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Page 1: Die Chinesische 'Termfrage' und die biblische … · Web viewVermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes unsers Herrn (1530) Von Martin Luther Daß man durch die ganze Christenheit

Vermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes unsers Herrn (1530)

Von Martin Luther

Daß man durch die ganze Christenheit in aller Welt die unmündigen Kinder tauft und nicht wartet, bis sie groß werden oder zur Vernunft kommen, scheint mir aus besonderem Rat und der Vorsehung Gottes geschehen und aufgekommen zu sein. Und wo man jetzt die Großen und Alten taufen sollte, meine ich wahrlich, daß sich der zehnte Teil nicht taufen ließe. Ja, wir wären gewiß, so viel an uns läge, längst, längst eitel, eitel Türken geworden. Denn welche nicht getauft wären, die würden nicht zu der Christen Predigt gehen und all ihre Lehre und Wesen verachten, weil es lauter heilige, fromme Menschen machen will; wie sie doch (schon) jetzt tun, ob sie gleich getauft sind und Christen sein wollen. Wenn nun solche ungetaufte Menge überhand nähme, was sollte anders bald daraus werden als ein reines Türkentum oder Heidenwesen? Und ob gleich etliche wenige darunter wären, die zu der Christen Predigt gingen, die würden doch die Taufe aufschieben bis auf das letzte Stündlein; wie man jetzt mit der Buße und Besserung des Lebens tut.

Und ich würde wohl teuer und hoch darum zu wetten wagen, ob nicht der Teufel solches alles damit im Sinn habe, daß er durch die Sektengeister und Wiedertäufer die Kindertaufe aufhebt und bloß Alte, Große taufen will. Denn seine Gedanken stehen gewiß so: Wenn ich die Kindertaufe weg hätte, so wollte ich mit den Alten dann wohl (so) handeln, daß sie die Taufe verzögern und aufschieben würden, bis sie ausgesündigt hätten, oder bis aufs letzte Stündlein. Neben solchem Aufschub wollte ich sie fein von der Predigt fernhalten, daß sie mir nichts, weder von Christus noch von der Taufe, lernten noch hielten. Ebenso hätte ich schon vorher die große Menge in der Welt als gewaltiges Vorbild, wie Türken, Perser, Tataren, Juden und Heiden, daß sie zuletzt gleichgültig würden und sagten: Was Taufe! was Christen! wo die Menge bleibt, da bleibe ich auch. Meinst du, daß Gott um dreier oder vier Christen willen alle Welt verdammen werde? Was sollte ich bei den verachteten, wenigen, den Bettlern und elenden Leuten leben?

Augustin schreibt von sich selbst, daß seine Mutter und andere gute Freunde seine Taufe aufgeschoben haben und ihn nicht in der Jugend taufen lassen wollten, damit er nicht danach daraufhin in Sünden fiele, sondern wollten warten, bis er über die Jugend hinaus wäre und die Taufe desto fester halten möchte. Diese gute Absicht geriet dahin, daß Augustinus je länger je mehr von beidem, von Taufe und Evangelium abkam, bis er in der Manichäer Ketzerei fiel und beide, Christus und seine Taufe, für ein Gespött hielt bis in sein dreißigstes Jahr und über die Maßen schwer wieder zu Christus aus der Ketzerei kam, so daß seine Mutter manche heißen Tränen darüber vergoß und so ihre gute Absicht und Meinung büßen mußte, daß sie ihres Sohnes Taufe hatte verzögern helfen.

Denn der Teufel sieht gut, wie die Menschen ohnedies so roh und gottlos sind, daß der zehnte Teil nichts danach fragt, was die Taufe sei, und auch schier nimmer daran gedenkt noch Gott dafür dankt, daß er getauft sei, viel weniger, daß sie sich der Taufe annehmen und ihr entsprechend mit würdigem Wandel leben sollten. Was sollte dann werden, wenn sie gar nicht getauft wären und die Predigt nicht hörten, wenn es jetzt Mühe für sie hat, Christen zu sein und zu bleiben, wenn man gleich täglich lehrt, betet und die Taufe übt? Solche Taufe und Lehre ist dennoch ein großer Vorteil und eine starke Ermahnung, die zuletzt etliche bewegen muß, daß sie weiter denken als ein ungetaufter Heide.

Das alles kann jedermann an diesem Stücke gut merken und begreifen, daß die Menschen jetzt das heilige Sakrament des Leibes und Blutes unseres Herrn so gering achten und sich dagegen stellen, als sei nichts auf Erden, dessen sie weniger bedürften als eben dieses Sakrament. Und document.doc 1 5/11/2023

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dennoch wollen sie Christen heißen; lassen sich dünken, sie seien gar nicht mehr schuldig, dies Sakrament zu gebrauchen, weil sie nun vom päpstlichen Zwange frei geworden sind, sondern könnten es gut entbehren und frei ohne alle Sünde verachten. Und wenn solch Sakrament nirgends gebraucht würde oder ganz unterginge, das wäre ihnen gleich viel. Damit zeigen sie an und bekennen mit der Tat, mit wie sehr großer Andacht und Liebe sie vorher zu diesem Sakrament gegangen sind, da sie vom Papst dazu gezwungen wurden und wie feine Christen sie gewesen sind. Auch lernt man daraus, wie gar fein man die Menschen mit Zwang zu Christen und fromm machen kann, wie der Papst sich mit seinen Gesetzen unterstanden hat, daß nämlich lauter falsche Heuchler, unwillige und gezwungene Christen daraus geworden sind. Ein gezwungener Christ aber ist ein sehr fröhlicher und angenehmer Gast im Himmelreich, zu dem Gott besondere Lust hat, er wird ihn bestimmt unter die Engel obenan setzen – wo die Hölle am tiefsten ist.

