Die Bedeutung von B2B-Marken im Kaufentscheidungsprozess industrieller Käufer

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Die Bedeutung von B2B- Marken im Kaufentscheidungs-prozess industrieller KäuferB2B-Marken können den Kaufprozess industrieller Kunden beeinflussen. Unklar ist jedoch, welche Bedeutung dabei so genannte Rahmenfaktoren besitzen. Im folgenden Beitrag wird dies anhand einer Markenrelevanz-Matrix veranschaulicht, welche den Zusammenhang zwischen Kontextfaktoren und den Phasen des Beschaffungsprozesses visuell darstellt.

Annett Wolf, Cindy Brusendorf

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Industriegüterunternehmen haben einen großen Anteil am produktbezoge-nen Wertschöpfungsprozess. So sind in der Regel an der Erstellung des dem Endkunden angebotenen Produktes vier Wertschöpfungsstufen beteiligt, wovon drei dem Industriegüter- respektive dem B2B-Bereich zuzuordnen sind. Damit besitzen derartige Unternehmen ein enormes Potenzial zur Um-satzvervielfältigung (Backhaus/Voeth 2010, S. 5). Eine starke B2B-Marke kann dabei Wesentliches zum Unternehmenserfolg beisteuern. Nach einer empirischen Studie von Schultheiss (2011) beträgt der Anteil der Marke am wirtschaftlichen Erfolg eines B2B-Familienunternehmens fast 25 % (Schul-theiss 2011, S. 150 f.). Während das Markenmanagement im Bereich kon-sumtiver Produkte seit Langem unverzichtbarer Bestandteil einer marktori-entierten Unternehmensführung ist, wird deren Relevanz bei industriellen Gütern erst seit Kurzem diskutiert. So existieren beispielsweise in der deutschsprachigen Literatur erst seit jüngerer Zeit umfassende Arbeiten zum B2B-Markenmanagement (Baumgarth 2010 und 2008; Caspar et al. 2002). Der Praxis fehlen weiterhin jedoch wissenschaftlich fundierte Aussagen zu den Rahmenbedingungen (Leek/Christodoulides 2011b, S. 1060), die grund-legende Fragen zur Wahrnehmung der Marke im Kaufentscheidungsprozess industrieller Kunden sowie deren Gestaltungsmöglichkeiten klären (Leek/Christodoulides 2011a, S. 831).

Dieses Forschungsdefizit wird zum Anlass genommen, um im vorliegen-den Beitrag zunächst die Wirkung von Marken auf den industriellen Kauf-prozess zu betrachten. Zu diesem Zweck werden Kontextfaktoren identifi-ziert und in die einzelnen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses einge-ordnet. Im Ergebnis entsteht eine so genannte „Markenrelevanz-Matrix“ (siehe Tabellen 1 und 2), welche die Bedeutung der B2B-Marke für das in-dustrielle Beschaffungsverhalten verdeutlicht. Abschließend erfolgt eine kri-tische Betrachtung der Ergebnisse.

Grundlagen des B2B-MarkenmanagementsIm Fokus des Beitrags stehen industrielle Produkte oder Dienstleistungen, die an Unternehmen oder Organisationen mit dem Ziel der weiteren Leis-tungserstellung vertrieben werden (Backhaus/Voeth 2010, S. 5). Zur Kenn-zeichnung der unternehmerischen Produkte werden vermehrt Marken ein-gesetzt. So hat sich laut einer aktuellen Studie der Markenberatung cuecon die Zahl derjenigen Unternehmen, die Investitionen in den Aufbau einer

Prof. Dr. Annett Wolfist Professorin für Marketing und Strategische Unternehmensführung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in BerlinE-Mail: [email protected]

Cindy Brusendorfist Produktmanagerin bei ThyssenKrupp Presta in LichtensteinE-Mail: [email protected]

„Die Zahl der Unternehmen, die Investitionen in den Aufbau einer B2B-Marke tätigen, hat sich in den letzten drei Jahren nahezu verdoppelt.“

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B2B-Marke tätigen, in den letzten drei Jahren nahezu verdoppelt (von 31,2 % im Jahr 2010 auf 62 % im Jahr 2013; cuecon 2013).

