Die Chemie des Zements - · PDF fileDie Chemie des Zements Die Herstellung von Zement erfolgt...

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Die Chemie des Zements Die Herstellung von Zement erfolgt über mehrere Schritte. Am Anfang werden die Rohstoffe gebrannt und das Produkt heißt Zementklinker, oder kurz Klinker. Unter Beimengung von Wasser verlaufen im Zementklinker verschiedene chemische und physikalische Reaktionen, die die Aushärtung verursachen. Nach der Aushärtung spricht man von Zement. Für die Zementchemie ist nur eine relativ kleine Auswahl der chemischen Elemente relevant. Die Spurenelemente sind sehr selten für die Reaktivität des Zementklinkers und die Eigenschaften des Zements wichtig. Deswegen weicht man in der Beschreibung der Zementphasen von den üblichen chemischen Formeln ab und nutzt stattdessen spezielle Abkürzungen für die Oxide. Diese sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Das Mineral Wollastonit, CaSiO 3 , hätte deswegen das Symbol CS. Diese Nomenklatur ist gewöhnungsbedürftig, aber auch praktisch. Im weiteren Text werden wir zunehmend komplizierte chemische Systeme aus der Sicht der Zementklinkerherstellung besprechen. Dabei werden wir mit den Begriffen „Phase“ und „Komponente“ arbeiten, daher sollten die Leser des Skriptes mit diesen Begriffen vertraut sein. Ein-Komponenten-Systeme System CaO: Als Komponente ist CaO der wichtigste Bestandteil des Zementklinkers. CaO ist das Produkt der Verbrennung von Kalk, CaCO 3 . Diese Reaktion (Verbrennung von CaCO 3 ) verläuft bei Temperaturen von ≥ 680 °C. Trotzdem findet man reines CaO als eine Phase im Zementklinker eher selten. Das Oxid ist reaktiv und verbindet sich mit anderen Komponenten, vorwiegend mit SiO 2 , Al 2 O 3 und Fe 2 O 3 (siehe unten). System SiO 2 : Die Komponente SiO 2 ergibt sich aus dem natürlich vorhandenen Quarz in den Rohstoffen für die Zementherstellung oder ist Produkt der Verbrennung der Tonminerale. SiO 2 , wie wir sehr gut wissen, kommt in verschiedenen Modifikationen vor (-Quarz, - Quarz, Tridymit, Cristobalit). Jedoch ist reines SiO 2 als Phase im Zementklinker nicht vorhanden und eigentlich auch nicht erwünscht, weil es keine zementbildenden Eigenschaften hat. System Al 2 O 3 : Die Komponente Al 2 O 3 ist auch auf die Verbrennung der Tonminerale zurückzuführen. Als Mineral ist -Al 2 O 3 als Korund bekannt, dieser kommt aber im Zementklinker nicht vor. Stattdessen entsteht durch die Verbrennung Al-reicher Rohstoffe (z.B. Bauxite) -Al 2 O 3 , eine nanokristalline Modifikation von Al 2 O 3 mit Spinell-Struktur.

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Die Chemie des Zements

Die Herstellung von Zement erfolgt über mehrere Schritte. Am Anfang werden die Rohstoffe

gebrannt und das Produkt heißt Zementklinker, oder kurz Klinker. Unter Beimengung von

Wasser verlaufen im Zementklinker verschiedene chemische und physikalische Reaktionen,

die die Aushärtung verursachen. Nach der Aushärtung spricht man von Zement.

Für die Zementchemie ist nur eine relativ kleine Auswahl der chemischen Elemente relevant.

Die Spurenelemente sind sehr selten für die Reaktivität des Zementklinkers und die

Eigenschaften des Zements wichtig. Deswegen weicht man in der Beschreibung der

Zementphasen von den üblichen chemischen Formeln ab und nutzt stattdessen spezielle

Abkürzungen für die Oxide. Diese sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Das Mineral Wollastonit, CaSiO3, hätte deswegen das Symbol CS. Diese Nomenklatur ist

gewöhnungsbedürftig, aber auch praktisch.

Im weiteren Text werden wir zunehmend komplizierte chemische Systeme aus der Sicht der

Zementklinkerherstellung besprechen. Dabei werden wir mit den Begriffen „Phase“ und

„Komponente“ arbeiten, daher sollten die Leser des Skriptes mit diesen Begriffen vertraut

sein.

Ein-Komponenten-Systeme

System CaO: Als Komponente ist CaO der wichtigste Bestandteil des Zementklinkers. CaO ist

das Produkt der Verbrennung von Kalk, CaCO3. Diese Reaktion (Verbrennung von CaCO3)

verläuft bei Temperaturen von ≥ 680 °C. Trotzdem findet man reines CaO als eine Phase im

Zementklinker eher selten. Das Oxid ist reaktiv und verbindet sich mit anderen

Komponenten, vorwiegend mit SiO2, Al2O3 und Fe2O3 (siehe unten).

