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Lehrerbildung auf dem Prüfstand © Verlag Empirische Pädagogik 2017, 10. Jahrgang, Heft 1, S. 19-54 Die Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts für die Wahrnehmung und Nutzung von Lerngelegenheiten zum Aufbau von professionellen Kompetenzen im Lehramtsstudium – eine Frage von Angebot, der Nutzung oder Merkmalen der Nutzenden? Manuela Keller-Schneider Im Rahmen der Schwerpunktverlagerung „from teaching to learning“ wurden an der Pädagogi- schen Hochschule Zürich Module entwickelt, in welchen dem Inverted-Classroom-Ansatz folgend der Wissenserwerb in die Vorbereitungsarbeiten verlagert wurde, um im Rahmen der Plenums- veranstaltungen Vertiefungen zu ermöglichen. Zur Unterstützung des selbstregulierten Wissens- erwerbs wurde eine digitale Lernumgebung mit einem didaktisch aufbereiteten Lernobjekt bereitgestellt, das über deduktive und induktive Zugänge den Erwerb des modulspezifischen Wissens ermöglicht. Untersucht wird die Bedeutung des Lernobjekts für das Lernergebnis sowie Fragen nach der Bedeutung von individuellen Merkmalen der Studierenden für die Nutzung die- ses Lernobjekts. Mittels einer Online-Umfrage wurden 765 Studierende nach Einschätzungen von Angebot, Nut- zung, individuellen Ressourcen und Lernertrag befragt. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Nutzung des Lernobjekts den Lernertrag unterstützt, dass sich aber die Studierenden, welche das Lernobjekt nutzen, insgesamt intensiver mit den Anforderungen der Lehrveranstaltung aus- einandersetzen. Nach Neigung, Intensität und wahrgenommener Qualität des Lernobjekts clusteranalytisch identifizierte Typen unterscheiden sich nicht nur in den Profilen, sondern auch im Lernergebnis. Die Nutzung des Lernobjekts wird durch die Neigung, mit digitalen Lernobjek- ten zu arbeiten, unterstützt. Das Lernergebnis wird jedoch auch durch weitere Faktoren mitbe- stimmt, die auf eine intensive Auseinandersetzung mit den Anforderungen hinweisen. Schlagwörter: Digitale Lernumgebung – Lernstrategien – Nutzung von Lernangeboten – Selbst- regulation 1 Einleitung Im Zuge der Studienreform NOVA09 der einphasigen Lehrerbildung an der Päda- gogischen Hochschule Zürich wurden interdisziplinär angelegte Module entwickelt (genannt Lernfelder), die über eine Verknüpfung von erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissensbeständen auf konkrete Situationen im Schulfeld be- zogen den Aufbau spezifischer berufsbezogener Kompetenzen fördern. Diese Lernfelder nutzen wissensbasierte und erfahrungsbezogene Zugänge, um allge- meine und theoriegestützte Kenntnisse mit fallbasiertem Wissen und spezifischen

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  • Lehrerbildung auf dem Prüfstand © Verlag Empirische Pädagogik 2017, 10. Jahrgang, Heft 1, S. 19-54

    Die Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts für die Wahrnehmung und Nutzung von Lerngelegenheiten zum Aufbau von professionellen Kompetenzen im Lehramtsstudium – eine Frage von

    Angebot, der Nutzung oder Merkmalen der Nutzenden?

    Manuela Keller-Schneider

    Im Rahmen der Schwerpunktverlagerung „from teaching to learning“ wurden an der Pädagogi-schen Hochschule Zürich Module entwickelt, in welchen dem Inverted-Classroom-Ansatz folgend der Wissenserwerb in die Vorbereitungsarbeiten verlagert wurde, um im Rahmen der Plenums-veranstaltungen Vertiefungen zu ermöglichen. Zur Unterstützung des selbstregulierten Wissens-erwerbs wurde eine digitale Lernumgebung mit einem didaktisch aufbereiteten Lernobjekt bereitgestellt, das über deduktive und induktive Zugänge den Erwerb des modulspezifischen Wissens ermöglicht. Untersucht wird die Bedeutung des Lernobjekts für das Lernergebnis sowie Fragen nach der Bedeutung von individuellen Merkmalen der Studierenden für die Nutzung die-ses Lernobjekts. Mittels einer Online-Umfrage wurden 765 Studierende nach Einschätzungen von Angebot, Nut-zung, individuellen Ressourcen und Lernertrag befragt. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Nutzung des Lernobjekts den Lernertrag unterstützt, dass sich aber die Studierenden, welche das Lernobjekt nutzen, insgesamt intensiver mit den Anforderungen der Lehrveranstaltung aus-einandersetzen. Nach Neigung, Intensität und wahrgenommener Qualität des Lernobjekts clusteranalytisch identifizierte Typen unterscheiden sich nicht nur in den Profilen, sondern auch im Lernergebnis. Die Nutzung des Lernobjekts wird durch die Neigung, mit digitalen Lernobjek-ten zu arbeiten, unterstützt. Das Lernergebnis wird jedoch auch durch weitere Faktoren mitbe-stimmt, die auf eine intensive Auseinandersetzung mit den Anforderungen hinweisen. Schlagwörter: Digitale Lernumgebung – Lernstrategien – Nutzung von Lernangeboten – Selbst-regulation

    1 Einleitung Im Zuge der Studienreform NOVA09 der einphasigen Lehrerbildung an der Päda-gogischen Hochschule Zürich wurden interdisziplinär angelegte Module entwickelt (genannt Lernfelder), die über eine Verknüpfung von erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissensbeständen auf konkrete Situationen im Schulfeld be-zogen den Aufbau spezifischer berufsbezogener Kompetenzen fördern. Diese Lernfelder nutzen wissensbasierte und erfahrungsbezogene Zugänge, um allge-meine und theoriegestützte Kenntnisse mit fallbasiertem Wissen und spezifischen

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    Erfahrungen zu vernetzen. Damit soll eine Integration von Wissen in die subjekti-ven Wissensbestände gefördert werden (Neuweg, 2014), welche Grundlagen für das berufliche Können darstellen. Zwei dieser vier Lernfelder fokussieren das Ler-nen der Schülerinnen und Schüler im engeren Sinne („Lernstrategien fördern und Lernprozesse begleiten“ sowie „Lernen beurteilen und fördern“). Diese werden von zwei weiteren Lernfeldern gerahmt, die den Kontext (familiäres/kulturelles und schulisches/institutionelles Umfeld) in den Blick nehmen. Die Erkenntnisse werden wissensbasiert und erfahrungsgestützt erworben, im Rah-men der Seminarveranstaltungen vertieft und fallbasiert in Gruppen bearbeitet. Dem Paradigmenwechsel der Output-Orientierung als „Shift from teaching to lear-ning“ (Barr & Tagg, 1995) folgend, wird in der Lehrveranstaltung den über das reine Wissen hinausgehenden Erkenntnissen der Studierenden ein hohes Gewicht beigemessen. Im selbstregulierten und problemorientierten Lernsetting (Zumbach, 2003) wird der Wissenserwerb in die Vorarbeiten zu den Seminarveranstaltungen verlegt; die Dozierenden übernehmen in den Seminarveranstaltungen und in den Beratungen eine Beratungsrolle, die eine Vertiefung und Weiterentwicklung von Wissen und Erkenntnissen ermöglicht. Zum Abschluss der Lehrveranstaltungen zei-gen die Studierenden ihren Kompetenzerwerb in einem in Gruppen erarbeiteten Leistungsnachweis, in welchem sie fallbasiert ihr Wissen, die Anwendung des Wissens auf konkrete Situationen im Schulfeld sowie auch die Analyse der authentischen Situation darlegen, Erkenntnisse ableiten und ihr Lernergebnis krite-riengeleitet evaluieren. Die Studierenden gestalten über inhaltliche Schwerpunkt-setzungen und methodische Entscheidungen die Lehre insgesamt mit, wie dies Reinmann und Jenert (2011) postulieren. In den Lernfeldern kommt der Selbst-regulation (Boekaerts, 1999) und der Selbstbeurteilung (Darling-Hammond & Snyder, 2000) sowie der Situierung in authentischen Schulsituationen (Korthagen, 2011) eine hohe Bedeutung zu (Kitsantas & Cleary, 2016; Miele & Scholer, 2016; Zimmerman, 2000).

    2 Die untersuchte Lehrveranstaltung Im Rahmen der untersuchten Lehrveranstaltung „Lernstrategien fördern und Lern-prozesse begleiten“ (Modul LL) erwerben die Studierenden theoriegestützt und schulfeldbezogen Kompetenzen im Verstehen von nicht direkt beobachtbaren Lernprozessen und in der Lernprozessbegleitung von Schülerinnen und Schülern. Der Fokus der Lehrveranstaltung insgesamt liegt auf dem Lernen der Schülerinnen und Schüler und dem Beitrag der Lehrperson, das Lernen anzuregen, zu beobach-ten und zu fördern. Die Studierenden als angehende Lehrpersonen sind nicht nur darin gefordert, Wissen zu erwerben, sondern auch darin, sich auf die individuellen

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    Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler einzulassen, um individuell und situativ passende, spezifische Impulse geben zu können. Das Modul LL umfasst 4 ECTS-Punkte und verfolgt in problemorientierten Settings (Zumbach, 2003) nicht nur den Erwerb von Wissen, sondern auch dessen Anwen-dung in konkreten Situationen im Schulfeld. Die Lehrveranstaltung ist in parallele Seminare gegliedert, in denen über differente fachspezifische Zugänge auf fach-übergreifende Kompetenzen hingearbeitet wird. Damit soll ein Transfer der Kennt-nisse bezüglich Lernstrategien und Lernprozessbegleitung, die im Kontext eines spezifischen Faches erworben wurden, auf andere Fächer gefördert werden.1 Die Studierenden arbeiten problemorientiert (Zumbach, 2003) und fallbasiert (Syring et al., 2016; Ummel, 2010) in Projekt-Gruppen, um über eine hohe Authen-tizität des Anwendungsbezuges eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Anfor-derungen zu ermöglichen. Die zu erwerbenden Kompetenzen fokussieren auf die unterschiedlich komplexen Stufen der Bloomschen Taxonomie (Anderson & Krath-wohl, 2001; Bloom, 1972); damit wird eine Vernetzung von Wissen (Bromme, 1992; Shulman, 1986) mit aus der Umsetzung hervorgehenden Erkenntnissen angestrebt (Neuweg, 2014). Auf der Basis von erworbenem modulspezifischem Wissen (zu Lernstrategien, Lernprozessbegleitung und offenen Formen von Unterricht) entwickeln die Studie-renden eine eigene Sequenz, in welcher die Schülerinnen und Schüler an offenen Aufgaben arbeiten und in ihrer Lösungssuche von der Lehrperson begleitet wer-den. Nach einer Vorbesprechung der geplanten Sequenz mit den Seminarleiten-den führen die Studierenden diese Sequenz in einer Klasse durch, beobachten das Geschehen unter verschiedenen Schwerpunkten (Handeln der Lehrpersonen, Han-deln der Schülerinnen und Schüler, Interaktionen) und evaluieren die beobachtete Sequenz. Dabei werden das Handeln und das vermutete Denken der Schülerinnen und Schüler nach unterschiedlichen Lernstrategiekategorien analysiert und die Passung des Handelns der Lehrperson reflektiert. Die Studierenden zeigen am En-de des Semesters die erworbenen Kompetenzen anhand einer theoriegestützten mehrperspektivischen Analyse ihrer durchgeführten Lernsequenz. Eine Reflexion des eigenen Lernprozesses und die Bilanzierung der erworbenen Kompetenzen stellen weitere Elemente des Leistungsnachweises dar. Von den Studierenden wird selbstgesteuertes Arbeiten gefordert (Kopp & Mandl, 2011), in welchem sowohl primäre, metakognitive und sekundäre Lernstrategien 1 In der einphasigen Lehrerbildung in der Schweiz werden die Lehrpersonen des Kindergartens für alle

    Fächer ausgebildet, jene der Primarstufe für sieben und jene der Sekundarstufe I für vier. Gymnasial-lehrkräfte werden nicht an der PH ausgebildet. Die Lehrpersonen unterrichten nur die Fächer, für welche sie ausgebildet sind, fachfremdes Unterrichten findet nicht statt.

