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Assessorexamen - Lernbücher für die Praxisausbildung Die Anwaltsklausur Zivilrecht von Torsten Kaiser, Horst Kaiser, Jan Kaiser 3., neu bearbeitete Auflage Die Anwaltsklausur Zivilrecht – Kaiser / Kaiser / Kaiser schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Gesamtdarstellungen zum BGB, allgemeine Fragen zum Zivilrecht Zivil- und Zivilverfahrensrecht allgemein Zivilrecht Assessorexamen Verlag Franz Vahlen München 2010 Verlag Franz Vahlen im Internet: www.vahlen.de ISBN 978 3 8006 4056 0 Inhaltsverzeichnis: Die Anwaltsklausur Zivilrecht – Kaiser / Kaiser / Kaiser

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Assessorexamen - Lernbücher für die Praxisausbildung

Die Anwaltsklausur Zivilrecht

vonTorsten Kaiser, Horst Kaiser, Jan Kaiser

3., neu bearbeitete Auflage

Die Anwaltsklausur Zivilrecht – Kaiser / Kaiser / Kaiser

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Thematische Gliederung:

Gesamtdarstellungen zum BGB, allgemeine Fragen zum Zivilrecht – Zivil- und Zivilverfahrensrecht allgemein –Zivilrecht – Assessorexamen

Verlag Franz Vahlen München 2010

Verlag Franz Vahlen im Internet:www.vahlen.de

ISBN 978 3 8006 4056 0

Inhaltsverzeichnis: Die Anwaltsklausur Zivilrecht – Kaiser / Kaiser / Kaiser

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E. Die Anwaltsklausur aus Sicht des Berufungsf�hrers

Rechtsanwaltsklausuren aus dem Recht der Berufung sind nicht so h�ufig anzutreffen wie dieanderen Klausurtypen. Dennoch sollten Sie die folgenden Ausf�hrungen einmal in Ruhe lesen,um f�r »den Fall der F�lle« vorbereitet zu sein.

Beachte: Weitere Rechtsmittel, die allerdings in Klausuren selten auftauchen, sind:

� Abhilfeverfahren/Gehçrsr�ge nach § 321a ZPO

� Gegenvorstellung

� Sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO (z.B. �ber § 91a II ZPO)

� Unt�tigkeitsbeschwerde nach §§ 567 ff. ZPO analog bei Unt�tigkeit des Gerichts ohne sachlichenGrund (vgl. dazu OLG D�sseldorf NJW 2009, 2388 f.)

� Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO

� Rechtsmittel in Verfahren nach FamFG, z.B. §§ 58 ff. FamFG (Beschwerde) und §§ 70 ff. FamFG(Rechtsbeschwerde), entspricht: Berufung und Revision

Bez�glich des Aufbaus des Gutachtens bietet es sich an, nach der Pr�fung des Rechtsbehelfsweiter nach Zul�ssigkeit und Begr�ndetheit der Berufung aufzugliedern. Am Ende erfolgen –wie immer – die Zweckm�ßigkeits�berlegungen. Wenn nicht anders durch den Bearbeiterver-merk vorgeschrieben, bietet sich bei Berufungsklausuren f�r das Gutachten eher der einschich-tige Aufbau an. Die Parteien werden sich n�mlich i.d.R. nur um Rechtsfragen streiten, so dasseine einschichtige Pr�fung sowohl f�r den Bearbeiter als auch f�r den Korrektor �bersichtlichersein d�rfte.

I. Die Pr�fung des Rechtsbehelfs

Was ist bei der Pr�fung des Rechtsbehelfs anzusprechen?

t Einlegung einer Berufung

t Abgrenzung zum Nachverfahren bei Urkundsprozess

Hier zeigen Sie auf, was der Mandant begehrt. In der Regel wird dieser dem Anwalt ein erst-instanzliches Urteil �berreichen und um anwaltliche Beratung bitten. Sie werden dann schnellerkennen, dass es um die Einlegung der Berufung geht.

