Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22....

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Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben von Lothar Gellert Mendel Verlag |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

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Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft

Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstagsdes EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf

herausgegeben von Lothar Gellert

Mendel Verlag|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

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Schriftenreihe des Europäischen Forumsfür Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V.an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Band 46

Herausgeber: Dr. Lothar Gellert (Europäisches Forum für Außenwirtschaft,Verbrauchsteuern und Zoll e.V., Münster)

Layout: Mendel Verlag GmbH & Co. KGGerichtsstraße 4258452 WittenTelefon: +49 2302 202930Telefax: +49 2302 2029311E-Mail: [email protected]: www.mendel-verlag.de

Titelentwurf: KJM WerbeagenturHafenweg 2248155 MünsterInternet: www.kjm.de

ISBN 978-3-930670-56-7

Alle Angaben ohne Gewähr. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen jeglicher Artsind nur nach Genehmigung durch den Verlag erlaubt.

© 2010 Mendel Verlag GmbH & Co. KG, 58452 Witten

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Inhaltsübersicht

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Inhaltsübersicht

Einleitung

Vorwort 7

Dr. Lothar Gellert, Regierungsdirektor, Bundesministerium der Finanzen, Bonnzurzeit Europäische Kommission, Generaldirektion TAXUD, Referat A 2, Brüssel

Grußwort 9

Dr. Gerhard Eschenbaum, Stv. Hauptgeschäftsführer der IHK zu Düsseldorf

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen 11

Hermann Kästli, Eidgenössische Zollverwaltung, Oberzolldirektion, Bern

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen 15

Dr. Andrea Reuter, Vorständin des Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience 17

Marianne Rowden, President and CEO AAEI, Washington, DC

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus 33niederländischer Sicht

Godfried Smit, EVO, Zoetermeer

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen 37

Bernd Stadtler, Head of Global Customs, HUGO BOSS AG, Metzingen

Dialogue between Customs and Trade – Wishes and Experience 41

Peter Wilmott, President, EUROPRO, London

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Plenumsdiskussion „Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – 45Wünsche und Erfahrungen“

Moderation: Christoph Wolf, DIHK, BerlinZusammengefasst von Rechtsanwalt Heiko Panke, Möllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Selbstbewertung und Überwachung – Therorie und Praxis

Selbstbewertung und Überwachung – Theorie und Praxis 49

Christian Schaade, Leitender Regierungsdirektor, Bundesfinanzdirektion Nord, Hamburg

Selbstbewertung und Überwachung – Chance für die Wirtschaft 55

Frank Görtz, Director International Trade, Lufthansa Technik AG, Hamburg

The Pipeline Interface 59

Frank Heijmann, Counsellor Customs and International Affairs,General Directorate of the Tax and Customs Administration of the Netherlands

Selbstveranlagung nach Art. 116 des Modernisierten Zollkodex 63

Michael Lux, Leiter des Referats „Zollverfahren“, Europäische Kommission, Brüssel

Plenumsdiskussion „Selbstbewertung und Überwachung – 79Theorie und Praxis“

Moderation: Prof. Dr. Peter Witte, FH des Bundes, MünsterZusammengefasst von Rechtsanwalt Heiko Panke, Möllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

Risikomanagement als Rechtsproblem 83

Dr. Lothar Harings, Graf von Westphalen, Hamburg/Brüssel

Risikomanagement in der Zollpraxis 101

Dr. Herwig Heller, Abteilungsleiter für Betrugsbekämpfung, Bundesministerium für Finanzen, Wien

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Risikomanagement in der Zollpraxis der deutschen Zollverwaltung 105

Birgit Wellen, Oberregierungsrätin bei der Bundesfinanzdirektion West,Risikoanalyse Zoll, Münster

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung 111

Markus Zeller, Sektion Risikoanalyse, Eidgenössische Oberzolldirektion, Bern

Sektion 1: Energiesteuern

Welche Energiebesteuerung für die EU? Optionen für die Revision 119der Energiesteuerrichtlinie (ETD)

Alexander Wiedow, Direktor, TAXUD, Europäische Kommission, Brüssel

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze – Thesenpapier 125

Prof. Dr. Reinhard Quick, LL.M., Leiter VCI Verbindungsstelle, Brüssel

Aktuelle Praxisprobleme der Energie- und Stromsteuer 135

Dr. Roland M. Stein, LL.M. Eur., Principle Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Berlin

Plenumsdiskussion „Energiesteuern“ 143

Moderation: Dr. Harald Jatzke, Richter am Bundesfinanzhof, MünchenZusammengefasst von Astrid Berlth, LL.M und Karina Witte, LL.M,Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Steuerrecht,Abteilung Zoll- und Verbrauchssteuerrecht der WWU, Münster

Sektion 2: Compliance

Das Compliance-Programm von Siemens 147Vorbeugen (Prevent), Aufdecken (Detect), Reagieren (Respond) und fortlaufende Verbesserung (Continuous Improvement)

Dr. Klaus Moosmayer, Chief Counsel Compliance, Siemens AG, München

Internal Compliance Programme (ICP) in der Exportkontrolle 161

Georg Pietsch, Abteilungsleiter im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Eschborn

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Personalscreening als Compliance-Anforderung 167

Rechtsanwalt Dr. Klaus Pottmeyer, Datenschutzbeauftragter der Rheinmetall AG, Düsseldorf

Plenumsdiskussion „Compliance“ 175

Moderation: Matthias Merz, Geschäftsführer AWA, MünsterZusammengefasst von Martin Chrometzka, Wissenschaftlicher Mitarbeiter,Möllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Herausforderungen der europäischen Zollpolitik 179

Dr. Walter Deffaa, Generaldirektor, TAXUD, Europäische Kommission, Brüssel

Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und 187Zoll e.V. (EFA)

European Forum for External Trade, Excise and Customs– Chronik und Informationen –

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VorwortDr. Lothar Gellert

Regierungsdirektor, Bundesministerium der Finanzen, Bonnzurzeit Europäische Kommission, Generaldirektion TAXUD, Referat A 2, Brüssel

„Zusammenkommen ist ein Beginn, zusammenbleiben ist ein Fortschritt, zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“

Henry Ford

Ausgehend von diesem Zitat kann man sicher feststellen, dass auch der EuropäischeZollrechtstag 2010 wieder ein voller Erfolg gewesen ist.

Zum 22. Mal trafen sich Vertreter aus Verwaltung, Justiz, den rechtsberatenden Berufensowie der Wirtschaft in Düsseldorf, um gemeinsam aktuelle Probleme aus dem Zoll- undVerbrauchsteuerbereich zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu finden.

Zu den Themenbereichen• Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft• Selbstbewertung und Überwachung• Risikomanagement im Zoll• Energiesteuern und• Compliance

konnte das Europäische Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll auch indiesem Jahr wieder hochrangige Vortragende aus dem In- und Ausland begrüßen.

Besonders hervorzuheben ist, dass die Europäische Kommission – GeneraldirektionTAXUD – durch ihren Generaldirektor, einen Direktor und einen Referatsleiter vertretenwar, die – jeder aus seiner eigenen Perspektive – die europäische Sichtweise der Dingepräsentierten.

Insbesondere der Vortrag des Generaldirektors Dr. Walter Deffaa über die Herausforde-rungen der europäischen Zollpolitik, in dem er auch auf die Rolle der Wirtschaft einging,wurde von den anwesenden Wirtschaftsbeteiligten mit großem Interesse aufgenommenund führte zu mancher Diskussion während der Mittagspause. Der Vortrag machte deut-lich, dass ein ständiger Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft möglich und erforderlich ist,um anstehende Probleme zu beseitigen und gegenseitiges Verständnis zu fördern.

Das Europäische Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll bedankt sich imRahmen dieses Vorworts noch einmal bei allen Vortragenden und Diskussionsteilneh-mern, die wieder einmal zum erfolgreichen Gelingen der Veranstaltung beigetragen ha-ben.

Vorwort

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GrußwortDr. Gerhard Eschenbaum

Stv. Hauptgeschäftsführer der IHK zu Düsseldorf

Sehr geehrter Herr Prof. Wolffgang, sehr verehrte Gäste dieser Konferenz,

im Namen der IHK Düsseldorf darf ich Sie herzlich in Düsseldorf willkommen heißen.Wirfreuen uns, diese hochkarätige und informative Veranstaltung als Partner mit unterstüt-zen zu können.

Wir begrüßen es sehr, dass der Europäische Zollrechtstag zum ersten Mal in Düsseldorfstattfindet. Die Thematik des Kongresses passt hervorragend hierhin, denn Düsseldorfzählt zu den internationalsten Plätzen Deutschlands. Ich freue mich, dass wir hiermit,Herr Prof. Wolffgang, nach der US-Exporttagung im Oktober 2009 bereits zum zweitenMal innerhalb eines Jahres ein solches gemeinsames Projekt haben schultern können.Ihnen und Ihrem Team gehört unser Dank für die erneut hervorragende Zusammenar-beit bei dieser Konferenz.Wir freuen uns schon jetzt auf weitere gemeinsame Vorhaben.

Zollthemen besitzen bei uns in der Kammerarbeit einen hohen Stellenwert. Dies gilt zu-nächst einmal für die tägliche Arbeit; pro Jahr haben wir allein in unserem Bezirk rund25.000 Beratungsfälle. Und dies gilt auch für die Projektarbeit, wie ich an zwei Beispie-len deutlich machen werde. In diesen Tagen erscheint die von unserem Hause federfüh-rend betreute und von allen Zollspezialisten der NRW-IHKs als Autoren verfasste „Prak-tische Arbeitshilfe Export-Import“ in einer neuen, mittlerweile 15. Auflage. Und auchder 6. IHK-Außenwirtschaftstag 2010 am 21. September in Münster, unsere landeswei-te Premiumveranstaltung, befasst sich in einem eigenen Panel mit dem Außenwirt-schafts- und Zollrecht.

All das beweist: Trotz Globalisierung und Zollabbau existieren für den internationalenHandel eine Fülle von Regelungen, die den Unternehmen das Leben schwer machen.Und ich fürchte sogar, dass wir eher mehr denn weniger Bürokratie erleben werden. Da-für sorgt allein schon das Vordringen der vielen bilateralen Freihandelsabkommen welt-weit und die Regulierungswut der Europäischen Union.

Uns werden also die Themen nicht ausgehen und das dürfte uns, sehr geehrter HerrProf. Wolffgang, auch zukünftig immer wieder einmal zusammenführen.

Meine Damen und Herren, in der Wirtschaft löst das Thema Zoll normalerweise keineBegeisterung aus. Unternehmen denken an Bürokratie, Formulare, Abgaben und Be-triebsprüfungen. Kurzum: Dem Zoll begegnet man mit einer gewissen Zurückhaltung.

Das ist verständlich und erklärt wohl auch, warum einer der meist gebrauchten Begrif-fe innerhalb dieses Konferenzprogramms das Wort „Dialog“ ist. Dialog ist stets notwen-

Grußwort

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dig und insbesondere da, wo staatliche Verwaltung mit hoheitlichen Maßnahmen aufUnternehmen einwirkt. Diesen Dialog wünschen wir uns aber nicht erst dann, wenn dasKind in den Brunnen gefallen ist, sondern im Vorfeld.

Hier gibt es durchaus noch Verbesserungspotenzial. Beispiele hierfür sind die Neubewil-ligung des zugelassenen Ausführers oder die vielfältigen Taric-Codierungen. Hier hätteein vorheriger Meinungsaustausch manches Problem vermeiden können.

Mit großer Besorgnis verfolgen wir zudem den Trend, dass das Zoll- und Außenwirt-schaftsrecht sich in seiner Komplexität der des Steuerrechts annähert. Dort sind wir vonder mir persönlich sehr sympathischen Lösung, die Steuererklärung auf dem Bierdeckelabzugeben, bekanntlich Lichtjahre entfernt.

Ich kann nur dringend davor warnen, eine ähnliche Perfektion auf anderen Gebietenwie beispielsweise dem Zollrecht anzustreben. Natürlich steckt der Teufel immer im De-tail, aber der deutsche Hang, in Gesetzen und anderen Rechtsakten stets auch dem letz-ten Einzelfall Rechnung tragen zu wollen, hat diese Komplexität zur Folge. Ein Trug-schluss ist es aber, damit die Erwartung nach mehr Gerechtigkeit zu verbinden. Wenigerist auch in diesem Fall mehr.

Dabei wird niemand, und auch ich nicht, die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Zoll-verwaltung in Frage stellen. Dies gilt umso mehr, als sich die Rolle des Zolls gewandelthat. Die traditionelle Aufgabe der Einnahmeerzielung, also die fiskalische Funktion desZolls, tritt nämlich gegenüber der Aufgabe, mehr Sicherheit im internationalen Handelzu erreichen, mittlerweile in den Hintergrund.

An seine Stelle tritt zunehmend die Funktion, Terrorakten und der Proliferation vonMassenvernichtungswaffen durch eine Überwachung der internationalen Transportwe-ge und Lieferketten präventiv zu begegnen. Diese Anstrengungen verdienen alle Unter-stützung. Allerdings: Die Erfahrung scheinbar säkular sinkender Logistikkosten dürfteder Vergangenheit angehören. Stattdessen werden wir eher mit steigenden Kostenrechnen müssen.

Manches wäre allerdings vermeidbar, denn wie wir dies ja auch aus anderen Bereichenkennen, entwickeln sich oft genug parallele Kontrollschemata. Der „Authorized Econo-mic Operator“ der EU und die „Customs Trade Partnership Against Terrorism“ der USAwollen letztlich das Gleiche, bestehen aber parallel. Für die Unternehmen bedeutet die-ser Dualismus aber eine Doppelbelastung. Wir unterstützen daher alle Bemühungen, zueiner gegenseitigen Anerkennung dieser Systeme zu gelangen.

Meine Damen und Herren, vor Ihnen liegen zwei anstrengende und inhaltsreiche Tagein Düsseldorf. Aber das „EFA Race“, das BBQ und die WM-Übertragung heute Abenddürften dafür sorgen, dass auch das Vergnügen nicht zu kurz kommt. In diesem Sinnewünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Konferenz, fruchtbare Diskussionen, einen intensi-ven Meinungsaustausch und einen schönen Aufenthalt in Düsseldorf.

Vielen Dank!

Grußwort

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Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft –Wünsche und Erfahrungen

Hermann KästliEidgenössische Zollverwaltung, Oberzolldirektion, Bern

Vielfach werfen die Zollbeteiligten der Verwaltung vor, dass mit ihr kein Dialog stattfindeoder dass trotz des Dialogs die Wünsche und Bedürfnisse der Wirtschaft nicht gebührendberücksichtigt würden.

Bevor ich auf die Wünsche und Erfahrungen zu sprechen komme, scheint es mir wich-tig, zuerst den Rahmen zu definieren, innerhalb welchem ein Dialog möglich ist. Dienachfolgenden Ausführungen basieren ausschließlich auf gemachten Erfahrungen derschweizerischen Zollverwaltung.

Die schweizerische Zollverwaltung hat u.a. den gesetzlichen Auftrag, den grenzüber-schreitenden Warenverkehr zu überwachen, die vorgesehenen Abgaben zu erheben so-wie die sog. nichtzollrechtlichen Erlasse des Bundes (sprich Verbote und Beschränkun-gen) zu vollziehen. Dieser Auftrag ist in 150 Gesetzen und Verordnungen verankert. Istdie Wirtschaft mit einer bestehenden gesetzlichen Regelung nicht (mehr) einverstan-den, muss sie ihre Wünsche und Bedürfnisse den betreffenden Lobbyisten im Parlamentzur Kenntnis bringen. Die Zollverwaltung hat diesbezüglich keinen Spielraum, um mitder Wirtschaft zu verhandeln. Die Verwaltung ist aufgrund des Legalitätsprinzips viel-mehr gehalten, die Gesetze nach rechtsstaatlichen Grundsätzen korrekt anzuwenden.

Die wichtigsten Bestimmungen finden wir im einschlägigen Gesetz. Dazu ein Beispielaus dem Bereich „Beschwerde gegen eine Veranlagungsverfügung der Zollverwal-tung“: Der Zollbeteiligte hat 60 Tage Zeit zur Einreichung einer Beschwerde, wenn ermit der Veranlagung nicht einverstanden ist.Verpasst er diese Frist, kann die Verwaltungnicht mehr darauf eingehen. Die Frist von 60 Tagen ist eine Bedingung, welche nichtverhandelbar ist.

In denjenigen Bereichen, in welchen die Zollverwaltung ein gewisses Maß an Mitgestal-tungsrecht bei der Umsetzung ihres gesetzlichen Auftrages in die Praxis hat, bemüht siesich immer wieder darum, für die Wirtschaftsbeteiligten die Hürden so niedrig wie mög-lich zu gestalten. Diese müssen gut begründet sein und dürfen den grenzüberschreiten-den Verkehr nicht unnötig erschweren. Fehlt eine gute Begründung, haben Hürden nor-malerweise keine Daseinsberechtigung.

Erlauben Sie mir, anhand zweier Beispiele aufzuzeigen, wie die Zollverwaltung die Wirt-schaftsbeteiligten in der Schweiz bei der Entstehung, Einführung oder Umsetzung vonneuen Bestimmungen einbezieht und welches die Konsequenzen davon sein können:

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen

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Beispiel AEO

Mit dem Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit haben die EU und dieSchweiz die rechtlichen Grundlagen geschaffen, damit die AEOs gegenseitig anerkanntwerden.

Da die schweizerische Zollverwaltung bisher keine Erfahrung in diesem Bereich hatte,die Wirtschaft jedoch schon (z.B. ISO-Zertifizierung, „Known Consignor“ im Luftverkehr,Sicherheitsnormen der „Food and Drug Administration“ der USA im pharmazeutischenBereich), wurde eine gemischte Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Bundesver-waltung sowie der Wirtschaft einberufen. Diese Gruppe hatte u.a. den Auftrag, die nö-tigen Sicherheitskriterien zu definieren, damit der AEO-Status einerseits von der EU-Kommission und andererseits weltweit anerkannt wird, und darzustellen, mit welchenMitteln (finanzieller und personeller Art) die Sicherheitskriterien kontrolliert werden.

Mit diesem Vorgehen wurde erreicht, dass der Status AEO bei den Wirtschaftsbeteilig-ten in der Schweiz gut aufgenommen wurde. Am Schluss der Arbeiten blieb eine einzi-ge Frage. Die Verwaltung war der Meinung, dass eine Gebühr für ihren Aufwand erho-ben werden sollte, die Wirtschaft war verständlicherweise dagegen. Schließlich ent-schied der Finanzminister zugunsten der Wirtschaft.

Beispiel „all e-dec“

Hier handelt es sich um das schweizerische elektronische Zollanmeldesystem. Es ist ver-gleichbar mit ATLAS in Deutschland. Diese EDV-Applikation wird laufend weiterentwi-ckelt.

Ursprünglich wurde versucht, eine kleine, effiziente Gruppe aus Vertretern der Wirt-schaft und der Zollverwaltung im Rahmen des Gesamtprojekts e-dec zu bilden. Damitwollte man sicherstellen, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Wirtschaft optimal be-rücksichtigt werden.

Der schweizerischen Zollverwaltung schwebte vor, dass sich die Vertreter der Wirtschaftim Vorgang zu einer Sitzung intern vorbereiten und sich absprechen, um dann an derBesprechung selbst mit einer konsolidierten Meinung aufzutreten. Anstatt einer konso-lidierten Meinung wurden in der Praxis x verschiedene Meinungen eingebracht. Diesog. Kontaktgruppe Externe wuchs außerdem auf über 30 Personen an und mutierte zueiner Informationsplattform.

Im Teil-Projekt e-dec Ausfuhr waren Großfirmen mit eigenem Verzollungsdienst dage-gen, dass ein Spediteur die von der Firma deklarierten Angaben ändern kann. Auf deranderen Seite waren die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) jedoch froh, dassein Spediteur fehlende oder unrichtige Angaben anlässlich der Grenzüberschreitung„formlos“ korrigieren oder ergänzen konnte. In diesem Fall entschied die SchweizerZollverwaltung aufgrund rechtlicher Überlegungen zugunsten der Großfirmen.

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Zurzeit arbeitet die schweizerische Zollverwaltung daran, eine Internet-Applikation(Web-dec) zu entwickeln. Die KMU wünschen eine einfache Lösung, die sich problem-los in ihre eigenen Applikationen einbauen lässt. Der Spediteurverband hingegen ver-langt eine Lösung, welche die Applikation e-dec nicht konkurrenziert.

Schlussfolgerungen

Die schweizerische Zollverwaltung muss den vom Gesetzgeber vorgegebenen Auftragmit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln vollziehen. Darin ist i.d.R. kein Verhand-lungsspielraum vorgesehen.

Bei der betrieblichen Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften ist die schweizerischeZollverwaltung jedoch selber daran interessiert, etwaige Hürden so niedrig wie möglichzu halten, weil dadurch auf beiden Seiten weniger Ressourcen benötigt werden.

Wenn die Wirtschaftsbeteiligen untereinander für ihre Wünsche und Bedürfnisse keinengemeinsamen Nenner finden, ist die Zollverwaltung gezwungen, nach Abwägung derRechtslage und der vorhandenen Fakten zu entscheiden. Dabei gibt es Gewinner undVerlierer. Es wäre daher der Wunsch der Zollverwaltung, dass sich die Wirtschaftsbetei-ligten vorerst miteinander absprechen und nach gemeinsamen Lösungen suchen und – wenn immer möglich – gegenüber der Zollverwaltung geeint auftreten, um mit einerSprache zu sprechen.

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Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen

Dr. Andrea ReuterVorständin des Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt

Ich möchte mit den Erfahrungen beginnen, die ich in meiner mittlerweile mehr als drei-jährigen Tätigkeit als Vorständin eines der neun österreichischen Zollämter beim Dialogmit der Wirtschaft gewonnen habe.

Sinnvoll ist ein regelmäßiger Dialog zwischen beiden Partnern, Zoll und Wirtschaft. Ein-malige Treffen sind zwar nützlich im Hinblick auf die erforderliche Weitergabe von In-formationen oder Neuerungen, zu einem wirklichen Dialog gehört aber ein Vertrauens-verhältnis und eine gemeinsame Basis, auf der man aufbauen und an die man anknüp-fen kann. In diesem Sinne veranstaltet mein Amt regelmäßig runde Tische mit der Wirt-schaft, durchschnittlich fünf bis acht pro Jahr, zusätzlich Informationsveranstaltungenzu Spezialthemen.

Bei solchen Veranstaltungen sollte optimalerweise ein möglichst breites Forum erreichtwerden. Das funktioniert in Österreich am besten durch eine Kooperation mit den Wirt-schaftskammern und Berufsverbänden – im Fall meines Amts der WirtschaftskammerNiederösterreich, Sparte Außenwirtschaft. Dadurch kann eine sehr breite Basis erreichtund auch die jeweils bei der anderen Seite vorhandenen Informationsquellen, etwaKammernachrichten in schriftlicher Form oder Informationen auf Homepages, genütztwerden.

Bei den Themen kommt erfahrungsgemäß ein Themenmix aus „Dauerbrennern“, wie et-wa Neuerungen im elektronischen Zollsystem e-zoll, und aktuellen Themen wie Neue-rungen rechtlicher Natur am besten an. In diesem Sinne werden in meinem Amt seit2007 runde Tische gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich abgehalten,zu denen alle Unternehmer eingeladen sind, die teilnehmen möchten. Wir beabsichti-gen auch, das in der Form fortzusetzen, weil das Echo durchwegs positiv ist. Es könnenzwar auf Ebene des Amts nicht alle Fragen beantwortet werden, etwa solche die künf-tige IT-Entwicklungen und dergleichen betreffen, aber diese Fragen werden weiterge-geben und nach Einlangen der Antwort dem anfragenden Wirtschaftsbeteiligten mitge-teilt.

Nun zu meinen Wünschen, die ich trotz dieser positiven Erfahrungen habe, weil man im-mer noch besser werden kann:

Ein Wunsch wäre – speziell für die Situation in Österreich – der Aufbau einer fundiertenAus- und Weiterbildungsmöglichkeit für die Mitarbeiter in Zollbüros von Unternehmen.In der Praxis hat man es in der Zollverwaltung nur allzu oft mit ungeschulten Bürokräf-

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Page 16: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

ten zu tun. Diese unbefriedigende Situation führt bisweilen zu Zollschuldentstehungenin enormer Höhe, weil einschlägige Rechtsvorschriften mangels ausreichender Kennt-nisse nicht befolgt werden. Hier wäre es an der Zeit, in die Ausbildung der Mitarbeiterzu investieren, wobei das Problem in Österreich zudem darin besteht, dass in Anbe-tracht des relativ kleinen Markts keine zertifizierten Lehrgänge für Zollsachbearbeiterangeboten werden. Für dieses Manko gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft eine Lö-sung zu finden, wäre eine Investition in die Zukunft.

Da ich ausgebildeter Zolljurist bin, messe ich Rechtsvorschriften und deren Beachtungentsprechende Bedeutung zu. Meiner Ansicht nach lassen sich wirklich haltbare Lösun-gen nur auf Basis der geltenden Rechtsgrundlagen finden. Doch es wird teilweise ver-sucht, den für Interpretationen noch möglichen Bereich sehr weit auszudehnen, weilVorschriften quasi als „hinderlich“ oder „lästig“ empfunden werden. Aber Wirtschaftwie auch Verwaltung unterliegen diversen Kontroll- und Nachprüfungsmechanismen,von den Gerichten bis hin zu den Rechnungshöfen und Außenprüfungsorganen. Es soll-te daher der Dialog in Richtung einer entsprechenden Beachtung der Vorschriften unddarauf aufbauender tragfähiger Lösungen oder aber der gemeinsamen Anstrengung zurAbänderung der als unbefriedigend erachteten Vorschriften geführt werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch meinen Wunsch nach Diskussionen in der Sache erwäh-nen. Argumente wie die, dass man das woanders, etwa in einem anderen Mitgliedstaat,wo alles besser ist, sicher nicht so streng sieht oder andere Ämter nicht so restriktivsind, kennen wir alle zur Genüge. Eine Diskussion in der Sache kann man so aber nichtführen und vor allem auch nicht die bestmögliche Lösung für den eigenen Mitglied-staat, die eigene Verwaltung und das eigene Unternehmen finden. Meiner Ansicht nachgibt es ein großes Potenzial für Verbesserungen, der Weg dorthin kann aber nur ein ge-meinsamer und von sachlichen Argumenten bestimmter sein. Ich persönlich würde mirwünschen, dass wir ihn entschlossener und bewusster angehen.

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Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

Marianne RowdenPresident and CEO AAEI, Washington, DC

Agenda

What Do We Want?

• Trusted Trader – AEO

• Mutual Recognition

When Do We Want It?

• Now

What Have We Gotten From Customs?

• Promises, Promises

What Are the General Trends for Trade?

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Safety Compliance

FacilitationSecurity

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Security: It’s All about the Data

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Areas of Concerns• Convergence of security and compliance programs• Exhaustion of trade facilitation benefits• Proliferation of data requirements• Lack of progress on mutual recognition agreements

Moving Torward the “Trusted Trader” Concept• The concept predates 9/11, but has gained currency with the government to descri-

be a company which:— is highly compliant— has good internal controls— mitigates risk

• “Authorized Economic Operator”— “a party involved in the international movement of goods in whatever function

that has been approved by or on behalf of a national Customs administration ascomplying with WCO or equivalent supply chain security standards. AuthorizedEconomic Operators include inter alia manufacturers, exporters, brokers, car-riers, consolidators, intermediaries, ports, airports, terminal operators, integratedoperators, warehouses, distributors.”— WCO “SAFE Framework of Standards to Secure and Facilitate Global Trade”

adopted in June 2005, in Section 2.3 at p. 8.• AEO programs are:

— Voluntary regimes— Commitment to adopt good importer practices for security and compliance— Trade facilitation benefits

U.S. Authorized Economic Operator Programs• Security: Customs-Trade Partnership Against Terrorism (C-TPAT)

— C-TPAT is a voluntary government-business initiative to build cooperative rela-tionships that strengthen and improve overall international supply chain andU.S. border security.— U.S. Customs and Border Protection (CBP) can provide the highest level of

cargo security only through close cooperation with the ultimate owners ofthe international supply chain.

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— CBP is asking businesses to ensure the integrity of their security practicesand communicate and verify the security guidelines of their business part-ners within the supply chain.

• Compliance: Importer Self-Assessment Program (ISA)— ISA is a voluntary trade compliance program which implements CBP’s Risk

Management Strategy.— Self-governance plan built around importer’s procedures and controls:

Internal controls were found to be an excellent predictor of actual compli-ance.

— Added flexibility and non-interference for participating importers:ISA members are removed from CBP’s Focused Assessment audit pool.

AEO-Security: C-TPAT Achievements• 9,808 Certified partners to date:• 0,194 Total C-TPAT staffing level is:

— 176 Current staffing level in 7 Field Offices— 014 Headquarters current staffing level

AAEI Benchmarking Survey Questions

Security

If your company participates in a supply chain security program, why did your compa-ny decide to join the program?

Certified Members by Business Type

4,395

2,714

831

1,009

80059

Importers – 4,395

Carriers – 2,714

Brokers – 831

Foreign Manufacturers – 1,009

Consolidators/3 PLs – 800

Marine Port Authorities and

Terminal Operators – 59

Marianne_Rowden.qxp 17.11.2010 13:32 Seite 20

Page 21: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

Great Expectations

Has the supply chain security program in which your company is enrolled met your ex-pectations?

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

21

0%

10%

20%

30%

40%

2009Fewer Inspections

It is the right thing to do

Business partner pressure

Expedited clearance

Haven't joined

0%

10%

20%

30%

40%

2010

Fewer Inspections

It is the right thing to do

Business partner pressure

Expedited clearance

Haven't joined

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

0%

20%

40%

60%

80%

2009

Met expectationsExceeded expectationsFallen shortAnswer not offered

0%

20%

40%

60%

80%

2010

Met expectationsExceeded expectationsFallen shortSome programs have, some haven't

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

Marianne_Rowden.qxp 17.11.2010 13:32 Seite 21

Page 22: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

If you knew then, what you know now …

Based on your experience with supply chain security programs, would you join today?

What about the money?

On an annual basis, what is your company’s cost to maintain status in the supply chainsecurity program(s) in which it is a member?

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

22

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

2009

Yes No Don't know

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

2010

Yes No Don't know

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2009

Less than $20K $20K to $50K$50K to $100K $100K to $200KMore than $200K

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2010

Less than $20K $20K to $50K$50K to $100K $100K to $200KMore than $200K

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

Marianne_Rowden.qxp 17.11.2010 13:32 Seite 22

Page 23: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

Costs and Benefits of C-TPAT

Is the amount your company spends maintaining status in its supply chain security pro-grams:

Do you think the cost to join/maintain your company’s supply chain security program(s)is worth the benefits?

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

23

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2009

More than anticipatedLess than anticipatedAbout what was anticipatedHad no idea of costsAnswer not offered

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2010

More than anticipatedLess than anticipatedAbout what was anticipatedHad no idea of costsWorth the cost

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

2009

Yes No Don't know What benefits?

0%

10%

20%

30%

40%

50%

2010

Yes No Don't know What benefits?

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

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AEO-Compliance: ISA Status• Currently, approximately 200 companies are in the ISA program.

— Membership has not increased over the last few years.

— CBP has not aggressively promoted ISA.• “Industry ISA” programs

— Completed:

— Petroleum

— Aerospace

— Chemicals

— In negotiation:

— Pharmaceuticals/Biotech (5 years and going)

— Automotive (off and on)

— Textiles (keep dreaming)

AAEI Benchmarking Question

Considering all the U.S. Customs audits that your company has experienced over thepast five years, what was the typical cycle time from entrance conference to exit confe-rence?

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

24

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2009

Less than 6 mos. 6 mos. to 1 yr.1 to 2 yrs. More than 2 yrs.No audits in 5 yrs.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

2010

Less than 6 mos. 6 mos. to 1 yr.1 to 2 yrs. More than 2 yrs.No audits in 5 yrs.

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

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Page 25: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

AEO – What Else Can We Do? Export Controls

• President Obama’s Export Control Review

Phase I development of tiered criteria for export controls

Phase II list review through tiered criteria, harmonize processes across agenciesthrough standard definitions and single voluntary disclosure process

Phase III legislation, finish information technology infrastructure, move to singleagency export enforcement into Immigration and Customs Enforcement(ICE)

• Congressional action – new export control statute to be released shortly by Rep. Ber-man through the House Foreign Affairs Committee

— Address dual-use items – eliminate non-security related controls

— Support multilateral controls

— List control

— Compliance Assistance Program

— Risk assessment methodology

— Enforcement regime focus on gross negligence and criminal entities (indus-trial or military espionage)

• Industry Goals

— Draw clear lines of agency responsibility

— Control lists should be revised and reduced

— Complete the transition to an end-user based system

— Enhance cooperation with allies

— Enhance cooperation with the business community

AAEI Recommendations

• A new regime must be:

— Risk-based

— Multilateral

— Reduce layers of decision-making

• Specific recommendations:

— Refine current agency practice

— Adopt account management

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

25

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Page 26: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

— Use the “Authorized Economic Operator” model for “trusted traders”

— Harmonize Export Control Classification Numbers (ECCNs), interpretations ofcontrolled items, and “No License Required” policy

— Adopt a statutory right of disclosure

— Permit appeals to the U.S. Court of International Trade

— Proposed civil penalties based on level of culpability

Birds of a feather … flock together

Is import function managed in the same or different department as export controls?

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

26

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

Import and exportcontrols together

Import and exportcontrols separately

Some of each Don't know or don'texport

2009 2010Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

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Page 27: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

Trade Nerds Run the World … Literally

Moving Partnerships Forward

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

27

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

US only North America Worldwide Other

2009 2010

Does your import organization have functional

responsibility worldwide or US only?

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Global Exports fromAmericas

Exports fromN. America

Exports fromUS

Other

2009 2010

What is the scope of your [export] responsibility?

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

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Page 28: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

AAEI Benchmarking: Compliant Company Practices

Voluntary Disclosures Increase Compliance

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

0%5%

10%

15%20%

25%30%

35%40%

45%50%

Daily Monthly Annually Less oftenannually

Notconducted

2009 2010

How frequently does your company conduct non-government customs audits or self-assessments?

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Monthly Quarterly Semi-annually Annually Less often thanannually

2009 2010

How frequently does your company conduct non-government audits or self-assessments of the company’s export compliance program?

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Internalcompliance

Other internal Outside counselor experts

Combination ofinternal &external

Don't conductthem

2009 2010

In your company, who generally conducts non-government audits or self-assessments of the company’s export compliance program?

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

45%

50%

Internal audit dep't Internalcompliance dep't

Outside counselor experts

Combination ofinternal & external

Non-gov't auditsnot conducted

2009 2010

In your company, who generally conducts non-government customs audits or self-assessments?

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

45%

50%

Less than$100K

$100K to$500K

$500K to $1Mil

$1 Mil to $10Mil

More than $10Mil

Don't know

2009 2010

Over the past five years, how much has your company voluntarily tendered to US Customs as a result of prior disclosures?

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Filed nodisclosures

Less than25%

25% - 50% 50% - 75% 75% - 100%

2009 2010

What percentage of the disclosures that were filed resulted in no monetary penalty action being taken?

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

28

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Ultimate Goal = Mutual Recognition

• AEO from one major trading block is recognized by another major trading block viaa bilateral agreement. Only companies that apply for a full or safety and security AEOcertificate may participate in arrangements brought about by mutual recognitionagreements.

• European Commission is currently engaged in mutual recognition discussions withUSA, China, Switzerland, Norway, Japan and India. Negotiations are still in progress.

• USA: mutual recognition for C-TPAT only:

— Internationalization Efforts:

— 4 Mutual Recognition Arrangements: New Zealand, Canada, Jordan, Japan

— 4 Mutual Recognition Projects: Argentina, Singapore, Korea, EuropeanUnion

— 7 Technical Assistance Projects: Malaysia, Mexico, Philippines, Guatemala,China, Colombia, Israel

— 2 Capacity Building Training Programs: Ghana, Kenya

— Security Criteria Implemented:

— 10 Business Entity Types: Importers, Air Carriers, Highway Carriers, MexicoLong Haul Highway Carriers, Rail Carriers, Sea Carriers, Foreign Manu-facturers, Customs Brokers, Port Authorities/Terminal Operators, ThirdParty Logistics Providers (3PLs).

— Tiered Benefits Structure: commensurate with security enhancements. BestPractices Catalog.

— 310 Tier 3 Importers

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

29

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Page 30: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

Time = Money

Time to Deliver on the Promise of the SAFE Framework?

1. A “holistic” approach to trade

2. Identify specific risks

3. Eliminate redundancy

4. Minimize user fees

5. Corporate data is private property

6. Harmonize AEO programs

7. Accelerate mutual recognition

8. Special consideration for small-medium enterprises (SMEs)

The Future

• Ever-increasing volume of international trade

• A more modern Customs Administration, with modern automated tools

• Greater emphasis on counterterrorism and security

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

30

0%

20%

40%

60%

80%

2009 2010

Less than$100k

$100k-$200K

$200k-$500k

Over $500K

Don't know

0%

20%

40%

60%

2009 2010

Compliance

Cost savings

Headcountreduction

Lack of progresson ACE

Combination offactors

No automation

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

2009 2010

Yes No Don't know

Is the overhead cost of your import department allocated to other departments or business units users?

What do you spend annually on automation/software tosupport U.S. entries?

What is the primary driver for automating yourcustoms system(s)?

Source: AAEI Benchmarking Survey – Security Question for Importers/Exporters (June 2009 and May 2010, respectively)

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• A return of emphasis on commercial compliance?

— Increasing frequency and intensity of trade disputes

— Increasing concerns about health, safety, and purity of food and other products

— More “free trade” agreements, which, in contrast to their names, usually makethings more complicated

— Economic sensitivities related to recession, trade deficits, unemployment, etc.

— Corporate governance rules (e.g. Sarbanes-Oxley) require the same kinds of in-ternal controls as CBP is pushing for importers.

Dialog Between Customs and Trade – Wishes and Experience

31

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Page 33: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus niederländischer Sicht

Godfried SmitEVO, Zoetermeer

Ich freue mich, dass man mir die Gelegenheit gegeben hat, Ihnen etwas zum Thema„Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus niederländischer Sicht“ sa-gen zu können. Ich bin für den niederländischen Verlader- und Logistikverband EVO tä-tig und vertrete auf europäischer Ebene das „European Shippers Council“ in der TradeContact Group, dem Gremium, das den Kontakt zur DG TAXUD unterhält.

Zusammenarbeit hat in den Niederlanden eine lange Tradition. Wir sprechen vom sog.„Poldermodell“, das mit dem Rheinischen Modell in Deutschland vergleichbar ist. DasVerb „Poldern“ hat es 2004 sogar in das bedeutendste Wörterbuch der Niederlande ge-schafft, den „van Daele“, vergleichbar dem Duden in Deutschland. Das Lemma gibt fürPoldern sowohl eine positive als auch eine negative Bedeutung. Laut van Daele bezeich-net man damit „das Lösen von Problemen durch Beratschlagung“, andererseits aberauch „das endlose Beratschlagen, ohne Entscheidungen treffen zu dürfen“.

Die Zusammenarbeit zwischen Zollbehörden und Wirtschaft trägt manchmal ähnlicheZüge. Beratschlagungen zwischen Zoll und Wirtschaft gibt es auf vielen Gebieten. AufArbeitsebene ist vor allem das „Douane Landelijk Kantoor Rotterdam“ (Landes-Zollbü-ro Rotterdam), das im Auftrag der Politik für die Implementierung und Ausführung derZollgesetzgebung zuständig ist, Partner der niederländischen Wirtschaft. Für Kontaktezwischen Zoll und einzelnen Unternehmen sind neun über das ganze Land verteilte Re-gionalbüros zuständig.

Die Struktur der Beratschlagungen mit der Zollbehörde wurde kürzlich entsprechend ei-ner Notiz, die von dem heute hier ebenfalls anwesenden Herrn Heijman erstellt wurde,neu strukturiert. Daher werde ich mich mit kritischen Äußerungen zurückhalten. Es giltfolgende Zielsetzung: „Das zentrale Gremium für Besprechungen zwischen Zoll undWirtschaft entwickelt sich zu einer dynamischen Diskussionsplattform, in der auf Basisvon Transparenz und in Gemeinsamkeit die Aufgaben und Interessen der Wirtschaft aufgleichwertiger Ebene besprochen und abgewogen werden.“

Wenn wir dieser Zielsetzung entsprechen wollen, ist es natürlich erforderlich, dass dieVertretung aus dem Bereich der Wirtschaft die Interessen sämtlicher Sektoren vertritt.Das hört sich einfach an, aber oft es ist doch schwierig, zu entscheiden, ob eine Parteieinbezogen werden sollte. Sind z.B. Transportverbände für die Beratschlagungen mitdem Zoll relevant oder werden ihre Interessen vom Verband der Spediteure vertreten?Man könnte sich nämlich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass Verlader, die Zoll-

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus niederländischer Sicht

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formalitäten erledigen, eigentlich als Spediteur auftreten. Vorläufig sind VNO-NCW (derArbeitgeberverband), die Spediteure, die Arbeitgeber aus dem Hafen, d.h. Schiffsmaklerund Terminalbetreiber, sowie Straßengüterverkehr, Luftfrachtspediteure und Verladervertreten. Auf jeden Fall blieb die Anzahl der Akteure begrenzt. Die Verbände könnenein Mitglied aus ihren Reihen zu den Verhandlungen herbeiziehen.

Das zentrale Gremium für Besprechungen zwischen Zoll und Wirtschaft trifft sich vier-mal jährlich. Intensivere Diskussionen werden in drei vorbereitenden Fachgremien ge-führt, die sich mit folgenden Themen befassen:• Rechtsanwendung;• Informationstechnologie;• Überwachung und Kontrolle.

Diese Themen entsprechen – meiner Meinung nach nicht zufällig – den Abteilungen derNationalen Zollbehörde. Mit Überwachung und Kontrolle sind Themen wie Kontrollstra-tegie und AEO gemeint. Unter dem Punkt Überwachung und Kontrolle werden auch dieGenehmigungsverfahren und die traditionellen steuerlichen Aufgaben des Zolls bespro-chen. Die Fachgremien behandeln generische Fragen aus der Wirtschaft (also Fragenvon Mitgliedern) und erteilen Auskünfte auf fachlichem Gebiet. Sie stellen eine Platt-form dar, über die der Zoll die Unternehmen bei der Implementierung neuer gesetzlicherVorschriften intensiv mit einbeziehen kann. Die Vertreter des Zolls und der Unterneh-men sind – jedenfalls in Theorie – in unterschiedlichem Ausmaß von den festgelegtenBesprechungspunkten abhängig. Das bietet den Unternehmen die Möglichkeit, Sach-verständige zum jeweiligen Fachgremium hinzuziehen, um ein Thema gemeinsam mitdem Zoll zu vertiefen und vorzubereiten. Zu diesem Zweck können auch Arbeitsgruppengebildet werden.

In den Fachgremien werden auch Themen behandelt, die von den Mitgliedern der ver-tretenen Organisationen vorgeschlagen werden. Wichtige Themen sind zurzeit die Qua-lität der Kontrollen und die Kommunikation im Zusammenhang mit den Kontrollen.Auch das Thema Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter steht weiterhin im Mittelpunkt desInteresses.

Das zentrale Gremium soll gemeinsam mit den Fachgremien sämtliche Besprechungs-punkte abdecken, mit Ausnahme der Themen, die unter Federführung des Finanzminis-teriums behandelt werden. Die regionalen Fachgremien, die es im Rotterdamer Hafenund auf dem Flughafen Schiphol gab, wurden deshalb im Zuge der Umorganisation undder Einführung der neuen Struktur aufgelöst. Zur Unterstützung der Diskussionen hatdas Landes-Zollbüro in Rotterdam einen Geschäftsführer angestellt, der als Ansprech-partner fungiert; darüber hinaus werden sämtliche Unterlagen im Intranet bereitge-stellt, um die Kommunikation zu erleichtern.

Abgesehen von den Treffen dieser Gremien finden regelmäßig Gespräche mit den Ver-tretern des Finanzministeriums in den relevanten Ausschüssen in Brüssel statt. Dabei

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus niederländischer Sicht

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Page 35: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

geht es darum, die Beamten über Probleme zu informieren, Informationen zu aktuellenThemen auszutauschen und festzustellen, ob und wie Vorhaben des Finanzministeriumsseitens der Wirtschaft mit Aktionen unterstützt werden können.Auf Gesetzgebungsebe-ne liegen die Standpunkte der niederländischen Behörden und der Wirtschaft in denmeisten Fällen auf einer Linie.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wir aus niederländischer Sicht mit der Zu-sammenarbeit zufrieden sein können; wir merken jedoch, dass eine Kluft zwischen derpolitischen Ebene und der Umsetzung auf Arbeitsebene entsteht. Schließlich möchtenwir gerne eine aktivere Rolle bei der Erstellung von Mitteilungen an die von uns vertre-tenen Organisationen spielen. Aber das sind Details.

Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden aus niederländischer Sicht

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Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft –Wünsche und Erfahrungen

Bernd StadtlerHead of Global Customs, HUGO BOSS AG, Metzingen

Ausgehend von den Erfahrungen der vergangenen Jahre möchte ich Wünsche ableiten,um einen Dialog über eine Verbesserung der aktuellen Situation in Gang zu setzen. Die-se Erfahrungen möchte ich in den folgenden drei Thesen zusammenfassen:1. Die zollpolitischen Ziele der EU werden nur unvollständig umgesetzt.2. Die Sicherheitsinitiative 2006 1) hat die gleichberechtigte Komponente „Handelser-

leichterungen“ in den Hintergrund gedrängt.3. Die einheitliche Anwendung des Zollrechts innerhalb der EU ist lange nicht erreicht

und führt inzwischen in Deutschland zu Wettbewerbs- und Standortnachteilen.

Zu These 1

Gemeint sind zollpolitische Ziele mit wirtschaftlicher Relevanz, die insbesondere in denErwägungsgründen zum Zollkodex bzw. Modernisierten Zollkodex dokumentiert sind.Leider finden die dort enthaltenen, wichtigen Gedanken zu selten Beachtung bei An-wendung und Auslegung des Zollrechts. Dies sollte im Interesse der Zollverwaltungenund der Wirtschaftsbeteiligten verbessert werden.

Der Zollkodex 2) enthält folgende Erwägungsgründe:• „Den Erfordernissen der Zollverwaltungen im Hinblick auf die ordnungsgemäße An-

wendung des Zollrechts ist in gleichem Maße Rechnung zu tragen wie dem Anspruchdes Wirtschaftsbeteiligten auf gerechte und angemessene Behandlung.“

• „Angesichts der großen Bedeutung des Außenhandels der Gemeinschaft sollen Zoll-förmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen möglichst vermieden, zumindest aber in ge-ringstmöglichem Umfang gehalten werden.“

• „Um die einheitliche Durchführung dieses Zollkodex sicherzustellen …“Die Präambel des Modernisierten Zollkodex 3) formuliert u.a. folgende Zielsetzungen:• „… hat sich die Rolle der Zollbehörden gewandelt, sodass sie eine führende Rolle in

der Versorgungskette und bei den Überwachungs- und Verwaltungsaufgaben im in-

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen

37

1) VO (EG) Nr. 1875/2006 vom 18.12.2006 (ABl. (EU) L 360 vom 19.12.2006).

2) VO (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 (ABl. L 302 vom 19.10.1992).

3) VO (EG) Nr. 450/2008 vom 23.4.2008 (ABl. (EU) L 145 vom 4.6.2008).

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Page 38: Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft · Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft Tagungsband des 22. Europäischen Zollrechtstags des EFA am 24./25. Juni 2010 in Düsseldorf herausgegeben

ternationalen Handel erhalten haben und somit zum Katalysator für die Wettbe-werbsfähigkeit von Ländern und Unternehmen geworden sind. Die zollrechtlichenVorschriften sollten daher die neue wirtschaftliche Realität sowie die neue Rolle undden neuen Auftrag der Zollbehörden widerspiegeln.“

• „… damit ein gleichwertiges Niveau von Zollkontrollen in der gesamten Gemein-schaft gewährleistet ist und somit kein wettbewerbsfeindliches Verhalten an denverschiedenen Eingangs- und Ausgangsorten (…) aufkommt.“

Zu These 2

Seit 2006 hat sich die Situation deutscher Im- und Exporteure nicht verbessert, sondernverschlechtert. Die Komplexität der Vorschriften hat zugenommen, Kosten und Aufwandfür die innerbetriebliche Zollorganisation sind gestiegen. Nachteile entstanden u.a. beifolgenden Themenschwerpunkten:

Ist das IT-Verfahren ATLAS wirklich „Schneller, flexibler, sicherer“, wie die „Zoll Aktuell“Nr. 4/2009 titelt?

Verdrängen, überlagern bzw. beschränken IT-Verfahren und deren Verfahrensanweisun-gen inzwischen das geltende Zollrecht?

Im Bereich der Ausfuhr wurde das jahrzehntelang in großem Umfang eingesetzte ver-einfachte Verfahren der Vorausanmeldung nach § 13 AWV abgeschafft und durch den„Vertrauenswürdigen Ausführer“ ersetzt, der in der Praxis durch restriktive Einschrän-kungen kaum Anwendung findet.

Auch bei der Einfuhr werden vereinfachte Verfahren eingeschränkt. Das gerne als „Su-per-Vereinfachung“ (übrigens sowohl für die Beteiligten als auch für die Zollverwaltungin Form erheblicher Personaleinsparungen) bezeichnete Anschreibeverfahren mit Über-lassung durch Anschreibung in der betrieblichen Buchführung darf nur noch in be-stimmten, wenig praxisrelevanten Fällen oder nach Zustimmung der Bundesfinanzdi-rektion Nord (restriktiv?) bewilligt werden.

Auch der AEO hat die Erwartungen der Wirtschaft bisher nicht erfüllen können. Der Auf-wand zur Erlangung und zur laufenden Überwachung des Status ist hoch, der Nutzennach wie vor gering. Es wäre erfreulich, wenn in Zukunft ausgesprochenes Vertrauenauch intensiver gelebt wird, z.B. in Form von weitreichenden Vereinfachungen und ech-ten Privilegien für den AEO.

Zu These 3

An zwei Beispielen soll aufgezeigt werden, dass die einheitliche Anwendung des Zoll-rechts noch lange nicht erreicht ist und inzwischen durch überdurchschnittlich hohe An-forderungen an die Zoll-Compliance deutscher Unternehmen zu einem Wettbewerbs-und Standortnachteil in Deutschland führt.

Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft – Wünsche und Erfahrungen

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Für die Ausstellung von Präferenznachweisen ist für deutsche Unternehmen, die den„Ermächtigten Ausführer“ benötigen, ein hoher Aufwand erforderlich. Eine ausführlicheArbeits- und Organisationsanweisung wird ebenso gefordert wie seltenes und deshalbteures Fachpersonal. Für die Präferenzkalkulation muss komplexe und teure IT einge-setzt werden. Es erfolgen regelmäßige und intensive Betriebsprüfungen. Diese Situati-on ist in vielen anderen Mitgliedstaaten nicht vergleichbar. Deutsche Unternehmen ha-ben somit höhere interne Aufwände für die Nutzung von Präferenzen beim Export bzw.verzichten bereits wegen dieses Aufwands auf dieses Tool zur Exportförderung. Sie er-füllen die Kriterien für den Präferenzursprung ggf. schwerer als Wettbewerber in ande-ren Mitgliedstaaten und können in bestimmten Exportmärkten nicht konkurrieren.

Die Anforderungen an Zollorganisation waren in Deutschland auch in der Vergangen-heit höher als in vielen anderen EU-Staaten, wurden aber durch sinnvolle Vereinfachun-gen ausgeglichen. Diese Vereinfachungen wurden stark eingeschränkt (siehe These 2),sodass dieses Gleichgewicht nicht mehr gegeben ist.

