Die Buche. Eine Kultur und Wirtschaftsgeschichte · 2016. 8. 23. · BUCHE |IM FOKUS „Die Gehau...

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Eine Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Die Buche E.-D. S CHULZE | D. HESSENMÖLLER | C. S EELE | J. WÄLDCHEN | N. VON L ÜPKE BUCHE | IM FOKUS © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 3/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 171 DOI:10.1002/biuz.201010421 Die deutsche Biodiversi- tätsstrategie sieht eine Ausweitung von Schutzgebieten in Wäldern vor. Vor allem Buchenwälder sollen als Welt- naturerbe der UNESCO einer natürlichen Ent- wicklung überlassen werden. Aber gibt es überhaupt „natürliche“ Buchenwälder? Die Baumart ist eng an die Entwicklung und Wirtschaft des Menschen gekoppelt – und damit ist die Buche zur Zeit weniger gefährdet als Ahorn, Esche, Eiche und andere Begleitbaumarten. D ie nationale Strategie der Bundesregierung zur Er- haltung der biologischen Vielfalt [2] sieht vor,dass 5% der Waldfläche bis 2020 unter Schutz gestellt wer- den sollen. Dieser Anteil wäre verteilt über alle Baum- arten und Standorte sicher sinnvoll und umsetzbar. An- scheinend soll sich der Schutzstatus aber auf den Bu- chenwald konzentrieren, wobei vor allem an den Schutz von Altbeständen (>150 Jahre) gedacht ist [6]. Deutschland fühlt sich im Sinne des Artenschutzes für die Buche „verantwortlich“ und beantragt bei der UNESCO die Anerkennung der Buchenwälder als Welt- naturerbe. Unabhängig von diesen Bemühungen, dem Arten- schwund in Deutschland Einhalt zu gebieten,ist Buchen- holz ein wichtiges Wirtschaftsprodukt, Ausgangsmate- rial für eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen und ein wichtiger Energieträger. Sofern sich die 5%-Strate- gie der Bundesregierung auf die Buche konzentriert, entsteht der „klassische“ Konflikt zwischen Schutz und Nutzung, denn nur noch 15% der Waldfläche Deutsch- lands sind Buchenwald. Auch wenn man alle Altbe- stände (> 120-jährig) unter Schutz stellt, wäre das 5%- zel ist mäßig tiefgründig. Die Buchen haben im Bestand lange, gerade Stämme, die höher werden als die der Be- gleitbaumarten. Das harte rötliche Holz (daher der Name Rotbuche) ist zerstreutporig mit feinen Gefäßen und auffälligen Markstrahlen. Die Gattung Buche, mit ältesten Fossilnachweisen aus dem mittleren Eozän (vor etwa 40 Millionen Jah- ren) im westlichen Nordamerika und Ostasien, wan- derte im Oligozän (vor circa 30 Millionen Jahren) über Südsibirien bis Europa (Fagus castanifolia). Die Art spaltete sich im Pleistozän (vor circa 2 Millionen Jah- ren) in mehrere neue Arten auf. Es entstand die Rot- buche (Fagus sylvatica). [14]. Die heimische Buche ist damit ein relativ junger Neoendemit der Zwischeneis- zeiten, der nach der letzten Eiszeit aus einem Refugium in Slowenien das nacheiszeitliche Mitteleuropa koloni- sierte. Das heutige Verbreitungsgebiet der Buche ist deutlich kleiner als das der begleitenden Laubbaum- arten aus Acer, Betula, Carpinus, Fraxinus, Quercus, Ulmus, und Sorbus (Abbildung 1). Die Konkurrenzkraft der Buche wird oft mit ihrer Schattentoleranz begründet. Vergleichende Untersu- Ziel nicht erreichbar,und die Buche würde als Wirtschaftsbaumart aus- fallen. Im Folgenden möchten wir diese Situation anhand der paralle- len Entwicklung von menschlicher Wirtschaft und der Verbreitung der Buche untersuchen. Zur Ökologie der Buche Die Buche ist die dominierende Baumart der sommergrünen Wäl- der Mitteleuropas. Sie hat spitz- eiförmige Blätter, die unauffälligen Blüten sind windbestäubend. Die ölhaltigen Früche sind dreikantige Nüßchen (Bucheckern). Die Rinde ist glatt und silbergrau, erst im Alter entsteht eine raue Borke. Die Wur-

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  • Eine Kultur- und Wirtschaftsgeschichte

    Die Buche E.-D. SCHULZE | D. HESSENMÖLLER | C. SEELE | J. WÄLDCHEN | N. VON LÜPKE

    B U C H E | I M FO K U S

    © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 3/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 171

    DOI:10.1002/biuz.201010421

    Die deutsche Biodiversi-tätsstrategie sieht eine Ausweitung

    von Schutzgebieten in Wäldern vor. Vor allem Buchenwälder sollen als Welt-naturerbe der UNESCO einer natürlichen Ent-wicklung überlassen werden. Aber gibt es überhaupt „natürliche“ Buchenwälder? Die

    Baumart ist eng an die Entwicklung undWirtschaft des Menschen gekoppelt – und

    damit ist die Buche zur Zeit wenigergefährdet als Ahorn, Esche, Eiche

    und andere Begleitbaumarten.

    Die nationale Strategie der Bundesregierung zur Er-haltung der biologischen Vielfalt [2] sieht vor,dass5% der Waldfläche bis 2020 unter Schutz gestellt wer-den sollen. Dieser Anteil wäre verteilt über alle Baum-arten und Standorte sicher sinnvoll und umsetzbar. An-scheinend soll sich der Schutzstatus aber auf den Bu-chenwald konzentrieren, wobei vor allem an denSchutz von Altbeständen (>150 Jahre) gedacht ist [6].Deutschland fühlt sich im Sinne des Artenschutzes fürdie Buche „verantwortlich“ und beantragt bei derUNESCO die Anerkennung der Buchenwälder als Welt-naturerbe.

    Unabhängig von diesen Bemühungen, dem Arten-schwund in Deutschland Einhalt zu gebieten,ist Buchen-holz ein wichtiges Wirtschaftsprodukt, Ausgangsmate-rial für eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen undein wichtiger Energieträger. Sofern sich die 5%-Strate-gie der Bundesregierung auf die Buche konzentriert,entsteht der „klassische“ Konflikt zwischen Schutz undNutzung, denn nur noch 15% der Waldfläche Deutsch-lands sind Buchenwald. Auch wenn man alle Altbe-stände (>120-jährig) unter Schutz stellt, wäre das 5%-

    zel ist mäßig tiefgründig.Die Buchen haben im Bestandlange,gerade Stämme,die höher werden als die der Be-gleitbaumarten. Das harte rötliche Holz (daher derName Rotbuche) ist zerstreutporig mit feinen Gefäßenund auffälligen Markstrahlen.

    Die Gattung Buche, mit ältesten Fossilnachweisenaus dem mittleren Eozän (vor etwa 40 Millionen Jah-ren) im westlichen Nordamerika und Ostasien, wan-derte im Oligozän (vor circa 30 Millionen Jahren) überSüdsibirien bis Europa (Fagus castanifolia). Die Artspaltete sich im Pleistozän (vor circa 2 Millionen Jah-ren) in mehrere neue Arten auf. Es entstand die Rot-buche (Fagus sylvatica). [14]. Die heimische Buche istdamit ein relativ junger Neoendemit der Zwischeneis-zeiten,der nach der letzten Eiszeit aus einem Refugiumin Slowenien das nacheiszeitliche Mitteleuropa koloni-sierte. Das heutige Verbreitungsgebiet der Buche istdeutlich kleiner als das der begleitenden Laubbaum-arten aus Acer, Betula, Carpinus, Fraxinus, Quercus,Ulmus, und Sorbus (Abbildung 1).

