Die 8,8 cm „Scheibengranate“ Hans Erwin · PDF fileDie...

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Die 8,8 cm „Scheibengranate“ Hans Erwin Lindt Während des 2. Weltkrieges wurde in den deutschen Munitionsfabriken ständig daran gearbeitet die Munition zu verbessern um ihre Wirksamkeit zu steigern, die Fertigung zu vereinfachen und die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. In den Jahren 1944 und 1945 wurde z.B. bei der Flakmunition mit völlig neuartigen Konstruktionen versucht ihre Leistung zu verbessern. Eines dieser sehr interessanten Versuche bei der Munition für die 8,8 cm Fla – Geschütze ist eine völlig neue Konstruktion, ich würde sie als „Scheibengranate“ bezeichnen. Sie funktioniert wie die japanischen Wurfsterne (Shuriken). Angetrieben durch die Rotation des Geschosses fliegen diese Scheiben nach der Freigabe in alle Richtungen auseinander und dürften auf Grund ihres Gewichtes eine erhebliche Durchschlagskraft besessen haben. Die Mündungsgeschwindigkeit der 8,8 cm Flak 41 betrug ca. 1000 m/sek. und die Dralllänge 268 cm was eine Rotation von ca. 370 Umdrehungen pro Sekunde bedeutet!!! Die Granate besteht, wie auf dem Foto oben zu erkennen ist, aus dem Zünder, einem Kopfstück, 110 Stahlscheiben und dem Bodenstück. Selbst die Führungsbänder bestehen aus Stahlscheiben mit entsprechend größerem Durchmesser. Zusammengehalten wird diese Konstruktion durch ein dickwandiges Stahlrohr welches an beiden Seiten mit einem Gewinde versehen ist. Im unteren Bereich trägt diese „Haltestange“ (2) in der Verdickung (4) die Ausstoßladung und ist mit einem Außengewinde in den Granatenboden einge- schraubt. Die Scheiben sind mit ihrer zentralen Bohrung auf der Röhre platziert. Oben ist das Kopfstück aufgesetzt und mit einer Mutter (1) auf der Röhre verschraubt. Vorstehend ist die Haltestange (2) oder besser Halteröhre zu sehen. Bei dem verfügbaren Exemplar der „Scheiben- granate“ ist bei der Zündung der Ausstoßladung der Boden abgeschlagen worden und so wurden die Scheiben nicht freigegeben. Das nächste Foto zeigt einen Blick von oben in das Kopfstück (3). Hier sind die Haltemutter (1) und die Haltestange (2) zu erkennen. Die Haltemutter hat nur 2 Gewindegänge. Dieses ist wahrscheinlich die „Sollbruchstelle“ und soll beim Zünden der Ausstoßladung abscheren um die Scheiben freizugeben.

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Page 1: Die 8,8 cm „Scheibengranate“ Hans Erwin · PDF fileDie Mündungsgeschwindigkeit der 8,8 cm Flak 41 betrug ca. 1000 m/sek. und die Dralllänge 268 cm was eine Rotation von ca. 370

Die 8,8 cm „Scheibengranate“ Hans Erwin Lindt Während des 2. Weltkrieges wurde in den deutschen Munitionsfabriken ständig daran gearbeitet die Munition zu verbessern um ihre Wirksamkeit zu steigern, die Fertigung zu vereinfachen und die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. In den Jahren 1944 und 1945 wurde z.B. bei der Flakmunition mit völlig neuartigen Konstruktionen versucht ihre Leistung zu verbessern.

Eines dieser sehr interessanten Versuche bei der Munition für die 8,8 cm Fla – Geschütze ist eine völlig neue Konstruktion, ich würde sie als „Scheibengranate“ bezeichnen. Sie funktioniert wie die japanischen Wurfsterne (Shuriken). Angetrieben durch die Rotation des Geschosses fliegen diese Scheiben nach der Freigabe in alle Richtungen auseinander und dürften auf Grund ihres Gewichtes eine erhebliche Durchschlagskraft besessen haben.

Die Mündungsgeschwindigkeit der 8,8 cm Flak 41 betrug ca. 1000 m/sek. und die Dralllänge 268 cm was eine Rotation von ca. 370 Umdrehungen pro Sekunde bedeutet!!! Die Granate besteht, wie auf dem Foto oben zu erkennen ist, aus dem Zünder, einem Kopfstück, 110 Stahlscheiben und dem Bodenstück. Selbst die Führungsbänder bestehen aus Stahlscheiben mit entsprechend größerem Durchmesser.