Ich habe aber Sorge und meine, daß solches alles zum großen Teil auch unsere Schuld sei, die wir Prediger, Pfarrherrn, Bischöfe und Seelsorger sind, die wir die Menschen so in ihrem eigenen Saft2 hingehen lassen, vermahnen sie nicht, treiben sie nicht an, halten sie nicht an, wie doch unser Amt fordert. Sondern wir schnarchen und schlafen ja so sicher wie sie es tun, denken nicht weiter als: wer da kommt, der kommt, wer nicht kommt, der bleibt draußen, und verfahren auf beiden Seiten so, daß es wohl besser sein könnte. Denn wir wissen, daß der höllische Satan und Fürst dieser Welt nicht feiert, sondern mit seinen Engeln Tag und Nacht umhergeht und beide, uns selbst und die Menschen, anficht, aufhält, hindert, faul und lässig zu allem Gottesdienst macht, damit er beides, Taufe und Sakrament, Evangelium und alle Ordnung Gottes, zum wenigsten schwäche, wo er sie nicht ganz unterdrücken kann. Deshalb sollten wir ja umgekehrt dagegen darauf bedacht sein, daß wir unsers Herrn Christi Engel und Wächter wären, die wider solche Teufelsengel täglich über das Volk wachen sollten mit unablässigem Antreiben, Lehren, Vermahnen, Reizen und Locken, wie Paulus seinem lieben Timotheus (1. Tim. 4, 13) befiehlt, damit der Teufel doch nicht so ganz sicher und ohne Widerstand unter den Christen seinen Mutwillen üben könnte.

Deshalb will ich hiermit beide, mich selbst und alle Pfarrherrn und Prediger, mit Fleiß und ganzem Ernst gar brüderlich gebeten haben, sie wollten hierin samt mir eine fleißige Aufsicht auf das Volk haben, welches Gott uns als sein Eigentum befohlen hat, durch seines Sohnes Blut erworben und zur Taufe und seinem Reich berufen und gebracht, und gar strenge Rechnung dafür fordern wird, Apg. 20, 28, wie wir das alles wohl wissen. Denn wo wir, die das Amt und den Befehl haben, hierin lässig und faul sind, so müssen wir lange warten, ehe das Volk sich von selbst vermahnt und herzu kommt; da es doch noch schwer (genug) kommt, wenn wirs gleich aufs härteste dazu anhalten. Denn, wie gesagt, der Teufel ist da mit seinen Engeln und wehrt dem. Auch so müssen die Menschen auf uns sehen und unser Wort hören und nicht umgekehrt wir auf sie und ihr Tun sehen. Und was sollte das Predigtamt und Pfarramt, wo sich das Volk selbst lehren und vermahnen könnte? Christus hätte es wohl behalten können und nicht so teuer erwerben müssen. Und was sitzen wir denn auch in solchem Amt, wenn wir nicht das Lehren und Vermahnen treiben wollen? Auf die Weise würden wir um gar nichts besser oder vielleicht ärger sein als bisher Päpste, Bischöfe, Pfarrherren und Mönche gewesen sind, die sich auch des Volkes rein gar nicht angenommen haben, weder mit Lehren noch Vermahnen.

Ich weiß wohl, daß etliche Menschen so ganz verrucht und verstockt sind, daß sie sich an gar keine Lehre noch Vermahnen kehren, wie wollen wir dem abhelfen? Wir werdens nicht besser haben als Christus und seine Apostel samt allen Propheten selbst es gehabt haben. Christus sagt Matth. 11, 17, daß seine Juden weder tanzen noch trauern wollten, man spiele auf oder klage, und Paulus spricht, 2. Tim. 4, 3: »es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht leiden werden«. Dennoch gebietet er, daß man deshalb nicht ablassen, sondern getrost document.doc 2 5/11/2023

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fortfahren solle, ob es gefällt oder nicht. Denn wir wissen umgekehrt, daß Lehren und Vermahnen Gottes Wort, Amt und Befehl ist und wie Jesaja 55, 11 sagt, »nicht leer zurückkommen« kann, und sollts auch nur einen Zachäus oder einen Zöllner oder einen Schächer am Kreuz gewinnen. Es werden ja noch etliche vorhanden sein: wenn sie die Vermahnung hören, daß sie an ihre Taufe denken werden und nicht gern wie die Unchristen ihr Sakrament verachten wollen, welches ihnen Christus so reichlich geschenkt und so teuer erworben hat. An diesem Beispiel würden sich zuletzt die rauhen, rohen, losen Christen auch stoßen und vielleicht anders werden, so wie ein Messer das andere wetzt.

