Die Banalität des Guten – Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

27
Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Wirtschaftsethik Prof. Dr. Ingo Pies MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG Die Banalität des Guten – Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover 21. April 2010

description

Die Banalität des Guten – Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover 21. April 2010. Hannah Arendt (* 14. Oktober 1906; † 5. Dezember 1975). Hannah Arendt war eine der führenden Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. - PowerPoint PPT Presentation

Transcript of Die Banalität des Guten – Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Page 1: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche FakultätLehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG

Die Banalität des Guten – Lektionen der Wirtschaftsethik

Hannah-Arendt-VorlesungHannover21. April 2010

Page 2: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

2Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Hannah Arendt war eine der führenden Intellektuellen des 20. Jahrhunderts

http://www.thehindu.com/lr/2006/11/05/images/2006110500130401.jpg

• Exzellente philosophische Ausbildung (bei Heidegger und Jaspers)

• Nach 1933: Publizistisches Engagement im Exil

• Ab 1953: Professorin für Politische Theorie an führenden US-amerikanischen Universitäten

Sie schaut mit einem sehr eigenständigen Blick auf politische Phänomene wie die Revolution oder den Totalitarismus: Sie will verstehen.

Auschwitz ist für sie das Ereignis des 20. Jhdts.

Hannah Arendt (* 14. Oktober 1906; † 5. Dezember 1975)

Page 3: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

3Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Im Fernsehinterview mit Günter Gaus gibt sie folgende autobiographische Auskunft:

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

„Das Entscheidende ist der Tag gewesen, an dem wir von Auschwitz erfuhren. … Das war 1943. … Das ist der eigentliche Schock gewesen. Vorher hat man sich gesagt: Nun ja, man hat halt Feinde. Das ist doch ganz natürlich. Warum soll ein Volk keine Feinde haben? Aber dies ist anders gewesen. Das war wirklich, als ob der Abgrund sich öffnet. Weil man die Vorstellung gehabt hat, alles andere hätte irgendwie noch einmal gutgemacht werden können, wie in der Politik ja alles irgendwie einmal wiedergutgemacht werden kann. Dies nicht. Dies hätte nie geschehen dürfen. … Da ist irgendetwas passiert, mit dem wir alle nicht fertig werden.“Hannah Arendt: (1964, 2007). Fernsehinterview mit Günter Gaus, in: dies.: Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk, hrsg. von Ursula Ludz, München und Zürich, S. 46-72, hier S. 61 f.

Hannah Arendt über Auschwitz

Page 4: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

4Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Ein Jahr nach dem Fernsehinterview mit Günter Gaus, im Jahr 1965, hält sie an der New School for Social Research in New York eine Vorlesungsreihe unter dem Titel „Some Questions of Moral Philosophy“. Hier vertritt Hannah Arendt (2003, 2009) vier Thesen.

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

1.Hannah Arendt beobachtet eine moralphilosophi-sche Asymmetrie: Es gibt keine Ethik des Bösen, sondern nur Ethiken des Guten.*

2.Ihre Gegenthese zum Mainstream lautet: Eine Ethik des Bösen ist nötig und möglich.

3.Ihr perspektivischer Befund: Nur das extrem Gute ist radikal, nicht aber das extrem Böse. Dieses ist vielmehr wurzellos, flach und banal.

4.Ihre Schlussfolgerung: Auschwitz ist ein Verbrechen, das man den Verbrechern – mangels Persönlichkeit – nicht vergeben kann.* des guten Willens, der „ja ich will“ antwortet, wenn man ihm sagt: „Du sollst“. (S. 48)

Hannah Arendt und die Banalität des Bösen

Page 5: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

5Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

1.Mainstream-Auffassung: Man muss sich anstrengen, Gutes zu tun, und wird zum Bösen verführt. (S. 53)

2.Hannah Arendts Gegenthese: Manchmal muss man sich anstrengen, Böses zu tun, und wird zum Guten verführt. (S. 55)

3.Hannah Arendts perspektivischer Befund: „Das größte Böse ist nicht radikal, es hat keine Wurzeln“. (S. 77)

4.Hannah Arendts Schlussfolgerung: „[W]enn vergeben wird, dann wird nicht das Verbrechen vergeben, sondern der Person; beim wurzellosen Bösen gibt es keine Person mehr, der man je vergeben könnte.“ (S. 78)

Hannah Arendts Bemühen, Auschwitz zu verstehenHannah Arendt (2003, 2009) vertritt vier Thesen: (1) Der Mainstream kennt nur Ethiken des Guten. (2) Wir benötigen eine Ethik des Bösen; (3) Das Böse ist nicht einfach als Spiegelbild des Guten zu denken. (4) Das hat Konsequenzen für unser Verständnis von Auschwitz.

