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Die Cantes Flamencos. In Sevilla hat sich seit Kurzem das Studium der heimischen Volkslitteratur, fast aus einer 'generatio aequivoca' heraus, zu er- freulicher Blüthe entwickelt. Indem Fernan Caballero l den Märchen, Liedern, Räthseln, Sprichwörtern und Sitten der Andalusier mit liebevollem Eifer nachforschte und sie sammelte, schwebten ihr nur aesthetische und moralische Zwecke vor; Emilio Lafuente y Alcan- tara erkannte allerdings bei Abfassung seines höchst werthvollen 'Cancionero populär* (Madrid 1865), von dem zwei Drittel auf Andalusien und Aragonien kommen' 2 , den wissenschaftlichen Werth der Volkslieder; allein in Spanien erzeugt weder mit so unab- weislicher Notwendigkeit, wie bei uns, ein Buch das andere, noch bedurfte es eines ausdrücklichen Hinweises auf Dinge, welche unter ändern Himmelsstrichen sich der Aufmerksamkeit mehr entziehen, in Sevilla aber wie der Orangenblüthenduft des Frühjahrs die ganze Atmosphäre erfüllen. Und während so starke unmittelbare Anregungen sonst nur auf das poetische Vermögen wirken, sind sie auch einmal kritischer Empfänglichkeit begegnet, und zwar unter Leuten, welche, sich an die Madrider 'Institucion libre de enseflanza' anlehnend, nach allen Seiten hin den wissen- schaftlichen Horizont ihrer Landsleute zu erweitern bestrebt sind. Die rege Beschäftigung mit den Arbeiten des Auslandes — die sich u. A. in der 'Biblioteca cientifico-literaria', einer Sammlung von Uebersetzungen wissenschaftlicher Werke, kundgibt muss auch in Bezug auf die Volkslitteratur der in Spanien noch so wenig verbreiteten comparativen Methode förderlich sein. Freilich von den so reichen Hülfsmitteln, welche andere Länder auf diesem Gebiete geliefert haben, ist noch nicht allzuviel nach Sevilla ge- drungen, wie denn überhaupt das Ausländische in den öffentlichen und auch in den zum Theil sehr reichhaltigen Privatbibliotheken (neben den bekannten von D. Fernando Gabriel y Ruiz de Apodaca, D. Joso Maria Asensio y Toledo u. A. will ich die des Herrn Sendras, Cervantes 17, erwähnen, weil sie mir hinsichtlich alles Andalusisch- 1 Wo ich im Folgenden diesen Namen schlechtweg citire, beziehe ich mich auf die 'Cuentos y poesias populäres andaluces* (Sevilla 1859). 2 Der erste Band enthält die Seguidillas; der zweite die Coplas und dieser wird gewöhnlich ohne seine Zahl citirt. Brought to you by | Biblioteca de la Universidad de Sevilla (Biblioteca Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 1/18/12 7:03 PM

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Die Cantes Flamencos.In Sevilla hat sich seit Kurzem das Studium der heimischen

Volkslitteratur, fast aus einer 'generatio aequivoca' heraus, zu er-freulicher Blüthe entwickelt. Indem Fernan Caballero l den Märchen,Liedern, Räthseln, Sprichwörtern und Sitten der Andalusier mitliebevollem Eifer nachforschte und sie sammelte, schwebten ihr nuraesthetische und moralische Zwecke vor; Emilio Lafuente y Alcan-tara erkannte allerdings bei Abfassung seines höchst werthvollen'Cancionero populär* (Madrid 1865), von dem zwei Drittel aufAndalusien und Aragonien kommen'2, den wissenschaftlichen Werthder Volkslieder; allein in Spanien erzeugt weder mit so unab-weislicher Notwendigkeit, wie bei uns, ein Buch das andere,noch bedurfte es eines ausdrücklichen Hinweises auf Dinge,welche unter ändern Himmelsstrichen sich der Aufmerksamkeitmehr entziehen, in Sevilla aber wie der Orangenblüthenduft desFrühjahrs die ganze Atmosphäre erfüllen. Und während so starkeunmittelbare Anregungen sonst nur auf das poetische Vermögenwirken, sind sie auch einmal kritischer Empfänglichkeit begegnet,und zwar unter Leuten, welche, sich an die Madrider 'Institucionlibre de enseflanza' anlehnend, nach allen Seiten hin den wissen-schaftlichen Horizont ihrer Landsleute zu erweitern bestrebt sind.Die rege Beschäftigung mit den Arbeiten des Auslandes — diesich u. A. in der 'Biblioteca cientifico-literaria', einer Sammlungvon Uebersetzungen wissenschaftlicher Werke, kundgibt — mussauch in Bezug auf die Volkslitteratur der in Spanien noch so wenigverbreiteten comparativen Methode förderlich sein. Freilich vonden so reichen Hülfsmitteln, welche andere Länder auf diesemGebiete geliefert haben, ist noch nicht allzuviel nach Sevilla ge-drungen, wie denn überhaupt das Ausländische in den öffentlichenund auch in den zum Theil sehr reichhaltigen Privatbibliotheken(neben den bekannten von D. Fernando Gabriel y Ruiz de Apodaca,D. Joso Maria Asensio y Toledo u. A. will ich die des Herrn Sendras,Cervantes 17, erwähnen, weil sie mir hinsichtlich alles Andalusisch-

1 Wo ich im Folgenden diesen Namen schlechtweg citire, beziehe ichmich auf die 'Cuentos y poesias populäres andaluces* (Sevilla 1859).

2 Der erste Band enthält die Seguidillas; der zweite die Coplas unddieser wird gewöhnlich ohne seine Zahl citirt.

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2f)0 II. SCIIUCHARUr,

volkstümlichen sehr gut bestellt erschien) noch etwas spärlich ver-treten ist. Man bedenke, dass nicht nur die Pyrenäen zu über-winden sind, sondern auch die Sierra Morcna und dass der Mangelan Interesse, welchem in Madrid unsere Studien begegnen, nichtohne Einfluss auf die Provinz bleiben kann. Diese unzulänglicheVertrautheit mit dem was in der Fremde geleistet worden ist, unddiese Theilnahmlosigkeit des inländischen Publikums sind nun,anderer Umstände ganz zu geschweigen, beträchtliche Hindernisseund diejenigen, die vor ihnen nicht zurückbeben, haben Anspruchauf unsere Anerkennung und, wo sich Mängel zeigen sollten, aufunsere Nachsicht. Wir, die wir früh in die Lehre gegangen sind,gediegene Anleitung und begründete Zurechtweisung erfahren, gutesWerkzeug und reiches Material in die Hände bekommen haben,die wir aber deswegen hie und da auch allzusehr in das Hand-werksmässige verfallen, wir übersehen über dem Unsichern selb-ständiger Anfänge leicht das Verdienstliche derselben. Es ist die'Enciclopedia', in welcher jenes Interesse an der Disciplin des* folklore* neuerdings mehr und mehr hervortrat (die 'Seccion deliteratura populär* bildete eine stehende Rubrik), so dass zu wün-schen gewesen wäre, dieselbe hätte sich, was ihre auswärtige Ver-breitung sehr gefördert haben \vurde, in eine 'Andalucia' verwan-delt; doch höre ich eben, sie wird von nun an, wie so Vieles,fast Alles in Spanien, den Weg der Politik gehen. Es war diese'Revista cientifico-literaria', zu der meistens junge Leute beisteuerten,durch die Absicht in's Leben gerufen worden, die Lücke einiger-massen auszufüllen, welche die treffliche 'Revista mensual de filosofia,literatura y ciencias, de Sevilla' (6 Bde., 1869—1874) durch ihrEingehen hinterlassen hatte. Unter den' Encyclopaedisten', von denenmir Francisco Rodriguez Marin hoffentlich recht bald Gelegenheitgeben wird, über seinen Cancionero recht Gutes, zu sagen,hat hauptsächlich mein Freund Antonio Machado y Alvarez, dersich seit einiger Zeit unter dem Namen Demofilo — und so werdeich ihn überall nennen — populär zu machen sucht, die bewussteRichtung vertreten; schon über zehn Jahre sind es her, dass ihn dieMuse der Volksdichtung mit verlockendem Blicke anlächelte, erschrieb zahlreiche Artikel in die 'Revista de Sevilla', die 'Enciclo-pedia' und andere Zeitschriften und Zeitungen und veröffentlichteals besondere Bücher im vorigen Jahre die 'Coleccion de enigmasy adivinanzas' und heuer die 'Coleccion de cantes flamencos' l,welche die erste Sammlung der Art ist, wie denn Demofilo dieseCiasse von Liedern 1870 überhaupt zuerst an's Licht gezogen hat('con cierta timidez' Rev. d. S. II 474).

Ueber die Cantes flamencos gedenke ich nun mich in behag-licher Weise mit ihm schriftlich zu unterhalten, wie wir über dieselben,

1 Coleccion de cantes flamencos recojidos y anolados por Demofilo.Sevilla, Imp. y Lit. de El Porvenir, O'Donnell 46 1881. (Halle a S., M. Nie-meyer — Palermo, L. Pedone). XVIII, 209 S. 8.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 251

clrren Bekanntschaft ich übrigens dem Cafe Silverio verdanke, so-wie über verwandte Gegenstände im Jahre 1879 so manches Malmündlich unsere Ansichten ausgetauscht haben. Der * Prologo* unddie häufigen, zum Theil ausführlichen Anmerkungen werden dabeibesonders zu berücksichtigen sein.

Zunächst verdient der Ausdruck cantcs flamencos eine ein-gehende Besprechung. CanL· ist ein gesungenes Lied (und insofernmit canto, cantar, cancion synonym), aber nicht ein jedes, sondernwohl nur ein derartiges, welches eben als flamenco gilt. Doch ge-stehe ich, über den Bedeutungsumfang des Wortes nicht genügendunterrichtet zu sein. Vgl.

Laf. I 160, 3 <;Como quieres que tengaGusto en el cante,Si la prenda que adoroNo esta delante?

Dem. 58, 308 Te den un tiro y te maten,Como sepa que dibiertesA otro gache con tu cante.

Ueber die Bildung dieser andalusischen Wortform bin ichebenfalls nicht völlig im Klaren; für canto, wie z. B. tilde für titulo,kann sie natürlich nicht stehen. Haben wir etwa in cante das zusehen, was auf die Aufforderung cante F./1 erfolgt (vgl. h. rendez-vous)'* — Flamenco heisst zunächst * Zigeuner*, * zigeunerisch'.Demofilo meint, der Ursprung dieser Benennung sei ihm unbekannt,'pues no hay prueba alguna que acredite la opinion de los queafirman, ora, que con los flamencos venidos a Espafta en tiempode Carlos I, llegaron tambien numerosos jitanos; ora, que se tras-lado a estos en aquella opoca el epiteto de flamencos, como tituloodioso y expresivo de la mala, voluntad con que la nacion veia alos naturales de Flandes' (S. Vll). Er spricht sogar von der Mög-lichkeit, die Andalusier hätten die Zigeuner wegen ihrer Hautfarbeso genannt, welche gerade das Gegentheil von der wcissen undrothen der Elamländer sei (wie allerdings eine solche scherzhafteUmkehrung bei jenen sehr gebräuchlich ist, z. B. 'hace mucho frio*für 'hace mucho calor'). indessen unterliegt es für mich keinemZweifel, weshalb die Zigeuner als 'Flamländer* bezeichnet wordensind. Gern wurden sie ja nach den Ländern benannt, aus denensie kamen oder zu kommen schienen, so 'Aegypter', * Böhmen*;und auch der Ausdruck 'Zigeuner', obwohl er in der ursprüng-lichen Form 'Athinganen' einer Sekte zugehört, deutet auf ihrealten Wohnsitze in Armenien. Die Spanier verfolgten die Herkunftder Zigeuner nicht weiter als bis nach Deutschland zurück, und

1 Vgl. Cab. 299, i Cante V., compaöerito,Cante V., vamos cantando,Que si V. no sähe coplas,Yo se las ire apuntando.

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diese Anschauung musste sich befestigen, als dieselben von hier im. Jahrhundert vertrieben wurden und dadurch ihre Zahl in Spa-

nien bedeutend zunahm. Miklosich, * Ueber die Mundarten unddie Wanderungen der Zigeuner EuropaV III 42 ff., weist zwar inder Sprache der spanischen Zigeuner griechische, slawische undrumänische Elemente nach, keine deutschen; kann aber wohl aufdiesem negativen Wege erhärtet werden, dass sie nicht einmalvorübergehend sich unter den Deutschen aufgehalten haben ? Mannannte sie also in Spanien zuvörderst gcrmanos und weil man dieFlamländer und Deutsche zusammenwarf, flamencos', s. George Borrow,'The Zincali; or, an account of the Gypsies of Spain' (London 1841)I 38. Germanos hiessen dann auch alle gewerbmässigen Gauner;daher germania, 'Rothwälsch'. Dass dieses ursprünglich, wie esuns z. B. in den Romanzen Hidalgo's und Quevedo's vorliegt, mitder Zigeunersprache Nichts zu thun hat, kommt natürlich dabeinicht in Betracht, wurde doch auch umgekehrt jerigonza von derZigeunersprache gebraucht. Diez Et. Wtb.3 II 137 hält an derIdentität von germano, 'Gauner','Zigeimer', mit germanus, 'Bruder',fest; er sagt: 'Es ist ein Missverständniss, wenn man germania vondem Völkernamen Gcrmamis leitet, weil die Sprache der Zigeunereine Anzahl gothischer Wörter enthalte'; abgesehen von dieserBegründung, ist, glaube ich, er im Irrthum. Demnach uw& flamencound jitano eigentlich gleichbedeutend; indessen hat sich doch eingewisser Unterschied herausgebildet. Jitano ist weiteren Gebrauches,kommt oft in übertragener Bedeutung vor ('schmeichlerisch', 'schlau'),wird übrigens wohl auch auf jene cantes angewandt (insbesondereseguidillas jitanas, während ich dem Ausdruck seguidillas flamcncasnicht begegnet bin). Flamenco bezeichnet vorzugsweise das Zigeu-nerartigc, Zigeunerhafte (vgl. Demofilo S. 27 : 'flamenco sc empleaen sentido de ajitanado'); so sagt man z. B. von einem Mädchen,das in seinem Anzug, Auftreten, ganzen Wesen die Eeschheit derZigeunerinnen vergegenwärtigt: ' es muy flamcnca'.l

Echt zigeunerisch nun sind die Cantos flamencos, die übrigensnur in Andalusien zu Hause sind, schon in Hinblick auf die Sprachekeinenfalls; sie sind also zigeunerhaft. Das aber können sie inzwiefacher Weise sein, indem sie entweder ein in das Andalusischegewandeltes Zigeunerisch oder ein mit Zigeunerisch versetztes, auf-geputztes Andalusisch darstellen. Dies erfordert eine sehr umständ-liche Untersuchung und ich halte mich natürlich an das von Demofilovorgelegte Material. Hören wir zunächst ihn selbst. Schon in derRev. d. S. II 474 sagt er, sie seien 'una mezcla de elementosheterogeneos, aunque afines; im resultado del contacto en que vivela clase baja del pueblo andaluz con el misterioso y desconocidopueblo jitano'; sodann C. f. VII, dass in ihnen 'han venido ä mez-clarse, o mcjor dicho, a amalgamarse y a confundirse, las condi-

1 Auchjttano kommt in diesem Sinne vor, doch seltener; vgl. Laf. 163, 2:'Ese cuerpo tan jitano9.

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DiE CANTKS FLAMENCOS. 253

clones poeticas de la raza jitana y de la andaluza'. Wenn alsodie Cantes flamencos von Haus aus auf einer Mischung beruhen,ist es dann nicht ein kleiner Widerspruch, wenn es ebend. IXheisst: 'andaluzandose, si cabe esta palabra, o haciendose gacho-nalcs, como dicen los cantadores de profesion, iran perdiendo pocoa poco su primitivo caracter y originalidad y se convertirän enun gen er o m i to, a que se seguira dando el nombre de flamenco,como sinonimo de jitano'? S. 183 stellt er sogar den cante flamencoclem cante jitano gegenüber: 1 salir el genero jitano de lataberna al cafe se ha andaluzado, convirtiendose en lo que hoyllama flamenco todo el mundo.' Demnach würden wir in demheutigen ilamenkischen Gesang (man gestatte mir das Wort in'sDeutsche herüberzunehmen), um chemisch zu reden, eine hyper-andalusische Verbindung haben. Demofilo bezeichnet es als einenIrrthum der Touristen, 'que es el cante flamenco el genuinamenteespaftol' (S. IX); er behauptet vielmehr, diese Gattung sei * entrelos populäres, el menos nacional de todos' (ebend.), 'el menospopulär de todos los llamados populäres' (S. VIII). Sie hat einebeschränkte Bühne, sie ist in der Kneipe entstanden, hat da ihrenZenith erreicht (R. d. S. II 474: 'nacidos muchas veces en la taberna,y en ella casi siempre, y por plazas y campos repetidos') und hatihr letztes Bollwerk im Cafe gefunden; ihr Stern ist nun im Sinken('a nuestro juicio, contra lo que se cree' C. f. VIIIf.). Sie wirdvon einer beschränkten Zahl von Personen geübt: 'El pueblo, aescepcion de los cantadores y aficionados, a que llamariamos dilet-tanti, si se tratara de operas, desconoce estas coplas; no sabecantarlas, y muchas de ellas ni aim las ha escuchado' (S. VI11).Aber das niedere Volk hat eine grosse Vorliebe für die Cantesflamencos; Rev. d. S. II 475: 'forman las delicias de nuestropueblo bajo, que, por decirlo asi, los paladea, corao una buenaopera nuestras clases acomodadas'; aber 'esta predileccion haciaesta miisica especial, iugubre y sombria patentiza, con la necesidadintima y profunda de sentir, propia cte la raza andaluza, una de-gradacion moral, aunque menos afeminada, analoga a la de nuestrasaristocraticas clases, ardientes admiradores de las produccionesfranccsas.' Allerdings meint er C. f. IX, dass das Publicum dieserilamenkischen Vortrage nicht das Volk, sondern nur eine Classedesselben repräsentire, aber einerseits ist das mit Hinblick auf diebeginnende Entartung gesagt, andererseits scheint, wenn unter denBesuchern der Cafes chantants der Gewerbtreibende, der Kauf-mann, der Arbeiter, der Stierfechter, der term (it. sgherro), derGauner aufgezählt werden, doch die Theilnahme eine ziemlich all-gemeine zu sein. Ich glaube Demofilo's Ansicht am Besten mitden Worten wiederzugeben: die Cantes flamencos sind volksthüm-lich im passiven, nicht im aktiven Sinn. Die Sänger, welche sichmit ihnen befassen, gehören nun, soweit wir nachkommen können,grösstentheils dem Zigeunerstamm an, nicht ausschliesslich. So istz. B. der berühmteste 'cantaor' von heute, Silverio, dessen Lebens-

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abriss uns Demofilo S. 179 ff. mittheilt, der Sohn eines geborenenRömers. Aber wir wollen von solchen Ausnahmen absehen; esseien die Cantes flamencos ein Sondergut der Zigeuner. Dürfenwir daraus schlicssen, dass sie es immer waren? Die Zigeunerhaben, bei ihrem Auftauchen, sich gewisser schon bestehenderGewerbe bemächtigt und hier die Concurrenz, wenn nicht beseitigt,doch sehr erschwert; sie glänzen als Hufschmiede, Thierscheerer,Rosskämme, Kastanienröster, Schmalzbäcker u. s. w. Ein besonderesGeschick und eine besondere Neigung haben sie von jeher fürMusik und Tanz gezeigt. Ob sie in Bezug auf diese Künste, diesich ja in Südspanien schon vor ihrer Ankunft einer lebhaften undglücklichen Pflege erfreuten, sich mehr reproductiv oder mehroriginal verhalten haben, davon sehe ich hier ab; was die Dichtunganlangt, so ist sie ihnen wohl immer nur als Stoff und Stütze fürden Gesang werth gewesen. Cervantes nennt seine Preciosa 'lamas unica bailadora que se hallaba en todo el jitanismo'; auchihren Gesang scheint er den jitancrias zuzuzählen, in welchen sievon der Alten unterrichtet wurde; doch wenn sie reich war anVillancicos, Coplas, Seguidillas und Zarabandas, und ändern Liedern,besonders Romanzen, so kam dies daher, dass 'se los procuro ybusco por todas las vias que pudo, y no falto poeta que se losdiese: que tambien hay poetas que se acomodan con jitanos y lesvenden sus obras'. So mag es in der Folgezeit geblieben sein.

Hier muss die Frage eingeschaltet werden, wie es denn mitder echtzigeunerischen Dichtung stehe. Die Zigeuner sind sicher-lich ein Volk von sehr geringer poetischer Begabung; und dierohen Spuren dieser Kunst, welche wir bei ihnen wahrnehmen,zeigen den Einfluss der Völker, unter denen sie wohnen. Vonden Liedern ungarischer Zigeuner, welche Friedrich Müller in denSitzungsber. der phil.-hist. Cl. der Wiener Akademie d. W. LX1 195 if.veröffentlicht hat, sagt er S. 150: 'Wie man sehen wird, ist derkünstlerische Werth der Producte der zigeunerischen Muse gleichoder vielleicht noch weniger als Null'; wenn es ihnen nicht anReim und Rhythmus fehlt, so ist dies wohl magyarischen Vorbildernzu danken. Nach Miklosich Ueber die Mundarten u. s. w. IV 2sind die von ihm herausgegebenen Lieder bukowinischer Zigeunerreimlos (aber, wie ich sehe, doch nicht durchgängig); der Vers trägtbei stark wechselnder Silbenzahl regelmässig zwei Hebungen; dieVolkspoesie der Rumänen und Klein-Russcn hat hier einen unver-kennbaren Einfluss geübt, ein Lied ist sogar fast wörtlich aus einemrumänischen Volkslied übertragen. Dass nun unter den hoch-poetischen Bewohnern Südspaniens die Zigeuner, die sich ihnensonst, und hauptsächlich im Sprachlichen, mehr assimilirten, alsändern Völkern, eine eigenthümliche Dichtung oder Art zu dichten— wenn sie eine solche mitbrachten — festgehalten hätten, daskann ich mir durchaus nicht vorstellen und das ist auch durchNichts beglaubigt.

Ueber die Strophen in Calo (spanischer Zigeunersprache),

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DIE CANTKS FLAMKNCOS. 255

welche Borrow hie und da (z. B. I 137. II *47) anführt, weiss ichNichts zu bemerken, als dass ich Kindern so Ungewisser Herkunftwenig Zutrauen schenke. Bestimmter kann ich mich über dieLiedchen äussern, welche Borrow zu Anfang des zweiten Bandesu. d. T. * Rhymes of the Gitanos' veröffentlicht hat ('collected inEstremadura and New Castile, in Valencia and Andalusia* —'scarcely a tenth part of our original gleanings, from which wehave selected one hundred of the most remarkable and interesting'S. 9). Es sind das, im Grunde genommen, selbst Cantes flamencos.In Bezug auf die Sprache können sie von denen Dernofilo's nichtwesentlich verschieden sein, da ja das Zigeunerische Spaniens nurin seinem Lexicon eigenthümlich, in allem Ändern aber spanischist.1 Und auch in dem reinsten Calo, von dem man weiss, fehltes nicht an spanischen Wörtern, wie o, a, de, für die sich gar keineecht-zigeunerischen nachweisen lassen. Manchmal ist die spanischeEntlehnung etwas jitanisirt worden, wie sun für j//, oder wird alssolche gar nicht erkannt, wie mit, mus = nos. Das, oder vielmehrmosy ist eine alte volksthümliche Form, welche noch in Andalusienund Asturien und wahrscheinlich auch im Centrum lebt, welche ichzu Wien von spanisch-türkischen Juden vernommen habe (musotrus)und die bei den alten Dramatikern den Bauern in den Mund ge-legt wird (so Tirso de Molina 04b. 497b. Calderon I 6ia H.); dazugehört das Possessivum mueso = nues/ro. Das m ist entweder durchden labialen Vocal hervorgerufen wurden oder durch die Analogiedes Sing. me. In dem Evangelium Lucae (1837) haben wir y, gut,iambicn, todavia, aun, puts, das Hülfszeitwort haber, die Pronominal-formen kj leSj se u. s. w. In den Zigeunerliedern Borrow's tritt dasSpanische noch stärker hervor; in manchen finden sich nur dreioder vier Zigeunerwörter und so ist z. B. in LVI1I. LXXXV1I undDem. 158,42. 159,48 der Sprachcharakter der gleiche. DieMischung zwischen dem indischen und romanischen Idiom stuftsich eben unendlich ab. Ebensowenig unterscheiden sich die LiederBorrow's in Bezug auf die Dichtungsmaasse von denen Demofilo's;wir finden dort ausser der allgemein-spanischen cop/a die seguidilla/tiana, von der ich unten reden werde. Doch ist zu bemerken, dassdas Metrische überall stark vernachlässigt erscheint, ja dass unsgeradezu Knittelverse vorliegen und wir hier schwerlich etwas Ur-sprüngliches, vielmehr etwas roh und unvollkommen Nachgebildeteserblicken werden. Auch hinsichtlich des Inhalts stimmen sie imAllgemeinen mit den ändern überein, nur dass in ihnen die Be-ziehung auf das Zigeunerleben eine häufigere und stärkere ist. Aber

1 Zigeunerische Flexion besteht nur im Indicativ Praes. des Hülfszeit-wortes sinelar (sein). Prosper Merim£e theilt in seiner Novelle * Carmen*Zigeunersprichwörter mit und schliesst mit einigen Bemerkungen über dasCalo. Unter diesen ist interessant (und zu Miklosich's Darstellung nachzu-tragen) , dass einige alte Zigeuner für jame', lütt sagen: jamon, lillon, wieja bei den deutschen Zigeunern die l. P. S. des Praeteritums regelmässig in-turn gebildet werde.

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gerade diese Lieder, in welchen auf die Gaunereien und Verbrechen,Bedrängnisse und Züchtigungen der Zigeuner angespielt wird, sinddurchaus unpoetisch, wie sehr auch die lächerliche englische Ver-ballhormmg nachzuhelfen versucht. Borrow sagt: 'the englishtranslation is, in general, very faithful to the original, as will easilybe perceived by referring to the lexicon'; es scheint, als wolle ersich über uns lustig machen. Wir begegnen hier starken Miss-verständnissen und auch der Urtext verräth nicht immer einen sehrkundigen Aufzeichner; es ist mir das schwer erklärlich. Als Beispielmöge gleich die erste Copla dienen.Me ligueron al vero [Galeere, auch Festung] Unto a refuge me they led,Por medio de un estaripel!, To save from dungeon drear;Le penelo a mi romi Then sighing to my wife I said:Que la mequelo con mi chabore. I leave my baby dear.

Manche Lieder sind voll religiöser Empfindung (so IV. VI.LXX) oder beziehen sich auf die Geschichte des Heilands (so VIII.XXXVIII2. XLV), und es ist unmöglich, dass dergleichen aus derInitiative eines Volkes, das so wenig religiösen und historischenSinn zeigt, hervorgegangen ist. Vielleicht haben wir es hier mitden Anfängen eines geistlichen Liederbuches zu thun, an welchemder Missionär Borrow seine braunen Freunde auf demselben Wegemitwirken lassen wollte, wie an der Uebersetzung der ersten Capitelvom Evangelium Lucae (s. I 357 f.). Andere Lieder behandelndie allgemeinen Gegenstände der spanischen Volkspoesie; sie sinddie einzigen, in denen sich dichterischer Geist regt. Borrow sagt(S. 5 f.): * Amongst these effusions are even to be found tender andbeautiful thoughts; for Thugs and Gitänos have their moments ofgentleness. True it is that such are few and far between, as aflower or a shrub are here and there seen springing up from theinterstices of the rugged and frightful rocks of which the Spanishsierras are composed.' Offen gestanden, ich glaube nicht, dassdiese Blumen auf dem dürren Boden der Zigeunernatur ersprossensind. Ich vermag zu manchem der Borrow'schen Lieder eine spa-nische oder besser gesagt eine mehr spanische Variante vorzulegenund man möge entscheiden, ob eine Ilispanisirung oder eine Jita-nisirung stattgefunden hat. Ich beginne mit etwas Eigenartigerem:

1 Vgl. die ähnlichen Anfänge:II Abillelo del vero . . .

XXX Me sicobaron del estaripel,Me ligueron al libano . . .