Legt der Mandant ein Urteil im Urkundenprozess vor, so kann als Alternative zur Berufungauch das Nachverfahren nach §§ 592 ff. ZPO in Betracht kommen. Letzteres ist jedoch nurdann sinnvoll, wenn gegen die Zul�ssigkeit und Schl�ssigkeit der Klage und die Formg�ltigkeitder im Urkundsverfahren vorgelegten Urkunden keine Bedenken bestehen, aber f�r das Nach-verfahren geeignete Beweismittel vorhanden sind. Die Berufung dagegen ist der zweckm�ßigeRechtsbehelf, wenn die Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils angefochten werden soll, alsowenn im Vorbehaltsurteil zu Unrecht die Zul�ssigkeit der Klage, die Formg�ltigkeit der vor-gelegten Urkunden, die Schl�ssigkeit der Klage oder die Unbegr�ndetheit eines Einwandesdes Beklagten angenommen wurde (Dierks-Harms/Lemke-K�ch S. 247).

Beachte: Es ergeben sich keine Abgrenzungsprobleme, wenn sich die Zielvorgabe schon aus dem Be-arbeitervermerk ergibt (wie z.B.: »Fertigen Sie die Berufungsbegr�ndungsschrift.«). Lesen Sie also wieimmer zuerst den Bearbeitervermerk.

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1. Teil. Die zivilrechtliche Anwaltsklausur

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II. Wichtigstes Examenswissen zur Pr�fung der Zul�ssigkeit

Was ist bei der Pr�fung der Zul�ssigkeit anzusprechen?

t Statthaftigkeit

t Beschwer

t Frist nach § 517 ZPO

t Frist nach § 520 II ZPO

Hier untersuchen Sie zun�chst, ob die Einlegung einer Berufung f�r den Mandanten zul�ssig w�-re, m.a.W. die besonderen Rechtsmittelvoraussetzungen der Berufung. Zu beachten sind nat�r-lich auch bei der Berufung die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen (Parteif�higkeit, Pro-zessf�hrungsbefugnis etc.). Die wichtigsten Problempunkte aus den besonderen Rechtsmittel-voraussetzungen sind dabei:

Problem: Statthaftigkeit

� Die Berufung ist statthaft gegen erstinstanzliche Endurteile (§ 511 I ZPO) und gegen solcheUrteile, die einem Endurteil gleich gestellt sind (§§ 280 II, 302 III, 304 II, 599 III ZPO).

� Nach § 514 I ZPO ist aber gegen ein Vers�umnisurteil nicht die Berufung statthaft (sondernder Einspruch nach §§ 330 ff. ZPO), es sei denn es handelt sich um ein zweites Vers�umnisur-teil nach § 514 II ZPO.

Problem: Beschwer, § 511 II ZPO

� Der Berufungsf�hrer muss beschwert sein. Die Beschwer stellt gleichsam das Rechtsschutz-bed�rfnis f�r die zweite Instanz dar (Kammerlohr/Kroiß S. 87). Der Kl�ger ist beschwert,wenn das Urteil nachteilig von den in der ersten Instanz gestellten Antr�gen abweicht, der Be-klagte, wenn ihn das erstinstanzliche Urteil rechtlich belastet. Der Beschwerdewert muss �ber600 A liegen oder das erstinstanzliche Gericht die Berufung nach § 511 IV ZPO zugelassen ha-ben. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzul�ssig (Thomas/Putzo/Reichold § 511 Rn. 24).

� Beachten Sie, dass die streitwertm�ßige Unterliegensquote nicht zwingend identisch mit derBeschwer ist. So kann bei der Verurteilung zu einer Auskunft der Streitwert der Klage auf-grund des Interesses des Kl�gers an der Auskunft �ber 600 A liegen, w�hrend sich die Beschwerdes Beklagten nur danach bemisst, welcher Aufwand an Zeit und Kosten f�r die Erteilung derAuskunft erforderlich ist. Dieser Betrag liegt h�ufig unabh�ngig vom Streitwert der Klagedeutlich unter 600 A.

Problem: Frist zur Berufungseinlegung, § 517 ZPO (1 Monat ab Zustellung des Urteils)

� Die Fristberechnung f�r die Einlegungsfrist erfolgt nach § 222 ZPO i.V.m. §§ 187, 188 BGB.Auch hier m�ssen Sie bei fehlerhafter Zustellung des Urteils an die Heilungsmçglichkeit nach§ 189 ZPO denken. Zudem sollten Sie § 87, 172 ZPO kennen (Vertretungsbefugnis des altenAnwalts bei Anwaltswechsel). Klausuren aus dem Berufungsrecht werden h�ufig mit allge-meinen Zustellungsproblemen »angedickt«.