Page 6: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

6Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

Wer nicht verwurzelt, sondern entwurzelt ist, legt eine innere Haltlosigkeit an den Tag. Wem es daran mangelt, in der Kultur gemeinschaftlich verankert zu sein, wer also in diesem Sinne nicht zur Person geworden ist, hat es naturgemäß schwer, andere Menschen als Personen wahrzunehmen und anzuerkennen – mit der Folge, dass aufgrund einer solchen De-Personalisierung des Anderen dann Verbrechen möglich werden, die die Grenzen des bis dahin Vorstellbaren sprengen. Dass Auschwitz möglich war: dass es zu einem staatlich geplanten und bürokratisch exekutierten Vernichtungsprogramm kommen konnte, versteht Hannah Arendt also als das Resultat eines Versagens gemeinschaftlicher Persönlichkeitsbildung und mithin als Folge eines individuellen Vakuums moralischer Integrität.

Hannah Arendts Bemühen, Auschwitz zu verstehenAuschwitz ist für sie als historisch singuläres Verbrechen Ausdruck einer mangelnden Radikalität, einer mangelnden Verwurzelung von Menschen, die aus purer Skrupellosigkeit – im Sinne von Charakterlosigkeit – zu Verbrechern werden, nicht weil sie sich als starke Persönlichkeiten falsch entscheiden, sondern weil sie als schwache Persönlichkeiten das Denken verweigern.

Page 7: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

7Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Ordonomik:

Das theoretische Gegensatz-paar der auf das Systemische schauenden Ordnungsethik lautet: gut versus schlecht.

Hannah Arendt:

Das theoretische Gegensatz-paar der auf das Personale schauenden Individualethik lautet: gut versus böse.

Banalitätdes Guten

gut

böse / schlecht

Person System

Banalitätdes Bösen

Radikalitätdes Guten

Banalitätdes Schlechten

I

IIIII

IV

Unterschiedliche FragestellungenHannah Arendt vertritt eine personale Individualethik (Q III und Q IV). Die ordonomische Wirtschaftsethik hingegen folgt einer anderen Fragestellung und einer anderen Antwortperspektive. Ihr geht es um eine systemische Ordnungsethik (Q I und Q II). Deshalb formuliert die These von der „Banalität des Guten“ keinen Widerspruch zu Hannah Arendt.

Page 8: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

8Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Argumentation im Überblick

1. Hannah Arendts Auffassung von der Banalität des Bösen und von der Radikalität des Guten

2. Die wirtschaftsethische Auffassung von der Banalität des Guten und von der Banalität des Schlechten

3. Zum Vergleich der theoretischen Konzeptionen

Page 9: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Erste These der ordonomischen Wirtschaftsethik

9Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Systemergebnisse sind das nicht-intendierte Resultat intentionalen Verhaltens. Beispiel: Rate der Banküberfälle.

http://www.kalk.de/uploads/pics/Stahlsafe_shutt_1560794klei.jpg

Page 10: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Zweite These der ordonomischen Wirtschaftsethik

10Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Schlechte Systemergebnisse sind dilemmatisch bedingt. Beispiel: Klimawandel. (Viele Konsumenten handeln hier unbewusst. Aber selbst in Kenntnis des Problems kann man oft nicht anders handeln. Dies gilt insbesondere für Unternehmen im Wettbewerb.)

I

II

ja

nein

nein

ja d b*

ac

IV

III

Spieler R

Spie

ler

A

II

I

Payoffs: a > b > c > d

Szenario: kostenlose CO2-Emission

Strategie: Freiwillige Anstrengung zum Klimaschutz?

http://p3.focus.de/img/gen/2/8/HB28tYyG_Pxgen_r_467xA.jpg

Page 11: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Dritte These der ordonomischen Wirtschaftsethik

11Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Gute Systemergebnisse sind ebenfalls dilemmatisch bedingt. Beispiel: Wirtschaftsleistung.

http://www.uibk.ac.at/ipoint/news/images/wwachst_topnews.jpg

I

II

nein

ja

ja

nein d b*

ac

IV

III

Spieler R

Spie

ler

A

II

I

Payoffs: a > b > c > dSzenario: funktionale Rahmenordnung

Strategie: Individuelle Anstrengung im Leistungswettbewerb?

