die Zivilbevölkerung. Moll

– lauter Verbrecher, Werfel hat sie verteidigt. Lautstarkes Gespräch. Dann wieder

einmal hochrot geredt -

(Alma)“Franzl, alles, was du sagst, ist ein Scheißdreck. Wie kannst du das sagen?

Weil du immer einen Scheißdreck redest.“ Er ist auf, raus, um die Hohe Warte. Sie ist

hinauf in ihre Villa, ans Klavier, Kinderszenen gespielt. Pampampam… Auf einmal

Werfel echauffiert wieder in den Garten, Sie: „Was tust du da unten, ich warte auf

das Essen mit dir!“

Alma Mahler-Werfel:

„Ich fürchte sehr für Franz Werfel. Er hat eine schwere Zeit durchzumachen. Er war

ein Glückskind von Geburt, bis über das vierzigste Jahr. Nichts ging ihm schief. Die

Eltern, die Schwestern, der Familienreichtum, sein eigener, wachsender Ruhm… und

nun auf einmal: die Judenverfolgung in Deutschland. Seine Bücher werden verbrannt

– er ist nicht mehr umworben – er ist auf einmal ein ‚kleiner vorlauter Jud‘. Nun werde

ich erst recht zu ihm halten.“

ALMAS FEST

28.2.-1. 17’30 Lachen 17’08

Im Jahr 37 hat sie sich mit einer 3-tägigen Feier von der Gesellschaft Wiens

verabschiedet. Das hat ausgeartet in 3-tägiger Sauferei. Zuerst nicht, haute volee,

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aber dann, sie hat Hilfskräfte dirigiert, sie ist gestanden wie ein Fels, der Werfel war

kaputt nach vier Stunden, ist in den Teich reingeflogen am 1. Tag. Unwahrscheinlich.

Da sind Leute von der Straßen reinkommen. Sie ist noch immer gestanden. sie hat

die Gage vom Mahler verfüttert – (lacht) – Einer, gestern hab ich einen Rausch

gehabt, und die steht und steht –

Alma Mahler-Werfel:

In vierzehn Tagen verlasse ich dieses Unglückshaus auf der Hohen Warte und gehe

ins Nichts. Alles zerkrümelt zwischen meinen Fingern, und zurück bleibt die Musik

allein!

Ich habe jetzt zehntausend Bücher zu verpacken. Bilder, Noten, Kostbarkeiten aller

Art. Im Grunde Krempel vor der Ewigkeit und Ballast im Alltag. Und doch schützt man

sein Besitztum, wie ein eifriges Tierchen. Wofür…wozu?

Alle Menschen gehen gesenkten Hauptes den allgemeinen Trott der Verblödung.

Nirgends – aber auch nirgends ein Hoffnungsstrahl.

Der Mensch frisst Gras oder tote Leiber, und er liebt verzweifelt und kurz, um wieder

in starren Todesschrecken zu versacken.“

ALMA ABSCHIED 1938 TRÄNEN GELD

DREIZEHNTER MÄRZ 1938

Alma Mahler-Werfel:

„Wir wussten, Österreich war in Lebensgefahr. Was wir aber nicht wussten, war die

Tatsache, dass Österreich längst gestorben war.

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 207/208

„Anfang März 1938 war klar, dass in Österreich eine politische Veränderung

bevorstand. In großer Eile hob Alma ihr gesamtes Bargeld ab und raffte ihren

Schmuck zusammen. Danach folgte die große Ratlosigkeit. Wie sollte dieses

gesamte Vermögen zu Werfels Schwester nach Zürich kommen?“

„Da Schulli immer noch deutsche Staatsbürgerin war und einen gültigen

reichsdeutschen Reisepass besaß, hatte Alma eine Idee.“

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Alma Mahler-Werfel:

„Ich sah noch alle Freunde, den guten Ferdinand Bloch-Bauer auch, der ungeheure

Geldsummen hergab und auftrieb, um die Arbeiterschaft zu mobilisieren. Meine

Tochter Anna Mahler stand in der Mitte einer Gruppe, die eifrig für das Plebiszit warb,

das Schuschnigg angeordnet hatte.