In der Literatur finden sich zur Begriffsbestimmung vielfältige Definiti-onsansätze: Danach ist die Marke einerseits das Logo oder der Name, wel-che eine Differenzierung von der Konkurrenz ermöglichen (Kotler/Pförtsch 2006, S. 4 f.). Andererseits sind B2B-Marken im Sinne eines kundenorien-tierten Begriffsverständnisses auch Träger bestimmter Eigenschaften im Kopf des industriellen Nachfragers (Pförtsch/Schmid 2005, S. 55). Im Fol-

genden wird unter einer Marke ein fest verankertes Vorstellungsbild von ei-nem industriellen Produkt oder einer Dienstleistung des markenführenden Anbieters verstanden (Wolf 2012, S. 58). Zum tieferen Einblick in weitere Definitionsansätze sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (u. a. Baum-garth 2010, S. 49; Baumgarth 2008, S. 40 ff.). Darin ist unstrittig, dass die Markenpolitik den Aufbau und Erhalt einer Marke fokussiert (Baumgarth 2008, S. 41 f.). Ziel ist dabei die Schaffung und langfristige Sicherung be-trieblicher Erfolgspotenziale sowie die Erzielung und Bewahrung von Wett-bewerbsvorteilen durch die Positionierung einer starken sowie differenzie-rungsfähigen B2B- Marke (Kemper 2000, S. 89). Überraschend ist, dass de-ren Relevanz für den industriellen Kunden in älteren Veröffentlichungen als nicht gegeben beurteilt wird (u. a. Thurmann 1961; Mellerowicz 1963). Neu-ere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Kaufentscheidungen von Un-ternehmen durchaus von immateriellen Größen wie Marken beeinflusst werden (Schmitt 2011, S. 73 ff.; Baumgarth 2008, S. 39 ff.; Caspar et al. 2002, S. 34; Mudambi et al. 1997, S. 444). Zudem sind einer empirischen Studie der Markenberatung cuecon zufolge 96 % der befragten deutschen Indus-triegüterunternehmen der Ansicht, dass auch die Marke im B2B-Bereich Re-levanz besitzt (cuecon 2013). Entsprechend den Ergebnissen von Casper et al. (2002) lässt sich die Markenrelevanz, also der Grad der Wichtigkeit der Marke bei der Kaufentscheidung organisa tionaler Nachfrager, auf drei Kern-funktionen reduzieren: Risikoreduktion, Informationseffizienz und ideeller Nutzen (Caspar et al. 2002, S. 41 f.).

Während der erstgenannte Funktionsbereich am stärksten ausgeprägt ist, gefolgt von der Informationseffizienz, wird dem ideellen Nutzen der gerings-te Einfluss beigemessen (Caspar et al. 2002, S. 44). Die Risikoreduktionsfunk-tion ist z. B. im Verlauf der Lieferantenbewertung bedeutend, da der Rück-

„Die Markenrelevanz für Kaufentscheider lässt sich auf drei Kernfunktionen reduzieren: Risikoreduktion, Informationseffizienz und ideeller Nutzen.“

1. KerntheseMarken bündeln Informa-tionen und können den Entscheidungs- und Kommu-nikationsaufwand verringern und damit Kosten sparen.

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griff auf die Marke das Risiko einer fehlerhaften Entscheidung reduziert (Cas-par et al. 2002, S. 24 f.; Mudambi et al. 1997, S. 442). Zudem üben diese über die Informationsfunktion einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Produktqualität aus (Cretu/Brodie 2007, S. 217), steigern die Zufriedenheit des industriellen Kunden (Low/Blois 2002, S. 386) und erhöhen darüber hi-naus das Vertrauen in die getroffene Kaufentscheidung (Michell et al. 2001, S. 424). Auch wird ein ideeller Nutzen im Sinne der Mitarbeiter- und Unter-nehmensdarstellung erzeugt (Backhaus et al. 2002, S. 50), da der Kauf einer Marke gegebenenfalls einen Prestige- und Statusgewinn für den Entscheider im Buying Center zur Folge hat (Mudambi et al. 1997, S. 444).