    Die Konkurrenzkraft der Buche wird oft mit ihrerSchattentoleranz begründet. Vergleichende Untersu-

    Ziel nicht erreichbar,und die Buchewürde als Wirtschaftsbaumart aus-fallen. Im Folgenden möchten wirdiese Situation anhand der paralle-len Entwicklung von menschlicherWirtschaft und der Verbreitung derBuche untersuchen.

    Zur Ökologie der BucheDie Buche ist die dominierendeBaumart der sommergrünen Wäl-der Mitteleuropas. Sie hat spitz-eiförmige Blätter, die unauffälligenBlüten sind windbestäubend. Dieölhaltigen Früche sind dreikantigeNüßchen (Bucheckern). Die Rindeist glatt und silbergrau,erst im Alterentsteht eine raue Borke. Die Wur-

  • chungen zeigen aber, dass im Jugendstadium Ahorn,Esche, Ulme und Linde der Buche auch im Schattenebenbürtig, beziehungsweise überlegen sind (Abbil-dung 2a). In frühen Altersstufen erreichen Ahorn undEsche eine Höhe,die vergleichbar und größer ist,als dieder Buche. Noch im mittleren Alter ist das Höhen-wachstum der Buche niedriger als bei Begleitbaum-arten (Abbildung 2b). Nur die Eiche hat ein langsame-res Wachstum. Die Buche entfaltet ihre Konkurrenz-kraft erst im Alter mit einem fast gleichbleibendenHöhenwachstum. Die Buche vermag zusätzlich starkeSeitenäste auszubilden und schließt damit Bestandes-lücken besser als andere Baumarten. Die Buche er-reicht in der Slowakei Baumhöhen von 56 m Höhe undim Hainich fast 47 m (Tabelle 1). Nur die Esche kon-kurriert dann noch mit der Buche. Der höchste Ahornwird um 5 m und die höchste Kirsche um 15 m von derBuche übergipfelt.

    Die Beobachtung gilt für Kalkstandorte,wo die so ge-nannten Edellaubhölzer (Ahorn, Esche, Linde, Kirsche)mit der Buche im Wettbewerb stehen. Auf saurem Sub-strat und auf montanen Standorten sind es Zitterpappel,Gemeine Birke und Vogelbeere, die mit der Buche kon-kurrieren. Bis auf die Vogelbeere benötigen diese Baum-arten mehr Licht als die Buche.Daher ist auf saurem Sub-strat die Buche im Schatten des herrschenden Kronen-daches den Mitbewerbern meist überlegen [14].

    Die Nutzung der Laubwälder in derVergangenheit und Gegenwart

    Die wirtschaftliche Nutzung der Buche durch den Men-schen hing von den Besitzverhältnissen, den Werkzeugenund Transportmöglichkeiten und letztlich von den ma-schinellen Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung ab.

    WaldweideSeit der späten Steinzeit (vor 4000 bis 6000 Jahren) wurdeder Wald zunehmend als Waldweide genutzt (Abbildung3). Dazu gehörte das Abschneiden von Blättern und jun-gen Trieben (das Schneiteln) von Ulme, Esche und Vogel-beere (nicht aber von Buche) zum Gewinn von Laubheu.Der Einfluss der Waldweide auf den Wald hing von Viehart,Ernährungszustand und Herdengröße ab (siehe auch Kas-ten auf Seite 175). Buchentriebe wurden im Gegensatzzu den Edellaubhölzern von Haustieren nur geschädigt,wenn es nichts anderes zu fressen gab.Waldweide mitverschiedenen Tierarten führte zu einer parkartigen,of-fenen Waldlandschaft [13] mit Wiesen und Waldinseln,die von einem Kranz dorniger Büsche (Schlehe,Weiß-dorn) ummantelt waren (Abbildung 4). Die Regenera-tion der Waldbaumarten erfolgte im Schutz der Dorn-büsche, dies gilt insbesondere für die Stiel- und Trau-ben-Eiche. Schon von Carlowitz [3] weist auf dasProblem der Weidenutzung hin,sofern die Holznutzungdas primäre Ziel der Forstwirtschaft sei (Seite 247 §7)

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    A B B . 1 Die Verbreitung der Buche(Fagus sylvatica) und der Begleitbaum-arten Hainbuche (Carpinus betulus),Esche (Fraxinus excelsior), Ulme (Ulmusglabra), Eiche (Quercus robur), Spitz-ahorn (Acer platanoides), Birke (Betulaverucosa) und der Vogelbeere (Sorbusaucuparia).

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    „Die Gehau (Anmerkung: die Schlagflächen) sollenauch mit keinem Vieh betrieben werden, und wo dasHolz verbissen, soll es wieder abtreiben, denn das ver-bissene wächst noch einmal so langsam als das un-verbissene“. Daraus leitet Grebe [4] eine Schonzeit fürden Wald ab: für Eiche, Esche, Ahorn und Tanne von 20bis 40 Jahren. Im � Mittelwald, wenn Kernwüchse zuschonen sind, von 10 bis 15 Jahren, im � Niederwaldvon 6 bis 10 Jahren.

    In der Vergangenheit hat somit die Waldweide dasgeschlossene Kronendach des Waldes aufgelöst und dieVerbreitung von dornigen Sträuchern und frühen Suk-zessionsarten gefördert. Die Waldweiderechte wurdenerst im 20. Jahrhundert abgelöst, als die Viehwirtschaftdurch Düngung des Grünlandes intensiviert wurde.Waldweide findet man heute nur noch gelegentlich inden Alpen.

    HolznutzungDie Menschen der Steinzeit hatten trotz einfacherWerkzeuge bereits eine hochentwickelte „Holzkultur“.„Ötzi“ hatte vor 5000 Jahren Material von 17 Holzge-wächsen in Form von Werkzeug, Brennholz und Nah-rung bei sich [11]: Eibe, Linde, Esche, Hasel, Lärche,Schneeball, Hartriegel, Birke, Weide, Felsenbirne, Erle,Fichte, Kiefer, Ulme, Wacholder, Ahorn und Schlehe,aber keine Buche, obgleich die Art den Nordalpenrandseit etwa 7000 Jahren besiedelte [14].

    Die technische Nutzung von Holz beginnt in derBronzezeit zunächst mit einfach zu bearbeitenden Ar-ten. Linde war beispielsweise wegen der langen, gera-den Schäfte bei relativ geringem Durchmesser undniedrigem Gewicht verhältnismäßig einfach zu trans-portieren und für die Verarbeitung im Hausbau ideal.Zusätzlich konnte der Bast für Gewebe genutzt wer-

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    Höhe der Verjüngung [cm]

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    Winterlinde

    Buche in Havesova

    b)

    a) Die Höhe einzelner Baumarten in Abhängigkeit von der Höhe der� Verjüngung (Medianwerte allerIndividuen in einer Untersuchungs-fläche). Alle Plots haben eine Lichtver-fügbarkeit von unter 10% gegenüberdem Freiland. Die Flächen wurden vorWildverbiss mit einem Zaun geschützt(linke Teilabbildung) oder sie warendem Einfluss von Wild ausgesetzt(rechte Teilabbildung). b) Das Höhen-wachstum von Buche, Esche, Eiche,Schwarzerle, Pappel, Bergahorn undWinterlinde in Abhängigkeit vomAlter.

    Die mit einem grünen Pfeil markierten Begriffewerden im Glossarauf Seite 181erklärt.

