Die Armen zahlen mehr — auch für Energie Ein Nachtrag zu Scherls Beitrag in ZVP, 2, 1978/2

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Joerges, Nachtrag zu Scherl 155 The Author J. F. Pickering is Professor of Industrial Economics, Department of Management Sciences, University of Manchester Institute of Science and Technology, P. O. Box 88, Manchester M 6o IQD, England. Bernward Joerges Die Armen zahlen mehr - auch fiir Energie Ein Nachtrag zu Scherls Beitrag in ZVP, 2, i978/2 Zusammenfassung Untersuchungen fiber die Struktur des privaten Energieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland ergeben, daf~ einkommensschwache Haushalte durchg~ingig mehr bezahlen fiir dieselben Energietr~iger als Haushalte mit h6herem Einkommen. Dariiber hinaus l~if~t sich zeigen, daf~ sic mehr aufwenden miissen fiir dieselbe >,Energiequalit~it,,, selbst wenn man gleiche Preise am Markt unterstellt. Die Griinde dafiir liegen in der relativ ungiinstigen haushaltstechnischen Ausstattung und in institutionellen Benachteiligungen einkommensschwacher Haushalte. Auf der anderen Seite beanspruchen einkommensschwache Haushalte mehr Prim~irenergie fiir die Bereitstellung gleicher Energiedienstleistungen im Haushalt: sic kosten die Volkswirtschaft mehr. Einkommensschwache Gruppen haben nicht nur weniger Geld zum Ausgeben, sie bekommen dariiber hinaus auch weniger fiir ihr Geld als besser gestellte Verbrau- cher. ,,Even in the case that two families have the same income in terms of their private consumption potential, they may actually not have the same living standard, the same level of consumptiom, (Olander, i978, S. i). Scherl stellt in seinem Aufsatz lest, dai~ es fiJr einen derartigen Zusammenhang zwischen Einkommen und Kaufeffi- zienz (Olander), gemessen am erzielten Preis-Mengen-Qualit~ts-Verh~ltnis eines Guts, >>keine schliissigen direkten empirischen Beweise gibt,,, weder in den USA noch in der Bundesrepublik Deutschland (S. i I i). Im folgenden wird kurz iiber einige Untersuchungen zur Struktur des privaten Energieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland berichtet, die wenigstens fiir diesen Bereich die These belegen (vgl. Joerges & Kiene, im Druck). Gezeigt werden soll, dat~ (a) Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen fiir dieselben Mengen Sekund~irenergie (vom Haushalt gekaufte Energietr~iger) unterschiedliche Preise bezahlen (Version T~ der These von Scherl); (b) Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen f/Jr dieselbe Qualit~it eines Energiegiiterbiindels (W~irmewert der Se- kund~irenergie) unterschiedliche Preise bezahlen, auch wenn man gleiche Preise fiir die einzelnen Energietr~ger unterstellt (Version T~ der These von Scherl); (c) Haus- hake mit unterschiedlichem Einkommen fiir dieselbe Qualit~t eines Energiedienstlei- stungsbiindels (W~irmewert der effektiv genutzten Energie) unterschiedliche Preise bezahlen, auch wenn man gleiche Preise fiir die einzelnen Energietr~iger und gleiche Preise fiir eine W~irmeeinheit des Sekund~irenergiebiindels unterstellt (Version T 2 der These von Scherl).

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Joerges, Nachtrag zu Scherl 155

The Author

J. F. Pickering is Professor of Industrial Economics, Department of Management Sciences, University of Manchester Institute of Science and Technology, P. O. Box 88, Manchester M 6o IQD, England.

Bernward Joerges Die Armen zahlen mehr - auch fiir Energie Ein Nachtrag zu Scherls Beitrag in ZVP, 2, i978/2

Zusammenfassung

Untersuchungen fiber die Struktur des privaten Energieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland ergeben, daf~ einkommensschwache Haushalte durchg~ingig mehr bezahlen fiir dieselben Energietr~iger als Haushalte mit h6herem Einkommen. Dariiber hinaus l~if~t sich zeigen, daf~ sic mehr aufwenden miissen fiir dieselbe >,Energiequalit~it,,, selbst wenn man gleiche Preise am Markt unterstellt. Die Griinde dafiir liegen in der relativ ungiinstigen haushaltstechnischen Ausstattung und in institutionellen Benachteiligungen einkommensschwacher Haushalte. Auf der anderen Seite beanspruchen einkommensschwache Haushalte mehr Prim~irenergie fiir die Bereitstellung gleicher Energiedienstleistungen im Haushalt: sic kosten die Volkswirtschaft mehr.