Relevanz des B2B-Markenmanagments im Kaufentscheidungsprozess

Analyse relevanter Kontextfaktoren in den KaufphasenEntsprechend der phasenbezogenen Betrachtung von Robinson et al. (1967) kann der organisationale Kaufprozess in acht Phasen differenziert werden (Robinson et al., S. 30 ff.). Zu nennen sind neben der Problemerkennung auch die Fest legung von Entscheidungskriterien für die Lieferantensuche und anschließende -bewertung (Godefroid/Pförtsch 2008, S. 44 ff.). Die ein-zelnen Phasen des organisationalen Kaufprozesses sind den Tabellen 1 und 2 zu entnehmen (horizontal abgebildet). Um wissenschaftlich fundierte Aus-sagen zur Relevanz von Marken im industriellen Entscheidungsprozess ab-leiten zu können, wurden in der vorliegenden Abhandlung empirisch ori-entierte Forschungsbeiträge dezidiert ausgewertet. So identifizierten Casper et al. (2002) beispielsweise sechs Kontextfaktoren, die aus Nachfragersicht die Markenfunktion und damit deren Relevanz für die Entscheidungsfin-dung signifikant beeinflussen. Dazu zählen •die Anzahl der Hersteller im Markt, •die Beschaffungskomplexität, •die Qualitätsunterschiede zwischen den Marken, •die Anzahl der Entscheider im Buying Center, •die Öffentlichkeit der Markennutzung sowie •die Wahrnehmbarkeit der Produktnutzung (Caspar et al. 2002, S. 51). Nach Richter (2007) wird die Markenbedeutung zudem durch die Merk-male des Umfeldes, des Kunden und des Anbieters selbst (z. B. Unterneh-mensgröße) sowie durch das Produkt bzw. die Beschaffungssituation be-dingt (Richter 2007, S. 22). Um die Komplexität des letztgenannten Merk-mals zu reduzieren, werden so genannte Kaufklassen gebildet (Backhaus/Voeth 2010, S. 76). Grundsätzlich lassen sich hierbei Neukauf, modifizier-ter und identischer Wiederkauf unterscheiden (Robinson et al. 1967, S. 25). Während bei einem Neukauf der Informationsbedarf maximal ist und zu einer Betrachtung einer Vielzahl an Produktalternativen führt, sinkt dieser vom modifizierten bis zum reinen Wiederkauf auf ein mini-males Niveau ab. Zudem empfinden die Nachfrager in einer Neukaufsitu-ation das höchste Risiko (Backhaus/Voeth 2010, S. 76) und bilden dem-

Zusammenfassung

•In der vorliegenden Abhandlung konnte dezidiert herausgearbeitet werden, dass der Marke insbesonde-re in den frühen Phasen des Kaufpro-zesses eine Signalwirkung zukommt.

•Diese ist jedoch nicht bei allen Un-ternehmen im B2B-Bereich gleich stark ausgeprägt.

•Vor allem Entscheidungssituationen mit hohem Zeitdruck und einem ge-ringen Erfahrungshorizont in der organisationalen Beschaffung un-terstreichen die Markenrelevanz im Industriegütermarkt.

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entsprechend ein großes Buying Center (Kleinaltenkamp/Saab 2009, S. 23). Darüber hinaus konnte Schmitt (2011) zeigen, dass die Faktoren Erfahrung, Zeitdruck und Buying-Center-Heterogenität die Markenbe-kanntheit und damit auch den Markenerfolg beeinflussen (Schmitt 2011, S. 73). Weiterhin werden die Produkthomogenität und -komplexität sowie die technologische Dynamik als signifikante Moderationsgrößen betrach-tet (Schmitt 2011, S. 73). Auch die Art des Geschäftstyps hat zentralen Ein-fluss. So konnten Backhaus/Sabel (2004) nachweisen, dass der B2B-Mar-ke im Zulieferer- und Anlagengeschäft eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als zum Beispiel im Produktgeschäft (Backhaus/Sabel 2004,