Als zweites Beispiel sei die Abfertigungspraxis von Schuhen aus Asien erwähnt. InDeutschland erfolgen zurzeit bei annähernd 100% der Sendungen Beschauen. Diese Be-schauen dauern z.B. in Hamburg mehrere Tage. Sie führen zu Zusatzkosten, vor allemaber zu Lieferverzögerungen. Es ist unbestritten, dass diese Waren einem hohen Risikounterliegen. Zollsätze schwanken zwischen 8% (HS 6403) und 17% (HS 6404), es exis-tieren umstrittenen Anti-Dumpingzölle sowie Verbote und Beschränkungen, z.B. hin-sichtlich des Einsatzes von DMF (Dimethylfumarat). Wird in anderen Mitgliedstaatenähnlich streng kontrolliert?

Als Indiz für mögliche Ungleichgewichte kann man die Anzahl der verbindlichen Zollta-rifauskünfte heranziehen. Seit 2007 wurden EU-weit 8.526 verbindliche Zolltarifaus-künfte für Waren der betroffenen HS-Positionen ausgestellt, davon fast 60% in Deutsch-land. Andere Länder mit ebenfalls hohen Einfuhrmengen dieser Waren kommen auf14% (UK) oder 2% (Italien).

Ausgehend von diesen drei Thesen möchte ich drei Wünsche ableiten:1. Gleichwertige Priorisierung des zollpolitischen Ziels „Handelserleichterung“, insbe-

sondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.2. „Handelserleichterungen“ und Verständnis für die Interessen und Anforderungen

der Wirtschaftsbeteiligten bei der Aus- und Fortbildung von Zollbeamten stärker be-rücksichtigen und in der täglichen Praxis umsetzen.

3. Forcierung der einheitlichen Anwendung des Zollrechts innerhalb der EU zur Verwirk-lichung des Binnenmarktprinzips und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrun-gen.

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Dialogue between Customs and Trade – Wishes and Experience

Peter WilmottPresident, EUROPRO, London

EUROPRO is the European association of trade facilitation organisations. We provide aforum for these bodies, which include EFA, to meet, exchange ideas, and develop stra-tegies for influencing European policy and practice in areas affecting the conduct and– crucially – the compliance costs of international trade.

As one grows older, the gap between wishes and experience seems to grow wider. Itwould be comforting to say that this is not true of dialogue between customs and trade. Sadly, I cannot.

European Customs administrations – many of them at least – do try to consult businessregularly on matters affecting international trade. The same is true of the EuropeanCommission. However, consultation is not necessarily the same as dialogue.

Dialogue implies both talking and listening. Consultation too often stops with the ad-ministration telling trade how things are going to be, without waiting to hear trade'sreaction. Dialogue is a continuing process, like a human conversation. Consultation canso easily be a one-off exercise, in which the box ”Have we told the trade?” is ticked andthe administration moves on. Moreover, some administrations seem to see consultati-on as a game, in which business exaggerates the impact of new measures and the ad-ministration then works out the minimum level of compromise that will stop trade'scomplaints.

It would be wrong to suggest that the private sector in any way shares the power toact as prime mover in changing customs law and practice. That is the prerogative ofgovernments and of the specialist administrations they employ. But business usuallyhas the responsibility for implementing a large part of the laws that governments en-act. And if the private sector's compliance is a condition of the success of new orchanged regimes (which is usually the case), the private sector must share the respon-sibility for success or failure.

That being so, it seems logical for change to take full account of processes in the privatesector, so that administrative rules and regulations can be met with the minimum of dis-ruption to normal commercial practice. And if that logic is accepted, administrationsmust understand those practices and the implications of changes in their regulatory en-vironment. Understanding comes from knowledge, and knowledge comes from a willing-ness to listen and learn.

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EUROPRO considers that the modernisation of the EU customs code and the accompa-nying integration of EU customs IT systems offer a unique opportunity to streamline theprocesses governing our imports, exports and transit goods. By ”streamline”, we meansimplifying rules and the ways in which customs controls are carried out; changing cus-toms’ approach to control in order to reduce the burden on honest and reliable compa-nies; and using IT to produce – for the first time – a genuine single customs territory inwhich traders can deal with any EU customs administration directly from the comfortof their chosen office location.

At the same time, the European Commission and the national customs administrationsshould be ready to explore genuine innovation in the application of customs controls.Building a competitive platform for European traders in the 21st century should amountto more than just shuffling a few 20th century techniques so that they apply in twenty-seven countries rather than just a few. Examples of innovation could include a move toself-declaration for trusted companies (making customs controls and revenue collecti-on much more similar to the best VAT systems for instance), making greater use of thewhole supply chain to satisfy control agencies’ data requirements (which wouldamount in many cases to pushing the EU frontiers outwards geographically and back intime, much as is done nowadays with visa and passport controls), and using ”pull”techniques rather than ”push” (so that customs authorities retrieved data from com-mercial systems rather than requiring separate and costly re-submission of informa-tion).

If ideas of this kind were explored in a genuine partnership, based on dialogue, then cus-toms would be able to see new opportunities from integrating their controls with mo-dern commercial practices. Business would gain by avoiding the disruption and cost thatflow from adding unnecessary layers of complication to the way they run their affairs. Atthe same time, both sides would share responsibility for the design of new control sys-tems, and both would have to accept responsibility for their success or failure.

EUROPRO’s members, many of whom have decades of experience in lobbying for bene-ficial change to customs regulations, feel that customs administrations do not alwayssee things in this light. A director general of customs in a major EU member state oncesaid that partnership with trade was impossible, since only the government had thepower to change things. This is legally and constitutionally true, but misses the pointthat informed collaboration with trade can bring benefits to both sides. Although thatadministration has since moved on, the attitude lingers that civil servants change thelaw and business has only one obligation – to obey!

Where this attitude still infects discussions between customs and trade, the result is adialogue of the deaf. Customs fail to understand how best to tailor systems to matchtrade practice, and trade – frustrated – becomes increasingly strident in its demands for”special treatment” in order to compensate for the costs that it thinks an uncaring ad-ministration is imposing on them. The result is bad for both sides. It would be comfor-ting to think that, at European level at least, we now live in a more enlightened age.

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However, only recently tensions arose between DG TAXUD and the trade bodies it con-sulted because the latter believed that the Commission had no wish to take serious account of its concerns.

The experience of business so far is that regulation and restriction have taken pride ofplace, and promised benefits to trade have been slow to materialise. We know that cus-toms have to respond to the threats of international crime and terrorism. But we arenot convinced that the new requirements fully take account of trade practices andneeds. We know that integrating the EU’s IT systems is a difficult business. But we aredisappointed that the most beneficial components – central clearance, for instance, orthe single window – are pushed to the end of the queue. We know that setting up a European AEO scheme and reaching mutual recognition agreements with the USA andother partner countries is a complex affair. But again, the result on the ground, so farat least, is increased bureaucracy without any major and corresponding reductions incompliance costs.

This is all very disappointing. Some member states work very closely with business, andare to be praised. DG TAXUD does make strenuous efforts to listen and to adapt its pro-posals to meet trade requirements. But good practice is so far neither universal nor con-sistent. It would be wrong, too, to think that trade was blameless. All too often it isshort-sighted and unimaginative in its thinking. EUROPRO’s experience is that askingcompanies to look ten years ahead and to develop genuinely innovatory ideas yieldsfew usable results. Vision more often comes from the so-called boring bureaucrats thanfrom the bold, risk-taking captains of industry!

This is where academic institutions and – dare we suggest it – organisations likeEUROPRO have a role to play, by helping business and customs alike to think the un-thinkable and challenge old-fashioned and excessively ”comfortable” ideas. We canbridge the gap between wish and reality by bringing customs and trade together in ashared vision of how 21st century customs should now be designed and work.

Why does all this matter? The compliance costs in international trade are enormous,and even small percentage savings add up to large cash injections into a key economicsector. Europe is facing ever tougher competition internationally, and our companiesneed the most competitive trading platform if they are to survive.

Our wish is for genuine innovation in European customs. Our experience so far is mixed.National and European administrations mean well, but are sometimes overawed by thesheer practical and political difficulty of moving twenty-seven countries into a new andexciting way of jointly managing their customs environment. It is not too late – yet. Butthe clock is ticking and mediocrity threatens. Achieving excellence requires open mindsand imaginative but practical thought on both sides of the public/private divide. Thiscan only be based on dialogue and genuine partnership. EUROPRO believes that the initiative has to come from the public side (after all, they have all the constitutionalpower), but trade has to be ready to meet the challenge when it comes. It would be

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tragic if trade’s wish for genuine partnership in building the customs union of the futu-re were to be frustrated by its own limitations in dealing with administrations that we-re at last ready for dialogue.

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Plenumsdiskussion „Dialog zwischen Zoll undWirtschaft – Wünsche und Erfahrungen“

zu den Referaten von Reinhard Fischer, Hermann Kästli, Dr. An-drea Reuter, Marianne Rowden, Godfried Smit, Bernd Stadtler

und Peter Wilmott

Moderation: Christoph WolfDIHK, Berlin

Zusammengefasst von Rechtsanwalt Heiko PankeMöllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Nach den Vorträgen von Reinhard Fischer (Deutsche Post DHL, Bonn), Hermann Kästli(Eidgenössische Oberzolldirektion, Bern), Dr. Andrea Reuter (Vorständin des Zollamts St.Pölten Krems Wiener Neustadt), Marianne Rowden (CEO, American Association of Ex-porters and Importers, Washington D.C.), Godfried Smit (EVO, Zoetermeer), Bernd Stadt-ler (HUGO BOSS AG, Metzingen) und Peter Wilmott (Präsident, EUROPRO, London) er-öffnete Herr Christoph Wolf die Diskussion.

Herr Gottfried Schellmann (Vorsitzender des Steuerausschusses der CONFEDERATIONFISCALE EUROPENNE, Österreich) äußerte sich zu den grundsätzlichen Hürden inner-halb der einzelnen Gremien der Europäischen Kommission. Er kenne aus eigener Erfah-rung die Partizipationsdichte der Beteiligten in den einzelnen Gremien in der Europäi-schen Kommission, an denen er selbst beteiligt sei. Diese sei dünn, intellektuell nicht be-sonders stark und sprachlich schwach. Mit diesen drei Voraussetzungen könne man ausseiner Sicht unmöglich in einem System, an dem allein 23 Sprachen teilnehmen unddemnächst zwei weitere Sprachen hinzukämen, eine vollständige Harmonisierung for-dern.

Sollte man eine Harmonisierung fordern, benötige man in Anlehnung an die CCTB(Common Consolidated Tax Base Work Group) aus seiner Sicht drei Voraussetzungen,die drei großen „O’s“: One language, one legislation, one administration.

Herr Schellmann war ferner der Ansicht, dass Europa, verglichen mit vielen anderenStaaten, den bisher stärksten Ansatz zustande gebracht habe, trotz der bestehendenSchwierigkeiten eine Harmonisierung zu erreichen. Solange jedoch verschiedene Regie-rungen für die Zollangelegenheiten Ihres Staates zuständig seien, gebe es aus der Spra-che, der Rechtshistorie, aus der Auslegung des Rechts und aus der Unmöglichkeit einerexakten Übersetzung Differenzen, mit denen man leben müsse.

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Darüber hinaus verteidigte Herr Schellmann den Beitrag von Frau Dr. Reuter und griffdie Problematik der Umgehung auf. Da Herr Schellmann selbst aus einem rechtsbera-tenden Beruf komme, wisse er, dass Vorgänge so gehandhabt werden würden, dass oft-mals der einfachste Weg beschritten werde und führte ein Beispiel aus der passiven Ver-edelung an. So sei man im Bereich der passiven Veredelung plötzlich ganz erstaunt,dass bei der Ausfuhr von Gütern in Drittstaaten, für die man sich zuvor das Verfahrenerspart hat, bei der Wiedereinfuhr dieser Güter plötzlich Zölle verlangt werden, weilman übersehen hat, dass auf Ursprünge aus der Gemeinschaft keine Präferenz gewährtwerde. Diese „Spielereien“ seien aus seiner Sicht hinlänglich bekannt.

Frau Dr. Reuter (Vorständin des Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt) erwiderteunmittelbar auf den Beitrag von Herrn Schellmann, dass ihre Bemerkung zur Beachtungder Rechtsvorschriften scheinbar zu Missverständnissen geführt habe. So gebe es bei al-len Rechtsvorschriften einen gewissen Graubereich, den man in der Interpretation aus-nutzen könne. Für den Graubereich seien bereits Beispiele genannt, in denen mancheMitgliedstaaten den Graubereich mal großzügiger und mal weniger großzügig ausnut-zen würden. Ihr Vortrag sollte lediglich auf die unterschiedliche Interpretation und derdaraus resultierenden Anwendung der Rechtsvorschriften hinweisen.

Sie stellte ausdrücklich klar, dass sie niemanden einer Umgehung von Rechtsvorschrif-ten beschuldige, allerdings müsse auch klar sein, dass sich bei den verschiedenen Wort-lauten Spielräume ergeben würden, die jeweils unterschiedlich in den Mitgliedstaatenausgenutzt werden würden.

Herr Hoffknecht (Bundesfinanzdirektion Mitte, Deutsche Zollverwaltung) äußerte beider Diskussion sein Erstaunen darüber, dass die Redner am Morgen überrascht gewe-sen seien, dass die Anwendung der zollrechtlichen Regeln in den 27 Staaten der Euro-päischen Union unterschiedlich ausfallen würde. Es sei allseits bekannt, dass die Aus-und Fortbildung der Zöllner in den 27 Zollverwaltungen nicht vereinheitlicht sei und inder Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten lägen. Solange sich daran nichts ände-re, könne es aus seiner Sicht nicht verwundern, dass keine identische Gesetzesausle-gung in allen Mitgliedstaaten erfolge.

Frau Michèle Petitgenet (Presidente de l’ODASCE) äußerte im Rahmen der geführtenDiskussion, dass sie es als Grundvoraussetzung für das Bestehen eines vernünftigenSystems in der Zollverwaltung ansehe, dass man das Thema Zoll bereits in der Aus- undWeiterbildung aufgreife und nicht erst dann, wenn man mit dem Thema Zoll als Betrof-fener im Beruf konfrontiert werde. Bereits im schulischen Bereich oder an den Universi-täten sollte das Thema Zoll einen höheren Stellenwert erlangen und in die Aus- undFortbildung integriert werden. Solange dies nicht der Fall sei, werden Probleme unver-meidbar sein, denn selbst das anwesende Publikum wird das Wort „Zoll“ nicht oft vordem eigenen Berufsleben gehört haben.

Herr Wolf (DIHK, Berlin) fasste die abschließenden Worte der Diskussion. Man habe beider Entstehung von Europa den Weg der Vielsprachigkeit gewählt, da niemand gerne

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seine eigene Souveränität und damit auch seine eigene Sprache aufgeben würde.Europa müsse jedoch aus wirtschaftlicher Sicht auch gegenüber dem Weltmarkt beste-hen, weshalb sich die Europäer weder als Wirtschaft noch als Verwaltung etwas leistendürften, was sie in dieser Hinsicht behindere. Mit einem Hinweis auf den Vortrag vonHerrn Wilmott schloss Herr Wolf die Diskussion.

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Selbstbewertung und Überwachung – Theorie und Praxis

Christian SchaadeLeitender Regierungsdirektor, Bundesfinanzdirektion Nord, Hamburg

Vorbemerkungen

Die Instrumente der Selbstbewertung und des Monitorings, wie die fortlaufende Über-wachung nach Erteilung einer Bewilligung genannt wird, sind eng mit den Vorschriftenzum Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) verknüpft.

Als Einstieg in die Thematik werde ich nur kurz die Hintergründe der Einführung desAEO – Stichwort 11. September 2001 – streifen und sodann detaillierter auf die Umset-zung der zum AEO entwickelten Instrumente der Selbstbewertung und des Monitoringseingehen.

Ein weiterer Schwerpunkt meines Vortrags wird bei den Auswirkungen der Verordnung(EG) Nr. 1192/2008 liegen. Diese Verordnung weitet den Anwendungsbereich der Selbst-bewertung und des Monitorings erheblich aus und stellt damit Zollverwaltung und Be-teiligte vor große Herausforderungen.

SAFE Framework of Standards

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben die Welt tief erschüttert und unse-ren Alltag bis heute maßgeblich verändert. Die Beschränkungen im Luftverkehr, die fort-schreitende Videoüberwachung, Diskussionen über Bodyscanner sowie die Erhebungvon biometrischen Daten sind nur einige Beispiele für Veränderungen, die unseren All-tag seitdem beeinflussen. Aber mehr noch als wir es in unserem persönlichen Bereicherfahren, haben sich die Anforderungen an die Sicherheit und Sicherung des globalenHandels gewandelt und das Aufgabenspektrum des Zolls nachhaltig verändert.

Lagen traditionell die Kernbereiche und das Hauptaugenmerk des Zolls bei der Abga-benerhebung, hat sich nun der Fokus auf die „Sicherung des Handels“ erweitert. EinMeilenstein ist hier der von der Weltzollorganisation erarbeitete „SAFE Framework ofStandards“. Bis zum heutigen Tag haben insgesamt 161 Länder gegenüber der Weltzoll-organisation erklärt, die Inhalte des „SAFE Framework of Standards“ in ihrem Land um-zusetzen.

Im Rahmen der sog. kleinen Kodexänderung wurden auch in der EU die rechtlichenGrundlagen für die Umsetzung des SAFE Frameworks geschaffen. Hierzu gehört auchdie Einführung der Rechtsfigur des AEO.

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Ein als AEO zertifiziertes Unternehmen wird als besonders sicher angesehen und diesemsollen daher auch einige Vorteile gewährt werden.

Der AEO als „Gütesiegel“ der Zollverwaltung

Ein Zollbeteiligter, der bislang nur wenig mit zollrechtlichen Bewilligungen zu tun hat-te, wird bei einem ersten Blick auf den Art. 5a des Zollkodex die Vorteile eines AEO-Zer-tifikats, aber auch den Umfang des Antragverfahrens und die erforderlichen Informatio-nen mit ziemlicher Sicherheit unterschätzen. Sobald dieser Beteiligte nun in einem zwei-ten Schritt einen Blick in die Durchführungsverordnung zum Zollkodex wirft, wird ihmanhand der Vielzahl der zu präzisierenden Rechtsvorschriften deutlich, dass da dochmehr hinter steckt, als zunächst angenommen. Spätestens im dritten Schritt, nämlichbeim Studium der Leitlinien der Kommission, wird er erkennen, dass diese besonders imsicherheitsrelevanten Bereich auf ein gemeinsames Risikoverständnis zwischen Zollver-waltung und Beteiligten setzen.

Weiterhin sollen die Leitlinien eine einheitliche Anwendung der einschlägigen Zollvor-schriften sicherstellen und Transparenz sowie Gleichbehandlung der Wirtschaftsbetei-ligten gewährleisten. Die Gewährung des Status eines AEO ist somit nicht eine Bewilli-gung unter vielen. Das AEO-Zertifikat ist vielmehr ein Gütesiegel des Zolls, das demWirtschaftsbeteiligten bescheinigt, dass er als besonders vertrauenswürdig und sicherangesehen wird.

Darüber hinaus ist ein AEO-Zertifikat auch eine Art zollrechtliche „Master-Bewilligung“,denn mit den Varianten AEO-C und AEO-F müssen bei Beantragung von Vereinfachun-gen die bereits bei der Erteilung des AEO-Zertifikats nachgewiesenen Voraussetzungennicht erneut belegt und geprüft werden. Diesen Aspekt der AEO-Zertifikate C und F wer-de ich später noch einmal vertiefen.

Selbstbewertung

Kommen wir wieder zurück zu unserem Wirtschaftsbeteiligten, der nach intensiver Lek-türe der einschlägigen Bestimmungen mit dem Thema AEO zu dem Ergebnis gekommenist, dass ein solches Zertifikat für sein Unternehmen sinnvoll oder gar erforderlich ist.Stellen wir uns nun vor, er beschäftigt sich gerade mit der Antragsstellung.

Die Leitlinien der Kommission – insbesondere der von ihr entwickelte Fragebogen – ent-halten eine Auflistung wichtiger Punkte, anhand derer sowohl der Wirtschaftsbeteiligteals auch die Zollbehörden leichter beurteilen können, ob die AEO-Kriterien erfüllt sind.Viele Zollverwaltungen der EU haben die Leitlinien der Kommission im Rahmen der Um-setzung der AEO-Vorschriften zu einem nationalen Fragebogen zur Selbstbewertungüberarbeitet.

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Auch die deutsche Zollverwaltung hat einen nationalen Fragenkatalog zur Selbstbewer-tung entwickelt, welcher zusammen mit dem Antragsvordruck von der Website des Zolls(www.zoll.de) heruntergeladen werden kann. Bei der Erarbeitung des Fragebogenswurde darauf geachtet, die Fragen so zu stellen, dass die Antworten möglichst aussa-gekräftig ausfallen. Eine Frage, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann, gibtkeine Antworten über das „Wie“ und genau das sind die Informationen, die Zollbehör-den brauchen. Je qualifizierter und detaillierter die Antworten, um so eher ist der Sach-bearbeiter des Zolls in der Lage, bereits vom Schreibtisch aus einen umfassenden Über-blick über den Antragsteller und seine Organisation zu erhalten.

Von einer sorgfältigen Selbstbewertung profitieren im Endeffekt sowohl der Zoll alsauch der Antragsteller selbst. Zum einen kann der Antragsteller beim Zusammentragender erforderlichen Informationen bereits im Vorwege Schwachpunkte und Risiken iden-tifizieren und entsprechend reagieren. Zum anderen erleichtert eine sorgfältige Selbst-bewertung dem Sachbearbeiter beim Zoll die Prüfung der Antragsvoraussetzungen undverringert sowohl die Notwendigkeit von Nachfragen als auch die Dauer einer Prüfungbeim Antragsteller vor Ort.

Es liegt im Interesse aller zertifizierten AEO, dass ihr Zertifikat ein anerkanntes Quali-tätsmerkmal ist, das nicht jeder erhält. Um diesen Anspruch auf Qualität gerecht zuwerden, ist Gründlichkeit auf beiden Seiten nötig. Diesem Gedanken hat auch die euro-päische Kommission Rechnung getragen, als sie die Bearbeitungsfrist für einen AEO-An-trag, welche ursprünglich seit 1.1.2010 auf 90 Tage festgelegt war, auf 120 Tage mit derMöglichkeit zur einmaligen Verlängerung um 60 Tage geändert hat.

Überwachung

Auch nach einer Zertifizierung müssen Zoll und Wirtschaft weiterhin Arbeit und Auf-wand in die Aufrechterhaltung des Status AEO investieren. Um das hohe Niveau zu ge-währleisten, müssen die Zollbehörden laufend überwachen, ob die zugelassenen Wirt-schaftsbeteiligten ihre Zulassungsvoraussetzungen weiterhin erfüllen.

Hierzu wird bereits unmittelbar nach der Zertifizierung ein sog. Monitoringplan erstellt.Dieser Monitoringplan wird für jeden AEO individuell erarbeitet und fortgeschrieben. Erenthält u.a. Termine, zu denen nach Absprache mit dem AEO gewisse Nachbesserungenvorgenommen worden und Restrisiken behoben sein müssen.

Zudem fließen hier Erkenntnisse anderer Sachgebiete des Hauptzollamts, der Abferti-gung oder anderer Mitgliedstaaten ein. Darüber hinaus werden auch regelmäßige Ab-fragen der relevanten Datenbanken berücksichtigt.

Das Monitoring ist jedoch keine Verpflichtung, die sich nur an die Zollverwaltung rich-tet. Auch der AEO ist hier in der Pflicht. Er muss die Zollverwaltung über alle Umständeinformieren, die nach Erteilung des Zertifikats eingetreten sind und die sich auf dessenAufrechterhaltung oder Inhalt auswirken können. Dies können z.B. neue Standorte mit

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zollrelevanter Tätigkeit, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, große Veränderungenim Buchführungssystem und Personalwechsel in der Geschäftsleitung oder in der Lei-tung der Zollabteilung sein.

Die vorliegenden Informationen werden vom Zoll geprüft und bewertet, um festzustel-len ob die Voraussetzungen für das AEO-Zertifikat weiterhin vorliegen.

Auswirkungen der Verordnung (EG) Nr. 1192/2008

Ich komme nun auf die Auswirkungen der VO (EG) Nr. 1192/2008 und die dadurch ver-stärkte Bedeutung des AEO-C und AEO-F zurück. Mit der VO (EG) Nr. 1192/2008 hat dieKommission eine Vielzahl von Änderungen im Bereich der zollrechtlichen vereinfachtenVerfahren vorgenommen. Eines der Kernelemente dieser Änderungsverordnung ist, dasssämtliche vereinfachten Anmelde- und Anschreibeverfahren bei der Ein- und Ausfuhrnur unter Berücksichtigung der AEO-C-Kriterien bewilligt werden dürfen. Unabhängigdavon, ob es sich um eine Bewilligung für ein vereinfachtes Verfahren zur Überführungin den zollrechtlich freien Verkehr, in ein Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutungoder zur Ausfuhr (zugelassener Ausführer) handelt, muss neuerdings der Bewilligungs-inhaber nachweisen, dass er die meisten der Voraussetzungen des AEO-C einhält. Diesgilt nicht nur für neue Anträge, sondern auch für alle vor dem 1.1.2009 bereits bewil-ligten vereinfachten Verfahren. Die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten sind verpflich-tet, alle bestehenden Bewilligungen anhand der neuen Voraussetzungen bis zum31.12.2011 zu überprüfen.

Die deutsche Zollverwaltung hat hierzu einen Fragebogen zur Selbstbewertung heraus-zugeben, der eng an den AEO-Fragebogen angelehnt ist. Auch Unternehmen, denen be-reits vereinfachte Verfahren bewilligt wurden, sind verpflichtet, durch einen ausgefüll-ten Fragebogen die Einhaltung der neuen Bewilligungsvoraussetzungen zu dokumen-tieren.

Um Ihnen einen kleinen Überblick zu verschaffen, was das in der Praxis bedeutet, hiereinige Zahlen: Die deutsche Zollverwaltung hat bis zum 31.12.2011 fast 20.000 Bewil-ligungen des zugelassenen Ausführers und 6.500 Bewilligungen für vereinfachte Ver-fahren im Bereich der Einfuhr anhand der neuen Kriterien zu bewerten. Zusätzlich ist fürjede Bewilligung ein individueller Monitoringplan zu erstellen.

Für Inhaber eines AEO-C oder AEO-F-Zertifikats sieht das Gemeinschaftsrecht hier einewesentliche Erleichterung vor:Wer Inhaber eines AEO-C oder AEO-F-Zertifikats ist, mussdie Voraussetzungen nicht erneut nachweisen. Das bedeutet für den Wirtschaftsbetei-ligten, dass er in diesen Fällen keinen Fragebogen für die vereinfachten Verfahren aus-füllen muss. Unternehmen, die Inhaber mehrerer zollrechtlicher Bewilligungen (insbe-sondere vereinfachter Verfahren) sind und derzeit noch kein AEO-C oder AEO-F-Zertifi-kat haben, sollten daher erwägen, ob es nicht sinnvoll ist, zumindest ein AEO-C-Zertifi-kat zu beantragen.

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20.000 zugelassene Ausführer, 6.500 vereinfachte Verfahren Einfuhr und bis Mitte Maidiesen Jahres 714 erteilte AEO-Zertifikate in Deutschland … Selbst wenn man für eineinfaches Rechenbeispiel davon ausgeht, dass alle 42 Bewilligungshauptzollämter inDeutschland die gleiche Wirtschaftsdichte aufweisen würden, so müsste jedes Haupt-zollamt ca. 650 Neubewertungen und Monitorings durchführen. Das ist eine gewaltigeHerausforderung, der sich die Zollverwaltung gerade stellen muss.

Um diese Aufgabe zu meistern, ist es unabdingbar, die Ressourcen des Zolls sinnvoll undbewusst einzusetzen und redundante Arbeit zu vermeiden. Ein ganz wesentlicher Punktist hier die Optimierung der Prozessabläufe sowohl bei der Bewilligung als auch in dernachfolgenden Phase des Monitorings. Dieser Prozessoptimierung widmet sich gegen-wärtig die Zentrale Fachabteilung der Bundesfinanzdirektion Nord im Rahmen der Ent-wicklung entsprechender Standards. Angestrebt wird hier die Vereinheitlichung der Be-willigungsprozesse und der Entscheidungspraxis, die Vermeidung von mehrfacher Ar-beit und die umfassende Nutzung bereits vorhandener Informationen. Zusätzlich setztdie Zollverwaltung besonders auf einen weiteren Ausbau der verwaltungsinternen Kom-munikation.

Auch das Monitoring ist hier ein Bereich, wo Prozesse noch weiter optimiert werdenkönnen. Wie bereits ausgeführt, muss sowohl für den AEO als auch für jede Bewilligungeines vereinfachten Verfahrens ein fortlaufendes Monitoring durchgeführt werden. Esergibt wenig Sinn, wenn im Rahmen jedes einzelnen Bewilligungsprozesses ein separa-ter Monitoringplan erstellt und ausgeführt wird. Hier bietet es sich an, die Prozesse derÜberwachung in einer Gesamtschau zu betrachten und unter Einbindung aller zu betei-ligenden Stellen einen unternehmensbezogenen Monitoringplan zu erstellen und fort-zuschreiben. Dadurch verringert sich nicht nur für den Zoll die Arbeit sondern auch fürden Beteiligten. Innerhalb des Zolls abgestimmte Monitoringpläne können dazu führen,dass sich die Prüfungen und Anfragen beim Beteiligten auf gebündelte Maßnahmenkonzentrieren. Das spart Zeit und Geld und entlastet somit Zoll und Wirtschaft.

Die Herausforderungen der Selbstbewertung und des Monitorings können somit durcheine gute Zusammenarbeit zwischen Zoll und Wirtschaft sowie ein effizientes Verwal-tungshandeln bewältigt werden.

Selbstbewertung und Überwachung – Theorie und Praxis

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Selbstbewertung und Überwachung – Chance für die Wirtschaft

Frank GörtzDirector International Trade, Lufthansa Technik AG, Hamburg

„Selbstbewertung und Überwachung ist kein Widerspruch, vielmehr ist dies die Chance für die europäische Wirtschaft

weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Um einen Eindruck zu erhalten, inwieweit das Instrument der Selbstbewertung im Ver-gleich zur Überwachung genutzt wird, braucht man sich lediglich anzuschauen, wie oftdiese Begriffe in einschlägigen Informationsquellen wie z.B. vom Zoll genutzt werden.Auf der Internetseite des Zolls findet man 661-mal den Begriff „Überwachung/überwa-chen“. Den Begriff „Selbstbewertung“ findet man lediglich 15-mal. In den Durchfüh-rungsvorschriften des Zolls wird der Begriff „Überwachung“ 6.745-mal, der Begriff„Selbstbewertung“ 43-mal verwendet. Das entspricht einem Anteil von unter 1%.

Im Gesetz findet sich das Thema Selbstbewertung heute ausschließlich im Bereich derZollwertberechnung. Zukünftig wird es in der MZK-DVO im Kapitel „Andere Verfahrens-vereinfachungen“ ein ganzes Unterkapitel hierzu geben.

• Heute: Art. 156a Abs. 1 ZK-DVO – Vereinfachungen (Zollwert)

(1) Die zuständigen Behörden können auf Antrag des Beteiligten zulassen, dass […]einzelne Beträge, die dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzu-rechnen sind, auch wenn sie im Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht be-stimmbar sind.

• Morgen: Art. 525-2 ff. MZK-DVO – Self-Assessment

(1) The customs authorities may authorise an economic operator, in accordance withArticle 116 (2) (d) of the Code, to take responsibility for and perform certain forma-lities and controls normally carried out by the customs authorities (self assessment).In accordance with this authorisation, evidence of the accomplishment of formalitiesand controls performed by the economic operator shall be demonstrated in the formof entries and information held in the business records. […]

Selbstbewertungen sollen zukünftig zur Umsetzung von Verfahrensvereinfachungen ge-nutzt werden. Fraglich ist, ob der Zoll von der Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machenwird, dem Wirtschaftsbeteiligten Aufgaben zu überlassen, die eigentlich in seinen Be-reich fallen.

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Die Nutzung dieses Instruments wäre ein guter und notwendiger Schritt, da die Anwen-dung von Selbstbewertungen eine Chance ist, die Wettbewerbsnachteile auszugleichen,die durch die neuen Sicherheitsvorschriften entstanden sind. Verfahrensvereinfachun-gen sind für die Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung; sie machen sie erst wettbe-werbsfähig, da die regulären Verfahren zu zeitintensiv und bürokratisch sind.

Die bisherigen Verfahrensvereinfachungen bestanden bislang im Kern im vereinfachtenAnmeldeverfahren (VAV) und dem Anschreibeverfahren (ASV). Man hat den Eindruck,dass es derzeit mehr Verschärfungen und einen höheren bürokratischen Aufwand imRahmen der Zollabwicklung gibt statt weiterer Vereinfachungen.

Als Beispiel zählt die neue Dienstvorschrift zum vereinfachten Verfahren zur Überfüh-rung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (Z 12 10) vom 17.8.2009.

Die Vorschriften zur Anschreibung zum Zeitpunkt der Überlassung werden seit Einfüh-rung dieser Dienstvorschrift erstaunlicherweise restriktiver gehandhabt. Die Bewilli-gung der Überlassung mit Wirkung im Zeitpunkt der Anschreibung kommt nur nochdann in Betracht, wenn bereits aufgrund der Angaben im Antrag auf Bewilligung desASV zu erkennen ist, dass eine Zollbeschau der Waren oder sonstige Überprüfung derZollanmeldung nicht erforderlich werden wird und Hinderungsgründe für die Überlas-sung nicht ersichtlich sind und es sich um Waren im Anschluss an die Überführung indas Zolllager des Typs D, […] oder andere Waren mit Einwilligung der BFD Nord als zu-ständige Facheinheit handelt.

Im Endeffekt bedeutet dies eine Verschärfung und führt in der Praxis dazu, dass die häu-fig als „Supervereinfachung“ bezeichnete Möglichkeit des Anschreibeverfahrens mitGestellungsbefreiung und sofortiger Überlassung gemäß Art. 266 Abs. 2 ZK-DVO nur imAnschluss des Zolllager Typ D möglich sein wird.

Begründet wird dies mit Vorgaben aus der VO (EG) Nr. 1192/2008 vom 17.11.2008. Diesverwundert, da dort eine solche Verschärfung nirgendwo erwähnt wird. Gänzlich außerAcht gelassen wird bei der Bewilligung dieses vereinfachten Verfahrens auch der AEO-Status des Antragstellers.

Dabei sollte insbesondere durch die Einführung des AEO für zuverlässige Wirtschaftsbe-teiligte, sichere und mit der Zollbehörde kooperierende Partner der Lieferkette, die sichzertifizieren lassen, Vereinfachungen bei den Zollverfahren und/oder Erleichterungenbei den sicherheitsrelevanten Zollkontrollen gelten.

Beispielsweise:• Weniger Kontrollen von Waren• Vorherige Unterrichtung bei Kontrollen• Vorrang bei beabsichtigten Kontrollen• Anerkennung des AEO auf internationaler Ebene etc.

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Aus der Praxis ist bekannt, dass keine dieser Vereinfachungen umgesetzt wurde. Einevorherige Unterrichtung bei Kontrollen hat es zumindest bei der Lufthansa Technik AGbislang nicht gegeben. Gemäß inoffizieller Informationen soll die BFD Nord den Zolläm-tern sogar eine 10% Beschauquote vorgegeben haben. Das Resultat hat sich auch inder Praxis bestätigt, es haben sich folglich die Kontrollen vermehrt trotz AEO-Status.Vom Vorrang bei beabsichtigten Kontrollen, sozusagen von einer „Greenline“ bei Zoll-kontrollen, raten die Zollbeamten selbst ab. Die Befürchtung liegt darin, dass es zukünf-tig Repressalien für Fahrer, die Zollware zur Kontrolle befördern, geben könnte.

Des Weiteren verspricht man sich vom AEO Vereinfachungen auf internationaler Ebene.Bislang findet der AEO jedoch nur in der Schweiz, Norwegen und Japan gegenseitigeAnerkennung. Wichtige Handelspartner wie die USA, China und Indien erkennen deneuropäischen AEO (noch) nicht an.Vor diesem Hintergrund sind die Vorteile des AEO aufweltweiter Ebene (noch) nicht ersichtlich.

Innereuropäisch verhindern unterschiedliche Rechtsanwendungen die Durchsetzungvon EU-weiten Vereinfachungen. Als Beispiel dient bereits das Zertifizierungsverfahrenzum AEO. Gemäß Art. 14k ZK-DVO gelten die Sicherheitsstandards des Antragstellersnach Art. 5a Abs. 2 Unterabsatz 1 vierter Gedankenstrich des Zollkodex als angemes-sen, wenn der Antragsteller, soweit gesetzlich zulässig, künftig in sicherheitsrelevantenBereichen tätige Bedienstete einer Sicherheitsüberprüfung unterzieht und regelmäßigHintergrundüberprüfungen vornimmt. Ausschließlich in Deutschland wird unter diesenParagrafen ein Mitarbeiterscreening subsumiert. Die Rechtsgrundlage für ein solchesScreening ist sehr fragwürdig.

Die Befürchtung, dass die Überlassung von Kontrollaufgaben des Staates dem Wirt-schaftsbeteiligten dazu führt, dass die Überwachung nicht wirklich sichergestellt wäre,ist unbegründet. Es ist deutlich hervorzuheben, dass die Wirtschaft kein Interesse daranhat, gegen Sicherheitsvorschriften zu verstoßen, um beispielsweise Geschäfte mit Terro-risten zu machen. Im Gegenteil, die Wirtschaft hat ein existenzielles Interesse daran,„compliant“ zu sein.

Es sollte berücksichtigt werden, dass ein AEO ausreichend transparent ist, insbesonde-re aufgrund des regelmäßigen Monitorings, sodass eine Selbstbewertung keinen Wider-spruch zu einer Überwachung darstellt.

Das Ziel muss eine echte partnerschaftliche Zusammenarbeit der Zollbehörden mit derWirtschaft sein. Die Potenziale für eine solche Zusammenarbeit sind bei Weitem nochnicht ausgeschöpft. In vielen Bereichen würde bereits der Abbau von Bürokratie zu ei-ner wesentlichen Vereinfachung beitragen. Die folgenden Punkte sollen ausschließlichBeispiele für Vereinfachungen sein, die schnell umsetzbar wären und wesentliche Ver-fahrensvereinfachungen bringen würden:• Neue spezifische Vereinfachungen bei unkritischen Waren (Beispiel EUSt-/zollfreie

Waren)• Wegfall der Überwachung des Referenzbetrags der Sicherheit im Versandverfahren

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• Wegfall der Anschreibungsmitteilung • Wegfall automatischer Wartezeiten im ATLAS• Wegfall von routinemäßigen Zollbetriebsprüfungen sowie Steueraufsichtsmaßnah-

men• Wegfall von Ordnungswidrigkeitsverfahren

Etwas aufwendigere Veränderungen, aber dafür umso effektivere Vereinfachungen,könnten die im Folgenden aufgezählten Punkte darstellen:• Einheitliche Software im AES• Einheitliche Voraussetzungen/Umsetzung für den AEO (z.B. Mitarbeiterscreening)• Erhebliche Reduzierung des Datensatzes der Zollanmeldung (Wegfall der statisti-

schen Daten)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass wesentliche Vereinfachungen nur durch denAbbau von Bürokratie umgesetzt werden. Mithilfe von Selbstbewertungen kann ein sol-cher Abbau effektiv realisiert werden. Der erste Schritt dorthin ist jedoch, dass die Zoll-behörden die zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten endlich als Partner ansehen.

Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt,

Zusammenarbeiten ein Erfolg.(Henry Ford, 1863-1947)

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The Pipeline InterfaceFrank Heijmann

Counsellor Customs and International Affairs, General Directorate of the Tax and Customs Administration of the Netherlands

Integrity is a challenging project intending to significantly improve the reliability andpredictability of door-to-door container chains. Integritiy is funded by the EuropeanCommission in the 7th Framework Programme for Research & Development and liaiseswith several EU Directorates.

Core of the project is the development of the so-called Shared Intermodal Container In-formation System (SICIS) allowing authorised companies and authorities to access plan-ning and status information on selected transports. Proactive planning following theSupply Chain Event Management (SCEM) approach allows to forecast problems wellbefore they might occur. Matching logistics data with security information, e.g. fromelectronic seals or container security devices, and scanning equipment together withthe integration of the AEO (authorised economic operator) approach allow to satisfyboth the logistics industry and customs authorities fulfilling their duties, thus creatingwin-win situations.

More information on the project can be found on www.integrity-supplychain.eu/

Current Situation – Manifest Data and Cargo Information• Data provided to customs in the export country is divorced from the customs decla-

ration in the import country.• The Summary Import Declaration is provided by the ship or aircraft manifest, which

can be inaccurate or, in about 60% of cases, describes “agent to agent” transacti-ons with no information about the buyer or seller.

• This is insufficient for customs risk or control purposes.• The EU Import Control System, Entry Summary Declaration, will provide customs

with safety and security data from the carrier on consignment level in advance of thegoods being loaded.

• Pre-arrival, Summary Import Declaration, manifest data will remain “agent to agent“on the Master Way Bill or Bill of Lading; however, consignor and consignee data arerequired on the House Way Bill from the freight forwarder.

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International Statements and Agreements for the Develop-ment of Future Customs Supervision

UN/CEFACT Symposium on Single Window Standards and Interoperability,3-5 May 2006, Geneva

WCO SAFE Framework of Standards, June 2007

EU, Modernised Customs Code, Regulation 2008/450

Summary of the International Statements and Agreements forFuture Customs Supervision• Less transaction based customs controls for import and export• A seamless integrated data and logistics „pipeline“ focussing on the interna-

tional trade supply chain and the movement of goods• A unique consignment reference number, UCR concept• Data retrieval and risk assessment as early in the chain as possible• An interface with regulatory requirements such as the Import and Export Control

Systems (ICS, ECS)• Full visibility and integrity of the supply chain• A single window concept between the entire trade chain and customs and other

supervising organisations• Strategic alignment of the Integrity Project with international customs develop-

ments and UN standards

The Tax and Customs Administration of the Netherlands and Customs of the UnitedKingdom participate in the project as advisors. The advice is mainly focused on model-ling the trade supply chain and related information in such a way, that it can serve cus-toms requirements. With this approach, customs formalities can be part of the supplychain – without creating additional costs.

The project shows, inter alia, that a lot of the customs burdens are not caused by thecustoms requirements, but by an inefficient and inconsistent way of forwarding allgoods-related information along the trade supply chain. Trade doesn´t use standardiseddata models, every trade partner in the chain uses his own codes, his own documents,his own layouts. And trade doesn´t want to inform trade partners about the content ofthe shipment; certain links in the trade chain don´t want to have information, becauseof their fear of becoming liable. But, most of all, it seems that data concerning the

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carriage of goods, i.e. relating to the shipping, the container or the route, are comple-tely separated from data regarding the goods and people concerned.

Current Customs and International Trade Systems

Due to the experience gained in this project, a possible new approach of supply chainvisibility has been developed, the so called pipeline interface. The theory behind thepipeline is that more efficiency towards government formalities starts with streamliningtrade information.

Future Customs and International Trade Systems

When all trade chain partners use the same data structures, the re-use of data will bepossible or simplified within the supply chain. Next, when these data are captured atan early moment in the supply chain, they may be used to comply with export and im-port formalities and to submit data to government authorities, such as customs – pos-sibly through ICS and ECS. An early capturing of data also will improve the liability ofthese data for customs purposes. When customs officials know where data are coming

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from, this will reduce the risk that data are not genuine. Then again, when more supplychain data are available for customs risk purposes than which are legally required, cus-toms can do additional risk analyses on these data, which will reduce the need for phy-sical checks. Most of the necessary data are available at the time of consignment com-pletion, for example when the container doors are closed and sealed. Within the pipe-line interface concept, the accuracy of the shipment can be confirmed between the seller/consignor and the buyer/consignee. This will reduce the risk of consignments notmatching the purchase orders and letters of credit being paid against Bills of Ladingthat don’t reflect the shipment.

The most important requirements for a successful pipeline development are trustamong trade chain partners and the proof that the pipeline will reduce costs in the supply chain.

Customs can only advise on what is possible and helpful; trade has to be convinced ofthe benefits and needs to develop it.

Consignor or Exporter

Consignee or Importer

Carrier

Post Export Assurance by Customs

Post Clearance Assurance

by Customs

Entry in RecordsEntry in Records

Port 1 Port 2CARGO CARGOCARGO

Freight Forwarder or

3PL Freight Forwarder or

3PLManifest

Data relating to the goods and the people

Data relating to the carriage

Seamless Integrated Data Pipeline

Contract of Sale, Invoiceand Payment

GPS position and trader ID

GPS position and trader ID

3rd CountryRegulation

Country A

GPS position and trader ID

GPS position and trader ID

EU Regulation

Country B

GPS position and trader ID

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Selbstveranlagung nach Art. 116 des Modernisierten Zollkodex

Michael Lux 1)

Leiter des Referats „Zollverfahren“, Europäische Kommission, Brüssel

Dieser Beitrag ist eine erweiterte Fassung eines am 25.6.2010 beim Europäischen Zoll-rechtstag gehaltenen Vortrags. Er versucht darzustellen, welche Zollförmlichkeiten undZollkontrollen auf der Grundlage von Art. 116 des Modernisierten Zollkodex (MZK) ver-einfacht bzw. auf vertrauenswürdige Wirtschaftsbeteiligte übertragen werden könnten.Da über die Tragweite dieser Vorschrift noch keine Einigkeit besteht, handelt es sich umeine vorläufige Einschätzung des Verfassers, mit der die Diskussion angeregt werden soll.

Inhaltsübersicht

I. Einführung

II. Wortlaut und systematische Stellung1. Zollförmlichkeiten

2. Zollkontrollen

III. Verhältnis zu sonstigen Vereinfachungen

IV. Verhältnis zu sonstigen zollrechtlichen Vorschriften1. Zollanmeldung, Gestellung und Überlassung

2. Zollschuld und buchmäßige Erfassung

3. Erledigung eines besonderen Zollverfahrens

4. Unterschiede zwischen Anschreibeverfahren und Selbstveranlagung

V. Verhältnis zu anderen als zollrechtlichen Vorschriften1. Verbote und Beschränkungen (VuB)

2. Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern

VI. Mögliche Vereinfachungen und Bedingungen hierfür

VII. Bewilligungen, die in mehr als einem Mitgliedstaat gelten

VIII. Inhalt der Durchführungsbestimmungen

IX. Ausblick

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1) Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

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I. Einführung

Der Vorschlag der Kommission über den Modernisierten Zollkodex (KOM (2005) 608vom 30.11.2005) enthielt keine dem Art. 116 MZK entsprechende Vorschrift; der Vor-schlag sah in seinem Art. 35 (der weitgehend dem Art. 19 ZK entspricht) lediglich vor,dass die Kommission in Durchführungsvorschriften Vereinfachungen für die Anwendungdes Zollkodex vorsehen kann. Diese Vorschrift wurde in Art. 183 Abs. 2 Buchstabe c)MZK übernommen.

Während der Beratungen des Vorschlags im Rat haben dann drei Mitgliedstaaten (Nie-derlande, Schweden, Vereinigtes Königreich) vorgeschlagen, eine spezielle Rechts-grundlage zu schaffen, die die Zollbehörden ermächtigt, die Durchführung bestimmterZollförmlichkeiten und Zollkontrollen vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten zuübertragen. Da insbesondere die Verlagerung von Zollkontrollen auf den betroffenenWirtschaftsbeteiligten (d.h. eine Selbstkontrolle) den traditionellen Vorstellungen überdie Zollabfertigung widerspricht, wurde über diesen Vorschlag kontrovers diskutiert undals Kompromiss der – nicht leicht verständliche – Art. 116 MZK angenommen. Unter-schiedliche Vorstellungen darüber, welchen möglichen Anwendungsbereich diese Vor-schrift hat, bestehen weiterhin.

II. Wortlaut und systematische Stellung

Ausgangspunkt jeder Interpretation sind Wortlaut und systematische Stellung einer Vor-schrift. Art. 116 MZK befindet sich in Abschnitt 5 (sonstige Vereinfachungen) von Kapi-tel 2 (Überführung von Waren in ein Zollverfahren) des Titels V (Allgemeine Vorschriftenüber den zollrechtlichen Status, die Überführung von Waren in ein Zollverfahren sowiedie Überprüfung, Überlassung und Verwertung von Waren). Damit steht fest, dass dieZollförmlichkeiten für die Überführung von Waren in ein Zollverfahren von dieser Vor-schrift erfasst sind. Zollkontrollen werden im Kapitel 2 des Titels V nicht festgelegt; dieÜberprüfung der Zollanmeldung ist in Kapitel 3 des Titels V geregelt und Zollkontrollenwerden allgemein in Art. 25 MZK angesprochen. Hier wird bereits die erste Schwierig-keit deutlich, nämlich dass Art. 116 MZK in Bezug auf die Übertragung von Zollkontrol-len auf den Wirtschaftsbeteiligten leerlaufen würde, wenn man sich allein auf die sys-tematische Stellung stützen würde. Das Gleiche gilt in Bezug auf die Zollförmlichkeiten,die in Kapitel 3 des Titels V geregelt sind, wie z.B. die Nämlichkeitssicherung und Über-lassung der Waren (Art. 121, 123 MZK). Ferner gilt Art. 116 MZK aufgrund seiner syste-matischen Stellung nicht für Vereinfachungen, die anderweit im Kapitel 2 bereits gere-gelt sind, wie z.B. das Anschreibeverfahren, die vereinfachte Zollanmeldung oder diezentrale Zollabwicklung (Art. 106, 107, 109 MZK). Darüber hinausgehende Vereinfa-chungen können dagegen in den Anwendungsbereich von Art. 116 MZK fallen.

Der mögliche Inhalt einer Bewilligung gemäß Art. 116 MZK wird in dessen Abs. 2 Buch-stabe d) festgelegt: der Wirtschaftsbeteiligte darf – soweit dies bewilligt wurde – be-stimmte Zollförmlichkeiten erledigen, die grundsätzlich von den Zollbehörden zu erledi-

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gen wären, einschließlich der Ermittlung (der in der deutschen Fassung verwendeteAusdruck „Eigenschätzung“ ist unglücklich, da der Betrag genau ermittelt werden soll;die englische Bezeichnung „self-assessment“ beschreibt dies besser) der Einfuhr- undAusfuhrabgaben, und darf bestimmte Kontrollen – wenn auch unter zollamtlicher Über-wachung – selbst durchführen.

1. Zollförmlichkeiten

Der Begriff „Zollförmlichkeiten“ wird in Art. 4 Nr. 8 MZK definiert als „alle Vorgänge,die von den betreffenden Personen und von den Zollbehörden durchgeführt werdenmüssen, um den Zollvorschriften Genüge zu tun“. Es wird also unterschieden zwischenFörmlichkeiten, die durchgeführt werden von• einer Person im Sinne von Art. 4 Nr. 4 MZK oder• den Zollbehörden im Sinne von Art. 4 Nr. 1 MZK.

Zur ersten Gruppe gehören u.a.• die Abgabe einer Zollanmeldung (Art. 104, 108-111 MZK),• die Gestellung der Waren im Zusammenhang mit der Zollanmeldung (Art. 112 MZK),• die Gestellung der Waren bei der Zollstelle am Ort des Ausgangs aus dem Zollgebiet

der Gemeinschaft (Art. 177 Abs. 2 MZK) und• die Zahlung des geschuldeten Zollbetrags (Art. 72 MZK).

Ferner sieht der MZK Zollförmlichkeiten vor, die von einer Person durchgeführt werdenkönnen, aber nicht müssen, wie z.B.• die Stellung eines Antrags auf Erlass oder Erstattung des Zolls (Art. 79 MZK) oder• der Antrag des Zollanmelders auf Berichtigung oder Ungültigerklärung einer Zollan-

meldung (Art. 113, 114 MZK).

Da in den antragsabhängigen Fällen eine Entscheidung der Zollbehörde erforderlich ist,gehören diese Fälle sowohl zur ersten als auch zur zweiten Gruppe. Ferner muss geklärtwerden, ob es sich insoweit um Zollförmlichkeiten handelt, die in den Geltungsbereichdes Art. 116 MZK fallen könnten.