XL De la estaripel me sicobelaron . . .XLI Me sicobelan de la estaripel,

Me ligueron al vero . . .2 Undebel de chinoro (Gott als Knabe

Se guillo con los Gates Ging mit den Zigeunern)wird übersetzt:

The Lord, as e'en the Gentiles state,By Egypt's race was bred.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 257

XIV Laf. 475, 2Ne to chibclc beldolaia, No te estiendas, verdolaga,

rccogerte una fremi, Arrecogete un poquito,Quc no es el julai mas rico Que no es la huerta tan grande,Ni la bal mas ban'. Ni el hortelano tan rico.

(9, 9, 8, 7)Die englische Uebersctzung ist ganz falsch. Einen in der

südromanischen Dichtung sehr oft und glücklich ausgesprochenenGedanken enthält:

LIV Enc. III 371, 19^1.372,26. Laf. 216, i)Si pasaras por la cangri Die/ aiios dcspues de mucrtoTrin berjis dcspues de mi mular, A mi sepiiltura iras,Si aragueras per min nao, Me llamas tu y te respondo,Respondiera mi cocal. [Pero vcrmc no podrds.]

(9, io, 8, 8)Eine noch zutreffendere spanische Variante (m\i muerio uv\<\huesos

als Assonanz, die in der Copla Lafuentc's Vers i und 3 beschlossen),existirt gewiss, sie ist mir nur nicht gegenwärtig. Und hieranschliesse sich eine Copla über das Thema 'Ach, wenn du wärstmein eigen', deren zigeunerische Originalität ohne Weiteres inAbrede gestellt werden darf:

LVIIIFlamenca de Roma,Si tu sinaras mia,Te metiera entrc viere [Glas]Por sari la vida.

Ferner vergleiche man:LIII Dem. 130, 133

Ducas tenela min dai, Penas tice mi mare,Duras tenelo yo, Penas tengo yo,Las de min dai yo siento, las que sientoLas de mangue no. Son las e mi mare,

(8, 7, 7, 6) Que las mias no.XXXII Laf. 446, 2

;No bay quien liguerele las nuevas <;Quion le llevara la nuevaA la chabori de min dai, A la triste de mi madreQue en el triste de veo [für vero] Que en un calobozo oscuroMe sinelan nicabando la metepo? Me cstan echando la Have?

(9,9, 8, 13)Im zweiten Vers wird hier statt chabori^ tTochter' : charalari,

'traurig' (fern.), zu lesen sein.LXXXVII Laf. 217, 6

La romi que yo camelo, Si la mujer que camelo,Si otro me la camelara, Otro me la camelara,Sacaria la chuli Sacara yo mi cuchillo

la fila le cortara a los pie's me lo dejara.[ me la cortara d mi.]

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258 H. SCHÜCHARDT,

Sollen wir annehmen, class bei den Zigeunern sich ein An-denken an die Eroberung Jerusalems gehalten habe?

LXXXIX Dem. 195, 33Corojai en grastos Moritos a cabayoMajaros en pindre Cristianos a ,AI tomar del quer lacho Como ganaronDel proprio Undebel. La casita santa1

(6, 7, 8, 6). E JerusalemEine Verstümmelung liegt vor:

LI Dem. 133, 143Si min dai abillara Si la mare e mi armaA dicar a su men, Biniera a buscarme,Yo le penara quc fuera Yo le ijera: baya osto con Dios,Con Dios Undebel. [Quc osl<-' no GS m i märe.]

Das Englische lautet hier so komisch, das ich es mittheilen will:Sir Cavalier, my mother dear

Must come and visit you,That mother dear, Sir Cavalier,

The face of God may view.A su men heisst allerdings 'Euer Gnaden'; aber das gibt im

zweiten Vers gar keinen Sinn, und gehörte in den dritten; dortmuss ein Wort stehen, welches auf den Sprechenden weist (a mangue,'mich', assonirt allerdings nicht mit Undebel). Baya oste conDios heisst nicht viel weniger, als 'gehen Sie zum Teufel' (indiesem Sinne wird gern mucho hinzugesetzt; s. Dem. 67, 361); in"der ersten Strophe ist merkwürdigerweise das spanische Wort für'Gott* mit dem zigeunerischen verbunden. Ohne den Vers: 'queusted no es mi madre' hat die Copla gar keinen Verstand; mitdiesem Vers aber wird eine andere eröffnet und vielleicht gehörenbeide zusammen (auch XXIX und XXX scheinen ein Ganzes zubilden):

LXINo sinela su men min daiLa que me chindo,Que sinando yo chinorilloSe liguero y me mecn.

Sicher hängt die folgende Strophe von einer spanischen ab;aber in welcher Weise, vermag ich nicht zu ermitteln, da sie ansich dunkel ist.

LVII Laf. 209, 5Si yo no t'endicara El Padre santo de RomaEn una s e m an a, Me dijo que te olvidara;

Como aromali, Yo le dije: Padre mio,Flamenca de Roma, Aunque me recondenara.Me rincondenara.

1 Von Dem. 106, 19, wo es sich um die Einnahme von Isla de Leondurch die Franzosen handelt, habe ich eine Variante gehört, in welcher es statt'Como ganaron Los franseses, märe', so heisst wie oben.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 25Q

Roma im Calo hat einen ändern Sinn und eine andereHetonung als im Spanischen: roma, 'Ehemann', 'Zigeuner'; daher

Jlamcnca de Roma wohl eher 'heirathsfähige Zigeunerin', als *Fla-mcnca of Egyptian race*. Ausserdem finden sich allgemeinereUebereinstimmungen, so:

III Laf. 439, 3Cuanclo me blejclo en mi gra, En montando en mi caballoMi chabori al atras, No temo a ningun valiente:Ustilclo yo la pusca, Un retaco, dos pistolas,Empiezan darafiar. Un cuchillo y vcnga gente.

(9, 7> 8, 7)

Endlich wurden mir mündlich eine Reihe von Calocoplasmitgetheilt, aber kein Hehl daraus gemacht, dass dieselben Ueber-stitzungcn aus dem Spanischen seien; ich führe ein paar davon an(ohne zu verbessern, was zu verbessern wäre):

La ochipa del brufiito La fortuna del cabritoOstebe nel se la difles a caique: No se la do Dios a nadie:O merar bus chinorrito O morir cuando chiquito

sijle jingale bus bare. O ser cabron quando grande.(8, i r , 8, 10)

Sijle heisst 'du bist'; es sollte stehen sinelar.Laf. 445, 4

A la veRis del estardoz A las rejas de la carcelNe te abilles a oribelar; No me vengas a llorar;Otal ncl me nicabas canrias, Ya que no me quites penas,Ncl me las abilles a dinar. No me las vengas a dar.

(9, 9, , )

A butias pincharo man A muchas conozco yoSos sc terelan per lacris Que se tienen por doncellas

de pejulias on la chen de espaldas en el sueloTarquinan las ochurganis. Han contado las estrellas.

(8, 9, 9, 9)Von ändern Liedchen, welche ich bei derselben Gelegenheit

erfuhr, ist es möglich, dass sie gleich im Culo abgcfasst sind, wenig-stens ist aus ihrer metrischen Form keine Einwendung zu ent-nehmen und kenne ich andererseits keine ihnen entsprechendenspanischen Texte, die in dieser Hinsicht befriedigten:

A saro los ternejales A todos los guaposPendo de ondoba surdan dico de este mundoSos me oronden la orocafla que me busquen la sendaDe ondoba jandeblasvan. de este refran.

On caba foro bare* En esta ciudad grandeA yes manu tramelaban, a un hombre ataban,Persos le nicabo a avel porque robo a un otroYes quisi sos legueraba. una bolsa que llevaba.

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200 H. SCHUCHARDT,

Yes puro y yesquc puri Un viejo y una viejaGuiyaban a yes osian1 iban al molinoY maräbearon el gui y detras de un palmarApalan de yes palamian. molieron el trigo.

Also, ich wiederhole, sichere Reste einer wirklichen und ur-sprünglichen Zigeunerpoesie gibt es nicht. Was uns Borrow alssolche verkauft'2, beruht durchaus auf spanischer Volksdichtung. Durchdiese wurden zunächst wohl die Zigeuner, die immer mehr Sängerals Dichter waren, nicht einmal in besonderem Masse angeregt undam wenigsten dazu, sich in ihrem eigenen Idiom zu versuchen.Es hätte dies ein wärmeres Interesse vorausgesetzt und die Ucbor-windung gewisser Schwierigkeiten erfordert, ohne dass dadurchirgend ein Vortheil gewonnen worden wäre. Das Calo besass für dieZigeuner keineswegs den poetischen Reiz, welcher sonst in derMuttersprache liegt, war ihnen vielmehr nur als Geheim- odergeradezu als Gaunersprache von Werth; es war ja in seinem innernOrganismus, seinem Geiste ganz spanisch und eignete sich äusserlich,wegen der vielen langen Wörter und den endbctonten Nominen,nicht besonders für Kurzvers und Assonanz. Den Zigeunern, welchebeide Idiome in gleicher Weise beherrschten, lag es näher, für sie

* Osian, 'Mühle', sonst asm, (esianero, * Müller') ist das hindost.ästjä, 'Mühle', welches übrigens, nach einer gütigen Mittheilung von W.Pertsch,aus dem Persischen stammt — es kommt schon im Pehlewi vor. Das span.acena, 'Mühle' (acenero), vom arab. as-seniya (auch im Sicil. senia, 'Schöpf-rad'), scheint das Zigeunerwort in seiner lautlichen Gestalt beeinflusst zu haben.

a Vielleicht in gutem Glauben. Die Kritik war, wie besonders sein Buchüber Wales zeigt, nicht die starke Seite dieses phantastischen Mannes; seinGegenstand nahm ihn stets zu sehr ein. Er Hess sich auch sonst über Alterund Echtheit zigeunerischer Ueberlicferungen täuschen. I 99 erwähnt er,dass ein Zauberreim der Zigeuner laute: 'Einen von diesen käsen will ichder Maria Padilla und ihrer Gesellschaft geben.' Mit dieser Maria Padilla,sagt Borrow, sei nicht die Geliebte des Königs Pedro des Grausamen, sondernMaria Pacheco, das Weib D. Juan's de Padilla (im Comuneroskrieg) gemeint,deren braune und zauberkundige Sklavin gewiss eine Zigeunerin gewesen sei (wohleher eine Maurin). Aber Prosper erzählt, dass die Zigeunerinnen inihren Zaubersängen die Maria Padilla als 'bari crallisa' (grosse Königin) an-rufen. Und in der That wurde die ältere Maria Padilla durch die siegreichenFeinde D. Pedro's zur Hexe gemacht; die wunderbare Liebe des Königs zuihr, um derentwillen er seine rechtmässige Gemahlin verstiess, war Anlassgenug. Einer Sage zufolge, die ebenfalls Merimoe mittheilt, hätte sie derKönigin Bianca einen Gürtel geschenkt, welcher den behexten Augen desKönigs immer als eine Schlange erschienen wäre; daher seine Abneigunggegen die Trägerin. In einer Hs. der Colombina aus dem Ende des 17. oderdem 18. Jahrh. berichtet ein Sammler von alten Weibergeschichten über DonPedro (die Ueberschrift lautet: ' Todo o lo mas que sigue acerca del S. ReyPedro el Justiciero son unas vulgäres tradiciones o cuentos de - viejas sinfundamento'), man habe ihn in seiner Kindheit, wenn er unartig war und nichtschlafen wollte, damit geschreckt, dass man ihm sagte, die Maria Padillawürde auf einem feurigen Wagen kommen und ihn holen, und dabei Lärmgemacht, damit er es glaubte; und es sei dies ein gewöhnliches Schreckmittelin allen Familien Sevilla's. Also, es war eine andalusische Ueberlieferung,die sich aber länger bei den Zigeunern, als den Ändern gehalten zu habenscheint.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 201

war es einfacher, sich des Spanischen, das ihnen fertige Reime undallgemein verwendbare Zeilchen darbot, zu bedienen und gewissthaten sie es, wenn es nicht etwa galt, vor den Busnes ihre Ge-danken zu verbergen. Gewiss sprachen sie auch ihr zigeunerischesWesen in spanischen Versen aus, indem sie höchstens ein und dasandere allgemein verständliche Calowort einmischten, etwa wie indieser Copla, von welcher Borrow und Demofilo zwei Fassungengewähren:

LXXV 169, 7Yo no camelo ser eray, No quiero escendo d'arai,Que es calo mi nacimicnto; Calo en mi nasiraiento,Yo no camelo ser eray, Sine que quiero yo seCon ser calo me contento. Como mi generaraiento.

Deblica barea.

Statt camelo wird des Metrums halber die andere Form camblozu setzen sein. So halte ich auch von einer ganz jitanesken Copladie spanische Fassung für die ursprüngliche:

LXIX Laf. 450, 5Un chibo los Cales Otras veces los jitanosHan gastado olibeas de seda, Gastaban media s de seda;

acana por sus desgracias ahora por su desgraciaGastan sacos con cadenas. Gastan grilles y cadenas.

(7, 9, 8, 8)

Wie erklären sich nun solche hinkende Caloübertragungenspanischer Strophen ? Wir gelangen hier an den Angelpunkt derganzen Erörterung; ich hole etwas weiter aus. Die Zigeuner habenin Spanien harte Anfechtungen durchzumachen und sich stets einersehr ungünstigen Bcurtheilung seitens der Alteinheimischen zu erfreuengehabt; aber nie haben sie eine derartige Stellung eingenommen,wie die Juden. Vor Allem erwies sich die Kirche ihnen gegen-über ziemlich duldsam, wie denn von jeher nicht sowohl dieGleichgültig-ungläubigen, als die Andersgläubigen verfolgt wordensind. Sodann wirkte, was in ihrem Sein und Thun Eigenthümlicheswar, nicht geradezu abstossend; man mochte sie als Diebe, Be-trüger und Vagabunden hassen, aber der geheimnissvolle, phan-tastische Schimmer, der sich um sie breitete, zog den poetischenSinn an. So schon in jener altern Zeit, als in der spanischenLittcratur der picareske Geschmack herrschte. Zunächst in Ver-brüderung mit dem unstäten und gefährlichsten Theile der Be-völkerung, dann auch als Ansässige in einer Menge friedlicherBeschäftigungen, die sie in die innigste Berührung mit den niedernSchichten brachten, glichen sich die indischen Herkömmlinge inallem Aeusserlichen rasch an die Romanen an, ja sie lebten sich sofest in das andalusische Volksthum ein, dass sie dazu gekommensind, fast als die besten Repräsentanten desselben zu gelten. So

Zc-itachr. f. rom. l'h. V. lg

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202 H. SCHUCHAKDT,

haben sie beispielsweise die Tracht der Andalusier länger gewahrtals diese selbst.1 Wenn sie in dieser Hinsicht die Lehre Darwin'sbestätigen, nach welcher sehr kluge Thiere die Farbe ihrer Um-gebung annehmen, so dass sie von derselben gar nicht zu unter-scheiden sind, so darf doch auch nicht übersehen werden, dassgewisse ursprüngliche Neigungen die Zigeuner mit den Andalusiernverbanden, wobei dahin gestellt sein mag, wie schwer in den letz-tern das maurische Element wiegt. Beide Stämme kultivirten lei-denschaftlich Musik und Gesang; beide neigten sich Prahlereienund Schelmereien zu, hatten Sinn für bunte, prächtige Kleidung,waren den Reitthieren in besonderem Grade zugethan. Daher istes begreiflich, dass schliesslich von den Zigeunern eine Rück-strömung ausging; auf ihre Andalusirung im Grossen folgte dieJitanisirung der Andalusier im Kleinen. Es entwickelte sich inneuerer Zeit, ich denke schon seit Karl III., eine ' a f ic ion ' fürdas Zigeunerthum, ein sportsmässiges Wohlgefallen an demselbenauch in den mittlern und höhern Kreisen, also denen, die nichtauf die Intimität der Zigeuner angewiesen waren. In Andalusien,wo die verschiedenen Gesellschaftsclassen sehr ungezwungen miteinander verkehren, wo Cavaliere den Umgang von Stierfechternsuchen, hat dies nichts Auffälliges. Vielfach knüpfte, wie sonst,auch hier das Pferd Bekanntschaften zwischen den Menschen. Someint Borrow, nirgends vielleicht habe die 'aficion' in höhererBlüthe gestanden als bei den Karthäusern von Jerez, welche sichmehr mit Pferdezucht als mit Theologie befassten. Wie äussertcsich nun diese 'aficion'? Die Sitten der Zigeuner waren ja imAllgemeinen ganz die der Andalusier, etwa von der Art abgesehenwie sie ihre Hochzeiten feierten. Es blieb nur zweierlei von Be-deutung übrig, was echt zigeunerisch war oder als solches galt undzugleich eine Förderung von ausserhalb zuliess: Musik und Sprache.Für Beides begeisterte man sich ausserordentlich. Ueber die Mus ikder spanischen Zigeuner fehlen leider noch, ich sage nicht gründliche,sondern nur orientirende Mittheilungen. Sie ist immer Vocalmusik— eben die der Cantes flamencos — und verzichtet in ihrenstrengsten Kundgebungen auf die Begleitung von Instrumenten.Wie bei den Wagnerischen Opern, wird man erst durch öfteresHören zur Würdigung derselben vordringen. Der erste Eindruckist der eines wilden Geschreis, bei dem das Wichtigste zu seinscheint, den Athem möglichst lange anzuhalten, und die Fremd-artigkeit dieses Eindrucks wird erhöht durch das zurückgeworfene

1 Borrow I 305 meint, die Zigeunerinnen unterschieden sich in der Trachtkaum von den Spanierinnen, abgesehen davon, dass sie keine Mantilla trügen(ich kann mich in der That auch nicht entsinnen, in Sevilla eine einzigeZigeunerin mit der Mantilla gesehen zu haben). Er fahrt fort: * Females offashion not unfrequently take pleasure in dressing a la Gitana, as it is called,but this female Gypsy fashion, like that of the men, is more properly thefashion of Andalusia, the principal characteristic of which is the saya, whichis exceedingly short, with many rows of flounces.'

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Dili CANTES FLAMENCOS. 20J

Haupt, die geschlossenen Augen und den zur Markirung und Ver-stärkung auf den Hoden niederfallenden Knüppel. Der traurigeCharakter, welcher dem flamenkischen Gesang inncwohnt und dersich theihveise zu einem ausserordentlichen Grade steigert, wird amBoston durch jene Anekdote veranschaulicht, welche Joso MariaSbarbi in der Enc. III 42 erzählt: 'Cuentase de un mozolejo an-daluz, que, hallandose en tierra extrana, dominado por el cansancio,

tal vez por la nostalgia, se tendio en el suelo, y se puso a ta-rarear en voz bastante baja, si bien no tanto que no pudiera serpercibida de los transeuntes, unas playeras o seguidillas jitanas, quepor ambos nombrcs es conocido este canto. Acertaron a pasarcerca de el unos caballeros, y pensando ostos que se hallaba aco-metido de alguna dolencia, le preguntaron que por quo se quejaba.Como no les hiciera caso el rapaz una ni otra vez, y condolidosaqucllos sujetos trataran de Icvantarlo, les dijo el mozo con notabledesonfado: "<: Que he de teuer, cuerpo de tal ? que estoy ensayandoaqui unas playeras de mi tierra, para que no se me olviden." Istdas nun eine wirklich zigeunerische Musik? Niemand hat es er-wiesen. Hier thäte ein vergleichendes Studium noth; ohne Weitereswird man z. B. kaum an die Musik der ungarischen Zigeuner er-innert werden. Andererseits sind Viele der Meinung, in diesemflamenkischen Gesang stecke eine maurische Hinterlassenschaft.So bezeichnet z. B. Gevaert (s. Ticknor Gesch. d. seh. Lit. in Sp.übers, von Julius II 504) als maurische Gesänge nicht nur dieFandangos, Malaguenas und Rondenas, sondern auch die Cafiasoder Playeras, also Cantos flamencos. Während eines kurzen Aufent-halts im Marokkanischen ist mir unter manchem öffentlichen LärmNichts in ähnlicher Manier zu Ohren gekommen, auch nicht unterden musikalischen Vorträgen in einem Cafo zu Tetuan, das michdurch seine steile Treppe hoffnungerweckend an das Cafo Silverio2U Sevilla erinnert hatte. Vielleicht geht es auch Ändern beibesserer Gelegenheit und besserem Gehör nicht besser. Die Haupt-sache wäre, die alte maurische Musik zu prüfen, für welche eskeineswegs an Quellen fehlt. Unter den Handschriften des ilscorialsbefinden sich drei diesbezügliche von grossetn Werthe, eine Samm-lung von Liedern, eine andere von tanzbaren Weisen mit choreo-graphischen Erklärungen und ein Werk über Composition, Gesang,Instrumente und Begleitung (Varela Silvari, 'Influencia que han tenidolos arabes on nuestra musica moderna' El Globo 16. Juni 1881). DieZigeuner könnten sich, wofür ja Analogieen vorhanden sind, in denAlleinbesitz des maurischen Gesanges l gebracht, ihn modificirt undentwickelt haben; die virtuose Ausbildung desselben würde immer-hin erst in die neuere Zeit fallen. So Hesse sich der Widerspruchbeseitigen, der in Demofilo's Worten (S. XVI) liegt: ' su origen[nämlich der C. fl.]f que muchos atribuyen a los moros, aunque nin-

1 Und vielleicht auch des maurischen Tanzes, obwohl ein Tanz alsromall, 'Zigcunertanz', bezeichnet wird.

18*

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204 H. SCHUCHARDT,

guno lo hacc anterior a la epoca cle tio Luis el de la Juliana,rey de cantadores, que florecio en el ultimo tercio del siglo pasado'.Wenn sich nun überhaupt die Passionen am stärksten und wirk-samsten auf musikalischem Gebiete zu entfalten pflegen, so hatgewiss die 'aficion' den wetteifernden Bestrebungen der 'cantaores'gewaltigen Vorschub geleistet.

Was die Sprache der Zigeuner anlangt, so waren es ursprüng-lich die Gauner, welche, aus rein praktischen Gründen, sich mitihrer Erlernung befassten; die heutige Germania besteht zum Unter-schied von der alten, grösstentheils aus Zigeunerwörtern. Wennferner in den grössern Städten — worüber mich besonders dieromaneske Mundart belehrt hat — das niedere Volk reichlichstaus der Gaunersprache zu schöpfen pflegt, so wird es um soweniger befremden, dass die Spanier den unter ihnen lebendenZigeunern manche Worte entlehnten. Und so stammt denn so-gar ein und das andere Wort, welches im Wörterbuch der Aka-demie steht, aus dem Zigeunerischen. Agustin de Rojas hat inseiner * Unterhaltsamen Reise' von 1602 einige merkwürdige Aus-drücke für Schauspieler und Schauspielertruppen (s. A. v. SchackGesch. d. dr. P. u. D. in Sp. I 258 ff.). Sie scheinen einer beson-dern Komödiantensprache anzugehören, für die, da sie in ihremCharakter der eigentlichen Gaunersprache verwandt war, das Zigeu-nerische gewiss keine entlegene Quelle bildete. Herkunft aus dem-selben möchte ich besonders bei zwei Wörtern vermuthen: buluhi,welches einen allein reisenden Schauspieler, und Haque, welchesdie Verbindung von zwei Schauspielern bezeichnete. Das erstereerinnert an die zahlreichen Adjectiva und Substantiva auf -alo, wiebalbalo, ' reich', chungalo, 'böse', mamisalo, 'tapfer', sunga/ , ' Ver-räther ' (vgl. u/u/o, 'ärgerlich', barba/ti, 'Arzt' u. s. w.); wegen derersten Silbe erinnere ich an bul, 'Hinterer', und das wohl davonabgeleitete bu/ , bulipen,_'Betrug', bulero, 'Betrüger' (*bulalo würdedasselbe bedeuten). Naque mag mit ilaquivar, 'binden', 'ver-knüpfen', zusammenhängen. Als aragonesisches Wort führt dasWtb. d. Ak. chulla, 'Speckschnitte', an (davon wieder das gemein-gebräuchliche chuleta, 'Kotelett', für älteres chnllcta]\ es kommt vonzig. cfiullo, 'fett' (s. Miklosich a. a. O. VIII 83, wo zu dem nord-span. teulolu, 'Thaler', aus Borrow das gleichbedeutende chulo,chnli hinzuzufügen ist). Auf zig. chiscar, 'spucken', (auch chismar\findet es sich in ändern zig. Mundarten?) scheint mir zurück-zugehen span, chisgucie (chisquefe), 'Spritzer', 'Sprutz' (von Milch,vom Durchfall), * Schluck' (Wein); chisgaravis 'ein Mensch der sichin Alles mengt', ist sicherlich eine Zusammensetzung, wie ital. spu-tasenno u. s. w., deren zweiter Theil aber noch der Aufhellung be-darf. Ein neueres spanisches Wort muss Ich, 'clumm', 'einfältig',sein; im Andalusischen ist dafür auch lila gebräuchlich; lililokommt Dem. OQ, 367 vor. Demofilo meint, dies lila sei dasselbeWort wie lila, welches einen Baum, eine Blume und eine Farbebedeute (Ma acepcion cn quc los andaluces cmplean la palabra

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DIE CANTES FLAMENCOS. 265

lila, parece estar tomada de la misma indeterminaeion del colorlila, que es poco encrgico, y hasta cierto punto iucoloro, si puedeadmilirse la palabra'). Das Wort ist zigeunerisch; s. MiklosichVll 43 f. In Griechenland dinitö, dilino, dinilo, in der Bukowinadito, in Ungarn und Böhmen dilino, in England dinilo u. s. w., inSpanien dinclo, ninclo, diWo, wozu das oben angeführte lililo (sojililo finde ich in einem Lustspiel) und aus Borrow und Quindalelilo nachzutragen sind. Auch sonst kommt es vor, dass ein Zigeu-nerwort für ein spanisches gehalten wird; so haben z. B. v. Sccken-dorff und Booch-Arkossy chaborm, 'junges Mädchen', ohne beigesetztes4rw.', camelar, 'lieben' als andal. Wort. Aber auch das Umgekehrtenehmen wir wahr; so glaubt Lafuente II 88 Anm., dass nicht nurjunccJ, sondern auch cnrsi und guasa aus der Zigeunersprache ent-nommen seien. Guasa ist ein gutes andalusisches Wort (der An-laut gua- findet sich im Calo nicht; das Wort guachedre bei Borrowwird der Germania angehören); cnrsi, 'emporgekommen', 'nichtganz echtfarbig', ist eine neue Erwerbung, über deren Herkunftich verschiedene wenig glaubliche Ansichten an Ort und Stellevernommen — es erinnert an unser in übertragenem Sinne ge-brauchtes Talmi. Demoiilo hält S. 6, Anm. i (mär) fario = (mala)sombra (vielmehr 'übler Geruch', wie 12, 55 zeigt) für ein Zigeuner-wort ; es ist echt andalusisch und entspricht dem port faro, ' Ge-ruch', 'Witterung1, 'Anschein'. Auch dass camelo, 'Täuschung', (darun camelo) vom zig. camelar, 'lieben', abgeleitet sei (Demofilo S. 31,Anm. 3), erscheint mir sehr zweifelhaft. Sollte dies nicht die veralteteForm von camcllo sein? Das Karneol gilt, wie bei uns, auch inPortugal (und in Spanien?) als Repräsentant der Dummheit, viel-leicht aber liegt das biblische 'Karneole verschlucken' zu Grunde.— Endlich regt sich überall auch in der bessern Gesellschaft, be-so; u lers der rnüssiggängerischen und sportliebenden, die Neigungzum Jargon, welcher in Andalusien das Calo als sehr erwünschtentgegenkam und so begann denn hier die jeunesse doree ihreGespräche mit chachipt und junca zu würzen. Diese Passion fürdas Calo nahm so übcrhand, dass sie eine eigene Litteratur insLeben rief, welche nach Borrow zu Anfang dieses Jahrh. ihrenIliuiptllor und in dein Karthäuserpater Manso ihren Hauptvertretorhatte und von der er uns u. d. T. 'Spurious gypsy poetry' Probengiebt. In dieses zweite Capitel hätte nun sicherlich Vieles aus demersten Capitel gehört, oder im Grunde genommen Alles. Borrowbemerkt, dass die von ihm veröffentlichten Lieder zum Theil solcheseien, 'as we have ourselves taken down, as soon as they originated,not unfrequently in the midst of a circle of these singular people,dancing and singing to their wild music'. Andere aber 'havebeen wafted over Spain amongst the Gypsy tribes and are evenfrequently repeated by the Spaniards themselves; at least, by thosewho affect to imitate the phraseology of the Gitanos' (II 8). DieseTheilnahme der 'aficionados' wird auch in folgender Strophe aus-gesprochen :

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206 H. SCHUCHAKDT,

J-af. 474, 3 Aunquc canto a lo jitano,No soy jitanillo, no,Pero de andar con jitanosEl canto se me pego.