� Wenn die Frist von einem anderen Streitgenossen gewahrt wurde, so gilt die Vertretungsfik-tion des § 62 ZPO nur bei notwendiger Streitgenossenschaft. Wenn die Frist von einem Streit-helfer gewahrt wurde, so wirkt diese auch f�r den Berufungskl�ger, § 67 ZPO.

� Hat der Mandant oder der Anwalt die Berufung bereits eingelegt, so ist die Rechtzeitigkeit derBerufungseinlegung zu pr�fen. Hier ist ein »Klassiker« beliebt: Die B�roangestellte des An-walts wirft den Schriftsatz beim falschen Gericht ein. Bei rechtzeitiger Weiterleitung durchdas unzust�ndige Gericht ergibt sich keine Fristproblematik. Wird die Frist vers�umt, weil dasunzust�ndige Gericht trotz gen�gend Zeit den Schriftsatz nicht weitergeleitet hat (Pflicht zurWeiterleitung aus dem Recht auf faires Verfahren nach Art. 2 I GG i.V.m. Rechtsstaatsprinzip),so rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung (vgl. BGH NJW-RR 2009, 408 f.).

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E. Die Anwaltsklausur aus Sicht des Berufungsf�hrers

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� Wenn die Frist des § 517 ZPO ohne Verschulden vers�umt wurde, so ist an eine Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu denken. Vergessen Sie auch hier nicht die erfor-derliche Glaubhaftmachung.

Problem: Berufungsbegr�ndungsfrist, § 520 II ZPO (2 Monate ab Zustellung des Urteils)

� Die Berufungsbegr�ndungsfrist betr�gt zwei Monate und beginnt zeitgleich mit der einmona-tigen Einlegungsfrist ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Bez�glich etwaiger Zustel-lungsm�ngel gilt ebenfalls § 189 ZPO.

� Eine Fristverl�ngerung kommt nach § 520 II 2, 3 ZPO in Betracht.

� Wenn die Frist des § 520 II ZPO vers�umt wurde, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vo-rigen Stand nach Maßgabe von § 233 ZPO in Betracht, obwohl die Frist von § 520 II ZPOkeine Notfrist ist (Thomas/Putzo/Reichold § 520 Rn. 15). Nach dem BGH ist § 234 I 2ZPO dahin auszulegen, dass bei vers�umter Berufungsfrist die Begr�ndungsfrist erst ab Mit-teilung der Entscheidung �ber den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Vers�umung derBerufungsfrist l�uft (BGH NJW 2007, 3354 f.).

Beachte: § 518 ZPO regelt den Neubeginn der Fristen, wenn innerhalb der Berufungsfrist ein Erg�n-zungsurteil i.S.v. § 321 ZPO ergeht. § 518 ZPO gilt aber nicht, wenn das Erg�nzungsurteil nach Ablaufder Berufungsfrist ergeht (BGH NJW 2009, 442 f.).

III. Wichtigstes Examenswissen zur Pr�fung der Begr�ndetheit

Was ist bei der Pr�fung der Begr�ndetheit anzusprechen?