Den letzten glücklich scheinenden Abend verbrachte ich mit Zuckmayers, Ödön von

Horváth, den ich nie mehr wiedersehen sollte, und Csokor, die ich alle ins jüdische

Restaurant Neugröschl eingeladen hatte.“

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 207/208

„Der Transport von Almas Vermögen war eine fast unerträgliche Tortur, Schulli wurde

von Alma auf folgende Weise adjustiert: Erst musste Schulli eine Damenunterhose

aus dem vorigen Jahrhundert anziehen. Diese Hose war unter dem Knie fest

zusammengezogen.Darin wurden die Wertsachen und sämtliche Ringe in Schullis

Büstenhalter versteckt. Um ihre Taille waren über ein Gummiband ausländische

Banknoten mit hohem Wert angeklebt. Je ein Beutel mit Goldmünzen wurde unter

ihre Achseln gebunden. Auf ihrem Bauch klebten ebenfalls Banknoten und unter

ihren Schuheinlagen befanden sich weitere. Sie war, wie sie sich selbst beschrieb,

‚ein lebendes Fort Knox’.“

Alma Mahler-Werfel:

„Ich fuhr auf die Hohe Warte und nahm Abschied von meiner Mutter, von der ich

wusste, dass ich sie nie wiedersehen würde. Ich ließ sie glauben, ich käme nach acht

Tagen wieder. Ihre Nazumgebung hielt sie im Wahn, Hitler selber wolle nichts

Brutales, dies sei nur ein Übergang…Er werde ein Paradies bringen.“

BRUCKNER SYMPHONIE

SCHULLIS VERHÖRE

O-Ton und Buchtext verschränken. Beginnen mit O-Ton:

Kaum waren die Truppen in Wien….Hohe Warte

2.3.-1. 7’16

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Sie ist sofort wieder heimgefahren. War gut. Verhört. Unter Kuratel gestellt, ist sie

Antinazi, Vermögen, Wohnung visitiert. Auch ich bin unter Verdacht gekommen, aber

ich war a Bua. Zweimal warens bei meiner Mutter und beim Lehrer - „Was soll der

Bua?“

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 213

„Das grausamste Verhör erlebte Schulli am 21. Februar 1939. Sie bekam eine

polizeiliche Aufforderung, an diesem Tag um 7 Uhr früh bei der Gestapo am

Morzinplatz zu erscheinen. Ganz ungewohnt freundlich wurde sie dieses Mal

empfangen. Man brachte ihr eine Schale Tee und führte sie dann in ein

Kellergeschoss. Dort stand nur ein Schreibtisch, sonst nichts. Im barschen Ton

wurde ihr versichert, dass für sie der Zug ins Konzentrationslager bereitstünde, wenn

sie nicht sofort die gewünschte Auskunft, speziell über eine Wertsache, die ‚unserem

Führer’ gehörte, angab. Da Schulli erneut schwieg, wurde sie mit einer Handschelle

an die kalte Zentralheizung angehängt, wo sie bis 7 Uhr abends blieb. Mit den

Worten ‚Raus mit der stinkigen Alten!’ setzte man sie vor die Tür. Sie musste an

diesem kalten Winterabend zu Fuß in den fünften Bezirk gehen. Danach wollte

Schulli die Partitur und Almas Briefe so schnell als möglich los werden.“

Alma Mahler-Werfel:

„Paris, 24. April 1939. Ich habe nichts mehr – nichts! hier! Keine Bücher, keine Noten

– kein Clavier – ich weiß nicht, wie lange ich das aushalten werde! Wenn ich nur

meinen Goethe da hätte!“

Erich Rietenauer, Alma meine Liebe, S 213

Im Juli 1939 fuhr die Frau des Musikkritikers Paul Stefan mit einem Diplomatenpass

nach Paris. Das Ehepaar war mit Alma sehr befreundet. Schulli verpackte die Partitur

und die gewünschten Briefe in eine harmlose Schachtel. Die Überbringerin hatte vom

Inhalt keine Ahnung, und Diplomatengepäck wurde vom Zoll nicht untersucht.