    ABB. 2 H Ö H E N WAC H S T U M

  • den. Die steinzeitlichen Pfahlbauten waren daher ausLinde gebaut.

    Die Buche wurde vom Menschen in Siedlungsnähevermutlich wegen ihrer ölhaltigen Früchte gepflegt.Siedlungsfern diente sie seit der Bronzezeit der Holz-kohlegewinnung für die Metallverarbeitung.Wegen deshohen Kalium-Gehaltes war die Buche zur Gewinnungvon Pottasche für die Herstellung von dunkelgrünemGlas beliebt. Die Sägeindustrie nutzte die Buche erst,seitdem geeignetes Werkzeug und Maschinen zur Ver-fügung standen,die eine Bearbeitung des harten Holzesmöglich machten, womit die Buche ein gefragtes Nutz-holz wurde. Bis ins 19. Jahrhundert wurde Buchenholzfür Holzdielen, Giebelbalken, Fassdauben,Tröge, Koch-löffel,Teller, Kellen, Siebgestelle, Mörser, Druckschrau-

    ben, Holzschuhe, Holzkästen, Werkzeuggriffe, Rad-achsen, Steuerräder, Eggen, Schlitten, Flaschenzugrollen,Walzen,Floßbau,Schiffsbau und als Brennholz genutzt.Die Blätter dienten als Viehfutter und als Einstreu, dieBucheckern dienten der Schweinemast und Ölgewin-nung, die Asche als Düngemittel .

    Heute beschränkt sich die Nutzung der Buche aufdie Herstellung von Möbeln aus � Schäl- und Messerfur-nier, diversen Gebrauchsgegenständen,Wand- und De-ckenbekleidungen, Parkett und Paletten, Konstruk-tionsholz und die Verwendung als Zellstoff und Ener-gieholz

    Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts wardie Buche aber nur eine von mehreren Baumarten, dieim bäuerlichen Betrieb erforderlich waren. Ein Heu-rechen hatte beispielsweise einen Eschenstiel, ein Bir-kenquerholz und Zinken aus Hasel; für einen Wagenbrauchte man ein halbes Dutzend Baumarten. Ein bäu-erlicher Betrieb war auf eine Artenvielfalt im Wald an-gewiesen, die unter verschiedenen Nutzungsformengepflegt wurde (Abbildung 5).Daher ist im Bauernwalddie Artenzahl deutlich höher als im � Plenter- oderAltersklassenwald.

    Der Einfluss des Wildes auf dieZusammensetzung des Laubwaldes

    Der Wald wurde seit Urzeiten nicht nur für Holz,Früchte und Blätter, sondern auch zur Jagd genutzt.Die„hohe“ Jagd vor allem auf Rotwild und Wildschweinwar ein herrschaftliches Privileg. Sie diente der Versor-gung der adligen Hofstatt, zur Ausrüstung der Soldatenmit Leder und zum Zeitvertreib des Herrschers. DenBauern blieb die Wilderei. Seit der Ausrottung von Bärund Wolf im 18. Jahrhundert bestimmt die Jagd denWildbestand.

    Die ölhaltigen Früchte der Buche werden von allenWildarten geschätzt. Etwa 30 bis 60% einer � Buchen-mast werden vom Wild gefressen. Bei dem Fraß vonKnospen, Rinde und Blättern hat das Wild (Reh, Rot-hirsch, Damhirsch, Mufflon) aber andere Präferenzen.Auf Grund der Schmackhaftigkeit der Knospen und derWuchsarchitektur wird die Gipfelknospe von Eschenund Ahornen deutlich öfter verbissen als die von Bu-chen. Alle Arten werden bei Verlust der Gipfelknospe

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    A B B . 3a) Waldweidevon Rindern imThüringer Wald.Bild: EDSchulze.b) Das Schälenvon Rinde anObstbäumendurch Pferde,Bucha bei Jena.Bild: S. Klaus.c) Das Verbeißenvon Büschendurch Ziegen aufKreta. Bild: EDSchulze.

    A B B . 4Waldinsel mitEichen im Baum-bestand undeinem Kranz vonSchlehen undWeißdorn ineinem Gebiet mitWaldweide.Crawinkel,Thüringen. Bild: EDSchulze.

    TA B . 1 D I E M A X I M A L E H Ö H E V E R S C H I E D E N E R

    BAU M A R T E N I N D E U T S C H L A N D

    Baumhöhe (m)

    Baumart Maximum Mittelwert Standardabweichung Minimum

    Buche 46,7 44,2 1,2 43Esche 47,7 43,0 2,3 40,8Ahorn 41,1 38,8 1,1 37,4Eiche 38,0 36,2 1,1 34,8Linde 39,9 35,9 1,8 34,3Kirsche 30,9 25,5 2,8 22,4Auf der Basis von etwa 5000 Stichprobeninventurpunkten im Hainich, der Schorfheide-Chorin undder Alb wurden für jede Baumart die zehn höchsten Individuen gesucht. Die Tabelle zeigt dieSpannbreite in der Höhe, den Mittelwert und die Standardabweichung.

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    im Höhenwachstum beeinträchtigtund bekommen einen buschigenWuchs (Abbildung 6a). Durch diehohe Zahl von Seitenknospen istaber bei der Buche die Gipfel-knospe seltener vom Verbiss betrof-fen. Die Buche wird daher bei Ver-biss im Höhenwachstum seltenerbeeinträchtigt als Esche und Ahorn(Abbildung 6b). Darüber hinaus hatdie Buche viele Seitenzweige, vondenen das Wild einige verbeißt,ohne das Höhenwachstum zu stö-ren. Daraus ergibt sich ein deut-licher Wachstumsvorteil für die Bu-che.Die Edellaubhölzer werden beiWildverbiss von der Buche über-wachsen und verschwinden ausdem Bestand.Abbildung 7 zeigt denUnterschied in der Vegetationsent-wicklung auf einer vor Wild ge-schützten und umzäunten Flächeim Vergleich zum ungeschütztenWald. Wird der Bestand vor demWild geschützt, beispielsweisedurch einen Zaun, dann sind derAhorn und die Esche im Jugend-stadium wüchsiger als die Buche (Abbildung 8).

    Eine Erhebung zum Wildverbiss zeigte, dass in ei-nem abgelegenen Totalreservat und im NationalparkHainich über 80% der jungen Eschen- und Ahorn-pflanzen ihren Wipfeltrieb verloren hatten. Nur 2 bis8% der Buchen waren betroffen. Durch wiederholtenVerbiss degenerieren die Edellaubhölzer zu „Bonsai-Formen“, die viele Jahrzehnte alt sind (Abbildung 9).Verbissschäden sind im bewirtschafteten Plenterwaldund � Altersklassenwald deutlich geringer.

    Trägt man die Baumartenvielfalt gegen die Bestan-des �grundfläche als Maß für das Alter der Beständeauf, dann würde man unter natürlichen Bedingungenerwarten, dass die Artenzahl in jungen Beständen mitgeringer Grundfläche wegen der Konkurrenzkraft derfrühen Sukzessionsarten am größten ist, und mit stei-gender Grundfläche wegen des ungebremsten Wachs-tums der Buche im Alter die Zahl der Begleitbaumartensinkt (Abbildung 10). Diesen Trend beobachtet man inden Urwäldern der Karpaten.