t Verfahrensverstçße

t Rechtsfehler

t Vortrag neuer Tatsachen mçglich

Die Begr�ndetheit der Berufung pr�fen Sie in Ihrem Gutachten grds. in zwei Schritten (vgl. dazuAnders/Gehle Rn. S-5 ff.; Fischer/Uthoff Rn. 758 ff.): Zuerst ist zu untersuchen, ob dem erst-instanzlichen Gericht Verfahrensverstçße unterlaufen sind, die entscheidungserheblich sind.Bei Verfahrensfehlern ist die Entscheidungserheblichkeit zu bejahen, wenn das Urteil ohne denVerfahrensfehler mçglicherweise anders ausgefallen w�re (Zçller/Heßler § 513 Rn. 5). Hierkommt neben allen mçglichen Verstçßen gegen Verfahrensvorschriften der ZPO v.a. der Verstoßgegen die richterliche Hinweispflicht gem. § 139 ZPO in Frage. Die zu dieser Vorschrift ergan-genen neueren Entscheidungen sollten Sie sich in einer aktuellen Kommentierung ansehen. Diesist wichtig, um beim Durchlesen der Klausurvorlage ein »Stçrgef�hl« zu entwickeln, wenn mannicht ausdr�cklich auf einen mçglichen Verstoß hingewiesen wird. Relevant kann dabei dieNeuerung in § 139 IV ZPO sein, wonach die rechtlichen Hinweise so fr�h wie mçglich zu gebensind, damit die Parteien sich darauf einstellen und entsprechend reagieren kçnnen. In der m�nd-lichen Verhandlung sind richterliche Hinweise ohne Schriftsatznachlass i.d.R. nicht ausreichend.

Nach der Untersuchung des Urteils auf Verfahrensverstçße pr�fen Sie bei der Berufung aus Kl�-gersicht, ob die Klage zul�ssig und begr�ndet war, bzw. ob dem Gericht in dem angegriffenenUrteil bei der Pr�fung der Zul�ssigkeit und Begr�ndetheit ein Rechtsfehler unterlaufen ist, derentscheidungserheblich ist. Bedenken Sie bei der Pr�fung der Zul�ssigkeit der Klage, dass nach§ 513 II ZPO die Berufung nicht darauf gest�tzt werden kann, dass das Gericht des erstenRechtszuges seine sachliche oder çrtliche Zust�ndigkeit zu Unrecht angenommen hat. Auchdie Zul�ssigkeit des Rechtsweges wird nicht gepr�ft, vgl. § 17a V GVG. Die �brigen Zul�ssig-keitsaspekte sind nat�rlich relevant.

Die Berufung kann grds. nur damit begr�ndet werden, dass das Gericht eine Rechtsfrage falschentschieden hat oder von falschen Tatsachen ausgegangen (d.h. es bestehen Zweifel an derRichtigkeit und Vollst�ndigkeit der Tatsachenfeststellung) ist. Der Vortrag neuer oder anderer

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Tatsachen ist durch §§ 529, 531 ZPO erheblich eingeschr�nkt. Nach dem BGH darf aber unab-h�ngig von § 531 ZPO auch neuer Vortrag ber�cksichtigt werden, wenn er in der Berufungs-instanz unstreitig wird (vgl. BGH NJW 2005, 291 f.). Dies gilt auch f�r die erstmals im Beru-fungsrechtszug erhobene Verj�hrungseinrede (BGH NJW 2008, 3434 ff.) und die erstmals im Be-rufungsrechtszug erfolgte unstreitige Fristsetzung zur Nacherf�llung i.S.v. §§ 281, 323 BGB(BGH NJW 2009, 2532 ff.). Desweiteren ist stets erforderlich, dass das Urteil auf dem materiel-lem Fehler »beruht«, es also ohne die ger�gte Rechtsverletzung bzw. ohne die Ber�cksichtigungder falschen Tatsache zugunsten des Mandanten ergangen w�re bzw. h�tte ergehen kçnnen (be-reits die Mçglichkeit reicht aus), vgl. BGH NJW 2004, 1876 f.; Thomas/Putzo/Reichold § 513Rn. 2).

Eine weitere Mçglichkeit, von dem Tatbestand des angefochtenen Urteils abweichende Tatsa-chen in die Berufungsinstanz einzuf�hren, besteht in einem Tatbestandsberichtigungsantragi.S.v. § 320 ZPO, gerichtet an das Gericht erster Instanz. Wenn der Tatbestand des angefochtenenUrteils falsch ist, sollten Sie an diese Mçglichkeit denken. I.d.R. d�rfte aber die zweiwçchigeFrist bereits abgelaufen sein. Ist der Tatbestand lediglich unvollst�ndig, so besteht nach neuerRspr. keine negative Beweiskraft des Tatbestandes. Der nicht aufgenommene Vortrag aus denvorbereitenden erstinstanzlichen Schrifts�tzen kann ohne § 320 ZPO in der Berufung vorgetra-gen werden (Thomas/Putzo/Reichold § 314 Rn. 1).