System SiO2: Die Komponente SiO2 ergibt sich aus dem natürlich vorhandenen Quarz in den

Rohstoffen für die Zementherstellung oder ist Produkt der Verbrennung der Tonminerale.

SiO2, wie wir sehr gut wissen, kommt in verschiedenen Modifikationen vor (-Quarz, -

Quarz, Tridymit, Cristobalit). Jedoch ist reines SiO2 als Phase im Zementklinker nicht

vorhanden und eigentlich auch nicht erwünscht, weil es keine zementbildenden

Eigenschaften hat.

System Al2O3: Die Komponente Al2O3 ist auch auf die Verbrennung der Tonminerale

zurückzuführen. Als Mineral ist -Al2O3 als Korund bekannt, dieser kommt aber im

Zementklinker nicht vor. Stattdessen entsteht durch die Verbrennung Al-reicher Rohstoffe

(z.B. Bauxite) -Al2O3, eine nanokristalline Modifikation von Al2O3 mit Spinell-Struktur.

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Zwei-Komponenten-Systeme

System FeO-Fe2O3: Eisen-Oxide entstehen durch die Verbrennung von Eisen-Hydroxiden,

typischerweise Goethit (-FeOOH). Die Eisen-Oxide, die im Zementklinker vorkommen

könnten, sind Hämatit und Magnetit. Jedoch reagiert Eisen unter hohen Temperaturen und

wird in die Struktur der Silikate eingebaut.

System CaO-SiO2: In diesem System finden wir mehrere zementrelevante Phasen mit der

Zusammensetzung CS, C3S2, C2S und C3S.

● CS: Es gibt drei Modifikationen von CS (CaSiO3), Wollastonit, Pseudowollastonit und

Parawollastonit. Die Phasen kommen im Portlandzement nicht vor, weil sie nicht

hydraulisch sind.

● C3S2: Diese Phase (Ca3Si2O7) ist auch als Mineral Rankinit bekannt. Sie kommt im

Portlandzement nicht vor, weil sie nicht hydraulisch ist.

● C2S: Diese Phase (Ca2SiO4) ist ein wichtiger Bestandteil des Zementklinkers und stellt 20-

40 Gew.-% des Klinkers dar. Es gibt eine ganze Reihe der polymorphen Modifikationen

von C2S, davon ist die Phase -C2S die wichtigste, weil sie die besten hydraulischen

Eigenschaften aufweist. Das Adjektiv hydraulisch beschreibt hier die Phasen, die bei der

Beimengung von Wasser chemisch und physikalisch reagieren und zur Aushärtung des

Materials führen. In anderen Wörten, das sind die aktiven Zementphasen.

Bei hohen Temperaturen, wie auch im Phasendiagramm des Systems sichtbar, ist -C2S

stabil. Bei Abkühlung wandelt sich die -C2S Phase in eine Reihe von Polymorphen um:

Die Niedrigtemperaturphase -C2S ist nicht hydraulisch und deswegen für die Herstellung

von Zement nicht geeignet. Die hydraulische Phase -C2S kann aber mit kleinen Mengen

von Verunreinigungen stabilisiert werden; diese sind zum Beispiel B2O3, P2O5 oder MgO,

die auch normalerweise in den Rohstoffen vorhanden sind. Die unreine, hydraulische -

C2S Phase heißt Belit und ist für Zement von großer Bedeutung.

● C3S: Die häufigste Phase im Portlandzement ist unreines C3S, Alit. Die reine Phase C3S

(Ca3SiO5) besitzt nur bei Temperaturen über 1250 °C ein Stabilitätsfeld. Bei niedrigeren

Temperaturen sollte C3S zu C2S+CaO zerfallen. Dieser Phasenübergang ist jedoch kinetisch

gehindert und C3S wandelt sich in viele Polymorphe um:

Die meisten Klinker beinhalten die MIII- oder MI-C3S-Phasen, in Abhängingkeit von Ab-

kühlungsraten und Verunreinigungen. MgO stabilisiert die MIII-Phase, SO3 aber die MI-

Phase.

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System CaO-Al2O3: Obwohl die Schmelztemperaturen von beiden Oxiden, CaO und Al2O3, so

hoch sind, dass sie industriell nicht routinemäßig erreicht werden, ist die Verminderung der

Liquidustemperatur in deren Gemischen bemerkenswert (siehe Phasendiagramm). In diesem

System befinden sich die stabilen Phasen C3A, CA, C12A7, CA2 und CA6.

● C3A: Die Phase C3A (Ca3Al2O6), auch Calciumaluminat genannt, ist die wichtigste

Zementphase in diesem System. Sie beinflusst besonders stark die Aushärtungsprozesse.

Die reine C3A-Phase ist kubisch, aber die hohe Symmetrie lässt sich mit der Zugabe von

Na2O zu orthorhombisch oder monoklin ändern.