Dem. 84, 11 hat dazu eine Variante:• ·

M' he criaito entre eyos,Me lira la inclinasion.

Aber sie war gewiss nicht bloss eine reproductive, sondernauch, und zwar im Wesentlichen, eine anregende. Die 'aficionados'begannen damit, Strophen in möglichst reinem Calo an den Tagzu (ordern, Uebersetzungen, Nachbildungen, Freidichtungen; dieserUrsprung der paar S. 259 f. von mir abgedruckten Strophen wird über-dies durch die Quelle verbürgt, aus der sie mir zukamen.1 Ueberdie * spurious Gypsy literature', die 'in den letzten fünfzig Jahren'(vor 1841) hervorgebracht wurde, sagt Borrow II 58: 'It is right,however, to observe that most of these compositions, with respectto language, are highly absurd, the greatest liberties being takenwith the words picked up amongst the Gitanos, of the true meaningof which, the writers, in many instances, seem to have been entirelyignorant/ Aehnlich drückt sich Francisco Quindale in der Vorredezu seinem 'Diceionario jitano' (Madrid 1867) aus: este ultimogenero pertenecen las paiabras espurias inventadas por los seuclo-literatos no jitanos, que tampoco hemos querido desechar en cstaprimera parte, pues preciso es darlas a conocer para entender las

1 Der letzte 'aficionado' von Sevilla, ein Uhrmacher mit dem SpitznamenCHindrlqui) theiltc mir sie mit. Er selbst war noch im Besitz eines reinenCalo, wie ich es bei den Zigeunern von Triana und Granada nicht zu ent-decken vermochte. Freilich hatte er sich zur Erlangung desselben auch litte-rarischer Hülfsmittcl bedient; ich glaube, er hatte die Us. des Luis Lobo,deren Borrow gedenkt (II 58), in den Händen gehabt; das Buch von Borrow,über den er sonst unterrichtet war, wird ihm schwerlich zu Gesicht gekommensein. Sein Calo war ihm zuletzt ein Schatz, mit dem er Nichts anzufangen wusste,nachdem ein anderer 'aficionado' (ein Schuster, wenn ich nicht irre), mit demer es im täglichen Umgang geredet hatte, gestorben war; er frischte es vormir wie eine liebe Jugcnderinnerung mit Freude und Eifer auf. — Ich willbei dieser Gelegenheit bemerken, dass sich meines Erachtens in Calo nocheine ziemliche Nachlese halten lässt. Zunächst habe ich viele Formen ver-nommen, die lautlich von denen meiner Hülfsmittel abweichen; so burquerar —aruquerar (sprechen), cami = catnbrt (schwanger; Miklosich a. a. O. VM 77hat zu khabni keine spanische Form), chenicro = chiriclo, choriclo (Huhn),ganti ·= gate (Hemd), lasayo ·=. nasalo (krank), moron = tnanro (Brod; vgl.engl. morrO) bei Vulcanius manron, span, auch, nach Pott II 441 wohl einDruckfehler, monro], pojana = pujitimi, pajunni, pajuinia (Floh), rendunde,arendunde =. refund!t rcdiindl (Kichererbse), yorl = chori (Mauleselin). Auchneue Wörter kamen mir vor, wie cha-pire (Schuh — wohl von chapin) juga-ripen (guapo), regaria (Wache), repona (Henne). — Zu den von Miklosichcitirten Quellen für das Calo ist nachzutragen: 'Vocabulario del dialecto jitanocon otra porcion de curiosidades, Valencia, imprenta y libreria de Jimeuo 1847'.Es ist spanisch-zigeunerisch, wie das von Enrique Trujillo Madrid 1844 (beiMiklosich irrigerweise 'Cruzillo'); es enthält ein paar Hundert spanischerWörter mehr, gibt aber weit weniger zigeunerische Synonyma, als dieses.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 267

rauchas composiciones que, aunque no todas bien comprendidaspor los jitanos, andan de boca en boca entre ellos, y las cantany entonan en sus fiestas y jaleos, asi como los dilettanti de lasclases elevadas tararean y recitan las Arias de las operas italianassin entender su letra ni sentido.'1 Wenn sich Borrow mehr aufKunstdichtungen wie 'Brijindope' (die Sündfluth) bezieht, so hatteQuindale hier vor Allem sangbare Lieder im Volksstyl vor Augenund es leuchtet ein, dass solche, deren Sprache nicht einmal denZigeunern recht verständlich war, keine wirkliche Lebensfähigkeitbesassen. Man liess also in der puristischen Strenge etwas nachund ging auf jene Stufe herab, für welche im Allgemeinen dieBorrow'schen Lieder als Beispiele dienen können; endlich, als die'aiicion' in Abnahme gerieth, wurde das Caloelement auf einMinimum gebracht und die CUisse dieser Strophen ist zahlreich inDemofilo's Sammlung, vereinzelt in der von Lafuente vertreten.Vielleicht meint man, hier werde eben nur die natürliche Sprachewiedergegeben, sei es der Zigeuner, die einige Wörter ihres altenIdioms beibehalten, sei es der Andalusier, die einige Wörter ausdem Calo sich angeeignet haben. Darüber kann natürlich nur einEinheimischer entscheiden, welcher weiss, welche Differenzen zwischender Sprechweise der Zigeuner und der der Caches bestehen, washierbei feste und integrirende Elemente, was wechselnde und zufälligesind, welche Veränderungen sich in diesem Sinne während derletzten Jahrzehnte vollzogen haben. Wie mir scheint, haben zwarmanche von den Calowörtern sich so gänzlich im Andalusischeneingebürgert, dass sie als fremdartig gar nicht mehr empfundenwerden2; im Allgemeinen aber geschieht das Einmischen vonsolchen in die Umgangssprache nicht ganz ohne Affectation, sichernicht unbewusst (so entspricht z. B. parnc', Mineros*, in dieserHinsicht etwa unserem 'Moos' für 'Geld') und hinterlässt innerhalbder Dichtung den Eindruck des Beabsichtigten, nicht selten desUebdangebrachten und Uebertriebenen. In den zahlreichen Volks-stücken, welche früher das Entzücken des andalusischen Publikumsausmachten und jetzt etwas in den Hintergrund getreten sind, findenwir die flamenkische Sprachiarbung nicht nur im Munde der Zigeuner,

1 Etwas abweichend äussert sich derselbe in der geschichtlichen Ein-leitung S. 47 über die schriftliche Circulation der unechten Zigeunerdichtungund die mündliche der echten. Von letzterer heisst es dort : x * Los jitanosespaftoles tienen su poesia peculiar improvisada al rasguear de sus guitarras,y reducida gencralmcnte a simples cuartetas, que, si no aparecen siempreirrcprochables por las ideas que expresan, es quizä porque se les aplica ciertaseveridad sin discernimiento de una moral mal entendida.' Quindalo istmeines AVissens selbst Zigeuner; sein Name bedeutet im Calo Mayo.

2 Dahin mag z.B. gehören: achararse, 'sich ärgern', estar acharado,'estar con disgusto, pero disgusto que tiene mas de pena concentrada que deira' Demofilo S. 43, Anm. i, welcher es richtig mit dem ug.jacharar, * brennen','verbrennen', 'erhitzen', identifizirt; das Wort jachare, 'Brand', kommt 15,74in dem übertragenen Sinne ' Qual', ' Kummer' vor. Nach dem Wörterbuch vonA. de C. (Barcelona 1851) heisst jacharado auch 'gewitzigt', 'behutsam'.

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208 H. SCHUCHARDT,

die begreiflicherweise hier sehr beliebt sind, und anderer Leute ausdem Volke, sondern auch im Munde von Personen, bei denenwir es nicht erwarteten. Ein einactiges Lustspiel von FranciscoGomez Sanchez 'La flor Malaguena' (tercera cd. Malaga 1861)zeigt uns einen Onkel, welcher ein 'castellano castizo' oder einnur wenig schlechteres redet, und eine Nichte, welche ihre Reden,auch ihre Monologe, mit Calowörtern, gleichwie mit Schönpfiäster-chen, verziert. Don Cosme ruft Sc. IV aus:

l Maldita tu jerigonza!Que no puedo comprenderUna palabra siquiera.Que quicre decir . . . lovicn,

Presqui, nanjance, chamca . . . ? l

<<Que idioma es esc, mujer?

Aurora erwiedert darauf:El lenguaje e la gracia:<Pus no lo chana sumeP

'El lenguaje de la gracia M Das Calo versieht also hier ganzdie Rolle, die anderswo dem Französischen zugetheilt wird. Uebri-gens greift die liebenswürdige Dame, ohne es zu wissen, auch zureigentlichen Germania; für 'haben* braucht sie nämlich das imflamenkischen Stil allerdings sehr gewöhnliche abillar (von habcr],während es im reinen Calo terelar heisst und hier abillar 'kommen'bedeutet. Dass überall die 'aficion' als letzte treibende Ursachedahinter steckt, wird gewiss nicht am Wenigsten durch die vielenVerstösse gegen den echtzigcunerischen Wortgebrauch dargethan,welche in den unmittelbaren Erzeugnissen jener Richtung vonBorrow und Quindale gerügt worden waren. So steht bei Dem.60, 316 puchar (fragen) für penar (sagen), 16, 78 chalao (gegangen)für charlao, gespr. cha\\lao (verrückt), 115, 60 merar (sterben) fürmarar (tödten), 152, n chorrc (hässlich) für chabore (Kind); dieschorrc PL chorrclcs scheint im Flamenkischen das richtige Wortganz verdrängt zu haben (s. Dem. 124, 100. 134, 148. 200, 61,andal. Lustspiele, den Cancionero Balmaseda's).

Ich glaube also nachgewiesen zu haben, dass die Cantes flamencosin keiner Weise als Entstellung einer alten, echten Zigeunerpoesie zubetrachten sind, sondern im Grunde als andalusische Poesie, welchezunächst in der Sprache eine gewisse Jitanisirung erfahren hat.Indem wir uns nun nach ändern zigeunerischen Elementen inihnen umsehen, werden wir im Voraus sagen, dass diese hier ent-weder nur zufällig erscheinen oder unter der Gunst der 'aficion'

1 Er entstellt die ihm ungeläufigen Wörter love, pesqul, najencia, chavca,von denen übrigens die Nichte vorher nur zwei gebraucht hatte. Das einedavon, hier öfter wiederkehrende, love, 'Geld', ist in den ändern Mundartender Zigeuner gewöhnlich, wird aber für die spanische sonst nicht belegt (fuas,'pesetas', hat Borrow).

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DIE CANTES FLAMENCOS. 20Q

eingeführt sind, also keineswegs wesentliche und ursprüngliche Merk-male bilden.

Der Raum, welcher dem Zigeuner leben innerhalb der Volks-dichtung überhaupt zukommt, ist vermittelst des erwähnten Ein-flusses innerhalb der Cantes flamencos möglichst erweitert worden.Ich muss aber in Erinnerung bringen, dass die äussern Sitten derZigeuner fast gänzlich mit denen der Andalusier zusammengefallensind. Anspielungen auf Eigcnthümliches sind nur ausnahmsweisemöglich, wie auf den von Borrow I 339 erwähnten Ilochzeitsgebrauchbei Dem. 107, 20. 117, 65 (beide 190,8 zusammengefasst). Ebend.89, 34 heisst es, dass die Zigeuner und Zigeunerinnen nicht eherihre Kleider ablegen, als bis sie zerrissen sind; ist das wirklich eineihnen eigene Gewohnheit? Wenn aber z. B. Demofilo von dementschieden zigeunerischen Charakter von 2, 6 spricht, wo die Ham-merschläge der Schmiede nachtönen', so liegt doch die Sache so,dass wir zunächst in dem Verfasser davon (ebenso wie von n 8,68. 119, 79. Laf. 233, 6) einen Schmied vermuthen (wie die 'tijeritas'von Laf. 434, i und die 'tijeras' von Dem. 153, 18 auf einen 'es-quilador' weisen); die Schmiede wiederum waren meistens Zigeuner.Der Zusammenhang also ist ein äusserlicher und zufälliger. DerZweifel an der Urheberschaft wird in einer Copla wie die folgendenatürlich ausgeschlossen:

Laf. 474, 2 Dale, muchacho, a la fragua,Que yo le dare al marlillo,Para ganarles el panA esos pobres jitanillos.

Und nur auf diesem Weg»;, nämlich durch die ausdrücklicheEinfügung der Bezeichnungen 'jitano' oder 'flamenco' wird unsin den meisten Eällen angedeutet, dass Zigeuner die redendenPersonen sind; die bestimmte Absicht lässt sich im grossen Ganzennicht verkennen. So häufig wird, wo Unbefangenheit herrscht, dieeigene Abstammung nicht betont. Wie käme ferner ein Zigeunerdazu, seine Geliebte als Zigeunerin anzureden (befremdlich erscheintbesonders das 'flamenca de Koma' bei Borrow LV1I. LVII1)? Eswaren du» Nichlzigeuner, welche sich eine Schöne als 'jitana' oder'flamenca' vorzustellen liebten, wie sie sie in frühern Jahrhundertenals 'pastora' oder 'zagala' besungen haben würden. Indem manaus einer 'serrana' (die uns übrigens auch in den C. fl. noch häufiggenug begegnen, so Dem. 27, 147. 39, 200. 52, 272. 273. 55, 288.

1 Steht dies aber ganz fest? Ist nicht vielmehr die betreffende Soleaaus den beiden letzten Versen einer Copla hervorgegangen, die ein Schiff-bauer (vgl. Dem. 157,38) gedichtet haben wird (Laf. 201,4; Varianten dazuDem. 92, 43. Cab. 307, 2) ? Man vergleiche:

Soy mas firme que un navio,Cuando lo estan caienando; \ Ay, probe corason mio!Mientras mas golpes le dan, Por mas gorpes que le doy,Mas firme se va quedando. Nunca se da por bensio.

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270 H. bCHUCHAKDT,

67,356. 68,365) eine < flamcnca' machte (z. B. Dein. 1,2 = Laf. 113, 2),drückte man einer Copla ein ilamenkisches Gepräge auf. Und umder * Zigeunerinnen* willen wurde man selbst zum 'Zigeuner':

Dem. 27, 149 Flamcnca, tendrds prescnteLo ßamenquiyo que he sio,Chiquiya, para quererte.

Nur ausnahmsweise wird der Stammesunterschied von der einenoder der ändern Seite betont, so:

Dem. 17, 85 Discs que soy mar gachoSiendo yo mas jitaniyoOuc las cosliyas e Dios.

ebd. 58, 307 Tu jitana y yo gacho . . .Uebrigens wird auch Zigeunerisches vom nichtzigeunerischen

Standpunkt aus betrachtet. Es ist, mit Varianten, eine Anekdoteim Umlauf des Inhalts, ein Zigeuner habe gebeichtet, einen Strickgestohlen zu haben, und dann hinzugefügt, an dem Strick seieneinige Maulthiere angebunden gewesen; darauf zielen hin:

Laf. 450, 5 Dem. 39, 198- - Jitano, £ por quo vas preso ? Me fartaron los testigos:— Scnor, por cosa ninguna. Sefto, yo no la lie robao;Porquc lie cogido un ramal Eya se bino conmigo.

detras vino una mula.So ruft bei Borrow ein Schwein dem Zigeuner zu, er möge es

stehlen:IX

Por aquel luchipcn abajoAbillela un balichoro,Abillcla a goli goli:Ustilamc, caloro.

(Vgl. auch den nachher zu erwähnenden Cancionero Balma-seda's 89, 15. 16. 17).

Dass in Dem. 104, 10. 105, n los monies e Armenia . . . .'eine Anspielung auf die armenische Herkunft der Zigeuner liege,kann ich nicht glauben, es müsste denn die 'aficion' hier ihrMeisterstück fertig gebracht haben. Zuweilen leben zigeunerischePersönlichkeiten von Ruf, Sänger oder Verbrecher, in den Lie-dern fort. Hingegen kommen auch geschichtliche Reminiseenzcnvor, bei denen eine Vermittclung durch die Zigeuner keine be-sondere Wahrscheinlichkeit für sich hat, so an. die Freiheitskämpfeunter Ferdinand VII. (Dem. 105, 13. 106, 19. uo, 37. 114, 55).Unzigeunerisch, weil alterthümlich, erscheinen mir die Coplas, welcheder Christensklaverei in Afrika gedenken, wie 85, 14. 114, 54 (beidein den beiden letzten Versen inhaltlich übereinstimmend). 118,69.119, 78; um so mehr, wenn die Zigeuner wirklich mit den Maurengemeinsames Spiel machten und die alte Beschuldigung der SpanierMlevan niftos hurtados ä Berberia' eine begründete ist (s. Borrow I107 ff.). Eine Anspielung auf die Sklaverei findet sich auch:

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DIK CANTES FLAMIiNCOS. 2 J I

Dem. 46, 234 For dinero no lo jagas;Yebame a una jerreria

ochame un jierro en la cara;deutlicher ist:

Laf. 443, 6 Si hubiera alguno en el mundoQue la libertad me diera,Me ecbara un hierro en la cara

esclavito suyo fuera.Auch z. B. Dem. 74, 390, wo von der Inquisition mit Ehr-

erbietung die Rede ist, dürfte von einem 'cristiano rancio' her-rühren. Aber zum grössten Theil ist der Inhalt der C. 11. indifferent,d. h. enthält keine Merkmale, die bestimmt entweder auf einenzigeunerischen oder auf einen nichtzigeunerischen Ursprung hin-wiesen.

Demolilo Rev. de Sev. II 475 nennt die C. fl. 'jitanos en suespiritu, y acaso en sus construcciones, y andaluces en su formaexterior.' Ich wünschte, er hätte diese Behauptung erläutert. Sprichtsich in den C. 11. das Temperament und das Gemüt h desZigeuners aus? Man nimmt an, dass die über sie ausgebreiteteschwermüthige Stimmung sie charakterisirt. Werden aber nichtauch bei einem im Ganzen heitern Volke, wie die Andalusiersind, erlittenes Unglück und begangene Verbrechen stürmische unddüstere Klänge hervorrufen müssen ? Sollen beispielsweise dieLieder der andalusischen Gefangenen fröhlicher ertönen, als dieihrer sicilianischen Schicksalsgenossen? Die Zigeuner mögen nunverschuldet oder unverschuldet mehr als Andere die trübe Seite desLebens kennen lernen und veranlasst sein dieselbe darzustellen.Wenn man aber auch einen starken Zug zum Wild-traurigen, denman in ihrem Naturell entdeckt!, dabei mitwirken lassen will, soscheint mir dieser vor Allem in der Musik zum Ausdruck zu kommen,die ihrerseits aus der gesammten Volksdichtung alles Gleichartigean sich zieht und sich verbindet. Ob sich etwa in den C. fl. dieAnhänglichkeit des Zigeuners an Stamm und Familie verräth, daswerde ich später zu beantworten suchen.

Der Nachweis, class die C. fl. eine eigenthümliche zigeunerischePhan ta s i e durchdringt, wird, da sich dieselbe in ungebundenemZustande unserer Betrachtung fast gänzlich entzieht, bei dem Mangelechtzigeunerischer, unbeeinflusster Dichtungen kaum zu führen sein.Wir werden uns vielmehr vom Gegentheil überzeugen, wennwir wahrnehmen, dass der poetische Stil der C. fl. in keinemwesentlichen Puncte von der sonstigen Volksdichtung abweicht. Vonder nähern Darlegung dieser Thatsache muss ich zu meinem Be-dauern hier abstehen; sie hat nur in dem weiten Rahmen einer

1 Man beachte besonders die von Borrow I 309 übersetzte Stelle auseinem spanischen Buch, wo es von dem Zigeuner heisst: One might almostsay that joy in him is a forced sentiment, and that, like unto the savage man,sadness is the dominant feature of his physiognomy.'

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272 H. SCHÜCHAKDT,

Betrachtung Platz, die sich über die gesammte andalusisclie Volks-dichtung erstreckt. Ks ist wahr, die Soleares haben nicht seltenetwas Dunkles und Unabgeschlossenes; bald \vird uns ein Bildvorgeführt, das uns mehr die psychologische Wirkung, als dieThatsache selbst andeutet (z. B. 2, 4. 24, 129. 47, 241), bald er-halten wir ein losgebrochenes Stück einer Geschichte, deren Er-gänzung die Phantasie eines Dichters reizen muss (z. B. i, i. 2, 5.13,65. 26,145). Diesen Umstand lasse ich aber nicht als einen wirklichcharakteristischen gelten; er findet sich auch bei dem italienischenRitornell und erklärt sich in beiden Fällen daraus, dass in derDreizeile der Gedanke sich stärker zusammendrängen muss, auchgeradezu eine vierte Zeile unterdrückt oder verschwiegen wird.

Vielleicht wird man gegen die vorhergehenden Ausführungenein Generalargument vorbringen, indem man hervorhebt, dass dieZigeuner ja seit langer Zeit die C. fl. nicht nur vortragen, sondernauch beständig erneuern und vermehren,' ja dass wie DemofiloS. 131 auf die Autorität Juanelo's von Jerez hin behauptet, es fürJemanden, der Geld, Zeit und Mühe nicht scheute, möglich wäre,zu jeder der jetzt üblichen Strophen den Autor ausfindig zu machen(so führt er selbst sie zu 50, 262. 51, 263. 108, 26. 29. 109, 31.110,35. US» 57· "8,68. "9,75- 123,94. 124,98.100. 136,159.138, 169 an), obwohl die S. XIII mitgetheilten Betrachtungen dieAuthenticität solcher Ermittelungen sehr in Frage stellen. Manwird die Erwartung aussprechen, es sei den C. fl. im Laufe derZeit ein ganz zigeunerisches Gepräge aufgedrückt worden. Zunächstwäre darauf zu erwiedern, dass soviel wir eben an den Liedernselbst erkennen, und sowie es in der Volksdichtung überhaupt zugeschehen pflegt (vgl. was ich Ritornell und Terzine S. 114 gesagthabe), im grossen Ganzen tausende von Fäden nur fortgesponnenund durcheinander geschlagen sind.1 Hauptsächlich aber möchteich zu bedenken geben, ob an dem, was Schön-originales sich indem unter Zigeunerhänden entstandenen Zuwachs vorfindet, nichtmehr das andalusische, als das zigeunerische Element in ihren Ver-fassern Anthcil hat. Allerdings unterscheiden sich selbst die civili-sirtesten Zigeuner nicht nur im körperlichen, sondern auch imgeistigem Habitus von den Spaniern, aber das wird gewiss mehr imHandel und Wandel, als in den dichterischen Ergüssen zu Tage treten.

Wenn wir nun das Zigeunerische ~in den C. fl. als scheinbaroder zufällig oder äusserlich erkennen, so werden wir zu der An-nahme geführt, dass diese Lieder durch keine in ihnen selbst ent-haltenen Kennzeichen verbunden sind. Wollen wir eine Definitionvon ihnen aufstellen, so müssen wir das Gemeinsame ausser ihnensuchen. Die C. fl. sind Lieder, welche in flamenkischer Musik vor-getragen werden. Diese besitzt allerdings einen ausgesprochenen

1 Bei dem beständigen Modificiren der von Mund zu Mund gehendenStrophen ist mir nur auffällig, mit welcher Zähigkeit manche 'cantaores' nichtbloss am Worte, sondern sogar am Buchstaben festhalten.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 273

Charakter — und zwar, wie wir gesehen haben, einen schwer-müthigen — und verlangt in jenen einen analogen; aber die Ab-hängigkeit ist keine absolute. Bei Demofilo werden wir einigeheitere und sogar scherzhafte Lieder finden; umgekehrt gibt estraurige, die nicht in flamenkischer Manier gesungen werden, undendlich solche, die sowohl diese wie eine andere zulassen, sodassauch die Musik keine Trennung mehr bewirkt. Allein dies stehtmit der Verschiedenheit der Dichtungsmaasse in Verbindung, vonder erst später die Rede sein wird. Für jetzt muss noch die eineFrage erledigt werden: ist die flamenkische Musik selbst strengbegränzt? Es wundert mich, dass Demofilo die Petenera hierher-zieht, welche mir durchaus unflamenkisch vorkommt. Auch istdiese Weise keineswegs ein Sondergut der 'cantaores'; sondern alleWelt singt sie, sogar vornehme Damen am Ciavier und Sängerinnenguter Bühnen in den Zwischenacten. Mit der Anmerkung, welcheDemofilo S. 171 f. gibt, bin ich nicht ganz einverstanden. Ob eineflamenkische Melodie 'tan picaramente' gesungen werden kann,dass sie eine vollständig andere, *un punto de la Habana', zu seinscheint, das vermag ich freilich nicht zu beurtheilen. Von derHabana als Wiege der Petenera spricht die Copla:

Dem. 173, 6 En la Habana nasi yoDebajo de una parmera,Ayi me echaron el aguaCantando la petenera.

Auch hörte ich einmal, dass eine alte Dame, die jenseits desOceans geboren war, sich, als die Petenera in Andalusien beliebtwurde, entsann dieselbe schon in ihrer Kindheit vernommen zu haben.Demofilo sagt: 'Las petencras no han estado de moda on Sevillahasta el aflo de 1879.' Als ich im März 1879 nach Sevilla kam,war die Petenera dort schon etwas Gewöhnliches; in Granada schiensie mir während dieses Sommers mit besonderem Eifer cultivirt zuwerden, wodurch sie sich in der That als etwas frisch Aufgebrachteskennzeichnete. Uebrigens war sie in Andalusien schon längst be-kannt ; Serafin Estobanez Caldcron spricht in seinem interessantenBuche 'Escenas andaluzas por el Solitario' (Madrid 1847) S. 271 t.von 'cicrtas coplillas a quienes los aficionados Hainan pertencras!Aus dieser Stelle hätte Demofilo ersehen können, dass per teuer a (wieich auch anderswo gefunden habe) die ursprüngliche Form ist; derWegfall des ersten r befremdet in andalusischcr Sprechweise nicht.Ich vermag zwar keine triftige Etymologie des \Vortes zu geben,halte aber jedenfalls die beiden Sängerinnen Patenicra (von einemOrte Paterna de Rivera) und Soledad, nach welchen die Peteneraund die Solea benannt sein sollen, für sagenhaft eponymische Per-sönlichkeiten (die Sänger, auf deren Autorität sich Demofilo hierbeistützt, haben ja sogar einen Sänger Deb/a erfunden, über den aucher sich S. 167 skeptisch äussert). Man lasse sich nicht etwa ver-leiten, die drei ersten Peteneras bei Demofilo als Zeugen für die

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274 H. SCHUCHAKDT,

Existenz einer Person Petenera anzuführen; man hat vielmehr dieMelodie, welche alle Welt entzückt, personificirt. Zu i:

Quicn te puso peteneraNo tc supo poner nombre . . .

vergleiche:Laf. 97, i Quien te dio por nombre Paca

No te supo poner iiombre . . .

Es ist wahr, class Petcneras auch unter den Coplas ilamencasvon Balmascda figuriren und unter den Cantos jitanos der Musikhefte(hier jedoch sogar die Malaguenas und Seguidillas, die diese Be-zeichnung auf keinen Fall verdienen). Demofilo S. XV bemerkt, dassvon einigen Sängern 'una serie de tonaillas llamadas alcgrias yjugue/illos' in den Cante flamenco einbegriffen würden, nach seinerMeinung mit Unrecht. Auch seine weitere Auslassung zeigt uns,dass wenigstens in unserer Zeit die Gränze des flamenkischen Ge-sanges eine etwas schwankende ist. Die beiden Hauptweisen des-selben sind nun die Soleä und die Play era. Die So lea hat nicht, wieschon gesagt, ihren Namen von einer Sängerin Soledad, sondern vondem Dichtungsmaass, welches sie begleitet, der Dreizeile (s. u. S. 279).Früher pflegte die Weise eine lebhaftere und tanzbare (Dem. Enc. III341. 344. 380), der jaleo, zu sein (nur mit einer Verschiedenheitdes Tempos? 'se entonan con mas rapidos y animados compasesy se pueden acorapanar con el baue'), der Text dazu heiter oderleicht melancholisch und man nannte daher die Dreizeilen undnennt sie auch noch coplas de jaleo. Als solche dürfen wir, da inihnen der Name selbst vorkommt, besonders die folgenden beiDemofilo betrachten:

14, 66 Con er jaleo y el öleLas muchachas de hoy en diaSe lo isen a los hombres.