Klausurtipp: Eine Besonderheit besteht bei der Berufung nach § 514 II ZPO gegen ein zweites VU.Hier beschr�nkt sich nach h.M. das mçgliche Verteidigungsvorbringen darauf, dass der Mandant imEinspruchstermin bzgl. des ersten VU nicht s�umig oder die S�umnis nicht verschuldet war (z.B. La-dungsfehler, Richter hat zul�ssige Vertretung durch Streitgenossen oder Streithelfer �bersehen, plçtz-liche Krankheit und Krankenhausaufenthalt). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 345 ZPO (umstr.,nach a.A. kann auch geltend gemacht werden, dass schon das erste VU z.B. wg. Unschl�ssigkeit derKlage nicht ergehen durfte). Nach Erfolg der Berufung geht das Verfahren i.d.R. in erster Instanz weiter,vgl. § 538 II Nr. 6 ZPO. Anders ist es, wenn das Vers�umnisurteil nach Erlass eines Vollstreckungs-bescheides gem. § 700 VI ZPO ergangen ist. Der Vollstreckungsbescheid steht nach § 700 I ZPO ei-nem ersten VU gleich, so dass das bei S�umnis im Termin das nach § 700 VI ZPO ergangene VU prak-tisch ein zweites VU darstellt. Dann kann sich der Beklagte auch in der Berufung damit verteidigen,dass die Klage unzul�ssig oder unschl�ssig war. Nach h.M. ist dies zul�ssig, da der Richter im Ein-spruchstermin diese Aspekte wegen §§ 700 VI, 345, 333 ZPO ebenfalls pr�fen muss. Zur Vermeidungeiner Rechtsschutzdivergenz muss dies auch mit der Berufung geltend gemacht werden kçnnen (vgl.zum Ganzen Thomas/Putzo/Reichold § 514 Rn. 4).

IV. Die Zweckm�ßigkeitserw�gungen bei Klausurtyp 4

Welche Zweckm�ßigkeitserw�gungen sind mçglich?

t Rat an den Mandanten, ggf. Auswahl der anzugreifenden Punkte

t Schnelle Einreichung bei Zeitdruck

t Erfordernisse von §§ 519, 520 ZPO

t Welcher Antrag ist zu stellen

t Antrag nach §§ 707, 719 ZPO

t Antrag nach § 717 II ZPO

t PKH-Antrag

Die in diesem Zusammenhang oft abgepr�ften Zweckm�ßigkeitserw�gungen lassen sich wiefolgt zusammenfassen:

Zuerst stellen Sie dar, welcher Vorschlag dem Mandanten zu machen ist. Bei festgestellter Er-folgsaussicht soll dem Mandanten daher geraten werden, Berufung einzulegen. Wenn im Gut-

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achten festgestellt wurde, dass die Berufung nur teilweise Erfolg hat, so kann gegen das Urteilauch teilweise Berufung eingelegt werden, um eine teilweise Zur�ckweisung zu vermeiden.

Wenn der Schriftsatz aufgrund Zeitablaufs schnell zugestellt werden muss, so kommen die beiTyp 1 dargestellten Mçglichkeiten (sofortige Einreichung, Einreichung per Fax, Einreichung perelektronischem Dokument) auch hier in Betracht.

Dann gehen Sie kurz auf die in §§ 519, 520 ZPO geregelten Erfordernisse ein. Die Berufung istnach § 519 I ZPO beim Berufungsgericht einzulegen (und gerade nicht beim Gericht, dessenEntscheidung angegriffen wird!). Bei Berufungen gegen Amtsgerichtsurteile ist grds. das Land-gericht zust�ndig, § 72 GVG (Ausnahme: § 119 I Nr. 1a – c GVG). F�r Berufungen gegen Land-gerichtsurteile sind die Oberlandesgerichte zust�ndig, § 119 I Nr. 2 GVG. Zudem ist auf den not-wendigen Inhalt der Berufungsschrift einzugehen. Dieser ergibt sich aus § 519 II ZPO. Der not-wendige Inhalt der Berufungsbegr�ndung ergibt sich aus § 520 III ZPO.