Nicht, daß ich hiermit geraten haben will, die Menschen mit Gesetzen auf bestimmte Zeit und Tage zum Sakrament zu treiben, wie es der Papst aufgefaßt hat. Denn damit hat der Papst sich selbst und den Pfarrherrn faule, sichere Tage verschafft, daß sie sich nicht mit Lehren und Treiben zum Sakrament haben abmühen müssen, und er hat die Gewissen gefangen und gezwungen, daß sie ohne Lust und Willen, ohne Nutzen und Heil hinzugelaufen sind, und (so haben sie) nicht ein Sakrament des Glaubens, sondern ein Werk des Verdienstes daraus gemacht. Und der Teufel hätte gewiß keinen näheren noch mächtigeren Griff erdenken können, das Sakrament ganz zu vernichten als mit solchen Gesetzen: da sind der äußere Schein und die Hülsen geblieben, aber der Kern und die Kraft weggenommen, was doch niemand gemerkt hat. Es muß gleichwohl ein Sakrament Christi heißen, obwohl doch nichts als Opfer und Werk der Menschen daraus gemacht war.

Und das Predigtamt hat Gott doch nicht dazu gestiftet, daß es ihm sichere, faule Prediger und unwillige, gezwungene Christen machen solle. Und wer nicht willig und gern ein Christ ist oder zum Sakrament geht, der bleibe nur weit davon weg und fahre, wohin er fährt; Gott mag keinen gezwungenen Dienst haben, wie Paulus 2. Kor. 9, 7 sagt: »Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb«. Sondern dazu ists gestiftet, daß es die Menschen herzu bringen, locken und ziehen soll, daß sie willig und gerne kommen, ja, daß sie danach mit Gewalt laufen, ringen und dringen, wie Christus Matth. 11, 12 spricht: »Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es weg«. Er will nicht die überdrüssigen, heikeln, satten Seelen haben; sondern die hungrigen und durstigen, die sich danach drängen und reißen, wie er Matth. 5, 6 sagt: »Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden«.

Darum will ich hiermit den Pfarrherren und Predigern Ursachen geben, ihre Gemeinde zu vermahnen und zum Sakrament zu locken, und etliche Dinge anzeigen, mit denen man sie bewegen soll, daß sie freiwillig und ohne Zwang von Menschen zum Sakrament gehen und es mit Freude empfangen; wie ich solches auch früher im Katechismus getan habe.5 Welche Prediger das nun besser machen können, die bedürfen dieser Darlegung6 nicht, es ist genug, daß sie dazu vermahnt sind. Die andern aber, die es nicht besser können, möchten wohl hieraus etliche Stücke aufzeichnen oder Wort für Wort dem Volk vorlesen, wo es ihnen gefällt; damit doch dies heilige Sakrament nicht so ganz daniederliege und verachtet werde. Ich will das Ganze in zwei Teile gliedern: der erste betrifft Christus selbst; der andere uns, die wir Christen sein wollen.

Erster Teil

Es sollte ja billig einem Christen voll bewußt sein, daß solch Sakrament nicht von Menschen erdichtet noch erfunden ist, sondern von Christus selbst aus Gottes, seines Vaters Willen und Befehl gestiftet und aufgerichtet ist. Es ist auch nicht für die Hunde, Säue, Holz oder Steine, sondern für uns Menschen, und besonders für uns Christen aus großer, herzlicher, grundloser Liebe geordnet und eingesetzt, es zu gebrauchen. Wo aber ein christlich Herz solches bedenkt: wie ists möglich, daß es nicht von Andacht bewegt werden soll, dasselbe freiwillig mit Lust und Liebe zu suchen und ohne allen Zwang und Gesetze zu begehren? Wirds aber davon nicht document.doc 3 5/11/2023

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bewegt, so ist kein Funke noch Tropfen christlicher Gedanken in demselben Herzen, und es ist ohne Zweifel ein unchristliches, türkisches, heidnisches Herz, das da bestimmt nicht glaubt, daß Christus dies Sakrament eingesetzt und zu gebrauchen befohlen habe, viel weniger glaubt es, daß Christus uns solches aus unendlicher, herzlicher Liebe verordnet habe. Denn wo deren eines wahrhaftig geglaubt wird, da kann ein Herz sich nicht so nachlässig, faul und verächtlich dazu stellen.

Deshalb sehe ein jeder auf sich und prüfe sein eigenes Herz: erstens, ob er auch glaube, daß Christus, Gottes Sohn, solch Sakrament uns Menschen gestiftet und hinterlassen habe? Zum andern, ob er auch glaube, daß ers mit uns so herzlich und treu aus grundloser Liebe gemeint habe? Glaubst du das nicht, so wisse, daß du kein Christ, sondern ein abtrünniger, verdammter Heide und Türke bist. Denn du hältst gar nichts weder von Christus noch von seinem Befehl, weder von seiner Liebe noch Treue gegen dich; sondern du stellst dich, als sei es alles erlogen und eitel Narrenwerk. Glaubst du es aber, so wird derselbe Glaube dir in deinem Herzen eine solche Predigt tun und sagen: Du willst ein Christ sein und weißt, daß es Christi Befehl und Ordnung ist, dies Sakrament zu gebrauchen. Aber du läßt es ein halbes Jahr, ganzes Jahr, drei Jahre und wohl länger anstehen. Hörst du es, lieber Junker? Wie reimt sich das zu einem Christen? Was gilts, du wirst dich über solcher Predigt vor dir selbst schämen und fürchten? Geschieht solche Predigt in deinem Herzen nicht, so ist der Glaube nicht da, daß dies Sakrament Christi Stiftung sei, und dein Mund lügt, wenn er sagt, daß du solches wohl glaubst, und du bist ein zwiefältiger Heide und ärger als kein Türke. Denn du glaubst nicht (das ist das eine) und lügst noch dazu, daß du sagst, du glaubtest es.