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    zum Tragen kommen (Mandl & Friedrich, 2006), die insbesondere durch die Ge-staltung der Lernumgebung (Kopp & Mandl, 2011) und der Art des Leistungsnach-weises (Darling-Hammond & Snyder, 2000) eingefordert werden. Der Schwerpunkt der Lehrveranstaltung wird nicht primär auf den Erwerb von objektivem Wissen oder Routinen gelegt, sondern fokussiert auf die Generierung von Lernsituationen (Anderson & Krathwohl, 2001) und die Reflexion des Handelns von Lehrpersonen (Darling-Hammond & Snyder, 2000). Auf Wissen, Erfahrung und Reflexion basie-rende Erkenntnisse werden in die subjektiven Wissensstrukturen integriert (Neu-weg, 2014) und schlagen sich im individuellen Bildungsgang der Studierenden als angehende Lehrpersonen nieder (Meyer, 2009; Müller-Roselius, 2013). Damit soll eine nachhaltige Wirkung auf die Professionalisierung insgesamt (Cochran-Smith, 2001; Korthagen, 2011) erzielt werden. Der Wissenserwerb stellt somit nicht das Ziel der Lehrveranstaltung, sondern die Voraussetzung dafür dar. Das didaktische Setting der Lehrveranstaltung folgt dem Konzept des „Inverted Classrooms“ (auch Inverted Teaching oder Flipped Classroom genannt; Handke & Sperl, 2012; Wannemacher, Jungermann, Scholz, Tercanli & von Villiez, 2016). Der Erwerb von modulspezifischem Wissen und erste Anwendungen in konkreten Si-tuationen erfolgen im Selbststudium und stellen Voraussetzungen für die weiter-führende Arbeit im Seminar dar. Über welche Wege sich die Studierenden diese Voraussetzungen erarbeiten und wie sie sich dabei organisieren, ist ihnen weitgehend freigestellt. Über unterschied-liche Zugänge werden vielfältige Lernmedien und Lernsettings zur Verfügung ge-stellt, die von den Studierenden weitgehend in eigener Regie genutzt werden. Lernmedien: Auf der e-Plattform Ilias steht eine digitale Lernumgebung bereit, die als Wissensbasis eine Sammlung von modulspezifischen Materialien (Texte, Videos von Unterrichtssequenzen, Reflexionsimpulse) enthält. Ein didaktisch aufbereitetes Lernobjekt bietet Impulse, sich über deduktive und induktive Zugänge mit den modulspezifischen Anforderungen auseinanderzusetzen, um berufsrelevante Kom-petenzen zu erwerben. Die folgenden Abbildungen geben Einblick in das Lern-objekt (LO), welches über eine Überblicksseite (Abb. 1) Zugänge zu den einzelnen Lernstrategiekategorien eröffnet (vgl. Abb. 2), sowie über didaktisch aufbereitete Videos von konkreten Unterrichtssituationen ein Erkennen der Lernstrategien im Handeln der Schülerinnen und Schüler ermöglicht und Lehrer-Schüler-Interaktio-nen zeigt. In der Abbildung 1 ist die inhaltliche Struktur des Lernobjekts darge-stellt, gegliedert nach sechs Lernstrategiekategorien (Hellmich & Wernke, 2009; Mandl & Friedrich, 2006). Ein Klick auf die einzelnen Felder führt zur themenspe-zifischen Einführungsseite (Abb. 2), welche über Definitionen und Beispiele einen Einblick in die entsprechende Lernstrategiekategorie bietet. Über Klicks auf Be-griffe oder Literaturverweise eröffnen sich Zugänge zu Definitionen, Fachtexten

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    und Reflexionsaufgaben, welche eine weitere Vertiefung ermöglichen. Diese de-duktiven Zugänge zum Lerngegenstand werden durch induktive ergänzt. Sie er-öffnen sich über einen Klick auf das Feld „Unterrichtssituationen“ im Kern der konzentrisch angeordneten Lernstrategiekategorien (Abb. 1). Videos von Unter-richtssituationen, mit Impulsfragen didaktisch aufbereitet, regen die Studierenden an, sich mit der konkreten Unterrichtssituation auseinanderzusetzen und ihr Wis-sen zur Analyse der Unterrichtssequenz anzuwenden. Auszüge aus dem Lernobjekt LL werden in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt (Scheuble et al., 2010).

    Abbildung 1: Überblick und Einstieg in deduktive und induktive Zugänge

    Das Lernobjekt stellt einen von mehreren Lernwegen dar und kann von den Stu-dierenden den eigenen Neigungen und Schwerpunktsetzungen entsprechend ge-nutzt werden (Reinmann & Jenert, 2011), um sich mit den Anforderungen der Lehrveranstaltung auseinander zu setzen und sich im Rahmen des Inverted-Class-room-Ansatzes auf die Seminarveranstaltungen vorzubereiten. Lernsetting: Die Studierenden arbeiten in Projektgruppen, um Kenntnisse zu er-werben, diese in einer eigenen Lernsequenz anzuwenden sowie Beobachtungen und Erfahrungen aus dieser Sequenz theoriebezogen zu reflektieren. Einzel- und Partnerarbeit sowie Plenumsveranstaltungen und Beratung durch die Seminarlei-

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    tenden stellen weitere Settings dar. Wie intensiv die Studierenden die unterschied-lichen Lernsettings nutzen, und ob sie für den Wissenserwerb mit dem Lernobjekt arbeiten, ist ihnen freigestellt.

    Abbildung 2: Einstieg in Ausführungen zu reduktiv-organisierenden Strategien

    3 Theoriebezüge 3.1 Die Nutzung digitaler Medien in der Hochschullehre Mit dem auf Selbstregulation des Lernens und Selbstorganisation des Denkens aufbauenden Anforderungen der Lehrveranstaltung LL (Miele & Scholer, 2016) nutzen die Studierenden den eigenen Neigungen und Zielsetzungen entsprechen-de Lernwege (Fives & Buehl, 2016), um die Lernziele der Lehrveranstaltung zu er-reichen und die eingeforderten Kompetenzen zu erwerben. Digitale Formate der Wissensvermittlung bieten vielfältige didaktische Möglichkeiten, um die Studieren-den in ihrem Kompetenzerwerb zu unterstützen und in die Verantwortung für ihr Lernen einzubinden (Reinmann & Jenert, 2011). Die vielfältigen Vorgehensweisen erfordern veränderte Aufgaben und Funktionen der Seminarleitenden (Bischof & Stuckrad, 2013), die über die Ablösung des lehrerzentrierten Unterrichts im Sinne von „Einer für alle hier und jetzt“ (Müller-Böling, 2000, S. 239) hinausgehen. Die

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    veränderten Anforderungen und Möglichkeiten für Studierende und Lehrende füh-ren zu Entwicklungen der Hochschullehre insgesamt (Euler, 2013). Der Einsatz digitaler Medien unterstützt die Flexibilisierung von Studienangeboten, kann die Intensität des selbstgesteuerten und auch kooperativen Lernens steigern und bietet Möglichkeiten, die individuelle Passung von Lernzugängen, Lernzeiten und Lernwegen zu optimieren (Bischof & Stuckrad, 2013; Röthlisberger, 2008). Ins-besondere durch den Einsatz von Videos, in digitale Lernumgebungen integriert, kann die Lernsituation realitätsnaher gestaltet werden (Bischof, 2016; König, Ei-cken, Kramer & Roters, 2015; Korthagen, 2011) und damit zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand führen (Krammer & Reusser, 2005). Damit wird den Studierenden ein erweiterter Gestaltungsfreiraum des eigenen Ler-nens (Kopp & Mandl, 2011; Reinmann & Jenert, 2011; Zimmerman, 2011) einge-räumt, aber auch eine höhere Verantwortung für das eigene Lernen eingefordert (Koch, 2014); zudem sind sie in ihren Selbststeuerungs- und Emotionsregulations-fähigkeiten stärker gefordert (Boekaerts, 2011; Miele & Scholer, 2016). Die Integra-tion digitaler Medien in die Hochschullehre führt zu einer Diversifizierung der Lernumgebung, wovon eine Erhöhung der Lernmotivation und damit der Lerneffi-zienz erwartet wird. Gesellschaftliche Push- und Pullfaktoren fördern die Nutzung digitaler Medien. Die Einführung von digitalen Medien in der Hochschullehre ist nicht nur eine ökono-mische, technische und organisatorisch-administrative Frage, sondern wird auch von einer soziokulturellen Dimension geprägt, indem die Integration neuer Medien in die Hochschullehre mit einer Veränderung von Gewohnheiten und Einstellungen verbunden ist (Seufert & Euler, 2004). Es wird – meist ohne dass dies überprüft wird – angenommen, dass die jüngere Generation, als „digital natives“ bezeichnet (Prensky, 2001), gewohnt sei, sich vielfältiges Wissen zu beschaffen, dieses mit anderen zu teilen und auch zu erzeugen. Von den Lehrenden wird dagegen ange-nommen, dass sie für den Einsatz digitaler Medien eine gewisse Innovationsbe-reitschaft benötigen, die sich auch in einer Veränderung der Rollen von Lehrenden und Lernenden manifestiert und damit Entwicklungen der Hochschullehre nach sich zieht (Euler, 2013). Studien weisen darauf hin (Lack, 2013; Means, Toyama, Murphy, Bakia & Jones, 2010), dass der Lernerfolg der Studierenden weniger von der Art der Darbietung (Präsenz oder Fernlehre) abhängt, sondern vielmehr von der Nutzung des Feed-backs und einer weiterführenden Reflexion von auslösenden Komponenten (Bi-schof & Stuckrad, 2013, S. 33). Unterschiede im Lernerfolg sind nicht erkennbar, jedoch im Zeitbedarf, der bei Blended-Learning-Veranstaltungen im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen um 25 % geringer ist (Bowen, 2012). Bischof (2016) betont

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    die Bedeutung von herausfordernden Lernaufgaben, deren Bearbeitung eine in-tensive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand einfordert. Inwiefern indivi-duell differente Umgangsweisen mit dem digitalen Lernobjekt von individuellen Ressourcen mitbestimmt werden, wird in diesem Beitrag geprüft.