Einkommensschwache Gruppen haben nicht nur weniger Geld zum Ausgeben, sie bekommen dariiber hinaus auch weniger fiir ihr Geld als besser gestellte Verbrau- cher. ,,Even in the case that two families have the same income in terms of their private consumption potential, they may actually not have the same living standard, the same level of consumptiom, (Olander, i978, S. i). Scherl stellt in seinem Aufsatz lest, dai~ es fiJr einen derartigen Zusammenhang zwischen Einkommen und Kaufeffi- zienz (Olander), gemessen am erzielten Preis-Mengen-Qualit~ts-Verh~ltnis eines Guts, >>keine schliissigen direkten empirischen Beweise gibt,,, weder in den USA noch in der Bundesrepublik Deutschland (S. i I i).

Im folgenden wird kurz iiber einige Untersuchungen zur Struktur des privaten Energieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland berichtet, die wenigstens fiir diesen Bereich die These belegen (vgl. Joerges & Kiene, im Druck). Gezeigt werden soll, dat~ (a) Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen fiir dieselben Mengen Sekund~irenergie (vom Haushalt gekaufte Energietr~iger) unterschiedliche Preise bezahlen (Version T~ der These von Scherl); (b) Haushalte mit unterschiedlichem Einkommen f/Jr dieselbe Qualit~it eines Energiegiiterbiindels (W~irmewert der Se- kund~irenergie) unterschiedliche Preise bezahlen, auch wenn man gleiche Preise fiir die einzelnen Energietr~ger unterstellt (Version T~ der These von Scherl); (c) Haus- hake mit unterschiedlichem Einkommen fiir dieselbe Qualit~t eines Energiedienstlei- stungsbiindels (W~irmewert der effektiv genutzten Energie) unterschiedliche Preise bezahlen, auch wenn man gleiche Preise fiir die einzelnen Energietr~iger und gleiche Preise fiir eine W~irmeeinheit des Sekund~irenergiebiindels unterstellt (Version T 2 der These von Scherl).

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In einer anschliei~enden Diskussion der Grfinde eines deutlichen Einkommensef- fekts in der Effizienz des Haushaltsenergieverbrauchs wird dann das Augenmerk auf einige mit dem Einkommen assoziierte technische und institutionelle Variablen gelenkt, die von Scherl kaum erwiihnt werden, die aber auch fiber den speziellen Bereich des Energieverbrauchs hinaus Beachtung verdienen. Auch die verbraucher- politischen Schlui~folgerungen Scherls - Konzentration von Information und Bera- tung auf Mittelklasse-Verbraucher - verlieren damit, zumindest fiir den Energiebe- reich, an Plausibilit~it. Schliet~lich wird eine erg~inzende These formuliert, dai~ n~imlich die sozialen Kosten des Konsums mit sinkendem Einkommen gr6f~er werden. Sollte sich diese These - ,,die Armen kosten mehr,< - auch augerhalb des Energiebereichs bewiihren, dann wfirden auch allgemeinere volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Erw~igungen ffir eine st~irkere Konzentration der Verbraucher- politik auf einkommensschwache Gruppen sprechen.

WENIGER ENERGIE U N D S C H L E C H T E R E ENERGIE ZUM SELBEN PREIS

Weniger Energie

Der laufenden Wirtschaftsrechnung des statistischen Bundesamts ffir drei Haus- haltstypen lassen sich folgende Angaben fiber die durchschnittlichen Kosten ffir verschiedene Haushaltsenergien ffir die Jahre I969-I976 entnehmen (Tabelle i). Es ergibt sich, daf~ Renmerhaushalte (HT I) regelmiiffig, d. h. fiber verschiedene Ener- gietr~iger und im langfristigen Trend, ffir eine Mengeneinheit Sekund~irenergie durchschnittlich mehr bezahlen als Arbeimehmerhaushalte mit mittlerem Einkom- men (HT 2) und dat~ zwischen Arbeimehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen und Haushalten mit h6herem Einkommen (HT 3) eine ~ihnliche, wenn auch weniger ausgepr~igte Relation besteht. Soviel zur Hypothese (a). Man mug im iibrigen diese und die im folgenden vorgestellten Ergebnisse vor dem Hintergrund der Tatsache sehen, dai~ Rentnerhaushalte im langj~hrigen Durchschnitt etwa 7,5%, Arbeitneh- merhaushalte etwa 4,5% und Haushalte mit h6herem Einkommen etwa 4% des verfiigbaren Haushaltsbudgets ffir Sekundiirenergietr~iger ausgeben, und daf~ etwa 92 % der Energiekosten allein auf die Dienstleistungen Raumheizung und Warmwas- ser entfallen.