    Bei Untersuchungen in Deutschland zeigt sich einanderer Verlauf (Abbildung 11). Bei hoher Gundflächesinkt die Artenzahl erwartungsgemäß mit weiter stei-gender Grundfläche ab (grüner Pfeil). Die Buche ist insehr alten Beständen die einzige verbleibende Art. ImGegensatz zu der Situation in den Karpaten sinkt inDeutschland die Artenzahl aber auch bei sinkenderGrundfläche in zunehmend jungen Beständen (roterPfeil).Diese Beobachtung ist nur so zu erklären,dass die

    Wälder,die heute eine Grundfläche von circa 30 m2 ha–1

    haben – das entspricht etwa 80-jährigen Beständen –unter anderen Bedingungen aufwuchsen,als die jungenBestände, die heute eine Grundfläche von circa 10 m2

    ha–1 haben,was etwa 20-jährigen Beständen entspricht.Rechnet man zurück von den circa 80-jährigen Bestän-den (30 m2 ha–1 Grundfläche) mit hoher Diversität(sechs Baumarten) zu den circa 20-jährigen Jungbestän-den (10 m2 ha–1 Grundfläche) mit geringer Diversität(eine Baumart), dann ging alle 10 bis 15 Jahre eine Be-gleitbaumart verloren, die sich in den Beständen mittle-ren Alters noch verjüngen konnte. Wir ordnen diesenTrend vor allem dem Einfluss des Wildes zu. Die 80-jäh-rigen Bestände verjüngten sich in der Hungersnot nachdem ersten Weltkrieg, als die Wildbestände allgemeinniedrig waren. Seither haben sich die Wildbestände er-höht.Offensichtlich können hohe Bestände an Schalen-

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    Grundfläche [m2 ha-1]

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    MittelwaldNiederwald

    Bauernwald

    A B B . 5 a) Die Baumartenzahl im herrschenden Bestand in Abhängigkeit von der Grundfläche imkleinparzellierten Bauernwald, im � Mittelwald und � Niederwald (Bild: Von Lüpke). b) Bauernwaldbei Lengefeld nahe Mühlhausen. Der hohe Anteil von Eichen, die keine Stockausschläge sind,sondern sich als Keimling etablierten, zeigt, dass es sich um einen durchgewachsenen Mittelwaldhandelt. In diesem Wald fehlt die Buche. Hainbuche (48% der Stämme), Linde (25% der Stämme) und Eiche (20% der Stämme) sind die Hauptbaumarten zusammen mit Elsbeere, Esche und Feld-ahorn. Das Fehlen der Buche ist in diesem Wald eine Besonderheit. In anderen Bauernwäldern ist dieBuche präsent, aber immer unter 50%. Bergahorn, Kirsche, verschiedene Ulmenarten, Vogelbeere,Hasel und sogar die Fichte können als weitere Begleitbaumarten hinzukommen. Auffallend ist diefehlende Verjüngung. Bild: EDSchulze.

    D E R E I N F LU S S VO N H AU S T I E R E N AU F D I E WA L DW E I D E

    Pferde zertreten den Jungwuchs und benagen die Rinde bis ins Holz. Wildpferde (Tarpan)gab es im Thüringer Wald bis ins 16. Jahrhundert. Rinder fressen vor allem Gras undKräuter und verbeißen Holzpflanzen nur bei Hunger. Die Waldweide von schwer arbei-tenden Zugochsen war im Mittelalter daher verboten. Schafe bevorzugen Edellaubholzund Pappel.

    Die Ziege übertrifft das Schaf als „Holzverderber“ [4]. Die Ziegenweide wurde in Mitteleuropa daher hart bestraft und ist heute nur noch im Mittelmeerraum zubeobachten.

  • wild durch selektiven Verbiss eineVerschiebung in der Vegetation voneiner Sukzession mit Edellaubholzhin zu reinen Buchenbeständen be-wirken.

    WaldgeschichteIn der nacheiszeitlichen Vegetations-geschichte [12] gibt es zwei Pe-rioden, die schwer als natürlicheSukzession erklärbar sind:Die Ablö-sung der Ulmen-dominierten Laub-wälder durch Eichenwälder vor

    circa 4000 Jahren und die Ablösung der Eichenwälderdurch die Buche vor circa 3000 Jahren. Forstlich isteine natürliche Sukzession von einem dunklen, von Ul-men dominierten Wald zu einem lichten Eichenwaldohne Änderung der äußeren Gegebenheiten nicht er-klärbar. Die Eiche regeneriert nicht unter einem ge-schlossenen Kronendach. Die Buche ist im Pollenspek-trum als untergeordnete Mischbaumart vorhanden bissie plötzlich, vor circa 3500 Jahren, dominant wird.

    Die Vegetationskunde interpretierte den Vegetati-onswechsel durch Klimaänderungen [9]. Dabei wirdvon der rezenten Verbreitung der Arten auf das Klimader Vergangenheit geschlossen. Die Buche ist heuteeine Art der kühlen Höhenlagen der Mittelgebirge unddie Eiche eine Art der wärmeren tiefen Berglagen. Da-raus folgerte man, dass das Klima am Ende der Ulmen-zeit wärmer wurde, und damit die Eiche einwanderte.Gleichermaßen folgerte man, dass das Klima kühlerwurde, als sich die Buche ausbreitete. Heute bietet dieSpurengasanalyse in Eiskernen eine von den biologi-schen „Proxies“ unabhängige Beurteilung der Klima-situation.

    Die klimawirksamen Spurengase geben keinen Hin-weis darauf (Abbildung 12), dass es vor 3000 Jahreneine Temperatursteigerung am Ende der Ulmenzeit be-ziehungsweise einen Temperatureinbruch am Ende derEichenzeit gab [10, 15]. Die CO2-Konzentration nahmkontinuierlich zu. N2O und CH4 zeigen am Ende derEichenzeit eher eine Zunahme als eine Abnahme, wasauf erhöhte mikrobiologische Aktivität, also auf er-höhte Temperaturen oder auf hohe Niederschläge undnicht auf niedrigere Temperaturen schließen lässt. Inden letzten 2000 Jahren zeigen die Spurengase deut-liche, durch den Menschen bedingte und zunehmendeSchwankungen. Die rekonstruierten Temperaturen zei-gen seit 6000 Jahren bis zum Anfang der Industrialisie-rung eine kontinuierliche langsame Abnahme ohnedeutliche Schwankungen (nicht gezeigt in Abbildung12). Die spontane Ausbreitung der Buche (erste graueLinie in Abbildung 12) erfolgte in einer Zeit ohne Klima-änderungen. Anscheinend haben nicht Klimaschwan-kungen die Vegetation geändert, sondern es hat derMensch auf seine Umwelt eingewirkt.

    Der Einfluss des Menschen auf dienacheiszeitliche Waldentwicklung

    Der Einfluss des Menschen auf die nacheiszeitlicheVegetation ist schwierig zu rekonstruieren, da es keineeindeutigen Marker gibt.Wir beziehen uns auf die Ar-beiten von Küster [8] und Vera [13]. In der Nacheiszeitist davon auszugehen, dass Herden von Großherbivo-ren Mitteleuropa durchzogen und anschließend derMensch als Jäger, Sammler und Viehhirten an Bedeu-tung gewann. Im Neolithikum (vor 8000 bis 4000 Jah-ren) waren es Wisent, Auerochse,Wildpferd, Reh, Rot-hirsch, Elch,Wildschwein und Biber, die als Herbivore

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    A B B . 7 Vergleich der Vegetations-entwicklung zwischen einer umzäun-ten und einer freien Fläche im� Plenterwald Langula. Bild: C. Seele.