    3.2 Wahrnehmung und Nutzung formaler Lerngelegenheiten Eine Lehrveranstaltung von hoher Qualität stellt eine wichtige Voraussetzung für den Lernertrag dar, kann diesen aber nicht sicherstellen, da auch eine aktive Nutzung der Lerngelegenheit durch die Studierenden von Bedeutung ist (Helmke, 2003; Keller-Schneider, 2013, 2014, 2016). Damit wird die Wirkung einer Lehrver-anstaltung nicht nur von Faktoren der Lernumgebung und ihrem Anregungs-potential (Helmke 2003; Meyer, 2004) sowie der individuellen Passung bestimmt (Hattie, 2009), sondern auch von weiteren Faktoren der Lernenden, die sich selbst-reguliert mit den Anforderungen auseinandersetzen (Boekaerts, 1999; Kopp & Mandl, 2011; Zimmerman, 2000). Diese individuellen Ressourcen der Lernenden stellen eine nicht direkt beeinflussbare Größe dar (Zimmerman, 2000), sind jedoch für den Lernertrag von Bedeutung (Fives & Buehl, 2016; Keller-Schneider 2013, 2014, 2016; Miele & Scholer, 2016). In auf Angebots- und Nutzungsmodellen ba-sierenden didaktischen Ansätzen (Fend, 1998; Helmke, 2003; Kobarg & Metzger, 2016) wird der Nutzung von Lerngelegenheiten eine verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt und über die Förderung von metakognitiven Fähigkeiten unterstützt. Im Aufbau von Handlungskompetenz ist der Erwerb von Professionswissen (Brom-me, 1997; Shulman, 1986) bedeutsam. Überzeugungen, motivationale Faktoren so-wie Selbstregulationsfähigkeiten bestimmen diesen jedoch mit (Biedermann, Brüh-wiler & Krattenmacher, 2012; Blömeke, Kaiser & Lehmann, 2008; Kunter et al., 2011; Keller-Schneider, 2017). Der Lernertrag resultiert demzufolge nicht direkt aus dem von der Lehrperson gestalteten Unterrichtssetting und der Nutzung durch die Lernenden, sondern wird darüber hinaus durch individuelle sozialisationsbedingte Merkmale der Lernenden und durch Kontextfaktoren mitbestimmt. Wie Anforde-rungen wahrgenommen und gewichtet werden, ist für deren Bearbeitung von Bedeutung (Keller-Schneider, 2010, 2014). Abbildung 3 stellt den Prozess der Wahrnehmung von Anforderungen zwischen die institutionell gegebenen Anfor-derungen und die Nutzung der Lernenden, und betont damit das Individuum als aktiv gestaltende Größe von Lernprozessen und Lernergebnissen. Stress und ressourcentheoretischen Ansätzen folgend (Hobfoll, 1989; Lazarus & Launier, 1981) wirkt die individuelle Wahrnehmung und Deutung der Anforderun-gen als Filter entscheidend mit, inwiefern Anforderungen als Herausforderungen angenommen und bearbeitet werden. Werden Anforderungen als bedeutend und bewältigbar eingeschätzt, so werden diese in einem beanspruchenden Prozess be-

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    arbeitet und führen zu Erkenntnissen, welche die Kompetenzentwicklung voran-bringen (vgl. Abb. 3, Pfeil nach links). Werden Anforderungen als nicht bedeutend bzw. nicht bewältigbar wahrgenommen oder können sie mittels bereits erworbe-ner Kompetenzen routiniert bearbeitet werden, so führt die Vermeidung der Bear-beitung bzw. die routinierte Bewältigung zu keinen Erkenntnissen (vgl. Abb. 3, Pfeil nach rechts), sondern festigt die bisherigen Routinen. Wie die in Lehrangeboten gestellten Anforderungen wahrgenommen und bearbeitet werden, stellt einen wichtigen Faktor für die Nutzung der Lerngelegenheit und damit für das Lern-ergebnis dar (Keller-Schneider, 2013, 2014, 2017).

    Manuela Keller-Schneider

    Lernaktivitäten Nutzung

    Lernangebot im Studium

    Lehr

    ende

    Lehr

    vera

    nsta

    ltung

    Familiärer und biografischer Kontext

    Studierendemit individuellem Lernpotential

    Lern

    erge

    bnis

    W

    irkun

    g

    Kontext

    soziale Ressourcen

    Anforde-rung

    Heraus‐forderung

    janeinIndivid.

    Ressour‐cen

    E

    N

    R

    Wahrnehmungs-prozess

    A

    Abbildung 3: Der Prozess der Wahrnehmung und Deutung von Anforderungen

    als Prozessfaktor der Nutzung von Angeboten, ergänzt um die operationalisierten Faktoren des Angebots (A), der individuellen Ressourcen (R) und der Nutzung (N) als Prädiktoren des Lern-ergebnisses (E).

    3.3 Die Bedeutung der subjektiven Wahrnehmung der Studieren-den in Rahmen der untersuchten Lehrveranstaltung

    Die im Sinne des Inverted-Classroom-Ansatzes angelegte Lehrveranstaltung (Euler, 2013; Handke & Sperl, 2012; Wannemacher et al., 2016) setzt die Erarbeitung von erforderlichen Grundlagen für eine Teilnahme am Seminar voraus und bietet in einer digitalen Lernumgebung unterschiedliche Zugänge, sich die erforderlichen Kenntnisse zu erwerben. Das Lernobjekt (Teil der digitalen Lernumgebung) mit di-daktisch aufgearbeiteten Zugängen kann dazu genutzt werden; die Nutzung ist

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    den Studierenden jedoch freigestellt. Der Erwerb der geforderten Voraussetzungen wird nicht geprüft, sondern wird von den Studierenden in der Präsentation ihrer Vorarbeiten sichtbar gemacht und im Rahmen der Seminarveranstaltung für weite-re Vertiefungen genutzt. In der untersuchten Lehrveranstaltung wird der Selbstbeurteilung der Studieren-den sowie ihrem subjektiven Zugang zum Lerngegenstand und ihrer selbstregu-lierten Nutzung der Lerngelegenheiten eine zentrale Bedeutung beigemessen. Die Lehrveranstaltung unterstützt Studierende über vielseitige Zugänge, die zu erwer-benden Kompetenzen als Facette des subjektiven Wissens zu intergieren. Dem An-satz der Bildungsgangdidaktik folgend (Meyer, 2009; Müller-Roselius, 2013) wird dem individuellen Lernprozess und der subjektiven Perspektive der Studierenden als angehende Lehrpersonen eine große Bedeutung beigemessen. Dem Ansatz der Bildungsgangforschung folgend (Keller-Schneider & Hericks, 2014) steht die Frage im Zentrum, wie das Lernangebot wahrgenommen wird, wie dieses von den Stu-dierenden genutzt wird, und inwiefern individuelle Ressourcen eine Bedeutung haben, um die zu erwerbenden Kompetenzen aufzubauen. Sowohl in der Lehrver-anstaltung sowie in der Evaluationsstudie sind subjektive Wahrnehmungen und Einschätzungen von Bedeutung. Das in Abbildung 3 dargestellte Rahmenmodell stellt das Zusammenwirken von Angebot (A), Nutzung (N) und individuellen Ressourcen (R) dar, unter Berücksichti-gung von sehr weit gefassten Kontextfaktoren (K). Die Studie zur Untersuchung von Faktoren, welche das Lernergebnis (E) unterstützen, folgt dem Evaluationsan-satz des CIPP-Modells von Stufflebeam (2003), der im Rahmen eines spezifischen Kontextes zwischen Input-, Prozess- und Produktfaktoren differenziert2. Diese Merkmalsgruppen werden im Rahmenmodell verortet und illustrieren die Systema-tik der untersuchten Fragestellungen. Das Lehrangebot (A), welches Anforderungen an die Studierenden stellt, sowie die individuellen Ressourcen der Studierenden (R) stellen dabei institutionelle und in-dividuelle Inputfaktoren dar. Merkmale der Nutzung tragen als Prozessfaktoren zum Lernertrag bei. Das Lernergebnis (E) fokussiert auf die Kompetenzen, die im Rahmen der in einen spezifischen Studiengang (Kontextfaktor) eingebetteten Lehr-veranstaltungen erworben werden. Dem didaktischen Ansatz von Angebot und Nutzung folgend (Fend, 1998; Helmke, 2003; Klieme & Rakoczy, 2008; auf die Hochschullehre übertragen: Kobarg & Metzger, 2016), in welchem der Wahrnehmung von Anforderungen eine spezifi-sche Bedeutung für die Bearbeitung der Anforderungen eingeräumt wird (Meyer, 2 Kontextfaktoren wurden nur über die unterschiedlichen Studiengänge einbezogen, in welchen die un-

    tersuchte Lehrveranstaltung eingebettet ist.

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    2009; Keller-Schneider, 2010), wird das Lernergebnis (E) nicht nur von der Qualität der Lehrveranstaltung (A) bestimmt, sondern auch von der Nutzung der Lerngele-genheit (N) und den individuellen Ressourcen (R), die zur Wahrnehmung der An-forderungen und zur Nutzung der Lerngelegenheiten beitragen. Dieser auf die Hochschullehre übertragene Ansatz liegt der Studie zugrunde, welche den Prozess der Wahrnehmung als Bindeglied zwischen Angebot und Nutzung stellt, und da-mit als Angebots-Wahrnehmungs-Nutzungs-Modell (Keller-Schneider, 2013) den individuellen Ressourcen eine gestaltende Bedeutung beimisst. Da davon ausgegangen wird, dass ein vielfältiges Lernangebot die individuelle Passung der Anforderungen an die Lernbereitschaften der Lernenden den Lern-ertrag erhöht, und dass in einer digitalen Lernumgebung der Lerngegenstand näher an die Realität gerückt den Erkenntnisgewinn verstärkt, kann davon ausge-gangen werden, dass die Nutzung des Lernobjekts den Lernertrag unterstützt. Aus der Anlage der Lehrveranstaltung, welche den Kenntniserwerb voraussetzt, die Nutzung des Lernobjektes aber als freiwillig erklärt, ergeben sich Fragen nach der Bedeutung des Lernobjekts für den Lernertrag sowie nach individuellen Ressour-cen, welche die Nutzung dieses Angebotes unterstützen.

    4 Fragestellungen der Studie Um die Palette möglicher Lernzugänge zu erweitern und damit den Neigungen der Studierenden besser entsprechen zu können, wurde für die untersuchte Lehrveran-staltung ein digitales Lernobjekt entwickelt, das über induktive und deduktive Zu-gänge eine Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand unterstützt (vgl. Kap. 3). In der untersuchten Lehrveranstaltung ist es den Studierenden jedoch freigestellt, ob sie das Lernobjekt nutzen oder andere Wege bevorzugen. Damit stellt sich die Frage nach systematischen Unterschieden zwischen den Studierenden, die das Lernobjekt nutzen und jenen, welche dieses nicht nutzen. Daraus ergibt sich die erste Fragestellung: 1) Inwiefern unterscheiden sich Studierende, die das Lernobjekt nutzen, von je-

    nen, die dieses nicht nutzen, in der Wahrnehmung des Angebots (A), im Nut-zungsverhalten (N), in individuellen Merkmalen (R) und im Lernergebnis (E)?

    Stress- und ressourcentheoretisch betrachtet bestimmen nicht nur die Wahr-nehmung des Lernangebots und die aktive Nutzung der Lerngelegenheit den Lernertrag mit, sondern auch individuelle Merkmale, die als Ressourcen zur Wahr-nehmung und Bearbeitung mitbestimmen. Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern die subjektiv wahrgenommene Qualität von Angeboten, die Nutzung unterschied-licher Möglichkeiten und individuelle Ressourcen zum Lernertrag beitragen. Da-raus ergibt sich die zweite Fragestellung:

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    2) Welche Effekte üben die Wahrnehmung des Angebots (inkl. Lernobjekt), die Nutzung der Lerngelegenheiten und individuelle Ressourcen auf das Lern-ergebnis aus?

    Die dritte Frage fokussiert auf individuelle Bedingungen, die zur Nutzung des Lernobjekts beitragen. Wenn die subjektive Wahrnehmung von Angeboten, das Nutzungsverhalten und Motive (als Facette der individuellen Ressourcen) den Lernertrag mitbestimmen, dann stellt sich die Frage, inwiefern sich diese auf das Lernobjekt bezogenen Faktoren gegenseitig bedingen. 3) Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Wahrnehmung des Lern-

    objekts (A), der Intensität der Nutzung (N) und der Motivation (R), dieses zu nutzen?

    Wenn Angebot, Nutzung und individuelle Ressourcen den Lernertrag mitbestim-men, dann stellt sich die vierte Frage, wodurch sich auf das Lernobjekt bezogene differente Typen charakterisieren lassen und inwiefern sich diese im Lernergebnis, in der Angebotswahrnehmung insgesamt, der Nutzung weiterer Lernzugänge und in weiteren Facetten der individuellen Ressourcen unterscheiden. 4) Welche Typen lassen sich identifizieren, die sich über die Wahrnehmung des

    Lernobjekts, deren Nutzung und Neigung unterscheiden? Inwiefern differieren diese im Lernergebnis (E) und bezüglich der mitwirkenden Faktoren der Ange-botswahrnehmung (A), der Nutzung (N) und der individuellen Ressourcen (R)?