21, 118 Er jaleiyo de Utrcra:Er quc no tienc camisaSc cscusa c labandera.

29» i 56 Jaleo y mbsja/eo:Bicndo que tu no bcnias,Eche una carta ar correo.

Eine allgemeine Charakteristik der Solca gibt Demofilo Enc. III369: 'Las soledades que son alegrias respecto al canto jitano, ytristezas respecto al andaluz, forman por decirlo asi el primer gradode esa escala de aires y cantares conocidos genera I mente con elnombre de cantes flamencos? Es gibt, wie mir ein 'cantaor', dermich in allen diesen Dingen unterrichtete, durch Beispiele erläuterte,verschiedene Varietäten der Solea, was damit zusammenhängt, dasssie sich nicht bloss mit Dreizeilen, sondern auch mit Dritthalbzeilenund Vierzeilen verbindet. Die charakteristische und angesehensteWeise des flamenkischen Gesanges ist die P lay er a oder Scgui-di l la j i t ana (über beide Namen s. u. S. 290); Sbarbi Enc. 111 43 sieht

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DIE CANTES FLAMENCOS. 275

die Ursachen ihrer magischen Wirkung vorzugsweise in Mo senti-mental de su tonalidad en modo menor, junto con la terrainacionde las cläusulas en la 4* inferior; la vaguedad o ausencia casiabsoluta de su ritmo; el estrecho circulo en que modula su canto,lo cual comunica cierto aire monotono a su mclodia/ Sie wirdin einem Athem (jipio Dem. S. XI, von h/par) gesungen; man solldanach tanzen können, doch geschieht das meistens nicht. Altund wenig gebräuchlich sind der martinete (Hamraergesang) oderdie carcelaria (Ma musica es sencilla, acompasada y monotona, peromuy sentimental y, al parecer, de un caracter muy priinitivo' Dem.S. XIV), die fand, die liviana und die debla (Uebergang aus dereinen Weise in die andere). Alle diese haben keine Guitarre- undund Tanzbegleitung. Durch Texte sind in dem Buche Demofilosauch noch der polo und die uina vertreten, über die nichts Näheresmitgetheilt wird. Von den Canas, die er übrigens mit den Playerasidentificirt, sagt Gevaert (s. oben S. 263): 'Sie haben einen sehrunbestimmten Rhythmus. Sie beginnen immer mit einer hohenNote, die der Sänger nach Belieben aushält; alle Phrasen sind ab-steigend und mit einer Menge kleiner Noten und Triller verbrämt, dieder Sänger aushält, so lange er Athem hat; denn er darf der Ueber-lieferung nach vor Knde des Satzes keinen Athem schöpfen/ Ausser-dem gibt es noch verschiedene andere flamenkische Weisen, wie diepolicaftdj die tirana, den pajarillo, den panadero, den calesero.

Für die sinnliche Wahrnehmung verschmilzt Musik und Textzu völliger Einheit!; die kritische Betrachtung hat Beides zu son-dern. Schon in den allgemeinen Bemerkungen, welche Demofilovoranschickt, vermisse ich einigermassen diese Sonderung; so wardeutlich auszusprechen, inwieweit von der mehrfach hervorgehobenenMischung des zigeunerischen und des andalusischen Elementes dasMusikalische, inwieweit das Dichterische betroffen wird. Da nunferner Dernofilo's Buch nur Texte, nicht auch Melodieen enthält,also im Grunde das Musikalische ausschliesst, so durfte letzteresauch keinen bestimmenden Einiluss auf die Anordnung gewinnen.Er selbst hat das ganz wohl gefühlt, indem er S. 141 sagt: -gunos han de censurarnos soveramente como defecto capitalisimode este libro, el que hayamos formado en 61 secciones separadaspara las coplas de polos y catlas y para las lonas y liviams y lassoleares, no siendo ostas verdaderas formas distintas de la poesiapopulär andaluza, sino solo distintos aires musicales.' Er suchtsein Gewissen mit Gründen zu beschwichtigen, die ich nicht fürausreichend halte. Es mag sein, dass die Sänger für die eineCopla an dieser, für die andere an jener Weise festhalten undzwar mit ausserordentlicher Starrköpfigkeit; allein diesem Umstanddarf nicht mehr Gewicht beigelegt werden, als er verdient, und

1 Daher der Uebelstand, dem auch ich mich nicht ganz zu entziehenvermag, dass für Text und Musik grossentheils eine gemeinschaftliche Ter-minologie gilt.

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276 H. SCHUCHARDT,

ausserdem folgen doch eine Menge von Strophen unterschiedslosder einen und der ändern Weise *, sodass eine Eintheilung desganzen Stoßes nach musikalischen Principien nicht durchzuführenwäre. Meines Erachtens würde das Buch am Besten in zwei Hälftenzerfallen sein: l. Lieder, die schon äusserlich d. h. durch ihr Maassan flamenkische Weisen gebunden sind: die Soleares und diePlayeras, 2. eine nach dem Inhalt geordnete Auswahl von Coplas,unter deren jeder ein paar Buchstaben angeben, nach welcher odernach welchen Weisen sie gesungen zu werden pflegt. — Ich wendemich nun der nähern Betrachtung der im flamenkischen Gesangverwendeten Dichtungsmaasse zu.

Die Vie r z eile ist fast überall in Europa die Grundform deslyrischen Volksliedes, so auch in Spanien und zwar tritt sie hierals Copla von achtsilbigen Versen auf, deren geradzahlige asso-niren. Ich verstehe unter * Copla' schlechtweg immer diese Eorm.Zusammenhängende Coplas heissen irovos (über diese s. RodriguezMarin Enc. IV 267 ff. 298 ff. 336 ff.). Sie sind in den martinetesbeliebt (Dem. 147, i. 149, 3. 5. 150, 6. 7). Sehr gern wird dannder letzte Vers der einen Strophe, zuweilen mit einer kleinen Ver-änderung, als erster der folgenden wiederholt (tnart. Dem. 148, 2.149, 4 (3). tonas y livianas 164, 8 (3). 165, 13. polos y canas 185, 5.186, i i . 188, 2 (3); so auch Laf. 210, 3. 4. — 5. 6. 242, 4. 5); auchder vorletzte (polos y cahas Dem. 185, 6).

Ganz äusserlich ist die Verbindung zwischen Weise und Maassinnerhalb des Liedes nicht; das letztere muss immer der erstemangepasst werden, nur geschieht dies meistens ohne wesentlicheVeränderung seiner Elemente. Der musikalische Rhythmus entfaltetsich jedenfalls in den Silben; wie aber Silben wiederholt werden,so dann Worte, wie Worte, schliesslich auch Verse. Dieses ist, inverschiedenen Stufen, das erste Stadium der Anpassung, wobei derText selbst nicht erweitert wird. So wird in der Malaguefia, derRondefia, dem Eandango u. s. w. (s. Lafuente I S. XVIII), auch inverschiedenen flamenkischen Weisen (s. Gevacrt a. a. O.), aus derVicrzeile eine Sechszeile: i, i, 2, 3, 4, i. Ein zweites Stadium wirddurch die Hinzufügung eines stehenden Verses oder Verstheilesgekennzeichnet, welcher eine ganz allgemeine oder dunkle Beziehungzum Ganzen hat. Auf der niedersten Stufe ist er an sich nochdunkel; er stellt als Interjection den Uebergang der Musik zurSprache dar. Gewöhnlich tritt er an das Ende des Liedes oderder Strophe und gilt dann als Refrain, seltener findet er sich zuAnfang, wobei aber eigentlich nur der Schlussvers vorausgenommenist. So wird in den Deblas den vier Achtsilbern ein Sechssilberhinzugefügt: deblica barea. Diese Worte sind hispanisirtes Calo;

1 S. 168 sagt Dcmofilo: 'Las letras de martinetes pueden cantarsc comodeblast y al contrario/ Und so heisst es von debla 3, sie könne als liviana,von 7, sie könne als tond, von 8 und 9, sie könnten als martinetes gesungenwerden.

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DIR CANTES FLAMtNCOS. 277

t/Mi bar i bedeutet 'grosso Göttin' und geht meines Krachtens aufdie heilige Jungfrau, welche sonst debla Temeata oder debla Ostelindaheisst. Darca für bari, unmittelbar vom Masc. bare mit der span.Endung -a abgeleitet, findet sieh auch sonst, so la cangri majaribarca Borrow II * I 2 2 ; chavici für chart kommt häufig vor (s. PottII 182 u. ob. S. 268; vgl. las calotrca (für -ias) Dem. 155, 27. 159, 48).Die Erklärungen der 'cantaores* = mirala oder = una mentirasind gänzlich aus der Luft gegriffen und zeigen zugleich, wie esmit ihren Kenntnissen im Calo bestellt ist. Ein Sänger, PabloMorillo, ersetzt diese dunkeln Worte durch die nicht viel klareren:Cuantos mucrtos ienga (Dem. 169, 6). — Einen vierzeiligen Estribillovon Sechssilbern finden wir in Studentenliedern:

Cab. 313, 3 Anda vida mia,Abre la ventana,Mira quo lucidaLlevo la sotana.

ebd. 315, 4 Anda, vida mia,Subete a la torre,Mira la veleta

el viento que corre.

\ Ueber dreizeilige Estribillos s. S. 297 ff. — Zuweilen werden auchein oder zwei Verse in der Mitte eingeschoben, wobei denn der-selbe Vers unmittelbar voraufzugehen und zu folgen pflegt (vgl.Tigri Canti popolari toscani 2XLVII). Die Petenera hat nach demdritten Vers einen solchen Schaltvers, der gewöhnlich: jnffia de micorazon! und bei traurigem Texte auch jsolea triste de mi! /solea,av! ay! ay! /soleay mas so/cd! lautet. Dadurch wächst die Coplaauf neun Verse an: 2 3 A 3 4 i 2 (Demofilo stellt sie nur alsi 2 3 A 3 4 dar). Indem in diesen Fällen der oder die einge-schalteten Verse schon cinigcrmassen variiren, findet ein Uebergangzum dritten Stadium statt; hier erscheinen die wiederholten Versedurch neue, die stehenden hinzugefügten durch solche, die nachdem Zusammenhang wechseln, ersetzt. Da haben wir denn wirk-lich neue Maasse. Solche Neuerungen treten oft nur zufällig undsporadisch auf; so hat die Scchszcilc, die sich auf der musikalischenGrundlage leicht entwickeln konnte, keine Verbreitung und Ein-bürgerung in der andalusischen Volksdichtung gefunden, währendsie bekanntlich in Italien eine regelrechte Form ist. S. Borrow XX11I(a b a b c b). Dem. 159, 48 (märt. — a b a b a b; die beiden letztenVerse scheinen hinzugefügt zu sein). Enc. IV 239 (sae/a —ab c d e d\ Folgende Petenera habe ich gehört:

jAy solea, soled!j Ay solea, soleä!jSolea triste de mi!No tengo padre ni madre,

jNiila de mi corazon!No tengo padre ni madre,

ZeiUchr. f. roui. Ph. V. IQ

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278 H. SCHUCHAKDT,

Ni quicn se acuerdc de mi.Hasta la cama aoudc ducrmoTiene lastima de mi.

Hier sind aber nicht die beiden letzten Verse, sondern diebeiden ersten hinzugetreten, wie sich auch aus ihren Worten — essind Schaltverse — ergibt. Jene sind der Anfang einer Copla(Laf. 298, i, eine Variante Cab. 231, 2). Ziemlich häufig hingegen— wenn auch immer nur als Abart der Vierzeile zu betrachten —erscheint die Fünfzeile; offenbar bestand das Bedürfniss, wenigstenseinen Vers zu wiederholen, wo die Musik sechs Phrasen verlangt. Indiesen Quintillas assoniren auch die ungeradzahligen Verse (it b a b a)l;so Laf. 63, 4. 199, 2. 3. 356, 2. 392, 4. (sae/as) Enc. IV 239, i. 3. 4.240, i. (ma/aguefld) Dem. S. 132 Anm. Trovos aus solchen sindnicht ungewöhnlich; auf fliegenden Blättern habe ich deren zu vierStrophen in der Form von Glosas gefunden. Die Form abcdc:(sae/a) Enc. IV 239, 2 ; aabc b: ((/ebla) Dem. 168, 2 ; a b a b b:Borrow XXXI; ab ebb: ebend. LXXX1I; a bebe: ebend. LXXX VII.Zuweilen erscheint, was in den vorhergehenden Beispielen unmög-lich ist anzunehmen, der letzte Vers als angeflickt; so in den beidenCoplas (ii b a b a) Enc. IV 338 -, worauf Rodriguez Marin ausdrück-lich hinweist. Nicht immer aber passt, was er von einer solchenErweiterung einer Copla sagt: 'verso casi siempre de mal gusto,postizo A todas luces y que afea a la copla, lejos de avalorarla yembellecerla.' Ein scherzhaftes unerwartetes Anhängsel:

Laf. 447, 4 La pucrta del calabozoLa siento abrir y cerrar;A voces llamo al llavero,Porque quiero confesar . . .Rubita lo que te quiero.

In ganz ähnlicher Weise ist aus der Vierzeile Laf. 217, 6 eineFünfzeile Borrow LXXXVII geworden (s. oben S. 257)^ Der Schluss-

1 Die Kunstdichtung hat diese Assonanz innerhalb der Vierzeile ver-pönt; in der Volksdichtung ist sie ungcmcin häufig, z. B. Laf. 193, i, 2.194, 6. 195, i. 196, 3. 198, 7.

'-1 Die erstcre hörte ich als Malaguefta mit der Variante 3, 4:Salto del pino una pastillaY nie dio en el corazon

statt :Del tronco salto una astilla,Sc clavo en mi corazon.

3 Eine solche plötzliche Wendung in's Heitere ist auch sonst nichtselten, z. B.:

Dem. 16, 79 Chiquiya, beute conmigo;Que no te fartarä naa . . .Para andar en cueros bibos.

Vgl. hierzu Laf. 408, i.Dem. 19, Der sielo me caiga un rayo . . .

De los que van a la ilesiaDe catorse a quiiise aüos.

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DIE CANTES FLAMKNCOS. 279

vers muss immer assoniren; doch habe ich diese Quintilla (diemetrisch etwas hinkt) gehört:

El hilo de coserHa de ser fino y parejoY el hombrc de casarDebe mudar el pellejoComo San Bartolomo.

Die beiden letzten Verse ('Hasta mudar ') stehen Laf. 204, 6.Von selbständigen ilamenkischen Dichtungsmaassen ist nun:i. die achtsilbige Dreizei le mit der Reimstellung aba zu

nennen. Von der Form abb, welche schon in der altern spanischenLitteratur vorkommt (s. Joaquin Costa, ' Poesia popular espafiola ymitologia y literatura celto-hispanas', Madrid 1881 S. 456) und auchder spanischen Volksdichtung nicht ganz fremd ist (vgl. z. B. dieSacta Enc. IV 136, 2), sehe ich hier ab; es liegt keineswegs aufder Hand, dass sie Zusammenhang mit der ändern hat. Die Drei-zeile aba heisst So lea und zwar muss ich hinzusetzen: i. e. S., da"Demofilo auch soleares de cualro versos hat, obwohl hier das Worteigentlich in musikalischem Sinne steht (Vierzeilen nach der Weiseder solea gesungen). Soledad bedeutet kummervolle, verliebte, sehn-süchtige Einsamkeit und Ferne und sodann ein in solcher Stimmungerzeugtes Gedicht. Schon seit Jahrhunderten haben die spanischeund die portugiesische Litteratur ihre soledades und saudades. Nochneuerdings hat z. B. Eusebio Blasco Gedichte, die allerdings sehrverschieden in Form und Inhalt sind, unter diesem Titel heraus-gegeben. Augusto Ferran y Fornies überschrieb seine in volks-thümlichem Stil gehaltenen Lieder: La Soledad und dabei schwebtenihm natürlich nicht die soltdades des Gongora vor, sondern jenesokdad, welche Gustavo Becquer in seinem Prologo zu dieserSammlung als 'el cantar favorito del pueblo en mi Andalucia' be-zeichnet. Hier ist übrigens auch der musikalische Sinn des Wortesmassgebend; denn die cantarcs Ferran's haben die Form gewöhn-licher Coplas. Dass nämlich das Wort nicht etwa erst in jüngsterZeit auf die Dreizeile angewandt worden ist, lässt mich u. A. jenegalizische Dreizeile (Romania VI 64, 108) vermuthen, welche lautet:

Campanas de Bastabales,Cando vos oyo tocar,Morrome de soledades.*

Von der soledad ist in der spanischen Volksdichtung nichtselten die Rede, wenn auch die Spanier weit davon entfernt sind,

ebend. 97, 6l Tengo de ti mir agrabios,Y te he de mandar prende . . .En la carse e mis brasos,Que en otra no puee se.

1 Statt dieser Form, welche auch das 'Diccionario gallego' von JuanCuveiro Piflol (Barcelona 1876) bietet, finden wir in einer galizischen Copla(a. a. O. 59, 28) die altportugiesische:

Soidades danme os campos . . .

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28 . SCHUCHARDT,

dies Wort so verschwenderisch zu gebrauchen, wie die Portugiesenihr saudade. Vgl.:

Laf. 94, 3. 309, I En la soledad del campo . . .287, 3 Sola soy, sola naci,

Sola me pario mi niadre,Sola tengo de morir,jLa Soledad me acompafic!

307, 2 Una so/fdad deseo . . .310, 5 La solcdad me acompafia . . .

Dem. 106, 17 Ar campilo soloMe boy a yora;

Como tengo ycnaE penas el arma,Busco soled.

Ferner erinnere man sich der Schaltverse in den Peteneras.So habe ich auch eine Solea gehört:

j Solea y mäs solea \La mujer es la que pierde,Que el hombrc no pierde na.

In den Soleares finden wir die Geliebte: 'Solea del arma mia'(274. 275) und die Virgen de la Soledad (354; so aucli seg. jit. 23)angerufen. Die Solea heisst auch lerceriUa und (in Osuna) terceia;über den Namen copla dt· jalco s. oben S. 274.

Für das was ich im ersten Theil meiner Schrift 'Ritornell undTerzine' mich nachzuweisen bemühte, habe ich in Andalusieneine sehr erwünschte Analogie gefunden; ich betrachte in derThat die spanische Dreizeile aba, ebenso wie die italienische, alseine Verkürzung der Vierzeile. Man könnte nun auf den Ge-danken kommen, dies Dichtungmaass sei aus einem musikalischenErforderniss hervorgegangen. Mein Lehrer sang mir z. B. vor:

En la pucrta de los Palos'A Undebel se lo hc pcdidoQue no me dicras mal pago,

gestand mir aber, dass, wenn man eine andere tona d.h. Weiseder Solea anwendete, man im Anfang den Vers:

De rodillas me postrohinzufügte. Und es stellte sich heraus, class eigentlich jede Cuartctadieses Verfahren zuliesse, wodurch allerdings oft ein ganz sinnloserAnfang entstehen muss; er gab mir eine ganze Reihe von Beispielen,wie dieses:

[cTe acuerdas que me dijiste]Que eres mujer de tu casa

nunca te encuentras en ella?E sä sera tu desgracia.

1 Ein Thor der Kathedrale von Sevilla.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 20 I

Auch Demofilo hat 63, 335 eine solche augenscheinlich ver-stümmelte Copla:

Toa la noche sin clormi,Sentaiyo en mi petate

acordandome e ti.Wenn nun auch heutzutage die Coplas im Prokrustesbett einer

bestimmten Melodie um ihren ersten Vers verkürzt werden können(und dies 'können' ist mir noch nicht recht klar), so wird dochsicherlich nicht auf diesem Wege der Terceto aus der Cuartetaentstanden sein. Jener ist älter als der flamenkische Gesang, daer auch in Galizicn vorkommt, wo er mit dem Tamburin begleitetwird. jNIila y Fontanals bemerkt in einem von Demofilo berück-sichtigten Aufsatz 'La poesia popular gallega' Romania VI 49vom galizischen Terceto: 'puede considerarse como una cuartetaen que lös dos primeros versos se han concentrado en uno, elcual a l o menos forma las mas veces sentido separado y a menudose compone de una fräse vocativa.' Wenn man die 107 galizischenCoplas, welche er mittheilt, durchmustert, so wird man finden, dassder erste Vers öfter mit dem zweiten oder dem dritten identischist. Z. B.:

3 Mifta Santa Margarida,Mifia Margarida Santa . . .

6l Sirvir o rey, queridifta,Sirvir o rey, gran regalo!Sirvir o rey, queridifta . . .

(so auch 29. 32. 39. 69). Das Gleiche hat in portugiesischenCoplas Statt, z. B. folgenden von Beira alta (veröffentlicht im Lissa-boner 'Diario de Noticias' Anf. 1881); so:

3° folhetim VII O loureiro, o loureiro,O loureiro ramalhudo . . .

XXXII G rcbf.-ca, o rcbeca,O rebeca de ouleiro . . .

XLVII O' Anninhas, o Anninhas,O' Anninhas da varanda . . .

Auch wenn die Wiederholung keine vollständige oder wört-liche sein sollte, wird immer der erste Vers leicht weggelassenwerden können. Mila y Fontanals, welcher die andalusischenSoleares damals noch nicht gekannt hat, erwähnt die Aehnlichkeitder italienischer! Stornelli oder Sciuri mit den galizischen Tercetos1;

1 Auch die keltischen (kymrischen) Dreizeilen werden von ihm angeführt,aber mit dem sehr passenden Hinweis auf ihre Einreimigkeit. Sie sind, wieich denke, nicht aus der Vierzeile hervorgegangen, sondern verdanken wohlebenso wie die Triaden ihren Ursprung der mystischen Vorliebe für die Drei-zahl. Joaquin Costa meint a. a. O.: 'la rima no es elemento esencial del ter-ceto' und stellt sehr verschiedene Arten von Dreizeilen zusammen: Da mandas Keltische einmal herangezogen hat, so will ich bemerken, dass als jüngereund seltenere Abarten des einreimigen triban und zwar des triban milwr(der triban toddaid kommt hier nicht in Betracht) der proestodl (a o) und

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282 H. SCHUCHARDT,

er würde wohl auch die gleichartige Entstehung heider hervorge-hoben haben, wenn ihm meine Schrift zu Gesicht gekommen wäre.Im Einzelnen wurde allerdings ein verschiedener Weg eingeschlagen.Denn ich habe vermuthet, dass das Ritornell durch die Aposiopeseeines vierten Verses aus dem Rispette entstanden sei. Die anda-lusischen Soleares aber können wir nicht anders erklären, als diegalizischen Tercetos, indem wir beide als historisch zusammenhängendbetrachten. Es ist wahr, dass wir manche Cuartetas durch Besei-tigung des vierten Verses zu Soleares umgewandelt sehen, z. B.:

Laf. 130, 2 Dem. 17, 90Sobre gusto no hay disgusto, Donde hay gusto, no hay disgustoYo quiero a aqucl caballero Yo quiero aqueya morenaQue esta vestido de luto, Que esta bestia e luto.Que a mi me gusto el negro.

ebeiid. 243, Anna. 2 ebend. 62, 327Sabras como he estado malo, j Tu quere como m' ha puesto,

con un aguamanil Que con un aguamaniAle han dado los alitnentos Me estan dando cl alimento!Para poder resistir.

ebcnd. 261, 5 ebend. 28, 152Tu vienes de mala rama, Hijito e male mare,No lo puedes remediar, Criaito en malas tripas,Nacida en malos paftales, Reguerto en malos paiiales.Hecha en pecado mortal.

ebend. 288, Anm. 2 Laf. 288, 4[ Compafierita del alma,] (s. unt.)

Me cstoy muriendo de sed j Que penas que pasa aquelTeniendo un pozo en mi casa Que tiene el agua en los labios,

no la puedo beber, no la puede beber!Porque la soga no alcanza.

Ich habe als Drei- und Vierzeile gehört (hier ist diese sicherdie jüngere):

Tuviera yo oro molido,Un cuarto le diera al menguePor no haberte conocido[A ti l y a ninguno de tu gente].

Aber dass die eine Gattung aus der ändern auf diese Weisesich entwickelt habe, ist schon desshalb nicht wahrscheinlich, weildabei als regelrechte Form der Copla nicht abcb, sondern ab abvorauszusetzen wäre. Jene kann aber durchaus nicht als eine Ent-artung dieser betrachtet werden. Mit der Urform a abb, welche

der proest de unodl (a a a) zu verzeichnen sind (Tegai,' Gramadeg Barddoniaeth',Caernarfon 1862 S. 44 f.); der letztere nähert sich der Form abb an, welchebei den Galiziern vereinzelt für aba vorkommt (a/a. O. 64,112).

1 A ti ist überzählig.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 283

Ferdinand Wolf (Studien z. G. d. sp. u. p. NI. S. 431) annimmt, lässtsich hinsichtlich des Ursprungs der Dreizeile auch Nichts anfangen.Andererseits ist wie in den portugiesisch-galizischcn, ebenso in denandalusischen Coplas der erste Vers häufig überflüssig, indem ermit dem zweiten oder dritten1 stimmt, z.B.:

(S- 2. Laf. 140, 4 Es tanto lo que te quiero,lo que te quiero es tanto . . .

208, 5 Ni los padres misioneros,Ni los misioneros padres . . .

262, 3 Ya no te quiero, no, no,Ya no te quiero ni verte . . .

1=3. 63, 7 Por el si que dio la nifia . . .71,6 Tus ojos me cautivaron . . .76, 5 <; Con quo te lavas la cara . . . ?

Canta tu y cantare yo . . .Todo el mundo en contra mia . . .

258, 2 A todos les da claveles . . .366, 7 Echale pan a tu perro . . .

Der Nachweis, dass von solchen Coplas wirklich im Gesangder erste Vers weggelassen wird, ist eigentlich überflüssig; dochvergleiche:

Laf- 355» 7 Dem. 16, 79V£nte conmigo, serrana,Serrana, vente conmigo; Chiquiya, bente conmigo,Que no ha de faltarte nada Que no te fartarä naa . . .Para andar en cueros vivos. Para andar en eueres bibos.

Enc. IV 2iiDeja que la gente diga, Deja que la gente diga,Deja que la gente hableEn queriondonos los dos, En queriendonos los dosManque no nos quicra naide. Pase la gente fatiga.

Ich stelle nun im Folgenden eine Reihe von Coplas undSoloaivs gegenüber, welche sich durch einen nicht wiederholtenVers unterscheiden, ohne dass ich behaupte, dass immer jene ausdiesen verkürzt sind; es kann ja auch eine Erweiterung jener zudiesen stattgefunden haben. Es wird aus diesen besondern Fällen

1 Mit dem zweiten und dritten:Laf. 126, 7 Ay, que se me lleva el aire,

Ay, que el aire se me lleva,Ay, que se me lleva el aire,El aire de mi morena.

Diese Copla ähnelt etwas der galizischen (Romania VI59, 29):Airinos, airifios, aires,Airifios d' a mifla terra,Airinos, airifios, aires,Airifios, levaime a ela.

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284 H. SCHUCHAKDT,

nur überhaupt die innige Verwandtschaft beider Gattungen erhellen,die aus allgemeinen Gründen sich in keinem ändern Sinne auf-fassen lässt, als in dem oben angegebenen.

Laf. 46, 2 Dem. 9, 39A toda mujer que vieresAmarilla y con ojeras, <;Amariya y con ojeras? . . .No le preguntes que tiene, No le preguntes que tiene,Porque es que quicre de veras. Que esta queriendo e beras.1

ebend. 48, 4[Nadie se ponga ä querer,Que] el querer quita el sentido;Lo digo por experiencia,Porque a mi me ha sucedido.

ebend. 77, 5Rubita, sol de los soles,Tu cara es una custodia

tu pecho la escaleraPara subir a la gloria.

ebend. 113, 2Las piedras duras quebranto,A los alamos blandeo,A las fieras muevo a llanto

a U, serrana, no puedo.