Tab. 1 Markenrelevanz-Matrix

Kontextfaktoren/Kaufphasen ProblemerkennungFestlegenLeistungseigenschaften

BeschreibungLeistungseigenschaften

Markenfunktionen

Risikoreduktion

Informationseffizienz

ideeller Nutzen

Kaufsituation

Neukauf

modifizierter Wiederkauf

identischer Wiederkauf

Güterart

Sachgut

Sachgut mit begleitenden Dienstleistungen

Dienstleistung

Geschäftsyp

Anlagengeschäft

Produktgeschäft

Systemgeschäft

Zuliefergeschäft

Merkmale des Umfeldes

hohe technologische Dynamik

geringe technologische Dynamik

hohe Wettbewerbsintensität

geringe Wettbewerbsintensität

rot = keine bis geringe; orange = leichte bis mittelmäßige; schwarz = hohe Markenrelevanz

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S. 792). Das Produktgeschäft zeichnet sich dadurch aus, dass die Leistun-gen nur einen geringen Spezialisierungsgrad besitzen, während im Anla-gengeschäft komplexe Projekte vermarktet werden. Im Zuliefergeschäft werden kundenspezifische Leistungen erstellt und langfristige Geschäfts-beziehungen aufgebaut (Backhaus/ Voeth 2010, S. 206 ff.).

Abschließend ist festzuhalten, dass die Kontextfaktoren, welche die Be-deutung der Marke im industriellen Kaufentscheidungsprozess beeinflus-sen, in der nachfolgend dargestellten Markenrelevanz-Matrix vertikal ange-ordnet sind (siehe Tabellen 1 und 2). Zum Zwecke einer Komplexitätsre-duktion wird die Systematisierung der Kontextfaktoren in Anlehnung an die

Lieferantensuche undbeurteilung

Einholen und Beurteilen von Angeboten

Verhandlungs- undAbschlussphase

Bestell- undAbwicklungsphase

Leistungsbewertung

Quelle: eigene Darstellung

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von Richter (2007) vorgeschlagene Kategorisierung als Basis gewählt. Unter Verwendung der vorliegenden Forschungsergebnisse wurde zur Beurteilung der Markenrelevanz in den einzelnen Phasen des industriellen Entschei-dungsprozesses (horizontal abgebildet) ein individuelles Bewertungssystem entwickelt. Dabei steht Rot für keine oder geringe, Orange für eine leichte

Tab. 2 Markenrelevanz-Matrix

Kontextfaktoren/Kaufphasen ProblemerkennungFestlegenLeistungseigenschaften

BeschreibungLeistungseigenschaften

Merkmale des Produktes

hohe Komplexität des Produktes

geringe Komplexität des Produktes

hohe Wichtigkeit des Produktes

geringe Wichtigkeit des Produktes

hohe Komplexität des Angebotes

geringe Komplexität des Angebotes

hohe Öffentlichkeit/Sichtbarkeit

geringe Öffentlichkeit/Sichtbarkeit

Merkmale des Kunden

große Größe des Unternehmens

kleine Größe des Unternehmens

Buying-Center-Größe (klein)

Buying-Center-Größe (groß)

starke Heterogenität des Buying Centers

schwache Heterogenität des Buying Centers

starke strat. Betonung der Qualität

schwache strat. Betonung der Qualität

hoher Zeitdruck

geringer Zeitdruck

viel Erfahrung

wenig Erfahrung

Merkmale des Anbieters

starke strat. Betonung der Qualität

schwache strat. Betonung der Qualität

große Größe des Unternehmens

kleine Größe des Unternehmens

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bis mittelmäßige und Schwarz für eine hohe Markenrelevanz. Gleiches gilt für die Markenfunktionen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Funktionen zwar keinen Kontextfaktor im eigentlichen Sinne darstellen, zur Relevanzdiskussion jedoch zwingend erforderlich sind. Welche Hand-lungsempfehlungen sich hieraus für die Markenführung im B2B-Bereich ab-

Lieferantensuche undbeurteilung

Einholen und Beurteilen von Angeboten

Verhandlungs- undAbschlussphase

Bestell- undAbwicklungsphase

Leistungsbewertung

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leiten lassen, soll im folgenden Abschnitt anhand beispielhaft ausgewählter Kontextfaktoren näher diskutiert werden.