So siehst du und mußt bekennen, daß alle Lügen, falsches Leben, Verachtung göttlicher Ordnung, Trägheit, Faulheit und Nachlässigkeit gegenüber dem Sakrament, dazu Undankbarkeit und Vergessen solcher unaussprechlichen Liebe Christi alles aus dem Unglauben zu uns fließt und kommt, daß ein Herz nicht glaubt, dies Sakrament sei Christi Liebe und herzliche Ordnung. Denn was ein Herz nicht glaubt, das kanns auch nicht achten, ehren, lieben noch loben. Und was man verachtet, unterläßt oder vergißt, da ist ein sicheres Zeichen, daß man nichts davon hält, auch nichts davon glaubt, sich seiner auch nicht annimmt. Umgekehrt: was man glaubt und für sicher hält, das kann man nicht verachten, es sei gut oder böse. Ists gut, so liebt und begehrt es das Herz; ists böse, so fürchtet und verabscheut es das Herz; wie wir erfahren, daß das auch im falschen Glauben und irrigen Wahn geschieht, da sich einer fürchtet, wo keine Furcht ist, und freut, wo keine Freude ist: so ein gar unruhig und geschäftig Ding ists um einen Glauben.

Darum sollen die Prediger dem Volk diese erste Ursache gut vor Augen stellen, daß sie zusehen und ja glauben, daß dies Sakrament Gottes gnädige und väterliche Ordnung ist, für uns Menschen gestiftet. Wir zwingen hiermit niemand zum Glauben; aber wir zeigen an, was zum Glauben gehört, und wer ein Christ sein will, daß er wisse, was und wie er glauben solle, damit er sich selbst nicht unter dem christlichen Namen und Schein betrüge und sich für einen Christen halte, obwohl er doch ein Unchrist und Heide, ja wohl ärger als ein Heide und Unchrist ist. Will jemand Christus deswegen verleugnen, ein Unchrist sein und ungläubig bleiben, den lassen wir ungezwungen fahren und fragen auch nicht nach ihm, nur daß wir ihm sagen: »Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet«, Joh. 3, 18. Er wird seinen Richter und Bezwinger wohl finden, wir sind entschuldigt und haben das Unsere getan. Denn es ist Gott kein Scherz noch vergeblicher Plan gewesen, daß er uns Menschen dies Sakrament gestiftet und eingesetzt hat; deshalb will ers auch nicht verachtet noch ungebraucht haben;9 viel weniger, daß mans für eine unnötige und geringe Sache halte. Sondern er will, daß mans brauchen und recht üben soll.

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Und wenn es gleich ein solch geringes Sakrament wäre, daß es uns weder nützlich noch nötig wäre, weil es uns weder Gnade noch Hilfe gäbe, sondern es allein ein bloßes leeres Gebot und Gesetz Gottes wäre, der es von uns aus seiner göttlicher Macht zu gebrauchen fordert, der wir untertan und Gehorsam schuldig sind; so sollte es uns doch um dieses Gebots willen allein genug antreiben und reizen, daß wirs nicht verachten, noch für unnötig oder gering hielten, sondern mit allem Ernst und treuem Gehorsam fleißig übten und hoch ehrten. Denn es kann nichts Größeres und Herrlicheres sein, als was Gott gebietet und durch sein Wort befiehlt. Nun ists aber nicht ein solches geringes Sakrament, daß es ein leeres bloßes Gebot sei, das wir ohne Nutzen und Notwendigkeit üben müßten, wie die Juden ihre Opfer und äußerlichen Gebärden ohne Nutzen und Notwendigkeit, allein als Last und Pflicht halten mußten, unter die sie gezwungen und gefangen waren, wie die Leibeigenen oder Fronleute es im weltlichen Regiment sind. Sondern es ist ein gnadenreiches Sakrament, voll Nutzen und Heil, dazu unzähliger und unaussprechlicher Güter voll. Darum soll es nicht allein unverachtet und unvergessen sein, sondern aufs höchste geehrt und aufs fleißigste gebraucht werden.

Und damit wir das zum Teil anzeigen, so siehe zum ersten das an, daß er dies Sakrament zu seinem Gedächtnis eingesetzt hat, wie er sagt: »Solches tut zu meinem Gedächtnis«. Dies Wort »Gedächtnis« merke und bedenke gut. Es wird dir viel anzeigen und dich sehr reizen. Ich rede aber jetzt noch nicht von unserm Nutzen und unserer Notwendigkeit, die wir im Sakrament suchen mögen, sondern vom Nutzen, der Christus und Gott selbst daraus kommt, und wie notwendig es zu seiner göttlichen Ehre und Dienst ist, daß mans fleißig gebrauche und ehre. Denn du hörst hier, daß er seine göttliche Ehre und Gottesdienst in dieses Sakrament gibt, daß man sein hierin gedenken soll. Was ist aber »sein gedenken« anders, als seine Gnade und Barmherzigkeit preisen, zuhören, predigen, loben, danken und ehren, die er uns in Christus erzeigt hat? Auf diesen Christus hat er alle seine Ehre und Gottesdienst gewiesen und bezogen, so daß er außerhalb des Christus von keiner Ehre noch Gottesdienst wissen will, ja, sie auch nicht anerkennt, noch jemandes Gott sein will. Deshalb hat er auch seinen eigenen alten Gottesdienst, im Gesetz des Mose gegeben, verdammt und aufgehoben samt allen Gottesdiensten in der ganzen Welt, sie seien wie groß, schön, alt oder herrlich sie immer sein mögen.