Cab. 245, 4Un pino alto lo troncho,Un alamo lo blandeo,Un toro bravo lo amanso,

a ti, muchacha, non puedo.

Laf. 194, iYa no voy ni vengo del muelle,Porque no tiengo a quien ver;Que un amante que teniaTendio la vela y se fue.

ebend. 243, 6[jLo que he pasado por tu]j Tu querer como mc ha puesto!Que con un aguamanilMe estan dando el alimento.

ebend. 21, 114

ebend. 63, 337

Tu cuerpo es una custodia,Toito yeno e escalonesPara subi a la gloria.

ebend.i, 2

A los arboles blandeo,A un toro brabo lo amansoY a ti, rlamenca, no pueo.

ebend. 2, 4

Ayi no hay naita que b£;Porque un barquito que habiaTendio la bela y se fuo.

ebend. 62, 327

Diese Dreizeile steht zwischenLaf. 243, 6 und 243, Anm. 2 (s.oben S. 282) mitten inne; eineder beiden letztem muss sichalso aus ihr entwickelt haben.

Vgl. Dem. 20, 111:Discs que no me pueesLa cara t* amariyeaDe la fuersa der quere\

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DIE CANTES FLAMENCOS.

ebend. 244, 2Compadecete de mi,Que tienes el corazonMas duro que las columnasDel templo de Salomon.

ebend. 431, 2Ni de dia, ni de noche,A ningun hombre le temo;Porque siempre me acompaftaUna varita de almendro.

ebend. 445, Anm. i, 2[A las rejas de la carcel]No me vengas con belenes,Que me pones la cabezaComo molino que muele.

ebend. 446, 4[Preso estoy en tierra estraöa:]Por ver a mi madre, dieraUn dedito de la niano,El que mas falta me hiciera.

Dem. 38, Anm.A Malaguita la bellaMe tengo de ir a vivir,Que dicen que alii se ganaLa gloria antes de morir.

ebend. 47, Anm. I[Ya que no te puedo hablar,]Ponte donde yo te vea,Le dare gusto d mis ojos,Ya que otra cosa no sea.

ebend. 59, 313

Tengo yo mi corasonDuro como las colunasDer templo e Salomon.

ebend. 9, 35

A naide le tengas mieo,Mientra yo tenga en la manoLa barita del armendro.

ebend. 40, 205 (vgl. 41, 210)Der erste Vers beginnt verschie-dene ähnliche Coplas (Laf. 445, 4und Anm. i, 1. Dem. 151, 8).

ebend. 44, 228

ebend.38,192

Me tengo e dir ä bibiAonde disen que se ganaLa gloria antes e mori.

ebend. 47, 240

ebend. 2, 7Borrow LXIIITu patu y tun daiMe publican chinga, A m( me publican guerra,Como la rachi mu chalemos Porque me bieron jabläAfuera d' este gau. Contigo por Puerta e Tietra.

Rodriguez Marin legt sich Enc. IV 342 f. die Frage vor, obnicht etwa in jenen Trovos, in welchen regelmässig der letzte Versals erster wiederholt wird, eigentlich Soleares stecken.

Es ist der erste Vers an die Stelle des dritten gerückt:Laf. 288, Anm. 2 Dem. 62, 329

Me estoy muriendo de sedTeniendo un pozo en mi casa, Tengo yo un poso en mi casa

no la puedo beber, yo me muero e se",Porque la soga no alcanza. Poique la soga no arcansa.

(vgl. oben S. 282)

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286 H. SCHUCHARDT,

Der erste und zweite Vers sind in einen zusammengeschmolzen:Laf. 131, 2 Dem. 64, 339

El retrato de mi amantcLo llevo sicmpre en el pecho, Tengo una estampa en er pecho,Cuando no esta junto a mi, Cuando m* acucrdo e U,Saco el retrato y lo beso. Saco la estampa y la beso.

ebend. 152, 3 ebend. 54, 281Estoy durmiendo y sofiandoQue estas a la vera xnia; Sofie que contigo hablaba,Despierto y nie hallo sin ü, Disperte y m* haye solito,Vuelvo a la misma fatiga. Las penas se m* aumentaban.

ebend. 157, 4 ebend. 23, 124Es precise que sofiandoTe hable con el deseo, Ensofte con er deseo:Mis fatigas son tan grandes Son mis fatigas tan grandes,Que estoy durmiendo y te veo. Que estoy durmiendo y te beo.1

Die beiden letzten Verse einer Solea entsprechen öfter demAnfang oder Ende einer Copla, z. B.:

Laf. 58, i Dem. 10, 47A mujer que sale malaNo reftirle, ni pegarle; Bien me lo esia mi mare:La cabra que tira al monte Cabrita que tira ar monteNo hay cabrero que la guarde. No hay cabrero que la guarde.

ebend. 111,4 ebend. 18, 94Dijo er sabio Salomon2

Una gotera continua Que una gotera continaAblanda un duro penon: Ablanda un duro pefion.j Y mis suspiros no puedenAblandar tu corazon!

ebend. 305, l ebend. 42, 213Ya se me murio mi madre,jMal haya mi desvenlura! No me yores, que es tontura;Ninguno pasa fatigas, Ninguno pasa Irabajo,Mientras su madre le dura. Mientras su mare le dura.

1 Diese beiden letzten Verse haben sich durch Zerdehnung des letztenzu einer neuen Solea entfaltet:

Dem. 27, 146 Es tanto lo que te quiero,Que estoy durmiendo [en mi cama,Abro los ojos] y te beo.

Ganz ähnlich (nur findet eine Umstellung statt) verhalten sich die beidenletzten Verse von Dem. 25, 135 zu den drei letzten von 91, 39 (Variante vonLaf. 267, I):

Esta chiquiya la quiero; Mardita sea la personaQue se yeba e su gusto, Que se yeba der dineroNo se yeba der dinero. Y no se deja yebar

E unos ojos negros buenos.2 Vgl. z. B. Laf. 58, 2 Dice el sabio Salomon . . .

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DIE CANTES FLAMENCOS. 287

Dem. 177,23 ebend. 48, 247quierc que yo le jaga?

Ya no puee scr er cuerboMas negro que son las alas.

Ya no puede ser er cuerboMas negro que son las alas;Ya no pueden ser mis penasMas grandes que las pasadas.

Wie man sieht, handelt es sich hier um Sprichwörter undSentenzen, die gleichsam den Kern der Strophen bilden (vgl. Dem.95, 54. 120, 80. 133, 145). Vgl. auch S. 269 Anm.

Die beiden ersten Verse in einer Copla und einer Soleastimmen überein:

Laf. 277, 7 Dem. 9, 38Echale tu mi caballo A mi cabayo le echoHojitas de limon verde, Ojitas e limon berdeQue puede ser que algun dia, na las quiso come.Serrana, de mi te acuerdes.

Vielfach ist nun endlich die Verwandtschaft von Soleares mitCoplas eine derartige, dass sie sich in keine bestimmte Formelbringen lässt; zuweilen nehmen wir einen kaleidoskopartigen Wechselder Elemente wahr. Vgl.:

Laf. 3IS, i Dem. 59, 312Se puso tu madre, y dijo Tu mare no me quio a mi:Que la reina para ti, Tu mare quiee a la reina,Anda, ve y dile a tu madre Baya por eya Mari.Que la reina estä en Madrid.

ebend. 315,3Anda diciendo tu madreQue te mereces la reina;Anda, ve y dile a ese trapoQue vaya a Madrid por ella.

Cab. 368, 5Anda diciendo tu madreQue la reina tu merecesY yo como no soy reinaNo pretendo merecerte.

Dem. 98, 661 Ya te lo he dicho, Komera1,2 Que no me cantes cantares3 Que si te yego piya,4 Ni aun er Santolio te bale.

ebend. 8, 335 AI regorbe e üna esquina6 Te den una pufiala4 Que ni er Santolio resibas.

ebend. 42, 2152 No me bengas con cantares,6 Mala pufiala te den5 Ar regorbe" e una caye.

1 Auch Dem. 137,162 kommt die Romera (eine Sängerin) vor. Ich wäresonst in Versuchung gewesen ramera zu emendiren.

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288 H. SClll/CHAKDT,

Wenn unter den angeführten Beispielen sich mehr oder mindersichere finden, in welchen einer Copla eine Solea zu Grunde liegt,so gibt es nun eine ganz gewöhnliche Methode, vermittelst derenjede Solea in eine Copla verwandelt werden kann. Man setzt alsersten Vers vor:

Compaficrita (-o) del alma . . .Companerilla del alma . . .Compafiera de mi alma . . .Compaftera de mi vida . . .Camaradita del alma . . .Compadre del alma mia . . .Compadrito de mi alma . . .Hermanita de mi alma . . .Morenita de mis ojos . . . | (nach Rodriguez MarinMaresita de mi via . . . \ Enc. IV 338)

u. ä.

In der Lafuente'schen Sammlung von Coplas finden wir eineMenge so maskirter Soleares: 29, 2. 48, Anm. 2 (= Dem. 21, 114).58, Anm. i (= Dem. 10,47). I O 2> 5· 51»0 · 171, 3 (= Dem. 10, 40).6 (= Dem. 29, 157). 247, i. 249, 4 (= Dem. 23, 123). 5 (LT. Dem. 74,389). 268,4. 277,3 .279,5 . 288,4. 294,3. 297,7. 316,3. 323,7;so auch Cab. 205, 6. 372, 2. Rev. de Sev. II 41, 4. Dem. 151, n.Enc. III 370, . 11.

Auf eine ganz entsprechende Weise wie in Italien entwickeltsich in Andalusien aus der Dreizeile:

la. die D r i t t h a l b z e i l e oder die Soleariya. Wenn im Ritor-nell der erste Elfsilber zu einem Fünfsilber zusammenschrumpft, soin der Solen der erste Achtsilber zu einem Dreisilber (ausnahms-weise einem Zweisilber Dem. 80, 13). Diese Form hat sich hierkeineswegs so fruchtbar entwickelt wie in Italien, obwohl ja dieVerkürzung des ersten Verses in so vielen Soleares geradezu vor-gezeichnet war. Derselbe nimmt besonders als Ausruf eine isolirteStellung ein:

Dem. 2, 6 j Ay, probe corason mio! . . .10, 42 j Ay, probesito e mi! . . .

sogar:14, 69 Compafterila del arma . . .

er enthält zugleich eine Doppelung:11, 50 Compafiero, companero . . .13, 62 Carselero, carselero . . .

auch sonst:7, 27 A mi me gusta, me jjusta . . .

40, 202 No me yores, no me yores . . .69, 368 Yo queria, yo queria . . .

ferner:y mas jaleo! . . .

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DIE CANTliS FLAMENCOS. 289

wozu die Anfänge zweier Soleares, die ich gehört habe; s. obenS. 280 und:

jTormentos y mas tormentos!Vengan ducas sobre miQuc arrcmalen con mi cuerpo.

Allerdings war die Zusammenziehung in einen Dreisilber schwierig;warum hat man jedoch nicht den homorrhythmischen Viersilbergewählt? Von dieser Classe llamenkischer Lieder hat Demofilo sowenig, dass eigentlich jede Basis zu einer Vergleichung mit denSoleares fehlt.

79, 6 Fatigas,Yo por la cayc no yoro,Porquc la gentc no iga

scheint eine solche musikalische Verstümmelung einer Solea (Dem.19, 105: 'Der sielo bengan fatigas . . . . ' ) zu sein, wie ich derenoben von Coplas erwähnt habe. Man vergleiche noch :

Dem. 9, 37 Dem. 79, 7A Sebiya ba la Lola, La Lola,Consolasion se ba ar Puerto, La Lola se ba a los Puertos,La Nena la cjan sola. La Isla sc quca sola.

Laf. 76, 5 ebend. 80, 12^Con quo te lavas la cara,Ojitos tie palomita ? Marina,<; Con quo te lavas la cara, <; Con quo te labas la cara,Quc la ticncs tan bonita? Quc la tienes tan dibina?

Diese Copla hat durchaus den Werth einer Solea. Der An-fang oder das Kndo einer vollen Copla findet sich in einer Solea-ri) a wieder:

Dem. 151,9 Dem. 79, 9SeTU),

<;A quc mc das esos palos? No me pegue osto mas palos,Que dano te hc jecho yo .·* (Jue naila le he jecho yo.

Si me he qucao dormio,Er sueflo rinde al Icon.1

Laf. 152, 6 ebend. 79, 8c Hasta cuando, dueflo mio,Me tengo de cstar asi, Por ULas horitas de la noche Las horitas e la nochePasandolas sin dormir'l Me las paso sin dormi.

1 Vgl. Laf. 153, i :El Icon con ser leonDicen que lo rinde el sueüo.

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2 90 H. SCHUCHARDT,

ebend. 297, 3cHasta cuando, vida mia,Tengo de vivir penando?Las horitas de la nocheMe las paso suspirando.

ebend. 88, 3; Salero, viva el salero,Carita de serafin!j Cuantas horitas de suefloTengo perdidas por //!

Der Kurzvers wiederholt das Anfangswort des folgenden Acht-silbers :

Dem. 78, 3 Gacho,Gacho

79, 7 La Lola,La Lola

Ich füge dem Dutzend Beispielen Demofilo's noch einige vonmir gesammelte hinzu:

j A y querer!Tcngo yo algunos momentosDe no poderme valer.

Por esoLa gente del CormenalGastan el cuello muy tieso.

— jPerdida! —No estoy perdida de nadie,De tu lengua maldecida.

Sentido,No pucdo apagar el fuegoQuc esta flamenca ha encendido.

Ich komme nun auf ein sehr eigenthümliches Dichtungsmaasszu sprechen:

2. die Seguid i l l a j i t a n a (seguiriyaj.), zum Unterschied vonder spanischen Seguidilla (7, 5, 7, 5, mit dem Estribillo 5, 7, 5) sogenannt. Dieselbe (oder die Weise, in der sie gesungen wird —beide decken sich vollständig) heisst auch P lay er a, welchesSbarbi Enc. Ill 43, durchaus im Einklang mit den Eigenheiten derandalusischen Aussprache, als plaftidera erklärt. Hier Hesse sich,wegen des Namens, an etwas ursprünglich Zigeunerisches denken(auch ist dieses Maass, aber nicht die Soleä, in der Borrow'schenSammlung vertreten); allein, was uns auf den ersten Blick räthsel-haft erscheint, löst sich uns auf den zweiten sehr einfach in etwasganz Bekanntes auf. Nach Demofilo und Sbarbi ist die Grundform:6, 6, i i , 6; früher hatte jener richtig in dein dritten Vers ein Treu-

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DIE CANTES FLAMENCOS. 2QI

nungszeichen angebracht: 6, 6, 5 + 6, 6. In der That sondert sichdie zweite Hälfte dieses Langverses immer scharf in zwei Hälftenund ein Enjambement, wie

Dem. 103, 4 Yo reniego e || cuantos santos tiene,ist eine Ausnahme. Es fallt uns also zunächst eine Cuarteta vonSechssilbern, eine redondilla de arte menor, in die Augen. SolcheStrophen pflegten aber vorzugsweise zu klagenden Liedern gebrauchtzu werden und hiessen dann endechas. Schon im 15. Jahrhundert(s. Ticknor übers, von Julius II 734 f.) finden wir den Ausdruck:*mas triste que endecha\ Die plqyera, das * Klagelied', ist weiterNichts als eine Endechastrophe mit eingeschaltetem Fünfsilber.Dieser Vers von widerstrebendem Rhythmus muss ursprünglich einstehender gewesen sein, wie der: Nina de mi corazon! in derPetenera; wir können auch noch ermitteln, wie er ungefähr lautete.Wenn wir die etwas über 150 vollen Seguiriyas jitanas Demofilo'sdurchsehen (das 'Repertorio de Silverio' lasse ich bei Seite), sowerden wir bei Weitem in den meisten die Beziehung auf ein Ver-wandtschafts- oder Freundschaftsvcrhältniss ausgesprochen finden,und zwar steht die betreifende Bezeichnung theils innerhalb dersyntaktischen Verbindung (V), theils ausserhalb derselben, als Aus-ruf (A). Die Statistik, bei der etwaige Zählungsfehler nicht schwerin's Gewicht fallen werden, sei in einer Tabelle zur Anschauunggebracht:1. Vers A Mutter 5, Gefährtin i, Schwester 3, Bruder 2, Vater 4 ·, Sohn i,

Gevatter i.V Mutter 6, Schwester 2, Vater 3, Bruder 2.

2. Vers A — .2V Mutter 2.

Schaltvers A Gefährtin 3.V Geiahrtin l.

3. Vers A Mutter 12, Gefährtin 7, Gefährte i.V Mutter 13, Geiahrtin 17, Gelahrte i, Schwester 2, Bruder 2, Ge-

schwister i, Vater 3.4. Vers A —.

V Mutter 2, Gefährtin l, Gefährte 2.Wir sehen, dass gerade die Stelle, welche wir als die ursprüng-

liche des Anrufs ansehen müssen, es jetzt nur noch selten ist; so104, 9 Argun ciia por berte

Inero yo daba,1 In den vier betreffenden Playcras (126. 127. 128. 129) ist 'Vater* in

übertragenem Sinne genommen:Pare mio Jesu . . .

2 Eine hübsche Playera, welche ich gehört habe, gewährt ein Beispielfür diesen bei Demonlo nicht belegten Fall:

Te moriste quejando,Compaflero mio,

E n un l ad it oDe mi corazonTengo tu quejido.

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2Q2 H. SCHUCHAKDT,

Compailerita,Ahora por no berteGucrbo yo la cara.

Mit Vorliebe hat sieb der Verwandschaftsname im dritten Versfestgesetzt (icb weiss nicht, ob vielleicht ein musikalischer Grundmitwirkte); ziemlich häufig, begreiflicher Weise, noch im erstenVerse, in allen ändern nur vereinzelt. Es liegt nahe Compaileritaals die älteste und eigentliche Form des Anrufs zu betrachten,welche ja auch (nur in der Modification, die das verschiedeneMetrum erheischt) in dem Ergänzungsvers der Coplas (s. S. 288)auftritt. Allein es gibt einen Grund, der uns zwingt anzunehmen,dass in jene Strophe aus Sechssilbern zunächst der Anruf an dieMutter (etwa Mare del alma oder /Ayr märe mia!) eingeschaltetworden; dieser, der in der obigen Statistik auch der häufigsteist, erscheint nämlich heute zum Theil in einer Weise verdunkeltund formelhaft, wie das bei den ändern Ausdrücken nicht derFall ist; vgl. z.B.:

106, 19 Baluarte imbensible,Isla e Leon,

Como ganaronLos franceses, märe,Fue po una traision.

Ja sogar in einer an die Geliebte gerichteten Strophe fehltdas märe nicht:

112,43 -De tu pelo rubio,Dame tu im cabeyo,

Pa jaserme,Märe, una caena

echarmcla ar cucyo.Sollte etwa auch ein und das andere Mal wirklich hinter der

'Mutter* die Geliebte stecken?Andererseits sehen wir wieder die rührendste Liebe zur Mutter

in den Playeras ausdrücklich dargestellt, z. R:120, 82 Jincarse e roiyas,

Que ya viene Dios;Ba a resibislo

La mare e mi armaE mi corason.

130» 133 Penas tiee mi mare,Penas tengo yo

las que sientoSon las e mi mareQue las mias no.

137, 161 Una noche oscura,Resando er rosario,

S'habia queaoLa märe c mi armaDormia en mis brasos.

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Dili CANTES FLAMKNCOS. 293

XI, 2 Por la iglcsia mayoNo pueo pasa,

Porque m* acuerdoE la mare mia

me echo a yora.

Es erscheint fast als eine Nothwendigkeit, dass der tiefsteSchmerz, zu dessen Widerhall sich ja die Playera macht, sich andie Mutter als Theilnehmerin wendet. Ist nun diese Liebe zurMutter, das lebendige Familicngcfühl überhaupt, welches die Play erastlurchdringt, etwas Zigeunerisches ? Es mag sein, class nach dieserSeite hin das Gemüth des scheuen Stammes sich in besonderemMasse entwickelt hat, aber doch gcwiss nicht in bedeutenderem, alsdas der Andalusier; vgl. Dem. 42, Anm. i, welcher das Sprichwortanführt: 'Amor de madre, que todo lo demas es aire.' Alle Süd-länder kennen den Anruf an die Mutter. Um von dem etwas tri-vialen italienischen mamma mia! abzusehen, erinnere ich z.B. andas mairuzza mia des sizilianischen Sciuri Rit. u. Terz. 93, 4 (vgl.auch 94, i. 3). Beispiele aus Nordspanien:

Laf. 420, 2 Todos los navarros, madre,Cantan la jota navarra . . .

428, 6 Madre, por una NavarraDiera todo cuanto tengo . . .

Eben daher vielleicht auch:ebcnd. 435, 3 Aquel lucerito, madre,

Que va detras de la luna . . .

Im Munde des gemeinen Andalusiers sind häufig: /marecj/afimarecita de mi arma! jmart mia! Daher lege ich auch kein Ge-wicht auf das dai der Calostrophe:

Borr. LXVIII Esta rachi no abillelan,Dai, los calos . . .

In den paar Playeras, die man wegen der überall vernach-lässigten Metrik unter dan Borrow*sehen Liedern nicht ganz mühe-los entdeckt, begegnet man dem Anrufe nicht. Beachtenswerthist, dass der Schaltvers dreimal (XXIV. LVH. LXV) Como, aromali(wahrhaftig!) lautet. Mit einem solchen conto beginnt derselbe auchsonst sehr gern (so Dem. S. 102'ff. N. 2. 17. 18. 19. 25. 26. 28.29. 31 u. s. w.) und zwar steht es in sehr verschiedenartigemSinne; zum Theil ist es ebenso formelhaft, wie das erwähnte madre.Vgl. z. B.:

108, 25 Camin o e Boyuyo,Benta der Noguero,

Como mataronA Alonso e los ReyesCuatro bandoleros.

Zoitschr. f. rom. Pb. V. 2O

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2Q4 H. SCHUCHARDT,

112,35 De la güerta c MursiaBengo yo, seiiores,

Como le traigoA la mare e mi armaRamitos e flores.

Es wird ein Platzwechsel zwischen dem Inhalt des Schalt- unddem des dritten Verses stattgefunden haben. Das como hat dem-nach ursprünglich die zweite Hälfte der Playera angehoben ', diesich in den meisten Fällen überhaupt von der ersten sehr deutlichabsondert (wie dies in der Copla bei Weitem nicht der Fall ist).Der Schwerpunkt fällt immer in jene; hier folgt auf die Neben-umstände die Thatsache, auf etwas Ausgesagtes oder Gewünschtesder Zweck oder der Grund, auf eine Sentenz deren Anwendung,auf einen Anruf die Bitte oder die Mittheilung. — Um auf dieBorrow'schen Playcras zurückzukommen, so dürfen wir hier durch-aus nichts Ursprüngliches erwarten; man vergleiche nur:

LV Dem. 126, 113Yo no tenelo batu, No tengo yo pare,Ni dai tampoco, Ni märe tampoco,

Yo tenelo2 Que lo quc tengoUn planelillo, Un hermano e mi arma

le llaman el loco. Se m* ha güer'to loco.

Wenn man etwa glaubt, die hinkenden Caloverse seien imSpanischen gerichtet worden, so übersetze man einfach in ändern

1 Seltener als como sind andere ähnliche Partikeln, wie cuando, si. Eswird dann zuweilen das Verbum des Schakverses unmittelbar wiederholt, umden Nachsatz einzuleiten, so im 'Repertorio de Silverio' (S. 193 ff.):

23 Cuando la miro,La miro a la cara . . .

29 Como se biste,Se biste de luto . . .

63 Si yo yebaba,Yebaba contigo . . .

Eine plconastischc Wiederholung aber liegt vor:119,74 Como te acuestas,

Te acuestas yorando,M* acostaba yo.

Sehr selten decken sich der Schalt- und der folgende Vers, so (Rep. deSilv.):

189, 2 Estas fatigas,Estas grandes ducas,

und in einer von mir gehörten Playera:Siempre por los rinconesT'encuentro yo, rosa.

i Quion t' ha pegao ?<; Quiön t' ha pegaito,Carita de rosa?

(die beiden ersten Verse sind eine Variante von Dem. 133, 142).2 Terelo ist die echte Form; das n stammt aus dem span, tener (ebenso

L f. S. und LIII S. 257).

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DIE CANTES FLAMIiNCOS. 2Q5

P lay era s die Calowörter in's Spanische und man wird erkennen, dassder spanische Text der ursprüngliche sein muss:

L Tositos (toitos) los correosMe dinelan (llevan) recado

tu me tenelas (ticnes)En el rinconcilloDe los olvidados.

LII Me ardinelo (Subo) a la murallale penclo (tligo) al jil . . .

LVI Si tu te romandifiaras (casaras)yo lo supiera . . .

LVII Si yo no t* endicara (te viera)En una semana . . .

LIX Diftame el pate (la mano)Por donde orobaste . . .

LXV Unas acais callardias (Unos ojos negros)Me ban vencido [es fehlen zwei Silben] . . .

Ich betone diesen schon oben zur Sprache gebrachten Puncthier nochmals, um den Zigeunern nach allem Uebrigen auch daszweifelhafte Verdienst abzuerkennen, die Unregelmässigkeiten inder Versification1 der Playeras beeinflusst zu haben. Vielleicht stehendiese mit der Art des musikalischen Vortrags im Zusammenhang. Dererste Vers ist sehr oft ein Siebensilber (so Dem. S. ff. N. i. 3.5. 10. ii . 15. 18. 2i u.s.w.) und hier kann auch eine gewisseAngleichung an den dritten, den fünfsilbigen Vers, irn Spiele sein'-,der allerdings selbst öfter mit dem Viersilber (so N. 18. 39. 43.79. 80. 97. 99 u. s. w.) und dem Sechssilber (so N. 7. 17. 27. 51.92. 93 u. s. w. — que con er pensamiento 44 ist wohl zu sprechenquc cor /.; vgl. col cuchillo Enc. III 43, 3) wechselt. Nicht sehr

1 Solche finden sich nach Dem. 148 Anm. besonders in den Martinetes,wo neben dem Achtsilber der Fünf-, der Sechs-, der Neun- und der Zehn-silbcr erscheine, was durch die gegebenen Beispiele nicht erläutert wird. DieDeblas theilen die Ungebuudenheit der Martinetes; der erste Vers von 168, 2hat neun Silben, der von 170, 9 ebenfalls und hier der dritte Vers zehn Silben.

2 Es finden sich auch andere Spuren einer Correspondenz zwischen beidenVersen, so Wortreim, der um so näher liegt, als mit dem Schaltvers die zweiteHälfte der Strophe zu beginnen pflegt (s. v. S.):

Dem. 102, 2 A la mar miraba . . .Como miraba . . .

120, 80 Ime con quien andas . . .Como tu andas . . .

197, 47 Pa toitos ha sio . . .Para mi ha sio ...

Silbenreim besonders in der Deminutivendung -ito. -ita \ sonst z. B.:105, 14 A clabo y canela . . .

Er que no giiela . . .Hier und da Assonanz.

20*

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20,6 . SCHUCHARDT,

häufig finden wir theilwcise oder durchgängige Uebereinstimmung,soweit dieselbe überhaupt durch die Verschiedenheit des Versmasseszugelassen wird, zwischen Playeras und Coplas oder Soleares.Vgl. z. B.:

Dem. 108, 27 Dem. 23, 126

[Sino montonsitos]E arenita y tierraQue se lo yeba cl aire.

ebcnd. 125,106• ·

[Sino er porbito,]Mare, y arenitaQue se yeba el aire.

ebend. 115, 60Er relo e la AudensiaAcaba e da,

Como le ijeA mi compafiera,Me ban a mera.1

ebend. 135,153Tengo yo una quejaCon los artos sielos,

Como sin frioNi calenturitaYo me estoy muriendo.

ebend. 114, 53De dia tengo penas,

de noche mas,Pcro en yegando

A las orasionesFueron redoblas.

ebend. 103, 3Apenas ray a er dia,Yegan mis tormentos,

Pero en yegandoA las orasionesRecobro el aliento.