Zu der zweiten Gruppe der grundsätzlich von den Zollbehörden durchzuführenden Zoll-förmlichkeiten gehören u.a.• die Annahme einer Zollanmeldung (Art. 112 MZK),• die Berichtung oder Ungültigerklärung einer Zollanmeldung auf Antrag des Anmel-

ders (Art. 113, 114 MZK),• die Überlassung der Waren zu dem beantragten Zollverfahren (Art. 123, 124 MZK)

und• die Festsetzung und Mitteilung des Zollschuldbetrags (Art. 66, 67 MZK).

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2. Zollkontrollen

Der Begriff „Zollkontrollen“ wird in Art. 4 Nr. 3 MZK definiert als „spezifische Handlun-gen, die die Zollbehörden zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung derzollrechtlichen und sonstigen Vorschriften über Eingang, Ausgang, Versand, Beförde-rung, Lagerung und Endverwendung von Waren, die zwischen dem Zollgebiet der Ge-meinschaft und anderen Gebieten befördert werden, sowie über das Vorhandensein vonNichtgemeinschaftswaren und Waren in der Endverwendung und deren Beförderung in-nerhalb des Zollgebiets vornehmen“. Die Art und Weise, in der Zollkontrollen durchge-führt werden, ist in Art. 25 MZK festgelegt. Diese Vorschrift erwähnt u.a. die Prüfung• von Waren,• der Zollanmeldung,• der Buchführung und sonstiger Aufzeichnungen,• des Beförderungsmittels sowie• von Waren, die von oder an Personen mitgeführt werden.

In Bezug auf Zollkontrollen im Zusammenhang mit Zollanmeldungen überschneidetsich diese Vorschrift teilweise mit den Art. 117-120 MZK, die gleichfalls eine Überprü-fung der Zollanmeldung, der Unterlagen und der Waren (einschließlich Muster und Pro-ben) vorsehen. Ferner können die Zollbehörden Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherungtreffen (Art. 121 MZK).

III. Verhältnis zu sonstigen Vereinfachungen

Der MZK sieht bereits in anderen Vorschriften als Art. 116 MZK für einige der grundsätz-lich den Zollbehörden vorbehaltenen Zollförmlichkeiten und -kontrollen vor, dass derWirtschaftsbeteiligte diese selbst durchführen darf oder dass die grundsätzlich vorgese-hene Handlung der Zollbehörden entfällt, z.B.• die Angabe des geschuldeten Zollbetrags durch den Zollanmelder, die eine Mittei-

lung des Zollschuldbetrags durch die Zollbehörde entbehrlich macht (Art. 67 Abs. 2MZK),

• der Verzicht auf eine Annahme der Zollanmeldung und ggf. auch einer Gestellung derWaren (Art. 112 Abs. 1 Unterabsatz 2 MZK) im Falle einer Zollanmeldung durch An-schreibung in der Buchführung des Anmelders (Art. 107 Abs. 1 MZK),

• die Nämlichkeitssicherung durch den Wirtschaftsbeteiligten anstelle der Zollstelle(Art. 121 MZK).

Im Übrigen gilt Art. 116 MZK gemäß seinem Abs. 1 nur für andere Vereinfachungen alsdiejenigen, die im Abschnitt 3 des Kapitels 2 geregelt sind. Der Abschnitt 3 erfasst ver-einfachte und ergänzende Zollanmeldungen.

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Aufgrund der systematischen Stellung des Art. 116 MZK im Kapitel 2 (Überführung vonWaren in ein Zollverfahren) sind von dessen Anwendungsbereich Vereinfachungen vonZollförmlichkeiten und -kontrollen in Bezug auf Folgendes ausgeschlossen:• Zolltarif und zolltarifliche Einreihung, Ursprung und Zollwert der Waren (Titel II MZK),• Zollschuld und Sicherheitsleistung (Titel III MZK), wobei allerdings eine Ausnahme in

Bezug auf die Bemessung und Mitteilung der Zollschuld gelten muss,• Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft (Titel IV MZK),• zollrechtlicher Status von Waren (Kapitel 1 des Titels V MZK),• Abgang von Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Titel VIII MZK), soweit dies

außerhalb eines Zollverfahrens bzw. der zollverfahrensrechtlichen Regeln geschieht.

Bei strikter wörtlicher und systematischer Auslegung wäre auch die Überprüfung undÜberlassung der Waren zu einem Zollverfahren vom Anwendungsbereich des Art. 116MZK ausgeschlossen, da die Überprüfung und Überlassung im Kapitel 3 des Titels VMZK geregelt ist. Aber nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift kann man davon ausge-hen, dass sie alle Aspekte der Überführung von Waren in ein Zollverfahren abdeckensoll, also bis zur Überlassung der Waren zu dem betreffenden Verfahren (z.B. Überlas-sung zum freien Verkehr) und ggf. auch bis zur Erledigung des Verfahrens (z.B. Erledi-gung des Zolllagerverfahrens durch Überlassung zum freien Verkehr, vgl. Art. 138 MZK).

Da Titel V MZK als allgemeine Regelung – vorbehaltlich besonderer Vorschriften – füralle Zollverfahren gilt, ist er grundsätzlich in Bezug auf alle Zollverfahren anwendbar,die in Titel VI (Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr), VII (besondere Verfahren)und VIII (Abgang von Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft) geregelt sind.

Allerdings ergeben sich Einschränkungen daraus, dass• in bestimmten Fällen manche Förmlichkeiten gar nicht erforderlich sind, die somit

auch nicht vereinfacht werden können (wie z.B. das fehlende Erfordernis einer Zoll-anmeldung im Falle einer Freizone, Art. 104 Abs. 1 MZK),

• die für Zwecke der Sicherheit und Gefahrenabwehr erforderlichen Zollförmlichkeitenund Zollkontrollen für Waren, die in das und aus dem Zollgebiet der Gemeinschaftverbracht werden, nicht entfallen dürfen (Art. 116 Abs. 2 erster Anstrich MZK).

IV. Verhältnis zu sonstigen zollrechtlichen Vorschriften

1. Zollanmeldung, Gestellung und Überlassung

Die in Art. 116 MZK vorgesehene Vereinfachung der Zollförmlichkeiten könnte zwarauch in dem Sinne ausgelegt werden, dass – in Abweichung von Art. 104 Abs. 1 MZK –keine Zollanmeldung erforderlich ist. Dies hätte jedoch weitreichende Auswirkungenauf die Entstehung der Zollschuld (vgl. Art. 46 Abs. 2 MZK: „Die Zollschuld entsteht zumZeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung“) sowie auf bestimmte Verbote und Be-

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schränkungen, die an eine Zollanmeldung anknüpfen (z.B. Art. 1 der VO (EG) Nr.1383/2003: „In dieser Verordnung sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen dieZollbehörden tätig werden können, wenn Waren … zur Überführung in den zollrecht-lich freien Verkehr … angemeldet werden.“).

Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte der in Art. 104 Abs. 1 MZK festgelegteGrundsatz beibehalten werden, dass – abgesehen von der Überführung in das Freizo-nenverfahren – für die Überführung von Waren in ein Zollverfahren stets eine Zollan-meldung erforderlich ist. Im Rahmen von Art. 116 MZK könnte jedoch eine Zollanmel-dung vorgesehen werden, die weniger Datenelemente erfordert als die vereinfachteZollanmeldung gemäß Art. 109 MZK und auf die ergänzende Zollanmeldung gemäß Art.110 MZK könnte verzichtet werden. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die Zollbehör-den nicht über die für die Außenhandelsstatistik benötigten Daten verfügen würden(die in der Zollanmeldung enthalten sind), mit der Folge, dass der Bewilligungsinhaberdiese Daten zusätzlich melden müsste (vgl. Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 471/2009). Fernerkönnte zugunsten des Bewilligungsinhabers ein Kontingentszollsatz nur dann ange-wendet werden, wenn eine gesonderte Meldung abgegeben wird, die eine Zuteilung imRahmen des Windhundverfahrens ermöglicht (vgl. Art. 308a-308c ZK-DVO).

Die Zollanmeldung würde gemäß Art. 107 Abs. 1 MZK durch Anschreibung in der Buch-führung des Bewilligungsinhabers vorgenommen werden. Da die Überwachungszoll-stelle diese Anmeldung nicht erhält (sie kann sich nur den Zugang zu dieser Anmeldungim elektronischen System des Bewilligungsinhabers verschaffen), findet keine systema-tische Validierung der Anmeldung durch das elektronische System der Zollbehörde statt.

Im Falle einer Gestellungsbefreiung können die Waren, auf die sich die Zollanmeldungbezieht, nur ausnahmsweise von der Zollbehörde überprüft werden.

Art. 112 Abs. 1 Unterabsatz 2 MZK sieht die fiktive Annahme der Zollanmeldung im Fal-le der Anschreibung und die Möglichkeit einer Gestellungsbefreiung vor, allerdings „un-beschadet von Sicherheitskontrollen und Kontrollen zur Gefahrenabwehr“. Dies eröff-net zugleich die Möglichkeit einer fiktiven Überlassung der Waren zu dem betreffendenZollverfahren durch Anschreibung (vgl. Art. 266 Abs. 2 und Art. 285a Abs. 1a Unterab-satz 2 ZK-DVO), wobei allerdings zu klären wäre, wie in solchen Fällen etwaige Verbo-te und Beschränkungen kontrolliert werden sollen.

2. Zollschuld und buchmäßige Erfassung

Die Höhe der Zollschuld müsste – wie in Art. 116 Abs. 2 Buchstabe d) MZK vorgesehen– vom Bewilligungsinhaber ermittelt werden. Somit entfallen folgende Handlungen derZollbehörden:• die Festsetzung des Abgabenbetrags (Art. 66 ZK) und • die Mitteilung des Zollschuldbetrags (Art. 67 MZK).

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Allerdings müssen die Zollbehörden gemäß Art. 69 und 70 MZK die zu entrichtendenZollbeträge buchmäßig erfassen und nach Abzug von 25% innerhalb der in der VO (EG)Nr. 1150/2000 festgesetzten Fristen an die EU abführen. Der Bewilligungsinhaber mussdeshalb • nicht nur den geschuldeten Zoll fristgemäß an die zuständige Zollbehörde zahlen,• sondern auch die von der zuständigen Zollbehörde für die buchmäßige Erfassung be-

nötigten Angaben an diese Behörde übermitteln.

Um zu vermeiden, dass dies für jede einzelne Transaktion getan werden muss, sollte dasAnschreibeverfahren bewilligt und mit einem Zahlungsaufschub kombiniert werden(Art. 74, 75 MZK), sodass der Zoll für alle Einfuhren eines Monats im folgenden Monatgezahlt würde und zeitgleich die für die buchmäßige Erfassung erforderlichen Angabenübermittelt würden.

3. Erledigung eines Zollverfahrens

Alle Zollverfahren, die nicht mit der Überlassung der Waren enden, müssen erledigtwerden. Dies geschieht – abgesehen von Sonderregeln für bestimmte Verfahren – auffolgende Art und Weise (Art. 138 Abs. 1 MZK): Die in das Verfahren übergeführten Wa-ren oder die daraus hervorgegangenen Erzeugnisse werden • in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt,• aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht,• zerstört, ohne dass Abfall übrig bleibt, oder• zugunsten der Staatskasse aufgegeben.

Die zollamtliche Überwachung von in die Endverwendung übergeführten Waren endet,wenn die Waren (Art. 166 Abs. 2 MZK)• wie vorgesehen verwendet werden,• ausgeführt, zerstört oder zugunsten der Staatskasse aufgegeben werden oder• anders als vorgesehen verwendet werden und der geschuldete Zoll gezahlt worden

ist.

Das Versandverfahren wird dadurch erledigt, dass die Bestimmungszollstelle feststellt,dass die angemeldeten Waren ordnungsgemäß gestellt worden sind (Art. 138 Abs. 2und Art. 146 Abs. 2 MZK).

Das Ausfuhrverfahren endet, wenn die zur Ausfuhr angemeldeten Waren ordnungsge-mäß bei der Ausgangszollstelle gestellt worden sind, und das Zollgebiet der Gemein-schaft verlassen haben (Art. 177 Abs. 2 MZK). Die Erledigung tritt normalerweise da-durch ein, dass die Ausgangszollstelle die Ausfuhrzollstelle über den Ausgang der Wa-ren unterrichtet (vgl. Art. 796d Abs. 2 ZK-DVO).

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Im Rahmen von Art. 116 MZK kommt eine Erledigung eines Zollverfahrens durch ein an-schließendes Verfahren (die ja anhand der Buchhaltung des Bewilligungsinhabers über-prüfbar sein muss) nur dann in Betracht, wenn der Bewilligungsinhaber• auch das nachfolgende Verfahren (z.B. Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr

im Anschluss an das Zolllagerverfahren) im Rahmen einer solchen Bewilligung nut-zen darf und

• der Inhaber des ersten und des zweiten Verfahrens dieselbe Person ist (also keineÜbertragung zwischen zwei Bewilligungsinhabern stattfindet).

Soweit die Erledigung eines Zollverfahrens eine Mitwirkung der Zollbehörden erfordert,kann das Verfahren nicht allein durch eine Anschreibung im Sinne von Art. 116 MZK er-ledigt werden. Dies betrifft• das Verbringen aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 177 MZK),• die Zerstörung außerhalb der aktiven Veredelung (Art. 125 MZK),• die Aufgabe zugunsten der Staatskasse (Art. 127 MZK) und• die Übertragung der Waren an einen anderen Bewilligungsinhaber (Art. 139 MZK),• das automatisierte Versand- und Ausfuhrverfahren (NCTS und ECS).

4. Unterschiede zwischen Anschreibeverfahren und Selbstveran-lagung

Im Ergebnis würden sich für eine Selbstveranlagung folgende Unterschiede gegenübereinem Anschreibeverfahren gemäß Art. 107 Abs. 1 MZK ergeben:• der für die Anschreibung erforderliche Datensatz ist geringer, müsste aber zumindest

die für die Ermittlung der Zollschuld sowie die für die Anwendung der jeweils ein-schlägigen Einfuhr- bzw. Ausfuhrvorschriften erforderlichen Angaben enthalten, da-mit im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt werden kann, ob die Vorschrifteneingehalten worden sind (sog. Compliance),

• die angeschriebenen Daten werden nicht an die Überwachungszollstelle übermittelt,• anstelle der Übermittlung der Daten einer Zollanmeldung werden innerhalb der Frist

für den Zahlungsaufschub die für die buchmäßige Erfassung erforderlichen Daten andie Überwachungszollstelle übermittelt,

• wegen der fehlenden Übermittlung transaktionsbezogener Daten an die Überwa-chungszollstelle kann ein vorhergehendes Zollverfahren aufgrund einer Bewilligunggemäß Art. 116 MZK nur dann erledigt werden, wenn der Inhaber des ersten undzweiten Verfahrens dieselbe Person ist (und zwar der Bewilligungsinhaber), währenddas Anschreibeverfahren zur Beendigung eines vorhergehenden Verfahrens auch vonzwei verschiedenen Personen genutzt werden kann (vgl. Art. 513 ZK-DVO), es seidenn, man sieht eine besondere Mitteilungspflicht vor,

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• während beim Anschreibeverfahren eine periodische Anmeldung mit dem vollstän-digen Datensatz für Zollanmeldungen abgegeben werden muss, fehlt eine solcheVerpflichtung bei der Selbstveranlagung, sodass der Bewilligungsinhaber – soweiteine statistische Meldepflicht besteht – die außenhandelsstatistischen Daten peri-odisch gesondert melden muss (es sei denn, man entscheidet sich für eine Einbezie-hung der statistischen Daten in die an die Überwachungszollstelle zu übermittelndenDaten, sodass die Überwachungszollstelle diese Daten an das statistische Amt wei-terleiten kann). Auch die für die Bemessung der Einfuhrumsatzsteuer erforderlichenDaten stehen den Zoll- bzw. Finanzbehörden nicht zur Verfügung (es sei denn, manentscheidet sich für eine Einbeziehung der für die Bemessung der Einfuhrumsatz-steuer und einer etwaigen Verbrauchsteuer benötigten Daten in die an die Überwa-chungszollstelle zu übermittelnden Daten, die diese Daten dann – falls sie nichtselbst zuständig ist – an die zuständige Finanzbehörde weiterleiten würde). DasGleiche gilt in Bezug auf etwaige Verbote und Beschränkungen, für die aber einenachträgliche Benachrichtigung – ebenso wie beim Anschreibeverfahren – nur vongeringem praktischen Nutzen wäre.

Der letzte Punkt beschreibt die Schwachstelle der Selbstveranlagung: Wenn die für dieanderen als zollrechtlichen Vorschriften zuständigen Behörden nicht zumindest teilwei-se auf die bisher üblichen Dokumente, Benachrichtigungen und Anmeldungen verzich-ten, wird der Vorteil, dass zollrechtliche Förmlichkeiten (die die Anforderungen dieserBehörden bereits berücksichtigen) entfallen, nur gering sein, weil alternative Meldewe-ge oder Förmlichkeiten geschaffen werden müssen. Auch die Einführung eines SingleWindow kann dieses Problem nur teilweise lösen, da es ja Ziel der Selbstveranlagungist, die Meldepflichten gegenüber den Behörden generell zu reduzieren.

V. Verhältnis zu anderen als zollrechtlichen Vorschriften

Nach Art. 1 MZK enthält der Zollkodex die „allgemeinen Vorschriften und Verfahren, …die auf die in das und aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren Anwen-dung finden“. Allerdings können „internationale Übereinkünfte“ und „gemeinschaftli-che Rechtsvorschriften in anderen Bereichen“ hiervon abweichende Regeln vorsehen.

In Art. 2 MZK werden die Zollbehörden u.a. damit beauftragt,• die finanziellen Interessen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu schützen,• die Gemeinschaft vor unlauterem und illegalem Handel zu schützen,• den Schutz und die Sicherheit der Gemeinschaft und ihrer Bewohner sowie den

Schutz der Umwelt – ggf. in enger Zusammenarbeit mit anderen Behörden – zu ge-währleisten.

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Es stellen sich somit folgende Fragen:1. Inwieweit kann der in Art. 2 MZK an die Zollbehörden gerichtete Auftrag, der in den

Art. 91 und 177 MZK für in das und aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbrach-te Waren genauer spezifiziert wird, in den Durchführungsbestimmungen dadurch ab-gewandelt werden, dass vertrauenswürdige Wirtschaftsbeteiligte ermächtigt werdendürfen, diese Aufgaben teilweise selbst zu übernehmen?

2. Können Vorschriften außerhalb des Zollrechts, die ein Tätigwerden der Zollbehördenvorsehen, im Rahmen des MZK und seiner Durchführungsbestimmungen dadurchabgewandelt werden, dass diese eine Übertragung bestimmter Aufgaben auf er-mächtigte Wirtschaftsbeteiligte zulassen?

Soweit Zollförmlichkeiten und Zollkontrollen in Bezug auf im Rahmen des Zollrechts ge-regelter Zollverfahren betroffen sind, enthält Art. 116 MZK eine eindeutige Ermächti-gung zum Erlass von Durchführungsbestimmungen über eine solche Aufgabenübertra-gung an vertrauenswürdige Wirtschaftsbeteiligte. Diese Fragen müssen deshalb vor al-lem in Bezug auf außerhalb des MZK geregelte Zollförmlichkeiten und Zollkontrollen(z.B. Agrar-, Umweltschutz-, Gesundheitsschutz-, Steuerrecht) beantwortet werden.

1. Verbote und Beschränkungen (VuB)

In Bezug auf den Begriff „Zollkontrollen“ ergibt sich schon aus der Definition in Art. 4Nr. 3 MZK, dass solche Kontrollen auch die Anwendung anderer als zollrechtlicher Vor-schriften betreffen. Der Begriff „Zollförmlichkeiten“ scheint zwar nach der Definition inArt. 4 Nr. 8 MZK nur die Zollvorschriften zu erfassen; da aber einige Zollvorschriftenauch auf andere Rechtsbereiche – wie z.B. Verbote und Beschränkungen (vgl. Art. 123,129, 177 MZK) – verweisen, muss die Anwendbarkeit des Art. 116 MZK auf außerhalbdes MZK geregelte Rechtsbereiche sowohl im Hinblick auf Zollkontrollen als auch in Be-zug auf Zollförmlichkeiten geprüft werden.

Verbote und Beschränkungen, die sich auf den Eingang von Waren in das Zollgebiet derGemeinschaft beziehen, können auf der Grundlage der summarischen Eingangsanmel-dung gemäß Art. 87 MZK geprüft werden. Liegt der Zollstelle eine solche Anmeldungnicht vor (z.B. weil keine solche Anmeldung erforderlich ist oder weil die Daten der An-meldung der Zollstelle – z.B. bei in einem nachfolgenden Hafen ausgeladenen Waren –nicht zugänglich sind), so müssten die Verbote und Beschränkungen auf der Grundlageder Gestellungsmitteilung bzw. der Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung ge-prüft werden.

Dieser Teil des Einfuhrvorgangs ist außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 116MZK, und zwar auch dann, wenn die Daten der summarischen Eingangsanmeldung Teilder Zollanmeldung sind (Art. 90 MZK).

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In Bezug auf diejenigen Zollverfahren, für die eine Bewilligung gemäß Art. 116 MZK er-teilt werden kann, müssen folgende Fragen beantwortet werden:• Inwieweit darf die Bewilligung auch Waren erfassen, die Verboten und Beschränkun-

gen unterliegen, die normalerweise von den Zoll- oder sonstigen Behörden kontrol-liert werden, wie z.B. Einfuhrlizenzen oder Veterinärdokumente?

• Wie sollen Fälle behandelt werden, in denen die zuständigen Behörden bestimmteAngaben für Verwaltungszwecke benötigen, z.B. in Bezug auf die Ausnutzung vonEinfuhrkontingenten?

• Dürfen Verboten oder Beschränkungen unterliegende Waren zu einem Zollverfahrenüberlassen werden, ohne dass die Behörden hierüber unterrichtet werden?

• Darf zugelassen werden, dass der Bewilligungsinhaber selbst Proben oder Musterentnimmt und ggf. selbst prüft?

• Kann die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften über die Produktsicher-heit, die bei unsicheren Produkten eine Aussetzung der Überlassung zum freien Ver-kehr vorsehen, auf den Bewilligungsinhaber übertragen werden?

• Sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, die Bewilligung in Bezug auf bestimmteWaren kurzfristig auszusetzen, wenn eine Gefährdung durch bestimmte Erzeugnissefestgestellt wird, wie z.B. bestimmtes Spielzeug?

• Wie sollen Waren angemeldet werden, wenn die Bewilligung gemäß Art. 116 MZKfür bestimmte Waren nicht gültig ist bzw. nicht genutzt werden kann, z.B. mit einerStandard- oder vereinfachten Zollanmeldung?

Da die Risiken für einzelne Rechtsbereiche und Waren unterschiedlich ausfallen, dürfteein differenzierender Ansatz erforderlich sein. Ferner sollte der in Art. 116 MZK veran-kerte Grundsatz einer Übertragung bestimmter Aufgaben auf vertrauenswürdige Wirt-schaftsbeteiligte auch in der betreffenden Gesetzgebung verankert werden. Außerdemsollten die zuständigen Behörden konsultiert werden, bevor eine solche Bewilligung er-teilt wird. In bestimmten Fällen kann auf eine Information der zuständigen Behördenvor der Vermarktung der Waren nicht verzichtet werden. Die Lösung dieser Fragen wirdhäufig dadurch erschwert, dass sich aus der betreffenden Gesetzgebung nicht eindeu-tig ergibt, ob die betreffenden Kontrollen beim Eingang in das EU-Zollgebiet oder aberbei der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angewendet werden sollen. In Be-zug auf manche Zollverfahren (z.B. aktive Veredelung, Freizone) bestehen Sonderregeln.

Die zusätzlichen Probleme, die eintreten, wenn der Bewilligungsinhaber in einem ande-ren Mitgliedstaat ansässig ist als demjenigen, in dem die Waren in die EU gelangen,werden weiter unten behandelt.

Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass viele dieser Probleme auch beimallgemeinen Anschreibeverfahren bestehen, da die Zollbehörden anhand der Anschrei-bungs- und/oder Gestellungsmitteilung nicht immer erkennen können, ob es sich umVuB-Waren handelt. Ist der Bewilligungsinhaber von solchen Mitteilungspflichten frei-

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gestellt (vgl. Art. 112 Abs. 1 Unterabsatz 2 MZK), so können die Zollbehörden im Zeit-punkt der – fiktiven – Überlassung der Waren nicht einschreiten. Dies gilt auch dann,wenn VuB-Waren von der Bewilligung ausgeschlossen sind, da der Bewilligungsinhaberselbst die Feststellung trifft, ob die betreffende Ware Beschränkungen unterliegt unddamit gesondert angemeldet werden muss.

2. Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern

Die bei der Einfuhr geschuldete Mehrwertsteuer wird grundsätzlich zu dem Zeitpunktfällig, zu dem die Waren in das Steuergebiet der EU verbracht werden (Art. 70 Richtli-nie 2006/112/EG). Nach Art. 211 Abs. 1 Richtlinie 2006/112/EG legen die Mitgliedstaa-ten die Einzelheiten der Entrichtung der bei der Einfuhr geschuldeten Mehrwertsteuerfest. In Deutschland gelten gemäß § 21 Abs. 2 UStG die Vorschriften für Zölle sinnge-mäß, d.h. die Einfuhrumsatzsteuer ist gemäß Art. 44 MZK mit der Annahme der Zollan-meldung zur Überlassung zum zollrechtlichen freien Verkehr geschuldet. Da die Zollstel-le im Falle der Vereinfachung gemäß Art. 116 MZK aber keine Zollanmeldung, sondernnur die Zollbeträge sowie die für die Verbuchung erforderlichen Angaben erhält, könn-te man in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer das Gleiche vorsehen, d.h. die Zollstelleempfängt die Steuerbeträge und die für die Verbuchung erforderlichen Angaben. Dieswürde – da zollrechtlich ein Zahlungsaufschub gewährt wird – in periodischer Form ge-schehen. Dies setzt allerdings die Bereitschaft der für die Einfuhrumsatzsteuer zustän-digen Behörden voraus, sich in Zukunft mit der Meldung von weniger Daten zufriedenzu geben als zurzeit. Besteht diese Bereitschaft nicht, müssten alle für die Bemessungder Einfuhrumsatzsteuer erforderlichen Daten entweder in die monatliche Meldung derZollbeträge aufgenommen werden oder es müsste eine gesonderte periodische Einfuhr-umsatzsteueranmeldung eingeführt werden.

Eine Alternative – die z.B. in Österreich bereits zulässig ist – wäre die Zahlung der Ein-fuhrumsatzsteuer zusammen mit den anderen Arten der Mehrwertsteuer gemäß Art.211 Abs. 2 Richtlinie 2006/112/EG. Insoweit wird die Zollanmeldung nicht als Träger derSteueranmeldung benutzt. Dieses Konzept ist deshalb mit der Selbstveranlagung amleichtesten zu vereinbaren.

Nach Art. 7 Abs. 2 Buchstabe d) Richtlinie 2008/118/EG entsteht ein Verbrauchsteuer-anspruch bei der Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren. Auch insoweit kommt es aufdie Anmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an, es sei denn, die Wa-ren werden unmittelbar in ein Steueraussetzungsverfahren übergeführt. Ein zollrechtli-cher Zahlungsaufschub würde sich auch auf die Zahlung der Verbrauchsteuer auswir-ken.

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VI. Mögliche Vereinfachungen und Bedingungen hierfür

Nach einer vorläufigen Analyse kommen für eine Bewilligung auf der Grundlage vonArt. 116 MZK folgende Vereinfachungen von Zollförmlichkeiten und Zollkontrollen bzw.deren Ersetzung durch Handlungen des Bewilligungsinhabers in Betracht:• Anstelle der Abgabe einer Zollanmeldung gemäß den Art. 107-110 MZK braucht der

Bewilligungsinhaber in seiner Buchhaltung nur die Daten anzuschreiben, die für dieErmittlung der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben sowie für die Anwendung sonstigerEinfuhr- oder Ausfuhrvorschriften erforderlich sind. Da diese Daten der Zollbehördenicht übermittelt zu werden brauchen und die Zollbehörde deshalb nicht die Korrekt-heit der Daten (z.B. Zollsatz, Genehmigungspflicht) überprüfen kann, muss der Be-willigungsinhaber die für die Einfuhr- bzw. Ausfuhrabwicklung erforderlichen Abga-bensätze und sonstigen Maßnahmen stets aktuell in seinem System bereit halten.Die Anschreibung gilt als Zollanmeldung im Sinne von Art. 104 Abs. 1 MZK.

• Um eine transaktionsbezogene Verarbeitung zu vermeiden, wird Zahlungsaufschubgemäß den Art. 74 und 75 MZK gewährt. Der Zoll, die Einfuhrumsatzsteuer und eineetwaige Verbrauchsteuer werden periodisch am 16. Tag des folgenden Monats ent-richtet unter Angabe der für die buchmäßige Erfassung durch die Zollbehörden er-forderlichen Einzelheiten (vgl. Art. 69 und 70 MZK).

• Innerhalb des durch die Bewilligung gesetzten Rahmens braucht die Ankunft der Wa-ren beim Bewilligungsinhaber nicht gemeldet zu werden (sog. Gestellungsbefreiunggemäß Art. 112 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 2 MZK). Stattdessen gelten die Waren mitder Anschreibung als gestellt.

• Die Anschreibung gilt ferner als Annahme der Zollanmeldung gemäß Art. 112 Abs. 1Unterabsatz 2 Satz 1 MZK und als Überlassung zu dem betreffenden Zollverfahren(vgl. Art. 266 Abs. 2 Buchstabe b) ZK-DVO).

• Anstelle eines Antrags auf Berichtigung oder Ungültigerklärung einer Zollanmeldunggemäß den Art. 113 und 114 MZK nimmt der Bewilligungsinhaber notwenige Kor-rekturen in seiner Buchhaltung vor. Führt dies zu höheren Einfuhr- oder Ausfuhrab-gaben, so zahlt er sie ohne Aufforderung durch die Zollbehörde; zuviel gezahlte Ab-gaben werden beim folgenden Zahlungstermin abgezogen.

• Die Prüfung der Waren sowie eine Entnahme von Mustern oder Proben (Art. 118-120MZK) werden vom Bewilligungsinhaber vorgenommen.

• Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung der Waren (Art. 121 MZK) werden vom Be-willigungsinhaber vorgenommen.

Diese Erleichterungen sind von folgenden Bedingungen abhängig, die entweder allge-mein oder nur für Bewilligungen gemäß Art. 116 MZK gelten:• die Leistung einer Gesamtsicherheit, soweit Zölle und sonstige Abgaben auf dem

Spiel stehen (Art. 56 Abs. 5 und Art. 62 MZK); dies ist eine allgemeine Voraussetzungfür Fälle, in denen Waren überlassen werden, bevor der Zoll gezahlt worden ist (Art.124 MZK);

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• die fristgemäße Zahlung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben; auch dies ist eine allge-meine Pflicht (Art. 72-75 MZK);

• die unverzügliche bzw. periodische Abgabe von Meldungen, die von den Zoll- undsonstigen Behörden benötigt werden (z.B. Zollkontingent, Außenhandelsstatistik,Meldung der Ankunft bestimmter Waren, die amtlich kontrolliert werden müssen),weil die entsprechenden Angaben nicht aus einer den Zollbehörden vorliegendenZollanmeldung abgeleitet werden können; dies ist eine zusätzliche Anforderung;

• die periodische Mitteilung von Informationen, die von den Zollbehörden für diebuchmäßige Erfassung benötigt werden, da sie nicht aus einer Zollanmeldung abge-leitet werden können; dies ist eine zusätzliche Anforderung;

• die Gewährleistung der Einhaltung der Zoll- und sonstigen Einfuhr- bzw. Ausfuhrvor-schriften (einschließlich der Abgabenberechnung), soweit die Kontrolle normalerwei-se von den Zollbehörden ausgeübt wird (Art. 116 Abs. 2 Buchstabe d) MZK); Compli-ance ist zwar eine allgemeine Anforderung, aber da die Eingriffsmöglichkeiten derZollbehörden vor der Vermarktung der Waren weitgehend entfallen, erhält diese Ver-pflichtung eine erhöhte Bedeutung.

Die Übertragung bestimmter Zollförmlichkeiten und -kontrollen stellt die Zollbehördennicht von ihrer allgemeinen Verpflichtung frei, die Einhaltung der Zollvorschriften undsonstigen Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften regelmäßig auf der Grundlage einer Risiko-analyse zu überwachen (Art. 25 und 27 MZK), insbesondere im Wege der Betriebsprü-fung (ohne dass dies zur Folge haben darf, dass Inhaber einer Bewilligung zur Selbst-veranlagung häufiger geprüft werden als andere Personen).

VII. Bewilligungen, die in mehr als einem Mitgliedstaat gelten

Art. 116 Abs. 2 dritter Anstrich MZK lässt zu, dass eine Bewilligung zur Selbstveranla-gung in mehr als einem Mitgliedstaat gilt. Hierfür sollte nicht nur die Erfüllung der AEO-Kriterien, sondern auch die Zustimmung der übrigen betroffenen Mitgliedstaaten vor-liegen. Da es bis 2013 nicht möglich ist, ein besonderes IT-System für den Austausch derfür die Selbstveranlagung vorgeschriebenen Daten zwischen den Mitgliedstaaten zuentwickeln, sollten – zumindest für die Anfangsphase – die Regeln für die zentralisier-te Zollabwicklung (Art. 106 MZK) angewendet werden, d.h. die für vereinfachte Zollan-meldungen erforderlichen Daten, die Kontrollanforderungen und die Kontrollergebnissesollten zwischen der Überwachungs- und der Gestellungszollstelle ausgetauscht wer-den, um eine Überlassung der Waren bei der Gestellungszollstelle zu ermöglichen. In-soweit bestünde – zumindest für die Anfangsphase – kein Unterschied gegenüber derzentralisierten Zollabwicklung, abgesehen von der periodischen – vollständigen – Zoll-anmeldung, auf deren Abgabe verzichtet werden könnte.

Auch in Bezug auf die Erhebung der bei der Einfuhr geschuldeten Mehrwertsteuermüsste eine Lösung gefunden werden, die mit derjenigen für die zentralisierte Einfuhr-

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abwicklung vereinbar ist (siehe hierzu Lux, AW-Prax 2010, S. 229). Eine Lösung könntez.B. darin bestehen, dass der Mitgliedstaat, in dem die Einfuhrumsatzsteuer geschuldetist, periodisch die für die Steuerbemessung erforderlichen Angaben erhält, und zwarentweder direkt vom Steuerpflichtigen oder von der Überwachungszollstelle im Mit-gliedstaat des Bewilligungsinhabers, die dann aber zunächst die erforderlichen Anga-ben vom Bewilligungsinhaber erhalten müsste. Nach Art. 260 der Richtlinie2006/112/EG sind die Mitgliedstaaten für die Festlegung der Erklärungspflichten zu-ständig, sodass zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten eine gegenseitige Abstim-mung erforderlich ist, und zwar schon deshalb, weil Art. 211 dieser Richtlinie zwei ver-schiedene Arten der Steueranmeldung zulässt (siehe oben V.2.).

In Bezug auf etwaige Verbrauchsteuern könnte eine Pflicht zur Zahlung der Steuer imAnkunftsmitgliedstaat dadurch vermieden werden, dass die Waren anlässlich ihrerÜberführung in den zollrechtlich freien Verkehr in ein Steueraussetzungsverfahren über-geführt werden (vgl. Art. 7 Abs. 2 Buchstabe d) Richtlinie 2008/118/EG).

In Bezug auf Einfuhrbeschränkungen und -verbote ergibt sich eine zusätzliche Schwie-rigkeit daraus, dass – soweit nationale Vorschriften zulässig sind – diese voneinanderabweichen können. Eine einfache Lösung bestünde in Folgendem:• Der Mitgliedstaat, in den die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht

werden, wendet bei etwaigen Kontrollen nicht nur die im EU-Recht für den Eingangin das Zollgebiet vorgesehenen Vorschriften an, sondern auch seine nationalen Be-stimmungen.

• Soweit sich ein Verbot oder eine Beschränkung auf die Überführung von Waren in einZollverfahren bezieht, ist dagegen der Mitgliedstaat, in dem sich die Überwachungs-zollstelle befindet, dafür zuständig, die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten(dies ist allerdings insoweit problematisch, als der Überwachungszollstelle keine Da-ten vorliegen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die Waren von einer Beschrän-kung erfasst sind).

• Den Bewilligungsinhaber trifft eine erhöhte Verantwortung, die Einhaltung der Vor-schriften gewährleisten, da nur ihm alle Informationen vorliegen; er riskiert beimehrfachen oder schweren Verstößen, seine Bewilligung zu verlieren.

Sowohl die steuerlichen Fragen als auch die Behandlung von Verboten und Beschrän-kungen sind gegenwärtig Gegenstand intensiver Diskussionen, sodass die Lösung, aufdie man sich letztlich einigen wird, noch nicht absehbar ist.

VIII. Inhalt der Durchführungsbestimmungen

Art. 116 MZK gibt Anhaltspunkte dafür, was in den Durchführungsbestimmungen zu re-geln ist. Dies betrifft • die Zollbehörde, bei der die Bewilligung zu beantragen ist und die über den Antrag

entscheidet; dabei soll es auf den Ort ankommen, an dem der Antragsteller die

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Hauptbuchhaltung für Zollzwecke führt oder diese Buchhaltung zugänglich ist; alszusätzliche Voraussetzung soll an diesem Ort auch ein Teil der bewilligten Vorgängedurchgeführt werden;

• Form und Inhalt des Antrags sowie der Bewilligung;• die Einhaltung der AEO-Kriterien zumindest dann, wenn mehr als ein Mitgliedstaat

beteiligt ist;• den Konsultationsprozess und den Informationsaustausch mit anderen Zollbehör-

den, soweit diese an dem Verfahren beteiligt sind;• die Zollverfahren, für welche die Selbstveranlagung bewilligt werden kann;• die Regelung der vom Bewilligungsinhaber vorzunehmenden Förmlichkeiten (An-

schreibung, Mitteilungen) einschließlich der Fristen, soweit diese Förmlichkeiten undFristen von den Vorschriften für das Anschreibeverfahren abweichen;

• die Überprüfung und ggf. Aussetzung, Änderung oder Rücknahme der Bewilligung.

Außerdem ist zu klären, inwieweit Einzelheiten im EU-Recht oder aber von den Mit-gliedstaaten im Rahmen der Bewilligung (einschließlich der Bedingungen in Bezug aufVuB-Waren) festgelegt werden sollen.

IX. Ausblick

Die Einführung der Selbstveranlagung im Zollrecht ist ein großer Schritt in Richtung aufsystemorientierte – anstelle von transaktionsbezogenen – Zollförmlichkeiten und Zoll-kontrollen. Da die Zollbehörden ohnehin nicht alle Waren kontrollieren können und dasVolumen des internationalen Handels ständig ansteigt, ist eine Partnerschaft zwischenvertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten und den Zollbehörden erforderlich. DiesePartnerschaft hat zur Folge, dass bestimmte Zollförmlichkeiten und Zollkontrollen Wirt-schaftsbeteiligten übertragen werden, die in der Lage sind, die Einhaltung der Zoll- undsonstigen Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften zu garantieren. Eine solche Übertragung be-darf einer sorgfältigen Analyse und eines vorsichtigen Vorgehens, insbesondere weilauch andere Rechtsbereiche – wie z.B. die Einfuhrumsatzsteuer sowie Verbote und Be-schränkungen – betroffen sind. Als erster Schritt sollten solche Vereinfachungen nur ineinem beschränkten Umfang und nur für besonders vertrauenswürdige Wirtschaftsbe-teiligte vorgesehen werden. Ferner müssen die unterschiedlichen Vorstellungen allerBeteiligten zu einer gemeinsamen Lösung zusammengeführt werden. Bis zur Annahmeder Durchführungsbestimmungen zu Art. 116 MZK können sich deshalb noch wesentli-che Änderungen gegenüber den hier vorgestellten Überlegungen ergeben.

Selbstveranlagung nach Art. 116 des Modernisierten Zollkodex

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Plenumsdiskussion „Selbstbewertung und Überwachung – Theorie und Praxis“

zu den Referaten von Christian Schaade, Frank Görtz, Frank Heijmann und Michael Lux

Moderation: Prof. Dr. Peter WitteFH des Bundes, Münster

Zusammengefasst von Rechtsanwalt Heiko PankeMöllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Nach den Vorträgen von Christian Schaade (Leitender Regierungsdirektor, Bundesfi-nanzdirektion Nord, Hamburg), Frank Görtz (Director International Trade, LufthansaTechnik AG, Hamburg), Frank Heijmann (Counsellor Customs and International Affairs,Finanzministerium NL) und Michael Lux (Referatsleiter TAXUD, Europäische Kommissi-on, Brüssel), eröffnete Prof. Dr. Peter Witte (Fachhochschule des Bundes, Münster) dieDiskussion.

Herr Ottmar Böhm (Hauptbereich ZB Taxes and Customs, Thyssen Krupp AG, Essen) griffdas Anschreibeverfahren und die damit beim Zoll verbundene Arbeit zur Selbstauskunftauf. Er selbst hätte sich gewünscht, den Fragebogen bereits im Vorfeld über die Verbän-de diskutieren zu können, da insbesondere bei juristischen Personen viele Fragen eineSelbstverständlichkeit seien. Wenn man jedes Jahr vom Wirtschaftsprüfer ein Testat be-käme und beantworten müsse, ob man ordentliche Bücher führe, stelle sich die Frage,ob diese Fragen jährlich gestellt werden müssen.

Ferner äußerte sich Herr Böhm zur Prüfungspflicht und dem diesbezüglichen Aufwandbei ATLAS. Bis zur „Scharfschaltung“ von ATLAS habe man eine gewisse Eigenverant-wortung besessen, da die Verwaltung selbst über keine Unterlagen verfügte. Das Unter-nehmen musste sicherstellen, dass einzelne Vorgänge geprüft werden konnten. Nun-mehr sei mit ATLAS ein „Daten-Ping-Pong“ eingeführt worden, das selbst im Anschrei-beverfahren bestünde.

Herr Böhm formulierte die Frage, ob es für den einzelnen ATLAS-Nutzer überhaupt eineÜberprüfungspflicht gebe, wenn das nationale ATLAS den Rahmen des Anschreibever-fahrens nur auf eine vorzeitige Überlassung reduziert hat. Ferner wollte er wissen, obes in diesem Bereich möglicherweise Vereinfachungen gebe, indem man die für diemeisten Unternehmen nicht relevanten Daten gänzlich streicht und dadurch den Auf-wand erheblich reduzieren würde.

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Herr Christian Schaade antwortete Herrn Böhm, dass dieser Aufwand nicht betriebenwerden würde, wenn er aus Sicht der Verwaltung nicht für erforderlich gehalten werdenwürde. Er sei selbst zwar nicht in den Prozess des Anschreibeverfahrens bei ATLAS ein-gebunden gewesen, gehe aber davon aus, dass man während des langen Prozesses derMeinungsbildung sicherlich zu dem Ergebnis gekommen sei, dass diese Form der Durch-führung notwendig sei.

Herr Michael Lux merkte ergänzend zu der Antwort von Herrn Schaade an, dass das Pro-blem aus seiner Sicht an einer anderen Stelle bestehe. Man habe ein ECS-System ein-geführt und versuche durch zahlreiche Verordnungen Vereinfachungen zu generieren,doch genau damit käme die IT nicht zurecht. Er sah die Verantwortung an dieser Stellegleichwohl auf die einzelnen Mitgliedstaaten und die Kommission verteilt, da das ECS-System eine vereinfachte Anmeldung nicht vorsehe. Er habe selbst immer darauf ge-drängt, eine vereinfachte Ausfuhranmeldung im System einzupflegen, doch die IT-Ex-perten der Mitgliedstaaten hätten den geringen Nutzen einer solchen Lösung einge-wandt. Er selbst habe Verständnis dafür, dass Deutschland sich dagegen entschiedenhabe, ein vereinfachtes Verfahren anzubieten. Wenn für 50% der Ausfuhren, die nichtüber Deutschland die Gemeinschaft verlassen, sondern über einen anderen Mitglied-staat, diese Möglichkeit nicht angeboten werden würde, warum sollte Deutschland fürdie anderen 50% der Ausfuhren, die direkt aus Deutschland die Gemeinschaft verlas-sen, ein vereinfachtes Verfahren schaffen? Herr Lux wies darauf hin, dass dies in Öster-reich anders sei.

Es sei jedoch geplant, so Herr Lux, das ECS-System um die vereinfachte Zollanmeldungzu erweitern. Gleichwohl merkte er an, dass man in diesem Fall wohl trotzdem ent-täuscht sein werde, denn die Anzahl der Datenelemente würde sich trotzdem nur sehrgering reduzieren. Man habe dann formal die rechtlichen Anforderungen verwirklichtaber praktisch nur einen geringen Gewinn.

Der Moderator, Herr Prof. Dr. Peter Witte, merkte ergänzend zu dem Beitrag von HerrnLux an, dass zur Frage der Verantwortung und der Aufteilung der Verantwortung, diesin Zukunft wahrscheinlich die Gerichte entscheiden werden. Früher sei die Arbeit alleingemacht worden, heute seien die Zollverwaltungen eingeschaltet.

Er lenkte die Diskussion sodann auf das Thema der Selbstveranlagung und wollte vonHerrn Lux wissen, was im Jahr 2013 sein wird.

Herr Lux verwies darauf, dass man derzeit alles dafür tue, dass die Selbstveranlagungim Juli 2013 anwendbar sein wird, so wie es auch im Gesetz stehe. Hierzu werde esauch Durchführungsvorschriften geben, die im Amtsblatt erscheinen werden. Er selbstsah jedoch Schwierigkeiten darin, dass von allen Seiten gefordert werde, den Aspekt derSicherheit nicht zu vernachlässigen, um zu vermeiden, dass niemand mehr die Selbst-veranlagung kontrolliere. Aus seiner Sicht wolle man mit umfangreichen Informationendie Einhaltung aller bestehenden Verordnungen überwachen, wobei jedoch die Gefahrbestehe, dass „datenhungrige“ Kollegen bereichsübergreifend über diese Daten verfü-

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gen möchten und möglicherweise durch die Forderung von großen Datenmengen Ver-einfachungen zunichte gemacht werden.

Diese Gefahr bestehe insbesondere durch die sich durch die IT ergebenden Möglichkei-ten, die einige möglicherweise nutzen möchten. Herr Lux führte beispielhaft an, dass immanuellen Verfahren nur der Eindruck erweckt werde, als würde man alles kontrollie-ren, dies tatsächlich jedoch nicht der Fall sei. Die IT könne jedoch nunmehr eine umfas-sende Kontrolle ermöglichen, wodurch Vereinfachungen ebenfalls wieder zunichte ge-macht werden könnten.

Der Moderator, Herr Prof. Dr. Peter Witte, schloss sodann die Diskussion zu dem Themen-komplex der Selbstveranlagung und griff einen Beitrag von Herrn Heijmann für die Dis-kussion auf, der zuvor in seinem Vortrag die Effizienz der Zollabwicklung und das dies-bezügliche Einsparpotential thematisierte.

Herr Frank Görtz merkte zu Herrn Heijmanns Beitrag an, dass er auch gerne 8 Sekun-den in Deutschland gehabt hätte und griff diesen Aspekt im Rahmen der Harmonisie-rung auf.

Bei den deutschen Behörden bestehe bei der Ausfuhr eine durchschnittliche Wartefristvon bis zu 2 Stunden für jeden Ausfuhrvorgang. So habe Herr Heijmann von einer Viel-zahl von Daten gesprochen, für die es jedoch aus Sicht von Herrn Heijmann keine Ver-einfachungen gebe. Herr Görtz kam in diesem Zusammenhang auf die große E-Freight-Initiative zu sprechen, mit der die Abwicklung im Frachtbereich elektronisch erfolgenkönne. Derzeit bestehe jedoch sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU das großeProblem, dass die Zollverwaltungen häufig die Vorlage von Rechnungen verlangen, ob-wohl man selbst, damit meinte Herr Görtz die Lufthansa Technik AG, keine Kauf- oderVerkaufsgeschäfte durchführe. In diesem Fall müsse man Pro-forma-Rechnungen erstel-len, nur damit die Zollverwaltung über einen Beleg verfüge, auf dem ein bestimmter Be-trag stehe.

Darüber hinaus gestatte es die rechtliche Situation, anstelle der zahlreichen Anschrei-bungsmitteilungen täglich Systeme zur Verfügung zu stellen, bei denen die Zollverwal-tungen ein Leserecht haben. Dies sei ein echter Schritt, so Herr Görtz.

Auf den Beitrag von Herrn Görtz erwiderte Herr Frank Heijmann, dass ihm die großenInitiativen bekannt seien und die Ideen bereits bei einem englischen Kollegen im Rah-men des „INTEGRITY“-Projektes gewachsen seien. Dort versuche die Wirtschaft, dieTransparenz der Logistikkette zu erhöhen und Vorgänge in einem System zu erfassen. Inder Luftfracht sei man bereits sehr weit. Aufgrund der Anforderungen der VereinigtenStaaten sei man auch in den letzten zehn Jahren im Bereich der Container-Fracht fort-geschritten, allerdings sei die weltweite Containerfracht derzeit noch nicht so weit wiedie Luftfracht.

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Der Moderator nahm abschließend noch zwei Wortmeldungen entgegen. Eine Wortmel-dung richtete sich an Herrn Lux und warf die Frage auf, ob ab dem 1.1.2011 in der ge-samten EU elektronisch vorangemeldet wird? Die Frage wurde zunächst zurückgestellt.

Herr Junker (Vorsteher des HZA Nürnberg) merkte ergänzend an, dass der Bundesdurch-schnitt für die Bearbeitungsdauer für Ausfuhrvorgänge ca. 4,5 Minuten sei und bei ihmim HZA gebe es eine Zolldienststelle, die Vorgänge in 1,6 Minuten bearbeite. Von 2Stunden sah er die Verwaltung weit entfernt.

Herr Lux beantwortete daraufhin die Frage nach der elektronischen Anmeldung ab dem1.1.2011. Es sei so, dass die summarische Eingangsanmeldung vom Beförderer abgege-ben werden müsse, der die Waren in das Zollgebiet verbringt. Im Seeverkehr sei dies dieSchifffahrtslinie, im Luftverkehr die Luftfahrtslinie und Lkw-Verkehr, soweit es ein inlän-disches Unternehmen sei, das inländische Unternehmen.

Herr Lux betonte ferner, dass die Änderung ab dem 1.1.2011 wirksam werde und dieelektronische Anmeldung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf freiwilliger Basis erfolge.Die Erfahrung habe gezeigt, dass freiwillige Mechanismen oftmals nicht zum Erfolg füh-ren.

Andere Wirtschaftsbeteiligte seien aufgrund der Daten jedoch auch betroffen, da demBeförderer bei der Einfuhr die erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt werden müs-sen. Beim Warenausgang sei dies anders, da fast alles über die Ausfuhranmeldung lau-fe und alle gesetzlichen Regelungen bereits anwendbar sind. Im Übrigen seien die Fäl-le, in denen eine summarische Ausgangsmeldung abgegeben werden müsse, durchausüberschaubar.

Der Moderator bedankte sich für die rege Teilnahme und schloss die Diskussion.

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Risikomanagement als RechtsproblemDr. Lothar Harings 1)

Graf von Westphalen, Hamburg/Brüssel

A. Einführung

Das Risikomanagement der Zollbehörden beinhaltet drei Formen des Dialogs zwischenZoll und Wirtschaft: Der Zoll spricht mit den Unternehmen, er spricht nicht selten überdie Unternehmen und zuweilen erzwingt er das Gespräch, indem er Unternehmen ver-pflichtet, Informationen herauszugeben. Während der Dialog miteinander rechtlich un-verfänglich erscheint, verbergen sich hinter den beiden anderen Formen ernsthafteRechtsprobleme, die im weitesten Sinne die „Persönlichkeit“ der Unternehmen betref-fen. Es geht um die staatliche Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und den Austauschvon Informationen über Wirtschaftsbeteiligte und deren Waren.