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    a) Verzweigungstyp Ahorn, Esche

    b) Verzweigungstyp Buche

    natürliches Wachstum ohne Verbiss

    natürliches Wachstum ohne Verbiss

    Wachstumnach

    Wildverbiss

    Wachstum nach Wildverbiss

    bi

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    bi

    s Herbs

    t

    A B B . 6 Verzweigungstyp von a) Ahorn und Esche und b) Buche im natürlichenZustand ohne Verbiss (links) und nach Wildverbiss (rechts). Bild: C. Seele.

  • B U C H E | I M FO K U S

    die Vegetation gestalteten. Mammut, Nashorn und Rie-senhirsch waren bereits ausgerottet. Ziege und Schafkamen mit der Landwirtschaft nach Mitteleuropa.

    Offensichtlich breiteten sich die Ulmenwälder aus,als die Großherbivoren nicht mehr existierten und derMensch nur lokale Spuren hinterließ. Nachdem es kei-nen Hinweis darauf gibt, dass Klimaänderungen die Ul-menzeit beendeten, gibt es unterschiedliche Hypothe-sen, um den Rückgang der Ulmen in der Zeit vor 8000bis 7000 Jahren zu erklären. Diese reichen von demZusammenbruch der Ulmenwälder durch den Ulmen-splintkäfer, den Auswirkungen frei lebender Großher-bivoren auf die Ulme bis hin zur Einwirkung des Men-schen. Nach Vera [13] reicht der Einfluss der Groß-herbivoren nicht aus, um die Ulme zurückzudrängen.In den relativ dunklen Wäldern der Ulme gab es nichtausreichend Futter für große Herden von Auerochseund Wisent. Beide Arten ernähren sich vornehmlichvon Gras. Ein Einfluss des Ulmensplintkäfers ist nichtauszuschließen, erklärt aber nicht, wieso die Eiche an-schließend für so lange Zeit so dominant sein konnte.Anscheinend war es der Mensch als Viehhirte, der dieVegetation bestimmte.

    Die Menschen hatten bei niedriger Wilddichteebenfalls Schwierigkeiten, sich von Wild zu ernähren.Vermutlich lockten unsere Vorfahren das Wild aufkünstliche Lichtungen,wo Gräser und Stockausschlägeausreichend Futter boten; ein Verfahren, das heutenoch in Sibirien praktiziert wird.Vera [13] folgert, dassder Mensch den geschlossenen Wald durch eine park-artige Weidelandschaft mit Waldinseln ersetzte. Da-durch wurde die Eiche gefördert.Auch die Haselpollennahmen in dieser Zeit zu und sind Zeiger für einen of-fenen Wald.Der Einfluss des Menschen war großflächigund diffus, erzeugte aber ein perpetuiertes, frühes Suk-zessionsstadium, in dem die Buche ihre Konkurrenz-kraft als späte Sukzessionsart nicht entfalten konnte.

    In Dänemark gibt es aus der frühen Eichenzeit Hin-weise auf Brand-Rodungen (Pollen von Plantago). Der

    © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 3/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 177

    A B B . 9 Eine durch Wildverbiss ver-krüppelte Esche. Rehungen, Thürin-gen. Diese Esche ist 25 Jahre alt undkönnte ohne Verbiss etwa 15 m hochsein (siehe Abbildung 2b). Bild: EDSchulze.

    Die Biodiversität der Baumarten sinkt mit zunehmenderGrundfläche (kumulative Fläche der Bäume in Brusthöhepro Hektar). 10 m2 ha–1 Grundfläche entspricht etwa 20-jährigen Jungbeständen. 30 m2 ha–1 Grundfläche ent-spricht etwa 80-jährigem Baumholz. Bei hoher Grund-fläche ist die Buche die einzig verbleibende Baumart.Untersuchungen in rumänischen und ukrainischen Ur-wäldern bei einer niedrigen Wilddichte bestätigen diese Hypothese (O. Bouriaud und V. Lavnyy, mündlicheMitteilung).

    ABB. 10 H Y P OT H E T I S C H E WA L D E N T W I C K LU N GAU F E I N E R L I C H T U N G I N E I N E M L AU B -WA L D - U RWA L D

    A B B . 8 a) Die Entwicklung vonAhorn und Buche im tiefen Schatteneines umzäunten Laubwaldes inThüringen. Der Ahorn ist im Schattendominant und vermag sogar diedichte Laubschicht des Bingelkrauteszu durchdringen. Bild: EDSchulze. b) Die weitere Entwicklung vonAhorn, Esche und Buche bei fehlen-dem Wildverbiss. Die Edellaubhölzersind höher als die Buche. Bild: EDSchulze.

  • Mensch wechselte von einer Jagd- und Sammelwirt-schaft zu einer Ackerbau- und Viehwirtschaft. Gleich-zeitig begann die Herstellung von Keramik (Hallstatt-Zeit), und die Anlage von festen Wohnungen und Be-gräbnisstätten.Die Sesshaftwerdung des Menschen warein langsamer, sich über Jahrtausende erstreckenderProzess. In der Bronzezeit (vor 3000 Jahren) gab esschließlich kaum noch „Jäger und Sammler“.

    Für die Ernährung einer Siedlung mit 100 Personenwaren etwa 35 ha Land zum Getreideanbau und wei-tere Flächen für Viehweide nötig [8]. Gleichzeitigmusste aber auch der Wald für Bau- und Brennholzleicht erreichbar sein. Vermutlich wurden zunächstStämme der Unter- und Mittelschicht des Waldes ent-nommen, um die Krautschicht für eine Beweidung zufördern und um Laub-Heu durch Schneiteln zu gewin-nen.Die Siedlungen waren aber nicht dauerhaft.Die Er-tragsleistung der Böden ließ bald nach der Rodungnach, und es kam vermutlich zu einem Mangel an Bau-und Brennholz, denn Holz war schwer zu transportie-ren. Man muss daher annehmen, dass die Gruppe nachArt eines Wander-Feldbaus in periodischen Abständen(etwa alle 5 bis 10 Jahre) weiter zog.

    Mit zunehmender Sesshaftigkeit und der damit ver-bundenen Intensität der Bewirtschaftung auf relativkleiner Fläche blieben gleichzeitig aber große Flächenunbewirtschaftet, die in den vorhergehenden Jahrtau-senden vom Menschen durch diffuse Beweidung be-einflusst waren. Die Sesshaftwerdung könnte somitfernab von Siedlungen zu der Ausweitung eines ge-schlossenen Waldes, in dem die Buche als späte Sukzes-sionsart einen Vorteil hatte, geführt haben.

    Auf die Sesshaftwerdung folgte die Rodung des Wal-des auf größerer Fläche. Dieser Vorgang schritt in Süd-europa schneller voran als in Nordeuropa. Die groß-flächige Rodung des Landes war damals eine organisa-torisch und technisch schwierige Aufgabe, verlangtegründliche Vorbereitung und zahlreiche Arbeitskräfte.Über diese Voraussetzungen verfügten nur größere Ge-meinschaften. Damit waren die Träger der mittelalter-lichen Rodungen in Deutschland die weltlichen undgeistlichen Grundherren und in einigen Fällen auchdörfliche Gemeinschaften, aus denen sich später die

    178 | Biol. Unserer Zeit | 3/2010 (40) www.biuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

    A B B . 1 1 Die Artenzahl der Bäume im Kronendach in Abhängigkeit von der Grundfläche bei unterschiedlicherBewirtschaftung. Bei hoher Grundfläche sinkt die Arten-zahl mit weiterhin steigender Grundfläche entsprechend der ursprünglichen Hypothese (grüner Pfeil, siehe auchAbbildung 10). Anders ist das Verhalten bei abnehmenderGrundfläche, bei der die Artenzahl mit der Grundflächesinkt (roter Pfeil). 10 m2 ha–1 Grundfläche entspricht etwa 20-jährigen Jungbeständen. 30 m2 ha–1 Grundfläche ent-spricht etwa 80-jährigem Baumholz. Die Abnahme in der Artenzahl mit sinkender Grundfläche ist am ausge-prägtesten im Schutzwald des Nationalparkes Hainich, sie ist am geringsten im � Altersklassenwald.