Zwar ist der Einwand nicht vonder Hand zu weisen, dat~ bei den drei Haushalts- typen neben dem Einkommen eventuell bedeutsame Einfluf~gr6~en, wie Zusammen- setzung der Haushalte und der Einkommen, nicht konstant gehalten werden. Einige der weiter unten angeffihrten Grfinde ffir das Inkrafttreten eines Einkommenseffekts sprechen indessen daffir, daf~ zumindest ein Teil dieses Effekts auch dann erhalten bleibt, wenn Haushalte gleicher Zusammensetzung zusammengefaf~t werden. Die Frage andererseits, ob die durchschnittlichen Ausgaben pro Kilowattstunde Strom, pro Liter Heiz61, pro Kubikmeter Gas etc. als zuverliissiges Ma~ ffir die Effizienz des Energiekaufs akzeptiert werden k6nnen, ist wohl positiv zu beantworten. Die fibliche Schwierigkeit, dab Verbraucher mit unterschiedlichem Einkommen auch qualitativ ~erschiedene Gfiterbiindel kaufen und deshalb ein direkter Vergleich der Kaufeffizienz schwierig ist, scheint in diesem Fall nicht gegeben; gekauft wird derselbe Strom, dasselbe Gas, dieselbe Olqualitiit etc.

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Schlechtere Energie

Dennoch kann man fragen, ob sich auch fiir die Hypothesen (b) und (c), daf~ niimlich iirmere Haushahe zum gleichen Preis schlechtere Qualit~it kaufen, Hinweise ergeben. Das ist der Fall, wenn man vonder Ebene der eingekauften Sekund~irener- gie iibergeht auf die Ebene der Energiedienstleistungen, die Haushahe mit Hilfe dieser Sekund~irenergien produzieren.

Ca. 97% des Energiebedarfs yon Haushahen entfallen auf W~irmedienstleistungen (Raumheizung, Brauchwasser, Kochen, Backen). Die verschiedenen Sekund~irener- gietriger fiir diese Dienstleistungen sind prinzipielt weitestgehend substituierbar, ihr Energiegehah pro Geldeinheit andererseits ist sehr unterschiedlich. Je nach Anteil der verschiedenen Energietr~iger an der Deckung des Energiebedarfs kann man also von einem mehr oder weniger giinstigen Einsatz yon Sekund~irenergietriigern zur Deckung des W~irmebedarfs sprechen. Tabelle 2 zeigt die Anteile fiir die drei Haushahstypen. Man sieht beispielsweise, dat~ Haushaltstyp i i976 einen relativ hohen Anteil seines W~irmebedarfs durch den teueren Strom bzw. die etwas billigere Kohle, einen relativ niedrigen Anteil durch das billige Heiz61 deckt. Tabelle 3 zeigt die Durchschnittskosten aus Tabelle i, nunmehr bezogen auf eine W~irmeeinheit der verschiedenen Energietr~iger (i SKE = 7ooo kcal), sowie die mit dem Anteil der einzelnen Energietriiger an der Gesamtbedarfsdeckung gewichteten durchschnitdi- chen Kosten einer Einheit Sekundiirenergie. Es ergibt sich beispielsweise, daf~ ein Rentnerhaushah I976 fiir eine W~irmeeinheit seines Energiebiindels (sekund~ir) durchschnittlich 28% mehr bezahh hat als ein Haushah mit hohem Einkommen.