Diesen Maßnahmen und den mit ihnen verbundenen Rechtsproblemen wird zu Unrechtdie Aufmerksamkeit der beteiligten Kreise verwehrt. Im Mittelpunkt der Diskussion ste-hen seit jeher die eigentlichen Zollkontrollen und deren rechtlichen Folgen. Das Risiko-management findet jedoch im Vorfeld dieser Kontrollen statt und sein Eingriffscharak-ter wird verkannt. Die datenmäßige Entblößung der Wirtschaftsbeteiligten wird von dendeutschen und europäischen Normgebern und den ausführenden Zollbehörden als not-wendige „Eintrittskarte“ in den internationalen Warenhandel verstanden, getreu demMotto, „wer nichts zu verbergen habe, der habe auch nichts zu befürchten.“

Streiter für die Abwehrrechte der Wirtschaftsbeteiligten gegen staatliche Maßnahmengibt es wenige. Aus diesem Grund sind rechtliche Grundlagenfragen, wie die rechtlicheEinordnung des Risikomanagements und damit auch die rechtliche Verteidigung gegenMaßnahmen im Zusammenhang mit dem Risikomanagement weitgehend unbeantwor-tet. Andernorts ruft staatliches Datensammeln und Datenspeichern heftige Reaktionenhervor, man denke nur an die Speicherung der Fluggastdaten durch die USA, die Video-überwachung öffentlicher Plätze oder die Vorratsdatenspeicherung von Telekommuni-kationsdaten. Diese Prozesse führen schließlich zur Klärung wichtiger Fragen durch dieGerichte. Die Entwicklung des „Persönlichkeitsrechts der Unternehmen“ 2) steht hinge-gen immer noch am Anfang.

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1) Unter Mitwirkung von Rechtsreferendar Hartmut Henninger, Bucerius Law School, Hamburg.

2) Vgl. zur Entwicklung dieses Rechts bis 2008 Harings/Classen, Europäische Informationsverwaltung durchbehördliche Risikoanalyse, EuZW 2008, S. 295ff.; Harings, Rechtsschutz von Unternehmen beim (interna-tionalen Informationsaustausch der Zollbehörden, in Henke/Gellert (Hrsg.): Zoll im Wandel vom Abgaben-zum Sicherheitsrecht?, Witten 2007, S. 39ff.

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In diesem Beitrag soll daher das Risikomanagement der Zollbehörden aus rechtlicherSicht auf den Prüfstand gestellt werden. Das zollbehördliche Risikomanagement stelltsich in der verwaltungsrechtlichen Terminologie als Gefahrerforschungsmaßnahme dar,die sich einer Methode bedient, die der Rasterfahndung gleicht (B). Die Erörterung derRechtsprobleme beginnt mit der Identifizierung des richtigen (verfassungs-)rechtlichenAnknüpfungspunkts, dem Recht der Unternehmen auf informationelle Selbstbestim-mung (C.1). Aus dem Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtszur informationellen Selbstbestimmung von natürlichen Personen ergeben sich Kriterienfür die Rechtfertigung von Gefahrerforschungseingriffen, denen die Regelungen des Ri-sikomanagements und deren Umsetzung durch die Zollbehörden genügen müssen(C.2). Besondere Aufmerksamkeit widmet der Beitrag schließlich unter dem Schlagwort„Pflicht zur Freiwilligkeit“ der Frage, wie die Freiwilligkeit der Preisgabe von Daten zubeurteilen ist, wenn sie wirtschaftlichen Zwängen folgt (C.3).

B. Das Risikomanagement der Zollverwaltung

Das Risikomanagement wurde im Zuge der sog. „zollbezogenen Sicherheitsinitiativeder Europäischen Union“ 3) im Jahr 2005 als neu gefasster Art. 13 in den Zollkodex (ZK)integriert. 4) Weitere Änderungen im Rahmen dieser Initiative betrafen die Einführungdes zugelassenen Wirtschaftsbeteiligen (Art. 5a ZK) und die Pflicht der Wirtschaftsbetei-ligten, den Zollbehörden noch vor der Ausfuhr der Waren aus der EU bzw. deren Einfuhrin die EU Informationen über die betreffenden Waren zu übermitteln (Art. 36a ff. ZK). 5)

Ziel der Änderung war es, die Sicherheit der Lieferkette zu erhöhen. Nach den Erwä-gungsgründen der Verordnung sollte dabei jedoch das richtige Gleichgewicht zwischenZollkontrollen und Erleichterungen für den rechtmäßigen Handel gewahrt bleiben. Dieentsprechenden Änderungen der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) wur-den Ende 2006 vorgenommen. 6)

1. Regelung des Risikomanagements im Zollkodex

Sowohl der Begriff „Risiko“ als auch der Begriff „Risikomanagement“ sind nunmehr inArt. 4 Nr. 25 und Nr. 26 ZK legal definiert. „Risiko“ beschreibt demnach die Wahrschein-lichkeit des Eintretens eines rechtswidrigen Vorfalls im Zusammenhang mit dem Ein-gang oder dem Ausgang von Waren, wobei die das Risiko beeinflussenden Faktoren die

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3) KOM (2003) 452 vom 24.7.2003.

4) Änderungs-VO (EG) Nr. 648/2005 vom 13.4.2005 (ABl. L 117/13).

5) Zum Sicherheitspaket vgl. Hölscher, Novellierung des Zollrechts durch Einführung des Risikomanage-ments, BB 2005, S. 2444ff.; Witte, Zollkodex 2005, AW-Prax 2005, S. 236ff.

6) VO (EG) Nr. 1875/2006 vom 18.12.2006 (ABl. L 360/64).

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Ware selbst, der Einführer oder Ausführer oder beide sind. 7) Das Risiko betrifft also so-wohl das Waren- als auch das Beteiligtenrisiko. „Risikomanagement“ schließlich meint

„die systematische Ermittlung des Risikos und Durchführung aller zur Be-grenzung des Risikos erforderlichen Maßnahmen. Dazu gehören Tätigkeiten wiedas Sammeln von Daten und Informationen, die Analyse und Bewertungvon Risiken, das Vorschreiben und Umsetzen von Maßnahmen sowie die regel-mäßige Überwachung und Überarbeitung dieses Prozesses und seiner Ergebnis-se auf der Basis internationaler, gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Quel-len und Strategien.“

(Hervorhebungen durch den Autor)

Die Maßnahmen des Risikomanagements sind daher ebenfalls waren- und beteiligten-bezogen. Bei der rechtlichen Bewertung des Risikomanagements ist zwischen diesenbeiden Risikokategorien zu unterscheiden. 8)

Die rechtliche Verankerung des Risikomanagements findet sich in Art. 13 ZK und denArt. 4f-4j ZK-DVO. Nach Art. 13 Abs. 2 ZK sollen sich Zollkontrollen auf eine Risikoana-lyse unter Verwendung automatisierter Datenverarbeitungssysteme stützen. Zu diesemZweck erstellen die Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit der Kommission ein elek-tronisches System für die Umsetzung des Risikomanagements. Der gemeinsame Rah-men, einschließlich gemeinsamer Kriterien und prioritärer Kontrollbereiche, sollte nachdem Ausschussverfahren festgelegt werden. Die Vorstellungen der Gesetzgeber vondem gemeinsamen Rahmen des Risikomanagements lassen sich in den genannten Be-stimmungen der ZK-DVO ablesen. Hinsichtlich der Datenübermittlung heißt es dort inArt. 4g ZK-DVO:

(1) Das Risikomanagement auf Gemeinschaftsebene nach Art. 13 Abs. 2 desZollkodex wird nach einem gemeinsamen elektronischen Rahmen für das Risi-komanagement durchgeführt, der folgende Elemente umfasst:

a) ein gemeinschaftliches Zollrisikomanagementverfahren für die Durchfüh-rung des Risikomanagements, das für die Übermittlung aller risikobezoge-nen Informationen, die zur Verbesserung der Zollkontrollen beitragen wür-den, zwischen den Zollbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission zuverwenden ist; […]

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7) „Risiko: die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Vorfalls im Zusammenhang mit dem Eingang, demAusgang, dem Versand, der Beförderung und der besonderen Verwendung von Waren, die zwischen demZollgebiet der Gemeinschaft und Drittländern befördert werden, sowie im Zusammenhang mit dem Vor-handensein von Waren ohne Gemeinschaftsstatus, sofern dieser Vorfall 1) die ordnungsgemäße Durch-führung von Gemeinschafts- oder nationalen Maßnahmen verhindert oder 2) den finanziellen Interessender Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten schadet oder 3) die Sicherheit der Gemeinschaft, die öffent-liche Gesundheit, die Umwelt oder die Verbraucher gefährdet;“

8) Siehe unten C., 1., 1.1.

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(2) Die Zollbehörden tauschen nach dem in Abs. 1 Buchstabe a) genannten Ver-fahren in folgenden Fällen risikobezogene Informationen aus:

a) wenn eine Zollbehörde die Risiken als beträchtlich einschätzt und eine Zoll-kontrolle für erforderlich erachtet und die Kontrolle ergeben hat, dass derVorfall nach Art. 4 Nr. 25 des Zollkodex eingetreten ist;

b) wenn die Kontrolle zwar nicht ergeben hat, dass der Vorfall nach Art. 4 Nr.25 des Zollkodex eingetreten ist, die Zollbehörde jedoch der Auffassung ist,dass ein hohes Risiko an einem anderen Ort in der Gemeinschaft besteht.

Es wird zu untersuchen sein, inwieweit diese Bestimmungen als Grundlage für die Maß-nahmen des Risikomanagements ausreichen. 9)

2. Die „ZORA“ als in Deutschland verantwortliche Stelle

Das Risikomanagement wird in Deutschland (auch) von der Zentralstelle RisikoanalyseZoll („ZORA“) der Zollverwaltung durchgeführt. Die ZORA wurde am 1.1.2002 auf derGrundlage des § 17a des Zollverwaltungsgesetzes 10) eingerichtet und hat ihren Sitz inMünster. Die Zentralstelle ist organisatorisch der Bundesfinanzdirektion West angeglie-dert und fachlich unmittelbar dem Bundesministerium der Finanzen unterstellt. IhreAufgabe ist die Durchführung der Risikoanalysen, die Erstellung von entsprechendenKontrollmaßnahmen und der Datenaustausch mit anderen nationalen und europäi-schen Behörden.

Damit ist die ZORA die „Spinne im Netz“ des Risikomanagements. Bei ihr laufen Infor-mationen aus unterschiedlichsten Quellen zusammen, sie hat Zugriff auf zollamtlicheund amtliche Vermerke, ZEUS, Prüfberichte, nicht näher bestimmte „sonstige Quellen“,COMEXT und AIDA/RIS und erhält Daten von der EU, OLAF und der Generaldirektion TA-XUD. 11) Diese personen-/unternehmens- und warenbezogenen Informationen wertetZORA elektronisch aus und erstellt Risikoprofile, die gespeichert, an Zolldienststellenweitergegeben und in ATLAS eingespielt werden. Sie sind Grundlage entsprechenderZollkontrollen durch die zuständigen Zollämter. Der Datenaustausch findet vor allemmit dem Zollkriminalamt, den Zollfahndungsämtern, den Zollämtern, den Zolltechni-schen Prüfungs- und Lehranstalten sowie den Steuerverwaltungen der Länder und deranderen Mitgliedstaaten statt. Sie ist ein Lehrbeispiel für den Grundsatz: „PolizeilichesHandeln ist zentral Informationsverarbeitung.“ 12)

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9) Zu Einzelheiten über die praktische Ausgestaltung des Risikomanagements siehe Elsner, EuropäischeStrategien des Risikomanagements im globalen Handel, in Henke (Hrsg.): EU-Erweiterung in der Praxis –Internationales Risikomanagement, Witten 2004, S. 119 ff.; Henke, in Witte (Hrsg.), Zollkodex, 5. Aufl.2009, Art. 13 Rn. 20ff.

10) Zweites Gesetz zur Änderung des Zollverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze vom 31.10.2003, BGBl.I S. 2146; zur Gesetzesbegründung siehe BT-Drs. 15/1060, S. 9f.

11) Vgl. Monatsbericht des BMF, September 2006, S. 63 (64); Eigendarstellung der ZORA unter: http://cdl.nie-dersachsen.de/blob/images/C6762803_L20.pdf (letzter Abruf: Juni 2010).

12) Gusy, Polizeirecht, 6. Aufl. 2006, Rn. 185.

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3. Charakteristika der Tätigkeit von „ZORA“

Die von ZORA durchgeführte Risikoanalyse ist den eigentlichen Zollkontrollen vorgela-gert. Mit ihrer Hilfe wird erst festgelegt, welche Wirtschaftbeteiligten oder Waren einerKontrolle unterzogen werden sollen. Die ZORA dient damit nur mittelbar der Abwehrvon Gefahren, ihre Aufgabe ist es vielmehr, herauszufinden, wo Gefahren lauern könn-ten. Beim Risikomanagement handelt es sich somit nicht um eine Maßnahme der Ge-fahrenabwehr, sondern eher eine Gefahrerforschungsmaßnahme bzw. Verdachts- oderVerdächtigtengewinnungsmaßnahme.

Die Vorgehensweise der ZORA erinnert dabei – ihrem Ansatz nach – unweigerlich andie in den 70er-Jahren im Kampf gegen den Terrorismus entwickelten Methoden derRasterfahndung. 13) Bei der Rasterfahndung lassen sich Behörden „von anderen öffent-lichen und privaten Stellen personenbezogene Daten übermitteln, um einen automati-sierten Abgleich (Rasterung) mit anderen Daten vorzunehmen. Durch den Abgleich solldiejenige Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorabfestgelegte Merkmale zutreffen.“ 14) Nicht anders geht die ZORA vor. Auch ihre Aufgabeist das „Data-Mining“, also das Erkennen von Mustern in unüberschaubaren Datensät-zen und das Herausfiltern von Personen oder Waren, für die bestimmte, vorher festge-legte Kriterien gelten. 15)

In einem Punkt geht die Methode der ZORA jedoch über die klassische polizeiliche Ras-terfahndung hinaus. Diese zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass die Zusammenfüh-rung der Daten aus einem bestimmten Anlass geschieht und eine einmalige Rasterungzur Folge hat. Die Risikoanalyse des Zolls hingegen basiert auf einer dauerhaften Durch-forstung der unterschiedlichen Datensätze.

Nach dieser Einordnung des Risikomanagements stellt sich sogleich die Frage nach demEingriffscharakter und der Rechtfertigung der Maßnahme. Dies sind jedoch nicht dieeinzigen Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Tätigkeit der ZORA.

C. Rechtsprobleme

Das Risikomanagement des Zolls wirft einen bunten Strauß von rechtlichen Fragen auf.Die Wichtigste ist diejenige nach dem richtigen verfassungsrechtlichen Anknüpfungs-punkt, denn sämtliche Anforderungen an die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltungdes Risikomanagements sind mit Blick auf diesen zu bestimmen.

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13) Den Begriff Raster verwendet der Zoll in diesem Zusammenhang auch selbst, Monatsbericht des BMF,September 2006, S. 63 (64).

14) So die Beschreibung des BVerfG, NJW 2006, S. 1939; nach Ansicht des BVerfG ist die präventive Raster-fahndung eine klassische Verdachtsgewinnungsmaßnahme, S. 1944; zur Einordnung der Rasterfahndungsiehe auch Kutscha, LKV 2008, S. 481 (483).

15) Näheres zur Methode der ZORA: Zoll aktuell, Nr. 5.06, S. 6ff.; Monatsbericht des BMF, September 2006,S. 63ff.

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1. Der richtige juristische Anknüpfungspunkt

Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des richtigen juristischen Anknüpfungspunktesrühren daher, dass die Maßnahmen des Risikomanagements vom Betroffenen nicht un-mittelbar physisch wahrgenommen werden. Anders als eine tatsächliche Kontrollmaß-nahme des Zolls finden die Vorfeldmaßnahmen im Verborgenen statt und bedienen sichtechnischer Hilfsmittel. Bei den Wirtschaftsbeteiligten herrscht daher eher ein Gefühlvon diffuser Belastung. Dies heißt aber nicht, dass die Maßnahmen etwa keine verfas-sungsrechtliche Relevanz hätten.

1.1 Unterscheidung zwischen waren- und beteiligtenbezogenen Informationen

Eine wichtige Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang vorweg zu treffen. Soweitvon einem „Persönlichkeitsrecht der Unternehmen“ zu reden sein wird, kann dies nurindividuell unternehmensbezogene Daten betreffen. Die Sammlung und der Austauschvon warenbezogenen Informationen ist hingegen grundsätzlich unbedenklich, weil essich dabei nur um statistische Tätigkeiten handelt, die keinen Bezug zu einem individu-ellen Wirtschaftsbeteiligten haben und folglich auch nicht in seine Rechte eingreifenkönnen.

Dieser Befund lässt sich auch nicht mittels der „Ausstrahlung“ dieser warenbezogenenTätigkeiten auf individualisierte Beteiligte überwinden. Eine solche Ausstrahlung findetbeispielsweise statt, wenn der Zoll feststellt, dass mehrfach die Zollwerte von bestimm-ten Textilien beim Import zu niedrig angesetzt oder falsche Angaben zum Ursprung derErzeugnisse gemacht wurden. Diese Feststellungen haben eine Erhöhung der Kontroll-dichte bei diesen Waren zur Folge, die nicht nur die „Störer“, sondern faktisch alle Ein-führer betrifft. Von einer rechtlichen Betroffenheit, die ein Abwehrrecht verleihen könn-te, ist gleichwohl nicht auszugehen. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit der Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Klagebefugnis von Einführern in Fällenvon Anti-Dumpingzöllen auf Drittlandswaren. Auch wenn diese Maßnahmen eine indi-vidualisierbare Gruppe von Wirtschaftsbeteiligen treffen, sind diese nicht im Rechtssin-ne „individuell betroffen“ und können sich daher regelmäßig nicht gegen die Antidum-ping-Verordnung selbst, sondern nur gegen ihre persönliche Inanspruchnahme im Ein-fuhrabgabenbescheid zur Wehr setzen. 16)

Das warenbezogene Risikomanagement greift somit nicht in Rechte von Unternehmenein, von Bedeutung sind allein die beteiligtenbezogenen Maßnahmen.

1.2 Beteiligtenbezogene Maßnahmen des Risikomanagements

Die Maßnahmen des Risikomanagements sind auch beteiligtenbezogen. So heißt es et-wa in Art. 4h ZK-DVO:

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16) Lukas/Scharf/Schnichels, in Dauses (Hrsg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 24. EL 2009, Rn. 437m.w.N. zur Rechtsprechung.

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„Die gemeinsamen prioritären Kontrollbereiche umfassen bestimmte zollrecht-liche Bestimmungen, Arten von Waren, Verkehrswege, Verkehrsträger oderWirtschaftsbeteiligte, die während eines bestimmten Zeitraums in höheremMaße der Risikoanalyse und Zollkontrollen zu unterwerfen sind.“

(Hervorhebung durch den Autor)

Der Wirtschaftsbeteiligte ist somit auch selbst Gegenstand der Risikoanalyse. Einfließenwerden vor allem seine bisherigen Verstöße gegen das Zollrecht. Aber, wie sich etwa beiden im Rahmen einer AEO-Beantragung zu liefernden Informationen zeigt, werden of-fenbar zusätzliche Informationen herangezogen, die mittelbar auf das mit dem Wirt-schaftsbeteiligten verbundene Risiko schließen lassen, wie etwa dessen Liquidität. 17)

1.3 Das Unternehmensgrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Der richtige juristische Anknüpfungspunkt hinsichtlich der Sammlung, Speicherung, Ver-arbeitung und Übermittlung beteiligtenbezogener Informationen ist das Unterneh-mensgrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wie auch das Grundrecht aufinformationelle Selbstbestimmung, 18) handelt es sich bei diesem Recht nicht um ein ver-selbstständigtes Grundrecht. Es ist vielmehr das Ergebnis einer an den (insbesonderetechnischen) Wandel angepassten Interpretation der entwicklungsoffenen Normen desGrundgesetzes. Das Unternehmensgrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung istnoch nicht in dem Maße konkretisiert wie das allgemeine Grundrecht auf informatio-nelle Selbstbestimmung. Gleichwohl findet in der Rechtsprechung seit Jahren eine Ent-wicklung statt, die diesem Recht zunehmend Konturen verleiht. Bemerkenswerterweiseist dieser Trend sowohl in der nationalen Rechtsprechung als auch bei europäischen Ge-richten zu beobachten. 19)

1.3.1 Rechtsprechung deutscher Gerichte

Die schlichte Anwendung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ausArt. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG auf Unternehmen scheidet aus, da dasGrundrecht auf der Menschenwürde basiert. Zur Übertragung der Grundsätze diesesRechts auf Unternehmen lassen sich zwei Begründungen anführen: Zum einen könntesie dadurch gerechtfertigt sein, dass es letztlich immer natürliche Personen sind, diehinter einem Unternehmen stehen (Art. 19 Abs. 3 GG), zum anderen ließe sie sich auf-grund der Freiheit und dem Schutz wirtschaftlicher Betätigung nach den Art. 12 Abs. 1

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17) Für die Beantragung des AEO-Status müssen Unternehmen eine Vielzahl von Informationen preisgeben,siehe unter 3.

18) Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.): Grundgesetz, Bd. I, Lfg. 39 2001, Rn. 173.

19) Das langsame Umdenken fand z.B. in § 1 I 2 der Postdienste-Datenschutzverordnung seinen Nieder-schlag: „Dem Postgeheimnis unterliegende Einzelangaben über juristische Personen stehen personenbe-zogenen Daten gleich“; nach dem österreichischen Datenschutzgesetz ist Betroffener auch jede juristi-sche Person oder Personengemeinschaft, deren Daten verwendet werden.

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bzw. Art. 14 Abs. 1 GG stützen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) legt sich in die-ser Hinsicht nicht eindeutig fest, 20) anders das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG):

„Es kann hier auf sich beruhen, ob dieses Grundrecht, soweit es aus dem allge-meinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1GG folgt, wegen der Bezugnahme auf die Menschenwürde der Klägerin als ju-ristische Person des privaten Rechts überhaupt zugute kommt. Das Recht auf in-formationelle Selbstbestimmung ergibt sich auch aus Art. 14 GG, auf den sichdie Klägerin gemäß Art. 19 Abs. 3 GG zu berufen vermag.“ 21)

Daraus folgt, dass sich Unternehmen in gewissem Maß auf informationelle Selbstbe-stimmung berufen können. Die Erhebung, Übermittlung, Speicherung und Nutzung un-ternehmensbezogener Daten stellt in jedem Fall einen Grundrechtseingriff dar, der nurunter den vom BVerfG vorgegebenen Umständen erlaubt ist. Es bedarf einer

„gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang derBeschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und damit demrechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht.“ 22)

1.3.2 Rechtsprechung europäischer Gerichte

Ein Grund- bzw. Menschenrecht auf Privatheit und Datenschutz ist auch auf europäi-scher Ebene anerkannt. Es findet sich sowohl in Art. 8 der Europäischen Konvention zumSchutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates (EMRK) 23) als auch inden Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) 24), die am1.12.2009 zusammen mit dem Lissabon-Vertrag in Kraft trat. Nach Art. 6 Abs. 1 des Ver-trags über die Europäische Union (EUV) 25) ist die GRCh nun verbindlich und steht recht-lich mit den Gründungsverträgen auf einer Stufe. Art. 6 Abs. 2 EUV verpflichtet die EU,der EMRK beizutreten; die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind, sind alsallgemeine Grundsätze aber schon jetzt Teil des Unionsrechts (Art. 6 Abs. 3 EUV).

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20) BVerfG, NJW 1988, S. 890 (893): „Die Grundrechte aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I und Art. 14 GG,ggf. in Verbindung mit mit Art. 19 Abs. 3 GG, verbürgen ihren Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhe-bung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder indivi-dualisierbaren Daten.“

21) BVerwGE 115, S. 319 (325f.); siehe auch VG Wiesbaden, Urteil vom 18.1.2008 in der Rs. 6 E 1559/06 (Tz.38): „Insoweit sind auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben auch auf juristische Personen, soweit eingrundrechtlich verbürgtes Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 14 GG gegeben ist, ent-sprechend anzuwenden.“

22) BVerfGE 45, S. 400 (420).

23) BGBl. II S. 1054.

24) Proklamiert am 7.12.2000 in Nizza; ABl. C 364/1.

25) Vom 13.12.2007, ABl. C 306/1.

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat schon frühzeitig den per-sönlichen Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK für juristische Personen geöffnet. 26) Dieserkennt nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) an, wie er in seinem Urteil vom14.2.2008 in der Rechtssache Varec deutlich gemacht hat:

„Zu den Grundrechten, die so geschützt sein können, gehört das in Art. 8 EMRKverankerte Recht auf Achtung des Privatlebens, das sich aus dem gemeinsamenVerfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergibt und durch Art. 7 der am 7.Dezember in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-on bestätigt wird. Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Europäischen Ge-richtshofs hervor, dass der Begriff „Privatleben“ nicht dahin ausgelegtwerden darf, dass die beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten natür-licher und juristischer Personen hiervon ausgeschlossen sind […].

Im Übrigen hat der Gerichtshof den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als ei-nen allgemeinen Grundsatz anerkannt.“ 27)

(Hervorhebung durch den Autor)

Diese Rechtsprechung findet Bestätigung, 28) sodass davon auszugehen ist, dass ein Un-ternehmensrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch auf europäischer Ebene inEntstehung begriffen ist. 29)

2. Die fehlende Rechtfertigung des Gefahrerforschungseingriffs

Der Eingriffscharakter der Maßnahmen des Risikomanagements wird häufig nicht zurKenntnis genommen. Es wird mitunter die Ansicht vertreten, dass die Möglichkeiten derZollbehörden noch viel größer seien, als diese annähmen. Demnach würden sich die Be-hörden durch ihre Zurückhaltung selbst blockieren. Es sei nun an der Zeit, einen nochumfassenderen Datenaustausch zwischen den Behörden zu betreiben. 30)

Ein solcher Zustand mag politisch je nach Standpunkt wünschenswert sein – es müssenjedoch zunächst die rechtlichen Grundlagen für die bestehende Praxis geschaffen wer-den, bevor über eine Ausweitung diskutiert wird. Unzweifelhaft sind die beteiligtenbe-zogenen Maßnahmen des Risikomanagements als Eingriffe in die Rechte der Unterneh-men anzusehen. Die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung sind poli-zeiliche Vorfeldmaßnahmen und greifen in den Schutzbereich des Rechts auf informa-tionelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein, ob diese nun natürliche Personen sindoder Unternehmen.

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26) EGMR, Urteile Niemietz/Deutschland vom 16.12.1992, Serie A Nr. 251 B, § 29; siehe dazu auch Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl. 2006, Art. 1 Rn. 10.

27) EuGH, Urteil vom 14.2.2008 in der Rechtssache C-450/06, Varec, Rn. 48f.

28) Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 17.6.2010 in den Rechtssachen C-92/09 und C-93/09, Volker und Markus Schecke, GbR, Rn. 72 m.w.N.

29) Siehe dazu Harings/Classen, Europäische Informationsverwaltung durch behördliche Risikoanalyse,EuZW 2008, S. 295 (299).

30) Weerth, ZfZ 2010, S. 67f.

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Die Kriterien zur Rechtfertigung dieser Eingriffe ergeben sich aus dem Unternehmens-recht auf informationelle Selbstbestimmung. Da dieses noch in Entstehung begriffen ist,bleibt nur, sich an den Maßstäben des BVerfG zu orientieren, die das Gericht für ver-gleichbare Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufgestellt hat.Dass die Vorgaben nicht ohne Weiteres übernommen werden können, liegt auf der Hand;den Entscheidungen können aber wertvolle Hinweise entnommen werden. Maßgeblichsind insbesondere der Beschluss des BVerfG zur präventiven polizeilichen Rasterfahn-dung vom 4.4.2006 31) und – soweit die Speicherung der Daten betroffen ist – die Ent-scheidung zur Vorratsdatenspeicherung vom 2.3.2010 32). Im Folgenden soll keine vollum-fängliche Grundrechtsprüfung unternommen werden. Vielmehr geht es darum, die sichaus den Entscheidungen ergebenden Voraussetzungen kurz vorzustellen und mit denMaßnahmen des Risikomanagements des Zolls zu vergleichen. Der Vergleich des zoll-rechtlichen Risikomanagements mit der Vorratsdatenspeicherung und der polizeilichenRasterfahndung soll vor allem dafür sensibilisieren, wo die rechtlichen Probleme liegen.

2.1 Allgemeine Voraussetzungen

Wie jede Maßnahme der Eingriffsverwaltung müssen auch die Maßnahmen des Risiko-managements eine gesetzliche Grundlage haben, einen legitimen Zweck verfolgen undzur Erreichung dieses Zwecks geeignet sein. 33)

Das Zollrecht hat diesbezüglich in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen bzw.über sich ergehen lassen müssen. Die Maßnahmen dienen nicht mehr nur der Bewälti-gung der klassischen Aufgaben, wie der Erhebung von Ein- und Ausfuhrabgaben und derDurchsetzung von Verboten und Beschränkungen, sondern zunehmend auch der Durch-setzung von Sicherheitsinteressen. 34) Spätestens seit der Sicherheitsinitiative der Euro-päischen Union 35) steht die Zollverwaltung ganz im Zeichen der Terrorabwehr. Das Risiko-management ist Ausdruck dieser Entwicklung. Die Maßnahmen des Risikomanagementsdienen daher sowohl fiskalischen Interessen als auch Sicherheitsinteressen.

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31) BVerfG, NJW 2006, S. 1939ff.

32) BVerfG, MMR 2010, S. 356ff.; die unmittelbare Bedeutung des Verfahrens für das Risikomanagement istjedoch begrenzt, weil die Zollbehörden keinen Zugriff auf Telekommunikationsdaten der Unternehmenhaben, allerdings enthält die Entscheidung wertvolle Bemerkungen zu vielen Fragen der Verwendungvon Daten durch staatliche Stellen.

33) Hopfauf, in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau (Hrsg.): Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Einleitung Rn. 132;BVerfG, NJW 2006, S. 1993 (1941); BVerfG, MMR 2010, S. 356 (359).

34) Vgl. dazu Henke/Gellert (Hrsg.): Wandel vom Abgaben- zum Sicherheitsrecht? Erfahrungen mit dem neu-en Energiesteuergesetz, Witten 2007; Wolffgang/Natzel, Fortentwicklung des Zollrechts durch Sicher-heitsänderung und Modernisierten Zollkodex, EuZW 2008, S. 39; KOM (2003) 452, S. 74: „Angesichts dergegenwärtigen politischen Lage, der Bedrohung durch Terrorismus und den daraus resultierenden stär-keren Sicherheitsbedürfnissen im Welthandel […] müssen in den Zollkodex neue Verpflichtungen für dieBeteiligten eingeführt werden.“

35) Siehe unter B.

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Zur Sicherstellung fiskalischer Interessen eignet sich das Risikomanagement ohne Zwei-fel. Die Eignung zur Verminderung der Terrorgefahr hingegen wird seit jeher mit gutenGründen bestritten. 36) Terroristen geben keine Zollanmeldungen ab und unterliegen da-mit nicht den Kontrollen der Zollbehörden. Denkt man etwa an die Anschläge vom11.9.2001, ist nicht ersichtlich, wie diese durch schärfere Zollkontrollen hätten vermie-den werden können, da es sich um rein innerstaatliche Vorgänge handelte. Zudem zeigtsich, z.B. an dem versuchten Anschlag auf das amerikanische Passagierflugzeug am26.12.2009 mittels eines Flüssigkeitssprengstoffs, dass terroristische Anschläge auchdurch die neuen, wesentlich schärferen Kontrollen nicht verhindert werden konnten. Al-lerdings ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Risikomanagement des Zolls zur Be-kämpfung der Terrorgefahr beitragen kann und die verfassungsrechtlichen Anforderun-gen sind ausgesprochen gering. Die bestehenden Zweifel dürfen aber nicht verschwie-gen werden, denn es ist Acht zu geben, dass ein politisch gewünschter Regelungsaktio-nismus nicht dauerhaft und ohne Grund bürgerliche Freiheiten beschränkt. Denn ist einFreiheitsraum einmal weggefallen, bleibt er meist verloren. Da ein Terroranschlag niegänzlich auszuschließen ist, wird kaum je ein in Verantwortung stehender Politiker denMut fassen, die Rücknahme einer freiheitsbeschränkenden Regelung zu fordern, diedem Anschein nach der Sicherheit dient.

2.2 Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

2.2.1 Schwere des Eingriffs

Die Schwere des Eingriffs ist für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit wegen der„Je-desto-Formel“ von Bedeutung, wonach gilt: Je belastender die Maßnahme, destoschwerwiegender müssen die sie rechtfertigenden Gründe sein. 37)

Die Kriterien zur Beurteilung der Eingriffsintensität bei Verdachts- bzw. Verdächtigten-gewinnungsmaßnahmen im Polizeirecht sind vielfältig. 38) Maßgeblich ist zunächst derGrad der Persönlichkeitsrelevanz der Daten. 39) Ebenso von Bedeutung sind die Nachtei-le, die dem Betroffenen aufgrund der Eingriffe drohen oder nicht ohne Grund zu be-fürchten sind. 40) Als wesentliches Kriterium hat die Rechtsprechung ferner die Unver-dächtigkeit des Betroffenen herausgearbeitet. Die Eingriffsintensität sei hoch, wennzahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, diein keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen. 41) Ohne Weiteres dürften

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36) Siehe dazu Willems, in Henke (Hrsg.): Partnerschaft oder Subordination? Das Verhältnis von Wirtschaftund Zoll nach dem modernisierten Zollkodex, Witten 2005, S. 136.

37) Hopfauf, in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau (Hrsg.): Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Einleitung Rn. 132m.w.N.

38) Zum Ganzen siehe Kutscha, LKV 2008, S. 481 (483f.).

39) BVerfG, NJW 2006, S. 1993 (1942).

40) BVerfG, NJW 2006, S. 1993 (1943).

41) BVerfG, NJW 2006, S. 1993 (1944).

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zu diesen Kriterien zudem die Menge der erfassten Informationen und die Speicherdau-er zu zählen sein.

Im Rahmen des zollamtlichen Risikomanagements sind diese Kriterien unterschiedlichstark ausgeprägt. Problematisch erscheint vor allem, dass die Unbescholtenheit vonWirtschaftsbeteiligten diese nicht aus dem Kreis der Betroffenen ausnimmt. Sie mögenzwar letztlich eine günstige Risikoklassifizierung erhalten, dies ändert aber nichts da-ran, dass ihre Daten gesammelt, verwertet und gespeichert werden. Hinzu kommt, dassdas System nach Auskunft der Zollverwaltung nur über eine begrenzte „Responsive-ness“ verfügt, d.h. ein falscher Alarm führt nicht zu einer Verbesserung des Risikopro-fils eines Unternehmens. Die durch das Risikomanagement möglicherweise ausgelöstenKontrollen sind für die betroffenen Beteiligten ein Wettbewerbsnachteil. Insbesonderewenn häufig die gleichen Beteiligten betroffen sind, kann dies bei deren mittelbar durchdie Kontrollen beeinträchtigten Geschäftspartnern zur Infragestellung des Geschäfts-kontaktes führen; teilweise erhebliche Verzögerungen bei der Auslieferung aufgrund an-geordneter Beschauen sind zu beobachten. Schließlich spricht für eine hohe Eingriffsin-tensität auch die große Menge an Daten, die von ZORA zusammengeführt und gespei-chert wird. Deren genauer Umfang ist zudem den Betroffenen weitgehend unbe-kannt. 42) Gleiches gilt im Übrigen für die Speicherdauer. Insgesamt spricht somit einigesdafür, dass das Risikomanagement einen erheblichen Eingriff in das Unternehmensrechtauf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Unklarheiten – etwa hinsichtlich desUmfangs der gesammelten Daten – gehen dabei zulasten der Rechtfertigung.

2.2.2 Schutzgüter und Gefahr

Hinsichtlich der mit den Maßnahmen geschützten Güter gilt, dass die Maßnahme um-so eher gerechtfertigt ist, je höherrangig bzw. höherwertig diese sind. Ein umfassendesDatenverarbeitungs- und Datenaustauschsystem, das tief in die Rechte der Betroffeneneingreift, kann nicht aus Gründen bloßer Praktikabilität eingesetzt werden, sondern nurzum Schutze hochrangiger Rechtsgüter.

Leitet man die Schutzgüter der zollamtlichen Eingriffsverwaltung aus den Zwecken ab,kommen als solche in erster Linie die Finanzausstattung des Staates, seine Sicherheitund damit auch die Sicherheit der Bevölkerung in Betracht. Damit nimmt das Zollrechtgrundsätzlich zwei außerordentlich hochrangige Güter in den Blick, deren Schutz auchweitgehende Eingriffe zu rechtfertigen vermag. 43) Aus zwei Gründen bleiben jedochZweifel: Erstens beschränkt der Zollkodex das Risikomanagement nicht auf Maßnah-men zum Schutz der genannten Rechtsgüter. Ein Risiko liegt gemäß Art. 4 Nr. 25 ZK viel-mehr schon dann vor, wenn ein „Vorfall“

„die ordnungsgemäße Durchführung von Gemeinschafts- oder nationa-len Maßnahmen verhindert oder den finanziellen Interessen der Gemeinschaft

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42) Siehe oben B., 2.: „sonstige Quellen“.

43) BVerfG, MMR 2010, S. 356 (362); BVerfG, NJW 2006, S. 1939 (1942).

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und ihrer Mitgliedstaaten schadet oder die Sicherheit der Gemeinschaft, die öf-fentliche Gesundheit, die Umwelt oder die Verbraucher gefährdet.“

(Hervorhebungen durch den Autor)

Die „ordnungsgemäße Durchführung“ der Kontrollmaßnahmen vermag einen erhebli-chen Eingriff in das Unternehmensrecht auf informelle Selbstbestimmung sicher nichtzu rechtfertigen. Die Regelung ist also bedenklich, weil sie Eingriffe schon zum Schutzesolcher Zwecke erlaubt. Zweitens ist die pauschale Bezugnahme auf ein Schutzgut nurzulässig, wenn die konkrete Fahndung durch einen konkreten Verdacht ausgelöst wird.Dies gilt insbesondere für die Bezugnahme auf das Schutzgut der „Sicherheit“. Eine all-gemeine Bedrohungslage reicht dafür nicht aus, denn eine solche liegt im Grunde im-mer vor, weil ein terroristischer Anschlag nie gänzlich ausgeschlossen werden kann. 44)

Allein hinsichtlich der einfachen Verstöße gegen das Zollrecht mag die Gefährdungsla-ge hinreichend konkret sein. Die Rechtsprechung zur Videoüberwachung öffentlicherRäume geht davon aus, dass ein hinreichender Zurechnungszusammenhang bestehe,wenn die Maßnahme an einem „Kriminalitätsbrennpunkt“ stattfinde. 45) Man könntedaher argumentieren, die zahlreichen Verstöße gegen das Zollrecht, die die „ordnungs-gemäße Durchführung von Gemeinschafts- oder nationalen Maßnahmen“ verhindern,seien Anlass genug für das Risikomanagement. Abgesehen davon, dass hier zwar dieGefahr hinreichend konkret sein mag, das geschützte Rechtsgut aber nicht hochwertiggenug, ist zu bedenken, dass der Eingriff durch die Videoüberwachung wesentlich we-niger intensiv als das Risikomanagement ist und zudem organisatorische und verfah-rensmäßige Vorkehrungen getroffen wurden, die Verhältnismäßigkeit herzustellen, wieetwa die Löschung der Bänder nach 24 Stunden.

2.2.3 Organisation und Verfahren

Grundsätzlich lässt sich die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme dadurch erhöhenoder absichern, dass bei der Durchsetzung verfahrensmäßige und organisatorische Si-cherungen eingebaut werden. So heißt es in der Entscheidung des BVerfG zur Vorrats-datenspeicherung:

„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausge-staltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit derSpeicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt.Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normklare Regelungen hin-sichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und desRechtsschutzes.“ 46)

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44) BVerfG, NJW 2006, S. 1939 (1947).

45) VGH Mannheim, NVwZ 2004, S. 498 (503).

46) BVerfG, MMR 2010, S. 356 (Leitsatz 2); die Grundrechtsverwirklichung durch Organisation und Verfahrenist eine spezielle Ausprägung der Grundrechte als objektive Werteordnung und wurde vom BVerfG be-reits in den 70er-Jahren entwickelt, vgl. Kannengießer, in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau (Hrsg.):Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Vorb. v. Art. 1 Rn. 25.

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Die gesetzgeberische Ausgestaltung des Risikomanagements vermag dessen verfas-sungsrechtliche Rechtfertigung jedoch nur bedingt zu unterstützen. So mangelt es anTransparenz. Das von den Zollbehörden verwendete Datenverarbeitungssystem stelltfür die betroffenen Unternehmen weitgehend eine „Blackbox“ dar. Zwar existiert einAuskunftsanspruch hinsichtlich der dezentralen Beteiligtenbewertung, weitergehendeAnsprüche auf Informationen aus dem Bestand der Datenbank des Risikomanagementsbestehen hingegen nicht. 47) Zudem ist der Auskunftsanspruch nicht im Zollkodex, son-dern nur in einer internen Verfahrensanweisung geregelt. 48) Gleiches gilt auch für dieDatenverwendung, also die Kriterien, nach denen das System entscheidet. Ein umfas-sendes Instrumentarium aus Auskunfts-, Änderungs- und Beseitigungsansprüchen exis-tiert somit nicht. 49) Zum Thema Datensicherheit schließlich ergibt sich nichts aus demZollkodex oder der Durchführungsverordnung.

2.3 Normenbestimmtheit und Normenklarheit

Diese Grundsätze sollen sicherstellen, dass den Betroffenen die Beschränkungen ihrerRechte erkennbar sind und sie sollen die Verwaltung binden und ihr Verhalten nach In-halt, Zweck und Ausmaß begrenzen. Das BVerfG stellt in dem Beschluss zur automati-sierten Abfrage Kontostammdaten vom 13.6.2007 fest:

„Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Recht auf infor-mationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheitdie spezifische Funktion, eine hinreichend präzise Umgrenzung des Verwen-dungszwecks der betroffenen Informationen sicherzustellen.“ 50)

Es ist in hohem Maße zweifelhaft, ob die Regelungen des Zollkodex und der Durchfüh-rungsvorschriften 51) diesen Anforderungen genügen. Der Informationsaustausch mit Be-hörden aus den anderen Mitgliedstaaten findet statt, wenn das Risiko „hoch“ ist undzwar nach der Auffassung der Zollbehörde und auch dann, wenn eine Kontrolle geradekeinen Verstoß gegen das Zollrecht ergeben hat. Auf dieser Grundlage ist für den Betei-ligen nicht erkennbar, wann seine Daten übermittelt werden. Nicht anders verhält essich mit dem Umfang der Daten. Nach der Regel der Durchführungsverordnung könnenalle risikobezogenen Daten übermittelt werden, die zur Verbesserung der Zollkontrollen

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47) So ist, auch nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 5.9.2005, BGBl. I S. 2722, von den Zollbehördenkeine Auskunft zu erlangen über das Zustandekommen von Durchschnittspreisen bei der Zollwertbestim-mung, sodass manche Unternehmen immer wieder in den Fokus der Ermittler geraten.

48) Vgl. Ziff. 3.9 der „Vorläufigen Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren DEBBI“, Stand Januar 2008, unterhttp://www.zoll.de/e0_downloads/c0_merkblaetter (letzter Abruf: Juni 2010); dazu Harings/Stünkel, AW-Prax 2005, S. 369ff. sowie Harings (oben Fußnote 2), S. 39ff; zweifelnd auch Witte/Henke, ZK, 5. Aufl.2009, Art. 13, Rn. 32.

49) Siehe dazu Harings/Clausen, EuZW 2008, S. 295ff.

50) BVerfG, NJW 2007, S. 2464 (2466f.).

51) Siehe unter Abschnitt C.1.

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beitragen können. Einen potenziellen Beitrag zu einer wie auch immer gearteten Ver-besserung der Kontrollen werden die allermeisten Informationen zu leisten imstandesein. Diese rechtliche Regelung hat keinerlei begrenzende Funktion.

2.4 Zusammenfassung

Diese kurze tour d’horizon zeigt, dass das Risikomanagement des Zolls an Rechtsferti-gungsmängeln leidet. Vor allem die Kombination aus langer Speicherung und Verknüp-fung der Daten macht den Eingriff zu einem schwerwiegenden. Hinzu kommt, dass auchgänzlich unbehelligte Beteiligte Gegenstand des Risikomanagements sind und derGroßteil der Maßnahmen im Verborgenen stattfinden. Die Rechtfertigung der Maßnah-men ist weder auf überragende Schutzgüter noch auf konkrete Gefahren beschränktund der Schutz der Betroffenen durch Verfahren und Organisation ist ausbaufähig und-würdig. Die Normen schließlich, die als Rechtsgrundlage dienen sollen, sind nicht hin-reichend klar und bestimmt. Insgesamt ist die bestehende rechtliche Gestaltung des Ri-sikomanagements daher bedenklich.

3. Die „Pflicht zur Freiwilligkeit“

Die Betroffenheit der Grundrechte ist auch bei „freiwilligen“ Angaben gegeben, etwabeim Informationsaustausch im Rahmen der AEO-Antragstellung nach Art. 5a ZK in Ver-bindung mit Art. 14a ff. ZK-DVO. Allerdings wird hier von Seiten des Zolls der Belastungder Beteiligten noch weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Was mit den Daten geschehe,stelle keinen Eingriff dar, weil die Datenmitteilung freiwillig und in Kenntnis der Verwen-dung gemacht würden. Die Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung finde dahermit Einwilligung des Beteiligten statt.

3.1 „Freiwilligkeit“ und wirtschaftlicher Zwang

Hierbei stellt sich die grundlegende Frage, ob derartige Angaben wirklich im Rechtssin-ne „freiwillig“ gemacht werden. Dafür spricht freilich, dass kein Wirtschaftsbeteiligtergezwungen ist, den AEO-Status zu beantragen. Wenn er sich jedoch die wirtschaftlichenVorteile des AEO-Status zunutze machen will, kann verlangt werden, dass er „im Ge-genzug“ bestimmte Einschränkungen „freiwillig“ hinnimmt. Andererseits erscheint esdann unzutreffend, von „Freiwilligkeit“ zu sprechen, wenn die Inanspruchnahme wirt-schaftlicher Vorteile für ein Unternehmen zwingend ist.

Zu dieser Frage hat erst vor Kurzem die Generalanwältin Sharpston Stellung genom-men. 52) In dem Verfahren vor dem EuGH geht es um die Veröffentlichung der Namenvon Subventionsempfängern. Diese haben der Veröffentlichung „freiwillig“ zuge-stimmt, hätten aber andernfalls auch keine Subventionen aus dem Europäischen Garan-tiefonds erhalten:

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52) Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 17.6.2010 in den Rs. C-92/09 und C-93/09, Volkerund Markus Schecke GbR.

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„In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens zwangsläufig zu prüfen, wel-cher Art die behauptete Einwilligung ist; ferner muss es dem Kläger freistehen,vorzutragen, dass er entweder, auch wenn er die Einwilligung freiwillig gege-ben habe, nicht zur Aufgabe des fraglichen Rechts hätte aufgefordert werdendürfen oder dass die Einwilligung nicht ohne Zwang erfolgt sei.

[…] räume ich ein, dass beträchtlicher wirtschaftlicher Druck ausreicht,um die Einwilligung zu einer nicht freiwilligen […] zu machen.

Mir scheint jedoch, dass von einer Person, die bei einer Einrichtung wie der Eu-ropäischen Union Mittel beantragt […], nur als Voraussetzung für die Erlan-gung dieser Mittel grundsätzlich nicht verlangt werden kann, auf ein Grund-recht zu verzichten, das ihr andernfalls Schutz verliehe.“ 53)

(Hervorhebungen durch den Autor)

Diese Stellungnahme zeigt, dass der schlichte Verweis auf die „Freiwilligkeit“ der Infor-mationsübermittlung der besonderen Situation im Verhältnis von Zoll und Wirtschafts-beteiligtem nicht gerecht wird. Auch das Verlangen nach „freiwilligen Angaben“ musssich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen. Die Verweigerung der Herausga-be unverhältnismäßiger Informationen darf daher nicht zur Versagung eines beantrag-ten Status führen.

3.2 Wirtschaftliche Risiken durch die Weitergabe betriebsinterner Daten

Des Weiteren gehen Unternehmen mit der freiwilligen Weitergabe großer Mengen be-triebsinterner Daten hohe wirtschaftliche Risiken ein. Die Anforderungen – wiederumbei der Beantragung des AEO-Status als Beispiel – sind immens: Erforderlich sind u.a.die Preisgabe von Geschäfts- und Finanzzahlen der letzten drei Geschäftsjahre, Hand-büchern zum Sicherheits- und Qualitätsmanagement sowie etwaige Abteilungshandbü-cher, detaillierten Darstellungen des verwendeten Buchführungssystems, Darstellungender Geschäfts- und Logistikprozesse, betriebsinternen Richtlinien zu internen Kontrol-len, Richtlinien zur Überprüfung von Geschäftspartnern, schriftliche Anforderungskata-loge in Bezug auf Subunternehmen, Handbüchern über das Verfahren der Datensiche-rung, den Schutz der Computersysteme und das Vorgehen bei einem Systemausfall, al-ler Informationen zur Betriebssicherung, einschließlich der Dienstanweisungen, Sicher-heitserklärungen aller Geschäftspartner sowie deren Verschwiegenheits- und Geheim-haltungsverpflichtungen sowie sicherheitsrelevanter vertraglicher Regelungen. 54) Häu-fig geben sich die Zollbehörden auch nicht damit zufrieden, in bestimmte betriebsinter-ne Dokumente bei den Unternehmen Einsicht nehmen zu können.

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53) Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 17.6.2010 in den Rs. C-92/09 und C-93/09, Rn. 81,82, 85.

54) Vgl. dazu den Fragebogen zur Selbstbeantwortung des Zolls unter: http://www.zoll.de/faq/faq_aeo/an-tragsformular_aeo/index.html (letzter Abruf: Juni 2010); die anwaltliche Praxis lehrt zudem, dass sich Un-ternehmen auch bei vollständiger Beantwortung der Fragen auf umfangreiche Nachfragen der Zollbehör-den einstellen müssen.

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Ausweislich der Begründung des Normgebers 55) sollte der AEO als Ausgleich für die ver-schärften Sicherheitsbestimmungen und die mit ihnen verbundenen Unannehmlichkei-ten dienen. Ob für die Wirtschaftsbeteiligten aber tatsächlich eine Erleichterung eintritt,ist hinsichtlich der enormen Datenmengen, die für die Anmeldung beigeschafft werdenmüssen, fraglich. Ein Unternehmen, das sich um den AEO-Status bemüht, wird dadurchzu einem „gläsernen Unternehmen“. 56) Viele dieser Informationen gehören zu den wert-haltigen „assets“ des Unternehmens, die den Unternehmenswert mitbestimmen. Wür-den diese sensiblen Daten in die falschen Hände fallen, wäre der Schaden immens. Dasbesondere Problem liegt darin, dass all diese Daten bei der Anmeldung zusammenge-führt werden, wie das ansonsten im Unternehmen nicht der Fall ist. Zuletzt birgt es auchGefahren, dass den Unternehmen abverlangt wird, von Kunden und GeschäftspartnernSicherheitserklärungen einzuholen. Es ist durchaus nachzuvollziehen, dass Unterneh-men sich weigern, umfangreiche Verpflichtungserklärungen zu unterschreiben, weil sieein eventuelles Haftungsrisiko fürchten. Dies schränkt die wirtschaftliche Betätigungs-freiheit der Unternehmen ein.

3.3 Zusammenfassung

In Fällen der freiwilligen Preisgabe von Daten kann eine ähnlich schwere Beeinträchti-gung der Unternehmen vorliegen, wie in den Fällen, in denen sie die Maßnahmen er-dulden müssen. Das Vorliegen von „Freiwilligkeit“ ist dort in Zweifel zu ziehen, wo derwirtschaftliche Druck zu einer „Pflicht zur Freiwilligkeit“ führt. Von den Zollbehördenwird die Belastung der Unternehmen verkannt, weil die Gesetzgeber und die Behördennicht die Einschränkung, sondern die Gewährung von Erleichterungen hinsichtlich derEinschränkungen als rechtfertigungsbedürftig ansehen. Damit wird der Charakter derVerfassung als Freiheitsordnung schleichend verändert.