    ABB. 11 A R T E N Z A H L E N B E I U N T E R S C H I E D L I C H E R B E W I R T S C H A F T U N G

    Grundfläche [m²/ha]

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    Nationalpark Hainich

    y = 0.1562x + 0.2549R 2 = 0.8665

    y = -0.2735x + 16.307R 2 = 0.7665

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    Altersklassenwald

    y = -0.1436x + 10.182R 2 = 0.6841

    y = 0.1223x + 2.0897R 2 = 0.7181

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    0 10 20 30 40 50 60 70

    Plenterwald

    y = -0.0806x + 6.514R 2 = 0.4759

    0

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    0 10 20 30 40 50 60 70

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    y = 0.1786x + 0.301R 2 = 0.851

  • B U C H E | I M FO K U S

    Markgenossenschaften entwickelten. Nur ausnahms-weise, beispielsweise im Gebirge, gestatteten dieGrundherren einzelnen Bauern die Rodung.

    Das Grundherrentum entstand in der Zeit der Ka-rolinger. Karl der Große erklärte das von ihm be-herrschte Territorium als kaiserliches Eigentum (sieheKasten auf Seite 180). Mit der Einführung der Graf-schaftsverfassung bildete sich ein Dienst- und Amtsadelaus weltlichen und geistlichen Herren (Herzöge, Fürs-ten, Grafen, hoher und niedriger Adel) heraus, die Teiledes kaiserlichen Eigentums als Lehen verwalteten. Mitder Zeit gingen die Reichsforste in den Besitz von Ad-ligen und Klöstern über [5]. An der Basis standen leib-eigene Bauern als die eigentlichen Bearbeiter des Lan-des (Abbildung 13).Während sich die bäuerliche Land-nahme der germanischen Stämme (300 bis 400 n.Chr.)zumeist auf Lößböden oder auf Zechsteinkalke be-schränkte, wurden in der fränkisch-karolingischen Ro-dungsphase (500 bis 800 n.Chr.) die reichen Braun-erdeböden der Buchenwälder in Ackerland und Wei-den umgewandelt.

    Die siedlungsfernen Forste (siehe Kasten auf Seite180) dienten zunächst primär der königlichen Jagd,d.h.die Buche wurde durch Verbiss der Begleitbaumar-ten gefördert. Im späten Mittelalter stieg aber der Be-darf an Holzkohle für die Eisenverarbeitung stark an.Die Vergabe von Konzessionen an Köhler, Holzascher,Rußhersteller und Sägewerker war eine wichtige Ein-kommensquelle der Herrscher, ohne dass es eine forst-liche Aufsicht gab. Diese Art der Bewirtschaftungdrängte die Buche wiederum zurück und förderte dieAusweitung früher Sukzessionsarten.

    Im 16. Jahrhundert waren die Wälder zu großenTeilen stark degradiert, wie die periodischen „Berei-tungen“ der Herzöge von Weimar und Gotha bezeugen.In Bergbaugebieten, wie z.B. dem Thüringer Wald,waren nach diesen Berichten die Berge bedeckt vonDornengestrüpp. Brände und Viehverbiss verwüstetenden Wald auf großer Fläche. Gleichzeitig zur Exploita-tion des Waldes gab es riesige „Prachtjagden“, bei de-nen hunderte Vasallen mitwirkten, und tausende vonStücken Wild getötet wurden [7]. In dieser Zeit wurden

    © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 3/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 179

    Zeit vor heute [Jahre]

    600

    650

    700

    550

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    CH

    4 [ppbv]

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    CO

    2 [pp

    mv]

    40006000 30005000 2000 1000

    ABB. 12

    Die zeitlichen Veränderungen der atmosphärischen Spurengase CO2, Methan (CH4) und N2O in der Zeit von vor 6000 Jahren bis heute (nach [15]). Die erste graue Linie bei 3000 vor heute zeigt den Beginn der Hauptausbreitung derBuche. Die zweite graue Linie bei 2500 vor heute zeigt die Zeit, als kurzfristig die Gletscher vorrückten, es also lokaletwas kühler war.

  • auch die großen Beutetiere (Bär,Wolf,Luchs) auf großerFläche ausgerottet.

    Vor allem die Angst vor einer akuten Holznot ließim 17. Jahrhundert eine Vielzahl von Wald- und Forst-

    ordnungen entstehen,um den Verwüstungsprozess auf-zuhalten. Die Forstordnungen waren der Beginn einergeordneten Waldwirtschaft. Ein endgültiges Ende derPrachtjagden des Barock und der Plünderung der Wäl-der durch ungeregelte Nutzung kam aber erst mit KarlTheodor von Bayern (1724–1799) der verfügte: „In al-len Differenzen hat das Jagdwesen dem Forstwesennachzustehen“ [7].

    Die Regeneration der verwüsteten Flächen führteaber nicht zu einer Förderung der Buche, sondern ausforsttechnischen Gründen der Etablierung von Waldauf degradierten Böden zu einer Ausweitung der Nadel-bäume, insbesondere der Fichte. Mit der Säkularisie-rung nach den Napoleonischen Kriegen und mit demAufstieg Preußens kam es nach 1800 zu einer um-fangreichen Änderung der Besitzverhälnisse und an-schließend zu einer großflächigen Umwandlung vonMittelwäldern in Altersklassenwälder (Abbildung 14).Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen wurde dieBuche erst nach dem Zweiten Weltkrieg großflächigzugunsten der Fichte zurückgedrängt.

    Die indirekte Förderung der Buche durch Wildwurde mit der Revolution von 1848 zunächst einge-schränkt.Der Bauer bekam mit dem Eigentum auch dasRecht zur Jagd „Die Jagd steht jedem Grundbesitzerauf seinem Grund und Boden zu“ (§3 des Gesetzeszur Aufhebung des Jagdrechtes auf fremdem Grundund Boden und die Ausübung der Jagd vom 31. Okto-ber 1848). Dieses Recht wurde aber 1850 bereits wie-der aufgehoben mit der Begründung des Großgrund-besitzes,dass das Wild auszusterben drohte.Für die Ge-stattung der Ausübung der Jagd wurden minimaleGrößen der Jagdbezirke festgesetzt (75 ha). Es wurdenJagdscheine vorgeschrieben und Schonzeiten festge-legt. Dennoch ist die kurze Periode einer Reduzierungdes Wildes bei freier Jagd an der Regeneration der Edel-laubhölzer noch heute erkennbar (150-jährige Ahorne

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    D E R WA N D E L D E R B EG R I F F E „ FO R S T “ U N D „ WA L D “ I M L AU F E D E R Z E I T