In diesen gewichteten Durchschnittskosten kommt allerdings sowohl die Preisdis- kriminierung am Markt wie die Diskriminierung in der Qualitiit der Energietr~iger zum Ausdruck. Als einen Indikator fiir die Qualitlit pro Geldeinheit nun kann man die Durchschnittskosten einer W~irmeeinheit des beanspruchten Energiegikerbiin- dels w~ihlen, die einem Haushah entstanden w~iren, wenn er den jeweils giinstigsten Preis fiir die einzelnen Energietr~iger erzieh hiitte, den einer der drei Haushaltstypen durchschnittlich bezahlt hat. Geht man so vor, dann ergibt sich beispielsweise fiir i976 fiir den Haushaltstyp i ein Durchschnittspreis von DM 0,42 und fiir den Haushahstyp 3 ein Preis von DM 0,38 pro Einheit des Energiegiiterbiindels. Der resuhierende Preisvorteil yon i i % fiir Haushahe mit hohem Einkommen spiegelt ausschlieiglich den Unterschied in der Zusammensetzung des Energiegikerbiindels, nicht der am Markt bezahhen Durchschnittspreise wider.

Als weiterer Indikator fiir die Qualit~it eines Energietr~igers kann der Wirkungs- grad seiner Umsetzung in Energiedienstleistungen (effektiv genutzte Energie) heran- gezogen werden. Eine Einheit Sekund~irenergie, die in einem Elektroofen umgesetzt wird, ist mehr weft als eine Einheit, die in einem Kohleofen umgesetzt wird, eine Einheit, die in einem modernen Kohleofen umgesetzt wird mehr als die in einem veralteten Kohleofen, einfach deshalb, well weniger Energie verloren geht.

Unterstelh man unabh~ingig vom Einkommensniveau dieselben Wirkungsgrade fiir die einzelnen Haushaltsenergien zur Umwandlung von Strom, Gas, Kohle etc., und errechnet die durchschnittlichen Kosten, die den drei Haushahstypen fiir eine W~irmeeinheit effektiv genutzter Energie entstanden, dann bekommt man Tabelle 4 (Wirkungsgrade nach Luhmann, r976, S. 662). Die letzte Spahe zeigt den Durch- schnittspreis, der fiir eine Einheit des Energiedienstleistungsbiindels zu entrichten

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war, wiederum gewichtet nach den Anteilen der einzelnen Energietriiger an der Produktion dieser Nutzenenergie. Wieder sieht man beispielsweise, dag Renmer- haushalten I976 auf dieser Ebene um 3x% h6here Kosten entstanden sind als Haushalten mit h6herem Einkommen.

Der h6here Wert gegeniiber der Ausgangsebene Sekundiirenergietr~iger (28%) resultiert aus der ungiinstigen Zusammensetzung der Haushaltstechnologie einkom- mensschwacher Haushalte, die zu einem insgesamt schlechteren Wirkungsgrad fiihrt. Tabelle 5 zeigt die durchschnittlichen Wirkungsgrade der energietechnischen Ausstattung, sowie die durchschnittlichen Wirkungsgrade der zugeh6rigen haus- haltsexternen Erzeugungstechnologien (Verhiiltnis yon Prim~irenergieeinsatz und Sekundiirenergieausbeute) und die ,,gesamtsystemarem, Wirkungsgrade, also die Produkte aus haushaltsinternen und haushaltsexternen Wirkungsgraden.

TABELLE 5 Wirkungsgrade des energietechniscloen Systems

dreier Hausbaltstypen

Wirkungsgrad der Haushaltstechnologie

Wirkungsgrad der Erzeugungstechnologie

Gesamtsystemarer Wirkungsgrad

Jahr HT I HT 2 HT 3 HT x HT 2 HT 3 HT x HT 2 HT 3

x969 47% 52% 53 % 76% 74 % 77 % 36% 39 % 4 I%

I976 54% 58% 57 % 70% 69% 73 % 38% 40% 42%

Wiirde man nicht nur fiir alle Haushaltstypen jeweils beste Preise am Markt, sondern auch giinstigste Durchschnittskosten fiir eine W~irmeeinheit Sekund~irener- gie unterstellen und die verbleibenden Unterschiede in den Kosten der effektiv genutzten Energie errechnen, dann h~itte man einen Indikator fiir ausschliefglich haushaltstechnisch bedingte Unterschiede im Preis-Qualit~its-Verh~ilmis der Haus- haltsenergie. Fiir Renmerhaushalte h~itte sich dann beispielsweise I976 immer noch ein Durchschnittspreis von DM o,7o pro SKE effektiv genutzter Energie gegentiber DM o,66 fiir Haushahe mit h6herem Einkommen ergeben, d. h. Rentnerhaushalte h~tten trotz gleicher Menge und Qualitiit fiir eine Mark auf der Sekund~irenergieebe- ne 6% mehr bezahlt fiir eine Einheit niitzlicher Endenergie. Zu betonen ist, dafg dieser durch die Haushaltstechnologie vermittelte Qualit~itseffekt des Einkommens untersch~itzt ist, weil einkommensabh~ingige Unterschiede in den Wirkungsgraden innerhalb der einzelnen Haushaltstechnologien (Strom, Gas etc.) nicht berticksich- tigt sind.