Durch eine Freundin Almas bekam Schulli eine Postkarte zugesteckt: B.(für

Bruckner) S.(für Symphonie) und M.(für Mahlerbriefe) vollzählig angekommen.

Herzlichen Dank, Alma.“

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HISTORISCHER OTON: Wochenschau - Welt im Film (Filmarchiv? ich fands auf

Youtube= Beginn der TV-Doku „Big Alma“ von Susanne Freund Prod. ORF und

ARTE).

Signation Wochenschau

„Aus New York kommend traf auf dem Flugfeld Tulln bei Wien die Witwe des 1945

verstorbenen Dichters Franz Werfel ein. Vor ihrer Ehe mit Franz Werfel war sie mit

dem Komponisten Gustav Mahler verheiratet. Zu ihrem Empfang waren Vertreter des

Unterrichtsministeriums und der Stadt Wien erschienen.“

(Länge mit Signation 28’’)

ALMA NACH KRIEG WIEN

24.2.-2. 18’

Alma, nach dem Krieg: Sie hat noch gut ausgeschaut, aber voluminös, der Alkohol.

Geehrt vom Csokor, Präsident vom P.E.N. Club. Werfel ehrenhalber aufgenommen,

sie auch. Hat zu Schulli gesagt. Ich nehm dich mit nach Amerika. Wenn sie sagt, sie

hat alles zurückgelassen, das ist ein Schmäh. Sie hat alles bekommen, die ganzen

Briefe an Kokoschka –

In Amerika hat sie die ganzen Briefe an Kokoschka verbrannt. Schulli sagte, du

vernichtest wertvolle… Sie hat gesagt, glaubst du, ich lasse mir von der Umwelt in

den Arsch schauen?! Sie liebte starke Ausdrücke.

Alma Mahler-Werfel:

„Jetzt lebe ich im dritten Stock meines Hauses in New York in zwei Zimmern. Ich

kann mich nicht über Mangel an Beschäftigung beklagen. Ich habe ja sozusagen

zwei Firmen zu verwalten, einen musikalischen und einen dichterischen Nachlass.

Das eine meiner Zimmer ist ganz angefüllt mit Büchern, darunter Werfels Werke in

allen Sprachen, und die Werke aller meiner Freunde. Dort hängen auch die Gemälde

von Kokoschka: das Porträt, das er von mir gemalt hat.

Mein Schreibtisch steht im Schlafzimmer, und dort in der Ecke steht auch ein Safe

mit den Manuskripten von Gustav Mahler. Auch die Gemälde meines Vaters, die ich

zurückerhalten habe, hängen hier. Es ist in den beiden Zimmern eigentlich kein

einzges Stück, das mir nicht aus diesem oder jenem Grund teuer wäre.“

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SCHULLI ALMAS PFLEGERIN

22’20

Sie wollte die Schulli als Pflegerin. In Amerika war es so, dass sie das Ambiente, das

sie hier gehabt hat, nicht hatte,

Sie war nicht mehr dicht. Schulli in der Nacht aufgeweckt, sie soll den Werfel aus

dem Kaffeehaus holen.

Alma Mahler-Werfel:

„ Alles was war, ist und es gibt keine Zeit. Ich lebe nicht. Was ich tue, weiß ich nicht,

es ist ja alles egal. Ob man nun frisst, sauft - - - -! oder asketisch – Werke schafft.