    5 Methodisches Vorgehen Zu Prüfung der Fragestellungen werden Daten aus der Studie „Selbstreguliertes Lernen an der Hochschule und die Bedeutung von Angebot, Nutzung und indivi-duellen Merkmalen“ genutzt (Keller-Schneider, 2012, 2013, 2014, 2016), welche aus der Lehrveranstaltung „Lernfeld LL, Lernstrategien fördern und Lernprozesse be-gleiten“ an der Pädagogischen Hochschule Zürich hervorgehen. Sowohl in der Lehrveranstaltung als auch in der Studie steht die subjektive Perspektive der Stu-dierenden im Vordergrund (vgl. Kap. 3). Design: Die Studie ist im Prä-Post-Design angelegt und prüft Faktoren, die zum Lernertrag beitragen sowie die Frage, inwiefern ein hoher Lernertrag über unter-schiedliche Wege erreicht werden kann. Zur Prüfung der in diesem Beitrag unter-suchten Fragestellungen werden Daten aus der zweiten Erhebung (t2 post) genutzt. Die Datenerhebung erfolgt mittels Online-Umfragen auf der E-Learning-Plattform Ilias, die Daten gehen anonymisiert in die Studie ein. Da die Einschätzungen des eigenen Lernverhaltens den Studierenden individuell zurückgespielt werden, damit sie diese für ihren Lernbericht nutzen können, werden alle Studierenden in die Er-hebung einbezogen, d. h. es wird keine Kontrollgruppe gebildet.

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 31

    Stichprobe: Die Stichprobe (vgl. Tabelle 1) der in drei Wellen befragten Studieren-den (2013-2015)3 umfasst insgesamt 768 Personen, 21.5 % sind Männer, 78.5 % Frauen, mit einem Durchschnittsalter von 22.8 Jahren (Beteiligung ca. 50 %). Ge-gliedert nach den Studiengängen, in welchen das Modul angesetzt ist, sind je rund 15 % in den Studiengängen Kindergarten und KU (Kindergarten/Unterstufe), 50 % in der Primarstufe und 20 % in der Sekundarstufe I. Die Verteilung entspricht der Grundverteilung der Studierenden über die Studiengänge. Gegliedert nach der Frage der Nutzung des Lernobjekts (LO) lassen sich 366 Studierende der Gruppe der LO-Nutzenden (LO ja) zuteilen und 402 jener, die das Lernobjekt nicht nutzten (LO nein).

    Tabelle 1: Beschreibung der Gesamtstichprobe und der Teilstichproben: Stu-dierende, die das Lernobjekt nutzen bzw. nicht nutzen (LO ja bzw. LO nein), Verteilung nach Geschlecht und Stufe sowie nach Alter

    Männer Frauen Alter KG KU P Sek N n % n % M SD n n n n Gesamt 768 165 21.5 % 603 78.5 % 22.79 4.10 111 108 372 156LO ja 366 84 52.2 % 276 47.1 % 23.2 4.66 38 49 171 102LO nein 402 77 47.8 % 310 52.9 % 22.40 3.45 73 59 201 54Anmerkungen: N bzw. n = Anzahl; % = prozentualer Anteil; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung;

    KG = Kindergarten (Schuljahre -2 bis 0), KU = Kindergarten/Unterstufe (Schuljahre -2 bis 3), P = Primarstufe (Schuljahre 1 bis 6), Sek = Sekundarstufe I (Schuljahre 7 bis 9, ohne Gymnasium)

    Instrumente: Für die Prüfung der Fragestellungen werden Instrumente genutzt, die im Rahmen der Studie entwickelt und eingesetzt wurden (Keller-Schneider, 2012, 2013, 2014, 2016). Dabei werden Instrumente zur Einschätzung des Angebots (A), der Intensität der Nutzung spezifischer Lernsettings (N1), der Häufigkeit der Nut-zung spezifischer Lernstrategien (N2), von individuellen Ressourcen (Motive und Überzeugungen, R) und des Lernergebnisses (E) eingesetzt. Diese werden in Tabel-le 2 mit Beispielitem, der Anzahl der Items sowie der inneren Konsistenz der Skalen (Cronbachs Alpha) vorgestellt.

    3 Das Modul wurde in diesen Jahren unter denselben Bedingungen durchgeführt, es zeigen sich keine

    signifikanten und bedeutsamen Unterschiede zwischen den Erhebungsjahren.

  • 32 Keller-Schneider

    Tabelle 2: Eingesetzte Instrumente mit Beispielitem je Subskala Instrument mit Subskalen Beispielitem (Anz.)Qualität der Lehrveranstaltung (A) von 1 = unzutreffend bis 6 = sehr zutreffend Lehrveranstaltung (LV) Die Impulse der Dozierenden haben zur Klärung der

    Thematik beigetragen .91 (5)

    Lernobjekt LOja (LO) Impulse und Inhalte im Lernobjekt LL sind verständ-lich formuliert.

    .92 (4)

    Lernsettings (N1), Intensität der Nutzung, von 1 = sehr gering bis 6 = sehr groß Selbststudium Wie groß war ihr Engagement in Einzelarbeiten? .72 (3) Gruppenarbeit Wie groß war ihr Engagement in Gruppenarbeiten? .82 (3) Plenum/Beratung Dozent Wie intensiv haben Sie die Impulse der Dozierenden

    genutzt? .73 (3)

    digitale Lernumgebung Wie intensiv haben Sie die im allgemeinen Ordner bereit gelegten Materialien genutzt?

    .75 (3)

    Lernobjekt LOja Ich habe intensiv mit dem Lernobjekt gearbeitet. (1) Lernstrategien (N2), Häufigkeit ihrer Anwendung, von 1= sehr selten bis 6= sehr häufig Elaborationsstrategien Ich beziehe das, was ich lerne, auf meine eigenen

    Erfahrungen. .85 (6)

    Reduktiv-organisierende St. Für größere Stoffmengen fertige ich eine Gliederung an, welche die Struktur des Inhalts wiedergibt.

    .86 (6)

    Wiederholungsstrategien Ich präge mir den Lernstoff durch Wiederholen ein. .83 (6) Metakognitive Strategien: prüfen

    Das, was ich lerne, prüfe ich kritisch, ob es richtig ist.

    .89 (7)

    steuern Ich unterbreche meine Arbeit gezielt, wenn ich mer-ke, dass ich ermüde.

    .63 (4)

    planen Bevor ich eine Arbeit beginne überlege ich, wie ich am effektivsten vorgehen kann.

    .84 (6)

    Emotional-motivationale St. Wenn mich eine Aufgabe nicht interessiert, so über-winde ich mich diese dennoch anzupacken.

    .93 (6)

    Individuelle Ressourcen: Durchhaltekraft

    Wenn ich mir eine Arbeit vorgenommen habe, be-mühe ich mich, diese auch zu schaffen.

    .86 (6)

    Zeitmanagement Ich lege vor jeder Arbeitsphase eine bestimmte Zeitdauer fest.

    .87 (4)

    Aufmerksamkeit (recod.) Es fällt mir schwer, bei der Sache zu bleiben. .94 (6)

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 33

    Instrument mit Subskalen Beispielitem (Anz.)Soziale Ressourcen Ich frage andere, was sie zu einem bestimmten The-

    ma wissen. .86 (6)

    Instrumentelle Ressourcen (Arbeitsplatz)

    Ich gestalte meine Umgebung so, dass ich mög-lichst wenig abgelenkt werde.

    .88 (6)

    Individuelle Merkmale (R) von 1 = unzutreffend bis 6 = sehr zutreffend Intensität (Volition) Ich habe intensiv darauf hingearbeitet, die Lernziele

    zu erreichen. (1)

    Neigung LOja Ich arbeite gerne mit dem Lernobjekt (1) Lehr-/lernth. Überzeugungen: konstruktivistisch Schüler/-innen sollen Erkenntnisse in eigenen Wor-

    ten festhalten, um den Sachverhalt besser zu ver-stehen.

    .84 (8)

    transmissiv Die Lehrer/-in soll den richtigen Lösungsweg zei-gen, damit alle Schüler/-innen die Aufgaben lösen.

    .67 (8)

    Selbstwirksamkeitserwartung (SW)

    Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir im-mer, wenn ich mich darum bemühe.

    .85 (10)

    Berufsmotive (BM): Es ist mir wichtig ... vielseitig herausfordernd... eine sehr abwechslungsreiche Arbeit zu haben .84 (6) bedeutsam ... eine Arbeit zu haben, die ich als wichtig erachte. .73 (4) mit Gestaltungsfreiraum ... Freiräumen in der Gestaltung der Arbeit zu haben. .82 (6) sozial eingebunden ... eine Arbeit zu haben, in welcher ich mit Kol-

    leg/-innen gemeinsam etwas entwickeln kann. .80 (4)

    Lernergebnis (E) Sie erkennen Lernstrategien im Handeln der Schü-ler/-innen

    .87 (7)

    Anmerkungen: LOja = Fragen wurden nur von den Studierenden beantwortet, die das Lernobjekt LO nutz-ten. innere Konsistenz Cronbachs Alpha, M = Mittelwert, SD = Standardabweichung

    Auswertung: Gruppenunterschiede von intervallskalierten Variablen werden mittels Varianzanalysen geprüft (Signifikanzniveau des F-Wertes (* ≤ .05, ** ≤ .01, *** ≤ .001), Effektstärke mittels partiellem Etasquare ƞ2 interpretiert (nach Eid, Goll-witzer & Schmitt, 2011, S. 392: ƞ2 ≥ 0.01 schwacher, ƞ2 ≥ 0.06 mittlerer, ƞ2 ≥ .14 = starker Effekt). Die Abweichung von der proportionalen Verteilung nominaler und ordinaler Variablen wird mittels Chi2-Test und den standardisierten Residuen der Anteile der einzelnen Zellen untersucht (* SR ≥ 2, ** SR ≥ 2.6, *** SR ≥ 3.3). Effekte auf das Lernergebnis werden mittels Regressionsanalysen untersucht und mittels erklärter Varianz (r2) und standardisierten Beta-Gewichten und ihrer Signifikanz

  • 34 Keller-Schneider

    (* = ≤ .05, ** ≤ .01, *** ≤ .001) dargestellt. Zusammenhänge werden über die Prü-fung von Korrelationen (nach Pearson) und Partialkorrelationen untersucht und nach der Signifikanz ihrer Wahrscheinlichkeit interpretiert (* = ≤ .05, ** ≤ .01, *** ≤ .001). In einer clusteranalytischen Typenbildung (nach der Eliminierung von acht Ausreißern) wird auf der Grundlage der im Dendrogramm ersichtlichen Clus-terstruktur (Hierarchische Clusteranalyse, Methode Ward; Brosius, 2006, S. 654) und der Berücksichtigung des Elbow-Kriteriums die Anzahl der Cluster auf vier festgesetzt; mittels der Clusterzenteranalyse (k-Means), welche möglichst homoge-ne Gruppen bildet (mit minimaler Abweichung vom Zentroiden bzw. minimaler Streuungsquadratsumme; Bacher, Pöge & Wenzig, 2010, S. 118), werden die Fälle den Clustern zugeordnet; aus der diskriminanzanalytischen Prüfung geht hervor, dass sich die clusteranalytisch ermittelten Typen gut voneinander unterscheiden (Wilks-Lambda ≤ .01, vgl. Schendera, 2010, S. 300) und dass eine Trefferquote der korrekten Klassifizierung von 99.4 % erreicht wurde (Schendera, 2010, S. 302).

    6 Ergebnisse Die Ergebnisse werden entlang der Fragestellungen dargestellt, wobei zur Untersu-chung der ersten Fragestellung die Gesamtstichprobe (n = 768) genutzt wird. Die Fragestellungen 2, 3 und 4 beziehen sich auf die Teilstichprobe derjenigen Studie-renden, die mit dem Lernobjekt gearbeitet haben (n = 366).