GRUb/DE DER BENACHTEILIGUNG

Die dritte Version von Scherls These, daft n~imlich ,,die Armen fiir ihren Konsum hiiufig mehr Geld ausgeben, als bei den gegebenen Marktverhiiltnissen bei sorgf~lti- ger und sparsamer Konsumplanung . . . erforderlich wiire,~ (S. i I I), stellt wohl keine These zum Zusammenhang zwischen Einkommen und Kaufeffizienz per se, sondern bereits eine ~Begriindungshypothese~ (Scherl) dar. Zu den Begriindungshypothesen

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tiber mit dem Einkommen assoziierte Unterschiede in der Konsumplanung, in der Konsumenteninformation, im Einkaufs- und Kreditverhalten und in der Gesch~ifts- tiichtigkeit von Verbrauchern, die Scherl aufz~ihlt (s. fiir eine erweiterte Liste Olander, I978), lief~en sich auch fiir den Energiebereich zahlreiche Indizien anfiihren (vgl. vor allem Morrison, I978; weiter Cunningham & Lopreato, I977; Ellis & Gaskell, I978; Joerges & Olsen, i979; Olsen & Goodnight, i977; Warkov, i978; Winett & Neale, I978). Dariiber hinaus l~f~t der Energiekonsum einige zus~itzliche Gr~inde fiir mehr oder weniger direkt einkommensabh~ngige Benachteiligungen von Verbrauchern besonders klar hervortreten, die m. E. auch in anderen Konsumberei- chen stiirker zu beriicksichtigen w~iren. Zu vermuten ist, dat~ fiir einen Grof~teil der Varianz der Energiekaufeffizienz zwei Faktoren verantwortlich sind: die bereits angesprochenen Unterschiede in der haushaltsteehnischen Ausstattung, die zur Wahl ungiinstiger Energietriiger zwingt, und eine Reihe yon institutionellen Benachteili- gungen einkommensschwacher Energieverbraucher.

Der technische und institutionelle Kontext des Energieverbrauchs

Die in den Tabellen 2- 4 dokumenderte ungiinstige Zusammensetzung des Ener- gieverbrauchs einkommensschwacher Haushahe ergibt sich aus einer einkommens- abhiingig schlechteren Ausstattung der Wohnungen mit energieverarbeitenden Germ- ten und Anschliissen an Energieversorgungsnetze. Zumindest fiir einkommens- schwache Gruppen scheint es dabei wenig sinnvoll, energietechnische Ausstattungen (z. B. Heizungsanlagen) und Netzanschltisse (z. B. Stadtgas) als Gegenstand eigener Kaufentscheidungen zu betrachten und damit die Frage der Einkommenseffekte auf die Kaufeffizienz zu verschieben auf eine komplexere Ebene. Man k6nnte ja argu- mentieren, dat~ die bisher aufgezeigten Unterschiede m6glicherweise verschwinden oder sich gar umkehren, wenn beispielsweise ein Bauherr, der in ein Eigenheim mit modernster Ausstattung investiert, bei Beriicksichtigung der Abschreibungen mehr bezahlt fiir seine Energie als ein Renmerhaushah, der eine billige Altbauwohnung mit Kohleheizung mietet. Technische Infrastrukturen stellen abet fiir die meisten Biirger Lebensbedingungen dar, die ihnen aus finanziellen und rechtlichen Griinden kaum verfiigbar sind und ihre ~,Wahl~ von Sekund~irenergien weitgehend festlegen. Anders ausgedriickt: wit haben es hier mit einem Faktor zu tun, der mit den iiblichen, auf eine Verbesserung der Planungs-, Informations- und Kaufkompetenz von Konsumenten abzielenden verbraucherpolitischen Maf~nahmen kaum zu beein- flussen ist.