Handlungsempfehlungen auf Basis der Markenrelevanz-Matrix Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Risikoreduktionsfunktion ab der Phase der Leistungsbeschreibung auswirkt (Caspar et al. 2002, S. 24). Die Informationseffizienz besteht hingegen in allen Phasen des Kaufprozesses, da Marken Informationen bündeln und den Entscheidungs- und Kommu-nikationsaufwand verringern können (Backhaus et al. 2011, S. 1084). In den Tabellen 1 und 2 wird dies durch die schwarze Farbmarkierung kennt-lich. Bezug nehmend auf die vertikal dargestellten Kontextfaktoren ist je-doch anzumerken, dass dies nur für Entscheidungen unter hohem Zeit-druck, in einem technologisch dynamischen Umfeld und in Neukaufsitu-ationen gilt, da hier der Informationsumfang und die -verarbeitung besonders umfangreich sind (siehe Tabellen 1 und 2). Auch wirkt der ide-elle Nutzen einer Marke vornehmlich dann, wenn die Entscheidung nach außen oder innen begründet werden soll (Backhaus et al. 2011, S. 1084). Das trifft insbesondere auf die Phasen der Entscheidung und nach dem

Kauf zu, da mit hoher Öffentlichkeit der Leistung die Markenrelevanz steigt (Caspar et al. 2002, S. 52). B2B-Unternehmen sollten demnach die Bedeutung der Marke in den Vordergrund des Kundendialogs stellen. Da-mit kann nämlich nicht nur eine Differenzierung von konkurrierenden Angeboten erreicht, sondern gegebenenfalls auch eine langfristige Ge-schäftsbeziehung zum Kunden aufgebaut werden. Darüber hinaus schafft ein derartiger Markeneinsatz eine wirksame Markteintrittsbarriere.

Nach Backhaus et al. (2011) besteht im Anlagen-, System- und Zulieferge-schäft eine höhere Markenrelevanz als im Produktgeschäft (Backhaus et al. 2011, S. 1089). Zudem geht aus den Tabellen 1 und 2 hervor, dass die Mar-ke vor allem im System- und Anlagengeschäft durch die ihr zugeschriebene Informationseffizienz bedeutend ist, während die Risikoreduktionsfunktion und der ideelle Nutzen die ausgeprägte Markenrelevanz im Zuliefergeschäft bestimmen (Backhaus/Sabel 2004, S. 793). Zu begründen ist dies mit der ho-hen Wettbewerbsintensität und technologischen Dynamik sowie der großen Wichtigkeit und Komplexität des Produktes (siehe Tabellen 1 und 2). Im

„Nachfrager empfinden in einer Neukaufsituation das höchste Risiko und bilden dementsprechend ein großes Buying Center.“

2. KerntheseHohe Wettbewerbsintensität und technologische Dynamik begründen die ausgeprägte Markenrelevanz im Beschaf-fungsprozess.

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Kontext des Markenmanagements ist daher festzuhalten, dass die Entschei-dung für den Aufbau einer B2B-Marke wesentlich von der Branche determi-niert wird, in der sich das Anbieterunternehmen befindet. Gerade im Zulie-fer- oder Systemgeschäft ist das Wissen um die Bedeutung der Marke für den industriellen Kunden essenziell und kann gezielt zur Beeinflussung des Ent-

scheidungsverhaltens genutzt werden. Hierzu sollten die Unternehmen je-doch eine Professionalisierung der Markenführung anstreben. Dabei ist vor allem die geplante Positionierung zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zu berücksichtigen. Sie sollte für den Nachfrager relevant, nachvollziehbar und glaubwürdig gestaltet sein. Nur dann ist ein entsprechendes Differenzie-rungs- und Profilierungspotenzial gegenüber dem Wettbewerb gegeben, das von konkurrierenden Unternehmen kaum zu imitieren ist (Baumgarth 2008, S. 130).

