Diabetes mellitus – Spätschäden früh erkennen und behandeln · Typ 1-Diabetes mellitus andere...

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Diabetes mellitus – Spätschäden früh erkennen und behandeln 3. Patiententag am 20.Juni 2015 Dr. med. Christof Beck, Klinikum Nürnberg Medizinische Klinik 4 - Nephrologie, Hypertensiologie

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Diabetes mellitus – Spätschäden früh erkennen

und behandeln

3. Patiententag am 20.Juni 2015

Dr. med. Christof Beck, Klinikum Nürnberg Medizinische Klinik 4 - Nephrologie, Hypertensiologie

Diabetische Folgeerkrankungen frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig: die ersten zehn Jahre der Diabeteserkrankung

und die Qualität der Blutzuckereinstellung be-stimmen das Risiko für Folgeerkrankungen

Gefäßkrankheiten (=Angiopathien) spielen eine zentrale Rolle

Klinische Ausprägung und Schwere der Gefäßveränderungen sind abhängig von ihrer Lokalisation und dem Ausmaß der beteiligten Gefäßareale

Diabetische Folgeerkrankungen

Diabetische Folgeerkrankungen Kleine Gefäße (mikrovaskulär) Große Gefäße (makrovaskulär)

Gehirn alle 12 Minuten ein Schlaganfall (44.000 pro Jahr)

Herz alle 19 Minuten ein Herzinfarkt (27.000 pro Jahr) Periphere Durchblutungsstörung Starke Beschwerden beim Gehen („Schaufensterkrankheit“)

Sexuelle Dysfunktionen Erektile Dysfunktion Orgasmusstörungen

Adaptiert nach Liebl, A. et al.: Exp Clin Endokrinol Diabetes 2002; 110: 10-16

Gehirn Demenz, Wesensänderung Gedächtnisleistungsstörung

Diabetische Netzhauterkrankung alle 90 Minuten eine Erblindung (6.000 pro Jahr)

Nieren alle 60 Minuten ein neuer Dialysepatient (8.000 pro Jahr)

Diabetische Nervenstörung Alle 19 Minuten eine Amputation (28.000 pro Jahr)

Diabetische Folgeerkrankungen

alle • 90 Minuten ein neuerblindeter

Diabetespatient • 60 Minuten ein neuer

dialysepflichtiger Diabetiker • 19 Minuten eine Amputation • 19 Minuten eine Herzinfarkt • 12 Minuten ein Schlaganfall

Klassifikation des Diabetes mellitus

Typ 1-Diabetes mellitus andere ursächliche Typen (Typ 3-Diabetes mellitus)

Typ 2-Diabetes mellitus Schwangerschaftsdiabetes (Typ 4-Diabetes mellitus)

- genetische Defekte (z.B. früher MODY)

- Pankreatopathien - Endokrinopathien - medikamentös induziert

- primäre Insulinresistenz mit früher Insulinsekretionsstörung

- ß-Zell-Destruktion - immunologisch vermittelt - idiopatisch

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Retinopathie und Makulopathie • Diabetische Retinopathie und Makulopathie

sind die häufigsten mikrovaskulären Komplikationen

• Retina = Netzhaut • Makula = Mitte der Netzhaut, enthält die Stelle

des schärfsten Sehens

Retinopathie und Makulopathie Schädigungsmechanismen: • kapilläre

Durchblutungsstörung • Gefäßaussackungen • kleine Blutungen • weiches Exsudat (Eiweiß) • großflächige Blutung • Gefäßaussprossung • Netzhautablösung • Makulaödem

Retinopathie und Makulopathie

Retinopathie und Makulopathie

Makulopathie kann in jedem Stadium der Retinopathie auftreten („Verzerrtsehen“)

erhöhter Blutdruck = zusätzlicher Risikofaktor Therapie: optimale Blutzucker- und Blutdruck-

einstellung; Nikotinverzicht; ggf. Lasertherapie oder Glaskörper-OP

Augenuntersuchung einmal pro Jahr

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetische Nephropathie

Etwa 20 – 40 % aller Diabetiker entwickeln eine Nephropathie

Nephron = kleinste Funktionseinheit der Niere aus Nierenkörperchen und Harnkanälchen

Wichtigster Risikofaktor für Nephropathie ist die ungenügende Blutzuckereinstellung

Erhöhter Blutdruck und Rauchen sind Progressionsfaktoren

Diabetische Nephropathie

Mikroalbuminurie = frühzeitiger Hinweis auf Nierenschädigung

Kreatinin steigt erst bei Nierenschädigung > 50 % an (später Marker)

Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) liefert bessere Aussage die Nierenleistung und dient zur Stadieneinteilung der Nierenschädigung

Diabetische Nephropathie Therapie: Mikroalbuminurie kann durch gute

Stoffwechseleinstellung wieder in den Griff bekommen werden; bei Makroalbuminurie kann nur die Progression gehemmt werden;

Gute Blutdruckeinstellung (< 130/80 mmHg) vorzugsweise mit ACE-Hemmer oder AT1-Blocker

Nikotinkarenz! Eiweißaufnahme einschränken; reichlich

Flüssigkeitszufuhr; Nierenersatztherapie

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− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetes und Gehirn

Risiko für Schlaganfall bei Diabetikern 5,2fach erhöht, bei Diabetikerinnen sogar 7,2fach;

12 % der Diabetiker weisen Gefäßveränderungen der hirnversorgenden Arterien auf >> durch Mangelversorgung Auftreten von Hirnleistungs-störungen;

TIA (= transitorische ischämische Attacke): vorübergehende Durchblutungsstörungen des Gehirns, als Vorbote eines Schlaganfalls;

Diabetes und Gehirn

Schlaganfall = akuter Notfall !! „Time is tissue – Zeit = Gewebe“ durch Farbdopplersonografie kann die

Arteriosklerose der Halsgefäße frühzeitig diagnostiziert werden;

MRT und CT eigenen sich gut zur Darstellung des Gehirnes (z.B. Hirnblutung, Gefäßverschluss)

Diabetes und Gehirn Therapie: Blutzucker gut einzustellen Blutdruck niedrig halten auf Rauchen verzichten durch gesunde Ernährung den Fettstoffwechsel

normalisieren ggf. gerinnungshemmende Substanzen

(Thrombozytenaggregationshemmer, Marcumar) Cave: zu strenge BZ-Einstellung, Hypoglykämie

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− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetes und Herz

etwa zweifach höheres Risiko für Herzinfarkt bei männlichen Diabetikern und etwa dreifach höheres Risiko für Diabetikerinnen

erhöhte Rate an koronarer Herzerkrankung ist bereits in den Vorstadien des Diabetes (Stadium der gestörten Glukosetoleranz) vorhanden;

Risikofaktoren neben dem Diabetes sind Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Rauchen, Alter sowie familiäre Vorbelastung;

Diabetes und Herz

Angina pectoris: Cave: bei Diabetikern

oft keine oder nur leichte Beschwerden („stumme Ischämie“) wegen zusätzlicher Nervenschädigung

Diagnostik durch EKG, Belastungs-EKG, Echokardiografie, Stress-Echo, Myokardszintigrafie, Koronarangiografie

Diabetes und Herz

Koronarangiografie

Diabetes und Herz

Koronarintervention

Diabetes und Herz

Bypass-OP

Diabetes und Herz

Therapie bei KHK: Lebensstiländerung – Gewichtsabnahme,

Rauchverzicht, mehr körperliche Bewegung und gesunde Ernährung;

gute Blutzuckereinstellung ggf. Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörung,

gezielt behandeln; Thrombozytenaggregationshemmung mit Aspirin

100 mg

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Blutgefäße der Beine

periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) bezeichnet Durchblutungsstörungen vor allem der Beine („Schaufensterkrankheit“)

Risikofaktoren für paVK: Diabetes mellitus, Rauchen („Raucherbein“), Bluthochdruck sowie Fettstoffwechselstörung

beim Diabetiker vorwiegend distale Arterien betroffen, deshalb schlechtere Bedingungen für Interventionen

Blutgefäße der Beine

Symptome: (paVK Stadium I – IV) Schmerzen bei Belastung („Claudicatio

intermittens“) offene Wunden (Ulcera) oder Nekrosen Diagnostik: Ultraschall-Doppler-Untersuchung Angiografie

Blutgefäße der Beine

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetische Neuropathie

Neuron = Nervenzelle sehr häufige und für den Patienten oftmals sehr

unangenehme/schmerzhafte Komplikation Ursache:

− Stoffwechsel der Nervenzellen wird durch hohe Blutzuckerspiegel gestört

− Ablagerung von Abbauprodukten in den Zellen − Durchblutungsstörung der die Nerven versorgende

Blutgefäße

Diabetische Neuropathie

Untersuchungsmethoden - Fußinspektion - Stimmgabel, Monofilament (Tip Therm) - Reflexprüfung