4. Die Letztentscheidungskompetenz beim Risikomanagement

Ein weiteres Rechtsproblem des Risikomanagements liegt schließlich darin, dass ein IT-System (mit-)entscheidet, ob und welche Maßnahmen gegenüber dem Betroffenen an-geordnet werden. Von Seiten des Zolls wird zwar geltend gemacht, dass dem Zollbeam-ten nach der Entscheidung des Systems ein Beurteilungsspielraum verbleiben würdeund er sich auch gegen eine Kontrolle entscheiden könnte.57) In der Praxis zeigt sich je-doch, dass von diesem Beurteilungsspielraum zu wenig Gebrauch gemacht wird. Insbe-

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55) Änderungs-VO (EG) Nr. 648/2005 vom 13.4.2005, ABl. L 117/13, Erwägungsgrund 2: „Gleichgewicht zwi-schen Zollkontrollen und Erleichterungen für den rechtmäßigen Handel“; zum Ganzen: Harings, in:Dorsch (Hrsg.): Zollrecht, Bd. 1, 114. Erg.-Lfg. April 2008, Art. 5a Rn. 1ff.

56) Dieser Begriff passt durchaus zum Zeitgeist, da der technische Fortschritt und die um sich greifende Di-gitalisierung tiefe Einblicke in das Leben der Menschen ermöglicht; man spricht daher von dem „Gläser-ner Bürger“, dem „Gläsernen Steuerzahler“, und dem „Gläsernen Patienten“.

57) Herrmann, in Henke (Hrsg.): Partnerschaft oder Subordination? Das Verhältnis von Wirtschaft und Zollnach dem modernisierten Zollkodex, Witten 2005, S. 136.

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sondere könnte auf diesem Wege die fehlende „Responsiveness“ des Systems ausge-glichen werden, was leider nicht erfolgt. Ob dies nun auf einer bewussten Entscheidungdes Zollbeamten beruht, auf mangelnder Kenntnis oder auf Entscheidungsschwäche, istfür Außenstehende schwer zu beurteilen – wie im Übrigen auch die Kriterien, anhandderer der Zollbeamte seinen Beurteilungsspielraum ausfüllen soll. Auch hier ist der Ge-setzgeber aufgerufen, durch klare und transparente Regeln für Rechtssicherheit zu sor-gen.

D. Ausblick

Die in diesem Beitrag angesprochenen Rechtsprobleme werden durch den Modernisier-ten Zollkodex wohl nicht behoben werden. Auch weiterhin findet sich dort eine Gene-ralermächtigung zum Datenaustausch.58) Entscheidend wird der Beitrag der Rechtspre-chung sein. Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte auf mittlere Frist das Recht aufinformationelle Selbstbestimmung der Unternehmen, d.h. den „Datenschutz für Unter-nehmen“ weiter ausbauen werden. Damit werden die rechtlichen Anforderungen an dieBegründung und Ausgestaltung von Datenverarbeitungssystemen der Eingriffsverwal-tung wachsen. Der heutige Stand der Gesetzgebung wird auf mittlere Frist nicht ausrei-chen, die Eingriffe in die Rechte der Unternehmen zu rechtfertigen. Es steht zu hoffen,dass der Europäische Gerichtshof Klarheit hinsichtlich der rechtlichen Anforderungendes Risikomanagements durch die Zollbehörden schaffen wird.

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58) VO (EG) Nr. 450/2008 vom 23.4.2008, ABl. L 145/1, Art. 26.

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Risikomanagement in der ZollpraxisDr. Herwig Heller

Abteilungsleiter für Betrugsbekämpfung, Bundesministerium für Finanzen, Wien

Risikomanagement und seine Anwendung wurden in Art. 13 der VO (EG) Nr. 648/2005vom 13.4.2005 betreffend die sicherheitsbezogenen Änderungen des Zollkodex festge-schrieben. Demnach sollen sich die Zollkontrollen auf eine Risikoanalyse unter Verwen-dung automatisierter Datenverarbeitungsmethoden stützen, um Risken zu erkennenund zu bewerten. Dieser Artikel bildet die Rechtsgrundlage für das gemeinsame Risiko-management auf EU-Ebene (CMRS – Common Risk Management System), für die prio-ritären Kontrollbereiche mit den gemeinsamen Kontrolloperationen in Hochrisikoberei-chen wie z.B. Vorläuferstoffen und das RIF-System, in dem die allgemeinen Risikoinfor-mationen übermittelt werden. Rechtlich spezifiziert wird das alles in den Art. 4f-4h derZollkodex-Durchführungsverordnung (VO (EWG) Nr. 2454/93 vom 2.7.1993).

Thematisch soll das Risikomanagement dem Schutz der finanziellen Interessen wie auchder Sicherheit der EU, der öffentlichen Gesundheit, dem Umweltschutz und dem Ver-braucherschutz dienen. Daher steht die Suche nach Waffen, Massenvernichtungswaf-fen, militärischen Gütern, Chemikalien und Güter mit doppeltem Verwendungszweckganz weit vorn in der Prioritätenliste des Risikomanagements. Als zweites großes Zielneben den Schutzfunktionen soll Risikomanagement die Herstellung einer Balance zwi-schen Handelserleichterungen und der Kontrolle der Hochrisikosendungen ermöglichen.

Das Risikomanagement stößt allerdings auch an Grenzen. Wenn die einer Zollverwal-tung gelieferten Daten einfach falsch sind oder keine automatisch auswertbaren Datenübermittelt werden, muss jede Methode einer Risikoanalyse versagen. Beispiele dafürsind die wörtliche Warenbeschreibung im Versandverfahren ohne Angabe von Tarifnum-mern oder die Totalfälschung von Rechnungen, Frachtpapieren und Begleitdokumenten.Die Zahl der Risikoindikatoren spielt ebenfalls eine Rolle. Die EU-Zollverwaltungen wis-sen, dass heutzutage jeder Container aus China ein hohes Zollrisiko darstellt. Ange-sichts der Anzahl der Containerimporte aus China ist evident, dass keine EU-Zollverwal-tung es schaffen wird, jeden Container aus China zu kontrollieren.

In Österreich hatten wir den entzückenden Fall, dass in einer Firma namens F alle erfor-derlichen Papiere für China-Importe, angefangen von chinesischen Rechnungen undTransportpapieren bis hin zu Bestellschreiben von Endabnehmern in Italien oder Ungarnim Großraum Wien hergestellt und dem österreichischen Zoll bei der Abfertigung imVerfahren 42 vorgelegt wurden. Der chinesische Haupttäter wurde mittlerweile zu zweiJahren unbedingte Haft und 30 Mio. EUR Geldstrafe verurteilt. Somit kann man wederauf die Echtheit der Zollpapiere vertrauen noch von der Menge her die Hochrisikosen-dungen eingrenzen.

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Dieses wirtschaftsfreundliche Verfahren 42 ermöglicht es, bei der Zollabfertigung in ei-nem EU-Mitgliedstaat nur den Zoll zu bezahlen, aber nicht die EUSt, wenn sich eine in-nergemeinschaftliche Lieferung unmittelbar an die Abfertigung anschließt. Das aus Ver-waltungssicht auftretende Problem besteht darin, dass in einem Staat der Zoll zustän-dig ist und im Bestimmungsland die Steuerverwaltung, die keinerlei Kenntnis darüberhat, dass hier Warensendungen unterwegs sind, auf denen noch EUSt lastet. Standardsfür die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Zollverwaltungen mit Steuerverwal-tungen wurden noch nicht entwickelt; teilweise besteht auch innerhalb von EU-Mit-gliedstaaten noch zu wenig Kooperation zwischen Zoll und Steuer und damit auch keinWissen über die Facetten des Verfahrens 42 und seine Auswirkungen. Somit kommt eszu Betrügereien in Milliardenhöhe, indem Umsatzsteuer nicht bezahlt wird und die Wa-ren in den Schwarzmarkt gehen, was der betrügerischen Wirtschaft einen enormenWettbewerbsvorteil verschafft. Dass Gewinnsteuern ebenfalls nicht bezahlt werden,versteht sich von selbst. Daher muss ich konstatieren, dass dieses Verfahren 42 eineSchädigung der finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten darstellt.

Natürlich kann der Vorwurf erhoben werden, dass meine Position nicht wirtschafts-freundlich ist. Ich möchte aber hier wirklich eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen.Bei einer derartigen Abfertigung stellt eine Spedition etwa 30 EUR in Rechnung. Das Ri-siko, das die Spedition übernimmt, liegt pro Container etwa beim 30-fachen. Anders ge-sagt, jede Spedition, die zur Haftung im Fall des häufigen Verschwindens der innerge-meinschaftlichen Lieferungen herangezogen wird, wird zwangsläufig aus dem Marktentfernt. Die Einnahmenausfälle der Finanzverwaltungen erreichen schwindelnde Hö-hen, bis zu 400 Mio. EUR allein in Österreich als kleinem Land. Jede andere wirtschafts-freundliche Handelserleichterung hätte einen weitaus höheren Kosten-Nutzen-Effekt.

Die österreichische Zollverwaltung führt Risikoanalysen in vielen Bereichen durch. Vorder Zollanmeldung in Form von Pre-Audits für AEO und im Zuge der Erteilung von Be-willigungen für Verfahrensvereinfachungen, im Zeitpunkt der Zollanmeldung mittelsProfilen im nationalen e-zoll System und dann bei Nachkontrollen (Betriebsprüfungenund Belegprüfungen).Andere Analysen sind Trendanalysen von Handelsströmen, Markt-beobachtungen und spezielle Monitorings in aktuellen Fällen festgestellter oder vermu-teter Betrügereien. Zentral ist das Risiko Informations- und Analysezentrum in Wien zu-ständig, wobei die Zollämter diese mit ihren lokalen Feststellungen noch ergänzen kön-nen und sollen. An Datenquellen neben den Daten der elektronischen Zollanmeldungenund den Zolldatenbanken stehen alle möglichen kostenpflichtigen und kostenlosenQuellen zur Verfügung. Als Behörde können auch spezielle Register anderer Verwaltun-gen wie Steuer, Polizei, Strafjustiz und ausländische Zollveraltungen kontaktiert wer-den.

Bei den Profilen unterscheidet Österreich drei Arten: Verfahrensprofile, Risikoprofile undSicherheitsprofile. Letztere beruhen auf den auf EU-Ebene vorgesehenen Sicherheits-kontrollen (Common Risk Criteria). Verfahrensprofile sollen alle Vorschriften abdecken,die Voraussetzungen für die Annahme der Anmeldung darstellen, einschließlich der Be-

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dingungen bei Verboten und Beschränkungen. Risikoprofile dienen dem Interesse derBetrugsbekämpfung und werden im Fall der Vermutung oder bereits getroffener Fest-stellungen von Verstößen eingesetzt. Profile werden zentral erstellt und zur Qualitäts-kontrolle wurde ein Vier-Augen-Prinzip sowie eine Möglichkeit der Befristung einge-führt, nach deren Ablauf eine Überprüfung erfolgt. Der Geltungsbereich kann bundes-weit oder für bestimmte Zollstellen sein. Die Verbindlichkeit hängt vom vergebenen Ri-sikofaktor ab. Profile mit dem höchsten Risikofaktor 9 können vom Zollamt nicht über-gangen werden; sie sind zwingend abzuarbeiten. Andere Risiken sind nicht in diesemAusmaß verbindlich, bei höherem Faktor muss die Abweichung im elektronischen Be-schauvermerk angegeben werden. Bei den Profilen kann auch nach Unternehmen dif-ferenziert werden, wobei das von einer individuellen Risikobewertung des Unterneh-mens abhängig ist.Als ersten Schritt hat Österreich für AEO eine 50%-ige Reduktion derKontrollquote eingeführt. Als Ausgleich dazu werden regelmäßig Auswertungen ge-macht betreffend die Qualität der Anmeldungen der AEO. Das Problem der missbräuch-lichen Verwendung, dass manchmal in der elektronischen Anmeldung AEO-Nummerund EORI-Nummer zu Unrecht angeführt werden, konnten wir noch nicht in e-zoll lö-sen. Dringend beschäftigen müssen wir uns auch mit der zu hohen Trefferhäufigkeit beiVerfahrensprofilen, die sowohl eine Schwierigkeit für die Wirtschaft als auch für dieZollämter und deren Bedienstete darstellt.

In der Zukunft wird sich die österreichische Finanzverwaltung mit Risikobewertung derUnternehmen (Risk Grading) beschäftigen, wobei dies für Steuer und Zoll gleichzeitigpassieren wird. Letztendlich sollen alle Kunden der Zollverwaltung bewertet sein. Krite-rien werden die Verlässlichkeit des Kunden in Richtung der Qualität seiner Zollanmel-dungen (die auch von der Qualität des Personals abhängt, die im Verhältnis zu dessenBezahlung stehen wird), der Warenkreis und die Sicherheit der Lieferkette sein. Andersgesagt wird ein Unternehmen, dessen schlecht bezahltes Personal wenig Zollkenntnis-se hat, eine höhere Risikobewertung haben. Die höchste Risikoeinstufung werdenhöchstwahrscheinlich jene Unternehmen aufweisen, die jeden Kunden akzeptieren undjede Kundenerklärung über Waren und den Preis ungeprüft übernehmen; dieses Profilpasst am ehestens auf Schnelldienste. Eine weitere Frage wird die Öffentlichkeit diesesRisikobewertungssystems sein. Wenn ein Unternehmen seine Bewertung kennt, kann essich auch verbessern. Aufgabe der Zollverwaltung wird es sein, dem Unternehmen zusignalisieren, wie es sich verbessern kann, und die behauptete Verbesserung zu bewer-ten.

Die Zukunft einschließlich der Umsetzung des Modernisierten Zollkodex wird noch mehrals bisher auf Risikomodelle aufbauen und die Frage der Spannung zwischen Handels-erleichterungen und gesetzlichen Kontrollbedürfnissen wird uns auch im Risikomanage-ment erhalten bleiben.

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Risikomanagement in der Zollpraxis der deutschen Zollverwaltung

Birgit WellenOberregierungsrätin bei der Bundesfinanzdirektion West, Risikoanalyse Zoll, Münster

Vorgeschichte und Hintergrund der Risikoanalyse Zoll

Einrichtung der damaligen Zentralstelle Risikoanalyse Zoll

Zuerst möchte ich einleitend auf die Entstehungsgeschichte der Risikoanalyse Zoll zu-rückblicken.

Jeder Zollbeamte, sei es bei einer Zollabfertigung oder auch bei einer Personenkontrol-le, greift, um seine Arbeit zu verbessern und die richtigen Entscheidungen zu treffen, aufseine Erfahrungen, sein Gedächtnis oder einfach auf sein „Bauchgefühl“ oder seinen 7.Sinn zurück.

Um dieses Verhalten mithilfe der Anwendung der Informationstechnik zu systematisie-ren, strebte die EU in den 90er-Jahren die Einführung der Risikoanalyse als Arbeitsme-thode an, um gleichwertig hohe Kontrollniveaus in den Zollverwaltungen der Mitglied-staaten zu erreichen. Zu diesem Zweck hatte die Europäische Kommission den Leitfa-den „Risikoanalyse bei den Zollkontrollen“ veröffentlicht.

Er bildete die Grundlage für das 1996 von der deutschen Zollverwaltung erarbeiteteGrobkonzept zur Risikoanalyse und – in der weiteren Entwicklung – für das fachlicheFeinkonzept aus Januar 1999, in dem die Errichtung einer Zentralstelle sowie eines IT-gestützten Systems der Risikoanalyse für die Bundeszollverwaltung vorgeschlagen wur-de. Von der fachlichen Zuständigkeit ausgenommen war der Bereich Außenwirtschafts-recht/Ausfuhr. Hier liegt die Zuständigkeit beim Zollkriminalamt. Bereits zum 1.1.1999errichtete das Bundesfinanzministerium einen Aufbaustab bei der damaligen Oberfi-nanzdirektion Köln mit Sitz in Münster, der am 16.2.1999 mit einem Personalbestandvon 16 Kolleginnen und Kollegen seinen Dienst aufnahm, um die Errichtung der Zentral-stelle Risikoanalyse organisatorisch, personell und fachlich vorzubereiten.

Die Zentralstelle Risikoanalyse (Zoll) – kurz ZORA genannt – mit Sitz in Münster/West-falen wurde dann zum 1.1.2002 eingerichtet und sowohl organisatorisch als auch per-sonell der damaligen Oberfinanzdirektion Köln angegliedert, fachlich aber unmittelbardem Bundesfinanzministerium unterstellt.

Was genau ist das Ziel einer systematischen zentralen und IT-gestützten Risikoanalyse?

Bereits vor Einführung der Risikoanalyse wurden seitens einiger Vertreter der WirtschaftBefürchtungen laut, dass mit diesem Risikoanalysesystem ein „Superkontrollinstru-

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ment“ seitens der Zollverwaltung geschaffen werden würde, das zu einer Behinderungdes grenzüberschreitenden Warenverkehrs führen würde.

Doch genau das Gegenteil beabsichtigen wir mit unserer IT-gestützten Risikoanalyse.

Die Risikoanalyse hat zum Ziel, Zollkontrollen auf die Bereiche mit einem relativ höhe-ren Risiko zu konzentrieren, sodass der Großteil der grenzüberschreitenden Warenströ-me, bei dem die Wahrscheinlichkeit des Verstoßes gegen Vorschriften relativ gering ist,von Zollkontrollen entlastet werden kann. Dies führt dazu, dass die redlichen Wirt-schaftsbeteiligten – und das ist die ganz überwiegende Anzahl – von Kontrollmaßnah-men entlastet werden, was letztendlich zu einer Beschleunigung des Warenverkehrsführt. Dabei ist der Blick unserer Risikoanalyse in die Zukunft gerichtet.

Für die Zollverwaltung ergibt sich der Vorteil, dass durch die systematische zentrale undIT-gestützte Risikoanalyse die Kontrolltätigkeit zielgerichtet gesteuert und dadurch dieEffizienz und zugleich die Effektivität gesteigert wird.

In den vergangenen Jahren hat die Risikoanalyse ständig an Bedeutung zugenommen.Sollte die Risikoanalyse anfangs noch als Arbeitsmethode in den Mitgliedstaaten ange-wandt werden, so ist sie mittlerweile im Zollkodex und in der Zollkodex-Durchführungs-verordnung verbindlich bei den Zollkontrollen vorgeschrieben.

Aufgabenerweiterungen

Mit dem Projekt Strukturentwicklung Zoll, das zum 1.1.2008 umgesetzt wurde, bekamdie Zentralstelle Risikoanalyse (Zoll) nicht nur den neuen Namen „Risikoanalyse Zoll“und eine neue Organisationsstruktur, sondern auch neue Aufgaben.

Das Feinkonzept Strukturentwicklung hat der Risikoanalyse Zoll die Aufgabe übertra-gen, eine für die Aufgabenbereiche der Zollverwaltung umfassende IT-gestützte Risiko-analyse gemäß den Vorgaben der jeweiligen Bundesfinanzdirektion durchzuführen. DieZuständigkeit für die Risikoanalyse im Bereich Außenwirtschaftsrecht/Ausfuhr verblieb– wie schon zuvor – beim Zollkriminalamt. Zwischen diesen beiden für Risikoanalysezuständigen Dienststellen besteht ein enger Kontakt. Dabei werden u.a. risikorelevanteInformationen ausgetauscht.

Folgende neue Aufgaben wurden der Risikoanalyse Zoll übertragen:

In den Bereichen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und der Kontrolleinheiten Verkehrs-wege soll sukzessive eine IT-gestützte Risikoanalyse implementiert werden. Danebenhat die Risikoanalyse Zoll die Aufgabe erhalten, für den Bereich der innergemeinschaft-lichen Verbrauchsteuern eine zentrale IT-gestützte Risikoanalyse aufzubauen.

Für die Erfüllung der Aufgaben sind bei der Risikoanalyse Zoll derzeit rund 50 Kollegin-nen und Kollegen im Einsatz.

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Aufgabenspektrum der Risikoanalyse Zoll

Ich möchte nun zu den praktischen Aufgaben der Risikoanalyse Zoll kommen.

Die wesentlichen Aufgaben sind der Betrieb und die Fortentwicklung der zentralen Ri-sikoanalyse, die Mitwirkung an der Entwicklung, Umsetzung und Pflege der IT-gestütz-ten Risikoanalyse, der Austausch von risikorelevanten Informationen mit nationalen Be-hörden und EU-Mitgliedstaaten und die Mitwirkung in nationalen und internationalenGremien zur Weiterentwicklung der Arbeitsmethode Risikoanalyse.

Erstellung von Risikoprofilen

Die Kernaufgabe im Rahmen des Betriebs der zentralen Risikoanalyse ist das Erstellenvon Risikoprofilen.

Bevor jedoch ein Risikoprofil im Abfertigungssystem ATLAS im Falle des Übereinstim-mens der eingegebenen Abfertigungsdaten und der im Risikoprofil festgelegten Para-meter automatisiert angezeigt wird und so die operativen Einheiten bei der weiterge-henden Zollbehandlung präventiv unterstützt, ist eine Vielzahl an Tätigkeiten notwen-dig.

Dabei sind es die Aufgaben der Risikoanalyse Zoll, Informationen zu sammeln und aus-zuwerten, um Risiken zu erkennen, diese methodisch zu bewerten und sodann Risiko-profile als Ergebnis dieser Analyse zu erstellen und diese den betreffenden Dienststel-len möglichst automatisiert zur Verfügung zu stellen. Hieran schließt sich die Erfolgs-kontrolle der Risikoprofile an, dessen Ergebnis wieder in die Informationssammlung undInformationsauswertung einfließt, wodurch sich der Risikoanalysekreislauf schließt.

Diese systematische, zentrale Risikoanalyse erfordert im Rahmen der Informations-sammlung und Informationsauswertung einen umfassenden Zugriff auf die vorhande-nen Informationssysteme der Zollverwaltung. So stehen den Beschäftigten der Risiko-analyse Zoll umfangreiche IT-gestützte Anwendungen zur Verfügung. Das Datenarchivdes Abfertigungssystems ATLAS stellt dabei das zentrale Rechercheinstrument dar. Mit-tels einer Recherchedatenbank hat jeder Beschäftigte der Risikoanalyse Zoll Zugriff aufdie Daten im laufenden und zurückliegenden Abfertigungsprozess. Aber auch die Aus-wertung von Prüfungsberichten, Tarifgutachten, und Handelsstatistiken – um nur eini-ge beispielhaft aufzuzählen – stellt eine wichtige Informationsquelle dar. Nicht uner-wähnt lassen möchte ich Einzelinformationen, die von den Kontrolleinheiten unmittel-bar der Risikoanalyse Zoll zugeleitet werden, sowie Risikoinformationen, die über dieInformationsaustauschsysteme der EU übermittelt werden. Einbezogen werden selbst-verständlich auch die risikorelevanten Informationen, die die Risikoanalyse Zoll vomZollkriminalamt erhält. Diese unterschiedlichen Informationen werden miteinander ver-knüpft und ausgewertet, um mögliche Risiken zu erkennen und zu bewerten.

Wird im Ergebnis ein mögliches Risiko festgestellt, so erstellt die Risikoanalyse Zoll – inAbstimmung mit der jeweils fachlich zuständigen Zentralen Facheinheit der Bundesfi-

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nanzdirektionen – mittels einer eigens hierfür entwickelten IT-Anwendung ein Risiko-profil, das in Abhängigkeit von der Komplexität des Risikos ein oder mehrere Risikohin-weise beinhalten kann. Die Risikoprofile werden dabei immer nach einem festen Sche-ma aufgebaut. Zentrale Punkte sind dabei u.a. die Festlegung der Risikoparameter zurautomatisierten Steuerung der Risikohinweise, die Darstellung des Risikosachverhaltseinschließlich der Würdigung der rechtlichen Aspekte, die durch die Kontrolleinheit vor-zunehmenden Maßnahmen sowie die Angabe, wie die Kontrollergebnisse an die Risiko-analyse Zoll zurückzumelden sind.

Die erstellten Risikoprofile werden sodann im Regelfall über eine Schnittstelle an dasAbfertigungssystem ATLAS übertragen. Stimmen die eingegebenen Daten einer Zollan-meldung mit den Risikoparametern eines Risikohinweises überein, so wird dieser auto-matisiert dem Abfertigungsdienst in ATLAS angezeigt. Ist eine Parametersteuerung auf-grund der Besonderheiten des Einzelfalles nur ungenau möglich und würde damit zu ei-ner übermäßigen Trefferbelastung führen, oder arbeitet eine der angesprochenen Kon-trolleinheiten nicht mit dem IT-Verfahren ATLAS, so werden diese Kontrolleinheiten aufanderem Wege, insbesondere über das Intranet der Bundesfinanzverwaltung unterrich-tet.

Wichtiges Element im Risikoanalysekreislauf ist auch die regelmäßige Erfolgskontrolleder bestehenden Risikoprofile. Besondere Bedeutung kommt dabei der Rückmeldungder Kontrolleinheit aufgrund der Risikoprofile zu. Nur eine umfassende Erfolgskontrollegarantiert einen hohen Qualitätsstandard der Risikoprofile und zeigt gleichzeitig eineneventuell anfallenden Optimierungsbedarf auf. Aufgrund des Ergebnisses der Erfolgs-kontrolle wird entschieden, ob die vorhandenen Risikoprofile unverändert bestehenbleiben, verändert oder aufgehoben werden müssen. Dies zeigt, dass die Risikoanalysekein starres System ist, sondern fortlaufend den tatsächlichen und rechtlichen Gegeben-heiten angepasst wird. Daher sind Risikoprofile, die in der 10. Version und mehr veröf-fentlicht werden, keine Seltenheit.

Die von der Risikoanalyse Zoll erkannten Risiken lassen sich in zwei Hauptkategorieneinteilen, nämlich in fiskalische und in nichtfiskalische Risiken.

Im Bereich der fiskalischen Risiken spielen z.B. Falschanmeldungen zur Umgehung ho-her Zollsätze oder zur Umgehung von Antidumpingmaßnahmen immer wieder eine gro-ße Rolle. Die im fiskalischen Bereich veröffentlichten Risikoprofile verfolgen zum einenden Zweck, die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu sichern, zum anderen, gleicheBedingungen für alle im Einfuhrbereich tätigen Wirtschaftsbeteiligten zu sichern.

Von besonderer Bedeutung sind aber auch die nichtfiskalischen Risiken. Ein großer Teilder in diesem Bereich erstellten Risikoprofile entfällt z.B. auf die Rechtsbereiche Pro-duktsicherheit und gewerblicher Rechtsschutz. Im Fokus steht dabei insbesondere derSchutz der Bürger und der Schutz der einheimischen Wirtschaft. Immer häufiger sindaber auch mehrere Aspekte gleichzeitig betroffen wie das Beispiel gefälschter Arznei-mittel zeigt, das in der Vergangenheit wiederholt auch Thema in den Medien war. Nach-

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geahmte Arzneimittel führen nicht nur für den Rechtsinhaber zu erheblichen finanziel-len Verlusten, sondern stellen für den Bürger auch eine erhebliche Gefährdung dermenschlichen Gesundheit dar.

Internationale Zusammenarbeit

Im Folgenden möchte ich noch auf die internationale Zusammenarbeit der Risikoanaly-se Zoll eingehen, die einen hohen Stellenwert hat. Diese Zusammenarbeit beschränktsich dabei nicht auf die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union, sondern dieRisikoanalyse Zoll pflegt auch Kontakte zu Zollverwaltungen außerhalb der Europäi-schen Union.

Wie bereits zuvor erwähnt gehört auch der Austausch risikorelevanter Informationenauf EU-Ebene zu den Aufgaben der Risikoanalyse Zoll. Um ein gleichwertig hohes Kon-trollniveau der Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union zu erreichen, bedarfes auch eines regen und zeitnahen Informationsaustausches zwischen den Mitglied-staaten. Dies setzt ein optimal funktionierendes IT-System voraus. So wurde auf euro-päischer Ebene ein IT-System eingerichtet, das von der Europäischen Kommission be-treut wird und das es den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht, sich über festgestellteund vermutete risikobehafteten Warensendungen oder Sachverhalte kurzfristig und un-kompliziert zu unterrichten. Stellt die Risikoanalyse Zoll aufgrund von Recherchen fest,dass auch in Deutschland ein entsprechendes Risiko besteht, so setzt sie diese risikore-levanten Information in ein Risikoprofil um und gibt es an die in Betracht kommendenKontrolleinheiten unmittelbar und zeitnah weiter. Umgekehrt gibt auch die Risikoanaly-se Zoll diejenigen risikorelevanten Informationen, die auch für andere Mitgliedstaatenvon Bedeutung sein könnten, mittels dieses Informationsaustauschsystems an dieseweiter.

Daneben nimmt die Risikoanalyse Zoll auch regelmäßig an Arbeitsgruppen und Gre-mien der Europäischen Union teil, die u.a. der Weiterentwicklung der Risikoanalyse unddem Erfahrungsaustausch dienen.

Aufgrund der nunmehr langjährigen Erfahrung und des hierdurch entstandenen Fach-wissens im Bereich der Risikoanalyse besteht auch bei Staaten außerhalb der Europäi-schen Union immer wieder ein großes Interesse, die Risikoanalyse Zoll in Münster ken-nenzulernen. So fanden alleine im letzten Jahr mehrere Arbeitsbesuche, z.B. aus Japan,Zypern und Israel statt. Auch längere Erfahrungsaustausche mit Gegenbesuchen derdeutschen Kolleginnen und Kollegen fanden bereits mit diversen Ländern statt. Hiermöchte ich beispielhaft die Kooperation mit der Ukraine und der Türkei nennen.

Ausblick

Die Fortentwicklung der zentralen Risikoanalyse bedingt auch eine permanente Weiter-entwicklung der bereits zur Verfügung stehenden IT-Systeme. So sind wir bestrebt, das

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Risikoprofilsystem ständig zu optimieren, um u.a. eine präzisere Steuerung der Risiko-profile zu ermöglichen. Aber auch die Weiterentwicklung der zur Verfügung stehendenRecherchedatenbanken ist erforderlich, um die Analyse und Bewertung von Risiken kon-tinuierlich zu verbessern.

Daneben erfordern die neu der Risikoanalyse Zoll übertragenen Aufgaben auch die Ent-wicklung neuer IT-Systeme. Dies gilt insbesondere für die Bereiche der innergemein-schaftlichen Verbrauchsteuern, der Kontrolleinheiten Verkehrswege und der Finanzkon-trolle Schwarzarbeit. Die Realisierung dieser Vorhaben wird uns in der nächsten Zeit in-tensiv in Anspruch nehmen.

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Risikomanagement im Zoll –Grundlagen und Umsetzung

Markus ZellerSektion Risikoanalyse, Eidgenössische Oberzolldirektion, Bern

Schweiz und EU• Die Schweiz liegt im Herzen von Europa, ist aber kein EU-Mitglied!• Die Schweiz erwirtschaftet jeden zweiten Franken im Ausland.• Mit ihrer Freihandelspolitik verbessert die Schweiz die

Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsbeziehungen mit wirtschaftlich bedeutenden Partnern.Ende 2009 waren 22 Freihandelsabkommenin Kraft.

• Die EU und die Schweiz weisen in derTerrorismusbekämpfung einen gleich-wertigen Sicherheitsstandard auf.

• Die EU und die Schweiz sind sichgegenseitig wichtige Handelspartner.In der Zoll- und Handelspolitik haben sie sich seit jeher für tiefe Grenzhürden eingesetzt.

Die Schweizerische Zollverwaltung

Aufgaben

• Erhebung von Abgaben: Darunter fallen Zölle, Mehrwertsteuer bei der Einfuhr, Mine-ralöl-, Automobil-, Tabak- und Biersteuer, Monopolgebühren auf Alkoholika bei derEinfuhr, Lenkungsabgaben, Schwerverkehrsabgaben und Nationalstraßenabgabe.

• Vollzug wirtschaftlicher Maßnahmen: Dieser umfasst die Überwachung der Ein- undAusfuhr gewisser Waren, den Schutz der Landwirtschaft, einen Beitrag zur wirt-schaftlichen Landesversorgung, den Schutz von Marken, geografischen Herkunftsan-gaben, Designs und Urheberrechten, die Erstellung der Statistik des Außenhandelsund des Transitverkehrs.

• Schutz von Bevölkerung und Umwelt: Dazu gehören Maßnahmen zum Schutz dermenschlichen Gesundheit, die Lebensmittelkontrolle an der Grenze, der Tier-, Pflan-zen- und Artenschutz, die Kontrolle des Verkehrs mit gefährlichen Gütern, radioakti-

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ven und giftigen Stoffen, Abfällen, die Edelmetallkontrolle sowie die Bekämpfungdes Betäubungsmittelschmuggels.

• Vollzug von Sicherheitsaufgaben: Dazu gehören die Kontrolle des Verkehrs mitKriegsmaterial, Waffen sowie zivil und militärisch verwendbaren Gütern, explosions-gefährlichen Stoffen, die Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften anlässlich derEin- und Ausfahrten, der Vollzug von Embargomaßnahmen sowie die schengenkon-forme Personenkontrolle.

• Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Behörden und Organisationen.

Einnahmen

Die wichtigsten Einnahmeposten (in Mio. Franken) sehen Sie in der folgenden Aufstel-lung:

Gesamteinnahmen 2009: Über 21 Mrd. Franken.

Zoll und Wirtschaft

Jährlich:• über 11 Mio. Zollanmeldungen Import• über 6 Mio. Zollanmeldungen Export• über 6 Mio. Zollanmeldungen Durchfuhr

Täglich:

• Einreise von 570.000 Personen und 350.000 Personenwagen in die Schweiz

• Grenzübertritt von 20.000 Lkws (Ein- und Ausreise)

• über 30.000 Zollanmeldungen bzw. über 65.000 Tarifpositionen

Der hohe Anteil an IT-Verzollungen (Einfuhr 94,8%, Ausfuhr 90%, Transit international100%) führt zu einem weitgehend automatisierten Veranlagungsprozess.

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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2006 2007 2008 2009

Einfuhrzölle 1.027 1.040 1.017 1.033

Mehrwertsteuer 11.033 12.062 12.293 10.177

Treibstoffabgabe 4.994 5.086 5.222 5.183

Tabaksteuer 2.161 2.186 2.186 1.987

Schwerverkehrsabgabe 1.306 1.336 1.441 1.452

Andere Einnahmen 1.236 1.291 1.554 1.496

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Risikomanagement der Schweizerischen Zollverwaltung

Die Schweizerische Zollverwaltung arbeitet mit einem Leistungsauftrag und mit Leis-tungsvereinbarungen. Es stehen moderne Hilfsmittel (z.B. Röntgenanlagen) zur Verfü-gung.

Strategie/Kontrollstrategie

Die Schweizerische Zollverwaltung erzielt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln diegrößtmögliche Wirkung. Sie setzt sich für eine gute Zusammenarbeit mit den Auftrag-gebern und den Zollbeteiligten ein und trägt deren Bedürfnissen Rechnung, soweit dasRecht und die Pflicht zur Aufgabenerfüllung dies zulassen.

Die Schweizerische Zollverwaltung vollzieht die gesetzlichen Aufgaben sachkundig,rasch und mit dem bestmöglichen Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung. Dabei be-achtet sie die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Rechtsgleichheit und der Verhältnis-mäßigkeit.

Die Belastung des Personen- und Warenverkehrs wird mithilfe zeitgemäßer Verfahrenund Arbeitsmittel, risikogerechter und wirksamer Interventionen sowie gezielter Maß-nahmen so gering wie möglich gehalten.

Mit seinen Kontrollen trägt der Zoll dazu bei, Bürgerinnen und Bürger vor bestimmtenGefahren zu schützen. Die Schweizerische Zollverwaltung hat keine Kontrollquoten;nicht die Anzahl der Kontrollen sondern die Qualität einer Kontrolle ist der Schlüsselzum Erfolg. Jede Zollkontrolle erfolgt aufgrund einer Risikobeurteilung. Über festgeleg-te Leistungsziele wird der Erfolg der Kontrollen festgehalten, wobei jede Zollstelle fürihre Kontrollen verantwortlich ist.

Resultate im Jahr 2009

• rund 2.000 Unstimmigkeiten bei Agrarprodukten (251 t geschmuggelte Lebensmit-tel)

• über 3.800 Fälle bei der Erhebung der Mehrwertsteuer• 1.154 Fälle von illegalen Medikamenteneinfuhren• rund 450 Aufdeckungen im Bereich der Lebensmittelkontrolle• 1.622 Sendungen mit Fälschungen oder Pirateriewaren • 1.065 Uhren- und Schmucksendungen (Verstöße gegen die Bestimmungen des Edel-

metallkontrollgesetzes)• 44 Fälle von Unregelmäßigkeiten bei der Exportkontrolle• über 16.000 Lkw mit Sicherheitsmängeln

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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Zentrales RA-TeamOZD

Verantwortlich für RA EZV:

• Risikoprofile

• Info-Risk

• Info-Plattform RA

• Risikolage LA

RA-Teams bei denZollstellen

Verantwortlich für:

• Umsetzung RA OZD

• lokale RA

• Inputs und Feedback anRA-Team OZD

„Key Elements“

integriert in den elektronischen Veranlagungssystemen,Kommunikation, Zusammenarbeit, Information, Feedback

Computer Zollbeteiligter

Anmeldung

Computer Zoll

Prüfung

Selektion/Risikoanalyse

War

enab

fuh

r

gesperrt

Frei/ohne

Waren-kontrolle

Frei/mit

Ladungs-kontrolle

Risikoanalyse

2-Säulen-System der Risikoanalyse der Schweizerischen Zollverwaltung:

Unter Zollkontrolle gestellte Waren werden vom Zollbeteiligen mittels elektronischerDatenübermittlung zur Einfuhr angemeldet. Das IT-System des Zolls selektioniert die soeingegangenen Zollanmeldungen aufgrund von Ergebnissen aus der zollinternen Risi-koanalyse.

Kontrolleder

Zolldoku-mente

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Mittels Risikoprofilen, einer Informations-Plattform im Intranet des Zolls und verschie-denen weiteren Produkten werden die Zollstellen wirkungsvoll unterstützt, damit alleKontrollen zielorientiert und risikogerecht erfolgen können.

Selektion Importverzollung: Risikoparameter

150 verschiedene Risikoparameter!

Arbeitsprozess S RA OZD

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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Info-Plattform Risikoanalyse

Risikoprofile/Kontrollaufträge/LMR-Risk

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Risikolage LA

Risikomanagement aktuell

Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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Risikomanagement im Zoll – Grundlagen und Umsetzung

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Welche Energiebesteuerung für die EU?Optionen für die Revision der Energiesteuerrichtlinie (ETD)

Alexander WiedowDirektor, TAXUD, Europäische Kommission, Brüssel

Die heutige Energiesteuerrichtlinie sieht die Besteuerung von Energieerzeugnissen, dieals Heizstoff oder als Treibstoff genutzt werden, sowie von elektrischem Strom vor.

Die Besteuerung erfolgt auf der Basis von Mindeststeuersätzen, bemessen nach derMenge des jeweiligen Energieerzeugnisses.

Diese Steuersätze entsprechen keinerlei Logik. Sie unterstützen weder die Politik gegenden Klimawandel (Reduzierung von CO2-Emissionen) noch das Bemühen um mehr Ener-gieeffizienz. Sie geben sogar gegenläufige Signale:

Welche Energiebesteuerung für die EU?

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Figure 1: Minimum tax structure - motor fuel use

0

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electricity ethanol biodiesel natural gas LPG petrol diesel

minima in EUR per GJ

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Welche Energiebesteuerung für die EU?

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Figure 2: Minimum tax structure - heating use

0

0,1

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electricity natural gas LPG heating oil heavy fuel oil coal

minima in EUR per GJ

Figure 3: Minimum tax structure - heating use

0

1

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4

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heating oil heavy fuel oil LPG kerosene coal natural gas

minima in EUR per tonne of CO2minima in EUR per tonne of CO2

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CO2-Emissionen werden zu 50% durch ETS abgedeckt (Quote – ergibt Preis). Teilweiseentstehen Doppelbelastung durch ETS und Energiesteuern (z.B. Papierherstellung). An-dere Wirtschaftsbereiche sind nicht Gegenstand irgendeines Instruments zur Verringe-rung des C02-Ausstoßes; ein CO2-Steuerelement wäre kosteneffizient und würde fürausgeglichenere Wettbewerbsbedingungen sorgen (Steuersatz – reduziert Quantität).

Mögliche Ansätze

1. Bessere Abstimmung zwischen ETS und Steuer (Beseitigung der Doppelbelastung; ggf Möglichkeit derBegrenzung von Steuerbefreiungen – CO2-Relevanz)

Vorteile

• Subsidiarität: Mitgliedstaaten können schon CO2-Steuer erheben• Nur geringer Eingriff in nationale Steuerhoheit• Flexibilität der Mitgliedstaaten bei Wahl der Instrumente bei der Klimapolitik

Nachteile

• Wettbewerbsverzerrung Unternehmen innerhalb/außerhalb ETS bleibt• Effizienz einer CO2-Steuer (BiMa)• Wettbewerb gegenüber Drittländern – fehlender gemeinsamer Ansatz• Fehlende Neutralität der Steuer bleibt erhalten

2. Lediglich Steuerstruktur für CO2-Steuer

Vorteile

• Binnenmarktkonforme Anwendung• CO2-Signal für alle Wirtschaftsbereiche• Kostengünstigstes Instrument (neben ETS)• Keine Doppelbelastung • Einheitliche(re) Antwort auf Wettbewerb nach außen

Nachteile

• Weiterhin keine neutrale Besteuerung• Energiebesteuerung kann CO2-Besteuerung konterkarieren• Keine klare Antwort für Besteuerung erneuerbarer Energien

Welche Energiebesteuerung für die EU?

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3. Gesamtbesteuerung der Energieerzeugnisse überarbeiten

• Einführung eines CO2-bezogenen Anteils• Besteuerung des Energiegehalts

Vorteil

• Faire Langzeitlösung

Nachteil

• Politische Akzeptanz

Ziele• Neutralität der Energiebesteuerung• Bei gleichzeitigen Anreizen zum Verbrauch weniger umweltbelastender Energien so-

wie generellen geringerem Energieverbrauch• Entwicklung/Gebrauch erneuerbarer Energien• Einfache Anwendung/Verwaltung

CO2-bezogener Steueranteil

• Anwendungsbereich• Verbrennung mit CO2-Freisetzung in allen Wirtschaftsbereichen (einschließlich

Privat) – entsprechend ETS (einschließlich dual use)• Steuerbefreiung für Unternehmen, die ETS unterliegen (keine Doppelbelastung –

flexibel für die Zukunft)

• Ein Mindeststeuersatz • pm: Entscheidung Lastenverteilung (bis 2020)• „link“ zu ETS Preis?• Höhe?

• Alternativinstrumente denkbar?• Nationales ETS, freiwillige Vereinbarung

• „Carbon leakage“?• Ähnlich wie ETS – durch Steuergutschriften auf der Basis von benchmarking

Welche Energiebesteuerung für die EU?

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Energiebezogener Anteil

• Anwendungsbereich• Heiz- und Treibstoffe, Elektrizität (unverändert)

• Ein Mindeststeuersatz per GJ für alle Heizstoffe • z.B. basierend auf gegenwärtigem Steuersatz für Strom: 0,15 EUR/GJ• Inflationsanpassung?

• BegünstigungsTBe weitgehend unverändert – aber keine Unterschreitungdes Mindeststeuersatzes

• Für Treibstoffe• Ein Mindestsatz per GJ?

• Problem: Benzin/Diesel• Biotreibstoffe• Alternative Treibstoffe, LPG

• Resultat: Rahmenbedingungen für Umstellung auf saubere Fahrzeuge (Lkwund Pkw)

Konsequenzen

• Nur CO2-bezogener Steueranteil ist neue Belastung (äquivalent zu ETS: Lenkungswir-kung)

• Eröffnet neue Opportunität für eine (ökologische) Steuerreform

• Gibt Unternehmen mittelfristige Sicherheit (unabhängig von Beihilfengenehmigun-gen)

Stand• Orientierungsdebatte in der Kommission (Kollegium = alle Kommissare) am

23.6.2010• Wichtiges Indiz für Ambitionen der Kommission und Zeitplanung für einen evtl. Vor-

schlag

Welche Energiebesteuerung für die EU?

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CO2-Grenzausgleich an der EU-AußengrenzeThesenpapier 1)

Prof. Dr. Reinhard Quick, LL.M.Leiter VCI Verbindungsstelle, Brüssel

Überblick

Unilaterale Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung klimapolitischer Ziele schaden demWeltklima.

Europa möchte seine Führungsrolle in Sachen Klimaschutz weiter ausbauen. Einige eu-ropäische Politiker schrecken nicht davor zurück, Handelssanktionen gegen „Kyoto-Sün-der“ vorzuschlagen. So fordert z.B. der französische Staatspräsident eine Ausdehnungdes Emissionshandels auf Importe aus den Staaten, die keine vergleichbaren Anstren-gungen zur CO2-Reduktion übernehmen wie die EU.

Grund für diese Forderungen, die auch von renommierten Ökonomen unterstützt wer-den, ist die Herbeiführung eines level-playing fields, um den durch den Emissionshan-del und andere Regulierungen entstandenen Wettbewerbsnachteil der europäischen In-dustrie auszugleichen. Auch die Hochrangige Gruppe der EU für Wettbewerbsfähigkeit,Energie und Umwelt hat die Kommission aufgefordert, zu überprüfen, ob energieinten-sive Importe nicht mit einer Grenzausgleichsabgabe belastet werden können.

Das Kyoto-Protokoll sieht ausdrücklich vor, dass Maßnahmen zur Durchsetzung der Kyo-to-Ziele in Einklang mit den Welthandelsregeln stehen sollen. Somit ergibt sich schonaus diesem Protokoll eine Verpflichtung zur WTO-Treue.

Die WTO erlaubt den Ausgleich indirekter Steuern, z.B. der Mehrwertsteuer, an der Gren-ze: Exporte werden entlastet, Importe werden belastet. Umstritten ist aber, ob Energie-steuern oder eine Steuer auf den sog. CO2-Footprint von den WTO-Regeln zum Grenz-ausgleich erfasst werden. Noch umstrittener in diesem Zusammenhang ist die Frage, obdas europäische Emissionshandelssystem auf Importe ausgedehnt werden könnte, obalso die WTO-Grenzausgleichsregeln mutadis mutandis auf eine Umweltregelung aus-gedehnt werden können.

Der Emissionshandel ist eine durch Gesetz verursachte Belastung der Produktion, die dieWettbewerbsfähigkeit der Industrie im Vergleich zu ausländischen Wettbewerbern be-einträchtigt; er kann meines Erachtens nicht als Steuer auf Produkte angesehen werden.

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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1) Zur Vertiefung siehe Reinhard Quick, „Border Tax Adjustment“ in the Context of Emission Trading: Cli-mate Protection or „Naked“ Protectionism?, 2008 Global Trade and Customs Journal, Volume 3, Issue 5,S. 163ff.; sowie Reinhard Quick, Border Tax Adjustment to Combat Carbon Leakage: A Myth, 2009 Glo-bal Trade and Customs Journal, Volume 4, Issues 11/12, S. 353ff.

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WTO-Regeln zum Grenzausgleich

Art. II. 2 (a)

Nothing in this Article shall prevent any contracting party from imposing at any time onthe importation of any product:

(a) a charge equivalent to an internal tax imposed consistently with the provisions ofparagraph 2 of Art. III in respect of the like domestic product or in respect of an articlefrom which the imported product has been manufactured or produced in whole or inpart …

Art. II. 2 (a) und AD Art. XVI

Der Grundsatz von Art. II. 2 (a) GATT bestätigt den Grenzausgleich von heimischenSteuern beim Import. Voraussetzung ist aber, dass die Maßnahme mit dem Nichtdiskri-minierungsgebot von Art. III. 2 in Einklang steht.

Der Annex zu Art. XVI GATT bestätigt, dass eine Rückerstattung der heimischen Steuerbeim Export nicht als Subvention anzusehen und daher möglich ist.

GATT Working Party zu border tax adjustment

The Working Party concluded that …• there was a convergence of views to the effect that taxes directly levied on products

were eligible for tax adjustment. Examples of such taxes comprised … the tax on va-lue added …

• there was a convergence of views to the effect that certain taxes that were not di-rectly levied on products were not eligible for tax adjustment. Examples of such ta-xes comprised social security charges whether on employers or employees and pay-roll taxes.

• no agreement on tax occulte … i.e. taxes on goods used in the production of a goodbut not physically incorporated in the final product.

Grenzausgleich von CO2-Steuern

Literaturstreit hinsichtlich Energiesteuern: „directly levied on products“? Kann einGrenzausgleich auch bei Steuern stattfinden, die auf Güter im Produktionsprozess er-hoben werden, die im Endprodukt aber nicht mehr vorhanden sind?

Frage: Wäre eine Steuer auf CO2-Emissionen (CO2-Footprint) genauso zu behandeln wieeine Steuer auf ein Produkt?

Ergebnis: Der Grenzausgleich von Energiesteuern oder CO2-Steuern (Steuer auf CO2-Footprints) sind WTO-rechtlich umstritten. Ein solcher Ausgleich wird in der neuen Lite-ratur für möglich gehalten und könnte durch eine Weiterentwicklung der Auslegung der

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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WTO gerechtfertigt werden. Die traditionelle Meinung in der Literatur sieht hierin einenVerstoß gegen die WTO.

Der Appellate Body der WTO hat sich zu diesen Fragen noch nicht geäußert.

Ausdehnung des Emmissionshandels auf Importe

ETS-Richtlinie Art. 10 (b)

Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter energieintensiver Industrien im Falle derVerlagerung von CO2-Emissionen

(1) Bis 30.6.2010 legt die Kommission unter Berücksichtigung der Ergebnisse der inter-nationalen Verhandlungen und des Ausmaßes, in dem diese zu globalen Treibhausgas-emissionsreduktionen führen, nach Konsultation aller relevanten Sozialpartner dem Eu-ropäischen Parlament und dem Rat einen Analysebericht vor, in dem sie die Situation inBezug auf energieintensive Sektoren und Teilsektoren untersucht, für die ein erheblichesRisiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ermittelt wurde. Zusammen mit dem Be-richt werden geeignete Vorschläge unterbreitet, die Folgendes betreffen können:

a) Anpassung des Anteils von Zertifikaten, die diesen Sektoren oder Teilsektoren gemäßArt. 10a kostenlos zugeteilt werden,

b) Einbeziehung der Importeure von Produkten, die von den gemäß Art. 10a ermit-telten Sektoren oder Teilsektoren hergestellt werden, in das Gemeinschaftssystem,

c) Bewertung der Auswirkungen der Verlagerung von CO2-Emissionen für die Energie-sicherheit der Mitgliedstaaten, insbesondere wenn die Vernetzung mit dem Strom-netz der EU ungenügend ist und wenn eine Vernetzung mit dem Stromnetz von Dritt-staaten besteht, sowie geeignete Maßnahmen auf diesem Gebiet.

Bei der Prüfung, welche Maßnahmen angemessen sind, werden auch etwaige binden-de sektorspezifische Abkommen berücksichtigt, die zu globalen Reduktionen von Treib-hausgasemissionen führen, die eine für eine wirksame Bekämpfung des Klimawandelserforderliche Größenordnung aufweisen, überwacht und überprüft werden können undfür die verbindliche Durchsetzungsbestimmungen gelten.

CO2-Grenzausgleich im Kontext des Emmissionshandels• ETS „Cap and Trade“• Festes Ziel: -21%• Zertifikate (kostenlose Zuteilung oder Auktionierung) = Menge fest, Preis variabel• ETS bezieht sich auf Anlagen, nicht auf Produkte

• Investitionen in CO2-reduzierende Technologien• Drosselung der Produktion

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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• Spekulation auf fallenden Zertifikatspreise

Diese Alternativen können den Preis des Endprodukts beeinflussen.

Wen würde ein europäischer ETS-Grenzausgleich treffen?

Es würde die Länder treffen, die im Vergleich zu den Maßnahmen der EU keine binden-den und nachweisbaren Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen ein-leiten (unter Berücksichtigung des UNFCCC-Prinzips der „gemeinsamen aber differen-zierten Verantwortung“).