Man crepiert und ist ein Sandkorn in der unendlichen Weite der Ewigkeit –“

ALMAS TOD

28.2.-1. 34’10

Die Alma ist unheimlich schwer gestorben. 85 Jahre war sie. Sie hat in Amerika in

den letzten Jahren 10 Schlaganfälle gehabt, drei bedingt durch Bruch… Das Ende,

da erzählt man so viele Sachen. Die Anna behauptet, sie ist in ihren Armen

gestorben. (Lacht) – die Leute haben den Tod gefürchtet!

SCHULLI MOLL ICH BIOGRAPHIE

ALMA GESPONNEN ÜBERTREIBUNG

BIOGRAPHIEN GHOSTWRITER ALMAS SARG

28.2.-1.

43’55 Die Schulli hat mirs erzählt, Berge erzählt.

44’42 Die Biographen habens schwer gehabt.

46’18 Die Alma hat 6 Ghostwriter gehabt!

46’37Und wie sie gestorben ist, hat jeder von die Ghostwriter gesagt, sie hat mir des

versprochen, des versprochen.

Sie hat immer gesagt zur Schulli, wenn ich sterbe musst du dich kümmern um alles

was wertvoll ist. Die Anna hat sich ums Geld gekümmert,sie hat alles übergeben der

Rosé, die hat nichts davon verstanden. Da sind Leute gekommen, die haben

wertvolle Bilder, weil sie den Rahmen wollten, Klimt, da sind wertvolle Bilder

vernichtet worden. Die hat ja keine Ahnung gehabt. Willst du das, das… Und die

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Schulli konnte nicht hier eingreifen, weil sie vollkommen beschäftigt war, die Leiche

der Alma nach Wien zu überführen. Almas Sarg, 310 Kilo schwer. Warum? Alma

wurde mumifiziert, wie sagt man da, dass sie nicht so verwest. Die Partitur vom

Tristan, im Sarg, wenn sie am jüngsten Tag aufwacht, will sie sofort den Tristan

spielen, Tristan und Isolde, mild und leise.

Das hat eben die Schulli bewerkstelligt. Geburtsschein, wie sie da gelebt hat, nach

Amerika, einreichen, eine eigene Institution,die sich damit befasst,… dann hat noch

die Fleischmann, eine bekannte Fotografin…die Trude Fleischmann hat sie noch

fotografiert… Da kriegen sie einen Schreck, wenn sie das Bild sehen…

Der (Sarg) ist mit Flugzeug angekommen, während die Schulli mit dem Dampfer

gefahren ist, war der Sarg schon auf dem… Grinzinger Friedhof… Wir sind

gekommen zum Herunterlassen, man konnte sie da nicht herunterlassen, weil der

Sarg zu groß war für dieses Grab. Das Tolle war, da musste der Sarg eine Nacht auf

dem Gestell stehen, bis man das Grab vergrößert hat. Wenn da irgendwas von der

Mutzi da war, hat der Sarg sie zerdrückt. So hat sie sich noch verabschiedet auf

diese Weise.

Alma Mahler-Werfel:

Jeder Mensch kann alles – aber er muss auch zu allem bereit sein.

Musik Tom Lehrer „The Most Beautiful Girl in Vienna“ – Ende:

‘And that is the story of Alma, Who knew how to receive and to give. The body that reached her embalma Was one that had known how to live. Alma, tell us How can they help being jealous? Ducks alsways eny swans Who get Gustav and Walter – you never did falter – With Gustav and Walter and Franz.’ Schlusstitel

Nachspann:

BRIEFMARKE EINE SEITE PICKT

5’

Es ist ja so, wie die Briefmarke, eine Seite ist schön, die andere pickt. Die pickerte

soll man hintanstellen, bei diesen Leuten.

33

SACHEN DIE NIEMAND WEISS

19’22

Da gibt es Sachen, die niemand weiß und die auch niemanden interessiert zu

erfahren, weil dann ihre Biographie korrigiert werden muss. Das will ich ja ned, die

leben davon und ich ned…

***