Era porbito y arenaQue el aire se los yebaba.

Laf. 451, 7Acaban de dar las doceEn el relo de la Audiencia.Entre jueces y escribanosMe han leido la sentencia.

Dem. 17, 91

Dios mio, <;que sera esto?Sin frio ni calenturaYo me estoy caycndo muerto.

«

Laf. 282, 7Todo el dia cstoy tranquilo,Y en llegando la oracionUna picdra de molinoParece mi corazon.

1 Die letzten Verse stimmen im Wesentlichen mit:Dem. 117, 66

• ·Cuando me ijistc:

Adios, compafiera,Me boy ä mera.

Die zweite Variante hat in die erstere die Form mera statt mara (tödten)eingeschmuggelt; s. oben S. 268.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 297

ebend. no, 36Cuando bicne er diu,Teiigo argun consuelo,

Pero en ycgandoA la nochesitaSiego yo y no beo.

Wie aus der Solea die Soleariya, so entsteht durch Abfall desersten Verses (oder Verschmelzung der beiden ersten Verse ineinen) aus der fünfzeiligen (vierz.):

2a. die vierzeilige (dreiz.) Segu id i l l a j i t a n a , welche cor-rida genannt wird (Dem. XI). Ich habe schon darauf hingewiesen,dass die beiden ersten Verse der vollen Play era das wenigerWesentliche, gleichsam die Einleitung zu enthalten pllegen; damithängt zusammen, dass der eine oft nur die gänzliche oder theil-weise Wiederholung des ändern bildet, z. B. Dem. S. 102 ff.:

2 A la mar miraba,A la mar miro . . .

6 Ar mora me boy,Ar mora me ben go . .

42 Dame la mano, hermano,Dämela por Dios . . .

46 Dale limosna al probe,Dasela por Dios . . .

52 jDejame yorar!i Dejame yorar! . . .

74 Hijo e mis entraflas,Hijo er corason . . .

172 Ya bicnen los frailes,Ya bienen los curas . . .

So war vielfacher Anlass zur Verkürzung geboten. Der erste Versdieser kürzern Playera scheint nur als Sechssilber aufzutreten;was über das Metrische und Inhaltliche des Schalt- und des darauffolgenden Verses für die volle Playera gesagt worden ist, giltauch hier.

Demofilo bezeugt S. XI das Vorkommen siebenzeiliger Playerasund gibt S. 114, Anm. 3 ein Beispiel davon (abcbc -j- eb\ Die5. 170 Anm. mitgetheilte Strophe ist im Grunde eine Playera (10,6, 5 + IO» 8), die nach einer Tona gesungen wird und eine merk-würdige Verlängerung des ersten, dritten und vierten Verses er-fahren hat.

Eine Vierzeile liebt es, sich mit einer Dreizeile zu verbinden.So die Copla und die Solea, wovon Rodriguez Marin Enc. IV 343ein Beispiel gibt, mit Recht aber darauf hinweist, dass solcheFälle kaum von Trovos mit wiederholtem letzten Verse zu unter-scheiden seien (s. oben S. 285). In diesen sieben Versen wird

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298 H. SCHUCHARDT,

übrigens ein Gedanke ausgesprochen, welcher sonst in vierenPlatz hat:

AI pio de un pinito verde Enc. III 372, 27Me puse a llorar un dia, Yo me arrime* a un arbolitoFor ver si con el llantito A contarle mi sentir,Las hojas se le caian. al arbol que me escucbaba

a fuerza de tanto llanto Se le seco la raiz.Se le ha secaiyo el tronco:j Mal haya quien llora tanto! Laf' 289> !

Yo me arrimö a un arbol verdese le seco la flor.

\Mal haya quien se enamoraPara vivir con dolor!

ebend. 289, Anm. iYo nie arrime a un pino verdePur ver si me consolabaY el pino, como era verde,De verme llorar, lloraba.

. » cbend. 309, 4Ayer tarde fui al campoA llorar por mi sentir:

a un arbol que me escuchabaSe le seco l a raiz.

Zu einer stehenden Form ist eine Verbindung von Vierzeile undDreizeile geworden in der Seguidilla. Die volksthümliche Segui-dilla hat, wie Lafuente I S. X f. bemerkt, nur vier Verse (7*7,5^> 7ft 5^)· Um eine solche der Musik anzupassen, fügt man einbeliebiges, bedeutungsloses Estribillo von drei Versen (5r/, 7*·, 5</)hinzu, z. B.:

Vamos andando,Que si usted lleva miedo,Yo voy temblando.

Hieraus ist die siebenzeilige Seguidilla hervorgegangen. EineNachwirkung des ursprünglichen Verhältnisses erblicke ich in den vie-len, 'cuya idea se encuentra suficientemente indicada, y aun completaen los cuatro primeros versos, y en los cuales sobra el estribillo.'Auch die Seguidilla jitana scheint zuweilen mit einem dreizeiligenEstribillo gleicher Beschaffenheit gesungen zu werden; vgl. Dem.194, 26, wo eigentlich (bis auf die Aenderung des Namens) dieletzten Verse nur wiederholt werden, und ebend, 189, , wo nurder erste Vers der Dreizeile dem zweiten der Vierzeile gleich ist,die übrigen aber eine Variation enthalten. An die Martinetesschliessen sich gern stehende Dreizeilen an, deren erster Vers einFünf-, Sechs- oder Achtsilber ist, also Soleariyas oder Soleares;die bei Demofilo (S. 152ff.) sich vorfindenden sind folgende:

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DIE CANTES FLAMENCOS.

I I Si si, no no;La casa e los montcrosTembro, pero no cayo.1

24 Si si, Maria Juana,Mu cara bardrd la cosa,Cuando yo no te la trarga.

40 Si si, pero no,Arboleita e pinos bcrdes,Monies e la Encarnasion.

43 Si si, y es berda;Arboleita e pinos berdes,Campiyo c Gibrarta.

Aus der italienischen Volksdichtung ist ebenfalls die Ver-knüpfung einer Vierzeile mit einer Dreizeile bekannt (s. Rit. undTerz. Cap. IV und VIII); doch geht die letztere fast immer voranund zwar ist diese Form besonders in den Marken gewöhnlich(s. Gianandrea Canti populär! marchigiani i, 3. 14, 14. 33, 100.82, 155. 84, 166. 91,213. 144,9· I5 1» 2 · 7 · Hingegen wirddie Änderthalbzeile in Süditalien häufig als Refrain verwandt (a.a. O. Cap. XII).

Indem die K u n s t d i c h t u n g sich an dem frischen Born desVolksthuras zu verjüngen strebt, hat sie auch nicht gänzlich dieeigenthümlichen flamenkischen Formen der Solea und der Playeraübersehen. Zwar in der schon erwähnten Liedersammlung vonFerran y Fornies, welcher sich durch das andalusische Volksliedinspirirt fühlte und vor welchem, wie G. Becquer sagt, *nadieha tocado ese genero para elevarlo a la categoria de tal en elterreno del arte1, ist, wenn ich mich recht erinnere — das Buchbefindet sich jetzt nicht in meinen Händen — nur die Copla ver-treten. Aus einer ändern mir nicht bekannten Veröffentlichungdesselben Dichters 'La Pereza* citirt Dem. S. 65, Anm. 2 eine Soleaund S. XIII führt er ihn als Verfasser von Scguidillas jitanas an.Luis Montoto hat in seine *Mclancolia, Cantares' (Sevilla 1872)Soleares und Playeras (deren Schaltvers er sechs- oder viersilbigmisst) aufgenommen. Verschiedene Soleares knüpft er gedanklichaneinander (IX. XLVII. LX); hätte er es auch durch den Reimgethan, so würden sich spanische d. h. achtsilbige Terzinen ergebenhaben. Die galizischen Tercetos hat Rosalia Castro de Murguia,* Cantares gallegos' (nueva ed. Madrid 1872), in ihrer heimischenMundart nachgebildet und zwar, indem sie ebenfalls kleinere Ge-sänge aus ihnen zusammenstellte (S. 59 ff·)· Dabei wird fast immer

Vgl. Laf. 20l, 5 :Sero para ti mas firmeQue la Isla de Leon,Que el ailo del terremotoTemblo, pero no cayo.

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300 U. SCHUCHARDT,

ein Wort des letzten Verses (meist das letzte) in den folgendenersten aufgenommen, z. B.:

— j Ay! uns tolifios amores.Qu' os amores xa fuxiron . . .

— For antr' o verde arborado.E po la verde pradeira . . .

— Nin nos falc, nin nos oya.Que si oira e nos falara . . .

Ebenso habe ich auf italienischem Boden die Form a b a, c d c,efe . . . . nachgewiesen (Rit. u. Terz. S. 133 f.). Die Playera wirdauch sonst in Verwendung gebracht; so finde ich sie z. B. wiederin einer 'Historia vulgär' von Manuel Reina (Ilustracion espaiiolay americana 22. Mai 1879), deren erste Strophe lautet:

La madre y la nifiaSus penas cantabanA la vez que imploraban limosnaPor calles y plazas.

Der Schaltvers und der dritte Vers sind hier in einen Zehnsilberverschmolzen. Die ilamcnkischen Dichtungsmaasse beginnen sogarin theoretischen Anleitungen sich ein Plätzchen zu erobern. Soerwähnt Narciso Campillo Correa, 'Elementos de literatura prcceptiva'(Madrid 1876), die Solea und die Playera, aber wohl nicht mit ge-nügender Sachkenntniss, da er als Beispiel der letztern eine ge-wöhnliche Copla anführt und von den 'scguidillas 6 cantares desokdad\ welche drei achtsilbige Verse enthalten, spricht. Zuletztmuss ich noch eines Bändchens Erwähnung thun, welches in dem-selben Monat erschien, wie das Demofilo's und den Titel führt:* Primer cancioncro de coplas flamencas populäres, segun el estilode Andalucia . . . . por Manuel Balmaseda y Gonzalez* (Sevilla 1881).Wir haben es hier nicht mit Kunstdichtung, sondern mit Volks-dichtung zu thun, deren Charakter aber doch wieder durch dieArt wie sie entstanden, einigermassen modificirt erscheint. DerUrheber ist ein junger armer Eisenbahnarbeiter (Wagcnreinigcr),der kaum lesen und schreiben kann. Da er keine Stimme besitzt,also nicht singen kann, so ist es — in seinem Stande pflegen jaDichten und Singen noch Eins zu sein — ihm auch nie eingefallenzu dichten. Zu Anfang des vorigen Jahres hat er durch ein Unge-fähr die schöpferische Anlage in sich entdeckt. Man sammelteVolkslieder, er wurde aufgefordert deren mitzutheilen und, als esihm schwer wurde noch unbekannte vorzubringen, so gerieth erendlich darauf, selbst einige zu verfassen. Seitdem ist nun dieeinmal erschlossene Quelle reichlich geströmt und seine Gönnerhaben die Verse dieses fast unbewussten Dichters, also wahrhaftenVolksdichters (der, beiläufig gesagt, kein Zigeuner zu sein scheint)gesammelt und veröffentlicht. Die erste Abtheilung enthält * polosy peteneras'; aber in einer dem Buche vorgesetzten Bemerkungheisst es: 'Los cantadores conoceran y sabran eligir de estas com-

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3OI

posiciones, aquellas que por su contcnido y versificacion se adaptenpara otra clasc de cantos, coino carceleras martinetcs etc.» queen gracia de la brevedad, no se ban enuraerado expresamente enlos epigrafes de las respectivas seceiones.' Die zweite Abtheilungbetitelt sich: *jaleo y cantos de soledad (vulgo soleares)', die dritte'playeras o seguidillas jitanas.' Daran schliesst sich, ebenfalls inPlayeras als Anhang eine * Resefia poetica cle los usos y costumbresde los antiguos jitanos', die jedoch nicht ganz hält was sie ver-spricht. Denn ebenso wie in ändern Cantes flamencos (s. obenS. 209 ff.) finde ich auch hier kaum Etwas von eigentlich zigeunerischenSitten dargestellt.

Vielleicht scheint die Länge dieser gcsamratcn Ausführungennicht im Verhältnisse zum Werthe ihrer Ergebnisse zu stehen.Denselben anzupreisen kommt mir nicht zu; nur möchte ich hierdas schon anderswo gethane Bekenntniss wiederholen, dass ich— und zwar denjenigen Romanisten gegenüber, für die (etwavom rein Linguistischen abgesehen) die alterthümliche Patina einenGegenstand erst wirklich des Studiums würdig macht — in dergrnauesten, geradezu mikroskopischen Erforschung des Gegenwär-tigen die breite und sichere Grundlage aller Wissenschaft erblicke.Die Frage, ob die Zigeuner einen wesentlichen Einfluss auf dieandalusische Volksdichtung ausgeübt haben, war bisher nie ernstlichgeprüft worden und erforderte einen grossen Aufwand von Einzel-heiten; aber eben der Umstand, dass uns solche in genügenderMenge zu Gebote standen, ermöglichte eine befriedigende Lösung.Der, dem dies Problem an sich kein besonderes Interesse ein-flösst, wird immerhin dadurch bei der Behandlung ähnlicher Problemegefördert werden. Auch die Verwandtschaft der Dichtungsmaassemuss so viel als möglich zuerst am lebenden Körper studirt werden.

Die flamenkischen Lieder nehmen in sprachlicher Beziehungeine eigene Stellung ein. Nicht wegen des zigeunerischen Beisatzes,der in vielen (doch nicht den meisten) von ihnen, besonders inden Carccleras, enthalten ist, sondern wegen der Volkstümlichkeitin Laut, Form und Wort, die hier geradezu als etwas Unerläss-Hcht's gilt. Begreiflicherweise sind die Ansichten über dieselbennicht überall die gleichen. Demofilo sagt S. XV11: 'La medidadel verso p] en unas ocasiones, y l a ciudad o el pueblo y aun elbarrio de donde precede el cantador en otras, es causa de queuna misma copla, escrita de cierto modo parezca a unos muyflamenca y barbiana y a otros gachonal y poco flamenca! Bemer-kenswerth auch ist, was er S. 142 Anm. sagt: 'Silverio . . . . cantouna vez en Cadiz una copla que comenzaba:

Aunque te vuelvas culebraY te metas en el mar

jamigo! nunca hubiera nombrado la palabra culebra\ los gaditanosse llamaron a enojo, diciendo que aquello no era jitano ni fla-menco, y lo hubiera pasado mal el cantador ä no ser un hombrecomo andaluz, y de bastante viveza. Que vaya hoy quien guste

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302 H. SCHUCHARDT,

a preguntarle si son coplas jitanas o flamencas legitimas las quenombran esc picaro animalito que tanta participation tuvo en laperdicion del genero human o . . . . Que vaya quien a tanto seatreva a la ciudad de Cordoba a cantar coplas jitanas donde semencionc la palabra zorra y vera lo que es bueno!'

Da mir Dcraofilo S. XVI vorwirft, in der Encyclopedia einenAufsatz über 'fonetica andaluza' begonnen und sodann ihn undseine Freunde 'con la miel en los labios' gelassen zu haben, sokönnte ich zwar scherzend erwidern, dass meine Andalusier 'melli-flui oris' ja selbst den Schatz, um dessen Hebung es sich handelt,von Haus aus im Munde tragen; allein ich will die Sache dochernster nehmen und das Begonnene bei dieser Gelegenheit zwarin grösster Kürze zur Erledigung bringen, aber doch in der gleichenAbsicht, wie ich sie anfänglich hegte, nämlich durch Behauptung,Frage und Andeutung zu Widerlegung, Beantwortung und Aus-führung anzuregen. Demofilo hatte schon in der Rev. d. Sev. 11 37 ff.einige Besonderheiten der heimischen Aussprache erörtert und hatdiesem Gegenstande auch seitdem ein gewisses platonisches Inter-esse gewahrt; eine kurze, aber verständnissvolle Uebersicht überdie wesentlichsten phonetischen Erscheinungen des Andalusischenhat Francisco Rodriguez Marin Enc. IV 7281!. gegeben (im Anhangzu fünf Märchen aus Osuna, seiner Vaterstadt, Ecija und Aguadulce).Auch verweise ich auf die noch gedrängtere Zusammenstellung beiCarolina Michaelis, 'Zur romanischen Wortschöpfung' S. 112 f.

Ob das Anda lus i sche den Namen eines Dialectes verdient,darüber mögen sich die dortigen Freunde nicht länger beunruhigen;es kommt gar Nichts darauf an, welche Bezeichnungen von derLinguistik den naturgeschichtlichen 'Genus', 'Species', 'Varietät'gegenübergestellt werden. Gegen das Estremeftische, Kastilianischeund Murcianische (über welches, wenn ich nicht irre, vor etwadreissig Jahren eine Mittheilung im 'Semanario pintoresco' stand)lässt es sich allerdings wohl nicht eigentlich abgränzen. Ebenso-wenig enthält es in sich wesentliche Unterschiede. Dem Fremden,welcher nach solchen fragt, weiss man kaum Etwas anzuführen als(neben dem -ino von Estremadura) das -i/o von Sevilla, das -icovon Granada und das -iquio von Almeria, welches übrigens auchmurcianisch ist; vgl.:

Laf. 1314, 3En la huerta de MurciaPor im chaviquioLlenan una capachaDe pimentiquios.

Verlangt man statt dessen Charakteristisches der Aussprache,so wird von der singenden Sprechweise von Mairena, dem 'ronquido'von Jaen (welcher dem 'gestossenen Accent', wie er z. B. imDänischen üblich ist, zu entsprechen scheint) und Aehnlichem be-richtet ; höchstens erfährt man, dass hier s = z und dort z = s,

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DIE CANTES FLAMENCOS. 303

hier / = r und dort r = / gesprochen wird. Es ist vor Allem zuwünschen, dass das phonetische Verhalten eines einzelnen Ortesgenau studirt werde und zwar eines kleinern und entlegeneren;Sevilla z. B. ist weniger zu einer solchen grundlegenden Arbeitgeeignet, nicht sowohl wegen etwaiger localisirter Divergenzen, wiezwischen den Vorstädten Triana, Macarena und San Bernardo, alswegen der vielfach gemischten und wechselnden Bevölkerung. Vonden im Folgenden angeführten Formen sind die einen allgemein -andalusisch, die ändern mehr oder weniger begränzten Vorkommens,so dass sie sogar zum Theil miteinander im Widerspruch stehen.Für den gegenwärtigen Zweck macht das weniger aus; die Naturmeiner Quellen gestattete ein anderes Verfahren nicht. Denn daich an Ort und Stelle verhältnissmässig nur wenig in Kenntnissbrachte, so musste ich auf Gedrucktes zurückgehen und dieses weisteine ziemliche Mannichfaltigkeit von Formen auf, ohne einen festenAnhalt für die örtliche Bestimmung derselben zu geben. Es herrschthier (ich kann auch Demofilo's 'Cantcs flamencos' nicht davon aus-nehmen) zu viel Inconsequenz und Ungenauigkeit der Schreibung,als dass ein sicherer Aufbau darauf möglich wäre. Ich führe daherdie Formen durchaus so an, wie ich sie geschrieben finde undweiche, falls es überhaupt nöthig, zu Gunsten einer einheitlichenund rationellen Darstellung nur bezüglich des Lautwandels ab, fürwelchen sie gerade als Belege dienen. Die reichste Quelle für dieandalusische Volkssprache fliesst in den Lust- und Singspielen,welche Andalusien in den vierziger und fünfziger Jahren, mit spär-lichem Nachzug der Folgezeit, hervorgebracht hat. A. Sendras y Burinhat in der Enc. III 150 ff. ein Verzeichniss solcher Stücke (99 ander Zahl, von 36 Autoren) mitgetheilt und dessen Vervollständigungversprochen.1 Tomas Rodriguez Rubi, einer der dramatischenAutoren, hat übrigens noch 'Poesias andaluzas' (seg. ed. Madrid1845) veröffentlicht.

Dass sich das Romanische in Südspanien unter der Herrschaftder Araber einigermassen eigenthümlich entwickelte, darf wohl vor-

1 Welchen Umfang eine solche haben kann, entnehme man daraus, dassunter dreissig zufällig in meiner Hand zusammengekommenen Stücken sichzehn finden von neun Autoren, welche, die einen wie die ändern, Sendrasnicht hat. Die Exemplare der altern pflegen sehr arg mitgenommen undwenig appetitlich zu sein; man sieht es ihnen an, dass sie Bühnenzweckendienten und begreift leichter, wie so viele Einzeldrucke dramatischer Werkeaus frühem Jahrhh. gänzlich verschwunden sind. Wenn auch das Einzelnedieser Litterätur zum grossen Theil wenig Werth besitzt, so verdient sie doch inihrer Gesammtheit unsere Beachtung, indem sie einerseits ein Denkmal der andalu-sischen Volkssitten selbst, andererseits eines eigenthümlich gesteigerten Interessesan denselben ist, welches alle Classen beherrschte. Allerdings erscheinen sievielfach übertrieben, ja in's Lächerliche gezogen; und den Andalusiernmochte auf die .Dauer die immer wiederkehrende Gestalt des Eisenfressersnicht behagen. Die Gattung kam in Abnahme mit jenem Interesse zugleich— wohl besonders seit der Revolution ; so bedienen sich jetzt auch die höhernStände bei den Gelegenheiten, wo das überhaupt zulässig ist (wie den Stier-gefechten), der Majotracht weit seltener, als früher.

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304 H. SCHUCHARDT,

ausgesetzt werden; doch sind wir über das Mozarabische noch zuwenig unterrichtet1, um zu beurtheilen, ob und inwiefern es dasbei der Eroberung hierher verpflanzte Kastilianische modificirte.Auch wären ältere Handschriften andalusischer Herkunft auf etwaigeKigenthümlichkeiten hin anzusehen; so las ich z. B. in SevillanerHdss. des 15. und 16. Jahrh. Viceinie, Lloreinte, Clemcinte; als neu-andalusisch ist mir eine solche Neigung des e zur Diphthongirung(wie wir sie im Portugiesischen wahrnehmen) nicht bekannt. Mitder Sprache des niedern Volkes in Madrid hat das Andalusischedie grösste Aehnlichkeit; indessen weiss ich nicht, ob sich nichtetwa dort eine andalusische Rückströmung geltend gemacht hat,wie wir ja z. B. sehen, dass die Mundart der Stadt Rom etwa seitdem 15. Jahrhundert von Toscana aus stark beeinilusst worden ist.Die Kenntniss der Sprechweise anderer neukastilischen Orte würdedarüber aufklären. Wiederum steht das Spanische Amerika's, wassich ja aus der Geschichte leicht begreift, dem Andalusischen amnächsten, so besonders das von Buenos-Ayres und Montevideo,über welches uns G. Maspero in den 'Momoires de la Societe delinguistique de Paris* (1872) II 51—65 unterrichtet hat. EinigeMale werde ich auch Gelegenheit haben, das Bogotanische (in Neu-granada) zu vergleichen, dessen Kenntniss mir durch die 'Apun-taciones criticas sobre el lenguaje bogotano por Rufino Jose Cuervo'(seg. ed. Bogota 1876) vermittelt worden ist (A. Morel-Eatio hatRomania VIII 620 ff. Auszüge daraus gegeben, doch gerade Einigesnicht berücksichtigt, was mir von Wichtigkeit erscheint).

In einigen Fällen gewährt das Andalusische eine Form, welchealterthümlicher ist, als die in der Schriftsprache geltende. So istin mochacho (vgl. mocho, womit mir, Diez entgegen, mozo identischzu sein scheint, da z und ch nicht selten nebeneinander stehen),oste (= vostra nierced) 2, pos (= post^ so auch astur.3; — pus, auchbogot, wird freilich auf/f/cf zurückgehen) o nicht aus u entstandenund in mestno, ncnguno e nicht aus /. Ascucha für esc. findet sich

1 Die Veröffentlichung von Francisco Javier Simonct's, Professors desArabischen zu Granada, «Glosario de voces ibericas y latinas usadas entre losmozarabes precedido de un estudio sobre el dialecto hispano - mozarabe'(Madrid 1875), welches von der spanischen Akademie gekrönt worden war,ist leider in's Stocken gcrathen; ich bekam 1879 das bis dahin Gedruckte, ichdenke es war die Hälfte, flüchtig zu sehen und erhielt den Eindruck, dass dashier gesammelte reiche Material für unsere Studien von grösster Wichtigkeitsein würde.

2 O = u mag in vortoniger Silbe sich wohl entwickeln; vgl. mojer,rofian Calderon III 540» H.

3 Für das Asturische ziehe ich zu Rathe:Coleccion de poesias asturianas (Oviedo 1839).La olla asturiana por J. F. F. (Madrid 1874).El dialecto asturiano por D. Gumersindo Laverde Ruiz (in der

'Ilustracion gallega y asturiana' 10. u. 30. April, 20. Mai 1879).In dieser sehr schätzbaren Abhandlung werden drei Untermundarten

unterschieden: das 'bable occidental', das 'bable central', das auch das'bableliterario' heissen könnte, und das ' bable oriental.'

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Dili CANTES FLAMENCOS. 305

schon im Altspanischen (wie aspera für esp., das aber eigentlich wohlden VVerth von ad-sperare hat, wie auch aspanta Einmischung von adzeigt; vgl. aspaviento = esf.). Ursprünglich kann das ;/ in marfin fürmarfil (vgl. port, marfim] sein, dessen Herkunft noch der Aufklärungharrt. Jecha = jactare hält die Mitte zwischen echar und arag.//Ai/·.Um es beiläufig zu sagen, so ist es sehr merkwürdig, dass das gulbiades Isidor, ital. gorbia, (vom altkeit. *gu/b-\ s. Zeitschr. IV 125)in dem bogot. gurbia wieder auftaucht.1 Hingegen glaube ich nicht,dass and. pantasma (vulgärport. abantesma*1) für fantasma auf phan-tasma zurückgeht; vielmehr scheint hier das Wort espantar sich ein-gemischt zu haben. — In ändern Fällen reicht die Entstehungeiner andalusischen Form in die frühestc Zeit zurück; so erscheintcas für casa bei enger Verbindung mit einem folgenden Genetivfast als gemeinromanisch, indem es im Nordit. (ca), im Franz, (chcz),im Galiz. (cas), im Andal. (ai) auftritt. And. denguno (astur, dengwi)ist altspan. (Diez führt degun nur aus dem Fuero juzgo an) undprov. (degun); es liegt hier keine Nachbildung des ahd. dih-ein vor,wie Grimm und Diez meinen, sondern eine dissimilirende Abände-rung aus altspan. nenguno, prov. nengun (neguri); vgl. mail, doma =non magis, churw.-oberl. dumbrar = nwmrare (Ascoli Arch, glott. l 65)altfranz. doment = nominant, dumne = numnam, franz. done = nuncoder numquid (Cornu Rom. VII 364 f.), wie umgekehrt in dem fran-zösischen Kreolisch Westindiens in nans und none d—n zu n—ngeworden ist. — Gewisse Lautveränderungen, welche die Schriftsprachekennt, zeigt uns das Andalusische in etwas weiterem Umfange. Solässt sich hier die Dissimilation von /'—/ zu e—i (Diez Gr.3 I 175 f.)noch belegen durch devino, escrebt, menis/ro, polecia u. s. w., wie jaauch das Altspanische devino, escrebir, vevir u. s. w. bietet Es kanndabei auch das zweite / tonlos sein, z. B. melitares, senifica, trenia,vesita, beriera (für vidriera, Demofilo zu 29, 158: 'caso foneticomuy curioso'; allerdings wird sonst vor ie gerade e zu /', s. Dieza. a. O.). Das Bogotanische begünstigt umgekehrt /—/' für e—/', sodibilidadj infriar, siminario. Die Verwandlung des anl. f in h hatim Andalusischen mehr um sich gegriffen, als in der Schriftspracheund dabei ist wiederum das Andalusische auf einer altern Stufestehen geblieben, als diese, insofern hier — und ebenso im Kstre-meftischen und Ostasturischen — jedes aus f entstandene h nochlautbar ist, z. B. \\ab/a, \\ermoso, \\uir, \\uraean (port, furacäo). Rodri-guez Marin führt das andalusische Sprichwort an: 'Too aquer queno diga jacha, jorma y jiguera, no es de mi tierra/ Schreibweisenwie jay, jarma (= artnar), jonra u. s. w. bezeichnen gewiss keineallgemein volksthümliche Aussprache. Wenn nun das Andalusischein noch einigen ändern Wörtern f IM h gewandelt hat, so ist ein

1 Ich würde mich schwer dazu entschliessen, eine zufällige Ueber-cinstimmung anzunehmen, wie ich auch z. B. das römische permiciosa vondem alten permities nicht zu trennen vermag.