    6.1 Unterschiede zwischen Studierenden, die das Lernobjekt nut-zen, und jenen, welches dieses nicht nutzen

    Die Ergebnisse werden den Merkmalsgruppen entsprechend vorgestellt (vgl. Tab. 3) und zusammenfassend kommentiert. Qualität der Lehrveranstaltung (A, LV): Die Qualität der Lehrveranstaltung wird von allen Studierenden als angemessen gut wahrgenommen (LOja: M = 4.33, SD = 1.07; LOnein: M = 4.18, SD = 1.14), wobei sich in beiden Gruppen breite Streuungen zei-gen. In der Einschätzung der Qualität der Lehrveranstaltung zeigt sich kein statis-tisch bedeutsamer Unterschied. Die Qualität des Lernobjekts (A, LO) wird von je-nen Studierenden, welches damit gearbeitet haben, als gut eingeschätzt (M = 4.74, SD = 1.01), wobei auch in diesen Einschätzungen breite Streuungen vorliegen. Nutzung der Lerngelegenheit (N): In der Intensität der Nutzung der Lernsettings (N1) lassen sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Vergleichsstichproben feststellen. In beiden Teilgruppen steht die Intensität der Nutzung von Gruppen-arbeiten an oberster Stelle (LOja: M = 4.98, SD = .73; LOnein: M = 4.98, SD = .81), gefolgt von Einzelarbeit (LOja: M = 4.45, SD = .78; LOnein: M = 4.51, SD = .80). Plenum bzw. Beratung durch die seminarleitenden Dozierenden (LOja: M = 3.94, SD = .94; LOnein: M = 3.87, SD = 1.00) sowie die Nutzung der digitalen Lernumge-

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 35

    bung (ohne Lernobjekt, LOja: M = 4.12, SD = .96; LOnein: M = 3.97, SD = 1.05) zei-gen geringere Werte. In der Intensität der Nutzung unterschiedlicher Lernsettings, multivariat geprüft, bestehen statistisch signifikante Unterschiede, die jedoch auf-grund der geringen Effektstärkten nicht bedeutsam sind (GLM vgl. Tab. 3). In der Nutzung unterschiedlicher Lernstrategien (N2) zeigen sich folgende Unter-schiede: Studierende, die mit dem Lernobjekt gearbeitet haben, nutzen elaborie-rende (LOja: M = 4.62, SD = .72; LOnein: M = 4.44, SD = .81), prüfende (LOja: M = 3.80, SD = .95; LOnein: M = 3.48, SD = .95) und selbstmotivierende (LOja: M = 4.58, SD = .81; LOnein: M = 4.43, SD = .93) Strategien häufiger als Studierende, die das Lernobjekt nicht nutzen. Ebenso setzen sie ihre Durchhaltekräfte (LOja: M = 4.73, SD = .67; LOnein: M = 4.56, SD = .67), Strategien der effektiven Zeitnutzung (LOja: M = 3.91, SD = 1.25; LOnein: M = 3.69, SD = 1.13) sowie sozialen Ressourcen (LOja: M = 4.03, SD = .98; LOnein: M = 3.76, SD = 1.00) häufiger ein. Die Unterschiede sind statistisch signifikant, auf-grund der geringen Effektstärke jedoch von geringer Bedeutung. Werden die Un-terschiede zwischen den Gruppen multivariat geprüft, so ergeben sich statistisch signifikante, jedoch aufgrund der geringen Effektstärke nicht bedeutsame Unter-schiede zwischen den Gruppen (GLM vgl. Tab. 3). Individuelle Ressourcen (R): Weder in den Berufsmotiven noch in den selbst- und lernbezogenen Überzeugungen lassen sich signifikante und statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen. In der Intensität, auf die Lernziele hin zu arbeiten, besteht ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (LOja: M = 4.44, SD = 1.06; LOnein: M = 4.19, SD = 1.13). Die Werte liegen bei denjenigen Studierenden, die das Lernobjekt nutzen, signifikant höher als bei jenen, welche das Lernobjekt nicht nutzen; aufgrund der geringen Effektstärke ist der Unterschied jedoch nicht bedeutsam. Alter, Geschlecht: Studierende, die das LO nutzen, sind statistisch signifikant, je-doch nicht bedeutsam älter als jene, welche dieses nicht nutzen. Zwischen den Gruppen lassen sich keine Unterschiede in der Verteilung der Geschlechter fest-stellen. Lernergebnis (E): In der Einschätzung des Lernergebnisses lassen sich keine be-deutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Beiden Gruppen gelingt es aus der subjektiven Perspektive beurteilt gut, die Kompetenzen zu er-werben (LOja: M = 4.79, SD = .73; LOnein: M = 4.69, SD = .71).

  • 36 Keller-Schneider

    Tabelle 3: Vergleich zwischen den Teilgruppen: Studierende, die das LO nutzten (LOja), mit Studierenden, die das LO nicht nutzten (LOnein)

    LOja LOnein M (SD) M (SD) Univariate Varianzanalyse Qualität Angebot (A) Lehrveranstaltung (LV) 4.33 (1.07) 4.18 (1.14) n. s. Lernobjekt (LO)1 4.74 (1.01)keine Antwort kein Vergleich möglich Nutzungsintensität (N1) Einzelarbeit 4.51 (.78) 4.45 (.80) n. s. Gruppenarbeit 4.89 (.73) 4.98 (.81) n. s. Plenum/ Beratung durch

    Doz. 3.94 (.94) 3.87 (1.00) n. s.

    digitale Lernumgebung 4.12 (.96) 3.97 (1.05) n. s. Lernobjekt1 3.23 (1.45)keine Antwort kein Vergleich möglich Nutzung: Arbeitsweise (N2) Elaborationsstrategien 4.62 (.72) 4.44 (.81) LOja > ** LOnein F(1;768) = 11.00,

    p = .001, 2 = .013 Strukturierungsstrategien 4.39 (.99) 4.31 (.98) n. s. Wiederholungsstrategien 4.26 (.89) 4.23 (.92) n. s. Metakognitive Strategien:

    ◦ planen 4.58 (.83) 4.49 (.82) n. s.

    ◦ steuern 4.61 (.70) 4.58 (.70) n. s. ◦ prüfen

    3.80 (.95) 3.48 (.95) LOja > *** LOnein F(1;768) = 22.66,

    p = .000, 2 = .027 emotional- motivation.

    Strat. 4.58 (.81) 4.43 (.93) LOja > * LOnein F(1;768) = 5.85,

    p = .016, 2 = .007 Nutzung individueller R.

    ◦ Durchhaltekraft 4.73 (.67) 4.56 (.67) LOja >** LOnein F(1;768)=10.23, p = .001, 2 = .012

    ◦ effiziente Zeitnutzung 3.91 (1.25) 3.69 (1.13) LOja > ** LOnein F(1;768) = 6.71, p = .01, 2 = .008

    Nutzung sozialer Ressourcen

    4.03 (.98) 3.76 (1.00) LOja > ** LOnein F(1;768) = 15.51, p = .000, 2 = .018

    Nutzung instrumenteller R.

    4.89 (.81) 4.97 (.82) n. s.

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 37

    LOja LOnein M (SD) M (SD) Univariate Varianzanalyse Individuelle Merkmale (R) Intensität, Lernziele zu

    erreichen 4.44 (1.06) 4.19 (1.13) LOja > ** LOnein F(1;691) = 8.646,

    p = .003, 2 = .012 Neigung mit LO zu

    arbeiten 3.73 (1.38)keine Antwort kein Vergleich möglich

    Lehr/lernth. Überzeugungen:

    ◦ konstruktivistisch 3.84 (.67) 3.80 (.60) n. s. ◦ transmissiv 5.44 (.49) 5.43 (.46) n. s.

    Selbstwirksamkeitserwart. 3.05 (.41) 3.00 (.38) n. s. Berufsmotive n. s.

    ◦ vielseitig, herausfor-dernd

    5.21 (.57) 5.20 (.59) n. s.

    ◦ bedeutsam 5.29 (.60) 5.28 (.61) n. s. ◦ mit Gestaltungsfrei-raum

    5.16 (.57) 5.08 (.62) n. s.

    ◦ sozial eingebunden 5.10 (.66) 5.06 (.70) n. s. Alter 23.2 (4.66) 22.40 (3.45) LOja > * LOnein F(1;721) = 7.063,

    p = .008; 2 = .01 Geschlecht: w / m 276/84 310/77 Chi2 (1, n = 768) = .892; p = .345 Schulstufe: KG/KU/P/Sek 38/49/171/102 73/59/201/54 Chi2 (3, n = 747) = 28.212;

    p ≤ .001 Lernzielerreichung (E) 4.79 (.73) 4.69 (.71) n. s. Anmerkungen: Multivariate Varianzanalysen GLM: Nutzung N1: Nutzungsintensität der Lernsettings GLM

    F(3, 2073) = 3.461; p = .011; ƞ2 = .005; Teststärke = .806; Nutzung N2: Arbeitsweise (Lern-strategien) GLM F(10, 6540) = 3.215; p = .000; ƞ2 = .005; Teststärke = .99; Individuelle Merkmale (R, ohne Neigung mit LO zu arbeiten): GLM F(7, 4291) = 2.190; p = .032; ƞ2 = .004; Teststärke = .83; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Chi2 nach Pearson; KG = Kindergarten (-2 bis 0), KU = Kindergarten/Unterstufe (-2 bis 3), P = Primar (1-6), Sek = Sek I (7-9, ohne Gymnasium); p = Signifikanz, ƞ2 = partielles Etaquadrat, Effektstär-ke; Signifikanzniveau der Irrtumswahrscheinlichkeit * ≤ 5 %, ** ≤ 1 %, *** ≤ .01 %; 1 = Fra-gen wurden nur von den Studierenden beantwortet, die das Lernobjekt LO nutzten

    Studiengang (Kontextfaktor): In der Nutzung des Lernobjekts lassen sich stufen-spezifische Tendenzen erkennen (Chi2 signifikant). In der Verteilung der nach Schulstufen differenzierten Studiengänge zeigt sich, dass in der Gruppe der Nicht-Nutzenden (LOnein) die Studierenden des Studiengangs Kindergarten statistisch

  • 38 Keller-Schneider

    bedeutsam übervertreten sind (standardisierte Residuen SR = -2.0), jene der Se-kundarstufe I untervertreten (SR = -3.0); in der Gruppe der LO-Nutzenden (LOja) sind die Studierenden des Studiengangs Kindergartens untervertreten (SR = -.21), jene der Sekundarstufe I übervertreten (SR = 3.1). Insgesamt lassen sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den beiden Teil-gruppen erkennen, die aufgrund der geringen Effektstärken jedoch von geringer Bedeutung sind. Studierende, die das Lernobjekt nutzen, zeigen insbesondere in denjenigen Lernstrategien höhere Werte, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Anforderungen unterstützten (Elaborationsstrategien, metakognitive Stra-tegien, emotional-motivationale Strategien, Strategien der Nutzung von individu-ellen und sozialen Ressourcen). Die Nutzung des Lernobjekts ist von einer stärker ausgeprägten Intensität (Volition) begleitet, die Lernziele zu erreichen. Aufgrund der geringen Effektstärken sind die Unterschiede aber von geringer Bedeutung. In der Verteilung auf die Studiengänge lassen sich jedoch bedeutsame Tendenzen er-kennen: Studierende des Kindergartens nutzen das Lernobjekt weniger als Studie-rende der Sekundarstufe.