    Für das Verständnis der Waldentwicklung sind die Kenntnis und der Wandel von Begriffen wichtig. Das heutige Wort „Forst“, das einen Wirtschaftswaldkennzeichnet, hatte ursprünglich eine andere Bedeutung [13]. Die „forestes“ bezeichneten die königlichen Liegenschaften der Karolinger. Es war das nicht-kultivierte Land und bestand nicht nur aus Baumbeständen, sondern auch aus Mooren, Grasländern und Gebüschen. Der frühere Sinn des Wortes „Forst“klingt durch, wenn man heute noch von einer „staatlichen Forstverwaltung“ spricht. ImGegensatz dazu bezeichnete das Wort „Wald“, das heute übergeordnet für Baumbestände ver-wendet wird, im frühen Mittelalter das Gebiet, in dem die Anlieger der „forestes“ für den Eigen-bedarf Waldweide, Bau-und Brennholzgewinnung und Imkerei betreiben, Heumachen undBäume schneiteln durften. In Anlehnung an den ursprünglichen Gebrauch des Wortes „Wald“spricht man auch heute noch vom „Waldbau“ als einer forstlichen Disziplin. Der Wald lag inden „forestes“, in denen große Gebiete der Jagd und nicht der Holznutzung vorbehalten waren.Der lateinische Begriff „silva“, berühmt durch Tacitus, bezeichnet nach Vera [13] eine offeneWaldlandschaft im Gegensatz zum „lucus“, dem Hain, der durch eine geschlossene Baum-vegetation gekennzeichnet ist. Nach Vera [13] waren die „silvae horridae“ des Tacitus keines-wegs „schreckliche Wälder“ sondern offene Waldlandschaften, in denen Waldinseln vonDornengebüschen umgeben waren. Tacitus und auch Virgil beschreiben den Viehreichtum in „Germanien“. Es war anscheinend eine Landschaft, die von Waldweide geprägt war, über die Varus mit seiner Armee zog.

    ABB. Die Aufteilung und Nutzung des Waldes inSiedlungsnähe und in ortsfernen Gebieten.

    ABB. 13 D I E V E RWA LT U N G S S T R U K T U R D E R G R A F S C H A F T S -V E R FA SS U N G I M K A RO L I N G I S C H E N R E I C H ( N AC H H A S E LU N D S C H WA R T Z , 2 0 0 0 )

  • B U C H E | I M FO K U S

    und Eschen).Es gab seit 1848 nur noch zwei Perioden,in denen der artenreiche Mischwald sich ohne denDruck überhöhter Wildpopulationen erholen konnte.Dies sind die Zeiten nach dem Ersten und ZweitenWeltkrieg. Im forstlichen Kleinbesitz bestimmt aberseither der Jagdpächter und nicht der Förster weit-gehend über den Baumbestand.

    Mit dem „Hitlergesetz X: Reichsjagdgesetz“ wurde1935 die Jagd neu geregelt und mit der „Hege“ Vorstel-lungen des Dritten Reiches auf die Jagd übertragen,diebis ins Bundesjagdgesetz wirken. Die Wildbeständenahmen nach 1935 zu und die Jagdanlagen aus demDritten Reich sind in der Schorfheide und in den Na-tionalparken Jasmund und Kellerwald als Buchenrein-bestände noch heute erkennbar (Abbildung 15).

    Insgesamt sind die Wildschäden in Deutschland un-angemessen hoch [1]. Wo noch Laubwald vorhandenist, kommt es zu einer Ausweitung der Buche, insbe-sondere dort, wo nicht „Wald vor Wild“ sondern „Waldund Wild“ gilt.

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    Mittelwald

    Altersklassenwald (Laubwald)

    Altersklassenwald (Nadelwald)

    Plenterwald

    Landwirtschaftliche Flächen

    keine Daten

    Keula

    Leinefelde

    Mühlhausen

    Heilbad Heiligenstadt

    Keula

    Leinefelde

    Mühlhausen

    Heilbad Heiligenstadt

    Keula

    Leinefelde

    Mühlhausen

    Heilbad Heiligenstadt

    1800 1900 2000

    0 105 Kilometer

    ¯

    Bild: EDSchulze, J. Wäldchen

    ABB. 14 WA L D U M WA N D LU N G E N I M H A I N I C H - D Ü N - G E B I E T VO N 1 8 0 0 B I S 2 0 0 0

    A B B . 1 5 Laubwaldbestand imNationalpark Jasmund. Auffällig istdas völlige Fehlen einer Verjüngung,bedingt durch überhöhte Wildbe-stände. Die Bewirtschaftung erfolgtnach dem Konzept „Natur Natur seinlassen“.

    G LOSSA R

    Altersklassenwald: Im Altersklassenwald sind die Wälder nach dem Baum-alter räumlich getrennt angeordnet. In einem nachhaltig bewirtschaftetenBetrieb von z.B. 100 ha kann bei einer Umtriebszeit von 100 Jahren jedes Jahreine Fläche von 1 ha geerntet werden.

    Buchenmast: Die Buche blüht und fruchtet in periodischen Abständen vonzwei bis sechs Jahren. Ein solches Ereignis, bei dem die Buche eine großeMasse an Früchten bildet, wird Mastjahr genannt.

    Grundfläche: Die Grundfläche ist die Summe aller horizontalen Stamm-flächen in 1,3 m Baumhöhe auf einem Hektar.

    Mittelwald: Dies ist eine historische Bewirtschaftungsform des Waldes, diedem Niederwald ähnlich ist, aber zusätzlich einen lockeren Altholzschirm be-sitzt. Dieser Schirm wurde oft von Eiche dominiert, die gleichzeitig wichtig fürdie Schweinemast war. Der Unterwuchs war artenreich mit Holzgewächsen,die Stockausschläge bilden konnten. Nach der periodischen Ernte der Strauch-schicht erfolgte oft eine Zwischennutzung mit Waldweide und in schlechtenZeiten auch mit Getreide.

    Niederwald: Dies ist eine historische Bewirtschaftungsform des Waldes, beider der Wald ausschließlich als Energiewald genutzt wurde, d.h. er wurde alle10 bis 30 Jahre geerntet. Der Niederwald war sehr artenreich mit Gehölzen,die zu Stockausschlägen fähig waren.

    Plenterwald: Im Plenterwald finden sich Bäume unterschiedlichen Alters undunterschiedlicher Dimension auf kleiner Fläche. Einzelne Bäume werden nachBedarf geerntet. Jeder Eingriff dient der Pflege und der Verjüngung des Waldes.

    Schäl- und Messerfurnier: Furniere werden in der Möbelindustrie und fürSperrholz verwendet. Besonders wertvolle Stämme werden längs aufge-schnitten. Mit einem scharfen Messer werden anschließend wenige Millimeterdicke „Bretter“ radial abgeschnitten (gemessert). Bei Schälfurnier dreht derrunde Stamm wie auf einer Drehbank, und ein Messer schneidet tangentialeine wenige Millimeter dicke Schale ab. Man kann Messer- und Schälfurnieran dem Verlauf der Maserung erkennen.

    Verjüngung: Die Verjüngung ist der Jungbestand in einem Wald unabhängigvon der Art der Bewirtschaftung.

  • AusblickDie Wechselwirkungen zwischen der Kulturgeschichtedes Menschen und der Dominanz der Buche zeigen ei-nen wellenartigen Verlauf, in dem der Mensch die Bu-che sowohl förderte als auch übernutzte (Abbildung16). Der „naturnahe“ Wald wäre vermutlich ein Laub-mischwald vergleichbar mit dem der „Ulmenzeit“.

    Wenn es um die Erhaltung der Biodiversität inDeutschland geht, bedarf die Buche im Augenblick kei-nes zusätzlichen Schutzes. Wildbestände und staatlichgeförderte Programme zur Waldumwandlung förderndie Buche. Schutzbedürftig sind die Edellaubholzartenund die Eiche,die auf großer Fläche an Lebensraum ver-lieren.Noch wichtiger wäre es,Standorte mit langfristi-ger und ungestörter Habitattradition zu schützen.