Die WTO akzeptiert Unterschiede in der nationalen Gesetzgebung, sie baut auf dem Ge-danken der internationalen Arbeitsteilung auf und überlässt es ihren Mitgliedern, dieHöhe von Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards festzulegen. Sollte man der Auf-fassung sein, dass eine Grenzausgleichsabgabe beim Emissionshandel zulässig wäre,dann müsste dargelegt werden, warum der Nachteil, der durch das Umweltgesetz Emis-sionshandel geschaffen wird, an der Grenze ausgeglichen werden kann, während ande-re Nachteile, die durch andere nationale Gesetze geschaffen werden, nicht ausgegli-chen werden können. Die WTO ist zu Recht skeptisch gegenüber unilateralen Handels-maßnahmen. Sie hat ein Streitbeilegungssystem, das gerade kleine und schwächereStaaten vor unilateralen Übergriffen der Handelsgroßmächte schützt.

Mit dem Argument des Grenzausgleichs würde man die WTO deshalb lahm legen, weiljeder Unterschied zwischen nationalen Gesetzgebungen dann an der Grenze ausgegli-chen werden könnte. Kann etwa die EU gegen chinesische Chemieexporte vorgehen,wenn China kein REACH-Gesetz verabschiedet? Oder sollte man gegen indische Impor-te vorgehen, weil der indische Arbeitnehmer qua Gesetz weniger verdient als sein eu-ropäischer Kollege? Der Vorschlag eines Grenzausgleichs beim Emissionshandel verletztden fundamentalen Grundsatz der WTO, dass nicht jeder Unterschied zwischen Staatenausgleichsfähig ist: Im Gegenteil, die WTO setzt auf diese Unterschiede, um die interna-tionale Arbeitsteilung zu beleben.

Die WTO stellt hohe Hürden gegen unilaterale Maßnahmen auf, die darauf ausgelegtsind, anderen Staaten ein bestimmtes Verhalten abzuverlangen. Dies ist auch richtig,weil hiermit das Völkerrechtsprinzip der staatlichen Souveränität berücksichtigt unddem Unilateralismus eine grundsätzliche Absage erteilt wird. Wenn sich die Völkerge-meinschaft in internationalen Umweltverhandlungen nicht auf ein gemeinsames Vorge-hen einigen kann, dann darf die WTO nicht dazu missbraucht werden, den nichtvorhan-denen Umweltkonsensus durch handelspolitische Sanktionen herzustellen.

Die Politik sollte die Industrie nicht damit locken, dass Wettbewerbsnachteile durchGrenzabgaben ausgeglichen werden können, wenn diese WTO-widrig sind und letzt-endlich zu einem Handelskrieg mit unseren wichtigsten Handelspartnern führen kön-nen.Wir dürfen unsere umweltpolitischen Ziele nicht mit einer Art „Zuckerbrot und Peit-sche“ gegenüber anderen Ländern durchsetzen.

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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Die EU wird keine andere Wahl haben, als alle die Länder von einer internationalen Lö-sung zum Schutze des Klimas zu überzeugen, die im Moment noch skeptisch sind. Dieswird aber nur dann zum Erfolg führen, wenn die EU die Sorgen und Skepsis dieser Län-der aufgreift und gemeinsam mit ihnen um Lösungen ringt. Die EU muss aufhören zuglauben, dass sie andere Länder durch einen umweltpolitischen Oktroy zu einem be-stimmten Verhalten zwingen kann. Unilaterale Handelssanktionen schaden dem Klimaund verhindern eine sachgerechte und vernünftige Klimapolitik.

Konsequenzen für das Weltklima – Pro-Kopf-Emissionen

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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Oh B ü k i h i E I

Ohne Berücksichtigung von Exporten/Importen CO2-intensiver Erzeugnisse!

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Emissionen der Jahre 1990, 2008 und 2020 gemäß dem KopenhagenAccord und freiwillige Minderungsziele

EU-Importe/-Exporte mit den USA und China mit speziellem Fokus auf die energieintensiven Industrien

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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16.000

18.000

20.000

1990 2008 2020

CO2-Emissionen in Mio. t

bezogen auf nominales BIP

bezogen auf

Seite

25. Ju

Prof. Quick

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 reales BIP (ohne Preis-steigerungen)

EU from/to USA from/to China

Total Exports 250,1 bn. EUR 078,4 bn. EUR

EII 074,3 bn. EUR 015,5 bn. EUR

Proportion EII 29,7% 19,8%

Total Imports 186,8 bn. EUR 247,9 bn. EUR

EII 044,8 bn. EUR 030,9 bn. EUR

Proportion EII 24,0% 12,2%

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EU-Exporte energieintensiver Produkte

EU-Importe energieintensiver Produkte

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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Kopenhagen Accord• Können nach Kopenhagen eigentlich noch unilaterale Handelsmaßnahmen ergriffen

werden?• Wie können Maßnahmen an der Grenze dem im UNFCCC verankerten Prinzip der

„gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung“ Rechnung tragen?• Könnten EU oder USA Handelsmaßnahmen gegen China oder Indien, nicht aber ge-

gen beispielsweise Algerien ergreifen?

Grenzmaßnahmen führen zu Handelsverlagerungen

CO2-effiziente Unternehmen im Ausland (China)

C02-effiziente Unternehmen werden in die EU exportieren; CO2-ineffiziente Unterneh-men werden auf den Weltmarkt exportieren.

Carbon leakage aufgrund von UNFCCC/Kyoto (Algerien)

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Das Prinzip der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ ermöglicht dasEintreten von carbon leakage, da Anlagen von einem ETS-Land in ein Nicht-ETS-Landtransferiert werden können, ohne dass Handelsmaßnahmen möglich sind.

Handelsveränderungen durch Diversifizierung, indem Produkte miteiner höheren Wertschöpfung exportiert werden (Petrochemie)

Probleme WTO

Art. III. 2 GATT: Ist ETS eine Steuer? � „as those applied directly or indirectly“

Art. III. 4 GATT: Die Anwendung von inländischen Regeln an der Grenze:• like product? � „consumer tastes and habits“ (Industriekunden)• Ungleichbehandlung? � Grenzabgabe/Möglichkeiten der heimi-

schen Hersteller nach ETS

Art. II. 1 (b) GATT: unerlaubter Zusatzzoll

Art. I GATT: Verstoß gegen die Meistbegünstigung

Art. XX GATT: • Extraterritoriale Anwendung:

• Inhärente gesetzliche Schranke von Art. XX

• Was ist ein „sufficient nexus“? (Pro-Kopf-Emissionen)

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

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Non-ETS

ETS

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• Natürliche Ressourcen Art. XX (g) in Bezug auf „Substantial relationship of themeasure to the conservation of the natural resource“

• Chapeau

Die Bedeutung des Prinzips der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwor-tung“ im Kontext des Chapeau führt m.E. in fast allen Fällen zu der Annahme ei-ner ungerechtfertigten oder willkürlichen Diskriminierung.

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Aktuelle Praxisprobleme der Energie- und Stromsteuer

Dr. Roland M. Stein, LL.M. Eur.Principle Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Berlin

Einführung

Das deutsche Energie- und Stromsteuerrecht ist maßgeblich durch europäische Vorga-ben, vor allem die Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL), geprägt und im Energiesteuer-gesetz (EnergieStG) und dem Stromsteuergesetz (StromStG) mit den dazu gehörendenDurchführungsverordnungen geregelt. Es dient sowohl der Einnahmenerzielung des Fis-kus als auch umweltpolitischen Lenkungszwecken. Die wirtschaftliche und rechtlicheBedeutung des Energie- und Stromsteuerrechts nimmt – schon wegen des beträchtli-chen Aufkommens von ca. 40 Mrd. EUR und den regelmäßigen Gesetzesänderungen –konstant zu. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einer Auswahl aktueller Themen,namentlich gesetzliche Änderungen im Zusammenhang mit dem Contracting (dazu I.)und dem Herstellerprivileg (dazu II.) sowie eine Besprechung der Rechtsprechung zuden Steuerentlastungen für die Luftfahrt (dazu III.), für Dual-use-Prozesse (dazu IV.) so-wie energiesteuerrechtlichen Schwierigkeiten rund um den Begriff der Anlage (dazu V.).Der Beitrag schließt mit einem Ausblick (dazu VI.).

I. Papiergeschäfte beim Contracting

Contracting ist eine häufig genutzte Möglichkeit von Unternehmen, die Energiekostenzu senken. Dabei überträgt ein energieverbrauchendes Unternehmen (Verbraucher) dieEnergieversorgung gegen Entgelt auf einen spezialisierten Energiedienstleister (Con-tractor). Die Vorteile dieser Arbeitsteilung liegen darin, dass sich der Verbraucher ganzauf den Kernbereich des eigenen Geschäfts konzentrieren kann und vom Know-how desContractors profitiert. Der Contractor wird dafür vom Verbraucher entlohnt.

Darüber hinaus ist der Contractor als Energieversorger ein Unternehmen des Produzie-renden Gewerbes im Sinne der §§ 54, 55 EnergieStG bzw. §§ 9, 9a, 10 StromStG undkann deswegen von steuerlichen Begünstigungen (ermäßigten Steuersätzen und Ent-lastungen) profitieren. Dieser Vorteil ist vor allem dann relevant, wenn der Verbraucherkein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ist. Die Möglichkeit zur steuerlichenBegünstigung verführt allerdings auch zum Missbrauch. Als „Papiercontracting“ oder„Scheincontracting“ bezeichnet man Sachverhaltsgestaltungen, bei denen die Auslage-rung der Energieversorgung nur auf dem Papier geschieht und der tatsächliche Anla-genbetrieb weiterhin vom Verbraucher vorgenommen wird. Diese Vorgehensweise dient

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nur der Generierung von Steuervorteilen, tatsächlich wird jedoch kein Strom entnom-men bzw. kein Energieerzeugnis verbraucht. 1)

Der Referentenentwurf des Bundesministerium der Finanzen zur Änderung des Energie-steuer- und Stromsteuergesetzes vom 23.2.2010 wollte diese Fehlentwicklungen be-kämpfen. Hiernach sollten Steuerbegünstigungen nur soweit gewährt werden, wie Wär-me und Strom auch nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewer-bes genutzt werden. Eine „Contracting-Ausnahme“ für Unternehmen des Nichtprodu-zierenden Gewerbes sollte es nur noch im EnergieStG geben und auch da nur bei Neu-errichtung einer energetisch optimierten Anlage.

Die geplanten Änderungen wurden zwischenzeitlich in den Referentenentwurf zum„Gesetz zur Reduzierung von Subventionen aus der ökologischen Steuerreform“ vom12.8.2010 übernommen. Dieser ist Teil des sog. Sparpakets der Bundesregierung. Da-nach sollen die §§ 54, 55 EnergieStG geändert werden. Begünstigt werden danachEnergieerzeugnisse, die zur Erzeugung von Wärme verwendet werden, nur, soweit dieerzeugte Wärme nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbesgenutzt wird. Contracting ist damit auf Transaktionen beschränkt, in denen der Verbrau-cher ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ist. In das Stromsteuergesetz wirdein neuer § 9b eingeführt, auch wird § 10 geändert. Eine Entlastung ist bei der Entnah-me von Strom zur Erzeugung von Nutzenergie nur vorgesehen, soweit diese durch einUnternehmen des Produzierenden Gewerbes genutzt wird.

Als positiv zu bewerten ist, dass die Möglichkeit des Contractings für Unternehmen desProduzierenden Gewerbes bestehen bleibt. Der Referentenentwurf verkennt allerdings,dass die Energieeffizienz auch durch Unternehmen gesteigert wird, die zwar nicht demProduzierenden Gewerbe angehören, aber dennoch mit Contractoren zusammenarbei-ten. Zu diesen Unternehmen zählen soziale Einrichtungen wie z.B. Krankenhäuser. Einederartige Ungleichbehandlung ist nicht nachvollziehbar und unter dem Gesichtspunktder Energieeffizienz schlichtweg falsch. Zudem dient sie nicht dem verfolgten Grundge-danken, Fehlentwicklungen zu begegnen. Zwar werden von der anvisierten Gesetzesän-derung auch „schwarze Schafe“ betroffen. Darüber hinaus werden aber gleich alleEnergiedienstleistungen erfasst und sanktioniert. Außerdem ist zu bemängeln, dassdurch die Entwürfe das bestehende Vollzugsdefizit nicht beseitigt wird.

II. Ausweitung des Herstellerprivilegs

Das sog. Herstellerprivileg umfasst die steuerfreie Verwendung von Energieerzeugnis-sen zur Erzeugung von Energieerzeugnissen. Es ist in Form einer Befreiung in § 26 Ener-gieStG geregelt. 2) In dessen Abs. 1 ist ein weiter Befreiungstatbestand normiert, in

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1) Siehe dazu Stein/Thoms, Steuern sparen mit Contracting?, CuR 2009, 124, 127ff.

2) Unter Umständen ist stattdessen eine Entlastung möglich, z.B. für Erdgas (§ 47 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindungmit § 26 EnergieStG).

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Abs. 2 ein enger. Der Abs. 1 betrifft Herstellungsbetriebe im Sinne des § 6 EnergieStG,d.h. Unternehmen, die eine Erlaubnis zur Herstellung von harmonisierten Energieer-zeugnissen 3) im Sinne des § 4 EnergieStG inne haben. Hier ist eine Begünstigung so-wohl für eigen erzeugte als auch für fremd bezogene Energieerzeugnisse vorgesehen.

Bei der Regelung des Abs. 2 wird eine Befreiung auch Unternehmen gewährt, die keineHerstellungsbetriebe sind. Das betrifft etwa Unternehmen, die nur in geringem Umfangharmonisierte Energieerzeugnisse bzw. nicht harmonisierte Energieerzeugnisse (z.B. Ad-ditive) herstellen. 4) Nach derzeit geltender Rechtslage dürfen nach dieser Vorschrift je-doch nur „auf dem Betriebsgelände hergestellte Energieerzeugnisse“ – und damit nichtextern bezogene Energieerzeugnisse – steuerbefreit verwendet werden. Diese Unter-scheidung führt zu ungewollten umweltpolitischen Folgen, sodass z.B. bei Betrieben,die Schweröl erzeugen, die Verfeuerung von Schweröl zu Heizzwecken steuerlich geför-dert wird.

Die nicht zu rechtfertigende Differenzierung zwischen Herstellungsbetrieben und sons-tigen Unternehmen soll durch den Gesetzesentwurf eines Gesetzes zur Änderung desEnergie- und des Stromsteuergesetzes abgeschafft werden. Nach einem neuen Abs. 1der Vorschrift dürfen auf dem Betriebsgelände eines Betriebs, der Energieerzeugnisseherstellt, zur Aufrechterhaltung des Betriebs Energieerzeugnisse vom Inhaber des Be-triebs steuerfrei verwendet werden. 5) Die Herkunft der Energieerzeugnisse ist ebensowenig entscheidend wie die Frage, ob das Unternehmen ein Herstellungsbetrieb ist,noch ob es harmonisierte oder andere Energieerzeugnisse herstellt.

III. Steuerentlastungen für die Luftfahrt

In Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der EnergieStRL ist eine zwingende Steuerbefreiung fürFlugbenzin mit Ausnahme privater nichtgewerblicher Luftfahrt vorgesehen. Diese Vor-gabe wurde mit § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG und § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV in na-tionales Recht umgesetzt. Flugbenzin darf danach für die Luftfahrt mit Ausnahme derprivaten nichtgewerblichen Luftfahrt steuerfrei verwendet werden. Über die Auslegungdes Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt besteht eine gewisse Uneinigkeit,sodass sich inzwischen der EuGH mit der Angelegenheit befasst. Vor Inkrafttreten desEnergieStG wurde die europarechtliche Vorgabe (unzureichend) durch § 4 Abs. 1 Nr. 3Buchstabe a) MinöStG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 MinöStV umgesetzt. Eine Steuer-befreiung war lediglich für Luftfahrtunternehmen vorgesehen.

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3) Siehe zum Begriff Stein/Thoms/Führer, Energiesteuer in der Praxis, 2010, 60f.

4) Hier entsteht die Energiesteuer mit der Herstellung (§ 9 Abs. 1 EnergieStG). Zu beachten ist in diesem Zu-sammenhang eine neu eingeführte Anzeigepflicht, siehe § 9 Abs. 1a EnergieStG.

5) Besonderheiten gelten weiterhin für Kohle- und Erdgasbetriebe. Zudem ist weiterhin eine Ausnahme fürden Antrieb von Fahrzeugen vorgesehen.

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Nach Ansicht der deutschen Finanzgerichte ist es nicht entscheidend, dass die Steuer-begünstigung – wie durch das alte deutsche Umsetzungsrecht vorgesehen – von einemLuftfahrtunternehmen begehrt wird. 6) Vielmehr ist ausreichend, dass diese von einemGewerbetreibenden beantragt wird, der das Flugzeug zu betrieblichen Zwecken ver-wendet. 7) Der BFH hat diese Fragen zur abschließenden Klärung dem EuGH vorgelegt(Beschluss vom 1.12.2009, VII R 9, 10/09).

Einer der Gründe für diese Auslegungsschwierigkeiten ist der Wortlaut der verschiede-nen Fassungen der EnergieStRL. Während es in der deutschen Fassung „mit Ausnahmeder privaten nichtgewerblichen Luftfahrt“ heißt, zeigen beispielsweise die englischeFassung „other than in private pleasure-flying“ bzw. die französische „autre que l’avia-tion de tourisme priveé“, dass die Richtlinie unterschiedlich verstanden werden kann.Dieser Vergleich macht jedoch auch deutlich, dass mehr dafür spricht, die Richtlinie weitauszulegen. Entscheidend muss es auf die Entgeltlichkeit der Dienstleistung ankommen.Noch ungeklärt ist darüber hinaus, ob bereits die Vercharterung des Flugzeugs für be-triebliche Zwecke ausreicht. Hier ist wohl entscheidend, wer als Verwender anzusehenist.

IV. Begriff der Anlage

Der Begriff der Anlage ist sowohl im strom- als auch im energiesteuerrechtlichen Be-reich relevant. In beiden Regelungsgebieten spielt er vor allem bei der Bestimmung derReichweite von Begünstigungen eine Rolle.

1. Module

So gewährt § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG eine Steuerbefreiung sowohl für eine Stroment-nahme zum Selbstverbrauch als auch für Contracting-Konstellationen. Anforderungensind hierbei, dass ein räumlicher Zusammenhang zwischen Anlage und Entnahme be-steht und die Anlage nicht mehr als 2 MW Strom erzeugt.

Eine solche Steuerbefreiung war auch Gegenstand eines Urteils des BFH (Urteil vom23.6.2009, VII R 34/08). Hierbei ging es um Blockheizkraftwerke mit mehreren KWK-Modulen, die jeweils weniger als 2 MW erzeugten, in der Gesamtheit jedoch mehr. DerBFH entschied, dass eine solche dezentrale Energieerzeugung in einem großen Kraft-werk mit dem Ziel der Steuerbefreiung, nämlich der Förderung von Kleinanlagen unver-

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6) Vgl. FG München, Urteil vom 10.12.2008, 14 K 1873/06: „Das deutsche Mineralölsteuerrecht gewährt zuUnrecht keine Steuerbefreiung für betrieblich veranlasste Flüge von Unternehmen, die … keine Luft-fahrtunternehmen sind.“

7) FG Düsseldorf, Urteil vom 13.5.2009, 4 K 4390/08 VM VE: „Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der RL 2003/96… erfordert als höherrangiges Gemeinschaftsrecht für eine Steuerbefreiung lediglich, dass die Energie-erzeugnisse als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt ver-wendet werden. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist nicht auf Luftfahrtunternehmen be-schränkt.“

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einbar sei. Die Streitfrage ist hierbei, wann noch eine einzelne Kleinanlage vorliegt undwann schon eine Mehrheit von Anlagen, die insgesamt über 2 MW erzeugt. Die Abgren-zungskriterien, die der BFH hier verwendet, sind• die Anordnung und Unterbringung der einzelnen Module,• das Vorhandensein von Messgeräten,• die Leitungsführung sowie • die Steuerungsmöglichkeit.

Diese Kriterien werden in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Es istnämlich nicht klar, wie erheblich die Trennung von Teilmodulen sein muss, um die Krite-rien zu erfüllen und die Steuerbefreiung zu erhalten.

2. Rauchgasreinigung

Auch im Energiesteuerrecht gibt es eine wichtige Steuerentlastung, die auf den Begriffder Anlage zurückgreift. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG ist eine Steuerentlas-tung auf Antrag zu gewähren, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: EinEnergieerzeugnis muss nach dem Heizstoff- oder dem Quasi-Heizstofftarif 8) versteuertund zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme eingesetzt worden sein. Fernerhat die Anlage einen Jahresnutzungsgrad von mindestens 70% aufzuweisen.

In der letzten Zeit kam es bei Außenprüfungen häufiger zu unangenehmen Überra-schungen. So war fraglich, ob auch Energieerzeugnisse zum Betrieb von Rauchgasreini-gungsanlagen vom KWK-Prozess erfasst sind. Nach einem Erlass des BMF wurde einAnlagenteil nur dann von diesem Prozess erfasst, wenn das Anlagenteil mit der KWK-Kraftmaschine verbunden ist, was bei Rauchgasreinigungsanlagen eben nicht der Fallist.

Der BFH ist in einer Entscheidung dieser engen Auslegung entgegengetreten (Urteilvom 11.11.2008, VII R 33/07 (NV)). Demnach ist die konkrete Verwendung des Energie-erzeugnisses entscheidend, die nicht auf das Geschehen im Kessel beschränkt werdenkann. Entscheidend ist nach Auffassung des BFH, dass der Einsatz des Energieerzeug-nisses zur Aufrechterhaltung des KWK-Prozesses erforderlich ist. Bei Rauchgasreini-gungsanlagen ist das wegen der Vorgaben der 13. BImSchV zu bejahen und aufgrunddes umweltpolitischen Ziels der Steuerentlastung von effektiven KWK-Anlagen auch zubegrüßen. Die Ansicht des BFH überzeugt. Die willkürliche Unterscheidung nach Pro-zessteilen, die vom BMF vorgenommen wird, findet keine Stütze im Gesetz.

3. Zusatzfeuerung

Ein ähnliches Problem stellt sich bei einer Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, diein Abhitzekesseln mit Zusatzfeuerung verwendet werden. Bei diesem Verfahren wird die

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8) § 2 Abs. 1 Nr. 9, 10, Abs. 3 EnergieStG.

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im Rahmen der Erzeugung von Strom mittels einer Gasturbine entstehende Abhitze auf-gefangen. Diese wird dann unter Einsatz anderer Energieerzeugnisse weiter erwärmtund für betriebliche Belange verwendet. Fraglich ist nun, ob diese Zusatzfeuerung nochals Teil der Anlage anzusehen ist. Hier gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtspre-chung. Entscheidend ist, ob die für die Zusatzfeuerung verwendete Energie noch „zurgekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme“ verwendet wird. Unter Berücksichtigungder vorstehend genannten Entscheidung, der verbesserten Energieeffizienz durch einesolche Zusatzfeuerung sowie deren betrieblicher Notwendigkeit ist zu erwarten, dassauch in diesem Fall eine vollumfängliche Steuerentlastung zu gewähren ist.

V. Steuerentlastung bei Dual-use-Prozessen

Eine weitere Steuerentlastung ist bei sog. Dual-use-Prozessen möglich. § 51 Abs. 1Nr. 1 Buchstabe d) EnergieStG gewährt diese für Energieerzeugnisse, die „gleichzeitigzu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff“ verwendet wer-den. In Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b) der EnergieStRL, der durch § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchsta-be d) EnergieStG in deutsches Recht umgesetzt wurde, wird der Begriff des Energieer-zeugnisses mit zweierlei Verwendungszweck näher erläutert.

Entscheidende Frage bei diesen Prozessen ist, welche Anforderungen an den „anderenZweck“ zu stellen sind. Ein Beispiel für die Problematik zeigt ein Urteil des FG Düssel-dorf (Urteil vom 9.1.2008, 4 K 2572/07 VM). Hierin wurde aufgrund einer weiten Aus-legung auch das Absengen von Textilfasern als von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d) Ener-gieStG angesehen. „Anderer Zweck“ war hiernach auch die Verwendung eines Energie-erzeugnisses zur Umwandlung bzw. Vernichtung eines Stoffs durch Übertragung vonWärmeenergie bei industriellen Prozessen. Diese Argumentation stützte sich auf dieEntscheidung des EuGH zum Begriff des „Verbrauchs als Heizstoff“ (Urteil vom29.4.2004, C-240/01 „Kommission vs. Deutschland“).

Der BFH hat das Urteil des FG Düsseldorf jedoch aufgehoben (Urteil vom 28.10.2008,VII R 6/08). Demnach ist die Auslegung des EuGH zum Begriff des „Verbrauchs als Heiz-stoff“ für Dual-use-Prozesse nicht relevant. Dem ist auch zuzustimmen. 9) Der BFH hatallerdings eigene Kriterien für den „anderen Zweck“ aufgestellt, die in der Praxis zu er-heblichen Problemen führen werden. So ist nach Ansicht des BFH erforderlich, dass dasEnergieerzeugnis neben der Verwendung als Heizstoff auch als Roh-, Grund- oder Hilfs-stoff bei einem industriellen Verfahren eingesetzt wird. 10) Ferner setzt der BFH voraus,dass die Wärmeerzeugung durch das Energieerzeugnis in den Hintergrund tritt. Diese

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9) Zu beachten ist, dass im zu entscheidenden Fall neben dem Verheizen schon kein anderer – gleich wiezu qualifizierender – Zweck vorlag.

10) Insoweit zustimmend Bongartz, „Dual use“ im Energiesteuerrecht, ZfZ 2009, 57, 62, der jedoch Zweifelan der Grundlage für die Rangfolge äußert und die Entscheidung in rechtspolitischer Hinsicht zu Rechthinterfragt, da sie den Anwendungsbereich der Vorschrift deutlich einengt.

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Voraussetzungen entnimmt der BFH aus Art. 2 Abs. 4 der EnergieStRL. Nur in diesem Fallsei die Bundesrepublik Deutschland frei, von der Pflicht zur Besteuerung abzuweichen.

Die Anknüpfung an Art. 2 Abs. 4 der EnergieStRL und an eine bestimmte Verwendungdes Energieerzeugnisses ist als Ausgangspunkt für die Steuerentlastung überzeugend.Allerdings wird die Einschränkung des BFH, dass die Erzeugung von Wärmeenergie inden Hintergrund treten soll, weder vom EnergieStG noch von Art. 2 Abs. 4 der Ener-gieStRL gestützt. Etwaige Missbrauchsfälle könnten über eine Wesentlichkeitsklauselbehandelt werden, was die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung bezüglich derFeststellung des Primärzwecks entfallen lassen würde. Es bleibt abzuwarten, wie sichdie Rechtsprechung entwickelt.

VI. Ausblick

Das Energie- und Stromsteuerrecht wird auch in Zukunft zahlreiche Veränderungen er-fahren. Ob diese stets zum Besseren sind, wird die Zeit zeigen. Bei manchen Änderun-gen ist jedoch schon aufgrund der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Informationeneine kritische Bewertung geboten.

So ist zunächst die geplante CO2-Steuer zu betrachten. Deren Einführung ist bereits ineinem Entwurf zur EnergieStRL vorgesehen gewesen. Dieser Teil des Entwurfs wurdenicht in die endgültige Fassung übernommen. Nunmehr unternimmt die Kommission ei-nen weiteren Vorstoß. Hiernach ist für die Besteuerung eines Energieerzeugnisses auchdessen CO2-Ausstoß entscheidend. Problematisch ist insbesondere die Abgrenzung fürBereiche, die dem Emissionshandel unterfallen. Zudem scheinen die im Entwurf vorlie-genden Regelungen nicht mit der Systematik der bisherigen Energiesteuerrichtlinie ab-gestimmt zu sein.

Auch die angedachte Umstellung der Energiebesteuerung auf eine einheitliche Besteue-rung aufgrund des jeweiligen Energiegehalts begegnet Bedenken. Die einheitliche Steu-er in EUR pro Gigajoule würde im Ergebnis zu einer höheren Belastung mancher fossi-ler Energieträger wie Kohle und Diesel führen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dieEU die Energiebesteuerung in einer solch drastischen Weise harmonisieren will. DenMitgliedstaaten würde bei einer konsequenten Umsetzung kein Spielraum mehr blei-ben, um die besonderen nationalen industriepolitischen und sozialen Belange zu be-rücksichtigen.

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Plenumsdiskussion „Energiesteuern“zu den Referaten von Prof. Dr. Reinhard Quick und

Dr. Roland Stein

Moderation: Dr. Harald Jatzke Richter am Bundesfinanzhof, München

Zusammengefasst von Astrid Berlth, LL.M und Karina Witte, LL.MWissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Steuerrecht, Abteilung Zoll- und

Verbrauchssteuerrecht der WWU, Münster

In der Anmoderation warf Dr. Jatzke verschiedene Fragestellungen auf, die im Zentrumder weiteren Diskussion stehen sollten. So ging es zunächst darum, dass Regelungsbe-darf bezüglich einer Abstimmung zwischen den neuen Vorschlägen der Kommission zurUmgestaltung der Energiesteuer und den abgaberechtlichen Folgen des Emmissions-handels herrsche. Darüber hinaus ging er auf die im Schrifttum herrschende Diskussionein, ob es sich bei den zum Erwerb der Emmissionsberechtigungen aufgewendeten Be-trägen um Steuern handele und deswegen eine Zahlung eines Entgelts für die erworbe-nen Zertifikate als Steuerbelastung zu klassifizieren sei. Bei dem vieldiskutierten „bor-der adjustment“ müsse zudem auch überprüft werden, ob ein solcher Grenzausgleichabgabenrechtlich überhaupt durchsetzbar und darüber hinaus politisch erwünscht sei.

CO2-Grenzausgleich an der EU-Außengrenze

Als Einstieg in die Diskussion zum Vortrag von Prof. Dr. Quick wies Dr. Jatzke auf die ho-hen Hürden hin, die sich für die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs ergeben undwarf exemplarisch die Fragen nach der umwelt- und handelspolitischen Attraktivität ei-nes solchen Ausgleichs und nach der abgabenrechtlichen Durchsetzbarkeit auf.

Herr Körner (BASF SE) stellte im Anschluss daran zu bedenken, dass eine Art produkt-basierte CO2-Mehrwertsteuer vielleicht die einzige Möglichkeit zur Verwirklichung einesCO2-Grenzausgleichs darstelle und man sich vom ETS-System abwenden müsse. HerrWiedow (Europäische Kommission) griff die Diskussion um die Rechtsnatur des Emissi-onshandels auf und stellte erneut die Frage, ob es sich bei diesem Handel im Rahmendes CO2-Grenzausgleichs um eine Steuer handele und ob in der Folge eine Umgehungder EU-rechtlichen Vorgaben insbesondere der Kompetenzen vorliege, da nämlich keine„gesetzgeberische“ Zuständigkeit in diesem Bereich gegeben sei.

Prof. Quick antwortete auf die Frage von Herrn Körner, dass die kostenlose Zuteilung fürexponierte Sektoren einen guten Weg zur Wettbewerbsfähigkeit darstellen könne, aller-

Plenumsdiskussion „Energiesteuern“

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dings einige WTO-rechtliche Probleme mit sich bringe, zumal man die kostenlose Zutei-lung als Subvention einordnen könne. Nichtsdestotrotz, so führte Prof. Quick weiter aus,müsse am Emissionshandel an sich festgehalten werden, da die Einführung einer reinenCO2-Steuer problematisch sei. Diesbezüglich wurde vor allem auf die auftretendenSchwierigkeiten bei der CO2-Besteuerung einer von ins Steuergebiet der Union ver-brachten oder eingeführten Ware hinsichtlich des bestehenden Welthandelsrechts dar-gestellt. Auch hier stelle sich also die Frage des Grenzausgleichs.

Auf die Frage von Herrn Wiedow, ob eine Steuer vorliegt, vertrat Prof. Quick die Ansicht,dass keine Steuer, sondern eine Umweltregelung vorlege. Dieser Aspekt wurde im wei-teren Verlauf kontrovers diskutiert, wobei keine Einigung erzielt werden konnte.

Praxisprobleme der Energiesteuer und Stromsteuer

Als Einstieg in die Diskussion zu den Ausführungen über die Praxisprobleme der Ener-giesteuer und der Stromsteuer von Dr. Stein wies Dr. Jatzke darauf hin, dass die Ent-scheidungen des BFH auf diesem Feld Einzelfälle beträfen und ging auf die Schwierig-keiten der rechtlichen Beurteilung entsprechender Prozesse ein, die sich durch die kom-plexen technischen Vorgänge ergäben. Als Beispiel nannte er die Problematik, die dieDefinition des Begriffs der Anlage mit sich bringe, da sich einen solche Definition im Ge-setz nicht findet. Konsequenz sei, dass der BFH in alle Richtungen hin auslege.

Im Anschluss kam Herr Milewski (Bayer Business Services GmbH) auf das KWK-Urteildes BFH zu sprechen und stellte den von Dr. Stein gezogenen Vergleich dieses Urteilszur steuerlichen Begünstigung von Energieerzeugnissen zur Rauchgasentschwefelungin einer KWK-Anlage mit dem Fall der zusätzlichen Befeuerung eines Abhitzekessels inFrage. Die Rauchgasreinigungsanlage sei aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Be-stimmungen zwingend für den Betrieb der KWK-Anlage erforderlich, während der Ab-hitzekessel lediglich zur Effizienzsteigerung der Anlage beitrage, nicht jedoch aus um-weltschutzrechtlichen Gründen zwingend für den Betrieb der Anlage erforderlich sei. Erhielt die beiden Fälle daher für nicht vergleichbar. Auf diesen Einwand entgegnete Dr.Stein, dass es bei der Abhitzekesselzusatzbefeuerung zwar keine gesetzliche Pflicht ge-be, diese jedoch technisch zwingend erforderlich sei. Ohne die Abhitzekesselzusatzbe-feuerung könne nicht so viel Dampf oder Strom erzeugt werden, wie es der Betrieb er-fordere. Zwar sei die Frage nach der Vergleichbarkeit dieser beiden Fälle noch nicht ent-schieden, jedoch habe das Finanzgericht Düsseldorf in einem Fall, in dem es um einezum Schutz der Arbeiter erforderliche Klimatisierung einer Schaltanlage ging, in diesemSinne entschieden. Dieses Urteil könne als Bestätigung der Annahme gesehen werden,dass der Fall der rechtlichen und der technischen Erforderlichkeit in der Frage nach Steu-erbegünstigungen vergleichbar seien.

Des Weiteren wurde die Frage einer Steuerentlastung von Energieerzeugnissen, die inbestimmten Verfahren und Prozessen verwendet worden sind, diskutiert. Ausgangs-punkt für die Erläuterung dieser Frage war die Entscheidung des BFH zur „Dual-use“-

Plenumsdiskussion „Energiesteuern“

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Verwendung von Energieerzeugnissen beim Absengen von Textilfasern und die sichdann anschließende ebenfalls von Herrn Milewski aufgeworfene Frage, ob die vom BFHaufgestellten Voraussetzungen auch auf die in § 51 EnergieStG übertragbar seien. HerrMilewski zweifelte an der von Dr. Stein begrüßten Auslegung des Begriffs des „Dual-Use“-Prozesses vom BFH, nach der eine Verwendung zusätzlich neben dem Heizzweckals Rohstoff oder Hilfsstoff vorliegen muss. Bezüglich Frage, ob die Energieerzeugnissegleichzeitig als Roh- oder Hilfsstoff eingesetzt werden müssen, wurde im Laufe der Dis-kussion keine Einigkeit erzielt.

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Das Compliance-Programm von SiemensVorbeugen (Prevent), Aufdecken (Detect), Reagieren (Respond)

und fortlaufende Verbesserung (Continuous Improvement)

Dr. Klaus MoosmayerChief Counsel Compliance, Siemens AG, München

Inhaltsübersicht

Einleitung

I. Verantwortung des Managements: „The Tone from the Top“

II. Compliance-Organisation

III. Vorbeugen („Prevent“)1. Compliance-Regelwerk

2. Training und weitere Kommunikationsmaßnahmen

3. Zentralisierung

4. Compliance Helpdesk (Teil I)

5. Integration der Compliance in Personalprozesse

IV. Aufdecken („Detect“)1. Compliance Helpdesk (Teil II)

2. Compliance-Untersuchungen

3. Compliance-Prüfungen und -Kontrollen

V. Reagieren („Respond“)1. Disziplinarische Ahndung von Verstößen

2. Globale Fallverfolgung

3. Monitoring der Effektivität der Compliance-Maßnahmen

VI. Fortlaufende Verbesserung („Continuous Improvement“)

VII. Collective Action

Ausblick

Das Compliance-Programm von Siemens

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Einleitung

Das heutige Compliance-Programm von Siemens entstand in den Jahren 2007 und 2008und zwar als Reaktion auf die strafrechtlichen Ermittlungen der StaatsanwaltschaftMünchen, der US-Börsenaufsicht, des US-Justizministeriums und zahlreicher anderer Er-mittlungsbehörden weltweit. Im Zuge dieser Ermittlungen und der im Januar 2007 be-gonnenen und im Januar 2009 beendeten internen unabhängigen Untersuchungen derUS-Kanzlei Debevoise & Plimpton wurden langjährige und systematische Verstöße ge-gen die Anti-Korruptionsgesetze und Buchführungsregeln in zahlreichen Geschäftsbe-reichen und Regionalgesellschaften von Siemens aufgedeckt, wie sie auch in den Doku-menten der US-Behörden im Rahmen des Verfahrensabschlusses in den USA am15.12.2008 anschaulich dargestellt wurden. Der Abschluss der Verfahren in Deutsch-land und den USA gegen das Unternehmen war – so ausdrücklich die US-Behörden –nur möglich, weil Siemens innerhalb von weniger als zwei Jahren neben der ermitt-lungstechnischen Aufarbeitung der Vergangenheit und der vollumfänglichen Kooperati-on mit den Behörden ein umfassendes neues Compliance-Programm entwickelt undweltweit implementiert hat. Das neue Compliance-Programm beruht auf einer klarenSystematik, der sich alle Compliance-Maßnahmen im Konzern zuordnen lassen müssen:

Nachfolgend werden die wesentlichen Grundzüge des neuen Compliance-Programmsdieser Systematik dargestellt.

Das Compliance-Programm von Siemens

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Prevent Detect Respond

� Training

� Policies & Pro -

� Program

communication

� Centralization

� Compliance

investigations

� Compliance

reviews

� Compliance

controls

� Consequences for

misconduct

� Global case trac king

� Monitoring

effectiveness

� Integration with

personnel processes

� Compliance helpdesk (incl. Global Ombudsman fun ction) � Compliance helpdesk (incl. Global Ombudsman fun ction)

� Compliance Organiz ation � Compliance Organiz ation

� "Tone from the Top" � "Tone from the Top"

Conti - nuous

improve - ment

cedures / Tools

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I. Verantwortung des Managements: „The Tone from theTop“

Eine wesentliche Erkenntnis aus den Ermittlungen der vergangenen Jahre war, dass dieFührungskultur im Bereich Compliance versagt hatte und so systematische Korruptionermöglichte. Im Verlauf des Jahres 2007 wurden daher zentrale Positionen neu besetzt,nämlich die des Aufsichtsratsvorsitzenden (Dr. Gerhard Cromme) und des Vorstandsvor-sitzenden (Peter Löscher), des General Counsels (Peter Solmssen, der gleichzeitig zumVorstandsmitglied mit den Zuständigkeiten für Recht und Compliance ernannt wurde),des Chief Compliance Officers (Dr. Andreas Pohlmann) und des Chief Audit Officers(Hans Winters). Auch der Vorstand der Siemens AG wurde fast vollständig neu benannt.Der neue Vorstandsvorsitzende, Peter Löscher, erklärte in einer wegweisenden Rede Fol-gendes:

„Only clean business is Siemens business – everywhere – everybody – everytime …Compliance as part of Corporate Responsibility is 1st priority“

Alle Führungskräfte des Konzerns wurden aufgefordert, diese Botschaft ins Unterneh-men zu tragen. Bis zum Ende des Geschäftsjahres 2008 besuchten die Vorstände, derChief Compliance Officer und leitende Mitarbeiter der Compliance-Organisation in ei-ner speziell aufgesetzten „Compliance Roads-how“ insgesamt 54 Länder, die entwederaufgrund des großen Geschäftsvolumens oder aufgrund bestehender Korruptionsrisikenfür den Erfolg des Compliance-Programms besonders bedeutsam sind, und sprachen inMitarbeiterversammlungen und mit dem lokalen Management über die Bedeutung derCompliance. Diese Maßnahme wurde seither fortgeführt.

Eine im Sommer 2008 bei 90.000 repräsentativ ausgewählten Mitarbeitern weltweitauf anonymer Basis durchgeführte Umfrage („Compliance Preception Survey“) be-stätigte, dass diese Botschaft bei den Mitarbeitern angekommen ist. Bei über 80% derAntworten wurde angegeben, dass das Management Compliance gegenüber den Mit-arbeitern vertritt, das Compliance-Programm und die Verantwortung der Mitarbeiter fürdessen Einhaltung verstanden und Verstöße ernst genommen und geahndet werden.Die Umfrage wurde auch im Geschäftsjahr 2009 wiederholt, um die weitere Entwick-lung nachverfolgen zu können und hat eine noch größere Zufriedenheit der Mitarbeitermit den Compliance-Maßnahmen ergeben. Im Jahr 2010 wurde der Compliance Percep-tion Survey in die neue „Engagement und Compliance-Befragung“ integriert, diean sämtliche rund 400.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Siemens weltweit ge-richtet ist und deren Ergebnisse im Herbst 2010 vorliegen werden.

Die Verantwortung für die Compliance liegt letztlich beim Management; die Complian-ce-Organisation stellt hierzu die Prozesse zur Verfügung. Um dies auch nachhaltig zuverankern, wurde bei Siemens unternehmensweit ein „Compliance Review Process“eingeführt. Vierteljährlich besprechen das Management und die Compliance-Organisa-tion den Stand des Compliance-Programms, seiner Implementierung und wesentliche

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Entwicklungen und Fälle. Der Compliance Review Process aggregiert dabei die Erkennt-nisse über die verschiedenen Berichtslinien nach oben.

So liegen dem Compliance-Bericht des Chief Compliance Officer und des Chief CounselCompliance im Vorstand und im Compliance Committee des Aufsichtsrates die Datenund Erkenntnisse zugrunde, die auf der Ebene des operativen Geschäfts gewonnen unddort mit dem Management besprochen wurden.

II. Compliance-Organisation

Noch Anfang 2007 bestand die Compliance-Organisation bei Siemens aus einer Hand-voll Anwälte in der Zentrale und etwa 60 Compliance Officer in den Geschäftsbereichenund Regionen, die ganz überwiegend Compliance als Nebentätigkeit wahrnahmen. Dieshat sich dramatisch geändert. Heute arbeiten rund 600 Mitarbeiter „full time“ in einereinheitlichen Organisation, an deren Spitze bis Juli 2010 der Chief Compliance Officerstand.

Compliance-Organisation bis Juli 2010

Nach dem Ausscheiden des bisherigen Chief Compliance Officer, Andreas Pohlmann,wurde diese Struktur durch den Vorstand zum 1.7.2010 geändert. Künftig wird die Com-pliance-Organisation von Siemens durch den Chief Compliance Officer und den ChiefCounsel Compliance geleitet, die beide direkt dem Vorstandsmitglied für Recht undCompliance bei Siemens, Peter Solmssen, berichten. Zum neuen Chief Compliance Of-ficer wurde der bisherige Deutschland-Chef von Siemens, Josef Winter, und zum ChiefCounsel Compliance der bisherige Compliance Operating Officer, Dr. Klaus Moosmayer,ernannt. Siemens stärkt damit die bisherige Compliance-Organisation durch eine orga-nisatorische Fokussierung auf operative Aufgaben einerseits und juristische Aufgabenandererseits.

Das Compliance-Programm von Siemens

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Corporate

Compliance

Officer

Sector

Compliance

Officers

Compliance

External

Affairs

& Training

Compliance

Program

Management

Compliance

Operating

Officer

Regional

Compliance

Officers

(RCOs)

Division

Compliance

Officers

(DCOs)

Chief

Compliance

Officer

Cross Sector

Compliance

Officers

(DCOs)

Cluster

Compliance

Officers

Member of the

Managing Board

General Counsel

Disciplinary

Sanctions

Compliance

Helpdesk &

Monitoring

Compliance

Investigation

Compliance

Legal

Corporate

Compliance

Officer

Sector

Compliance

Officers

Compliance

External

Affairs

& Training

Compliance

Program

Management

Compliance

Operating

Officer

Regional

Compliance

Officers

(RCOs)

Division

Compliance

Officers

(DCOs)

Chief

Compliance

Officer

Cross Sector

Compliance

Officers

(DCOs)

Cluster

Compliance

Officers

Member of the

Managing Board

General Counsel

Disciplinary

Sanctions

Compliance

Helpdesk &

Monitoring

Compliance

Investigation

Compliance

Legal

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Compliance-Organisation ab Juli 2010

Von den derzeit rund 600 Compliance-Mitarbeitern arbeiten etwa 80 Mitarbeiter in derZentrale, die übrigen Mitarbeiter verteilen sich zu annähernd gleichen Teilen auf dieSektoren/Divisionen und die Regionalgesellschaften des Unternehmens.

In dieser „durchgestochenen“ Organisation entscheidet der Chief Compliance Officerdabei auch in fern entlegenen Ländern über die Beurteilung, Karriere und auch Entloh-nung seiner Compliance Officer, die alle letztlich ihm berichtspflichtig sind. Die Verant-wortungen sind dabei klar verteilt. Die Compliance Officer sind in Ihren Verantwor-tungsbereichen (Corporate Units, Sektoren, Divisionen und Regionen) für die Einfüh-rung und Implementierung des Compliance-Programms zuständig. Cluster ComplianceOfficer leiten die Compliance-Organisation in den Weltregionen des Siemens Konzerns.

Der Chief Counsel Compliance führt die vier Abteilungen Compliance Helpdesk, Com-pliance Legal, Compliance Investigations und Compliance Disciplinary Sanctions. DieOrganisation des Chief Counsel Compliance deckt den gesamten Prozess der Bearbei-tung von Hinweisen auf mögliche Compliance-Verstöße von ihrem Eingang im Unter-nehmen, über ihre juristische Behandlung und Untersuchung bis hin zu einer ggf. erfor-derlichen arbeitsrechtlichen Ahndung und sonstigen Nachverfolgung erkannter Defizite(„Remediation“) ab. Der Chief Counsel Compliance ist dabei auch für die zentralenCompliance-Richtlinien und -Kontrollen zuständig.

Die Compliance-Organisation soll nicht statisch, sondern zu den anderen Stabs- undoperativen Einheiten des Unternehmens hin durchlässig sein. Es ist für den Erfolg derCompliance von zentraler Bedeutung, dass die Arbeit in der Compliance-Organisationals Karriereschritt begriffen wird. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit der Personalab-teilung ein eigenes Programm zum Kompetenzaufbau entwickelt („Competency Ma-nagement“), das zu einer systematischen Förderung der Mitarbeiter in der Complian-ce-Organisation beitragen soll.

Das Compliance-Programm von Siemens

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Corporate Compliance

Officer

Sector Compliance

Officers

Compliance External Affairs

& Training

Compliance Program

Management

Chief Counsel

Compliance

Regional Compliance

Officers (RCOs)

Division Compliance

Officers (DCOs)

Chief Compliance

Officer

Cross Sector Compliance

Officers (DCOs)

Cluster Compliance

Officers

Member of the Managing Board General Cou nsel

Discipl inary Sanctions

Compliance Helpdesk & Monitoring

Compliance Investig ation

Compliance Legal

Corporate Compliance

Officer

Sector Compliance

Officers

Compliance External Affairs

& Training

Compliance Program

Management

Chief Counsel

Compliance

Regional Compliance

Officers (RCOs)

Division Compliance

Officers (DCOs)

Chief Compliance

Officer

Cross Sector Compliance

Officers (DCOs)

Cluster Compliance

Officers

Member of the Managing Board General Cou nsel

Discipl inary Sanctions

Compliance Helpdesk & Monitoring

Compliance Investig ation

Compliance Legal

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Um den Zusammenhalt innerhalb der Compliance-Organisation zu stärken, finden re-gelmäßig Compliance-Konferenzen sowohl in den Regionen als auch globale Zusam-menkünfte der Compliance Officer statt.

In 2009 wurden Regionalkonferenzen u.a. in Jakarta, Warschau, Peking, Mexico Cityund Hongkong abgehalten. 2010 fanden bzw. finden Konferenzen in Feldafing/Mün-chen, Mumbai, Johannesburg, Peking und Bogota statt.

III. Vorbeugen („Prevent“)

1. Compliance-Regelwerk

Das Herzstück des Siemens Compliance-Programms sind die „Business Conduct Gui-delines“, die im Januar 2009 in überarbeiteter Form vom Vorstand verabschiedet wur-den. Sie enthalten die zentralen Verhaltensvorgaben und gehen dabei weit über die Kor-ruptionsbekämpfung und das Wettbewerbsrecht hinaus. Das ergänzende Compliance-Regelwerk ist umfassend und behandelt Compliance bei M&A-Transaktionen ebensowie Fragen des Sponsorings und von Spenden. Im Verlauf des Jahres 2008 hat sich al-lerdings die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Flut von Regelungen die Mitarbeitereher verunsichert als echte Hilfestellung bietet. Compliance gerät in die Gefahr, als Bü-rokratie angesehen zu werden. Deshalb wurden 2008 und 2009 wesentliche Complian-ce-Regelungen – unter Beibehaltung der hohen Standards – weniger komplex gestaltetund in die Geschäftsabläufe integriert. Als ein Beispiel sei die neue Business PartnerPolicy herausgestellt: Bis Mitte 2008 mussten unternehmensweit sämtliche Zahlungenund Vertragsabschlüsse mit vertriebsunterstützenden Beratern zentral vom Chief Com-pliance Officer in Deutschland freigegeben werden, nachdem diese Vorgänge zuvor ineinem langwierigen Verfahren vom Management und den zuständigen Compliance-Be-auftragten der betroffenen Einheiten geprüft worden waren. Hintergrund war ein An-fang 2007 verhängtes Moratorium, nachdem der Einsatz dieser Berater als eines derwesentlichen Instrumente für die Herausschleusung von Geldern aus dem Unternehmenund deren korruptive Verwendung erkannt worden war. Allerdings hatte dieses Verfah-ren zahlreiche Nachteile: Es war zu bürokratisch, langwierig, machte keinen Unterschiedbezüglich des mit dem Berater tatsächlich verknüpften Compliance-Risikos und trugnicht der Tatsache Rechnung, dass korruptive Zahlungen ebenso über andere Geschäfts-partner wie etwa Handelsvertreter, Zollagenten und Konsortialpartner möglich sind.Deshalb wurde Mitte 2008 mit der Business Partner Policy ein neuer Ansatz gewählt. Al-le Geschäftspartner mit Mittlerfunktion zwischen Siemens und dem Kunden müssen ei-ner Risikoprüfung unterzogen werden, die unternehmensweit einheitlich ist und überein elektronisches Tool erfolgt. Anhand von bestimmten Risikoindikatoren – wie etwadem Korruptionsrisiko im Einsatzland – wird eine Risikoklasse (hohes, mittleres oder ge-ringes Risiko) für den Geschäftspartner festgelegt, die anschließend das weitere Vorge-hen bestimmt (Due Diligence, Genehmigungserfordernisse und zwingende Vertrags-klauseln). Bislang wurden bereits rund 18.500 Geschäftspartner über diesen Prozessklassifiziert und vor Veranlassung einer Zahlung oder eines Neuabschlusses eines Ver-

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trags entsprechend ihrer Risikoklasse behandelt. Dies zeigt die Akzeptanz dieses risiko-orientierten Regelungsansatzes im operativen Geschäft. Vergleichbares gilt auch fürden Genehmigungsprozess des Projektgeschäftes von Siemens („Limits of Authority“).Mögliche Aufträge werden hierbei nunmehr nicht mehr nur nach finanziellen und tech-nischen Risiken bewertet, sondern auch nach ihren spezifischen Compliance-Risiken.