Zusammengehalten wird diese Konstruktion durch ein dickwandiges Stahlrohr welches an beiden Seiten mit einem Gewinde versehen ist. Im unteren Bereich trägt diese „Haltestange“ (2) in der Verdickung (4) die Ausstoßladung und ist mit einem Außengewinde in den Granatenboden einge-schraubt. Die Scheiben sind mit ihrer zentralen Bohrung auf der Röhre platziert. Oben ist das

Kopfstück aufgesetzt und mit einer Mutter (1) auf der Röhre verschraubt.

Vorstehend ist die Haltestange (2) oder besser Halteröhre zu sehen. Bei dem verfügbaren Exemplar der „Scheiben-granate“ ist bei der Zündung der Ausstoßladung der Boden abgeschlagen worden und so wurden die Scheiben nicht freigegeben. Das nächste Foto zeigt einen Blick von oben in das Kopfstück (3). Hier sind die Haltemutter (1) und die Haltestange (2) zu erkennen.

Die Haltemutter hat nur 2 Gewindegänge. Dieses ist wahrscheinlich die „Sollbruchstelle“ und soll beim Zünden der Ausstoßladung abscheren um die Scheiben freizugeben.

Page 2: Die 8,8 cm „Scheibengranate“ Hans Erwin · PDF fileDie Mündungsgeschwindigkeit der 8,8 cm Flak 41 betrug ca. 1000 m/sek. und die Dralllänge 268 cm was eine Rotation von ca. 370

Auf den vorstehenden Fotos ist das Kopfstück (3) mit der Mutter (2) zu sehen. Man achte auf das kurze Gewinde in der Haltemutter. Die eigentlichen Scheiben sind 2,1 mm dick. Es gibt die Scheiben in 2 verschieden Gewichten welches durch eine größere Ausfräsung erreicht wurde. Die leichten Scheiben wiegen 48 Gramm und die schweren 58 Gramm. Letztere waren unten direkt über den Scheiben welche die Führungsbänder bildeten angeordnet. Die Scheiben haben asymmetrische Ausfräsungen so dass der Schwerpunkt etwa 5 mm außerhalb der Mitte liegt. Bei der Freigabe werden sie dadurch nach außen weggeschleudert und rotieren im Flug um diesen Schwerpunkt. Auf dem nächsten Foto sind eine schwere und eine leichte Scheibe zur besseren Erkennung übereinandergelegt. Bei der rechten Scheibe ist die Lage des Schwerpunktes durch einen Pfeil markiert.

Die Scheiben haben im massiven Bereich jeweils eine Bohrung und einen vorstehenden sternförmigen Ring. Sie werden spiralförmig über-einandergelegt und durch diese Einrichtung in ihrer Lage fixiert. Durch diese Anordnung wird eine kreisförmige Streuung der Scheiben erreicht. Jeweils 6 Scheiben bilden einen „Vollkreis“

Auf dem linken Foto sind 2 Scheiben und auf dem rechten Foto 3 Scheiben aufeinandergelegt. Die Funktion der Festlegeeinrichtung ist so gut zu erkennen. Das gegenüberliegende Foto zeigt ein komplettes 6er Päckchen.

Durch die spiralförmige Lage der Scheiben ist auch der jeweilige Schwerpunkt der einzelnen Scheibe verlagert. Bei der Freigabe fliegen sie dadurch im Winkel von 60 ° auseinander. Das nächste Foto zeigt eine 6er Lage der leichten und der schweren Scheiben.

Das nächste Bild zeigt das Scheibenpaket der Granate. Vom Boden rechts zum Kopfstück links.

Auf dem nächsten Foto sind einige der Scheiben zur Demonstration lose auf die Haltestange aufgeschoben.

Von Hand, wie ein Bierdeckel geschleudert, durchschlug eine Scheibe den leeren Well-pappekarton eines Fernsehgerätes komplett und traf dann die verputzte Wand der Halle wo sie noch eine ca. 5 mm tiefe Delle hinterließ. Vermutliche Funktion Nach Ablauf der am Zünder eingestellten Zeit tritt dieser in Funktion. Die Zündflamme schlägt durch das Zentralrohr trifft auf die Ausstoßladung und entzündet diese. Durch den Druck der entstehenden Gase wird das schwache Gewinde der Haltemutter im Kopfstück ab geschert. Boden und Stange lösen sich vom Kopfstück und streben auseinander. Dadurch wird die Stange aus dem Scheibenpaket gezogen und diese somit freigegeben. Durch die enorme Umdrehung der Granate und der Unwucht der Scheiben werden diese mit großer Kraft zur Seite weggeschleudert und wirken wie fliegende Sägeblätter. Mit ihrem hohen Gewicht und der Geschwindigkeit ist es für sie ein leichtes z.B. eine Flugzeugzelle zu durchschlagen.