    6.2 Effekte auf den Lernertrag Um mögliche Effekte des Lernobjekts im Kontext weiterer Faktoren zu prüfen, wer-den Daten derjenigen Studierenden genutzt, die mit dem Lernobjekt gearbeitet haben (Teilstichprobe LOja, n = 366). Untersucht werden Effekte des subjektiv wahrgenommenen Angebots (A), der individuellen Ressourcen (R) und der Nut-zung (N) auf den Lernertrag (E). Die Ergebnisse der Regressionsanalysen werden in Tabelle 4 dargestellt, unter Angabe von Mittelwert, Streuung, Effekten (Beta), auf-geklärter Varianz (r2), F-Wert und Durbin-Watson-Koeffizienten. Nach Merkmals-gruppen getrennt werden zuerst Effekte des Angebots (Modell 1) geprüft, anschließend der Nutzung (Modelle 2a, 2b und 2) und der individuellen Ressour-cen (Modell 3); abschließend werden alle Merkmale gleichzeitig geprüft (Modell 4). In Modell 1 werden die Effekte der subjektiv wahrgenommenen Qualität des Ange-bots (A), differenziert nach der Lehrveranstaltung und dem Lernobjekt geprüft. Bei-de Angebote tragen mit je mittleren Betagewichten (Lehrveranstaltung: β = .21***, Lernobjekt: β = .23***) zur aufgeklärten Varianz von 14 % des Lernergebnisses bei. Modell 2: Die Prüfung der Intensität der Nutzung verschiedener Lernsettings (N1, Modell 2a) erklärt 25 % der Varianz des Lernergebnisses. Die Nutzung der Intensi-tät der Einzelarbeit (β = .20**) und der dozierendengeleiteten Lernsettings (β = .23***) üben statistisch bedeutsame Effekte auf das Lernergebnis aus; die Nut-zung der Gruppenarbeit (β = .09), der digitalen Lernumgebung (Materialien) (β = .10) und des Lernobjekts (β = .02) zeigen keine bedeutsamen Effekte. Die Ar-beitsweise, erfasst als Häufigkeit der Nutzung von Lernstrategien (N2, Modell 2b)

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 39

    erklärt ebenfalls 25 % der Varianz des Lernergebnisses, wobei insbesondere Elabo-rationsstrategien (β = .27***) und emotional-motivationale Strategien (β = .25**) bedeutsame Effekte ausüben, ergänzt um nicht signifikante Effekte von Durchhal-tekraft (β = .16) und Planungsstrategien (β = .10). Werden alle Nutzungsfaktoren (Lernsettings N1 und Lernstrategien N2) in einem Modell zusammengeführt (Mo-dell 2), so wird damit eine aufgeklärte Varianz von 37 % erreicht. Facetten der In-tensität der Nutzung spezifischer Lernsettings sowie die Nutzung spezifischer Lernstrategien tragen zur aufgeklärten Varianz des Lernergebnisses bei. Prädikto-ren der Lernsettings Plenum/Beratung (β = .19**) und der eigene Beitrag (β = .14*) sowie der Häufigkeit der Nutzung von Elaborationsstrategien (β = .19**), emotio-nal-motivationalen Strategien (β = .16*) sowie der Durchhaltekraft (β = .20**) er-weisen sich als bedeutsam. Modell 3: Merkmale, die als individuelle Ressourcen die Wahrnehmung und Bear-beitung der Anforderungen mitbestimmen, klären 38 % der Varianz des Lerner-gebnisses auf. Bedeutsame Effekte gehen insbesondere von der Intensität aus, mit der auf die Lernziele hingearbeitet wurde (β = .40***), wobei auch die Selbstwirk-samkeitserwartung als statistisch bedeutsamer Prädiktor (β = .12*) ins Gewicht fällt. Lehr-lerntheoretische Überzeugungen sowie allgemeine Berufsmotive und die Neigung, mit dem digitalen Lernobjekt zu arbeiten, zeigen keine bedeutsamen Ef-fekte. Modell 4: Über die Prüfung der Effekte aller untersuchten Merkmale wird das Lern-ergebnis zu 47 % erklärt, wobei insbesondere die wahrgenommene Qualität des Lernobjekts (β = .14*), die Nutzung von Elaborationsstrategien (β = .16*) sowie Durchhaltekräfte (β = .18*) und die Intensität, auf die Lernziele hin zu arbeiten (β = .29**) für das Lernergebnis von Bedeutung sind.

  • 40 Keller-Schneider

    Tabelle 4: Effekte von Angebot (A), Nutzung (N) und individuellen Ressourcen (R) auf das Lernergebnis (E)

    M/SD M1 M2a M2b M2 M3 M4

    Einschätzung der Lernzielerreichung (E) (4.69/.73) (abhängige Variable) (A) Qualität Lehrangebot

    Lehrveranstaltung (LV) 4.32/1.07 .21*** .07 Lernobjekt (LO) 4.33/1.05 .23*** .14*

    (N1) Nutzung Lernsettings (Intensität)

    Eigener Beitrag 4.51/.78 .20** .14* .06 Kooperation in Gruppen 4.89/.73 .09 .10 .01 Plenum/Beratung durch Doz. 3.94/.94 .23*** .19** .12 digitale Lernumgebung 4.12/.96 .10 .11 .04 Lernobjekt 3.24/1.45 .02 .04 .05

    (N2) Nutzung Lernstrate-gien (Häufigkeit)

    Elaboration 4.62/.72 .27*** .19** .16* Reduktiv-strukturierend 4.40/.99 .01 .08 .07 Wiederholung 4.26/.89 .01 .01 .01 Metakognition: prüfen 3.80/.94 .01 .05 .05 Metakognition: planen 4.59/.83 .10 .12 .05 Metakognition: steuern 4.61/.70 .01 .03 .05 Emotional-motivational 4.58/.81 .25** .16* .12 iR: Durchhaltekraft 4.75/.67 .16 .20** .18 iR: Aufmerksamkeit 3.91/1.14 .05 .05 .07 iR: Zeitmanagement 3.92/1.25 .03 .01 .01 soziale Ressourcen 4.03/.98 .06 .03 .01 instrumentelle Ressourcen 4.90/.80 .12 .11 .09

    (R) individuelle Ressourcen

    Transmissive Überzeug. 5.43/.48 .10 .01 Konstruktivistische Ü 3.82/.64 .01 .05 SW Selbstwirksamkeit 3.03/.40 .12* .09 BM herausfordernd 5.20/.57 .08 .02 BM bedeutsam 5.29/.60 .06 .05 BM Gestaltungsfreiraum 5.12/.60 .01 .05 BM soziale Einbindung 5.08/.67 .09 .08 Intensität (auf Zielerreichung hinzuarbeiten)

    4.45/1.06 .40*** .29***

    Neigung mit LO arbeiten 3.73/1.38 .08 .06 Erklärte Varianz (r2) 14 % 25 % 25 % 37 % 38 % 47 % F-Wert und Signifikanz Durbin-Watson4

    24.5*** 2.051

    24.1*** 1.800

    8.7*** 1.686

    10.769 1.792

    21.93*** 1.801

    9.49*** 1.847

    4 Erläuterung: Liegt der Durbin-Watson-Koeffizient zwischen 1.5 bis 2.5, so kann die Unabhängigkeit der

    Prädiktoren als angemessen beurteilt werden (Brosius, 2006, S. 575).

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 41

    Anmerkungen: M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, β-Gewicht je Modell, r2 = aufgeklärte Varianz, Signifikanzniveau der Irrtumswahrscheinlichkeit * ≤ 5 %, ** ≤ 1 %, *** ≤ .01 %; n = 365 Studierende im 2. Semester (Teilstichprobe LOja); iR = individuelle Ressourcen, Ü = Über-zeugungen, SW = Selbstwirksamkeitserwartung, BM = Berufsmotive, LO = Lernobjekt; M1= Regressionsmodell mit Merkmalen des Angebots als Prädiktoren des Lernergebnis-ses; M2a, M2b und M2 mit Merkmalen der Nutzung, M3 mit Merkmalen der individuellen Ressourcen, M4 mit Merkmalen von Angebot, Nutzung und individuellen Ressourcen

    6.3 Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung der Qualität des Lernobjekts, der Nutzungsintensität und der Neigung, dieses zu nutzen

    Wie aus den ersten Ergebnissen hervorgeht (vgl. Tab. 1) wird das Lernobjekt von etwa der Hälfte der Studierenden genutzt. Die Frage stellt sich, welche Faktoren zur Nutzung beitragen könnten, d. h. in welcher Art und Weise die wahrgenom-mene Qualität des Lernobjekts, die Neigung mit dem Lernobjekt zu arbeiten und die Intensität der Nutzung des Lernobjekts zusammenwirken. Aus der Prüfung der Zusammenhänge gehen folgende Ergebnisse hervor (vgl. Abb. 4). Ein starker und positiver Zusammenhang besteht zwischen der wahrgenommenen Qualität des Lernobjekts und der Neigung, mit dem Lernobjekt zu arbeiten (r = .75***). Unter Kontrolle der Intensität der Nutzung reduziert sich die Zusam-menhangsstärke leicht (r = .67***). Zwischen der Neigung und der Intensität be-steht ein positiver Zusammenhang mittlerer Stärke (r = .49***), der unter Kontrolle der wahrgenommenen Qualität geringer wird (r = .27***). Zwischen der wahr-genommenen Qualität und der Nutzungsintensität besteht ebenfalls ein positiver Zusammenhang mittlerer Stärke (r = .45***), der sich unter Kontrolle der Neigung deutlich abschwächt (r = .14***).

    Lernobjekt

    Qualität Intensität

    Neigung

    r= .49***rpart= .27***

    r= .75***rpart= .67***

    r= .45***rpart= .14***

    Abbildung 4: Zusammenhänge zwischen den drei Zugängen zum Lernobjekt (LO): Qualität Neigung und Intensität

    Anmerkungen: r = Korrelation, rpart = Partialkorrelation, unter Korrelation des dritten Merkmals

  • 42 Keller-Schneider

    Die wahrgenommene Qualität des Lernobjekts, die Neigung damit zu arbeiten so-wie die Intensität der Nutzung bedingen sich gegenseitig. Die Einschätzungen (vgl. Mittelwerte Tab. 3) weisen jedoch breite Streuungen auf (LOQualität: SD = 1.01, LOIntensität: SD = 1.45, LONeigung: SD = 1.38), was auf interindividuell differente Aus-prägungen schließen lässt. Inwiefern sich die breiten Streuungen in unterschiedli-chen Profilen niederschlagen, wird im nächsten Schritt geprüft.

    6.4 Typen der Nutzung des Lernobjekts Eine clusteranalytische Typenbildung über die wahrgenommene Qualität des Lern-objekts, die Intensität dessen Nutzung und der Neigung, mit dem digitalen Lern-objekt zu arbeiten, zeigt im Dendrogramm eine Vierclusterlösung. Die vier Typen unterscheiden sich in der Intensität der Nutzung des Lernobjekts und weisen zu-nehmende Werte auf (Typ I < II < III < IV), in der Neigung mit dem Lernobjekt zu arbeiten und der wahrgenommenen Qualität des Lernobjekts zeigt sich eine von der Intensität abweichende Struktur der Ausprägung dieser Merkmale (Typ II < I< III < IV); diese tragen als weitere Komponente zur Profilbildung bei (vgl. Abb. 5, dargestellt in z-Werten). Die Intensität der Arbeit mit dem Lernobjekt geht nicht zwingend mit der Neigung, damit zu arbeiten, und der Qualität des Lern-objekts einher.