In 2009 wurden zwei weitere wesentliche Schritte zur Fortentwicklung und leichterenHandhabung von Compliance-Regelungen unternommen. Im praxisrelevanten Bereichder Geschenke und Einladungen wurden die bestehenden Regelungen dergestaltüberarbeitet, dass die Mitarbeiter anhand von länderspezifischen „Scorecards“ selbstund eigenverantwortlich prüfen können, ob z.B. Essenseinladung der Genehmigungdurch die Führungskraft oder den Compliance Officer bedürfen. Sponsoring, Spendenund Mitgliedschaften werden unternehmensweit nach einheitlichen Compliance-Kri-terien über ein neues elektronisches Tool erfasst und genehmigt.

2. Training und weitere Kommunikationsmaßnahmen

Die besten Compliance-Regelungen sind nutzlos, sofern sie den Mitarbeitern nicht be-kannt und in der Anwendung vertraut sind. Siemens hat bei der Implementierung desCompliance-Programms daher einen Schwerpunkt auf das Training gesetzt. Seit 2007wurden über 280.000 Mitarbeiter weltweit in Compliance geschult, davon rund 91.000in persönlichen Trainings mit einer Dauer zwischen 4 und 8 Stunden und rund 188.000Mitarbeiter mit Unterschriftsberechtigung über elektronische Schulungsprogramme.Auch das Top-Management war von der Teilnahme an den Compliance-Trainings nichtausgenommen und besonderer Wert wurde auf das Training von Funktionen wie Recht,Einkauf und Vertrieb gelegt. Nach der erfolgreichen Durchführungen eines „Train-the-Trainer“-Konzepts ist Siemens inzwischen in der Lage, die Trainings ohne fremde Unter-stützung durch die Compliance-Organisation und die Siemens-interne Fortbildungsein-richtung durchzuführen. Ein besonders intensives Training erfahren schließlich alle neu-en Compliance Officer weltweit, die einen viertägigen Einführungskurs in Münchendurchlaufen. Um die Nachhaltigkeit des Compliance-Wissens und des entsprechendenVerhaltens sicherzustellen, wurden regelmäßige „refreshers“ im Trainingsbereich fürFührungskräfte und sog. „sensitive functions“ (z.B. Vertrieb) durchgeführt. Außerdemsollen Compliance-Module noch mehr Eingang in die Grundausbildung von SiemensMitarbeitern finden.

Neben dem Training hat Siemens zahlreiche weitere Kommunikationsmaßnahmen ein-geführt, um Compliance im Unternehmen nachhaltig zu verankern. Mitarbeiter und Ma-nagement werden zeitnah über Intranet und E-Mail über neue Maßnahmen und Ent-wicklungen informiert und in der Mitarbeiterzeitschrift wird regelmäßig über Complian-ce-Themen berichtet. Für die Compliance-Organisation gibt es einen eigenen, im Rhyth-mus von 2 bis 3 Monaten erscheinenden Newsletter. Die große Herausforderung für dieZukunft ist es, all diese Maßnahmen im Rahmen einer längerfristig angelegten Kommu-nikationsstrategie für Compliance fortzuentwickeln.

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3. Zentralisierung

Neben der bereits vorgestellten einheitlichen Compliance-Organisation wurden 2008auch die Funktionen Recht und Revision zentralisiert, um einheitliche Arbeitsprozesseund Qualitätsstandards zu erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt bei der Zentralisierungvon wesentlichen Kontrollmechanismen war der Zahlungsverkehr. Die Anzahl der Bank-konten im Konzern wurde stark reduziert. Das Vorhalten von Bargeld – von streng über-wachten und dokumentierten Ausnahmen abgesehen – wurde völlig verboten. Ausge-hende Zahlungen werden bei Risikohinweisen (etwa Zahlungen in Länder mit hohemKorruptionsrisiko) zentral einer Nachprüfung unterzogen.

4. Compliance Helpdesk (Teil I)

Der Compliance Helpdesk übt wesentliche Funktionen im Bereich der Vorbeugung(„Prevent“), bei der Aufdeckung von Compliance-Verstößen („Detect“) und bei derkontinuierlichen Fortentwicklung des Compliance-Programms („Continuous Improve-ment“) aus. Nachfolgend geht es zunächst um den Bereich der Vorbeugung. Die Mitar-beiter von Siemens haben weltweit die Möglichkeit, per E-Mail an das Helpdesk Fragenzum Compliance-Programm, seiner Auslegung und praktischen Anwendung zu stellen(Funktion „Ask Us“). Seit dem Start des Helpdesks im September 2007 sind bereitsüber 10.000 Fragen an die dort tätigen Mitarbeiter gestellt werden, die diese mithilfeeines unternehmensweiten Netzwerks von Experten beantworten. Die Antworten, dieim Normalfall innerhalb von wenigen Arbeitstagen erfolgen, werden von Anwälten derAbteilung Compliance Legal freigegeben. „Ask us“ ist dabei ein wichtiger Gradmesserfür Themen, die die Mitarbeiter im Bereich Compliance aktuell besonders beschäftigen.Ebenfalls zum Bereich der Vorbeugung gehört die neue Funktion „Approve It“, mit derAnträge auf die Vorabgenehmigung von Geschenken und Einladungen zentral von derCompliance-Organisation bearbeitet und dokumentiert werden können. Die Funktion„Find It“ erlaubt den Mitarbeitern die weltweit und lokal geltenden Compliance-Rege-lungen sowie weitere Informations- und Trainingsmaterialien schnell auf einer EDV-Plattform zu finden.

5. Integration der Compliance in Personalprozesse

Als eines der ersten Unternehmen weltweit hat Siemens 2008 Compliance zum Be-standteil des Vergütungssystems des oberen Managements (rund 5.500 Mitarbeiterweltweit) gemacht („Compliance Related Incentive System“). Im Geschäftsjahr2009 hingen 20% des auf die Unternehmenseinheiten bezogenen Jahresbonus vom Er-reichen definierter Compliance-Ziele ab. Neben den Ergebnissen der bereits erwähntenMitarbeiterbefragung waren Kriterien für die Zielerreichung die von der Revision getes-tete Umsetzung des Compliance-Programms und die Frage, ob das Management aufneue Compliance-Vorgänge angemessen reagiert, sie unverzüglich an die Compliance-Organisation gemeldet und diese bei der Aufklärung unterstützt hat.

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Die Ergebnisse waren für das letzte Geschäftsjahr zwar insgesamt überdurchschnittlichgut, allerdings gab es zwischen den einzelnen Einheiten und Regionalgesellschaften er-hebliche Unterschiede im positiven wie negativen Bereich. Auch im Geschäftsjahr 2010wird die Erreichung der Compliance-Ziele wieder die Höhe der Bonusauszahlung mitbe-stimmen.

Ein weiterer wichtiger Bezug der Compliance zu den Personalprozessen besteht im„Compliance-Screening“ von Mitarbeitern, die für Konzernschlüsselfunktionen oderfür eine Tätigkeit bei Compliance, Revision oder Rechtsabteilung vorgesehen sind. Ent-sprechende Kandidaten werden vor der endgültigen Auswahlentscheidung von derCompliance-Organisation daraufhin überprüft, ob Hinweise auf Fehlverhalten (etwalaufende interne oder behördliche Untersuchungen) vorliegen, die einer Beförderungentgegenstehen könnten. Dieser von der Personalabteilung und der Abteilung Compli-ance Disciplinary Sanctions verantwortete Prozess ist im Übrigen den Kandidaten vor-ab klar kommuniziert.

IV. Aufdecken („Detect“)

1. Compliance Helpdesk (Teil II)

Neben den bereits im Bereich der Vorbeugung behandelten Funktionen verfügt der Com-pliance Helpdesk mit der Funktion „Tell us“ auch über eine „Whistleblower-Hotline“ fürdie Meldung möglicher Compliance-Verstöße. Diese ist 24 Stunden am Tag in nahezu al-len Sprachen für Mitarbeiter und Dritte weltweit verfügbar und wird von einem von Sie-mens unabhängigen Anbieter betrieben. Dies ermöglicht anonyme bzw. geschützte Hin-weise, die zwar unverzüglich an den Helpdesk in Berichtsform weiter gegeben werden,es dem Helpdesk aber nicht ermöglichen, den Hinweis gegen den Willen des Hinweisge-bers nachzuverfolgen. Alle beim Helpdesk eingehenden Hinweise werden dort erfasstund anschließend von Anwälten der Abteilung Compliance Legal daraufhin geprüft, obein Anfangsverdacht besteht, der weitere Maßnahmen oder eine Untersuchung erfor-dert. Daneben verfügt Siemens seit Anfang 2007 über einen unabhängigen anwaltlichenOmbudsmann in Nürnberg, mit dem auch eine persönliche Kontaktaufnahme möglichist. Im Geschäftsjahr 2010 sind bei „Tell Us“ und dem Ombudsmann bislang rund 400Hinweise (darunter viele im Bereich Personalwesen) eingegangen, von denen rund 350Hinweise weitere Nachprüfungen oder Untersuchungen erforderlich machten.

2. Compliance-Untersuchungen

Eine wesentliche Erkenntnis aus der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Defizitedes früheren Compliance-Programms von Siemens war, dass den vorhandenen Hinwei-sen auf Fehlverhalten nicht frühzeitig und kompromisslos nachgegangen wurde. Mit derEinführung des neuen Compliance-Programms wurde daher beschlossen, einen speziel-len Untersuchungsprozess für Compliance-Verstöße mit den hierzu erforderlichen Res-sourcen zu schaffen.

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Untersuchungen von Hinweisen auf mögliches Fehlverhalten, die etwa über „Tell Us“-Meldungen, den Ombudsmann oder über Ermittlungsbehörden an das Unternehmengelangen, werden unternehmensweit zentral vom Chief Counsel Compliance beauftragtund verantwortet. Die Untersuchungen werden von der 2008 aufgestellten AbteilungCompliance Investigations oder von der Revision durchgeführt und rechtlich von Anwäl-ten der Abteilung Compliance Legal begleitet. Der Untersuchungsprozess trägt der Un-schuldsvermutung, den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats und dem DatenschutzRechnung. Abgeschlossene Untersuchungen werden von einer weiteren Gruppe vonSpezialisten aus der Compliance-Organisation nachbereitet, um zu prüfen, ob die iden-tifizierten Defizite abgestellt wurden und ob es etwa zu strukturellen Versäumnissen beider Implementierung des Compliance-Programms kam („Remediation“).

3. Compliance-Prüfungen und -Kontrollen

Neben den Compliance-Untersuchungen hat die neue, zentrale Revisionsorganisationauch eine eigene Abteilung Compliance Audit aufgestellt, die regelmäßig die Implemen-tierung des Compliance-Programms prüft. Besondere Bedeutung hatten Compliance-Prüfungen und -Kontrollen im Geschäftsjahr 2008 bei dem Testing des „Implementa-tion Toolkit Anti-Corruption“. Bis Ende März 2008 hatten insgesamt 56 „High RiskEntities“ und weitere 106 Einheiten mit besonders hohem Umsatzvolumen über 100Kontrollen zum Compliance-Programm lokal zu implementieren. Dabei ging es bei-spielsweise um die nachweisbare Kommunikation des Compliance-Programms, denAufbau einer Compliance-Organisation, die Meldung und Verfolgung von Compliance-Fällen, die Durchführung der Trainings und die Umsetzung der Vorgaben etwa zu der Be-handlung von Geschäftspartnern oder der Zentralisierung des Zahlungsverkehrs. DieImplementierung dieser Maßnahmen wurde von der Revision in mehreren Wellen ge-testet und führte zum Ende des Geschäftsjahrs 2008 dazu, dass der Abschlussprüfer Sie-mens bestätigte, wieder über ein effektives internes Kontrollsystem zu verfügen, nach-dem dieses Testat weder 2006 noch 2007 erteilt werden konnte.

Im Zuge der bereits geschilderten Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und Entbü-rokratisierung des Compliance-Programms wird ab 2009 das bisherige „Toolkit Anti-Corruption“ durch das „Compliance Control Framework (CCF)“ ersetzt. Das CCF be-inhaltet nunmehr auch erweiterte Kontrollmaßnahmen für die Compliance im BereichKartellrecht und strukturiert die bisherigen Kontrollen neu, sodass sie für die operativenEinheiten besser zu handhaben sind.

V. Reagieren („Respond“)

1. Disziplinarische Ahndung von Verstößen

Vor 2007 wurde bei Siemens auf Gesetzesverstöße im Bereich Korruption und Wettbe-werbsrecht kaum mit disziplinarischen Konsequenzen reagiert. Dies hat sich mit demneuen Compliance-Programm grundlegend geändert. Im August 2007 wurde das „Cor-

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porate Disciplinary Committee“ (CDC) eingerichtet, das durch interne oder behörd-liche Untersuchungen festgestelltes Fehlverhalten bei Mitgliedern des Managementsbewertet und verbindliche Handlungsempfehlungen gibt. Die Vorgänge werden arbeits-rechtlich von der Abteilung Compliance Disciplinary Sanctions vorbereitet, die auch dienachfolgende Umsetzung durch die Personalabteilungen der zuständigen Einheitenüberwacht.

Das CDC ist hochrangig besetzt: Den Vorsitz führt der General Counsel der Siemens AG,der auch Mitglied des Vorstands ist. Weitere Mitglieder sind der Personalvorstand, derFinanzvorstand, der Personalleiter, der Leiter der konzernweiten Führungskräfteent-wicklung, der Chief Compliance Officer und der Chief Counsel Compliance. Zusätzlichwerden jeweils die Führungskräfte der betroffenen Mitarbeiter hinzugezogen, die zuvorauch gemeinsam mit Vertretern der Abteilung Disciplinary Sanctions bzw. Anwälten vonCompliance Legal an der Anhörung der Mitarbeiter teilgenommen hatten. Im CDC wur-den seit seiner Einrichtung bereits rund 180 Entscheidungen getroffen, die von einerformlosen Ermahnung bis hin zur fristlosen Kündigung reichten. Daneben führt die Ab-teilung Compliance Disciplinary Sanctions auch die Statistik über die unternehmensweitgetroffenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen bei Compliance-Verstößen, die nicht vomCDC behandelt werden, soweit keine Mitglieder des höheren Managements betroffensind. Im Geschäftsjahr 2010 wurden bislang weltweit rund 370 arbeitsrechtliche Maß-nahmen mit Compliance-Bezug ausgesprochen, davon über 90 Kündigungen.

Bei der Bewertung der arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist auch das Amnestiepro-gramm von Siemens zu berücksichtigen. Zur Unterstützung der unabhängigen Unter-suchung der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton wurde in Abstimmung mit den US-Be-hörden und der Staatsanwaltschaft München Mitarbeitern unterhalb der obersten Füh-rungsebenen ein vom 31.10.2007 bis 29.2.2008 befristetes Amnestieangebot gemacht,sofern Mitarbeiter vollumfänglich mit der Untersuchung kooperierten und korruptiveSachverhalte offenbarten. Das Amnestieangebot umfasste den Verzicht auf die Geltend-machung von Schadensersatzansprüchen und auf eine einseitige Lösung des Arbeitsver-hältnisses durch das Unternehmen. Insgesamt meldeten sich 123 Mitarbeiter unter demAmnestieprogramm, von denen der Großteil wertvolle Hinweise für die Aufklärung derCompliance-Verstöße in der Vergangenheit machte und daher auch Amnestie erhielt.

2. Globale Fallverfolgung

Die an die Compliance-Organisation gemeldeten Hinweise auf mögliche Compliance-Verstöße werden unternehmensweit durch ein einheitliches „Case Tracking Tool“ er-fasst und zwar – abhängig vom Schweregrad des Vorwurfs – zentral in der AbteilungCompliance Legal oder vom zuständigen Compliance Officer. Zentral zu melden sindweltweit behördliche Ermittlungsverfahren, Hinweise auf Verletzungen der Anti-Korrup-tionsgesetze, des Wettbewerbsrechts sowie Vorgänge mit möglichen materiellen und fi-nanziellen Folgen oder einem drohenden Reputationsverlust für das Unternehmen.Sämtliche in das System eingegebenen Vorgänge werden mit der Finanz- und Steuerab-

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teilung sowie dem Abschlussprüfer des Unternehmens auf ihre bilanzielle Relevanz hinüberprüft und fließen in die Compliance-Berichte an Vorstand und den Compliance-Aus-schuss des Aufsichtsrates ein.

3. Monitoring der Effektivität der Compliance-Maßnahmen

Die von der Compliance-Organisation betriebenen Systeme (etwa das Business PartnerTool oder die zahlreichen Funktionen des Compliance Helpdesk) werden kontinuierlichausgewertet, um zum einen Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können und zum an-deren durch Plausibilitätsprüfungen und Stichproben die Funktionsfähigkeit und An-wendungsbreite im Unternehmen zu überwachen. Diese Monitoring-Aktivitäten sindvon den formellen Prüfungen durch die Revision zu unterscheiden, die im Rahmen derCompliance Audits erfolgen.

VI. Fortlaufende Verbesserung („Continuous Improvement“)

Das Compliance-Programm von Siemens muss sich stets fortentwickeln, um auf Er-kenntnisse aus den Compliance-Prozessen und aus dem Geschäft zu reagieren. Ent-scheidend ist allerdings, dass die entsprechenden Quellen auch genutzt werden. Hierzuzählen in erster Linie die Mitarbeiter. Beim Compliance Helpdesk wurde daher eine wei-tere Funktion „Improve it“ eingerichtet, bei der die Mitarbeiter die Möglichkeit haben,Anregungen und Verbesserungsvorschläge zu adressieren. Eine weitere wichtige Quel-le sind die Erkenntnisse aus Compliance-Untersuchungen, die im Rahmen der „Reme-diation“, d.h. der bereits erwähnten strukturellen Nachbereitung der Fälle und derebenfalls bereits vorgestellten „Compliance Reviews“ gewonnen werden. Das Compli-ance-Programm von Siemens wird daher nie „endgültig“ fertig gestellt sein, sondernsich in einem fortlaufenden Veränderungs- und Verbesserungsprozess befinden.

VII. Collective Action

Für eine wirksame Bekämpfung der Korruption ist über die Anstrengung einzelner Un-ternehmen zum Aufbau ihres Compliance-Programms hinaus ein gemeinsames Handelnerforderlich. Gemeinsam mit dem World Bank Institute und anderen Partnern hat Sie-mens daher einen „Collective Action Guide“ zur Korruptionsbekämpfung entwickeltund im Juni 2008 veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um eine praktische Anleitungfür die Gründung und Durchführung von Integritätsvereinbarungen mit Wettbewerbernund Kunden, um einen korruptionsfreien Wettbewerb zu schaffen. Siemens hat es sichzum Ziel gesetzt, 2009 aktiv für die Umsetzung dieser Vorgaben einzutreten und ent-sprechende, bereits identifizierte Projekte gemeinsam mit Partnern aus der Industrieund der öffentlichen Hand zu verwirklichen. Weiterhin hat Siemens im Rahmen der imJuli 2009 erfolgten Einigung mit der Weltbank eine Integritäts-Initiative mit einem Bud-get von 100 Mio. US-Dollar gestartet. Diese Initiative wird weltweit Organisationen,

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Projekte und Trainingsmaßnahmen im Kampf gegen Korruption finanziell unterstützen.Nach Abschluss des Auswahlprozesses wird die Finanzierung der Aktivitäten noch 2010beginnen.

Ausblick

Nach der erfolgreichen Einführung des Compliance-Programms mit den dargestelltenElementen „Vorbeugen (Prevent) – Aufdecken (Detect) – Reagieren (Respond) und fort-laufende Verbesserung (Continuous Improvement)“ kommt es nun auf die nachhaltigeVerankerung im Unternehmen an. Letztlich geht es um einen umfassenden „ChangeManagement Process“, der langfristig angelegt ist. Besondere Bedeutung kommthierbei der richtigen Kommunikation von Compliance durch das Management zu; Com-pliance muss als selbstverständlicher Teil der Geschäftsprozesse verstanden werden.Die Effizienz und Praxistauglichkeit des Compliance-Programms müssen fortlaufendweiter verbessert und die Risikoanalyse dem sich ständig weiterentwickelnden Geschäftangepasst werden. Der im Rahmen der Vereinbarungen mit den US-Behörden von Sie-mens beauftragte „Independent Compliance Monitor“, Dr. Theo Waigel, wird in denkommenden Jahren bewerten, wie dieser Prozess im Unternehmen voranschreitet.

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Internal Compliance Programme (ICP) in der Exportkontrolle

Georg Pietsch 1)

Abteilungsleiter im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Eschborn

„Compliance“ ist ein neuerdings häufig verwendeter Begriff, der aber weder völlig neunoch von ausschließlicher Relevanz für den Bereich der Exportkontrolle ist. Der aus demangelsächsischen Rechtskreis entliehene Begriff „Compliance“ kann dem Grunde nachmit „Einhaltung von Geboten“ übersetzt werden. Insofern bedingt „Compliance“ in derExportkontrolle zunächst nur, dass die Betroffenen bzw. die am Außenwirtschaftsver-kehr teilnehmenden deutschen Unternehmen im Einklang mit dem nationalen und EU-Recht bewegen; eine Tatsache, die an sich für jeden Normadressaten eine Selbstver-ständlichkeit sein sollte. Beschäftigt man sich mit dem Begriff „Compliance“, so wirdhierunter also im engeren Sinne die Einhaltung und Befolgung (sogar Einwilligung in)von Regeln und Rechtsnormen verstanden. Die Konformität und damit notwendigerwei-se verbundene Lernfähigkeit rechtskonformen Verhaltens ist ein grundlegendes Prinzipdes Rechtsstaates und lässt grundsätzlich keine „Low Performer“ zu.Schon lange ist ein Grundprinzip der Exportkontrolle die Eigenverantwortung der Un-ternehmen. Der Außenwirtschaftsverkehr ist grundsätzlich frei und nur bei von denRechtsregeln erfassten Handlungen muss sich ein Unternehmen zur Genehmigung andas BAFA wenden (oder es besteht ein Verbot, sodass sich alle weiteren Handlungenvon selbst verbieten). Der „Preis der (Außenwirtschafts-)Freiheit“ ist, dass die Unter-nehmen zunächst eigenverantwortlich die „Betroffenheit“ von bzw. durch die Vorschrif-ten prüfen müssen: Sie müssen also die Verantwortung wahrnehmen, ausfüllen und da-bei/damit nachweisen können, dass sie willens und in der Lage sind, mit allen Instru-menten der Exportkontrolle umzugehen, also Compliance leben können.International wird der Begriff Compliance in der Exportkontrolle zunehmend in einemetwas weitergehenden Sinne verstanden. Hier stehen Prävention, „Sicherstellung“rechtskonformen Verhaltens durch geeignete und zumutbare Schutzvorkehrungen undinsbesondere Überwachungssorgfalt der Leitungsebene und organisatorische Maßnah-men für ein „Compliance-Verhalten“ im Vordergrund. Als Beispiel ein Auszug aus denRegeln in Südafrika:

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1) Dies ist eine Zusammenfassung des Vortrags anlässlich des 22. Europäischen Zollrechtstags, Düsseldorf,24./25.6.2010. Es gilt das gesprochene Wort. Dieser Artikel gibt die persönliche Auffassung des Autorswieder.

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„The ICP calls for commitment to compliance by entities and it offers guidelines fordealing with controls. The emphasis is on practical and relevant measures and aspectstypical of quality management. By establishing a practical approach to non-proliferati-on, these guidelines should ease trade procedures, benefit the customer and help theentity involved in controlled activities or with goods that could contribute to WMD pro-grammes, to proceed with confidence.“Früher gab es zwei Gründe, warum sich die Unternehmen mit dem Thema „Interne Ex-portkontrolle/ICP“ beschäftigten: weil sie es mussten oder weil sie es wollten. Heute„müssen sie wollen“. Die allgemeine exportkontroll(-politische) Diskussion um das The-ma „Compliance“ bewegt sich von „Freiwilligkeit“ hin zu „handlungsleitenden Emp-fehlungen/Best Practises“; ein ICP als „Zwang“ ist noch die Ausnahme. Dabei müssensich alle Beteiligten zunehmend eingestehen, dass es ohne „Compliance“ nicht geht.Der amerikanische Grundsatz „If you think, compliance is expensive, try non-complian-ce.“ gilt auch für den Bereich der Exportkontrolle.Ein ICP – wie die gesamte Exportkontrolle – darf dabei nicht nur als Belastung der Un-ternehmen verstanden werden. Compliance im Sinne von „was muss ich tun“ greift zu-nehmend zu kurz. Compliance im Sinne von „was kann ich tun“ bringt Pflichten und er-öffnet gleichzeitig Chancen, da das Einhalten von Spielregeln das notwendige Vertrau-en in die in der Exportkontrolle notwendige Partnerschaft und damit Verlässlichkeit aufadministrativer wie auch unternehmerischer Seite bringt.ICP kann man im weiteren Sinne auch als vorausschauendes Risikomanagement be-zeichnen. In der Exportkontrolle lauern Risiken überall, egal, ob es sich um ein mittel-ständisches Unternehmen oder einen Großkonzern handelt. Es geht hier noch nicht ein-mal primär um das strafrechtliche Risiko von ungenehmigten Ausfuhren, sondern auchkleineren Störungen im Außenwirtschaftsverkehr. Ist die Exportfähigkeit erst einmal un-terbrochen oder auch nur verlangsamt, kann das ernsthafte finanzielle oder reputati-onsschädliche Auswirkungen haben. Ein Unternehmen muss hierfür gerüstet sein. EinRisikomanagement oder ICP gibt es dabei nicht „von der Stange“ – jedes Unternehmenmuss es für sich entwickeln. Risiken in der Exportkontrolle müssen systematisch einge-schätzt und bewertet werden. Dies bedingt z.B. nicht nur die Frage ob eine Genehmi-gung notwendig ist, sondern auch ob eine Genehmigung überhaupt erlangt werdenkann oder ob vereinfachte Verfahren genutzt oder Verfahrensvoraussetzungen im Detailfrühzeitig und zutreffend auf allen Ebenen kommuniziert werden. Ein risikomanage-mentorientiertes ICP zielt auf eine konsequente Umsetzung in allen Unternehmensbe-reichen und allen Hierarchieebenen ab, von der Geschäftführung bis hin zum einzelnenMitarbeiter.Die „Compliance-Orientierung“ anhand von rechtlichen Vorgaben gibt es in vielen Be-reichen außerhalb der Exportkontrolle, denkt man etwa an § 91 Abs. 2 Aktiengesetz(„Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungs-system einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklun-gen früh genug erkannt werden.“) oder an den deutschen Cooperate Governance Ko-

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dex („Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der un-ternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf die Beachtung durch die Kon-zernunternehmen hin.“). Compliance wird oftmals auch im Nachhinein unter strafrecht-lichen – § 34 AWG – oder Ordnungswidrigkeitsgesichtspunkten geprüft. § 130 OWIGweißt darauf ausdrücklich hin („Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmensvorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, umin dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern,die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, han-delt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch ge-hörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderli-chen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Über-wachung von Aufsichtspersonen.“).Die rechtlichen Verfahrensvorgaben im Bereich der Exportkontrolle zielen daher eben-falls schon seit Längerem (un-)mittelbar auf ein ICP. So fordern die „Grundsätze derBundesregierung zur Zuverlässigkeitsprüfung von Exporteuren“, dass dem Ausfuhrver-antwortlichen die Organisationspflicht, die Personalauswahl und -weiterbildungspflichtsowie die Überwachungspflicht für sein Unternehmen obliegt. Für die Nutzung von be-sonderen Verfahrenserleichterungen regelt der Runderlass Außenwirtschaft des BMWiNr. 10/2003 Vergleichbares („Im Verantwortungsbereich des Ausfuhrverantwortlichenist ein betriebsinternes Exportkontrollprogramm zur Einhaltung der Exportkontrollvor-schriften einzurichten.“). Neuerdings fordert auch die im 2. Halbjahr 2009 in Kraft ge-tretene neue EG-Dual-use-VO Nr. 428/2009 in Art. 12, dass die „Mitgliedstaaten bei derBewertung eines Antrages auf eine Globalgenehmigung auch berücksichtigen, ob derAusführer angemessene und verhältnismäßige Mittel und Verfahren anwendet, um dieEinhaltung der Bestimmungen und Ziele dieser Verordnung und der Genehmigungsauf-lagen zu gewährleisten“. Auch setzt ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Tatbe-standsmerkmal der „Kenntnis“ in den einschlägigen nationalen wie europäischen Vor-schriften voraus, dass ein Unternehmen in angemessenem Umfang die internen Infor-mationen bewertet, welches nicht ohne exportkontrollinterne Rahmenvorgaben funk-tionieren kann. Selbst in den administrativen Abläufen prüft das BAFA letztlich im Rah-men der Kriegswaffenkontrollgesetze mittels Buch- und Vor-Ort-Prüfung die Einhaltungder gesetzlichen Vorschriften. Vor der Erteilung von Verfahrenserleichterungen in Formvon Sammelausfuhrgenehmigungen wird das Vorliegen entsprechender interner Vo-raussetzungen ebenfalls vom BAFA untersucht.Dringend erforderlich ist eine Verzahnung des „Compliance-Gedanken“ mit den Über-legungen im Zollbereich und den dortig entsprechenden Regelungen. So fordern sowohldie Durchführungsverordnung zum Zollkodex, wie insbesondere die Regelungen zumzugelassenen Ausführer/AEO, dass „der Ausführer/Anmelder eine wirksame Überwa-chung von Ausfuhrverboten und -beschränkungen gewährleisten können muss“. Einewidersprüchliche Anforderungs-/Bewertungsstruktur oder gar unterschiedliche, kleintei-lige Zertifizierungskultur ist der Wirtschaft kaum zumutbar und für die Administrationnicht zielführend.

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In der aktuellen Diskussion zum Thema „Compliance“ ist die sog. Intra-EU-Verbrin-gungsrichtlinie 2009/43/EC für Rüstungsgüter von besonderer Bedeutung. Hierin ist un-ter gewissen Voraussetzungen die Zertifizierung von Unternehmen beschrieben. EineZertifizierungsvoraussetzung ist eine Beschreibung des Programms zur Einhaltung derVerbringungs- und Ausfuhrverwaltungssysteme des Unternehmens. Eine solche Be-schreibung sollte Angaben über die organisatorischen, personellen und technischenMittel für die Verwaltung von Verbringungen und Ausfuhren, über die Verteilung der Zu-ständigkeiten im Unternehmen, die internen Prüfverfahren, die Maßnahmen zur Sensi-bilisierung und Schulung des Personals, die Maßnahmen zur Gewährleistung der physi-schen und technischen Sicherheit der Güter und das Führen von Aufzeichnungen unddie Rückverfolgbarkeit von Verbringungen und Ausfuhren beinhalten. Darüber hinausfordert Art. 9 der Richtlinie, dass ein leitender Mitarbeiter zum persönlich Verantwortli-chen für Verbringungen und Ausfuhren ernannt wird, und er eine schriftliche Verpflich-tungserklärung unterzeichnet, dass alles notwendigen Vorkehrungen getroffen sind, umsämtliche Bedingungen für die Endverwendung und Ausfuhr eines ihm gelieferten (Rüs-tungs-)Gutes einzuhalten und durchzusetzen. Ein entsprechendes Zertifikat der Behör-den soll mindestens alle 3 Jahre überprüft werden und die Mitgliedstaaten der EU er-kennen die Zertifikate der anderen Mitgliedstaaten an. Derzeit wird im europäischenRahmen ein Empfehlungskatalog zur Ausgestaltung des Zertifizierungsverfahrens erar-beitet.Vom besonderem Interesse ist hierzu ein Urteil des BGH vom 17.7.2009. Es ging hierum die strafrechtliche Verantwortung eines Leiters einer Rechtsabteilung, dem zudemdie Innenrevision unterstellt war. Der BGH hat hier eine besondere Verantwortung desAngeklagten aus seiner Garantenstellung hergeleitet. Durch die Übernahme einesPflichtenkreises kann strafrechtlich eine rechtliche Einstandspflicht im Sinne von § 13Abs. 1 StGB begründet werden. Die Entstehung einer Garantenstellung folgt aus derÜberlegung, dass denjenigen, dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelleübertragen sind, dann auch eine Sonderverantwortlichkeit für die Integrität des von ihmübernommenen Verantwortungsbereichs trifft. Der Inhalt und der Umfang der Garan-tenpflicht bestimmt sich aus dem konkreten Pflichtenkreis, den der Verantwortlicheübernommen hat. Der BGH führt aus, dass die Frage der Überwachung und Verhinde-rung von Pflichtverstößen in Großunternehmen neuerdings als „Compliance“ bezeich-net wird und im Wirtschaftsleben mittlerweile dadurch umgesetzt wird, dass sog.„Compliance Officer“ geschaffen werden. Deren Aufgabe ist die Verhinderung vonRechtsverstößen, insbesondere auch von Straftaten und anderen Handlungen, die einenerheblichen Nachteil durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. Der-artigen Beauftragten wird – nach Ansicht des BGHs – regelmäßig strafrechtlich eine Ga-rantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB treffen; mit anderen Worten „Nichtstunschützt vor Strafe nicht“. Inwieweit sich diese BGH-Rechtssprechung unmittelbar aufden Bereich der Exportkontrolle übertragen lässt, wird die weitere Diskussion hierzu zei-gen.

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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Bedeutung von Internal ComplianceProgrammen in der Exportkontrolle ständig wächst und langfristig ohne entsprechendeProgramme ein verantwortlicher Umgang mit den zunehmend komplexeren Regelun-gen und eine sachgerechte Teilnahme am Außenwirtschaftsverkehr kaum möglich er-scheint. Rahmenvorgaben, Leitgedanken und „best practises“ entstehen derzeit auf na-tionaler und EU-Ebene. Es bleibt darauf zu achten, dass eine Balance zwischen einem„entmündigenden“ Pflichtenkatalog für die Unternehmen auf der einen Seite und einervölligen „Gestaltungsfreiheit“ ohne Einhaltung der Mindestanforderungen auf der an-deren Seite gewahrt bleibt. Der erste Weg birgt das Risiko, dass Pflichtenkataloge ab-gehakt werden ohne „Compliance“ wirklich zu leben und je nach Unternehmensformunterschiedliche Anforderungen und letztlich eine aufgrund von Überbürokratisierunggefährdete Akzeptanz der Exportkontrollen verloren geht. Auf der anderen Seite fügt esallen Beteiligten nur Schaden zu, wenn Unternehmen sich um Rechten und Pflichten imAußenwirtschaftsverkehr nicht kümmern und alle Handlungen „hart am Wind“ vorneh-men bis der Staatsanwalt das Treiben stoppt. Internal Compliance-Programme im Sinnevon „ihr könnt alles machen, nur keine Fehler“ greifen hier zu kurz.

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Personalscreening als Compliance-AnforderungRechtsanwalt Dr. Klaus Pottmeyer

Datenschutzbeauftragter der Rheinmetall AG, Düsseldorf

I. Einleitung und Begriffsbestimmung

„Compliance“ – so lautet ein neudeutsches Wort, das seit etwa fünf Jahren durch un-sere Industrielandschaft geistert. Immer wieder begegnen wir diesem Begriff. Wäre imManagerjargon ein Wort oder gar Unwort des Jahres zu ermitteln, so hätte „Complian-ce“ sicherlich gute Chancen, es in die Charts zu schaffen.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Langenscheidts Wörterbuch übersetzt „Compliance“ mit „Einwilligung, Erfüllung; Be-folgung“, ja sogar mit „Willfährigkeit“. Von daher bedeutet „Compliance“ nichts An-deres, als dass Unternehmen bestimmte gesetzliche Vorgaben und Anforderungen erfül-len. Da es sicherlich mehr als eine rechtliche Materie gibt, mit der Unternehmen über-einstimmen müssen, kann es niemals „Compliance“ schlechthin und als Ganzes geben.Die oftmals gehörte Frage „Haben Sie ein Compliance-Programm?“ ist in dieser Formfalsch gestellt. Vielmehr fragt es sich, auf welchem spezifischen Rechtsgebiet „Compli-ance“ jeweils besteht.

II. Die Fragestellungen

Das heutige Thema „Personalscreening als Compliance-Anforderung“ berührt mehrereRechtsgebiete, nämlich das Exportkontroll-, das Zoll- und das Datenschutzrecht. Diesesind keineswegs miteinander verzahnt. Vielmehr treten diese Rechtsgebiete miteinan-der in Widerstreit. Was das Exportkontroll- und das Zollrecht nicht nur zu erlauben, son-dern sogar zu fordern scheinen, untersagt möglicherweise das Datenschutzrecht. Wo-rum geht es im Einzelnen?

Als Folge des Anschlags auf das World Trade Center vom 11. September 2001 wurdendie sog. Terrorismuslisten geschaffen. Sie basieren auf den EG-Verordnungen Nr.2580/2001 vom 27.12.2001 und Nr. 881/2002 vom 27.5.2002. Danach ist es untersagt,den dort genannten Personen, Gruppen oder Organisationen direkt oder indirekt Gel-der oder andere wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Viele Unternehmen haben sich in der Zwischenzeit auf die Terrorismuslisten eingestellt.Mittels der in allen Variationen angebotenen elektronischen Hilfsmittel screenen sie dieverschiedensten Daten gegen diese Listen. So wird u.a. das eigene Personal und das imUnternehmen tätige Fremdpersonal elektronisch überprüft. Weiterhin gibt man die Na-

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men von Bewerbern in das entsprechende Programm ein. Durch derartige Maßnahmenwollen die Unternehmen sicherstellen, auf dem Gebiet der Exportkontrolle „compliant“zu sein.

Diese Praxis vieler Unternehmen sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen. Im April2009 haben die obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht öffentlichenBereich einen Beschluss gefasst. Überschrieben ist dieser mit „DatenschutzrechtlicheAspekte des Mitarbeiterscreenings in international tätigen Unternehmen“. Hierin räu-men die obersten Datenschützer den schutzwürdigen Interessen der Mitarbeiter Vor-rang vor denen des Unternehmens ein. Ein Personalscreeening gegen die Terrorismus-listen halten sie somit für datenschutzrechtlich unzulässig.

Ganz anders sehen es die Zollbehörden. Im Verfahren um die Anerkennung als zugelas-sener Wirtschaftsbeteiligter (ZWB)/Authorized Economic Operator (AEO) verlangen ein-zelne Hauptzollämter, dass die antragstellenden Unternehmen elektronische Überprü-fungen gegen die Terrorismuslisten vornehmen. Die Anerkennung als AEO wird hiervonabhängig gemacht. Dies wiederum rief den Bundesdatenschutzbeauftragten auf denPlan. In einem Schreiben vom 2.11.2009 erklärte er diese Verwaltungspraxis für daten-schutzrechtlich unzulässig.

Die Aussagen der Datenschützer haben zu einer erheblichen Verwirrung bei den betrof-fenen Unternehmen geführt. Soll man nun – so war die Frage – auf der einen SeiteCompliance-Anforderungen aufgeben, um auf der anderen Seite Compliance-Anforde-rungen erfüllen zu können? Wie ist der Widerstreit zwischen dem Exportkontroll- unddem Zollrecht auf der einen und dem Datenschutzrecht auf der anderen Seite zu lösen?

Im vorliegenden Zusammenhang soll zwei Fragestellungen nachgegangen werden,nämlich:1. Ist es datenschutzrechtlich erlaubt, das im Unternehmen bereits tätige und das po-

tenzielle Personal gegen die Terrorismuslisten zu screenen?2. Kann die Zollverwaltung die Anerkennung als AEO davon abhängig machen, dass

entsprechende elektronische Kontrollen vorgenommen werden?

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf das Personalscreening gegendie Terrorismuslisten. Inwieweit es zulässig ist, Kunden, Lieferanten, Besucher u.ä. elek-tronisch zu überprüfen, wird im Folgenden nicht behandelt. Es gelten hier aber ähnlicheGrundsätze. Auch der sehr interessanten Frage, ob Krankenhäuser Patientendateien ge-gen die Terrorismuslisten screenen dürfen, wird nicht nachgegangen. Ebenso bleibt dieProblematik unbehandelt, ob ein Screening gegen andere Listen z.B. die Denied PersonsList der USA datenschutzrechtlich zulässig ist. Schließlich bleibt auch die Frage unerör-tert, ob und welche Beteiligungsrechte des Betriebsrats beim Personalscreening beste-hen.

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III. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Personal-screenings

1. Die Rechtsgrundlage für das Personalscreening

Nach deutschem Recht unterliegt die Verarbeitung personenbezogener Daten einemVerbot mit Erlaubnisvorbehalt. Dies bedeutet, dass es jeweils eine Rechtsnorm gebenmuss, die die Datenverarbeitung ausdrücklich gestattet.

a) Die Verordnungen (EG) Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 als Rechtsgrundlagen?

Als Rechtsgrundlage für ein Personalscreening kommen zunächst einmal die Verordnun-gen (EG) Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 selbst in Betracht. Hier meinen manche, dassdie Vorschriften des Europarechts als höherrangige Normen über dem deutschen Daten-schutzecht stehen und die Rechtfertigung für eine Datenverarbeitung gleichsam in sichtragen. Dem ist nicht zu folgen. In den EG-Verordnungen gibt es keine Vorschrift, die dieVerarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit den dort erwähntenPersonen, Gruppen und Organisationen ausdrücklich gestattet. Von daher fehlt es an ei-ner Erlaubnisnorm in den EG-Verordnungen selbst.

b) Einwilligung als Grundlage für ein Screening?

Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass ein Personalscreening zumindest dannzulässig ist, wenn die Betroffenen ihre schriftliche Einwilligung hierzu erklärt haben.Diese Ansicht übersieht, dass eine Einwilligung im Datenschutzrecht nur dann rechtfer-tigenden Charakter hat, wenn sie freiwillig erfolgt ist. Beim Screening von Bewerbernjedenfalls fehlt es an diesem Merkmal. Denn verweigert der Bewerber seine Einwilli-gung, so würde dies zwangsläufig zur Folge haben, dass er bei der zu besetzenden Stel-le mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht berücksichtigt wird. Ähnlichesgilt für das bereits bestehende Personal. Das Beschäftigungsverhältnis könnte wegender für das Unternehmen drohenden Sanktionen nicht ohne Weiteres fortgesetzt wer-den. Die Einwilligung der Betroffenen ist daher als Mittel zur Rechtfertigung des Perso-nalscreenings untauglich.

c) § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als Rechtsgrundlage

Als Rechtsgrundlage kommt aber § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in Betracht. Nach dieser Vor-schrift dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten „für Zwecke des Beschäfti-gungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Ent-scheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begrün-dung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erfor-derlich ist.“ Hier ist zwischen dem Screening von Bewerbern und von demjenigen Per-sonal zu differenzieren, das bereits im Unternehmen tätig ist.

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aa) Das Screening von Bewerbern

Bewerber auf eine Übereinstimmung mit den Terrorismuslisten zu überprüfen, ist somitnach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig, wenn dies für die Entscheidung über die Begrün-dung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Wie bereits erwähnt, untersagen die EG-Verordnungen, einer dort aufgeführten PersonGeld oder andere wirtschaftliche Ressourcen direkt oder indirekt zur Verfügung zu stel-len. Verstöße verwirklichen den Tatbestand des Embargobruchs. Dieser ist nach § 34Abs. 4 AWG mit hohen Freiheitsstrafen bedroht.

Kommt ein Beschäftigungsverhältnis zustande, so ist das Unternehmen hieraus ver-pflichtet, dem Beschäftigten die vertraglich vereinbarten Geldleistungen zu gewähren.Dies aber würde die genannten strafrechtlichen Sanktionen auslösen, wenn der einzu-stellende Bewerber in der Terrorismusliste aufgeführt wäre. Der abzuschließende Ver-trag könnte und dürfte folglich nicht erfüllt werden. Vor der Einstellung muss sich dasUnternehmen Klarheit darüber verschaffen dürfen, ob es nach Einstellung des Bewer-bers überhaupt zur Vertragserfüllung berechtigt wäre. Für die Entscheidung, den Bewer-ber einzustellen oder nicht, ist folglich die Überprüfung zwingend notwendig, ob dieserin einer der Terrorismuslisten genannt ist. Die Verarbeitung personenbezogener Daten,die dieser Zwecksetzung dient, ist folglich nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erlaubt.

Diesem Ergebnis kann § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht entgegengehalten werden. Nachdieser Bestimmung dürfen personenbezogene Daten „zur Aufdeckung einer Straftat“nur unter besonderen weiteren Voraussetzungen erhoben, verarbeitet und genutzt wer-den. Unter anderem ist ein konkreter Anfangsverdacht erforderlich. Um die Aufdeckungvon Straftaten geht es im vorliegenden Zusammenhang nicht. Durch die Datenabfragewill das Unternehmen nicht überprüfen, ob sich ein Bewerber strafbar gemacht hat. EinGroßteil der Personen, die sich auf den Terrorismuslisten befindet, ist wohl strafrecht-lich noch nicht in Erscheinung getreten. Es sind hier gerade auch Betroffene aufgeführt,denen trotz einer gewissen Nähe zum Terrorismus eine konkrete Straftat gerade nichtnachgewiesen werden konnte. Mit dem Personalscreening will das Unternehmen aus-schließlich sicherstellen, dass keine verbotenen finanziellen Zuwendungen in Erfüllungdes späteren Vertragsverhältnisses getätigt werden. Straftaten aufzudecken, ist demge-genüber nicht die Intention des Unternehmens. Damit ist § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG imvorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig.

An dieser Stelle wird allerdings vereinzelt ein Erst-recht-Schluss gezogen: Wenn § 32Abs. 1 Satz 2 BDSG schon ein Screening zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten nurunter besonderen weiteren Voraussetzungen gestattet, dann muss dies erst recht für einScreening zum Abgleich gegen die Terrorismuslisten gelten. Diese Argumentation istnicht stichhaltig. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist vor einem konkreten Hintergrund entstan-den. Bestimmte Unternehmen wollten durch ein Screening aufdecken, ob sich einzelneMitarbeiter, insbesondere solche aus dem Einkauf der Korruption schuldig gemacht ha-ben. Dieses Screening ist weder zur Begründung noch zur Durchführung oder Beendi-

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gung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich. Anders ist dies – wie dargelegt – beidem Screening gegen die Terrorismuslisten. § 32 Abs. 1 Satz BDSG entfaltet keine Sperr-wirkung gegenüber Satz 1 der Vorschrift. Sofern die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1Satz 1 BDSG erfüllt sind, schließt Satz 2 ein Screening nur insoweit aus, als es um dieAufdeckung von Straftaten geht. Zu anderen, durch Satz 1 legitimierten Zwecksetzun-gen darf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG durchaus herangezogen werden.

bb) Das Screening von bereits im Unternehmen tätigen Personal

Für die Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen tätig sind, gelten dieselben Grundsät-ze. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Arbeitnehmer des Stammpersonals,um zeitlich befristete Mitarbeiter, um freie Mitarbeiter, um Leiharbeitnehmer, um Prak-tikanten/Diplomanden oder um Beschäftigte handelt, die aufgrund eines Werkvertragsmit einem Dritten im Unternehmen tätig sind. Allen diesen Beschäftigten ist gemein-sam, dass sie Anspruch auf eine Vergütung haben. Bevor diese ausgezahlt wird, musssich das Unternehmen zur Vermeidung der genannten strafrechtlichen Sanktionen Klar-heit darüber verschaffen, ob diese Geldzuwendung zulässig ist. Damit ist das Screeninggegen die Terrorismuslisten „zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses“ not-wendig und somit datenschutzrechtlich zulässig.

An der genannten Zwecksetzung orientiert sich auch die Frage, ob und in welchem Tur-nus Personalscreenings wiederholt werden dürfen. Da die Vergütung für die Beschäftig-ten üblicherweise monatlich entrichtet wird, besteht ein Bedürfnis dafür, jeden Monateinen entsprechenden Abgleich vorzunehmen. Die Terrorismuslisten werden ständigüberarbeitet. So wurde die Verordnung (EG) Nr. 881/2002 in den nunmehr sieben Jah-ren ihres Bestehens mehr als 115-mal geändert. Es ist daher nicht auszuschließen, dassein Betroffener erst nachträglich in eine Terrorismusliste aufgenommen wird. Um sicher-zugehen, dass kein Verstoß begangen wird, muss das Unternehmen die Möglichkeit er-halten, vor jeder Zahlung von Lohn, Gehalt oder einer anderen Vergütung eine Überprü-fung vorzunehmen. Neben einem Erstscreening sind daher regelmäßige Wiederholungs-überprüfungen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gedeckt.

2. Ergebnis zu III.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Das Screening von Bewerbern und von Beschäftigtenim weitesten Sinne, die bereits im Unternehmen tätig sind, ist durch § 32 Abs. 1 Satz 1BDSG gedeckt und damit erlaubt. Eine monatliche Wiederholungsüberprüfung hält sichebenfalls im Rahmen des datenschutzrechtlich Zulässigen.

IV. Personalscreening als Voraussetzung für die Anerkennungals AEO?

Nachdem somit geklärt ist, dass Unternehmen ihr Personal screenen dürfen, wendenwir uns nunmehr der weitaus schwierigeren Frage zu: Kann das Unternehmen gezwun-

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gen werden, elektronische Hilfsmittel zu diesem Zwecke einzusetzen? Darf die Zollver-waltung die Anerkennung als AEO verweigern, wenn das betroffene Unternehmen keinelektronisch unterstütztes Screening durchführt?

1. Die Rechtsgrundlagen

Schauen wir zunächst einmal auf die Rechtsgrundlagen. Welche Kriterien für eine Be-willigung des „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ erfüllt sein müssen, ergibt sich ausArt. 5a ZK, 14a ff. ZK-DVO. Art. 5a ZK verlangt u.a. „angemessene Sicherheitsstan-dards“. Was als angemessen anzusehen ist, wird im Hinblick auf unser Thema in Art.14k Abs. 1 Buchstabe f) ZK-DVO präzisiert. Gefordert wird hier, dass der Antragstellerim Rahmen des gesetzlich Zulässigen seine Bediensteten einer Sicherheitsüberprüfungunterzieht und regelmäßig Hintergrundüberprüfungen vornimmt. In den Leitlinien derEuropäischen Kommission „Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte“ vom 20.6.2007 (TAXUD2006/1450) heißt es unter 1.2.5.12 (S. 80):

„Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter sollte das Unternehmen den Sicherheitsanforde-rungen besondere Aufmerksamkeit beimessen. Wenn die nationalen Rechtsvorschriftendies zulassen, sollte der Antragsteller die in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigenneuen Mitarbeiter einer Hintergrundüberprüfung unterziehen. Bereits im Unternehmenbeschäftigte Mitarbeiter, die aus anderen, nicht sicherheitsrelevanten Abteilungen kom-men und eine Tätigkeit in einem sensiblen Bereich übernehmen sollen, sollten ebenfallsüberprüft werden. […] Für den Einsatz von Mitarbeitern mit befristeten Arbeitsverträ-gen sollten besondere Sicherheitsanforderungen gelten.“

Schließlich wird in den Leitlinien noch eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern er-wähnt. Dort heißt es weiter:

„Wenn Leistungen wie Beförderung, Sicherheitsdienste, Reinigungs- oder Wartungsar-beiten ausgelagert werden, sollten die Sicherheitsanforderungen in die vertraglichenVereinbarungen mit den externen Anbietern aufgenommen werden.“

Schließlich findet sich in dem „Fragebogen zur Selbstbewertung“ vom 26.8.2008 (An-lage zum Antrag auf Erteilung des AEO-Zertifikats) unter 5.12.1:

„Nehmen Sie Sicherheitsüberprüfungen für Bewerber/innen vor (z.B. anhand der Terror-listen)? Wenn ja, welcher Art, und wie werden diese dokumentiert?“

2. Die Folgerungen aus den Rechtsgrundlagen

Welche Folgerungen sind aus diesen Quellen zu ziehen?

Zunächst einmal fällt auf, dass die Anforderungen an die Überprüfung des Personalssehr allgemein gehalten sind. Es werden an einigen Stellen unbestimmte Rechtsbegrif-fe wie „angemessen“ und „besondere Aufmerksamkeit“ verwandt. An keiner Stellewird explizit verlangt, dass das eigene Personal und Bewerber anhand der Terrorlistenelektronisch zu überprüfen sind. In dem Bogen zur Selbstbewertung wird nicht einmal

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nach einer elektronischen Überprüfung gefragt. Eine ausdrückliche Vorgabe, das AEO-Zertifikat von einem elektronisch unterstützten Personalscreening abhängig zu machen,gibt es also nicht.