Ein jeglicher will nun geneigt und fromm sein, Christi Leiden zu ehren und Gott einen Dienst zu tun, und einer nimmt dies, der andere das vor: einer läuft gen Rom, der andere wird ein Mönch, der dritte fastet – wer kann alle die Gottesdienste aufzählen, die wir aus des Teufels Eingebung und eigener Andacht bisher gestiftet und gehalten haben? Damit haben wir diesen hohen, schönen Gottesdienst, nämlich sein Gedächtnis und die Ehre des Leidens Christi verfinstert und vergessen, welchen Gott selbst gestiftet und bezeugt hat, daß er ihm herzlich wohlgefalle, und er hat ihn gestiftet, daß er nimmermehr zu Ende gedient noch genug gehalten werden kann. Denn wer kann Gottes genug gedenken? Wer kann ihn zu viel loben? Wer kann ihm zu sehr danken? Wer kann Christi Leiden zu viel ehren?

Warum sind wir tollen Heiligen denn so schändlich dahin geschwärmt, als hätten wir in diesem Sakrament keinen Gottesdienst oder hätten den längst ausgerichtet und ganz abgedient? Wir haben daneben und darüber so viele schändliche, greuliche, stinkende Gottesdienste eigener Andacht und selbsterwählter Werke angerichtet und die Welt damit erfüllt, dazu diesen rechten Gottesdienst verleugnet, geschändet und gelästert. Willst du nun Gott einen herrlichen, großen Gottesdienst tun und Christi Leiden recht ehren, so denke und gehe zum Sakrament, darin sein Gedächtnis ist, wie du hörst, das ist sein Lob und Ehre, und übe damit, oder hilf dasselbe Gedächtnis mit Fleiß üben, so wirst du die selbst erwählten Gottesdienste wohl vergessen. Denn, wie gesagt, du kannst Gott nicht zu oft oder zu viel loben und für seine Gnade danken, in Christus erzeigt.

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Solch Gedächtnis scheint wohl ein geringer Gottesdienst zu sein, weil es nicht viel äußerliches Prangen mit Kleidern, Gebärden, Gebäuden und dergleichen treibt, damit die Augen und Ohren gefüllt werden. Sondern allein mit dem mündlichen Wort wird es ausgerichtet, welches vor den Augen auf Erden ein geringes Ansehen hat, aber wie hoch und herrlich es vor Gott und seinen Engeln sei, kann kein Auge sehen, noch Ohr hören, noch Herz begreifen. Gottes Wort und Werke haben allzumal zuerst ein geringes Ansehen, deshalb wollen sie mit Fleiß und Ernst bedacht sein. Wer das tut, der findet sie, wie groß sie sind. Er sagt selber, Ps. 50, 23: »Wer Dank opfert, der preiset mich«. Was ist das anders gesagt als so viel: Dank opfern gibt mir meine göttliche Ehre, es macht mich zum Gott und behält mich zum Gott. Gleichwie umgekehrt die Werkopfer ihm seine göttliche Ehre nehmen und ihn zum Götzen machen und ihn nicht Gott bleiben lassen. Denn wer nicht dankt, sondern (etwas) verdienen will, der hat keinen Gott und macht inwendig in seinem Herzen und auswendig in seinen Werken aus dem rechten Gott einen andern Gott, das ist, unter dem Namen des rechten Gottes; wie er oft in Jesaja und andern Propheten beklagt, und im ersten Gebot verbietet er ganz hart, daß man keine Götter machen, auch ihn selbst nicht anders machen soll.

Willst du nun ein »Gottmacher« werden, so komm her, höre zu, er will dich die Kunst lehren, daß du es nicht verfehlest und einen Götzen, sondern den rechten Gott zum rechten Gott machest: nicht, daß du seine göttliche Natur machen sollst, denn die ist und bleibt ewiglich ungemacht, sondern du kannst ihn dir zum Gott machen, daß er dir, dir, dir auch ein rechter Gott werde, wie er vor sich selbst ein rechter Gott ist. Das ist aber die Kunst, kurz und sicher dargelegt: »Das tut zu meinem Gedächtnis«. Lerne sein gedenken, das ist, wie gesagt: predigen, preisen, loben, zuhören und danken für die in Christus erzeigte Gnade. Tust du das, siehe, so bekennst du mit Herz und Mund, mit Ohren und Augen, mit Leib und Seele, daß du Gott nichts gegeben habest noch geben könntest, sondern daß du alles und alles von ihm habest und nehmest, besonders das ewige Leben und die unendliche Gerechtigkeit in Christus. Wo aber das geschieht, da hast du ihn dir zum rechten Gott gemacht und mit solchem Bekenntnis seine göttliche Ehre erhalten. Denn das heißt ein rechter Gott, der da gibt und nicht nimmt; der da hilft und nicht helfen läßt; der da lehrt und regiert und sich nicht lehren noch regieren läßt. In Summa: der alles tut und gibt, und der niemandes bedarf, und solches alles umsonst aus lauter Gnade tut, ohne Verdienst, den Unwürdigen und Unverdienten, ja den Verdammten und Verlornen. Solches Gedächtnis, Bekenntnis und solche Ehre will er haben.