Page 12: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

12Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Adam Smith vertritt in „Wealth of Nations“ (1776) zwei Thesen: (1) Unternehmern liegt das Wohl der Konsumenten nicht am Herzen. (2) Unter bestimmten Bedingungen tragen sie trotzdem zum Konsumentenwohl bei. Fazit: Wohl-Stand setzt kein Wohl-Wollen voraus.

http://www2.warwick.ac.uk/fac/soc/ppe/ppelectures/adam_smith_photo.jpg

1.„Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann.“ (S. 112)

2.„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“ (S. 17)

Adam Smith und die „Banalität des Guten“

Page 13: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

13Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Argumentation im Überblick

1. Hannah Arendts Auffassung von der Banalität des Bösen und von der Radikalität des Guten

2. Die wirtschaftsethische Auffassung von der Banalität des Guten und von der Banalität des Schlechten

3. Zum Vergleich der theoretischen Konzeptionen

Page 14: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

14Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

„In einer Beziehung hatte Marx vollkommen recht: Die logische Entwicklung des Kapitalismus ist der Sozialismus. Und der Grund dafür ist einfach. Der Kapitalismus begann mit der Ausbeutung. Das ist das Gesetz, das anschließend die Entwicklung determinierte. Und der Sozialismus bringt die Ausbeutung an ihr logisches Ende und bleibt damit in gewissem Sinne ohne mäßigenden Einfluss. … Dieser ganze moderne Produktionsprozess ist tatsächlich ein Prozess der schrittweisen Ausbeutung. Ich würde mich deshalb immer weigern, eine Unterscheidung zwischen beiden [gemeint sind: Kapitalismus und Sozialismus; I.P.] zu machen. Für mich ist es wirklich ein und dieselbe Bewegung. Und in dieser Beziehung hatte Karl Marx vollkommen recht. Er ist der einzige, der es wirklich wagte, diesen neuen Produktionsprozess zu durchdenken – jene Produktionsvorgänge, die sich in Europa im 17., dann im 18. und schließlich im 19. Jahrhundert allmählich durchsetzten. … Nur was am Ende dabei herauskommt, ist die Hölle, nicht das Paradies.“ (1979, 2007; S. 110 f.)

Hannah Arendts Diagnose der ModerneHannah Arendt interpretiert den Kapitalismus als Ausbeutungssystem und vertritt eine generell dekadenztheoretische Perspektive, aus der die Moderne als Verfall erscheint.

Page 15: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Die wirtschaftsethische Diagnose der Moderne

15Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Die ordonomische Wirtschaftsethik interpretiert den Kapitalismus als ein System wechselseitiger Besserstellung, das den Menschen auf breiter Front zivilisatorische Errungenschaften zuteil werden lässt..

0

5000

10000

15000

20000

25000

0 1000 1500 1820 1870 1913 1950 1973 2001

WestRest

Quelle: Maddison (2005)

Schätzungen des Pro-Kopf-Einkommens in USD von 0-2001

Page 16: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

16Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Bevölkerungsentwicklung von 1000 v. Chr. - 2000 n. Chr.Erst in den letzten Jahrhunderten hat die Bevölkerungszahl deutlich zugenommen.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/8/8a/World-pop-hist-de-2.png

Page 17: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

17Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

17

Gesundheitsentwicklung: Parallel zum Wachstum steigt die Lebenserwartung stark an

Quelle: Maddison (2005)

0102030405060708090

1000 1820 1900 1950 1999 2002

WestRest

Schätzung zur Entwicklung der Lebenserwartung von 1000-2002, weltweit (West: Europa, Nordamerika, Japan. Rest: Asien, Afrika, Südamerika und Osteuropa)

Trotz geringerer Einkommen nimmt die Lebenserwartung auch in Entwicklungsländern stark zu!

Page 18: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

18Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

18

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

1725 1750 1800 1850 1900 1950 1990

Entwicklung der Lebenserwartung: beschleunigte Aufholprozesse sind möglich

Quelle: Fogel (2004)

Entwicklung der Lebenserwartung in 6 Staaten von 1725-1990

USA

UK/England

Frankreich

Indien

China

Japan

Entwicklungsländer können durch das Globalisierungsphänomen des Technologietransfers Gesundheitsziele schneller erreichen!

Page 19: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Eine erste Gemeinsamkeit

19Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

gut

böse / schlecht

Person System

Radikalität Radikalität

I

IIIII

IV

Hannah Arendt lehnt die These von der Radikalität des Bösen ab. Und analog lehnt die ordonomische Wirtschaftsethik die These von der Radikalität des Schlechten ab.

Ordonomik:

Es wäre ein Denkfehler, das Schlechte auf schlechte Motive anstatt auf schlechte Anreize zurückzuführen.

Hannah Arendt:

Es wäre ein Denkfehler, das Böse auf menschliche Monster und dämonische Schurken zurückzuführen.

Page 20: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Ein zweiter Unterschied

20Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Hannah Arendt befürwortet die These von der Radikalität des Guten. Im Unterschied hierzu lehnt die ordonomische Wirtschaftsethik die These von der Radikalität des Guten ab.