    Abbildung 5: Typen des Umgangs mit dem Lernobjekt (z-Werte)

    Die Typen lassen sich wie folgt beschreiben: Typ I umfasst als größte Gruppe 108 Studierende und zeichnet sich durch die geringste Ausprägung der Nutzungs-intensität aus, begleitet von einer unterdurchschnittlich ausgeprägten Neigung,

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 43

    mit dem Lernobjekt zu arbeiten, und einer als leicht unterdurchschnittlich wahrge-nommener Qualität des Lernobjekts. Typ II als kleinste Gruppe vereinigt 62 Studie-rende, die sich durch eine durchschnittliche Nutzungsintensität auszeichnen, ergänzt um eine stark unterdurchschnittlich wahrgenommene Qualität des Lernob-jekts und eine stark unterdurchschnittliche Neigung mit dem digitalen Lernobjek-ten zu arbeiten. Typ III weist eine überdurchschnittliche Ausprägung der Intensität der Arbeit mit dem Lernobjekt auf, bei einer durchschnittlichen Neigung, mit dem Lernobjekt zu arbeiten, und einer als durchschnittlich wahrgenommenen Qualität des Lernobjekts. Typ IV weist in allen Merkmalen überdurchschnittliche Werte auf. Zwischen den Typen II und III zeigen sich in der Ausprägung der drei Faktoren graduelle Unterschiede; beide zeichnen sich durch eine relativ zu den anderen Fak-toren hohe Intensität der Arbeit mit dem Lernobjekt aus. Typ I hebt sich durch die relativ zu den anderen Faktoren geringe Ausprägung der Intensität von diesen ab. In Typ IV wird ein weiteres Profil sichtbar, das sich durch hohe Ausprägungen in allen drei Faktoren charakterisieren lässt. Die Typen I und II weisen insgesamt un-terdurchschnittliche Werte auf. Inwiefern diese differenten Profilbildungen von Bedeutung sind, wird im nächsten Schritt untersucht. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Arbeit mit dem Lernobjekt zum Lern-ergebnis beiträgt, wie das im Rahmen der Studie belegt werden konnte (vgl. Tab. 4), dann kann angenommen werden, dass Typ IV die günstigsten Voraussetzungen zur Lernzielerreichung mitbringt und sich von den Typen I und II unterscheidet. In-wiefern sich eine Systematik in den Unterschieden der wahrgenommenen Qualität des Angebots, von Nutzungsmerkmalen und von individuellen Ressourcen ab-zeichnet, wird über Varianzanalysen mit Post Hoc-Test geprüft und in Tabelle 6 dargestellt. Die Ergebnisse belegen, dass sich die Typen nicht nur in Faktoren unterscheiden, welche sich auf das Lernobjekt beziehen, sondern auch in weiteren Merkmalen, wobei Typ IV in allen Merkmalen die höchsten Ausprägungen aufweist, die Typen I und II die niedrigsten. Angebot (A): Typ II unterscheidet sich nicht nur in der Wahrnehmung der Qualität des Lernobjekts (zur Typenbildung beigezogen), sondern auch in der Wahrneh-mung der Qualität der Lehrveranstaltung bedeutsam von den Typen I, III und IV. Nutzung: Lernsettings (N1) und Lernstrategien (N2): Typ IV, welcher in der Intensi-tät der Arbeit mit dem Lernobjekt die höchsten Werte aufweist, zeigt auch in der Intensität der Nutzung der weiteren Lernsettings sowie in der Häufigkeit der Nut-zung von Lernstrategien die höchsten Werte. Typ IV unterscheidet sich in allen Nutzungsfaktoren bedeutsam von Typ I, in einigen auch von Typ II. Im Vergleich zu

  • 44 Keller-Schneider

    Typ III, der ebenfalls hohe Werte in der Intensität der Nutzung des Lernobjekts aufweist, zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede.

    Tabelle 6: Unterschiede zwischen den Nutzungstypen LO Bereich Skala Univariate Anova Post Hoc Test (Bonferroni) A Lehrveranstaltung F(3,359) = 14.03, p = .002, ƞ2 = .105 2

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 45

    einzelnen Merkmalen, in einigen jedoch nicht. Keine bedeutsamen Unterschiede zeigen sich im Ausmaß der Selbstwirksamkeitserwartung, der konstruktivistischen lerntheoretischen Überzeugungen und im Berufsmotiv des Gestaltungsfreiraums. Die bedeutsamste Differenz zwischen den Typen (abgesehen vom Merkmal der Neigung, welches zur Typenbildung eingesetzt wurde) liegt in der Intensität (Voli-tion), auf die Lernziele der Lehrveranstaltung hin zu arbeiten (p ≤ .001 bei einer mittleren Effektstärke von ƞ2 = .084). Höchst signifikante Unterschiede bei mittlerer Effektstärke zeigen sich auch in der transmissiven lerntheoretischen Überzeugung (p ≤ .001, ƞ2 = .064) und den Berufsmotiven, einen bedeutsamen (p ≤ .001, ƞ2 = .051) und herausfordernden Beruf (p ≤ .001, ƞ2 = .035) mit Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu haben (p ≤ .000, ƞ2 = .057). Die über mehrere Bezüge zum Lernobjekt identifizierten Typen unterscheiden sich zudem bedeutsam in der subjektiven Einschätzung des Lernergebnisses. Typ IV, der sowohl in der eingeschätzten Qualität des Lernobjekts sowie der Intensität und der Neigung mit diesem zu arbeiten die höchsten Werte zeigt, weist auch die höchsten Werte im Lernergebnis auf, gefolgt von Typ III. Die niedrigsten Werte im subjektiv eingeschätzten Lernergebnis bestehen bei Typ II, der sich zudem auch in der wahrgenommenen Qualität des Angebots, in der Intensität, auf die Lernziele hin zu arbeiten, sowie in der Intensität der Nutzung der Lernsettings und dem Ein-satz passender Lernstrategien von den anderen Typen unterscheidet.

    7 Diskussion der Ergebnisse Ausgehend von den Zielsetzungen der Reform der Lehrerinnen- und Lehrer-bildung an der PH Zürich, die Eigenaktivität der Studierenden zu stärken und den Wissenserwerb in die Vorarbeiten zur Lehrveranstaltung zu verlegen (Inverted Classroom, Handke & Sperl, 2012; Euler, 2013; Wannemacher et al., 2016), um im Rahmen der Plenums- und Begleitsitzungen eine vertiefte Auseinandersetzung und damit nachhaltigeres Lernen zu ermöglichen (Darling-Hammond & Snyder, 2000), wurden im Rahmen des untersuchten Moduls unterschiedliche Lernsettings ermöglicht, ergänzt um eine digitale Lernumgebung mit unterschiedlichen Zugän-gen (Wissensbasis, Reflexionsinstrument, Lernobjekt). Aus der theoretischen Her-leitung geht hervor, dass als Herausforderungen angenommene Anforderungen (Lazarus & Launier, 1981) eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lerngegen-stand ermöglichen. Inwiefern eine Anforderung als Herausforderung angenommen wird, wird von der Bedeutsamkeit ihrer Bewältigung sowie der subjektiv wahrge-nommenen Bewältigbarkeit mitbestimmt. Authentische und realitätsnahe Lernsi-tuationen (Bischof, 2016; König et al., 2015; Korthagen, 2011), die unter mehreren Perspektiven und in kooperativen Lernsettings bearbeitet werden (Kopp & Mandl, 2011), verstärken die Bedeutsamkeit der Auseinandersetzung. Zudem trägt eine

  • 46 Keller-Schneider

    hohe Passung zwischen den zu bearbeitenden Anforderungen und den individuel-len Ressourcen zur Effektivität der Lehrveranstaltung bei (Blömeke et al., 2008; Oser & Blömeke, 2012; Keller-Schneider, 2017), wobei nicht nur das Vorwissen ei-nen Teil der Passung ausmacht, sondern auch Überzeugungen und individuelle Neigungen (Fives & Bühl, 2016). Diese Überzeugungen, Neigungen und Motive bestimmen als Filter die Wahrnehmung von Anforderungen mit (Keller-Schneider, 2010, 2017). Auf die Gestaltung derjenigen hochschuldidaktischen Angebote, wel-che den Fokus vom Lehren auf das Lernen verlagern, stellt sich die Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass eine digitale Lernumgebung von den Studierenden genutzt wird und ob die Nutzung primär von der Qualität der angebotenen Lern-umgebung, den Nutzungsstrategien und/oder von den individuellen Merkmalen der Lernenden bestimmt wird. Diese allgemein formulierte Frage wurde auf die Be-deutung des Lernobjekts als didaktisch aufbereiteter Zugang zum Lerngegenstand untersucht. Die Ergebnisse werden nun den Forschungsfragen entlang diskutiert und mit Konsequenzen für hochschuldidaktische Angebote in der einphasigen, auf eine Verknüpfung von Theorie und Praxis ausgerichteten Lehrerinnen- und Lehrer-bildung5 ergänzt. 1) Frage nach Unterschieden zwischen Studierenden, die das Lernobjekt nutzen und jenen, welche dieses nicht nutzen: Insgesamt bestehen nur geringe Unterschiede zwischen den Studierenden beider Gruppen. In der Wahrnehmung der Qualität der Lehrveranstaltung (A) lassen sich keine Unterschiede zwischen den Studierenden erkennen, die das Lernobjekt nutzen, im Vergleich zu jenen, welche dieses nicht nutzen. Das Lernobjekt stellt demnach eine zusätzliche, d. h. keine kompensierende Möglichkeit zur selbstregulierten Bearbeitung der Anforderungen der Lehrveranstaltung dar (Kopp & Mandl, 2011), unabhängig davon, wie hoch die Qualität der Lehrveranstaltung eingeschätzt wird. Das Lernobjekt nutzende Studie-rende setzen häufiger diejenigen Lernstrategien (N2) ein, die in eine vertiefte Aus-einandersetzung mit dem Lerngegenstand führen, welche durch die Zielsetzungen und die Anlage der Lehrveranstaltung angestrebt wird. Sie nutzen häufiger Elabo-rationsstrategien sowie metakognitive Strategien zur Überprüfung des eigenen Lern- und Arbeitsprozesses. In der Nutzung von Stützstrategien zeichnen sie sich durch eine häufigere Nutzung von emotional-motivationalen Strategien aus. In den als relativ stabil geltenden individuellen Merkmalen (R), wie Selbstwirksamkeit und Überzeugungen, lassen sich keine Unterschiede zwischen den beiden Grup-pen erkennen. In der willentlich steuerbaren Intensität, auf die Lernziele hin zu

    5 In diesem Bestreben nach Verknüpfung hebt sich die einphasige Lehrerinnen- und Lehrerbildung von

    der zweiphasigen ab, welche sequenziell in der ersten Phase einen Wissenserwerb fördert und in der zweiten dessen Anwendung bzw. Umsetzung in der Praxis.

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 47

    arbeiten (Volition), zeigen sich signifikante, aber nur schwach bedeutsame Unter-schiede zugunsten derjenigen Studierenden, die mit dem LO gearbeitet haben. Auf Gender und Alter der Studierenden bezogen lassen sich keine Unterschiede zwi-schen den Gruppen erkennen. In den studiengangspezifischen Verteilungen der Gruppen zeigt sich die Tendenz, dass Studierende der Sekundarstufe das Lernobjekt häufiger nutzen als Studieren-de des Kindergartens. In der Frage nach der Arbeit mit dem Lernobjekt zeigen sich keine genderspezifischen Ausprägungen. Die Ergebnisse zur Frage nach Unterschieden in den Einschätzungen von Angebot, Nutzung und individuellen Merkmalen zeigen sich somit nur geringe Unterschiede. Studierende, die das Lernobjekt nutzen, setzen passendere Lernstrategien und stärkere Willenskräfte ein, um das Lernziel zu erreichen. Sie lassen sich deutlicher auf eine vertiefte Bearbeitung der Anforderungen ein; dem stresstheoretischen An-satz entsprechend lassen sie sich durch die Anforderungen stärker herausfordern (Lazarus & Launier, 1981). Das Lernobjekt als didaktisch aufbereitetes Element der digitalen Lernumgebung bietet einen weiteren Zugang zur Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand, der von allen Studierenden genutzt werden könnte. In der subjektiv eingeschätzten Lernzielerreichung (E) lassen sich keine Unterschie-de zwischen denjenigen Studierenden erkennen, die mit dem Lernobjekt gearbei-tet haben, und jenen, die diesen Zugang nicht nutzten. Inwiefern die Einschätzung des Lernerfolgs vom subjektiven Anspruchsniveau, das in der vertieften Auseinan-dersetzung angestiegen sein könnte oder vom subjektiven Referenzrahmen mit-bestimmt wird, bleibt offen. Ob sich über eine Prüfung des modulspezifischen Wissens (Klausur) oder über die Beurteilung der Abschlussarbeiten eine Differenz zeigen würde, lässt sich nicht prüfen, da das Modul nicht über eine Klausur abge-schlossen wird und die Schlussarbeiten in Gruppen erstellt werden. Von hochschuldidaktischer Bedeutung ist der Befund dahingehend, dass die Nut-zung von digitalen Lernobjekten als didaktisch aufbereitete Zugänge zum Lern-gegenstand weniger die Frage eines spezifischen Studierendentyps ist und auch nicht als Alternative zu unbefriedigenden Lehrveranstaltungen genutzt wird, sondern dass eine Nutzung des Lernobjekts eher Auskunft über die Intensität der Auseinandersetzung und über das Studierendenverhalten insgesamt gibt. Damit können Befunde von Means et al. (2010) und Lack (2013) bestärkt werden. 2) Effekte auf den Lernertrag: Die theoretisch begründete Annahme, dass sowohl Merkmale des Angebots (A) und der Nutzung (N) (Fend, 1998; Helmke, 2003) sowie der individuellen Ressourcen (R) (Keller-Schneider, 2010, 2017) das Lern-ergebnis mitbestimmen (vgl. Abb. 3), konnte belegt werden. Sowohl die wahr-genommene Qualität der Angebote (Lehrveranstaltung und Lernobjekt), die