2 Aus Fr. Luis do Monte Carmclo, *Compendio de orthografia* (Lisboa1767).

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besonderer Einfluss mit im Spiel gewesen und zwar ein dissimili-rcncier (indem ein consonantisches // folgt). So haben wir im An-dalusischen: h«/ u. s. w., \xuera (foras), \iuente, \\uerza; gewöhnlichim Ostasturischcn: hot (und danach hos/i, homos, \iosies, \\oren),\\uercia, \wente, hueu, \iuelle (wenn bei Tirso de Molina die 'gallega'Mari-Hernandez hue und huente sagt, so darf uns dies Wundernehmen; übrigens war hier wie in ändern dergleichen Formen beiden alten spanischen Dramatikern, z. B. huera Calderon III 540» H.,die gleiche Aussprache gemeint, welche der heutige Spanier durchju- bezeichnet); ferner im Bucnosairischen: hui, \\ueran, huerza. Inand. ahorlunao, \\umar, \\ulnno, buenosair. huzi/, diliundio, pro\\undo(vgl. prov. preon) hat ein rein vocalisches u(o), die gleiche Wirkungerzielt; umgekehrt bogot. infundia = enjundia.

Suchen wir nun, nachdem wir einiges von Alters her Ererbtevorweg genommen haben, einen Ueberblick über die hauptsäch-lichsten Abweichungen des Andalusischen von der heutigen Schrift-sprache zu gewinnen, wobei jedoch auch manches Verstecktere undZweifelhafte hervorgezogen werden soll. Die Sitte, phonetische Er-scheinungen entweder nach ihren Ausgangs- oder Endpuncten inder Weise eines Index zu ordnen und alles Ueberschüssige einemNachtrag einzuverleiben, sollte schon jetzt eine veraltete sein; ichlasse sie fallen, um mich an die Natur der Erscheinungen selbst zuhalten. Trotz der Junggrammatiker, welche es sich zum Verdiensteanrechnen, den schon längst geltenden physiologisch-psychologischenGegensatz aufs Schärfste betont zu haben, meine ich, dass vomGehirne alle 4 Lautgesetze' dictirt werden. Es ist zwar der Zusam-menhang eines Lautwandels mit irgend einer Veränderung derSprachorgane sehr wohl möglich; allein auch dann ist das Sprach-centrum nicht unbetheiligt, vielmehr entscheidet es, ob und inwie-weit einem gegebenen Anstosse Folge geleistet wird. Dahin scheinensolche Fälle zu gehören, in denen ein Laut durchgängig durcheinen ändern ersetzt wird. Das spanische s ist von dem italienischenund französischen, welches wohl auch das lateinische gewesen seinwird, verschieden; ich halte seine Articulation für mehr coronal,die Rinnenbildung dabei für weniger tief. So lautet mir s in saber,masa anders als in sapere — savoir, massa — masse. Noch stärkeraber ist die Differenz vor Consonanten (und im Auslaut), z. B. zwischenspan, s in es/o und ital. s in queslo. Es nähert sich hier das spanisches etwas dem ,v, das portugiesische fällt fast, nicht völlig, mit diesem,das durch CH wiedergegeben wird, zusammen. Ezequiel Uricoechea,'El alfabeto fonetico de la lengua castellana' (Madrid 1872) S. 34,sagt: ' La s tiene indudablemente dos sonidos en castellano muyperceptifcles. Uno silbante, poniendo la punta de la lengua contralos dientes inferiores, levantandola del medio para hacer un canalestrecho por donde sale el alien to sonoro a estrellarse contra losdientes superiores, y otro mas espeso, poniendo la punta de lalengua contra la parte anterior del paladar y ahuecandola haciaabajo antes de dar el sonido. Marques, amapolas, Nicolas, hacemos

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DIE CANTES FLAMENCOS. 307

tiencn el scgundo sonido; si/bo, siempre, finisimo el primero.' Zu dieserVerschiedenheit in der Articulationsstelle kommt aber als etwassehr Wesentliches eine graduelle hinzu; das zweite s wird, wenig-stens auf einem grossen Theile des spanischen Gebietes, sehr, biszu h herab, geschwächt, wovon weiter unten. Es^ist die starke Aus-sprache des auslautenden oder vor Consortanten stehenden s, welcheden Fremden verräth. So heisst es im 'Globo' vom 12. April 1881von dem mallorquinischcn Prediger Cardona: 'Las eses resultan muyfavorecidas en sus labios. Las exhibe, las acaricia, las arrastra, lassilba de una manera exorbitante. Cada s adquiere ei valor clc seisletras iguales en su boca. Un ejemplo: Lasss dolorosassss palabrasssspronunciadassss por el Redentor . . . . etc/ Mariano Jose Sicilia'Lecciones elementales de ortologia y prosodia* (Madrid 1832)I 173, spricht von *el sisisismo, si se quiere admitir esta palabra paradenotar la pronunciacion afectada y chisporrotera con que algunoshacen sonar la s de una misma manera siempre aguda y muysilbante, cualquiera que sea la combinacion en que se encuentre.'J. Storm (Engl. Phi!öl. 29) behauptet, im Spanischen vor tönendenConsonanten ein halbtönendes s (gleichsam sz) gefunden zu haben,z. B. es/avo.1 Ich glaube nicht, dass er dies von Andalusiern gehörthat, natürlich von echten; und hat er es in Madrid gehört, so wardabei vielleicht französischer Einfluss im Spiel; vgl. Sicilia a. a. O.S. 174: estos vicios se podria afladir todavia la introduccionde algunas pronunciaciones extranjeras de la s con especialidadde la s francesa que jamas tiene juego en castellano.' DieUnterscheidung, welche L. Bonaparte (Ellis 1105*) zwischen demandalusischen s, welches 'perfect* sei, und dem kastilianischen9 macht, welches Ellis von ihm als 'a retracted s with a rattle ofmoisture* hörte, ist mir nicht ganz klar. Vgl. eine unten angeführteBemerkung Demofilo's. — Ebenso ist der tonlose interdentale Reibe-laut im Spanischen ein anderer als im Englischen. Dass, wieStorm E. Ph. 23 meint, das span, z viel mehr -haltig sei und

1 An der Schärfe der von Storm und einigen ändern Phonetikern ge-machten Beobachtungen habe ich Nichts auszusetzen, wohl aber an der Artund Weise, wie sie ganz allgemeine Behauptungen und die Irrthümlichkcitanderer Behauptungen darauf gründen. Wenn es sich um solche Feinheitenhandelt, die nicht in der raschen Rede sofort und sicher aufgefasst werdenkönnen, so müssen wir eine Menge von Constatirungen vornehmen, damit unsnicht etwa individuelle Eigentümlichkeiten irre führen, und zwar an Personen,die möglichst stabil und ungebildet sind. Grosse Städte halte ich für schlechteBeobachtungsstationen. Wie für die Kraniologie, so ist auch für die Phonetikein sehr reiches und sehr sorgfältig gewähltes Material nothwendig. So findeich es z. B. durchaus unzulässig, dass Sweet (Handbook of Phonetics) in derAdd. Not. S. 213 die S. 117 gegebene Definition des span, b als bh auf diean Storm, also einem Nichtspanier, der nur kurze Zeit in Spanien gewesenwar, vorgenommene Beobachtung hin modificirt. Storm E. Ph. 86 mussteselbst eingestehen, nicht gewiss zu sein, ob die Lippengestaltung beiseiner eigenen Aussprache des span, b wesentlich sei. Sie wird überall nurzufällig sein und mit der Lippenbildung des Individuums zusammenhängen;mir z. B. wird es schwer, ein bilabiales w anders denn bilateral zu erzeugen.

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308 H. SCHUCHARDT,

durch eine losere Anfügung oder Annäherung der Zunge an dieZähne gebildet werde, getraue ich mir nicht zu bestätigen. Kllis(1105^) fasst das z als bilateral ('with perhaps only a central check')auf; es liegt darin etwas Wahres, insofern beim z die mittlereRinnenbildung, welche das s charakterisirt, nicht stattfindet. — End-lich haben die Spanier an Stelle des tönenden labiodentalen Reibe-lautes (z>), der sich bei den Franzosen und Italienern findet, denlabiolabialen ( ). Wenigstens ist der letztere bei ihnen altein-heimisch, jener ein Eindringling aus dem Catalanischen und Fran-zösischen, wie Uricoechea S. 16 richtig erkannt hat. Indem nunfür die Spanier das w bald mit dem b, bald mit dem v zusammen-fällt, kurz, indem sie immer nur zwei, nicht drei Laute nebenein-anderhaltcn, sind ihre Angaben über die Verwechslung von v undb höchst unklar. Rodriguez Marin sagt: 'La b se subroga, tamhicnsin exccpcion, cn el lugar de la v: bania, bapo, yubia! Das könnteheissen, an Stelle des echtspanischen w tritt b; es soll aber vielmehrheissen, an Stelle des schulmässigen v tritt w. B wird als w ge-fasst (auch von Salva in seiner Grammatik), da die Labialrncdiaim Spanischen — auch vor / und r! — spirantisch zu lautenpflegt (vgl. Storm E. Ph. 86. 434). Schon Cesar Oudin, 'Gram-maire espagnolle' (Brux. 1639) S. 6, hatte dem b dieselbe Aussprachewie dem v zuerkannt, *non toutes-fois comme le b ou v Francoisqui ont une difference remarquable, mais ainsi que les Gascons leprononcent, ou comme le w des Allemands; et pour les bien pro-noncer, faut prendre garde de ne battre les levres l'une contrePautre, ains laisser un peu d'esprit entre icelles'; vor Consonantenaber soll b den eignen Laut haben. Desshalb ist zuweilen in an-dalusischen Drucken auch v = b geschrieben; z. B. de valde, armi-varao. — Doch, um von solchen allgemeinen Erscheinungen aufspeciell andalusische zu kommen, so pflegen die Laute s und zhier nicht auseinander gehalten zu werden. Nach Mateo AlemanOrtografia castellana' (Mexico 1609) würde diese Eigenthümlich-keit sehr weit nach Norden reichen; er sagt S. 52»: aunqueandan trocando e.ntre Andaluzes, rreino de Toledo i Castellanosviejos, la por J\ i z por , quien atentamente las confiderare,hailarä el vicio.' Aus den schriftlichen Aufzeichnungen kann mannicht klug werden, da beide Zeichen meistens bunt durch einander ge-worfen werden, wenn auch 'das eine das andere überwiegt. Demofilomeint sogar, dass z für s und s für c (das doch = z ist) gesprochenwerde, also ein völliger Rollentausch stattgefunden habe: caza fürcasa, grasia für gratia \ dies s aber laute nicht wie das s derMadrider, 'sino con un sonido especial y propio, peculiar exclusi-vamente a la raza andaluza' (Rev. d. S. II 42). Rodriguez Marinstellt die Sache dahin richtig, dass in den einen Mundarten z, inden ändern s begünstigt werde (und vennuthlich bei den Unge-gebildeten mit gänzlicher Ausschliessung des ändern Lautes); er sagtbezüglich des s: ' En unas partes se observa una senalada inclinacional zetacismo (Olvera [Cadiz], Moguer [Huelva], Ecija [Sevilla] etc. etc.)

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3OQ

y de ahi el ceceo que por todos se nos atribuye; en otras sele da un sonido sibilante1 (Estepa, Martin de la Jara, Pedrera[Sevilla], Almargen [Malaga] etc. etc.); pero en las mas (Sevilla,Osuna, etc.) se pronuncia de un modo regular y aun se subrogala s en el lugar de la z y de la c suave/ Was Storm E. Ph. 23vermuthet, dass nämlich die Zigeuner das ceceo (zenores), welchesCervantes als für sie charakteristisch anführt, von den Anda-lusicrn — oder vielmehr von einem Theil derselben — ent-lehnten, ist wohl keinem Zweifel unterworfen.2 Das Calo selbsthat sich in Andalusien lautlich durchaus dem Andalusischen, wiein Spanien überhaupt dem Spanischen angepasst; so ist es sehrbemerkenswerth, dass es an der Wandlung des s zu theilge-nommen hat, welche doch in eine Zeit fällt, da die Zigeuner nochziemliche Selbständigkeit besassen (s. Miklosich JM. u. W. d. Z.IX 40f.; doch chaja, 'Kohl' = sack, singe, = sing nebenjingalc, iZiegenbock').3 — Solcher Lautwandel, wie w für jedes ?;,s für jedes z, z für jedes s hat gewiss das meiste Anrecht darauf,als 'spontan' betrachtet zu \verden; und dennoch müssen wir dieMöglichkeit zugeben, dass er erst ein bedingter gewesen ist undsich dann verallgemeinert hat, wie das sicher der Fall da ist, woder eine Laut als Schwächung des ändern (z. B. w von b) erscheint.

Die meisten Lautveränderungen lassen deutlich erkennen, dasssie combinatorischer Natur und als solche psychologischen Ursprungssind. Gewöhnlich fasst man die Laute als selbständige Potenzen,während sie doch nur Thätigkeiten eines Subjects bedeuten. Indie Hervorbringung eines Lautes (einer Silbe) kann sich die Vor-stellung eines folgenden oder eines vorhergehenden Lautes (bez.Silbe) einmischen und bald anziehend, bald abstossend wirken.Die Trennung in assimilatorische und nichtassimilatorische Erschei-nungen, welche Sievers hat (ohne dabei von der Dissimilation zureden), kann ich nicht billigen; ebensowenig halte ich den Unter-schied von räumlicher und zeitlicher Verschiebung für einen wesent-lichen. Ich entwerfe folgende Uebersicht hierhergehöriger Laut-veränderungen , für welche mir andalusische Belege zu Gebotestehen.

1 Es scheint also der oben erwähnte sisisismo nicht bloss als Affectationoder Fehler der Fremden, sondern auch als mundartliche Eigenthümlichkeitaufzutreten.

2 Sicilia (I 65) sagt vom ceceo: ' Este resabio es peculiar en Espafia demuchos pueblos de Andalucia, y adolccen de el principalmente los jerezanosy cordobeses. La pronunciacion de los jitanos se distingue tambien muyparticularmente por este mismo ceceo.'

3 Auch Don Pedro der Grausame 'ceceaba un poco en la fabla',wie uns der Chronist Lopez de Ayala berichtet; that er das als guter Anda-lusier, der er war (obwohl nicht dort geboren), oder war das ein ganz indivi-dueller Fehler? Was die Aussprache s = z anlangt, so ist sie meines Wissensin Amerika die herrschende (Maspero bezeugt sie ausdrücklich für dasBuenosairische).

Zeitschr. f. rom. Pli. V. 21

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310 H. SCHUCHARDT,

L Assimilatorischer Wandel:i. regressiver:

von Lauten:n = gn: z. B. endino, inorancia, Inasio, sinifica, repuna (so auch

kastil. und buenosair. indino, inorante u. s. w.). Das gin gn ist nasaler Verschlusslaut ( ); nach einem solchenmuss aber zunächst, wenn auch nur als Üebergangslaut,der homorgane nasale Dauerlaut folgen ( )*, an letz-teren assimilirt sich der Verschlusslaut ( ) — dieseAussprache, welche der unsrigen des lat. gn entspricht,glaube ich in Andalusien gehört zu haben.

/ = gl: ilesia (so auch astur.). In iglesia ist g lateraler Ver-schlusslaut, kann sich also leicht in den lateralen Dauer-laut verwandeln.

y = // (fy)*: ausnahmslos, z.B. caye.yeva (auch astur, und meistensin Amerika, doch z. B. nicht in Bogota, wohl aber inden Küstengegenden von Neugranada).

y = n (ny)*: ausnahmsweise, so so = *seyo (vgl. bogot. mi sw)= seHor, player a (s. oben S. 290) = planidera.

bu = gu: abuja gehört der gemeinsamen Sprache an, ich habeaber sogar busta geschrieben gefunden.

Bethätigung der Wahlverwandtschaft von e, / ' zu s: fante s .theilweise Vocalangleichung (Epenthese): faüigas, naidie, faision

(? s. unten).dieselbe mit Dissimilation verbunden (Attraction): (vgl. altspan.

astur, naide) perpeuta, csiaula.theilweise Consonantenangleichung (Svarabhakti): (vgl. bogot. albi-

ricias, canguerejo).dieselbe mit Dissimilation verbunden (Metathese): pirvilejio (vul-

gärport. pirvikgid); (vgl. bogot. culeca, super/u/o).von Silben:

von »-haltigen: singun, ruinseHo (astur, ruinsenor).mit Dissimil. verb.: binge (Dem. 40, 202 u. ö.) = *bingen für birgen.

1 Sievers2 139 hat dies nicht erkannt, obwohl es bei den nasalenTenues besonders in die Ohren fällt. Pna ist = aus einem ähnlichenGrunde, wie anl. pta £ta ist, wobei ich von dem unexpiratorischen p (vgl.Sievers2 136 f.) absehe, welches ich sowohl vor n als vor t bilden kann.Es lässt sich der dentale Verschluss nicht eher herstellen, als der Nasen-verschluss geöffnet ist; dann aber ist bereits ein Quantum tonloser Luft durchdie Nase entwichen. Ich hatte auf dieses Vorkommen tonloser Nasale schonRomania III 6 hingewiesen.

2 Zwischen denjenigen, welche die mouillirten Consonanten des Roma-nischen als einfache, und denjenigen, welche sie als zusammengesetzte Lauteansehen, ist der Compromiss weniger schwierig als man denken sollte. WennStorm E. Ph. 46 meint, es breite sich im romanischen n das i oder j zumTheil über das n hinaus, und L. Bonaparte (s. ebend.), es finde sich in ital.gl und gn kein 'after sound of/, beyond what is necessarily generated bythe loosening of the contact', so möchte ich nur hinzufügen, dass der Contacteben immer langsam genug gelöst wird, um einen Üebergangslaut y zu er-zeugen.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3 I I

von r-haltigen: z. B. frabrica, tremprano.mit Dissimil. verb.: z. B. frabica, trempano (wie fartiquera

neben fartriquerd), catrea, hiproquesia, probecito, treato.2. progressiver:

von Lauten:/;/ = mb, mv: tamien (auch astur, buenosair.), comenensia.f = fu ://.m -f- Voc. + n = m -f- Voc. (Zwischenstufe m + Nasalvocal):

muncho (auch astur., schon altspan.), manque für ma\\que(vielleicht aber mit Einmischung von aunque), (vgl.span, cementerio, mancha, manzana, mensaje, resumen,ninguno, altspan, menge, nin, port, mancha, mensageiro,mim, mäi, müilo, astur, min).

ni = na : anidio (so auch altspan. und bogot.).Voc. -f- /' oder u = Voc. + c (vor /): caraite, indereilo, reuto, de·

feuto, respeuto, efleuto, perfleuto (mit eingeschaltetem /)(vgl. buenosair. carauter, afeuto, respeuto). I und u stellensich hier wie im Portugiesischen unter ganz gleichenBedingungen ein. Vollständige Angleichung an denvorhergehenden Vocal: indireto, jaiansia, netar, olava,sedutor, wie in der gemeinsamen Sprache doior nebendoctor, efetivo neben efectivo, vitor neben victor u. s. w.(vgl. buenosair. leior, protetor, jatancid). Ist in faision(vgl. buenosair. satisfaicion, refleision, aicion) i = et

gänzliche Angleichung von Vocalen an Vocale in einer Silbe(Zusammenziehung): alante (a\d]elante), ande (a\d"\onde\so auch buenosair.), anque (altspan. astur.), coma (coma-[är]e)f mu (muy, auch astur.).

Epenthese, auch mit Dissimil. verb.: suidia (suida = ciudad)sudia, cuidiao cudiao, fralie.

Svarabhakti: indihigensia (wohl für mdulugensia, wie das Buenos-air. hat). Mit Dissimil. verb, vielleicht in presona, pre-juicio, premiti u. s. w., doch ist hier eine blosse Ver-wechselung von per- und pre- denkbar.

3. reciprok:von Lauten:

Ausgleichung: rucho = *ruso = rucio (ru^o).Umstellung: culerba, requierbo; suida (ciudad\ vgl. frz. ruisseau, tuile).

von Silben:theilweise Umstellung: estogamo (vulg'aTport. estagamo, daher zig.

ogomo), otavia (für toavia; vielleicht ist es auf dot. fürtod. zurückzuführen), tarama (Laf. II 177, 3).

II. Dissimilatorischer Wandel:i. regressiver:

dy = y. Meinen Ohren war das y der Madrider als mit einemleisen vorgeschlagenen d erschienen, besonders auf-fallig z. B. in rey (rei), r eyes (redyes)\ der CatalaneD. Joso Letamendi, Professor in der medicinischen Facultät

21*

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312 H. SCHUCHARDT,

von Madrid', bestätigte diese meine Beobachtung. InAndalusien fand ich dieselbe Aussprache wieder. Ayqya)><iy(im Schaltvers der Petenera) klang mir deutlich wieadyadyadyai\ Cuervo führt als bogotanische Aussprache inder That achachai ('ejemplo curioso de la afinidad dela y con la r//') an. In gewissen Gegenden Westasturienstritt an die Stelle des gemein-astur, y ch 'fuerte' (tiavacha= navaya, trabachar = Irabayar, vice hu = vieyu). Beieinem Polen, der sein Spanisch in den Laplatastaatengelernt hatte, befremdete mich dz für y (buedzes) höch-lichst. Maspcro bemerkt für Buenosaires und Montevideo,dass y gewöhnlich wie franz. j gesprochen wird; ist dasganz richtig und nähert es sich nicht vielmehr demital. £·'? Dieses d tritt in einem Falle, der aber aller-dings ein alter und weitverbreiteter ist, deutlich hervor.Das ital. gire kommt nicht von de-ire, wie Diez ver-muthet, sondern ist aus Formen wie gisse (iissef), giamo(eamus]j giendo (iendo für eundo) abgeleitet. So ist dennauch and. äst. buenosair. dir aus diendo far yendo, * diese(zisse/) u. s. w. zu erklären. Dio für ido ist keine Meta-these, wie Dem. S. 127, Anm. i meint.

güe = wue ==· hue: güevo (und vuevo]y güerfano (astur, güeyu =====oju, güerta, gücsu, güevu, buenosair. güerlo, güevo, gücso,güella, güeco).

güe = wue = buey vue: güeno, gücy (astur, güenu, güc\ buenosair.Güenos-aires, güelia).

gu = wu = bu: gunuelo, gurr a.go = wo = bo, vo\ agotengo, gofelon, gorracho (vgl. altspan.

golpe, gomifar). Vigo/on, go/t', gorle. (astur, bogot. gohw)wohl nach w'güela, güele, güelve.

gr = gur = wur = ur: agrora (zu Almeria), Gropa (Eur.\ vgl.buenosair. Uropa), Vgl. ital. ugola = uvo/a; Pago/o =Pavolo = Paolo.

gr = gwr = wr = br: groma (astur, cngromar), gravlo (vgl.bogot. gramar}.

r m = nm: ermienda, har mandao, forme, cormigo, crmela.von Silben:

r. -f- m. = n. -f- /;/.: morumento (Dem. 16, 83); vgl. rumän. mor-mtni und schon in einer alten Inschrift der Balkanhalb-insel findet sich, wenn ich nicht irre, morimentum (hatsich vielleicht mori eingemischt?).

2. progressiver:ig = yy (wegen der Doppelung vgl. franz. y): haiga (auch astur.

1 Dieser Herr zeigte lebhaftes Interesse für lautphysiologische Unter-suchungen; es wäre sehr zu wünschen, class er seinen Landsleuten einige,wenn auch nur elementare Anweisungen ertheilte. Die Mecliciner sind ja auchbei uns den Linguisten auf diesem Wege vorangegangen.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3 13

bogot.), huiga (auch bei Cervantes) (vgl. span, caigo,oigo = alt cayo* oyo\ aragon.-catal. haigue, fuigo, wieveigo, vaigo u. s. w.).

at «= ae: caira, traira (vgl. span, -ais = alt -ades\ astur. cat,train, buenosair. traira, train, trat, cam].von Silben:

r. -\~ L = r.-\- r: quereles; Lafuente II 107, Anm. : *El pluralde querer [vielmehr quere] es quereles.9

Solcher combinatorische Wandel steht nun aber keineswegsin einem principiellen Gegensatz zu dem, welchen man als spontanenbezeichnet; vielmehr beruht er selbst wiederum auf Spontaneitätund es läuft im Grunde auf Eines hinaus, ob innerhalb einerSprache sich eine Abneigung gegen einen Laut überhaupt odergegen einen Laut in bestimmten Verbindungen entwickelt. In derThat gibt es Arten von Lautwandel, welche eine vermittelndeStellung einnehmen. Eine assimilirende Wirkung kann sich nichtbloss regressiv oder progressiv äussern, sondern auch in beidenRichtungen zugleich und dies wiederum nicht bloss über's Kreuz,sondern auch auf ein Dazwischenliegendes. So werden z. B. inter-vocalische Tenues zu Mediae; und wir betrachten das nicht alsSchwächung, da zwar die Expirationskraft vermindert, dafür aber derStimmton hinzugetreten ist. Eine Schwächung findet sich nur da,wo eine Articulation sich der Indifferenzlage der Sprachorgane an-nähert, wo aus einem Verschlüsse eine Enge, aus einer Enge eineweitere Oeffhung (für h oder einen Vocal) wird. Auch derartigeReductionen sind an bestimmte Bedingungen gebunden; immerhinliegt ihnen eine allgemeine Tendenz zu Grunde, die nach Nivelli-rung, nach Erniedrigung zu stark hervortretender Lautgipfel undsie dringen daher nicht selten weit über das ursprüngliche Gebiethinaus, wie das z. B. mit w = b der Eall ist Hier lässt sichdie Beziehung zur Gehirnthätigkeit wohl am Ehesten erkennen.Es ist klar, dass durch die besondere nationale Nervenorganisationzunächst Alles dasjenige in der Sprache geregelt wird, was ich dasMusikalische nennen möchte und worüber es uns — was dieromanischen Idiome überhaupt anlangt — fast noch gänzlich anAufzeichnungen fehlt. Dahin gehört auch das Durchschnittstempo.Die Andalusier sprechen ausserordentlich rasch, am Raschesten vonallen Spaniern und so ist es kein Wunder, wenn sie, wie man vonihnen und sie selbst von sich sagen, die Hälfte der Sprache ver-schlucken (*se comen'). Es geschieht dies aber nicht sowohl mitdem Fleische, als mit den Knochen. Vocale schwinden zwischenConsonanten da wo starke Expirationsdiflferenzen existiren; solcheaber kennt das Andalusische nicht (es hängt dies eben mit jenemPrestissimo zusammen) und daher auch keine Vocalsynkopenl, kaum

1 Abfall anlautender Vocale wird veranlasst durch vorangehenden vo-calischen Auslaut ( lamea, londra) und bürgert sich in einigen Wörtern,wie chavo, ein. Vor s impurum pflegt e nicht zu schwinden; stoy Dem. 53,

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3'4 H. SCHUCHAKDT,

Vocalschwächungen, wie .0 zu e in atcmo (vulgärport. atimo, ital.ultimo).*· Wie / für unbetontes e als Schwächung aufzufassen, weissich nicht; es erscheint häufig, so asibuche, isper , piscueso, rialcs(i = e vor Vocal im Buenosair. gewöhnlich, so pion, pior, liafro,rastriar u. s. w.; doch auch sonst, z. B. stgun, Itciones), rigular, risueyo,sigun (auch ist, vinio gegen eine oben angeführte Regel); umgekehrtfinde ich e für unbetontes / ganz selten, so fegiira!1 Wohl aberschwinden im Andalusischen Consonanten zwischen Vocalen unddie auf diese Weise zusammengerückten, ebenso wie die ursprüng-lich neben einander stehenden Vocale werden quantitativ undqualitativ mit einander verschmolzen; so lautet z. B. das allerdingssehr häufig gebrauchte mire usted wie mü\tt. Wenn wir nun fragen,welche Consonanten das Andalusische zu beseitigen strebt, so sindvorerst die Tenues ausgenommen. In der labialen Reihe ist dieMedia zur Spirans herabgesunken und die tonlose Spirans zu h —Beides aber auf weiterem Sprachgebiete —; die tönende Spirans,secundäre wie primäre, bleibt (obwohl ich z. B. conciera gefundenhabe). In der gutturalen Reihe bleiben die Media und die tönendeSpirans (y); die tonlose Spirans lautet, wie allgemein anerkanntwird, schwächer wie in Madrid, mag in wahrhaft volksthümlicherAussprache fast mit unserm h zusammenfallen. Die schriftlicheDarstellung lässt uns hierüber im Unsichern; in der Schriftsprachegibt ja j nicht nur unser ch, sondern auch unser h wieder, z. B.i ja ja! je! jejem! (vgl. auch jaca = haca). Diesen Werth hat j,wenn ich mich nicht täusche, in den andalusischen Schreibungenjabld, josico, juerza u. s. w. Ist nun das j in jardin, jamas dasselbeoder auch im Andalusischen noch eine wirkliche Gutturalspirans?Demofilo bemerkt (Rev. d. S. II 39), man spreche hoja in Andalusiennicht, wie wir erwarten sollten, joja, sondern in allgemeinspanischerWeise oja aus, um die Aufeinanderfolge gleicher Laute zu ver-

277, stas Enc. III 342, 8 zu Anfang des Verses ist ein besonderer Fall(auch im Astur, findet sich ta = esta). Weit häufiger wird ein Vocal undzwar a vorgeschlagen, in dem wir jedoch nur die Präposition ad zu sehenhaben: ajuntao, alebantd, aluego, arrespondt, ayego u. s. w.