Wenn die Berufung bereits begr�ndet werden soll (was im Examen der Regelfall ist), so solltenSie kurz auf den dann zu stellenden Antrag eingehen. Hier werden oft Fehler gemacht, die kaumwieder gutzumachen sind. Dies liegt daran, dass der Antrag neben einem kassatorischem Teilstets auch ein reformatorisches Element hat, m.a.W. auch klargestellt werden muss, was anstelleder kassierten Entscheidung des angegriffenen Urteils treten soll. Die wichtigsten Beispiele sindunter Teil V im praktischen Teil aufgez�hlt. Wenn die Berufung noch nicht begr�ndet werdenmuss, so sollte zweckm�ßigerweise im Schriftsatz (d.h. in der bloßen Berufungseinlegung)noch kein konkreter Antrag gestellt werden, um sich nicht unnçtig zu fr�h festzulegen (vgl.auch Fischer/Uthoff Rn. 756). Diese Erw�gung sollten Sie im Gutachten unbedingt niederschrei-ben!

Klausurtipp: Wenn die Berufung begr�ndet werden soll, werden einige Examensklausuren mit einerZeitproblematik »angedickt«. Der Klausursachverhalt ist dann so gelagert, dass der Anwalt jedenfallsinnerhalb der Berufungsbegr�ndungsfrist eine Begr�ndung nicht mehr fertigen kann (z.B. wegen R�ck-sprachenotwendigkeit mit dem Mandanten, wegen Arbeits�berlastung, Personalschwierigkeiten, Ver-tretung erkrankter Kollegen, urlaubsbedingtem R�ckstand etc.). Lçsung: Antrag auf Fristverl�ngerungnach § 520 II 3 ZPO. Liegen die geschilderten Gr�nde i.S.v. § 520 II 3 ZPO vor, so kann grds. daraufvertraut werden, dass das Gericht eine Verl�ngerung gew�hrt. Ansonsten – d.h. bei ablehnender Ent-scheidung – ist an § 233 ZPO zu denken (BGH MDR 1999, 374). Im praktischen Teil fertigen Sie dannden Entwurf des Berufungsschriftsatzes, den Entwurf eines Antrages auf Fristverl�ngerung und dasMandantenschreiben.

Dann sollten Sie untersuchen, ob die vorl�ufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach§§ 707, 719 ZPO beantragt werden sollte. Wegen der ohnehin erforderlichen Glaubhaftmachungmacht ein Antrag nach §§ 707, 719 ZPO nur Sinn, wenn zugleich die Berufung begr�ndet wird.

Ist der Mandant Vollstreckungsschuldner und hat dieser bereits unter Vollstreckungsdruck ge-zahlt oder wurde bereits (teilweise) vollstreckt, so ist an den Schadensersatzanspruch aus§ 717 II ZPO zu denken (vgl. dazu Kaiser Zwangsvollstreckungsklausur, Rn. 3). Wenn ein An-spruch besteht, so ist es zweckm�ßig, diesen bereits in der Berufungsinstanz im Wege des Inzi-dentantrages nach § 717 II 2 ZPO zu stellen (d.h. als zus�tzlichen Berufungsantrag ohne die Wi-derklage-Terminologie). Der Anspruch entsteht zwar erst mit Aufhebung des Urteils, kann jetztaber schon anh�ngig gemacht werden. Gegen�ber einer gewçhnlichen Widerklage hat der Inzi-dentantrag den Vorteil, dass § 717 II 2 ZPO fingiert, dass der Anspruch bereits zum Zeitpunktder Vollstreckung bzw. Abwendungsleistung rechtsh�ngig geworden ist und der Gl�ubiger da-her ab diesem Zeitpunkt Zinsen schuldet. Zudem unterliegt der Inzidentantrag nicht den stren-gen Zul�ssigkeitsvoraussetzungen der Widerklage. Da der Anspruch aus § 717 II ZPO ohnehinnur dann greift, wenn das angegriffene Urteil aufgehoben wird, handelt es sich um einen Fall desuneigentlichen Hilfsantrages (vgl. dazu Kraft JuS 1997, 734 ff.; Kaiser Zivilgerichtsklausur I,Rn. 323). Der Antrag sollte daher von vorneherein entsprechend formuliert werden.