- urologische Untersuchungen

- spezielle Funktionsuntersuchungen

- Neuropathie-EKG

Periphere Polyneuropathie Füße

Autonome Neuropathie

Sexualorgane Magen/Darm Herz

Diabetische Neuropathie

Symptome: Missempfindungen und Gefühlsstörungen

(Brennen der Fußsohlen, Ameisenlaufen, Taubheitsgefühl)

eingeschränkte Wahrnehmung von Druck, Temperatur, Schmerz

Muskellähmungen (hängendes Lid, Doppelbilder) Herzrhythmusstörungen, Herzfrequenzstarre gestörte Sudomotorik (trockene Haut)

Diabetische Neuropathie

Therapie: beste vorbeugende und zugleich therapeutisch

wichtige Maßnahme ist die optimale Blutzuckereinstellung

Meiden weiterer Noxen für Nervenstörung (z. B. Alkohol und Nikotin)

evtl. geeignete Schmerzmedikation

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− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetisches Fußsyndrom

Einteilung nach vorrangiger Ursache: 20 % ischämisch-makroangiopathische Fußläsion

(z.B. kalte Zehen) 50 % neuropathische Fußläsion (z.B. warme

trockene Haut, Krallen-, Hammerzehen) 30 % gemischte Formen

28.000 Fußamputationen pro Jahr bei Diabetespatienten in Deutschland

Diabetisches Fußsyndrom

Ischämisch-makroangiopathische Fußläsion

Diabetisches Fußsyndrom

neuropathische Fußläsion

Diabetisches Fußsyndrom

neuropathische Fußläsion

Diabetisches Fußsyndrom

neuropathischer Fuß – Charcot-Fuß

Diabetisches Fußsyndrom

Prävention: Schulung des Patienten (regelmäßige Inspektion) adäquate Fußpflege (Nägel, Schwielen) auf geeignetes Schuhwerk achten Regelmäßiges Screening sofortige Therapie auch bei „unkomplizierten“

Läsionen Interdisziplinäre Betreuung: Podologe, Diabetologe,

Angiologe, Gefäßchirurg, (Fuß)Orthopäde, Neurologe

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetes und Zähne

Diabetes kann Zahnfleischentzündungen, Karies und Parodontose verursachen.

mögliche Ursache: verminderte Blutversorgung im Zahnfleisch bei schlechter BZ-Einstellung O2- und Nährstoff-Unterversorgung geschwächte Abwehrmechanismen Folge: Parodontose und Zahnlockerung Mundtrockenheit verhindert Reparaturvorgänge am Zahn

Diabetes und Zähne

Sehr gründliche Zahnpflege ist deshalb besonders wichtig:

− 2 x täglich (morgens und abends) − richtige Zahnputztechnik − Zahnseide für Zahnzwischenräume − Fluoridgel zur Remineralisierung des Zahnschmelzes − regelmäßiger Zahnarztbesuch

Diabetische Folgeerkrankungen • Augen • Nieren • Gehirn • Herz • Blutgefäße der Beine • Nerven

− Diabetisches Fußsyndrom − Zähne − Sexuelle Dysfunktion

Diabetes und sexuelle Dysfunktion

Schätzungen: fast jeder zweite Diabetiker und fast jede dritte Diabetikerin leidet unter sexuellen Störungen

bei Männern kommt es zu Erektions- und Ejakulationsstörungen, bei Frauen wird weniger Vaginalsekret abgegeben und es treten vermehrt Orgasmusprobleme auf;

Ursache: meist neuropathische, mikroangiopathische, hormonelle und psychische Störungen

Zusammenfassung

frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig für die Einleitung weiterer Diagnostik und Therapie

gute Blutzuckereinstellung, aber auch Einstellung der weiteren Risikofaktoren (Blutdruck, Blutfette)

regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen

1 x pro Jahr Augenarzt: Augenhintergrund Diabetologisch qualifizierter Arzt / Diabetologe: Albumin im Urin bestimmen Kreatinin im Blut bestimmen

Vorsorgeuntersuchungen

1 x pro Jahr Diabetologisch qualifizierter Arzt / Diabetologe: Vibrationsempfinden testen Fußpulse tasten Blutfette messen

Vorsorgeuntersuchungen

Alle 3 Monate Körpergewicht messen Blutdruck messen Blutzucker nüchtern/postprandial HbA1c bestimmen

Vorsorgeuntersuchungen

Vorsorgeuntersuchungen

Vorsorgeuntersuchungen