● Andere Phasen: Alle C-A-Phasen, mit der Ausnahme von CA6, sind hydraulisch. Manche

von den Phasen, wie CA und C12A7, sind besonders relevant für aluminiumreiche

Zemente. Solche Zemente können auch freies Al2O3 in der -Modifikation enthalten.

Drei-Komponenten-Systeme

System CaO-Al2O3-SiO2: Dieses System stellt normalerweise 90 % des Portlandzements dar.

Nach der Abkühlung sind im typischen Zementklinker die Phasen C3S, C2S, C3A und

möglicherweise auch C12A7 zu finden. Die ersten drei sind dabei die häufigsten.

System CaO-Al2O3-Fe2O3: Die Phase aus diesem System, die eine bedeutende Rolle für den

Portlandzement spielt, hat eine variable Zusammensetzung Ca2(AlxFe1-x)2O5, wobei sich x

zwischen 0,48 und 0,7 bewegt. In der Anwesenheit von freiem CaO, x = 0,48, und die

Zusammensetzung ist sehr nah an C4AF. Als Mineral ist diese Phase bekannt als

Brownmillerit; in der Zementterminologie wird sie als Ferrit bezeichnet.

Die folgende Tabelle fasst die Hauptphasen im Portlandzement noch einmal zusammen:

Klinkerphase Zusammensetzung Name

C3S Ca3SiO5 Alit

C2S Ca2SiO4 Belit

C3A Ca3Al2O6 Calciumaluminat

C4AF Ca4AlFeO5 Ferrit (Brownmillerit)

C CaO freier Kalk

Systeme mit Neben- und Spurenkomponenten

Systeme mit MgO: Genau wie in den obengenannten Systemen gibt es auch in Systemen mit

MgO viele binäre, ternäre und quarternäre Phasen. Unter diesen ist aber nur reines MgO

von Bedeutung. Reines MgO ist im Portlandzement unerwünscht, weil es die Aushärtung

bremst und schädliche Expansion im Zement verursacht.

Systeme mit Na2O, K2O, SO3: Diese Komponenten sind bei den Verbrennungstemperaturen

flüchtig und verlassen großenteils den Klinker. SO3 kann ein schlecht hydraulisches

Calciumsulfosilikat bilden, die relative Stabilität der C3S-Polymorphen stark beeinflussen,

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oder sogar die Bildung von C3S komplett unterdrücken. Letzteres lässt sich mit einer Zugabe

von Fluorid umkehren, falls es notwendig sein sollte.

Chemische Zusammensetzung von Portlandzement

Die folgenden zwei Tabellen enthalten Daten zur Zusammensetzung von Portlandzement.

Wie erwartet, sind die Hauptkomponenten CaO, SiO2, Al2O3 und Fe2O3. Die Spurenelemente

sind nicht nur für die Stabilität der hydraulischen Phasen, sondern auch für die möglichen

Umweltauswirkungen von Zement relevant.

Repräsentative Werte für die chemische Zusammensetzung von Portlandzement (vereinfacht nach Lawrence 2008). Oxide und Cl in Gew.- %, die Elemente in ppm.

Minimum Mittelwert Maximum

SiO2 18,40 21,02 24,50 Fe2O3 0,16 2,85 5,78 Al2O3 3,10 5,04 7,56 CaO 58,10 64,18 68,00 MgO 0,02 1,67 7,10 SO3 0 2,58 5,35 Na2O 0 0,24 0,78 K2O 0,04 0,70 1,66 Cl 0 0,016 0,047 Sr 0 532 19195 Zn 0 22 321 Ti 0 1059 4196 P 0 389 2139 Mn 0 315 2366

Repräsentative Werte für die Spurenelemente in Portlandzement (nach Lawrence 2008). Alle Daten in ppm.

Minimum Mittelwert Maximum

Hg 0,001 0,014 0,039 Se 0,62 1,42 2,23 Tl 0,01 1,08 2,68 Cd 0,03 0,34 1,12 Pb 1 12 75 Sb 0,7 2,5 4,0 Ag 6,75 9,20 19,9 As 5 19 71 Ni 10 31 129 Ba 91 280 1402 Be 0,32 1,13 3,05 Cr 25 76 422

Zitierte und empfohlene Literatur

Bensted, J., Barnes, P., 2002: Structure and Performance of Cements. Second Edition, Spon Press.

Hewlett, P.C. (Editor), 2008: Lea’s Chemistry of Cement and Concrete. Elsevier, 131-193. Lawrence, C.D., 2008: The constitution and specification of Portland Cements. In: Hewlett,

P.C. (ed.), 2008: Lea’s Chemistry of Cement and Concrete. Elsevier, 131-193. Odler, I., 2000: Special Inorganic Cements. Modern Concrete Technology 8. Spon Press. Vogel, E., 2002: CE-Kennzeichnung von Bauprodukten - Zement - Normalzement. Beuth.