  • 48 Keller-Schneider

    Intensität der Nutzung des Lernsettings (N1) und die Häufigkeit der Nutzung passender Lernstrategien6 (N2) sowie individuelle Merkmals (R) wie Motive und Überzeugungen, tragen zum Lernergebnis bei7. Die hohe Qualität der Lehrveran-staltung und des Lernobjekts stellen wichtige Voraussetzungen dar; die Nutzung durch die Studierenden nimmt aber eine bedeutendere Rolle ein. Die Intensität der Auseinandersetzung mit den zu erreichenden Zielen, gesteuert über die Intensität der Nutzung des Lernobjekts (Volition), ist für das Lernergebnis von Bedeutung. Die Effekte wurden über Regressionsanalysen identifiziert, was methodisch be-trachtet eine Kausalität impliziert. Da die Daten jedoch am Ende der Lehrveranstal-tung erhoben wurden, kann keine eindeutige Kausalität nachgewiesen werden. Diese methodische Vorgehensweise lässt sich theoretisch damit begründen, dass sich die Einschätzungen des Lernergebnisses auf die Situation am Ende der Lehr-veranstaltung beziehen, die Einschätzungen des Angebots und deren Nutzung jedoch rückblickend auf das ganze Semester. Da individuelle Merkmale als relativ stabil gelten, kann theoretisch eine gerichtete Beziehung angenommen werden. Eine Steigerung des Lernergebnisses kann, dem CIPP-Modell-Ansatz folgend (Schubarth, Speck & Seidel, 2007; Stufflebeam, 2003; Zhang et al, 2011), somit über Veränderungen der institutionellen (Lehrveranstaltung, Lernobjekt) und indi-viduellen Inputfaktoren (Stärkung der Bereitschaft, sich auf die Anforderungen ein-zulassen, Stärkung der Selbstwirksamkeit als zukunftsbezogene Erwartung durch eine gute Passung der Anforderungen auf die Voraussetzungen der Studierenden), sowie der Prozessfaktoren (Intensität der Nutzung von Lernsettings und Häufigkeit des Einsatzes spezifischer Lernstrategien) erreicht werden. Inwiefern eine Optimie-rung der Passung in den Kontext (z. B. in die Studiengestaltung) eine Steigerung des Lernertrags nach sich zieht, wurde in der Studie nicht untersucht. Eine hohe Qualität der Lehrangebote stellt bedeutende aber nicht hinreichende Voraussetzungen für den Kompetenzerwerb der Studierenden dar, von Bedeutung ist insbesondere auch die Art und Weise der Bearbeitung mittels passender Lern-strategien sowie die Intensität der Nutzung der Lernsettings durch die Studie-renden. Eine diesbezügliche Begleitung der Studierenden auf der Metaebene, mit Fokus auf Arbeitsweise und Lernverhalten, kann zur Steigerung des Lernergebnis-ses beitragen und unterstützt die Bedeutung des Wechsels vom Lehren zum Ler-nen für die Professionalisierung der angehenden Lehrpersonen. Dieser Wechsel

    6 Da das Modul über selbstreguliertes Lernen eine vertiefte Auseinandersetzung mit erworbenem und auf

    die Praxis übertragenem Wissen einfordert, das in authentischen Situationen zur Reflexion des Gesche-hens genutzt werden soll, erweisen sich Elaborationsstrategien sowie metakognitive und selbstmotivie-rende (emotional-motivationale) Strategien als passend.

    7 Da die Daten gleichzeitig erhoben wurden, ist eine gegenseitige Bedingtheit nicht auszuschließen.

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 49

    führt jedoch zu einer Veränderung der Anforderungen an Hochschullehrende (Bi-schof & Stuckrad, 2013; Euler, 2013; Müller-Böling, 2000), welche von diesen eben-falls als Herausforderung angenommen werden muss. 3) Die Prüfung des theoretisch begründeten Zusammenwirkens unterschiedlicher Zugänge zum Lernobjekt (Wahrnehmung der Qualität, Neigung und Intensität der Nutzung) zeigt, dass diese drei Komponenten einander bedingen, d. h. dass alle drei von Bedeutung sind, wobei die Neigung stärker ausgeprägte Zusammenhän-ge zeigt und damit ein stärkeres Gewicht ausübt. Damit wird der Befund von Fives und Buehl (2016) bestärkt, der die Neigung der Studierenden für die Wahl spezifi-scher Lernwege hervorhebt. Eine hohe Neigung, mit dem LO zu arbeiten, steigert die Intensität der Arbeit mit dem Lernobjekt und geht mit einer als höher wahrgenommenen Qualität des Lern-objekts einher. Inwiefern das Lernergebnis durch das Zusammenwirken dieser drei Zugänge zum Lernobjekt unterstützt wird, wird daraus nicht ersichtlich und wird in der vierten Fragestellung geprüft. 4) Aus dem Zusammenwirken der wahrgenommenen Qualität des Lernobjekts (LO), der Neigung dieses zu nutzen sowie der Intensität seiner Nutzung gehen dif-ferente Typen hervor, die sich durch unterschiedliche Profile in den Ausprägungen der Zugänge zum Lernobjekt unterscheiden. Eine hohe Ausprägung aller drei Zugänge (Typ IV) unterstützt das Lernergebnis (erfasst über selbstevaluierte Einschätzungen) am deutlichsten, doch auch eine in-tensive Nutzung bei geringerer Neigung und als geringer eingeschätzter Qualität unterstützen die Lernzielerreichung. Die Befunde belegen, dass eine stark ausgeprägte Neigung mit dem Lernobjekt zu arbeiten, eine günstige, aber nicht zwingende Voraussetzung darstellt, um damit zu arbeiten und um ein besseres Lernergebnis zu erzielen. Von besonderer Bedeu-tung ist die Intensität der Arbeit mit dem Lernobjekt, die nicht nur über die Nei-gung mitbedingt wird, sondern auch über volitionale, selbstaktivierende Kräfte aktiv gestaltet werden kann. Werden diese Typen nach weiteren Merkmalen der Wahrnehmung des Angebots, der Nutzung und der individuellen Ressourcen untersucht, so zeigen sich Paralle-len zwischen den auf das LO fokussierten und den allgemeinen, übergreifenden Merkmalsausprägungen. Der Typ, der sich durch günstige Voraussetzungen zur Nutzung des Lernobjekts auszeichnet (Typ IV), zeigt auch in anderen Merkmalen hohe Ausprägungen und hebt sich in allen Bereichen von den anderen Typen ab. Befunde zur Nutzung des Lernobjekts sagen somit wenig über den spezifischen Ef-fekt des Lernobjekts aus, sondern stellen eine zielführende, aber ergänzende Mög-lichkeit zum ohnehin günstigen Lernverhalten dar.

  • 50 Keller-Schneider

    Die Befunde belegen, dass weder die Lehrveranstaltung noch spezifische instru-mentelle Ressourcen den Lernertrag sicherstellen können, sondern dass die ler-nende und sich professionalisierende (angehende) Lehrperson entscheidend zur Kompetenzentwicklung beiträgt. Vielfältige Lernsettings, welche unterschiedliche Lernwege ermöglichen und selbstreguliert im Dienste der Zielerreichung genutzt werden, stellen günstige Voraussetzungen dar und unterstützen insbesondere das Lernen derjenigen Studierenden, die sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand einlassen und mit Erkenntnissen angereichert aus der Lehrveran-staltung hervorgehen. Grenzen der Untersuchung: Um die differente Wirkung des Lernobjekts zu prüfen, müsste ein experimentelles Setting mit Kontrollgruppe gewählt werden, in wel-chem die Studierenden auf ein spezifisches Lernsetting beschränkt auf die zu erwerbenden Kompetenzen hinarbeiten. In der Anlage der Studie wurde die Nut-zung des Lernobjekts den Studierenden freigestellt. Inwiefern sich die Ergebnisse replizieren lassen, wenn die Nutzung des Lernobjekts von allen Studierenden ein-gefordert würde, bleibt offen. Aufgrund der Befunde dieser Studie ließe sich eine Verpflichtung zur Nutzung des Lernobjektes jedoch nicht vertreten, denn die Nei-gung bzw. eine fehlende Neigung, mit dem Lernobjekt zu arbeiten, bestimmt den damit erzielten Lerneffekt mit. Die Ergebnisse der Bedeutung spezifischer Faktoren für das Lernergebnis wurden im Kontext einer spezifischen, auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit authenti-schen Situationen ausgerichteten Lehrveranstaltung erzielt. Inwiefern sich diese Befunde auf Lehrveranstaltungen mit anderen Schwerpunktsetzungen, wie bspw. der Erwerb von abrufbarem Wissen, übertragen lassen, oder ob sich auf diese Wis-sensart bezogen differente Effekte identifizieren lassen, bleibt dabei offen. Folgerungen (im Sinne eines Empirie gestützten programmatischen Credos): Eine Palette von Lernwegen bereit zu stellen und Lernwegdifferenzierungen zuzulassen, bzw. auch einzufordern, stellt günstige Voraussetzungen für das Lernergebnis der-jenigen Lehrveranstaltungen dar, die problemorientiert professionelles Handeln sowie dessen Reflexion anstreben (Anderson & Krathwohl, 2001; Cochran-Smith, 2001; Darling-Hammond & Snyder, 2000). Wenn Studierende in ihr Lernen invol-viert werden sollen, welches über das Erinnern von objektivem Sachwissen hinaus-gehend (Anderson & Krathwohl, 2001) ein Generieren und Reflektieren von Lernsituationen fördert, dann ist auch auf Hochschulstufe eine Anerkennung der differenten Neigungen (Fives & Buehl, 2016) und ein Zulassen differenter Lernwe-ge von Bedeutung (Reinmann & Jenert, 2011). Didaktisch aufbereitete, digitale Lernobjekte bieten günstige Voraussetzungen für eine vertiefte Auseinanderset-zung mit dem Lerngegenstand und tragen zum Lernergebnis bei. Die Neigung, mit Lernobjekten zu arbeiten stellt günstige Voraussetzungen dar, ist aber nicht zwin-

  • Bedeutung der Nutzung eines digitalen Lernobjekts 51

    gend notwendig, um intensiv damit zu arbeiten, wie Ergebnisse der Studie zeigen. Demzufolge kann es sinnvoll sein, die Studierenden für eine Nutzung des Lernob-jekts zu motivieren und volitionale Kräfte zu aktivieren, sich auf eine vielfältige Lernumgebung einzulassen und diese aktiv zu nutzen – dies führt nicht nur zu ei-nem sich verändernden Lernverhalten der Studierenden, sondern geht auch mit veränderten Aufgaben für Hochschullehrende einher.

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