    Ein einseitiger Schutz der Buche und von Buchenalt-beständen würde in Verbindung mit einer unzureichen-den Jagd sehr nachteilige Folgen für die große Arten-vielfalt der Begleitbaumarten und deren assoziiertenFaunen haben. Das Schutzkonzept des Bundesnatur-schutzgesetzes „Natur Natur sein lassen“ fördert unterden jetzigen Gegebenheiten im Wald den Arten-schwund und sollte modifiziert werden.

    ZusammenfassungDiese Arbeit gibt einen Überblick über die Ökologie derBuche und ihrer Begleitbaumarten. Die historische Entwick-lung der Buchenwälder wird in einem wirtschaftlichen undsoziologischen Kontext der menschlichen Entwicklungs-geschichte dargestellt. Besondere Bedeutung hat dabei dieStellung der Jagd und der Einfluss des Schalenwildes auf dieBaumarten in historischer Zeit. Die Diskussion, ob „Wald vorWild“ oder „Wald und Wild“ hat bis heute eine politischeDimension, die mehr als die Ökologie der Arten die Baum-artenmischung im Wald bestimmt.

    SummaryThe Beech forests: A cultural and socio-economic historyThe German strategy of maintaining biodiversity aims at anestablishment of wilderness areas. Mainly beech forestsshall serve as UNESCO world heritage. Here we ask, if thereare any “natural” beech forests. This tree species is closelylinked to human development, and at present this species isless endangered than the accompanying species of Acer,Fraxinus, Quercus and other broad leaved species.

    182 | Biol. Unserer Zeit | 3/2010 (40) www.biuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

    Ulme +Edel-laubholz

    Edel-laubholz

    ortsnah ortsnahortsfern

    ortsfern

    NadelholzEiche

    Buche

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    NomadeMensch

    fördert Eiche

    5000 4000 3000 2000 1000 0Jahre BP

    Sesshaftigkeitfördert Buche

    Holzkohleund Metall-verhüttungverdrängt

    Buche

    Waldverwüstungund Bedarf anverschiedenen

    Holzsortenfördert

    Edellaubholz

    Jagdfördert Buche

    Förderungdurch langeSukzession

    FörderungBuche ortsfern

    durch Feudaljagd

    Waldumbaufördert

    Nadelholz

    ABB. 16 Z E I T L I C H E R V E R L AU F D E R D O M I N A N Z V E R S C H I E D E N E R BAU M A R T E N

    Der „Nomade“ Mensch hat vermutlich den Ulmenwald zurückgedrängt, der Eiche Vorschub geleistet und einefrühere Ausweitung der Buche verhindert. Mit der Sesshaftigkeit des Menschen gab es ortsferne Wälder, in denendie Buche als späte Sukzessionsart dominant werden konnte.Die Buche wurde durch die jagdliche Nutzung des herrschaftlichen Waldes gefördert.Der zunehmende Bedarf an Holzkohle, Pottasche und Ruß drängte die Buche zurück bis zu einer Waldverwüstungim 16. und 17. Jahrhundert.Die Forstwirtschaft deckte den Holzbedarf durch zunehmenden Anbau von Nadelholz auf Buchenstandorten. Hohe Wildbestände fördern heute die Buche auf den verbleibenden Laubwaldstandorten. Auf ortsnahen Wald-standorten führte der Bedarf an verschiedenen Holzarten zu einer Förderung eines Laubmischwaldes. Die Wild-dichte gefährdet heute den Fortbestand der reichen Laubmischwälder. BP: „before present“: Zeit vor 2010.

  • B U C H E | I M FO K U S

    SchlagworteBuchenwald, Waldentwicklung, Weltnaturerbe, Biodiver-sität

    DanksagungWir danken der Max-Planck Gesellschaft für die Un-terstützung dieser Untersuchung. Die Arbeiten wur-den zusätzlich gefördert durch das EU-ProjektCarboEurope-IP GOCE-CT-2003n505572 und durchdas DFG-Schwerpunktprogramm 1374 „Explorato-rien“. Wir danken insbesondere Annett Börner fürdie Hilfe bei der Herstellung der Abbildungen.

    Literatur[1] C. Ammer, T. Vor, T. Knoke, S. Wagner, Der Wald-Wild Konflikt:

    Analyse und Lösungsansätze vor dem Hintergrund rechtlicher,ökologischer und ökonomischer Zusammenhänge. Gutachten imAuftrag der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft,des Bundesamtes für Naturschutz, des Deutschen Forstwirt-schaftsrates und der Hatzfeldt-Wildburg’schen Verwaltung, 2010.

    [2] BMU, Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, 2007.www.bmu.de/naturschutz_biologische_vielfalt/downloads/doc/4033.php

    [3] H. C. von Carlowitz, Sylvicultura Oeconomica, Leipzig, 1732. [4] C. Grebe, Die Forstbenutzung, 3. Auflage, Braumüller, Wien, 1882. [5] K. Hasel, E. Schwartz, Forstgeschichte, Verlag Kessel, Remagen,

    2006.[6] H. D. Knapp, F. A. Emde, B. Engels et al., Naturerbe Buchenwälder:

    Situationsanalyse und Handlungserfordernisse, Bundesamt fürNaturschutz, Bonn, Insel Vilm, 2008.

    [7] J. Köstler, Geschichte des Waldes in Altbayern, Beck’sche Verlags-buchhandlung München, 1934.

    [8] H. Küster, Geschichte des Waldes, C.H. Beck, München, 1998.[9] G. Lang, Quartäre Vegetationsgeschichte Europas, Gustav Fischer,

    Jena, 1994.[10] M. E. Mann, Z. Zhang, M. K. Hughes et al. (2008) Proxy-based

    reconstructions of hemispheric and global surface temperaturevariations over the past two millenia, PNAS 2008, 105, 13252–13257.

    [11] K. Spindler, Der Mann im Eis, C. Bertelsmann, München, 1993.[12] E. Strasburger, Lehrbuch der Botanik, 36. Auflage, Spektrum,

    Heidelberg, 2009.[13] F. W. M. Vera, Grazing ecology and forest history, CABI, Walling-

    ford, 2000.[14] H. Walentowski, H. Bussler, M. Blaschke et al., On the origin of

    beech forest species – eine Hypothese der inkorporierten Bio-diversität in Buchenwäldern des mitteleuropäischen Tief- undHügellandes (in Vorbereitung).

    [15] H. Wanner, J. Beer, J. Bütikofer et al., Mid- to late Holocene climatechange: An Overview. Quaternary Science Reviews, 2008. DOI10.1026/Jquascirev.2008.06.013.

    Die AutorenErnst-Detlef Schulze ist Emeritus am Max-PlanckInstitut für Biogeochemie. Er hat dieses Institut auf-gebaut.

    Dominik Hessenmöller ist als Mitarbeiter am MPI für Biogeochemie zuständig für die forstlichenInventuren, die im Rahmen des DFG-Schwerpunkt-programms „Exploratorien“ durchgeführt werden.

    Carolin Seele ist Doktorandin am MPI für Biogeo-chemie und beschäftigt sich mit Verbissschäden ander Verjüngung von Bäumen.

    Jana Wäldchen ist Doktorandin am MPI für Bio-geochemie und beschäftigt sich mit der Wald-geschichte im Hainich-Dün Gebiet.

    Nikolas von Lüpke ist Doktorand an der ForstlichenFakultät in Göttingen. Er beschäftigte sich im Rah-men seiner Masterarbeit mit den Bauernwäldernim Thüringer Becken.

    Korrespondenz: Prof. Dr. E.-Detlef SchulzeMax-Planck Institut für BiogeochemieHans-Knoell-Strasse 10, 07745 Jena Email: [email protected]

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