Siehe, dieser Gottesdienst geht wohl ohne alle Pracht daher und füllt nicht die Augen, er füllt aber das Herz, welches doch sonst weder Himmel und Erde füllen kann. Wenn aber das Herz voll ist, muß alsdann auch beides, Augen und Ohren, Mund und Nase, Leib und Seele und alle Glieder voll sein. Denn wie sich das Herz hält, danach halten und stellen sich alle Glieder, und ist alles und alles nichts als Zunge, voll Loben und Danken gegen Gott. Das ist dann wohl ein anderer Schmuck und Zierde als die goldnen Messgewänder, ja Kaiser-, Königs, Papstkronen. Aller Kirchen und aller Welt Schmuck und Prangen ist ein Scheusal im Vergleich zum herrlichen Gedächtnis Christi, und ein Gedanke von diesem Gottesdienst klingt heller, tönt besser, schallt weiter als alle Trommeln, Posaunen, Orgeln, Glocken und was auf Erden tönen kann, wenn sie auch alle auf einem Haufen wären und alle zugleich mit aller Macht erklängen. Siehe, das ist wohl ein anderer Klang und Gesang als aller Gesang und Klang auf Erden und tönt doch gering von außen zu den Ohren hinein; aber von innen aus dem Herzen heraus tönt er so stark, daß dir alle Kreaturen dasselbe zu tönen scheinen, und aller Menschen Gesänge eitel stumm und taub sind.

Wenn du nun keine andere Ursache noch Nutzen in diesem Sakrament hättest als allein solch Gedächtnis, solltest du nicht darin genug Treiben und Reizen finden? Sollte nicht dein Herz so zu dir sagen: Wohlan, wenn ich sonst gleich keinen Nutzen davon hätte, so will ich doch meinem Gott zu Lob und Ehre hingehen, will ihm seine göttliche Ehre erhalten helfen und document.doc 6 5/11/2023

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auch mit dabei sein, daß er zu einem rechten Gott gemacht werde. Kann oder muß ich nicht predigen, so will ich doch zuhören. Denn wer zuhört, der hilft auch danken und Gott ehren; sintemal da, wo kein Zuhörer wäre, kein Prediger sein könnte. Kann ich nicht zuhören, so will ich dennoch unter den Zuhörern sein und will zum wenigsten der Tat nach mit dem Leibe und meinen Gliedern da sein, wo man Gott lobt und ehrt. Und wenn ich gleich nicht mehr tun könnte, so will ich doch das Sakrament eben deswegen empfangen, daß ich mit solchem Empfangen bekennen und bezeugen kann, daß ich auch deren einer sei, der Gott loben und danken wolle, und will so meinem Gott zu Ehren das Sakrament empfangen. Und solch Empfangen soll mein Gedächtnis sein, damit ich an seine Gnade, in Christus mir erzeigt, denke und dafür danke.

Denn es ist nicht ein geringes Tun, daß jemand gern unter der Schar ist, wo man Gott lobt und dankt; welches die alten Väter mit tiefem Seufzen gewünscht haben, wie Psalm 42, 5 sagt: »Wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern«. Und im schönen Confitemini Ps. 118, 15: »Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten« und dergleichen viel mehr. Denn wer unter der Schar ist, der ist, wenn er nicht falsch ist, aller Ehren und Dank teilhaftig, die Gott daselbst erwiesen werden. Darum mußt du ja ein verzweifelter Schelm sein, weil du Gott solchen Dienst und solche große Ehre tun kannst, und es dir weder Kosten noch Mühe macht, sondern du kannst alles mit willigem Zuhören oder mit leiblichem Empfangen und mit dankbarem Herzen ausrichten, und willst das doch deinem Gott nicht erweisen. Du solltest doch billig gern bis an der Welt Ende laufen, wenn du da eine solche Schar zu finden wüßtest, wo man Gott lobt und ehrt, und dich so zum Glied der heiligen Gesellschaft machen. Wie bist du vorher zu der Heiligen Gräber, Kleider, Gebeine gelaufen? Wie ist man nach Rom, nach Jerusalem, zu St. Jakob gewallt, bloß damit man Stein, Knochen, Holz und Erde sehen möchte, und obwohl in nichts an Christus gedacht wurde? Und hier ist in deiner Stadt oder Dorf, vor deiner Tür Christus selbst mit Leib und Blut gegenwärtig, mit seinem Gedächtnis, Lob und Ehren lebendig, und du willst nicht hinzugehen und auch helfen danken und loben? Du bist gewiß nicht ein Christ, auch nicht ein Mensch, sondern ein Teufel oder Teufelsgesinde.

Es wäre unrecht, daß es solchen Verächtern und verlorenen Christen anders ginge, als daß sie zur Strafe für ihre schändliche Undankbarkeit durch den Teufel besessen, betrogen und verführt würden, damit sie nimmermehr etwas vom Sakrament hörten noch lernten. Sondern sie sollten Papisten oder Schwärmer zu Lehrern haben, daß die Schwärmer eitel Brot und Wein daraus machen, den Kern ausschälen und ihnen die Hülsen geben, die Papisten aber ein Opfer und Geschäft daraus machen, die Sünden zu vergeben und aus aller Not zu helfen, es danach in die Monstranzen und auf die Altäre setzen, Prozessionen damit machen, ein Schauspiel daraus machen und eitel Gaukelwerk damit treiben, bis sie auch nur eine Gestalt davon behalten, und dennoch ohne Frucht, mit eitel Schaden. Dafür sollen sie Geld und Gut geben, bis daß sie aus solchen ihren Lehrern Kaiser, Könige und Fürsten machen. Recht (geschieht ihnen, in) allen Dingen Recht, »gegen die Verkehrten bist du verkehrt«, sagt Psalm 18, 27. Warum haben sie diesen Gottesdienst samt Christi Gedächtnis verachtet, der so herrlich, schön und groß ist, und den sie ohne Kosten und Mühe haben konnten? Wohlan, so lasse man sie die Hülsen davon haben mit allem Schaden an Leib und Seele, Gut und Ehre; wie sie wollen, so geschieht ihnen.