1 In rebusto (vulgärport. rebusto] hat sich, wie in vulgärlat. retundus,die Praep. re- eingemischt (Umstellung aus rebustus ist vielleicht ital. rubesto,rubizzo, rovisto, altfranz. rubeste); in hespisio (vulgärport. hespicio} hatzusammengesetztes s gewirkt, wie in altspan. escuro (so auch port.), espital(vulgärport. hespital oder hesprital}. Vgl. Laf. 1232, 4:

Cuatro cosas bien dichasDice la jente:Hespital y vesitaTrimulto y juente.

1 In / Josu! scheint die Verstärkung eines unbetonten Vocals eingetretenzu sein; in der That aber werden hier und bei / quid ! für / ca ! die Lippen unterdem Drucke eines Affectes in bestimmter Weise geformt (verwundernd vor-gestülpt, verächtlich auseinandergezogen) und so ein Lautwandel hervorgerufen.In Schmerz oder Zorn klingt (bei zusammengepressten Zähnen) ein italienischess manchmal (besonders vor einer Tenuis) fast wie 5: ' mi duole la testa', * tido un schiaffo* hörte ich, wo sonst s unbekannt war. Man vergleiche auchdas im Bühnenpathos oder in wirklicher Erregung stark aspirirte franz. haine.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3 15

meiden. Von den Lauten der dentalen Reihe endlich ist keinerverschont geblieben. Doch hat hier das Andalusische das nurweiter und bis zum Extrem fortentwickelt, was auch im Kastilianischenhervortritt. Dieser An t iden t a l i smus , welcher die wichtigste,wenn auch wie gesagt, keine eigentlich charakteristische Erscheinungdes Andalusischen ist (deren dieses überhaupt nicht hat), wird inso-fern ein besonderer Ausdruck jener allgemeinen Nivellirungstendenzsein, als die dentale (wenigstens die gewöhnliche coronale) Articu-lation sich verhältnissmässig am meisten von der Indifferenzlageder Sprachorgane entfernt. Käme mehr die Stelle, als die Grosseder Bewegung in's Spiel, so würden mehrfache Ausweichungen indie ändern Reihen stattfinden. Ich glaube nur e ine solche nach-weisen zu können, die ich schon seit langer Zeit an Spaniern (undnicht bloss an Andalusiern) beobachtet habe und von der ich erstbei Storm E. Ph. 38 eine Erwähnung finde und zwar folgende:'Endlich gehen die Nasalvocale an der Grenze der Sprachgebietein den gutturalnasalen Consonant über, welcher nur als unvoll-kommener Widerhall anzusehen ist; so in Südfrankreich und ander Ostgrenze des französischen Sprachgebiets; so auch im Süd-spanischen (in Andalusien und Estremadura), wo enß der Wider-hall des portugiesischen em fim ist.' Mir ist öfter das spanischeweniger guttural als unser ng erschienen und ich werfe die Frageauf, ist nicht dann etwa der dentale Verschluss mit einer Hebungdes hintern Zungenrückens verbunden ? Uebrigens wahrt im Anda-lusischen das auslautende «, wenn ich mich nicht täusche, vorVocalen den rein dentalen Charakter. Es kann noch erinnertwerden an die Ersetzung des labiodentalen v — bei dem allerdingsdie Zunge nicht mitwirkt — durch labiolabiales w, welches der In-differenzlage näher ist, als jenes. Auch vennuthe ich, dass dasultspan. f, ehe es zu // wurde, labiolabial lautete, wie sich umgekehrtaus arabischem und deutschem und h besser erklären lässt, als f.Das neuspan. = altspan. s darf man nicht als ein Beispiel vonStellenvertauschurig anführen; ,9 ist ein guttural-dentaler Laut, dessenNatur freilich noch nicht vollständig aufgehellt ist; indem die den-tale Enge gelöst wird, bleibt der gutturale Reibelaut übrig. Esgehört daher dieser Wandel mit den andalusischen Erscheinungen,die ich nun bespreche, zusammen.

i. Tönender Verschluss zu tönender Enge. Dem innern(dentalen oder alveolaren) d entspricht als Reibelaut das ungerollter, wie es in Ires, para, por erscheint *, dem interdentalen d das Ö,

1 Ich habe mich hier des Ausdrucks 'Reibelaut* bedient, um nicht einenneuen, wie 'Engelaut', einzuführen und weil es für uns unwesentlich ist, obdas tönende r von Reibegeräuschen begleitet ist oder nicht. In der neuenAuflage von Sievers verzweigen sich, allerdings noch schüchtern, die .tf-lauteaus der Classe der Liquiden in die der Spiranten; aber nicht bloss das spiran-tische r von engl. dry, sondern auch das r von engl. very und span, para(das mir übrigens nicht ganz das gleiche zu sein scheint) gehört innig zu &. Es

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3l6 H. SCI1UCHARDT,

dessen tonloser Laut durch c, z wiedergegeben wird. Interdentales/ und d habe ich in Kastilicn und Andalusien vernommen; dochglaube ich, dass die innere Articulation die herrschende ist. Wennnun 8 im Inlaut sehr häufig ist (iftca, nafta), und im Auslaut, nachkastilianischer Aussprache *, das Regelmässige (Madrift, vety, so habenwir zu beachten, dass auch anderswo Ö ein inneres d zu vertretenpflegt. In Andalusien aber wird wie in Süditalien (s. Romania III 2 6 f.)d zu r suave geschwächt2, lässt sich jedoch nur in wenigen Fällennachweisen, da ja r zu schwinden pflegt; inlautend z. B. Garifana,seguiriya, paeres (paredcs), soleares (solcdades]\ in den beiden letztenFällen blieb von zwei aufeinanderfolgenden r das zweite. NachRodriguez Marin steht r in der 2. P. PL des Imperativs: ir, dejarmc,temer. Vor Consonanten z. B. arqueri, armiro, arvierto.

2. Laterale tönende Enge zu medianer tönender Enge. L zur suave ist sicher als Schwächung anzusehen; der feste Contact inder Mittellinie der Mundhöhle wird gelöst. Nach Rodriguez Marintritt es regelmässig vor Consonanten ein: artura, gorpe, mär dito.Im Auslaut sollte es nur vor Consonanten stehen, hat sich aberallgemein festgesetzt: er, lar, sor, faror. Auf engerem Gebietescheint r = l nach Consonanten in portugiesischer Weise vorzu-kommen, so brandOy branco, craro, cumpri, groria, prase, pranta^regra, tembra*

Es wird in einer und der ändern Mundart (wie in der vonConstantina) auch umgekehrt r vor Consonanten durch / ersetzt, socuelpo, isvelgonzao, picaldia. L für r = d: alveriio (buenosair. alvertir,almareao, almiracion, almitian). Bemerkenswerth ist perfilia (vgl. span.homecilio, friaul. umilia, pavan. fnvigtiusiu.s.w. Ascoli Arch, glott. I 528,bei dem ich obereng, inviglia vermisse, franz. Gilles, prov. Gili\vgl. altfr. homecire, envire, Gt'rc, prov. G/r/'; s. G. Paris und Havet

ist manchmal schwer zwischen und r zu unterscheiden; so hallen viele vonden Syltern selbst den Auslaut von bruati u. s. w, für ein r. Andererseitsklingt das spanische r suave einem ungewohnten Ohre leicht wie die an der-selben Stelle erzeugte Media. Um die limeftische Aussprache wiederzugeben,wird geradezu d für r geschrieben: caballedo, qiieded, amod (Simon Ayanquc,' Lima por dentro y fuera'). Manolito Gazquez, ein sehr populärer Sevillaner,der, wenn ich nicht irre, um die Wende unserers Jahrh. lebte, soll d stattdes weichen r gesprochen haben; sein Lieblingsausruf war jchodizo! Vgl.Revue des langues romanes I 123: *Dans certaines localitos, et particulierementdans la ville de Montpellier, Yr entre deux voyelles a presque le son du d.Quelques poetes contemporains ecrivent mSme paduda, miseda, tidä pourparura, mtsera, tirä.

1 Diese ist sehr alt; vgl. das Madriz Berceo's. Die Grammatiker habensich auf verschiedene Weise bemüht dies ft zu beschreiben; so sagt z. B.Carol. Rodriguez, 'Linguae Hispanicae compendium' (Hafniae 1672), das d amSchluss der Wörter laute 'fere duplex: hermandadd'; man erinnere sich desspirantischen d der Dänen.

2 In der Schriftsprache ist r für d sehr selten, so lanipara. Oudin,'Grammaire espagnolle' (Brux. 1639) kennt neben cedilla eine Form cerüla;Giov. Miranda (1569) schreibt ceriglia.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 3 I 7

Romania VI 132 f., 255).l Ich finde noch ßaile\ vgl. buenosair.flaire (ebend. ve/ay = ved ahiy pajuela = par a afuera).

3. Tönende Enge zu tönender Weite. R geht in einen t'-artigenVocal über;

a) dieser Vocal kann sich nur halten bei folgendem Consonantenund wird dann, ich weiss nicht ob ganz richtig, durch i (vgl.unser ai = ae] wiedergegeben.

a) i = urspr. r. Rodriguez Marin: hi r interior lasustituye en algunas regiones la /', cuando la silaba em-pieza con g, c fuerte ö g: poiqucro, chaico, laigo? Dochfinde ich i auch vor Labialen und Dentalen, so gaivoso,seipenton, apdiiate. Umgekehrte Sprechweise trarga Dem.154, 24. Schreibungen, wie arsion (action], esersion (es-cepcion) haben vielleicht denselben Sinn.

fi) i = urspr. /: coigao, saiga, vaiga, goipc.Die Neger auf Cuba kennen denselben Lautwandel: *enla Habana y Matanzas algunos de los que se titulancurros, usan la i por la r y la /: "poique ei nino pueeconsiderai que es mejoi dinero que papei" (Diccionarioprovincial casi - razonado de voces cubanas por D.Esteban Pichardo, segunda edicion notablemente atimen-tada y corregida, Habana 1849 — die erste Ausgabeist von Matanzas i830).2

) = urspr. a*. Abgesehen von pronominaler Enklisishat d von Consonanten nur r nach sich und mit diesemmuss es ja zusammenfallen. Wenn ich doch nun ziem-lich oft ir = dr finde: cuairiyay laird, latron, maire,mairecüa, mairina, pairino, so wird dafür als VorstufeÖr anzusetzen sein, wie mir dies jetzt auch im Proven-zalischen am wahrscheinlichsten ist (während ich früherir = g r für dr ansetzte).

b) Zwischen Vocalen muss der ^-vocal schwinden, d. h. sichdem vorhergehenden assimiliren. Auch vor Consonanten wirder öfters nicht ausgedrückt.

a) * = nrspr. r. Im Inlaut, nach Rodriguez Marin, inder 3. P. PL Per f.: mataon, coniieon, escubrieon und sonst*muchas veces': paa pa (so auch astur.), quieo, mia, paece(ebenso astur.). Es wäre zu untersuchen, unter welchenBedingungen intervocaiisches r bleibt; besonders wirdes zwischen gleichen Vocalen schwinden (pernal, quies),

1 Es ist mir zweifelhaft, ob ry zwischen dy und ly in der Mitte, steht.Das dorsale / und das dorsale d sind sich so nahe verwandt, wie nur möglich,während ein dorsaler Reibelaut mit /?-färbung sich nicht bilden lässt.

2 Bristed (Ellis H94b) spricht von 'the apparent negroism prevalent inCuba of substituting a vocalized r for the strongly trilled [?] final r e. g.amaw (or something very like it) for amar.' Es erinnert dies an das Kre-olische von Trinidad, wo r neben einem labialen Consonanten oder Vocal zuu wird, so öout'de, prouix, touop, ououge.

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318 H. SCHUCHARDT,

wie dies auch im Buenosair. der Fall ist (pa<1,Im Auslaut immer, nicht bloss vor Vocalen, sondernauch vor Consonanten: mujc, scno, toma, asuca. Vor Con-sonanten sehe ich zuweilen Schwund des r ausgedrückt:poque, pefesion, buscate, cumplite. Nach Consonant inhombe.{

ff) * = urspr. /. Im Auslaut: sd, natura, pape, so, ban.) * = urspr. d. Zwischen Vocalen: naa na, too to, puca,

qucara, aonde, pno, meio (vgl. astur, desgraciau* parau, tou,vania, ruca, pocr u. s. w.; buenosair. parao, cstao, andc,dcnde, iuavia). Nach Rodriguez Marin würde der Schwunddes d nicht stattfinden 'si despues de ella hubiere dosvocales, acentuada la segunda por la pronunciacion';also pidio. Gleich auf der folgenden Seite aber führt erpiiendo, piendo = pidiendo an (vgl. presiario Laf. II 454, 3,ebensogut wie presiyo Dem. 73,385). Es scheint sich dabeinur um d vor consonantischem i (y) zu handeln undnach dem was ich oben gesagt habe, würde dies ja schonan sich = dy lauten. Im Auslaut ist der Abfall des dallgemein: berda, saht (auch astur, ciuda, ftoveda u. s. w.).Fast ebenso allgemein im Anlaut, was beachtenswert!!ist, weil hier sonst die schwache Stellung sich der Ana-logie der starken fügt: e, ije, inero, on, escansao. In desdeist das zweite d als anlautendes behandelt worden: ehe.Umgekehrte Sprechweise: disquierda, diquivocao, deprendio(apr.; vgl. aber astur, adeprendcr], dentrar (auch buenosair.),wobei wohl eine Zusammensetzung mit dis-, des-, di-, de-vorschwebte. Vor r schwindet d (siehe oben a, /) nachRodriguez Marin zuweilen: mare, piera, compare (so auchbericra, Mari, lariyos Dem. 29, 158. 59, 312. 154, 24).'Esta regla tiene excepciones con cuya clave aim nohe poclido dar, y se dice, por ejemplo, ladre, cscom-padrd? Das auf diese Weise intervocalisch gewordener kann nun ebenfalls schwinden: pae pa, comae coma.

4. Tönende Enge zu tonloser Weite.Eine mir noch räthselhafte Thatsache ist die Vertretung vonr vor / und n durch h (welches bald durch *, bald durch/, bald durch s bezeichnet wird): bu\\la, pe\\la, tene\ilo, ca\\ne,esguahnia, vie\\nes. Es muss sich das tönende r zuerst in eintonloses verwandelt haben (oder dauert dieses etwa nochfort und wird nur ungenügend beschrieben?). Sollten dannnicht auch / und n in ihrem ersten Theile tonlos gewordensein? Welchen Laut hat r vor /;/? Nach Dem. 105, Anm. 2)wird jazmin öfters jar min gesprochen; 29,157 schreibt er jar·me für jazme', vgl. forforiyera 62, 331.

1 Die Einschaltung von r nach t, wie in quilatre, comersiantre, ist fastauf dem ganzen romanischen Gebiete bekannt.

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DIE CANTES FLAMENCOS. 319

5. Tönender Verschluss bei offenem Nasencanal zu tönenderWeite bei geschlossenem Nasencanal. Aus n wird durch leiseOeffnung des Mundverschlusses ein nasaler Vocal ·, dieser kann sichdem vorhergehenden reinen Vocal, aber auch umgekehrt ihn sichassimiliren; schliesslich wird der Nasencanal abgesperrt, also z. B.luna, /u?a, lu*a, !uua, lua oder luna, Itßa, !üäa, luua, lua, lua.Diesen letztern, obwohl weitern Weg scheint das Portugiesischegewählt zu haben, da es neben dem geschwundenen Nasal denNasalvocal (und zwar den zum Guttural nasal vocalen gesteigerten)besitzt. Eine schwache Neigung, den dentalen Nasal zu entfernenzeigt sich auch im Andalusischen: tiee, vice, Maolito oder Maoliyo.Mester^ welches schon altspanisch ist, gehört nicht hierher; wie ital.mcstiere ist es aus mertst. zu erklären.

6. Tonlose Enge zu tonloser Weite:a) h = s. Es gibt Idiome, in denen s in jeder Stellung ge-

schwächt wird (wie im Lothringischen und Bergamaskischen);aber auch hier muss die Schwächung zuerst als eine bedingteaufgetreten sein. Entweder beginnt sie am intervocalischen s(auf dieser Stufe stehen das Keltische und Griechische; dochist in letzterem und im Brittischen auch schon der Anlautdavon ergriffen) oder am vorconsonantischen s (insbesonderedem s vor Tenues, wie im Dialect von Val Soana). Inletzterem Falle aber pflegt eine qualitative Veränderungdes s voranzugehen; es verbreitert sich oder wird ganz zu s,wie im Deutschen, im Engadinischen, in süditalienischenMundarten u. s. w. Das valsoanesische verhält sich zueinem altern s ganz wie neuspan. j zu altspan. \ Dass dasspanische s vor Consonanten anders articulirt wird, alszwischen Vocalen und dass diese Verschiedenheit im Portu-giesischen noch schärfer hervortritt, ist oben schon bemerktworden. Es ist dieses s, welches im Andalusischen zu hwird, so: A/<f, bdhco, mihmo. Ebenso auslautend: Dioh, />0h,sabeh. Rodriguez Marin: 'Pero no si la silaba siguiente em-pieza con vocal // muda, en cuyos casos se une A la vocalel sonido de la s de tal raanera, que parertn que ha pasadoa formar silaba con aquella: lo sojoj, shonibrej (los ojos, loshombres): So finde ich denn in der That in den Poes,and. von Rodriguez Rubf geschrieben: lo zojos, lo zojuelos,mi zanzias, aber daneben und zwar häufiger jamigos, mi

jamores, vamo jay a, e jeso, dio je/erno, mijoblones (mis d.) u. s. w.Ja, in diesem Falle hindert s nicht einmal die Synaloephe,z.B. tu entrar a en, mientraen (Dem. 19, 102. 2O, 109). Auchjenseits des Oceans ist diese Erscheinung bekannt, jedoch

1 Storm E. Ph. 37 sagt: ' Die nächste Stufe entsteht, wenn die leiseOeffnung des Mundcanals mit schwacher Oeffnung der Nasenhöhle vertauschtwird, wodurch die ' reinen' Nasalvocale, wie sie im Süddeutschen lauten, ent-stehen.' Mir ist dies nicht ganz klar.

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320 H. SCHÜCHARDT,

nicht allgemein. Nach Cuervo begegnet 'el oscurecimiento ya veces casi total desaparicion de la s en el habla de ciertaspoblaciones costaneras que dicen gahto, coh/a por gasto, costa?Nach Sievers (Storm E. Ph. 426) verschwindet in der chile-nischen Aussprache (nicht in der peruanischen) * jedes s voreinem Consonanten als solches; d. h. es wird jedem Dauer-laut assimilirt, was die Articulationsstellung anlangt; dafürwird aber der folgende Consonant mindestens in seinem Ein-gang tonlos; man spricht z. B. Ictra, aber la Leims (mitMajuskeln will ich die tonlosen bezeichnen) > madre, aber

Madres', la Do Dientes fast wie engl. la thoth — ; lo Guantesfast wie russ. X, nur noch schwächer. Vor tonlosen Spirantenverschwindet das s ganz: fuegos. Vor Verschlusslautenaber erscheint das s als ein schwacher Hauch durch dieS-stellung, ohne Reibungsgeräusch, fast wie eine Pause zwischenVocal und Consonant: ! Eine doppelte Frage. Sollte nichtauch im Chilenischen (die Beobachtung wurde nur an einemIndividuum, noch dazu einem geborenen Peruaner, gemacht),unbeschadet der Anlautsveränderungen, das auslautende s als// bestehen (70h fuegos)! Und sollten nicht auch im Andalu-sischen solche Anlautsveränderungen vorkommen? Lah Xtetras,\ ? ·€$ wird hier höchst wahrscheinlich gesprochen. Nur

in einem Falle ist gänzliches Verstummen von s seit alter Zeitallgemein, vor r: do reales (das an sich schon starke r wirddann womöglich noch verstärkt). Schon Lorenzo Franciosini(1648, 3. Aug.) bemerkt, dass die Kastilianer Israel wie Irr adsprechen. Von s vor d sagt Storm E. Ph. 29, es gehe * ge-wöhnlich in einen sonderbaren Laut über, der bald wie einZwischenlaut von s und r, bald wie reines dentales r lautet,wie in desde, dcsden, dos dias\ vor r wird er assimilirt undverschlungen: do9reales spr. dorreales.1 Die Form -r d- = -sd- ist mir als andalusisch bekannt. Was das intervocalisches anlangt, so hält es sich im Andalusischen; doch sagt manzu Sevilla ca\\ino. Bei Rodriguez Rubi finde ich nojoiros(gleichsam nos otros\ ja sogar no jeüo, si Jena.1

b) // = z. Es verhält sich hiermit ganz wie mit dem s; dieSchwächling hat nicht bloss, wie Rodriguez Marin zumeinen scheint, im Auslaut des Wortes (nueh, Jere\ arroh)Statt, sondern auch im Inlaut: conohco, ga\ipacho (vgl. span.vircy = * vizrey). Rodriguez Marin macht einen unberechtigtenUnterschied zwischen z und j, indem er von jenem sagt: * sueleelidirse', während er dieses sich in j verwandeln lässt. Beide

1 Die zweite Person Sg. Perf. wird in allen flamenkischen Veröffent-lichungen häufig mit einem s am Schluss geschrieben oder vielmehr das s vordem t dahin versetzt, z. B. estu-vites = estumste. Was hat das zu bedeuten ?' Dans les parfaits cantaste, dijiste, cediste le bogotain ne sent plus la secondepersonne du singulier, aussi leur ajoute-t-il la caractoristique habituelle decette personne, il dit cantastes etc.' (Rom. VIII 622).

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DIE CANTES FLAMENCOS. 32 I

ergeben , allerdings ein h verschiedener Färbung, wie dennh eigentlich nur ein Gattungsbegriff ist, der Reductionen allermöglichen Laute einschliesst. Wie das h in hi, hu, ha dieArticulation des ihm folgenden Vocals zu haben pflegt, sowird meistens auch h aus z, j, r (s. oben) noch etwas vonder Articulation dieser Consonanten an sich haben; es magaber auch sich dem nebenstehenden Vocale assimiliren, wiedas h aus f schon längst keinen labialen Charakter mehrbesitzt; es mag endlich unter gewissen Umständen oder ingewissen Gegenden oder bei gewissen Personen ganz ver-stummen. — In andalusischen Drucken finde ich Schreibungen,wie ofreja, conojo, ijuslos', kommt ein solches Verstummen vonc und g nach h = z und s wirklich vor?

Es sei noch einiger Accentversetzungen gedacht, die theilsauf der Analogie von Lautverbindungen beruhen, wie quio (quiero),siquia (siquura), sä (sea], theils auf der von Formen, wie tengais, hayais,paseis (ebenso bogot. hayaisj vayais, veais) oder send nach sefio (auchböget, send, na\ ebend. mi sia nach mi sio).

Analogieerscheinungen aus der Flexion: sos == cres (mundartlich,wenn ich nicht irre in der Provinz von Huelva), semos = somos,Perfectum der l. Conj. wie das der 3.: estornudiste, entnsie (dieseFormen und equivoquido bei Laf. I 268, 3 — woher? -/ = -/ in deri. P. S. Perf. sprechen die spanischen Juden), schwaches Perfectumstatt des starken: truji (Laf. II 371, 7), quisio, escompusio (ebend. 365,6), nach clem Perfect gebildetes Particip und Gerundium: supio(ebend. 371, 7; das ebend. vorkommende juera = fueram für'habueram' als Hülfszeitwort wird z. B.in Almeria gebraucht), dijendo(Dem. 54, 284, eine vom Sänger ausdrücklich bestätigte Form, diesich Demofilo nicht zu erklären weiss), schwaches Particip statt desstarken: ponio (Laf. II 371, 7; ponido ebend. 370, 5 wird nicht anda-lusisch sein) u. s. w.

Ueber besondere Wörter und besondern Wortgebrauch desAndalusisclwn gibt Demofilo manche schätzensworthe Anmerkung.1

Aber alle diese Dinge, die Phonetik, die Morphologie, das Lexikon,die Syntax des Andalusischen müssen nicht nur gelegentlich zurSprache gebraucht, sondern zu Gegenständen eines eigenen Studiumserhoben werden, welches sich ja auch anderswo zugleich mit dem

1 Nicht immer überzeugt er mich. Zu 5, 19:

Que tienes tu para miSombra e jiguera nera

erwähnt er eines andalusischen Glaubens, 'de que la sombra de la higueranegra es mala.' Aber ist hier nicht sombra = 'Anschein'? Eine Variante derangeführten Solea schliesst (10, 44):

Sombriya c bacalao.Manches bedurfte noch des Randstriches, wie dile oste (für digale ostt)

111, 40. 113, 48. 193, 20.

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Page 74: Die Cantes Flamencos. - grupo.us.es · PDF filey adivinanzas' und heuer die 'Coleccion de cantes flamencos' l, ... 1 Coleccion de cante s flamenco recojido y anolado por Demofilo.

322 H. SCHUCHARDT, DIE CANTES FLAMENCOS.

Studium der Volkslitteratur oder in seinem Gefolge entwickelt hat.Möge zunächst Sbarbi uns seine längst versprochene Arbeit überdie Gaditanismen schenken und andere mit ändern Specialunter-suchungen nachfolgen. Vor Allem seien die Grenzen gegen dasPortugiesische und gegen das Catalanische der Aufmerksamkeitempfohlen und hierfür an die höchst verdienstliche Abhandlung vonJoaquin Costa über die aragonisch-catalanischen Uebergangsdialecteerinnert.

Zu S. 251. Nach wiederholtem Ueberlegen gebe ich in Bezug aufden Ursprung der Form cante die hier geäusserte Vermuthung aufund kehre zu dem verworfenen Gedanken zurück: cante verhältsich zu cantar, wie alcance, apunte, corte, porte, remate, toque u. s. w.zu den betreffenden Verben auf -ar, entspricht daher allerdingseinem älteren Typus auf -o (vgl. gozo goce, floto ßote, remolco re-molque, port, alcanfo alcance, arranco arranque u. s. w.). Derselbewird aber in diesem bestimmten Fall nicht wirklich existirt haben,sondern cante von cantar in später Zeit nach Analogie abgeleitetsein und mit canto, welches das lateinische Verbalsubstantiv cantusdarstellt, Nichts zu thun haben.

Zu S. 263. Für die hier angedeutete musikgeschichtliche Fragesind auch die in Amerika gebräuchlichen Sangweisen zu berück-sichtigen. Es sollen z. B. die eintönig-traurigen Lieder (tristes)der Gauchos ihre Melodieen dem Mutterlande verdanken und wennnun diese mit den flamenkischen übereinstimmten, so würden siegegen den zigeunerischen Ursprung derselben in die Wagschalefallen.

H. SCHUCHARDT.

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