Radikalität

gut

böse / schlecht

Person System

Radikalität

I

IIIII

IV

Ordonomik:

Es wäre ein Denkfehler, das systemisch Gute auf gute Motive anstatt auf gute Anreize zurückzuführen.

Hannah Arendt:

Das personal Gute ist auf eine gemeinschaftliche Verwurzelung des Individuums zurückzuführen.

Page 21: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Eine zweite Gemeinsamkeit

21Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Für Hannah Arendt ist Denken (als Zwiesprache mit sich selbst) ein letztlich sozialer Akt. Ihr kommt es auf Publizität an, auf die politische Arena des Diskurses. Auch für die ordonomische Wirtschaftsethik ist die Öffentlichkeit eine wichtige Arena.

Regelfindungsdiskurs

Regelsetzungsprozess

Regelbefolgungsspiel

Öffentlichkeit(Meta-Metaspiel:

Orientierung)

Politik(Metaspiel: Spielregeln)

Wirtschaft(Basisspiel: Spielzüge)

Semantik

Sozialstruktur

Page 22: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

Eine zweite Gemeinsamkeit

22Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Auch für die ordonomische Wirtschaftsethik ist die Öffentlichkeit eine wichtige Arena. Allerdings können hier zwei Fehlschlüsse zur intellektuellen Des-Orientierung führen.(Beispiele: Forderung als personale Überforderung; Schuld und Sühne)

Regelfindungsdiskurs

Regelsetzungsprozess

Regelbefolgungsspiel

Öffentlichkeit(Meta-Metaspiel:

Orientierung)

Politik(Metaspiel: Spielregeln)

Wirtschaft(Basisspiel: Spielzüge)

Semantik

Sozialstruktur

Moralistischer Kurzschluss

Normativistischer Fehlchluss

Page 23: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

23Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Zusammenfassung

1. Hannah Arendts Auffassung von der Banalität des Bösen und von der Radikalität des Guten

2. Die wirtschaftsethische Auffassung von der Banalität des Guten und von der Banalität des Schlechten

3. Zum Vergleich der theoretischen Konzeptionen

Page 24: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

24Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Hannah Arendt ist bemüht, Auschwitz zu verstehen. Ihre These von der Banalität des Bösen wendet sich dagegen, das extrem Böse als bloßen Gegensatz – als einfaches Spiegelbild – zum extrem Guten zu denken.

http://www.notablebiographies.com/images/uewb_01_img0038.jpg

„Das größte Böse ist nicht radikal, es hat keine Wurzeln“.Quelle: Arendt (2003, 2009; S. 77).

Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen

Hannah Arendt entwickelt eine Individualethik. Ihre Fragestellung und Antwortperspektive ist referentialisiert auf das Individuum als Person. Damit will sie Auschwitz als historisch singuläres Ereignis verstehen.

Page 25: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

25Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Hannah Arendt ist eine große Anhängerin von Bertolt Brecht. Der lässt in einem Theaterstück seinen Galilei ein klassisch gewordenes Statement gegen moralischen Heroismus abgeben. Dem kann die ordonomische Wirtschaftsethik nur nachdrücklich zustimmen: Die moderne Gesellschaft muss (und kann) so organisiert werden, dass sie ohne moralischen Heroismus auskommt.

http://www.salzgeber.de/presse/bildarchiv/gross/brecht_01b.jpg

„Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“Quelle: Dies lässt Bertolt Brecht (1955, 1998; S. 116) seinen Galilei sagen, und zwar ganz am Ende der 13. Szene.

Die ordonomische These von der Banalität des systemisch Guten

Die Ordonomik entwickelt eine Ordnungs-ethik. Ihre Fragestellung und Antwort-perspektive ist referentialisiert auf die Funktionsweise des (Wettbewerbs-) Systems mittels institutioneller Anreize.

Page 26: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

26Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

Sowohl für Hannah Arendt als auch für die ordonomische Wirtschaftsethik sind öffentliche Diskurse von entscheidender Bedeutung. Insofern können beide David Hume zustimmen:

http://www.science-et-vie.net/img/illustrations/D/david-hume.jpg

„It is … on opinion only that government is founded“.Quelle: Hume (1741, 1987; S. 32).

Eine wichtige Gemeinsamkeit

Steuerung setzt Aufklärung voraus. Die aber lässt sich nur als Selbstaufklärung realisieren. Deshalb gibt es keine Alternative zum Diskurs als Arena öffentlichen Denkens (im Sinne „öffentlichen Vernunftgebrauchs“).

Page 27: Die Banalität des Guten –  Lektionen der Wirtschaftsethik Hannah-Arendt-Vorlesung Hannover

27Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für WirtschaftsethikProf. Dr. Ingo Pies

http://pics.livejournal.com/larvatus/pic/0029thc6