Wer aber in der obenangezeigten Meinung Christi Gedächtnis hält und sein Leiden ehrt, der ist sicher und frei vor allem Irrtum und vor aller Teufel Betrug, braucht auch keine Kosten noch Mühe daran zu wagen und schafft unzähligen Nutzen dazu. Denn er tut Gott zwei große Gottesdienste, zwei große Ehren. Die erste, daß er seine Stiftung und Ordnung nicht verachtet, sondern untertänig und gern gebraucht, welche Ehre Gott ohne Zweifel wohlgefällt, als der document.doc 7 5/11/2023

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solch Sakrament nicht ohne Zweck, sondern um es zu gebrauchen eingesetzt hat, und keinen Gefallen daran haben kann, wo mans so leer stehen läßt und nicht gebraucht. Denn damit stellt man sich fast, als hielte man Gott für einen Narren, der uns unnötige Stiftungen verordnet und nicht wüßte, was er uns stiften solle; oder als wäre er ein Hausierer, der schlechte, unbrauchbare Ware umhertrüge und uns anböte. Und wer kann es ausrechnen, welche Unehre Gott und unserm Herrn Christus allein damit geschieht, daß man sein Sakrament so verachtet, ungenutzt und ungebraucht läßt, und (solche Menschen) wollen dennoch nicht papistisch, sondern evangelisch sein? Diese Unehre hebt auf und hilft abtun, wer sich zu dem lieben Sakrament hält und solche Stiftung Gottes ehrt und gebraucht. Dafür wird ihn Gott wieder ehren, wie 1. Sam. 2, 30 geschrieben steht: »Wer mich ehrt, den will ich auch ehren; wer aber mich verachtet, der soll wieder verachtet werden«.

Die andere Ehre ist, daß er Christi Gedächtnis hält und erhalten hilft, das ist: das Predigen, Loben und Danken für die Gnade Christi, uns armen Sündern durch sein Leiden erzeigt. Um des Gedächtnisses daran willen hat Gott dieses Sakrament vornehmlich gestiftet und sucht und fordert auch solche Ehre drinnen, auf daß er in Christus als unser Gott erkannt und gehalten werde. Eine wie große Ehre und herrlicher Gottesdienst das sei, ist oben gesagt: daß damit göttliche Ehre erhalten und Gott zum rechten Gott gemacht wird. Dafür wird er wieder denselben ohne Zweifel zur göttlichen Ehre bringen und auch einen Gott und Gottes Kind daraus machen. Und wer kann hier auch ausrechnen, was für Gutes solche Ehre und Gottesdienst schaffen? Denn damit dankt und lobt er nicht allein Gott in Christus, welches dieser göttlichen Stiftung eigentliche Aufgabe ist, sondern er bekennt auch damit seinen Herrn Christus öffentlich vor der Welt, und daß er ein Christ sei und sein will, und richtet so zugleich eines rechten Priesters doppeltes höchstes Amt auf einmal aus.

Mit dem Gott Danken, Loben und Ehren vollbringt er das schönste Opfer, den höchsten Gottesdienst und das herrlichste Werk, nämlich ein Dankopfer. Mit dem Bekenntnis vor den Menschen tut er so viel, als predigte er und lehrte die Menschen an Christus glauben. Damit hilft er die Christenheit mehren und erhalten, hilft Evangelium und Sakrament stärken, hilft die Sünder bekehren und dem Teufel sein Reich stürmen, und in Summa: was die Lehre des Worts in der Welt tut, da hilft er mit und ist dieses Werks teilhaftig. Wer kann aber erzählen, wie großer Nutzen hier geschehe?

Dagegen ist umgekehrt zu bedenken, was die für unselige Menschen sind, die das Sakrament verachten und so faul und lässig sind, es zu gebrauchen. Denn die mögen ihre Untugend aus dem Gegenteil dieser Übersicht zählen und errechnen: erstens, daß sie Gott selbst in seiner Stiftung verunehren und ihn für einen Narren halten, daß er solche unnötigen Gottesdienste anordnet. Ja, weil sie nicht glauben, daß ein Gottesdienst seine göttliche Ordnung und gnadenreiche Stiftung ist, so schänden sie ihn mit solchem Unglauben als einen Lügner und nichtigen Mann. Denn Unglaube ist nichts anderes als Gotteslästerung, womit er für einen Lügner gehalten wird.