Abschließend ist festzuhalten, dass die vorgestellte Markenrelevanz-Mat-rix einen Überblick über mögliche Kontextfaktoren und deren Ausprägun-gen bietet. So können B2B-Unternehmen das nachfragerseitige Entschei-dungsverhalten beispielsweise durch eine professionelle und glaubwürdige Markenkommunikation beeinflussen. Kritisch bleibt jedoch, dass die Marke nach Baumgarth/Haase (2005) neben der Technik, dem Preis und dem Ser-vice nur einen Bestandteil der kaufverhaltensrelevanten Faktoren im B2B-Geschäft abbildet (Baumgarth/Haase 2005, S. 47). Zudem wurde in der wis-senschaftlichen Literatur noch nicht hinreichend geklärt, welchen Einfluss die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehungen auf den industriellen Kaufent-scheidungsprozess ausübt (Schmitt 2011, S. 155). Auch die Bedeutung der Informationssituation sowie die damit einhergehende Verfügbarkeit und Qualität von Informationen in den jeweiligen Phasen der organisationalen Beschaffung waren bisher kaum Gegenstand der B2B-Forschung (Brown et al. 2012, S. 518), sodass weiterhin ein nicht unerheblicher Forschungsbe-darf zu konstatieren ist.

FazitIm vorliegenden Beitrag konnte dezidiert herausgearbeitet werden, dass der Marke insbesondere in den frühen Phasen des Kaufprozesses eine Si-gnalwirkung zukommt. Hierzu wurden die aus dem wissenschaftlichen

Handlungsempfehlungen

•Die Etablierung von B2B-Marken er-fordert ein professionelles Markenma-nagement, welches sich durch ein ho-hes Maß an Kontinuität und die Fä-higkeit zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen auszeichnet.

•B2B-Unternehmen sollten die Be-deutung der Marke in den Vorder-grund des Kundendialogs stellen, um beispielsweise die nachfragerseitige Phase der Lieferantensuche und -be-wertung positiv zu beeinflussen.

•Eine starke B2B-Marke bietet vor al-lem in den frühen Phasen des indus-triellen Beschaffungsprozesses enor-mes Differenzierungspotenzial ge-genüber der Konkurrenz und schafft gegebenenfalls eine wirksame Markt-eintrittsbarriere.

•Bei der Markenführung ist die ange-strebte Positionierung zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zu berück-sichtigen, welche für den Nachfrager relevant, nachvollziehbar und glaub-würdig gestaltet sein sollte.

„Im Zuliefer- oder Systemgeschäft ist das Wissen um die Bedeutung der Marke für den industriellen Kunden essenziell und kann gezielt zur Beeinflussung des Entscheidungsverhaltens genutzt werden.“

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Schrifttum eruierten Kontextfaktoren diskutiert und darauf aufbauend eine Markenrelevanz-Matrix entwickelt. Es ist festzuhalten, dass die Mar-ke nicht für alle Unternehmen im B2B-Bereich die gleiche Relevanz be-sitzt, sondern von den identifizierten Kontextfaktoren abhängig ist. Ins-besondere in Neukaufsituationen, im Anlagen-, System- und Zulieferge-schäft sowie in einem Umfeld, das durch hohe technologische Dynamik und Wettbewerbsintensität gekennzeichnet ist, besitzen Marken eine hohe Bedeutung. Auch Entscheidungssituationen mit hohem Zeitdruck und ei-nem geringen Erfahrungshorizont in der organisationalen Beschaffung ei-ner Leistung unterstreichen die Markenrelevanz im Industriegütermarkt. Die erfolgreiche Implementierung gelingt jedoch nur, wenn der Marken-wert kundenorientiert kommuniziert und intern ver ankert wird. Ob sich dies letztlich als vorteilhaft für die Unternehmensführung im Industrie-güterbereich erweist, hängt im Wesentlichen von der nachfragerseitigen Akzeptanz der Marke und dem aufgebauten Differenzierungs- und Profi-lierungspotenzial ab.

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3. KerntheseNeben Produktqualität, Preis oder Service bildet die Marke nur einen kaufverhaltens-relevanten Faktor im B2B- Geschäft ab.

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Von der Verlagsredaktion empfohlenSchultheiss, B.: Relevanz der Marke im B-to-B-Geschäft, in: Schultheiss, B.: Markenorientierung und -führung für B-to-B-Familienunternehmen, Wiesbaden, 2011, S. 47-68.

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