Institutionelle Benachteiligungen einkommensschwacher Verbrauchergruppen er- geben sich u. a. aus der Tarifgestaltung und den Abrechnungsverfahren 6ffentlicher Energieversorgungsunternehmen. Wenigverbraucher werden bekanntlich dutch die Strom- und Gastarife ~bestraft,,, Vielverbraucher ~,belohnt,,. Einkommensschwache Gruppen, soweit sie kleine Haushalte fiihren, insbesondere also Rentner und wenig verdienende Alleinstehende, werden von diesem System benaehteiligt. Hinzu kom- men nur schwach verbrauchsabh~ingige Abrechnungsverfahren wie fehlende Best- abrechnung (nachtr~iglich vom Energieversorgungsunternehmen angenommener giinstigster Tarif), sowie pauschale Abrechnungsverfahren bei fremdbetriebenen Sammelheizungen, die fiir tendenziell uninteressierte und uninformierte einkom- mensschwache Verbraucher zu schwer quantifizierbaren Ubervorteilungen fiihren

Joerges, Nachtrag zu Scherl I63

(vgl. zur Tarifproblematik Luhmann, I978 ; Luther, I978; zur Pauschalabrechnung ,,Viele zahlen ffir andere mit,,, i974).

Technische und institutionelle Verh~iltnisse diirften iiberall dort als vermittelnde Variable von Einkommen und Kaufeffizienz auch fiber den Energiebereich hinaus verst~irkte Aufmerksamkeit verdienen, wo die Verwendung yon am Markt beschaff- ten Einzelgiitern in hohem Marl gebunden ist an eine nicht oder nur schwach marktlich geregelte Versorgung mit technischen Ausstattungen und 6ffentlichen Giitern.

DIE ARMEN KOSTEN MEHR

Oben wurde als Qualit~itskriterium eines Energiegfiterbfindels sein W~irmewert pro Geldeinheit und seine technisch bedingte Nutzenenergieausbeute vorgeschlagen. Man k6nnte ein weiteres Qualitiitskriterium einffihren und argumentieren, darl ein Energiegiiterbfindel um so minderwertiger ist, je mehr Primiirenergie ffir die Bereit- stetlung von Haushaltsenergie beansprucht wird, je ungfinstiger also der Wirkungs- grad der beanspruchten Erzeugungstechnologie (und damit der gesamtsystemare Wirkungsgrad) ist. Tabelle 6 zeigt, darl unter Berficksichtigung der jeweiligen Wir- kungsgrade gem~irl Tabelle 5 der Prim~irenergieverbrauch pro Einheit niitzlicher Energie mit sinkendem Einkommen steigt. Ein sozial- und umweltbewuflter ein- kommensschwacher Verbraucher mag diesen Umstand durchaus als qualit~itsmin- dernd und damit als Benachteiligung einstufen. Man kann diese Uberlegungen aber auch umkehren und von einer Belastung durch einkommensschwache Gruppen sprechen.

TABELLE 6 TABELLE 7

Fiir eine Einheit Nutzenenergie beanspruchte Einheiten Primiirenergie (SKE)

Durchschnittliche Ausgaben fiir beanspruchte Primiirenergie (DM/SKE)

Jahr HT i HT z HT 3 Jahr HT I HT z HT 3

I969 z,8 z,6 z, 4 I969 o,zo o,z8 o,I 5

I976 z,6 z, 5 2, 4 I976 o,3S 0,30 o,z 9

Rechnet man die Durchschnittsausgaben der drei Haushaltstypen fiir eine Einheit des Sekundiirenergiebfindels um auf eine Einheit beanspruchter Primiirenergie, dann erh~ilt man Tabelle 7. Zwar zeigt sich, darl auch in dieser Betrachtungsweise einkom- mensschwache Haushalte noch mehr pro Energieeinheit bezahlen. Die Spanne zwischen den Haushalten verringert sich indessen merklich, d.h. ein Teil des Einkommenseffekts verschwindet. Man k6nnte auch sagen: die reichen Haushalte ,,subventionieren,, den Umweltschaden in Gestalt einer Ersch6pfung nichterneuer- barer Energien, den einkommensschwache Haushalte aufgrund der ungiinstigen Zusammensetzung ihres Energiekonsums und der ungiinstigen Wirkungsgrade ihrer Haushaltstechnologie anrichten. Folgende fiktive Rechnung mag das verdeutlichen:

I64 Zeitschrift fiir Verbraucherpolitik/Journal of Consumer Policy 3, r979/2

Nehmen wir an, Renmerhaushalte sollten fiir dieselbe Energiedienstleistung nicht mehr bezahlen miissen als Haushalte mit h6herem Einkommen - ein durchaus plausibles verbraucherpolitisches Ziel. Dann hiitten unter den i976 gegebenen haushaltstechnischen Voraussetzungen Renmerhaushalte fiir die Bereitstellung einer Einheit niitzlicher Endenergie etwa 8% mehr Prim~irenergie beansprucht als Haus- halte mit h6herem Einkommen. Wiirde man umgekehrt ein ,,Verursacherprinzip,, annehmen, also Rentnerhaushalte genauso viel fiir eine Einheit beanspruchter Primiirenergie bezahlen lassen wie Haushalte mit h6herem Einkommen, dann miif~- ten sie fiir dieselbe Dienstleistung 8% mehr bezahlen. Diesen Betrag, so k6nnte man argumentieren, miif~te man unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten von dem Preisvorteit einkommensstarker Haushalte abziehen (vgl. dazu Tabelle 8).

TABELLE 8

Preisvorteil yon Hausbaltstyp 3 gegeniiber Hausbaltstyp �9 fiir die drei Ebenen des Energieverbrauchs

Jahr Effektiv Sekund~irenergie Prim~irenergie genutzte Energie

x969 37 % 35% 33 %

x976 3I% 28% 2x%

Arme Verbraucher ben6tigen also mehr Prim~irenergie fiir die Bereitstellung niitzlicher Energie, sie kosten die Volkswirtschaft relativ mehr als reiche Verbrau- chef. Vorwiegend in diesem Sinn beziehen einkommensschwache Energieverbrau- cher eine sicherlich h6chst unfreiwillige ,,Konsumentenrente,, (Scherl). Eine politi- sche Schluf~folgerung w~ire, daft zumindest aus energie- und umweltpolitischer Sicht einiges dafiir spricht, wirtschaftlich schwiicheren Verbrauchergruppen mehr Auf- merksamkeit zu widmen, selbst wenn einkommensschwache Gruppen insgesamt weniger Energie verbrauchen als besser gestellte Haushalte. Als Strategie zur Sen- kung der durch einkommensschwache Gruppen vermehrt verursachten sozialen Kosten des Konsums reichen verbraucherpolitische Informations- und Beratungs- maflnahmen sicher nicht aus. Man wird vielmehr tiber Instrumente nachdenken miissen, die sich direkter auf die soziale Position solcher Verbrauchergruppen am Markt und gegeniiber 6ffentlichen Versorgungsunternehmen auswirken.

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Abstract

The poor pay more - at least for energy. Not only do low-income groups have less money to spend, they also get less for it than higher-income families. Olander and Scherl, among others, have discussed such a relationship between income level and "buying efficiency" (Olander), as measured by the price-amount-quality ratio realized for a given commodity. However, as Scherl concluded, there is almost no "conclusive direct empirical proof" for this income effect, neither in the U.S.A. nor in the Federal Republic of Germany.

A study on patterns of household energy consumption in West Germany strongly supports the hypothesis for this area of consumption. It can be shown that (a) high and low-income households pay different prices for the same amounts of secondary energy (kinds of energy bought by households); (b) high and low-income households pay different prices for the same quality of secondary energy (thermal content of secondary energy), even if equal prices for different kinds of energy are assumed; (c) high and low-income households pay different prices for the same quality of useful energy (thermal content of effectively used energy), even if equal prices for different kinds of energy and for the same quality of secondary energy are assumed.

The discussion of variables intervening between income and the efficiency of energy consumption emphasises a number of technical and institutional factors associated with income. Technical and institutional factors shaping consumption patterns deserve more attention than they have been accorded hitherto in consumer energy research, and possibly in other areas of consumption, too. The importance of these factors suggests that conventional instruments and strategies of consumer policy, concentration on the middle-class consumer and on consumer information, may be insufficient, at least in the case of energy consumption and conservation.

Finally, the hypothesis is put forward, and some supporting data for domestic energy consumption are provided, that the social costs of consumption are inversely related to income�9 It is argued that greater emphasis of consumer policy on improving directly the lot of low-income families is warranted if this thesis - "The poor cost more" - also holds true for other areas of consumption.

Der Autor

Bernward Joerges ist Privatdozent an der Universit~it Stuttgart und Leiter des Programmbereichs Konsum und Umwelt am Internationalen Institut fiir Umwelt und Gesellschaft des Wissenschaftszentrums Berlin, Blissestraf~e 2, D-looo Berlin 31.