Ggf. ist auf die Frage der Verkn�pfung von Berufungseinlegung und dem Antrag auf Prozesskos-tenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO einzugehen. In Betracht kommt die Beantragung von Prozesskos-

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tenhilfe verbunden mit der Berufungseinlegung, wobei hier ein Kostenrisiko zu Lasten des Man-danten besteht, wenn die Prozesskostenhilfe nicht bewilligt wird. Eine Berufungseinlegung un-ter der Bedingung der PKH – Bewilligung ist (wie bei einer Klage) unzul�ssig (vgl. Fçlsch NJW2009, 2796 f. m.w.N.). Zul�ssig ist es aber auch hier, neben der PKH die Berufung einzulegen undnur die »weitere Durchf�hrung der Berufung« von der Bewilligung von PKH abh�ngig zu ma-chen (vgl. Fçlsch NJW 2009, 2796 f. m.w.N.). Es ist auch mçglich, erstmal nur isoliert PKH zubeantragen. Dann ist von Ihnen zu erw�hnen, dass bei nicht rechtzeitiger Entscheidung �berden Antrag eine Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO in Frage kommt. Das Unvermçgen zur Be-rufungseinlegung infolge Geldmangels wird grds. als Entschuldigungsgrund i.S.v. § 233 ZPO an-gesehen (BGH NJW 2008, 2855 f.). Sind dann sowohl die Einlegungs- als auch die Begr�ndungs-frist abgelaufen, so muss auch f�r beide Fristen um Wiedereinsetzung ersucht werden.Schließlichkçnnte auch an einen Antrag auf Zulassung der Revision nach § 543 ZPO gedacht werden,wenn die Voraussetzungen von § 543 II ZPO vorliegen.

V. Praktischer Teil

Hier verfassen Sie unter Ber�cksichtigung der §§ 519, 520 ZPO je nach Aufgabenstellung entwe-der nur den Entwurf der Berufungseinlegung, den Entwurf der Berufungsbegr�ndung odereinen Schriftsatzentwurf, in dem Sie die Berufung einlegen und sie zugleich begr�nden. WennSie die Berufung auch begr�nden m�ssen, wird sich i.d.R. aus dem Bearbeitervermerk ergeben,dass der Anwalt (den Sie dann im Examen »spielen«) bei dem OLG zugelassen (also postula-tionsf�hig) ist.

Klausurtipp: Sie sollten sich den Aufbau des Schriftsatzes und die Antr�ge genau einpr�gen. Geradeweil viele Referendare mit Aspekten der Berufung im Laufe ihrer Ausbildung nicht konfrontiert werden,kommt es – falls derartige Klausuren gestellt werden – im Examen oft zu katastrophalen Fehlern impraktischen Teil. So hat eine statistische Auswertung von 27 Bearbeitungen eines Examensklausuren-durchganges zum Thema der Berufung Anfang 2006 in Niedersachsen ergeben, dass nicht einer derKandidaten Rubrum und Antr�ge zutreffend formuliert hat (vgl. dazu Diercks-Harms JA 2007, 285 ff.).

Folgende Antr�ge sind am klausurrelevantesten:

� Lediglich Berufungseinlegung ohne Berufungsantrag/-begr�ndung

Lege ich namens und in Vollmacht des Beklagten und Berufungskl�gers Berufung gegen das Urteil des. . . vom . . . ein. Eine beglaubigte Kopie des angefochtenen Urteils f�ge ich bei. Die Begr�ndung bleibteinem weiteren Schriftsatz vorbehalten.

� (Volle) Berufung des Beklagten gegen ein klagzusprechendes Urteil

Das Urteil des . . . vom . . . Aktenzeichen . . . . wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

� (Volle) Berufung des Beklagten gegen ein teilweise klagzusprechendes Urteil

Unter teilweiser Ab�nderung des Urteils des . . . vom . . . Aktenzeichen . . . wird die Klage in vollem Um-fang abgewiesen.

� (Volle) Berufung des Kl�gers gegen ein klagabweisendes Urteil

Das Urteil des . . . vom . . . Aktenzeichen . . . . wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, . . . .

� (Volle) Berufung des Kl�gers gegen ein teilweise klagabweisendes Urteil

Unter teilweiser Ab�nderung des Urteils des . . . vom . . . Aktenzeichen . . . wird der Beklagte verurteilt. . .

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