Eine solche Vorgabe wäre nur dann sachgerecht, wenn es für alle Unternehmen in glei-cher Weise angemessen wäre, ihr gegenwärtiges und künftiges Personal elektronisch zuscreenen. Hiervon kann indes keine Rede sein.

Für eine Überprüfung des Personals gibt es verschiedene Möglichkeiten:• Das Unternehmen kann die Überprüfung „händisch“ anhand der Papierversion der

Terrorismuslisten vornehmen.• Das Unternehmen kann elektronische Hilfsmittel einsetzen, die keine Schnittstelle

zum hausinternen System (z.B. dem SAP) haben. Hier ist beispielsweise die Überprü-fung anhand der Excel-Liste des britischen HM Treasury oder die HADDEX-CD „Sank-tionenliste“ des Bundesanzeiger-Verlages zu nennen.

• Das Unternehmen kann elektronische Hilfsmittel verwenden, die mit dem hausinter-nen System vernetzt sind und die bei jeder Buchung vermeintliche Treffer anzeigen.Diese beziehen sich nicht nur auf das Personal, sondern auch auf die Kundenverwal-tung. Teilweise sind die Hilfsmittel so programmiert, dass eine Sperre für alle weite-ren Aktionen angeordnet wird, bis nach Überprüfung des vermeintlichen Treffers ei-ne Freigabe einer bestimmten Stelle erfolgt.

Dem Unternehmen muss es überlassen bleiben zu entscheiden, welche der genanntenMöglichkeiten in Anbetracht seiner spezifischen Gegebenheiten die angemessene Lö-sung darstellt. Sicherlich kann es im Einzelfall zwingend erforderlich sein, dass Unter-nehmen auf elektronische Hilfsmittel der zuletzt genannten Art zurückgreifen. Für einenHersteller von Halbleitern, der international tätig ist, überwiegend an ihm persönlichnicht bekannte Kunden liefert, über eine hohe Personalfluktuation im In- und Auslandverfügt und auch noch US-amerikanische Anteilseigner hat, wird gar nichts anderes üb-rig bleiben, als auf solche ausgefeilten Systeme der Luxusklasse zurückzugreifen. Aufder anderen Seite kann es kleinen und mittleren Unternehmen nicht ohne Notwendig-keit zugemutet werden, die hohen Kosten für ein so ausgestaltetes elektronisches Hilfs-mittel zu investieren. Bei diesen Unternehmen, insbesondere wenn die Arbeitnehmer-zahl überschaubar und die Personalfluktuation gering ist, kann es im Einzelfall sogarausreichen, auf elektronische Hilfsmittel gänzlich zu verzichten und das bestehendePersonal sowie künftige Bewerber „händisch“ zu überprüfen.

Die Zollbehörden können verlangen, dass alle Unternehmen, die den AEO-Status bean-tragen, im Zusammenhang mit den Terrorismuslisten bestimmte organisatorische Min-destanforderungen erfüllen. Diese sind im Wesentlichen:• Eine Stelle im Unternehmen sorgt dafür, dass die Terrorismuslisten stets in aktueller

Form verfügbar sind.

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• Es wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Überprüfung gegen dieseListen erfolgt. Im vorliegenden Zusammenhang ist es sicherlich angemessen, einma-lig eine Überprüfung des gesamten Personals im weitesten Sinne vorzunehmen. Da-nach ist es dem Unternehmen überlassen, ob Wiederholungsüberprüfungen des ge-samten Personals erfolgen oder ab diesem Zeitpunkt nur noch Bewerber und neueintretende Mitarbeiter überprüft werden.

• Jeglicher Umgang mit Gruppen, Organisationen und Personen, die sich auf einer derTerrorismusliste befinden, ist zu untersagen.

• Es müssen Audits und Mitarbeiterschulungen zu den Terrorismuslisten stattfinden.

Halten Unternehmen diesen Grad an Organisation vor, so ist dies auch für die Bewilli-gung des AEO-Zertifikats ausreichend. Dass Personalscreenings in elektronischer Formerfolgen, ist nicht zwingend erforderlich. Der Status als AEO darf hiervon nicht abhän-gig gemacht werden.

V. Zusammenfassung und Ergebnisse1. Das elektronische Screening von gegenwärtigem und künftigem Personal im weites-

ten Sinne gegen die sog. Terrorismuslisten ist datenschutzrechtlich nicht zu bean-standen. Wiederholungsüberprüfungen in regelmäßigen Abständen sind zulässig.

2. Auf der anderen Seite können die Zollbehörden nicht verlangen, dass elektronischeÜberprüfungen erfolgen. Der Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten darfsehr wohl von einer sachgerechten Mindestorganisation in Bezug auf die Terroris-muslisten abhängig gemacht werden, nicht aber von elektronisch durchgeführtenPersonalscreenings.

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Plenumsdiskussion „Compliance“zu den Referaten von Georg Pietsch und Dr. Klaus Pottmeyer

Moderation: Matthias MerzGeschäftsführer AWA, Münster

Zusammengefasst von Martin ChrometzkaWissenschaftlicher Mitarbeiter, Möllenhoff Rechtsanwälte, Münster

Nach einer Einleitung von Matthias Merz und den Vorträgen von Georg Pietsch (Abtei-lungspräsident BAFA, Eschborn) sowie Dr. Klaus Pottmeyer (Rechtsanwalt und Daten-schutzbeauftragter, Rheinmetall AG) wurde die Diskussion eröffnet. Gegenstand derDiskussion war das für die AEO-Zertifizierung notwendige „Personalscreening“.

Frau Keßler (Hengst GmbH & Co. KG) fragte nach der unterschiedlichen Handhabungdes Personalscreenings in Europa. Herr Görtz (Director International Trade, LufthansaTechnik Logistik GmbH) führte dazu aus, allein Deutschland bestehe auf ein Personal-screening im Rahmen der AEO-Zertifizierung. In anderen Mitgliedstaaten der EU sei einDatenabgleich nicht notwendig.

Herr Merz merkte an, für den AEO sei ein europaweit einheitlicher Fragebogen geplant,sodass Hoffnungen für eine ebenso einheitliche Handhabung der AEO-Zertifizierung be-stünden. Ein Diskussionsteilnehmer ergänzte, die neuen E-VSF (elektronische Vorschrif-tensammlung der Bundesfinanzverwaltung) verzichten auf ein zwingendes Personal-screening.

Herr Boes (Leiter Zentrales Zollmanagement, ZF Friedrichshafen AG) erwiderte darauf,die Änderung der E-VSF beziehe sich allein auf den elektronischen Abgleich, nicht aufden manuellen. Das grundsätzliche Erfordernis des Abgleichs bleibe bestehen. Stein desAnstoßes sei aber nicht die Form des Personalscreenings, sondern die Tatsache, dassDeutschland als einziger Mitgliedstaat einen solchen Nachweis im Rahmen der AEO-Zertifizierung fordere. Von dieser Forderung rücke die Zollverwaltung nicht ab.

Herr Diefenthal (Zolloberamtsrat, Bundesfinanzdirektion West) bestätigte dies. DerSchwerpunkt liege darauf, dass überhaupt ein Abgleich stattfinde.Wie dieser erfolge, seiin das Belieben der Unternehmer gestellt. Die neuen E-VSF sollen dies zum Ausdruckbringen. Außerdem merkte Herr Diefenthal an, es fänden derzeit Gespräche auf euro-päischer Ebene zwischen den Zollverwaltungen statt. Es liege nicht im Interesse desdeutschen Zolls, in Abgrenzung zu den europäischen Partnern etwas mehr oder etwasanders zu machen.

Plenumsdiskussion „Compliance“

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Herr Dipl.-Finw. Hundebeck (Außenwirtschaftsberater, KPMG AG Wirtschaftsprüfung)äußerte dazu, das BMF habe die bestehenden Zweifel der Rechtmäßigkeit des Perso-nalscreenings erkannt und eine entsprechende Anfrage an die Europäische Kommissiongerichtet; bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission solle die bestehendePraxis jedoch fortdauern. Für etwaige eingelegte Rechtsbehelfe empfehle das BMF, die-se bis zu der (nicht zeitnah zu erwartenden) Entscheidung der Kommission ruhen zu las-sen.

Herr Kathenbach (Evonik Services GmbH) erklärte, Evonik Industries sei eines der be-troffnen Unternehmen, das im Rahmen der AEO-Zertifizierung Rechtsmittel eingelegthabe. Hinsichtlich der Ungleichbehandlung auf europäischer Ebene führt Herr Kathen-bach aus, während die Zertifizierung in Belgien unproblematisch erfolge, scheitere manin Deutschland gerade an dem geforderten Personalscreening. Insbesondere wies er aufArt. 14 ZK-DVO hin. Dieser fordere, Personal, das in sicherheitsrelevanten Bereichenzum Einsatz komme, einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Dies seien nachHerrn Kathenbachs Auffassung vor allen Dingen Bewerber. Es sei unklar, was der Begriff„sicherheitsrelevant“ meine. Nach seiner bisherigen Kenntnis erstrecke sich der Begriffauf beinahe sämtliche Bereiche des Unternehmens. Dies sei einerseits keine hinreichen-de Bestimmung, andererseits sehe die Leitlinie der Kommission zur Überprüfung der be-treffenden Personen auch andere Möglichkeiten, die Sicherheit im Unternehmen zu ge-währleisten. Neben einem Screening gegen die Sanktionslisten könnten Bewerbungs-materialien, Referenzen und andere Unterlagen herangezogen werden, um ein Profildes Mitarbeiters zu erstellen. Dies sei vorzugswürdig, zumal die Rechtmäßigkeit derSanktionslisten permanent in der Diskussion stünde.

Prof. Dr. Witte (Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Fi-nanzen) erwiderte darauf, der Begriff „sicherheitsrelevant“ betreffe nach abgeschlosse-ner Diskussion den Bereich der Produktion und Dokumentation. Die Produktion müsseso abgesichert sein, dass Terroristen der Zugang zu dieser verwehrt bleibt. Ferner müs-se gewährleistet sein, dass die Zolldokumentation nicht manipuliert werden kann, bei-spielsweise durch das Erstellen von IT-Ausfallkonzepten. Vereinfacht ließe sich sagen,Produktion, Warenversand und IT seien die sicherheitsrelevanten Bereiche. Ein Kanti-nenmitarbeiter sei daher dann nicht sicherheitsrelevant, wenn ihm der Zugang zur Pro-duktion und Dokumentation ausreichend verwehrt ist. Im Bereich Versand müsse eben-falls sichergestellt sein, dass die Mitarbeiter nicht auf den Sanktionslisten stehen. Diesseien die Vorgaben der Zollverwaltung und insbesondere werde der Zoll auch dahinge-hend geschult.

Das Personalscreening betreffe nicht nur Neueinstellungen, sondern müsse auch für be-stehendes Personal durchgeführt werden. Erfordere das Gesetz eine Überprüfung derBewerber, so gelte dies erst recht für den bestehenden Mitarbeiterstamm. Das „Wie“der Prüfung sei in das Belieben der Unternehmen gestellt. Allerdings, so räumte Prof. Dr.Witte ein, mag die Größe des Unternehmens dazu zwingen, einen elektronischen Ab-gleich vorzunehmen. Dennoch, der Unternehmer sei nicht gehindert, der Zollverwaltung

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einen anderen effektiven Weg nachzuweisen, um sicherzustellen, dass ein terroristi-scher Einfluss auf Warenproduktion, Distribution und Dokumentation ausgeschlossenist.

Herr Kathenbach antwortete darauf, Evonik Industries habe beispielsweise für jedenMitarbeiter eine gültige Bankverbindung nachgewiesen. Die Banken seien per Gesetzdazu verpflichtet, den Kontoinhaber einer umfangreichen und genauen Prüfung zu un-terziehen, u.a. auch gegen die bestehenden Sanktionslisten. Ein weiterer Datenabgleichsei auf Seiten des Unternehmens also nicht notwendig.

Prof. Dr. Witte merkte dazu an, es sei eine interessante Frage, ob die Überprüfung durchzweite Hand ausreiche. Jedoch verwies er darauf, dass damit die Legitimität des Ab-gleichs nicht in Frage gestellt, sondern allein die Prüfung auf die Banken verlagert wür-de. Es sei den Unternehmen auch nicht genommen, darüber zu befinden, wer den Da-tenabgleich vornimmt. Eine Auslagerung des Datenabgleichs sei durch die zollrechtli-chen Vorschriften nicht untersagt.

Darauf erwiderte ein Diskussionsteilnehmer, derjenige, der die Daten gesammelt habe,sei datenschutzrechtlich dazu verpflichtet, diese nur zu dem bei Erhebung festgelegtenZweck zu verwenden. Einem Dritten könne gerade nicht Zugang zu Personaldaten ge-währt werden, sofern kein entsprechendes Einverständnis der Arbeitnehmer vorliege.Dies sei insbesondere bei langjähriger Beschäftigung problematisch. Das Unternehmenmüsse sich grundsätzlich „compliant“ verhalten, also insbesondere jedwede Rechtsvor-schrift beachten. Es dürfe daher nicht so sein, dass eine Anforderung aus dem Zollrechtmit einer des Datenschutzrechts kollidiert. Die für den Unternehmer entstehende Zwick-mühle sei ansonsten unvermeidlich. Insbesondere sei zu beachten, dass das angestreb-te Ziel der lückenlosen Lieferkette ohnehin nicht erreicht werde. Aufgrund der Beauftra-gung von kleinen Subunternehmern entstünden stets Lücken, in denen keine Prüfungder Personen stattfinde. Vor diesem Hintergrund sei die bestehende Regelung fragwür-dig.

Dipl.-Finw. Fischer (Abteilungsleiter Zoll und Außenwirtschaft, Deutsche Post AG) merk-te sodann grundsätzlich an, es sei nicht Aufgabe der Wirtschaft, Probleme zu lösen, dieeindeutig in den Bereich des BMF oder des Bundesbeauftragten für Datenschutz und In-formationsfreiheit fallen. Die Verwaltung habe ein umfassendes Konzept auszuarbeitenund dieses dann den Unternehmen zu präsentieren. Primär für einen Konzern sei es, ei-ne eindeutige Anweisung seitens der Verwaltung zu bekommen. Genau daran fehle esderzeit jedoch.

Herr Merz bemerkte dazu, es existiere zwar keine gesetzliche Pflicht zum Datenab-gleich, wohl aber ein Verbot des mittelbaren oder unmittelbaren Bereitstellens von Gel-dern an gelistete Personen. Als EG-Verordnung gelte dieses Verbot unmittelbar in jedemder 27 Mitgliedstaaten. Allein die Umsetzung des Verbots falle in die Kompetenz derMitgliedstaaten.

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Anschließend warf Herr Stühle (Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG) die Fra-ge auf, ob in Fällen von Leiharbeitern, beispielsweise iranischer Herkunft, die Ressour-cen dem Leiharbeiter oder der Leiharbeitsfirma bereitgestellt würden und ob in diesenFällen ein Datenabgleich für jeden Leiharbeiter erforderlich sei.

Herr Merz antwortete darauf, das Gesetz verbiete direktes und indirektes, sowie mittel-bares und unmittelbares Bereitstellen wirtschaftlicher Ressourcen. Jedoch lasse das Ge-setz offen, was dies genau bedeutet. Leite eine Leiharbeitsfirma das an sie gezahlteGeld dem betreffenden Mitarbeiter weiter, so könne dies als indirektes oder mittelba-res Bereitstellen wirtschaftlicher Ressourcen bewertet werden. Letztlich könne die Fra-ge nur durch die Rechtsprechung beantwortet werden.

Abschließend bedankte sich Herr Merz für die rege Diskussionsteilnahme und stellteweitere Diskussionen im Rahmen des EFA oder des Außenwirtschaftstages in Aussicht.

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Herausforderungen der europäischen ZollpolitikDr. Walter Deffaa

Generaldirektor, TAXUD, Europäische Kommission, Brüssel

Herzlichen Dank für die Einladung, hier heute über die Herausforderungen der europäi-schen Zollpolitik zu referieren. Und herzlichen Dank an Sie alle hier im Saal, dass Sie biszum Ende dieses mehrtägigen Kongresses an einem Freitagmittag ausgeharrt haben.Ich werde versuchen mein Bestes zu tun, dass Sie dies nicht allzu stark bereuen wer-den. Und ich werde versuchen, meine Ausführungen mit einigen visuellen Darstellun-gen aufzulockern – und zwar ganz konkret mit einigen „magischen Dreiecken“ in derEU-Zollpolitik.

Sie kennen sicherlich das magische Dreieck der Vermögensanlage (der Zielkonflikt: Ren-tabilität/Sicherheit/Liquidität) oder das magische Viereck der Wirtschaftspolitik, das dieZielkonflikte zwischen Wachstum, Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung und außenwirt-schaftlichem Gleichgewicht beschreibt.

Für die europäische Zollpolitik kann man die bekannten und auch auf dieser Tagung oftzitierten Zielkonflikte in einem solchen „magischen Dreieck“ wie folgt darstellen – ganzim Einklang mit dem Art. 2 MZK, der den Auftrag des Zolls beschreibt:

Herausforderungen der europäischen Zollpolitik

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• Finanziell (Zölle, andere Ab-gaben)

• Sicherheit• Schutz des geistigen

Eigentums• Gesundheits-, Umwelt-

schutz

• Zollverwaltung• Wirtschaftsbeteiligte

• Schnelligkeit• Befolgungskosten

Schutz

Wirtschaftlichkeit(Ressourceneffizienz)

Reibungsloser Handel

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An der Spitze haben wir die Schutzfunktionen des Zolls – die klassische fiskalischeFunktion, Zölle und – immer bedeutender – andere Abgaben an den Außengrenzen zuerheben. Diese klassische Schutzfunktion hat sich in den letzten Jahren immer stärkerum nicht fiskalische Elemente erweitert – Sicherheit, Verhinderung illegalen Handels –z.B. gefälschte Markenprodukte oder Patentverletzungen. Derzeit sind wir z.B. geradedabei, die EU-Vorschriften über die Zollkontrollen zur Durchsetzung der Rechte des geis-tigen Eigentums zu überprüfen (VO (EG) Nr. 1383/2003) und haben eine öffentlicheKonsultation hierzu gerade kürzlich abgeschlossen. Auch Gesundheitsschutz und Um-weltschutz stellen heute wichtige Dienstleistungen des europäischen Zolls für die Be-völkerung und Unternehmen in der EU dar. Angesichts der weiterhin hohen terroristi-schen Bedrohungen ist die Sicherheit der internationalen Lieferketten ein gemeinsamesInteresse des Staates und seiner Zollbehörden, der Bevölkerung und der Wirtschaft.

Neben diesen Schutzzielen hat der Zoll dafür zu sorgen, dass der legitime Handel dieEU-Grenzen möglichst schnell und unkompliziert passieren kann. Reibungsloser Han-del ist für die Wettbewerbsfähigkeit des größten Handelsblocks auf der Welt von höchs-ter Bedeutung – gerade in Krisenzeiten und gerade auch für einen Industriestandort wieDeutschland, der ganz stark in die Weltwirtschaft verflochten ist. Transparente Verwal-tungsabläufe, schnelle Abfertigungszeiten und geringe Bürokratiekosten sind Schlüssel-faktoren. Die EU-Zollverwaltungen machen hier große Anstrengungen und diese wer-den von den Wirtschaftsbeteiligten auch durchaus geschätzt.

Die Weltbank ermittelt einen sog. Logistics Performance Index mit Sub-Indizes auf derGrundlage von Befragungen von global tätigen Spediteuren und Express-Carriers.

Im Sub-Index „Zoll“ sind 2010 vier der fünf weltbesten Länder Mitgliedsländer der EU– darunter (Sie haben das erwartet) auch Deutschland – vor Japan zum Beispiel; undinsgesamt sieben EU-Mitgliedstaaten schneiden besser als die USA ab.

Die dritte Ecke des magischen Dreiecks könnte man kurz mit Ressourceneffizienz odereinfach Wirtschaftlichkeit benennen. Sowohl die Zollverwaltungen als auch die Wirt-schaftsbeteiligten haben begrenzte Ressourcen – in Krisen- und Konsolidierungszeitenimmer stärker begrenzte Ressourcen – und müssen daher sparsam wirtschaften.

Zwischen diesen drei Polen bestehen Spannungen und Zielkonflikte, die eine permanen-te Herauforderung für die Politik und die Verwaltung darstellen. Ohne ausreichende Ver-waltungsressourcen gibt ein keinen Schutz und auch weniger Erleichterungen bei derAbwicklung der Handelströme, da diese Erleichterungen oft mit erheblichen IT-Investi-tionen verbunden sind – übrigens auch bei den Wirtschaftsbeteiligten. Und zumindestauf den ersten Blick besteht ein Zielkonflikt auch zwischen der notwendigen Kontroll-tätigkeit zur Erfüllung der Schutzziele und dem Ziel von schnellen, unbürokratischenZollabfertigungen.

Wir haben jedoch seit mehreren Jahren Instrumente entwickelt, um diese Spannungenoder Zielkonflikte positiv aufzulösen, um sog. Win-win-Situationen zu schaffen. Auch

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diese lassen sich in einem Dreieck darstellen: Das „Zollpolitik-Instrumenten-Drei-eck“ kann man folgendermaßen konstruieren:

Dem Risikomanagement kommt hier eine herausragende Rolle zu. Die ressourcen-und zeitintensiven Kontrollaktivitäten werden auf die Warenbewegungen konzentriert,wo das Risiko am höchsten ist, dass der öffentlichen Hand Einnahmeverluste entstehenoder die anderen Schutzziele verletzt werden. Dies kommt einerseits der Erleichterungdes legitimen Handels zugute und trägt andererseits auch zum sparsamen Umgang mitden knappen Ressourcen bei.

Die konkreten Herausforderungen zur Verbesserung des Risikomanagements sindvielfältig:

Die AEOs – die Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten – sind eine Schlüsselkompo-nente im Zoll-Risikomanagement. Derzeit haben wir über 2.000 AEOs-Full in der EU; aufden ersten Blick eine relative geringe Anzahl, die jedoch erst dann richtig zu beurteilenist, wenn man berücksichtigt, dass sie schätzungsweise 60% des Handelsvolumens ab-decken. Damit wird einmal das Ausmaß der Erleichterung für den legitimen Handeldurch beschleunigte Abfertigung deutlich und andererseits kann man sich vorstellen,dass erhebliche zusätzliche Kontrollressourcen für die intensivere Kontrolle risikoreicherWarenbewegungen freigestellt werden – Ressourcen, die ansonsten mit Routinekon-trollen gebunden gewesen wären. Wir müssen im Interesse der Wirtschaft, aber auchder Zollverwaltungen dafür sorgen, dass das Potenzial der AEO-Konzeption voll entwi-

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• AEOs• Pre-arrival, pre-departure

Info• Risikoprofile

• Gegenseitige Anerken-nung (AEOs)

• Informationsaustausch

• MZK-DVO• E-Zoll, ICT• System Based Approach• Single Window etc.

Risikomanagement

Internationale Zusammenarbeit

Modernisierung derZollverfahren

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ckelt wird. Das ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit oder „return on investment“.In der DVO zum MZK soll der AEO-Status noch attraktiver gestaltet werden. Im nächs-ten Jahr haben wir uns vorgenommen, die Vorteile, die mit dem AEO-Status verbundensind, systematisch zu evaluieren und zu sehen, wie die Vorteile für die AEOs weiter aus-gebaut werden können.

Die Risikoanalysen werden durch systematische Auswertung der pre-arrival und pre-departure Informationen, die ab Beginn des nächsten Jahres richtig anlaufen, verbes-sert werden. Ein weiterer Beitrag zu reibungsloserem Warenverkehr und gleichzeitig ef-fektiveren Zollkontrollen. Noch in diesem Jahr wird die Kommission konkrete Vorschlä-ge zur Verbesserung des Risikomanagement vor allem auf der Exportseite machen.

Neben dem Risikomanagement steht die ständige Modernisierung der Zollverfahren– modernisierte, verbesserte Zollverfahren werden offensichtlich sowohl die Schutz-funktionen als auch die Handelserleichterung positiv beeinflussen. Was die Ressourcenangeht, so sind zwar kurzfristig höhere Investitionen vor allem im IT-Bereich zu erwar-ten, die jedoch langfristig zu Einsparungen führen sollten.

Das aktuelle Stichwort ist in diesem Zusammenhang die Durchführungsverordnungfür den Modernisierten Zollkodex mit den entsprechenden IT-Investitionen auf EU-Ebene, in den Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten und bei den Wirtschaftsbeteiligten.Dies ist ein Mega-Projekt, das sowohl von der Konzeption als auch vom Managementher die (!) Herausforderung für die europäische Zollpolitik in den kommenden Jahrendarstellt. Herausragendes Beispiel für die Modernisierung der Zollverfahren ist die„Zentrale Zollabwicklung“, die mit dem MZK eingeführt wird und die erhebliche Ratio-nalisierungspotenziale für Unternehmen darstellen kann. Die verfahrensmäßigen He-rausforderungen auf der Verwaltungsseite sind allerdings auch erheblich – insbesonde-re, wenn man an die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer und eventueller Verbrauchsteu-ern denkt.

Weitere Herausforderungen stellen moderne Kontrollansätze dar, die stärker auf aggre-gierte Informationen aus den internen Kontrollsystemen der Unternehmen zurückgrei-fen und weniger auf individuelle Warenbewegungen oder Transaktionen. Die Masse derTransaktionen – in Deutschland sind es rund 80 Mio. Zollerklärungen pro Jahr – erfor-dert neben der verstärkten Nutzung von IT-Systemen auch ein verstärktes Nachdenkenüber das Prinzip des Transaktionsansatzes selbst. In welchen Bereichen, für welche Wirt-schaftbeteiligten, unter welchen Bedingungen können wir von den Transaktionsansät-zen auf Systemansätze umsteigen, die auf die internen Kontrollsysteme der Unterneh-men stützen?

Rationalisierungspotenziale bestehen jedoch nicht nur innerhalb der Zollverwaltungund der von ihr angewandten Verfahren, sondern auch in einer verstärkten Zusammen-arbeit bzw. Integration mit anderen Dienststellen, die Kontrollen an der Grenze durch-führen: Die Stichworte sind hier: Single-Window für den Informationsfluss, one-stop-shop für die Kontrollen bis hin zum Gemeinsamem Grenzmanagement.

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Die internationale Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden der EU und vonDrittländern stellt die dritte „Ecke“ im „Instrumentendreieck“ der EU-Zollpolitik dar. Esgeht, ganz allgemein gesprochen, darum, aus der banalen Redundanz „Export der EUist Import eines Drittstaates und umgekehrt“, Effizienzverbesserungen sowohl bei denKontrollen als auch bei den Handelserleichterung zu erzielen.

Die Herausforderungen für die Zukunft hier sind die gegenseitige Anerkennung vonAEO-Systemen und verstärkter Informationsaustausch.

Durch die gegenseitige Anerkennung von zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten erhoffenwir uns eine raschere und effizientere Zollabwicklung, ohne dass die Wirtschaftsbetei-ligten mehrmals zertifiziert werden müssen. Gerade gestern habe ich am Rande derWZO-Ratstagung eine Abmachung über die gegenseitige Anerkennung von zugelasse-nen Wirtschaftsbeteiligten mit Japan unterschrieben. Leider schreiten die Verhandlun-gen mit den USA nur langsam voran, aber wir beabsichtigen, eine gegenseitige Aner-kennung möglichst bald zu erreichen.

In diesem Zusammenhang sollte ich auch ein Pilotprojekt mit China erwähnen, in demwir in der ersten Projekt-Phase, in der die Niederlande und Großbritannien seitens derEU teilnehmen, erfolgreich in Real-Zeit Daten austauschen und verschiedene Technikenzur Sicherung der Lieferkette testen. Wir bereiten gerade die zweite Projekt-Phase vor,in der auch Deutschland sowie zwei weitere chinesische Häfen einbezogen werden sol-len. Auf der Tagesordnung der Zollzusammenarbeit mit China steht auch die gegensei-tige AEO-Anerkennung.

Lassen Sie mich jetzt zum letzten „magischen Dreieck“ der EU-Zollpolitik kommen –dem „Dreieck der Akteure der EU-Zollpolitik“

Herausforderungen der europäischen Zollpolitik

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Trade Contact Group

Nationaler Dialog

Govern

ance:

Auschü

sse,

dezen

trale

ICT-Syst

eme m

it

EU-w

eiter

Intero

perab

ilität

EU/Europäische Kommission

WirtschaftsbeteiligteZollverwaltungen derMitgliedstaaten

EU-Zollrecht

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Ich fange mal ganz unbescheiden mit der EU-Ebene und der Europäischen Kommis-sion an. Die Zollpolitik ist einer der am stärksten vergemeinschafteten Politikbereiche– die Zollunion wird im Art. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU somit auch alserste der ausschließlichen Zuständigkeiten der Union genannt. Mit dem Zollkodex undden DVOs haben wir einen sehr soliden, starken EU-Rechtsrahmen.

Für die Umsetzung des EU-Zollrechts sind die nationalen Zollverwaltungen zustän-dig und verantwortlich – die zweite Ecke im Dreieck. Eine gut eingespielte, wenn auchsehr komplexe Governance-Architektur mit einer Vielzahl von Ausschüssen, soll diegleichmäßige und wirksame Umsetzung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten sicher-stellen. Die Bedeutung dieser Governance-Architektur zwischen der EU- und Mitglied-staaten-Ebene gewinnt immer stärkere Bedeutung, da die gegenseitigen Abhängigkei-ten immer stärker zunehmen. In vielen Fällen ist es beispielsweise nicht mehr die deut-sche Zollverwaltung, die die Schutzfunktion für Deutschland sicherstellt, sondern essind die benachbarten Zollverwaltungen, die diese Dienstleistung auch für Deutschlanderbringen – und natürlich auch umgekehrt. Nur ein Teil der in Deutschland auf demMarkt befindlichen Drittlandswaren sind auch tatsächlich in Deutschland zum zollrecht-lich freien Verkehr abgefertigt worden. Auf lange Sicht werden wir überlegen müssen,ob die jetzige Architektur und Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten undder EU-Ebene funktional noch den Anforderungen des ersten „magischen Dreiecks“entspricht. Wird es auch in Zukunft sinnvoll sein, dass insbesondere kleinere Mitglied-staaten jeweils ihre eigenen IT-Systeme mit erheblichem Aufwand – individuell jeder fürsich – entwickeln? Entspricht das dem Gebot der Wirtschaftlichkeit oder Ressourcenef-fizienz? Wir werden den Fragen nicht ausweichen können, ob die Architektur „distribu-tiver“ Systeme in einer 27er-Union noch angemessen ist, wo jeder Mitgliedstaat sein ei-genes IT-System hat und auf EU-Ebene vor allem deren Interoperabilität und Dialogfä-higkeit sichergestellt wird.

Der dritte Akteur sind selbstverständlich die Wirtschaftsbeteiligten. Die Zeiten sindvorbei, in denen die Wirtschaftsbeteiligten weitgehend als zollpolitisches Objekt behan-delt wurden – die Wirtschaft hat heute einen ganz wichtigen aktiven Part zu spielen,wenn es darum geht, die Ziele des ersten magischen Dreiecks – Schutz, reibungsloserHandel, Ressourceneffizienz – zu erreichen. Die Wirtschaftsbeteiligten sind für die Si-cherheit der internationalen Lieferketten verantwortlich, von der soviel für eine erfolg-reiche Zollpolitik abhängt. Deshalb ist der Dialog zwischen Zollverwaltungen – auf na-tionaler und EU-Ebene – und den Wirtschaftsbeteiligten so wichtig. Der neue Art. 8 Abs. 2 MZK, der einen regelmäßigen Dialog mit den Wirtschaftsbeteiligten vorsieht,macht dies auch ganz deutlich. Sie haben sich gestern bereits ausführlich mit diesemThema befasst. Auf EU-Ebene haben wir mit der Trade-Contact-Group, in der über 30führende Fachverbände und Organisationen vertreten sind, ein strategisches Konsulta-tionsorgan, das sicherstellen soll, dass die Wirtschaft rechtzeitig in die strategischenund operationellen Zoll-Initiativen eingebunden ist.

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Hauptgegenstand der Beratungen sind derzeit die Durchführungsbestimmungen zumModernisierten Zollkodex. Das ist – wie Sie wissen – nicht immer ganz einfach, dennbei der DVO handelt es sich wie gesagt um ein Mega-Projekt und auch bei der Erstel-lung der DVO sind Zielkonflikte zu bewerten und zu entscheiden. Oder ganz simpel:Man kann es nicht immer allen recht machen. Aber Sie können mir glauben, so mancheRegelung geht auf Anregungen der Wirtschaft zurück und andere, zunächst beabsichti-ge Artikel sind wieder gestrichen worden. Die zollpolitische Zusammenarbeit zwischenKommission und Wirtschaft beschränkt sich nicht auf die Trade-Contract-Gruppe. Wirt-schaftsvertreter nehmen auch gelegentlich an Ausschusssitzungen, beispielsweise derElectronic Customs Group sowie Formationen des Ausschusses für den Zollkodex teil.Und die Generaldirektion TAXUD bemüht sich, die Wirtschaftsvertreter zeitnah über dierelevanten Informationen auf der Kommissionsplattform CIRCA zu unterrichten.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Schluss meiner Ausführungen. Im ers-ten magischen Dreieck, das ich Ihnen vorgestellt habe, herrschen erhebliche Zentrifu-galkräfte zwischen den zollpolitischen Zielen: Schutz, reibungsloser Handel und Res-sourceneffizienz. Die Abstände im Dreieck können sich im Laufe der Zeit immer wiederändern; vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krise besteht wohl eher eine Tendenzzunehmender Spannungen zwischen den verschiedenen Zielen. Deshalb ist es so wich-tig, am Instrumenten-Dreieck zu arbeiten – Risikomanagement, Modernisierung derZollverfahren und die internationale Zollzusammenarbeit voranzubringen und weiterzu-entwickeln. Nur so können wir die Abstände und Spannungen zwischen den divergie-renden Zielen verringern und das Ziel-Dreieck näher zusammenzubringen und stabili-sieren. Das verlangt aber auch, dass das Dreieck der Akteure stabil und solide ist. Alsoetwas anderes ist als was wir landläufig von einem sog. Dreieckverhältnis erwarten.Transparenz, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis unter den verschiedenen Akteu-ren sind entscheidend, damit wir gemeinsam die Herausforderungen für die EU-Zollpo-litik in der Zukunft meistern. Ganz in diesem Sinne hat dieser Europäische Zollrechtstagden Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft gefördert.

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Europäisches Forum für Außenwirtschaft,Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (EFA)

European Forum for External Trade, Excise and Customs– Chronik und Informationen –

Zur Geschichte

Am 5.1.1988 wurde die Deutsche Zolljuristische Vereinigung e.V. (DZV) gegründet. Zielwar und ist, über die in der Praxis vor allem zwischen Wirtschaft und Verwaltung häu-fig anzutreffende Frontenbildung hinweg ein Forum für den wissenschaftlichen Gedan-ken- und praktischen Erfahrungsaustausch zu schaffen. Von Beginn an strebt die Verei-nigung das Gespräch zwischen allen an Fragen des grenzüberschreitenden Warenver-kehrs Interessierten an. Die Satzung erwähnt namentlich die Berufsgruppen der in derGesetzgebung, der Verwaltung, der Gerichtsbarkeit, den freien Berufen und der For-schung und Lehre tätigen Personen.

Entsprechend vielfältig sind die Themen, denen man sich in den letzten 21 Jahren zuge-wandt hat. Dabei haben immer wieder die aktuelle Entwicklung des europäischen Zoll-rechts auf dem Weg zum Zollkodex und seine Anwendung, die Harmonisierung des Ver-brauchsteuerrechts, das Bemühen der Europäischen Union um die Angleichung der Ex-portkontrollen, die Erweiterung der EU und der Europäische Binnenmarkt im Mittel-punkt der unterschiedlichen Projekte gestanden.

Die Hinwendung zu Europa und die Erkenntnis, dass mit dem Begriff Zollrecht die Viel-falt der angesprochenen Rechtsgebiete nur unzureichend wiedergegeben wird, hat da-zu geführt, dass am 21.6.1995 anlässlich des 7. Deutschen Zollrechtstages in Dresdeneine Namensänderung erfolgte. Die DZV nannte sich um in „Europäisches Forum für Au-ßenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V.“, European Forum for External Trade, Ex-cise and Customs. Momentan gehören über 290 Mitglieder dem EFA an.

Zollrechtstage

Ein Hauptanliegen des Forums ist, einmal jährlich einen besonderen Diskussionsrahmenzu bieten, um die beschriebenen Ziele zu fördern und die Rechtsentwicklung zeitnah,praxisorientiert und kritisch zu begleiten. Herzstück dieser Aktivitäten ist der „Europäi-sche Zollrechtstag“, der zuletzt von 330 Teilnehmern aus 11 Ländern besucht wurde.Seit 1989 haben 22 Zollrechtstage stattgefunden. Die dabei gehaltenen Vorträge unddie entsprechenden Diskussionsberichte wurden zunächst in der „Zeitschrift für Zölleund Verbrauchsteuern“ (ZfZ) und der „Außenwirtschaftliche Praxis“ (AW-Prax) doku-mentiert. Seit 1996 erscheint neben den Tagungsberichten in verschiedenen Fachzeit-

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schriften ein besonderer Tagungsband – bis zum 13. Europäischen Zollrechtstag im Bun-desanzeiger Verlag. Erstmals wurde der Tagungsband zum 14. Europäischen Zollrecht-stag in der verbandseigenen „EFA-Schriftenreihe“ im Mendel Verlag publiziert.

Im Einzelnen fanden bislang folgende Zollrechtstage statt:• Münster 1989 „Zoll- und Verbrauchsteuerrecht auf dem Weg zum Binnenmarkt

1992“, ZfZ-Sonderheft 1989• Gelsenkirchen 1990 „Außenwirtschaftsrecht und Probleme des innerdeutschen Han-

dels“, ZfZ 1990, S. 194ff.• Hamburg 1991 „Europäisches Zollrecht im Wandel“, ZfZ 1991, S. 194ff.• Berlin 1992 „Verbote und Beschränkungen im innergemeinschaftlichen Warenver-

kehr, Harmonisierung der Verbrauchsteuern“, ZfZ 1992, S. 194ff.• München 1993 „Europäischer Wirtschaftsraum und Binnenmarkt“, ZfZ 1993, S. 290ff.• Münster 1994 „Steuern und Wirtschaft in Europa“, gemeinsame Veranstaltung mit

der Universität Münster anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Instituts für Steu-errecht, Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- undZollrechts, Köln 1995; ZfZ 1994, S. 258ff.

• Dresden 1995 „Zoll auf dem Weg ins Jahr 2000“, AW-Prax 1995, S. 278ff.; ZfZ 1995,S. 259ff.

• Wien 1996 „Hemmnisse und Sanktionen in der EU“,Tagungsband zusammengestelltvon Henke, Köln 1996; AW-Prax 1996, S. 317ff.; ZfZ 1996, S. 369ff.

• Nürnberg 1997 „Vertrauensschutz in der Europäischen Union“,Tagungsband zusam-mengestellt von Henke, Köln 1997; AW-Prax 1997 S. 409ff. und AW-Prax 1998,S. 24ff.; ZfZ 1997, 278ff.

• Bremen 1998 „5 Jahre Binnenmarkt – Eine Zwischenbilanz“, Tagungsband zusam-mengestellt von Ulrich, Köln 1999, AW-Prax 1998, S. 419 und AW-Prax 1999, S. 20;ZfZ 1999, S. 1ff.

• Mannheim 1999 „Kontrollen – ATLAS – Risikoanalyse“, Tagungsband zusammenge-stellt von Henke, Köln 2000; AW-Prax 1999, S. 373ff., S. 406ff.; ZfZ 2000, S. 50ff.

• Salzburg 2000 „Erweiterung der Europäischen Union – Zusammenarbeit von Wirt-schaft und Verwaltung – Entwicklung der Öko-/Energiesteuern“, Tagungsband zu-sammengestellt von Henke, Köln 2000; AW-Prax 2000, S. 349ff.; ZfZ 2000, S. 364ff.

• Köln 2001 „E-Commerce und Informatikverfahren im Außenhandel“, Tagungsband,zusammengestellt von Henke, Köln 2002; AW-Prax 2001, S. 93ff.; ZfZ 2001, S. 362ff.

• Basel 2002 „Beförderungen – Präferenzen – Trade Facilitation“, Tagungsband, hrsg.von Henke, Aachen 2003; AW-Prax 2002, S. 293ff.; ZfZ 2002, S. 407ff.

• Berlin 2003 „10 Jahre Binnenmarkt – EU-Erweiterung – eCustoms (The Internal Mar-ket: 10 Years On – EU Enlargement – eCustoms)“, Tagungsband, hrsg. von Henke,Witten 2003; AW-Prax 2003, S. 341ff.; ZfZ 2003, S. 402ff.

Chronik und Informationen über EFA

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• Graz 2004 „EU-Erweiterung in der Praxis – Internationales Risikomanagement (EUEnlargement in Practice – International Risk Management; L’élargissement de l’UEen pratique – La gestion internationale de risques)“, Tagungsband, hrsg. von Henke,Witten 2004; AW-Prax 2004, S. 339; ZfZ 2005, S. 8ff., 42ff.

• Bonn 2005 „Partnerschaft oder Subordination? – Das Verhältnis von Wirtschaft undZoll nach dem modernisierten Zollkodex“, Tagungsband, hrsg. von Henke, Witten2005; AW-Prax 2005, S. 327ff.; ZfZ 2005, S. 297ff. (Teil I), S. 331ff. (Teil II)

• Esslingen 2006 „Neue Chancen und Risiken für die europäische Wirtschaft – Zuge-lassener Wirtschaftsbeteiligter/Zoll und Umsatzsteuer/Neues Energiesteuergesetz/Neuer Präferenzursprung“, Tagungsband, hrsg. von Henke, Witten 2007; AW-Prax2006, S. 327ff., S. 374ff.; ZfZ 2006, S. 280ff.

• Hamburg 2007 „Zoll im Wandel vom Abgaben- zum Sicherheitsrecht? – Erfahrungenmit dem neuen Energiesteuergesetz“, Tagungsband, hrsg. von Henke und Gellert,Witten 2007; AW-Prax 2007, S. 332ff., S. 369ff.; ZfZ 2007, S. 260ff.

• Luxemburg 2008 „40 Jahre Zollunion in Europa“, Tagungsband, hrsg. von Gellert,Witten 2008; AW-Prax 2008, S. 330ff., S. 377ff.; ZfZ 2008, S. 197ff.

• Linz 2009 „Zollunion und e-Government“, Tagungsband, hrsg. von Gellert, Witten2009; AW-Prax 2009, S. 393ff.; ZfZ 2009, S. 197ff.

• Düsseldorf 2010 „Dialog zwischen Zoll und Wirtschaft“, Tagungsband, hrsg. von Gel-lert, Witten 2010; AW-Prax 2010, S. 291; ZfZ 2010, S. 204ff.

Vortragsveranstaltungen

Zwischen den Zollrechtstagen finden regelmäßig Vortragsveranstaltungen in Münsterstatt, zumeist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Steuerrecht der Universität Müns-ter und dem Fachbereich Finanzen der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Ver-waltung.

Außenwirtschaftsrechtstage

Seit 1996 findet darüber hinaus jährlich ein Außenwirtschaftsrechtstag in Münster statt.Er wird veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Außenwirtschaftsrechte.V. (ZAR) am Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht der Universität Münster.

Kooperation in Europa

Das EFA hat die auf den deutschsprachigen Raum begrenzten Tätigkeiten erweitert, in-dem es Kontakte zu vergleichbaren Organisationen im europäischen Ausland knüpfte.Mit der französischen Vereinigung ODASCE besteht seit 1999 ein Kooperationsabkom-men. Mit der britischen Organisation SITPRO wurden bis zu deren Auflösung rege Kon-

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takte gepflegt. Die drei Vereinigungen sind seit 2004 gemeinsam unter dem Namen Du-quesne Group aufgetreten. 2008 hat sich die niederländische Organisation EVO dieserGruppe angeschlossen.

Elektronisches Forum: Die Mailing-Liste „EFA-L“

Seit 1998 bietet EFA seinen Mitgliedern ein neues Forum des Gedanken- und Informa-tionsaustauschs an, die Mailing-Liste „EFA-L“. Über diese Liste können EFA-Mitgliedermittels E-Mail allen eingeschriebenen EFA-Mitgliedern Nachrichten und Informationenzukommen lassen oder aktuelle Fragen diskutieren.

EFA-Schriftenreihe

Wissenschaftliche Literatur zum Außenwirtschafts-, Verbrauchsteuer- und Zollrecht ausder EFA-Schriftenreihe ist zum kostenlosen Download als PDF-Datei unter www.efa-schriften.de zugänglich. Die EFA-Schriftenreihe aus dem Mendel Verlag kann auch inPrintversion bezogen werden; senden Sie Ihre Bestellung an [email protected].

Wissenschaftlicher Beirat und Vorstand

Kennzeichnend für die Vereinigung ist die von Anfang an gute Zusammenarbeit zwi-schen Vorstand und Beirat. Während ersterer auch aus arbeitstechnischen Gründen ei-nen Schwerpunkt in Münster hat, spiegelt sich im Beirat die Vielfalt der angesproche-nen Berufsgruppen wider.

Wissenschaftlicher Beirat• Prof. Dr. Dirk Ehlers (Vorsitzender), Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschafts-

recht der Universität Münster• Dr. Albert Beermann, Vizepräsident des Bundesfinanzhofs a.D., München• Reinhard Fischer, Deutsche Post DHL, Bonn• Serge Gumy, Eidgenössische Oberzolldirektion, Bern • Dr. Christian Haid, Wirtschaftskammer Steiermark, Graz• Wolfgang Hix, Direktor bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Offen-

bach• Dr. Klaus-Peter Müller-Eiselt, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, München • Dr. Hans-Joachim Prieß, LL.M., Rechtsanwalt, Brüssel• Günter Roeder, Rechtsanwalt, Mutterstadt

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• Prof. Dr. Achim Rogmann, Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel• Prof. Dr. Peter Witte, Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Finanzen, Münster• Christoph B. Wolf, Rechtsanwalt, Leiter des Referats Zoll- und Außenwirtschaftsrecht

des DIHK, Berlin

Vorstand• Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang, Münster (Vorsitzender)• Prof. Dr. Isabell Halla-Heißen, Münster (stellv. Vorsitzende)• Matthias Bongartz, Regierungsdirektor, Münster (stellv. Vorsitzender)• Dr. Thomas Weiß, Rechtsanwalt, Münster (Schatzmeister)• Rainer Ehmcke, Ministerialrat a.D., Bonn• Dr. Lothar Gellert, Regierungsdirektor, Bonn/Brüssel• Dr. Lothar Harings, Rechtsanwalt, Hamburg (stellv. Mitglied)• Dr. Harald Jatzke, Richter am Bundesfinanzhof, München (stellv. Mitglied)• Gerda Koszinowski, Regierungsdirektorin, Erfurt (stellv. Mitglied)

Informationen

Eine Kontaktaufnahme zum EFA kann über die Geschäftsstelle erfolgen. Sie liefert In-formationen, Satzung, Mitgliederverzeichnis und Sonstiges. Die Forumsmitglieder wer-den durch regelmäßige Rundbriefe über die aktuellen Aktivitäten auf dem Laufendengehalten. Sie erhalten den Tagungsband und als Leser der AW-Prax monatlich Nachrich-ten, Meinungen, Aktuelles. EFA-Mitglieder haben Zugang zur Mailing-Liste „EFA-L“.

Geschäftsstelle

Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V.Institut für SteuerrechtUniversitätsstr. 14-1648143 Münster

Telefon: +49 251 8321100Telefax: +49 251 8321102

E-Mail: [email protected]: www.efa-muenster.de

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Weitere Informationen, Leseproben, Demos und Preiseim Internet unter www.mendel-verlag.de/zollkodex

Der elektronische Zollkodex mit Zollkodex-DVOherausgegeben von Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang, Münsterbearbeitet von Dipl.-Finanzwirt Markus Böhne

Diese elektronische Arbeitshilfe ermöglicht es, das umfangreiche Regelwerk des Zollrechts einfach zu handhaben. Neben dem Zollkodex (ZK) und der Zollkodex-Durchführungsverord-nung (ZK-DVO) enthält sie eine Einführung in das europäische Zollrecht sowie die jeweilsaktuellen Fassungen von ZollbefreiungsVO, ZollVG und ZollV sowie Leitlinien der Kommis-sion zu Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, Besonderer Verwendung, Erstat-tung/Erlass, zum Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) und zur Ausfuhr und Ausgangvon Waren. Auch der im Juni 2008 in Kraft getretene Modernisierte Zollkodex (MZK) ist inder Publikation enthalten. Die Bestimmungen des MZK gelten bereits insoweit wie für dieAusarbeitung der zugehörigen Durchführungsvorschriften notwendig. Mit dem Inkrafttre-ten der Letzteren werden dann auch die übrigen Regelungen des MZK gültig, wofür derZeitraum bis Juni 2013 vorgesehen ist.

Durchgehend eingesetzte Marginalien verknüpfen jeden Artikel des Zollkodex mit den ent-sprechenden Fundstellen in der Durchführungsverordnung und geben weiterführende Hin-weise. Diese bewährte Systematik von Verknüpfungen und Sprungstellen findet sich auchin der ZK-DVO und den nationalen Gesetzen. Die einzelnen Artikel von ZK und ZK-DVO so-wie dem MZK sind mit Überschriften versehen, um die Handhabung zu erleichtern. EineRück- und Vorverfolgung der zuletzt benutzten Textstellen ist ebenso möglich wie eine ge-zielte Suchabfrage.

Änderungen in den betroffenen gesetzlichen Grundlagenwerden kurzfristig im Werk umgesetzt, um die stetige Aktualität zu gewährleisten.

Der Zollkodex mit Zollkodex-DVO ist ein Fort-setzungswerk und in elektronischer Variante auf CD-ROM oder als Printversion erhältlich.

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Zolltarif und NomenklaturSchlüssel zum internationalen Warenverkehrvon Markus Böhne, Kolja Mendel, Thomas Möller, Claudia Mutscheller und Gesa Schumann

„Wie lautet die Warennummer?“ – eine Frage, die man sich im Außenhandel entwederselbst stellt oder aber gestellt bekommt und deren Beantwortung Konsequenzen hat.Schließlich hängen von der Warennummer die Höhe von Zoll und Einfuhrsteuern und damitdie Kalkulation von Ein- und Verkaufspreisen ab. Außerdem nimmt die Anwendung weite-rer Vorschriften bei der Ein- und Ausfuhr, der sog. Verbote und Beschränkungen (VuB), häu-fig Bezug auf die Warennummern. Diese gehen dabei auf verschiedene Nomenklaturen zu-rück, die zudem aufgrund von Aktualisierungen und Anpassungen in unterschiedlichen Ver-sionen existieren. Insofern bedürfen auch Bestandsinformationen in Warenwirtschaftssys-temen oder Stücklisten der regelmäßigen Überprüfung.

Die konkrete Zuordnung der eigenen Waren in die Nomenklaturen, fachsprachlich Einrei-hung genannt, ist alles andere als trivial, schließlich gibt es tausende von Warennummernmit abstrakt gehaltenen Warenbeschreibungen.

Praktische Hilfestellung bietet hier das Fachbuch„Zolltarif und Nomenklatur – Schlüssel zum in-ternationalen Warenverkehr“ von einem Auto-renteam aus Zoll- und Außenwirtschaftsexperten,in dem das Thema praxisgerecht aufbereitet unddargestellt wird.

Von den Grundlagen der Nomenklaturen undZolltarife über den Elektronischen Zolltarif derdeutschen Zollverwaltung, Hilfsmittel und Regelnfür die korrekte Einreihung, eine Vielzahl prakti-scher Beispiele für verschiedene Warengruppen(u.a. Textilien, Maschinen, Spielwaren) zu inter-nationalen Bezügen, erläutert der Ratgeber allerelevanten Aspekte der Materie und hilft so beider richtigen Beantwortung der Frage nach der(korrekten) Warennummer.

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Böhne · Mendel · Möller · Mutscheller · Schumann

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