Danach verachten sie auch das Gedächtnis Christi, das Gott in solchem Sakrament gestiftet hat und (darin) gehalten wird, und tun dem Leiden Christi keine Ehre an, danken ihm nicht dafür, sondern begehen das allergreulichste Laster der Undankbarkeit. Dazu stellen sie sich, was noch ärger ist, als ob sie ungern von Dank und Ehre des Leidens Christi hörten oder nicht gern dabei sein möchten, wo mans ehrt und ihm dankt. Damit nehmen sie Gott seine göttliche Ehre, hindern es und wehren dem, daß er ihr Gott sein und in Christus für einen Gott erkannt werden kann, wie oben gesagt. Und so viel an ihnen liegt, wollten sie, daß beide, Christi Leiden und alle göttliche Ehre, in aller Welt gar nichts gälten und ganz aufgehoben wären und lauter Teufel unsere Götter würden. Denn sie fragen nichts danach, wie Christi Leiden geehrt, sein Gedächtnis gehalten, sein Wort gepredigt oder Gott erkannt werden möchte. Das ist document.doc 8 5/11/2023

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vielmals ärger als wenn jemand Gottes Bild mit Schmutz bewürfe oder Christus selbst verunehrte.

Darüber hinaus geben sie den andern damit ein böses, ärgerliches Vorbild und sind schuldig an allen denen, die ihrem Vorbild nach dies Sakrament auch vernachlässigen und verachten. Damit wird, so viel an ihnen liegt, Christi Gedächtnis vergessen, sein Leiden ganz umsonst und unnütz und wird endlich der christliche Glaube ganz untergehen. Dazu kommt noch das Gute, das sie unterlassen und verhindern: daß sie Gott kein Dankopfer darbringen, ihren Herrn Christus nicht bekennen, ihren Nächsten nicht mit Tat und Vorbild lehren, anreizen und bessern, sondern Gott das Dankopfer entziehen, Christus verleugnen und ihren Nächsten (von ihm) wegführen. Lieber, wäre es ein Wunder, wenn Gott lauter Teufel über uns wüten ließe mit täglicher Pestilenz, Krieg, Teuerung, Mord und Jammer? Es sind hier Türke, Tatar und alle Teufel zu wenig, solche Bosheit zu plagen, wo nicht allein solche große, greuliche Unehre und Verachtung Gottes, sondern auch eine so schändliche und verfluchte Undankbarkeit gegen Christus über die Maßen im christlichen Volk ist.

Die Juden mußten ihren Auszug und ihre Erlösung aus Ägyptenland und durchs Rote Meer jährlich gar herrlich preisen, loben und dafür danken, und die lieben Propheten können dieses Wunderwerk Gottes nirgends genug erheben und preisen. Und wir Heiden, die sonst des Teufels eigen gewesen sind und denen nicht gebührt hat, etwas von Christus zu wissen noch zu haben, sind zu solcher Gnade und Ehre gekommen, daß wir der Erlösung Christi teilhaftig geworden sind, welcher uns nicht aus Ägypten und dem Roten Meer, sondern von Sünde, Tod, Hölle, Teufeln, Gottes Zorn und allem Jammer erlöst hat. Er hat uns auch nicht in das leibliche Land Kanaan, sondern in eine ewige Gerechtigkeit, Leben, Himmel, Gnade und zu Gott selbst gebracht. Und das alles nicht durch Mose noch durch Engel, sondern durch sich selbst. Er hats sich so von Herzen schwer werden lassen, Blut darüber geschwitzt, sein Herz wie ein Wachs zerschmelzen lassen, sich am Kreuz töten lassen, für uns geweint und geseufzt, sich aufs allerschändlichste lästern lassen. Und ach, welche Zunge, welch Herz ist hierzu genug, solche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit zu bedenken oder darüber zu reden?

Und für das alles soll er von denen, für die er solches getan hat, nicht mehr verdient haben als solchen Dank und Ehre, daß man sein nicht gedenken, noch davon etwas hören oder unter denen sein möchte, die sein Gedächtnis halten und danken. Sie wollen sein Sakrament zu seinen Ehren nicht brauchen, sondern lassen ihn da mit seinem Sakrament vergeblich sitzen und uns umsonst dazu fordern, dieweil sie hingehen, fressen und saufen oder wohl Ärgeres tun. Es ist ein Wunder, daß die Sonne nicht längst kohlschwarz geworden ist. Es sollte kein Laub noch Gras wachsen, kein Tropfen Wasser noch Luft in der Welt bleiben vor solcher unmenschlichen Undankbarkeit. Die Juden sind böse gewesen, die ihn gekreuzigt haben, aber wir Heiden sind viel ärger, die wir so schändlich sein Leiden verachten und so undankbar dafür sind, die wir nicht so viel ihm zu Liebe und Ehre tun, daß wir solches Sakrament gebrauchten und hülfen, solch sein Gedächtnis zu halten. O Papst, o Bischöfe, o Sophisten, o Mönche, o Pfaffen, was habt ihr getan? Ihr seid Schuld und Ursache für das alles, die ihr dies Sakrament zu einer Opfermesse und einem Werk gemacht, damit den Menschen diesen rechten Gebrauch, Ehre und Dank verdunkelt und geraubt habt. Denn sie haben nichts anderes darin gesucht, außer ihrem eigenen Werk, Gehorsam und Verdienst, das habt ihr sie gelehrt und mit Gebot zu solchem Werk gezwungen und ihnen dennoch die eine Gestalt genommen.

Wo ist hier die Lehre vom Gedächtnis Christi geblieben? Wann habt ihr das Volk unterrichtet, daß sie solch Sakrament aus Liebe gebrauchen sollten, es als eine Stiftung Gottes ehren und Christus hierin preisen, loben und ihm danken sollten, dasselbe zu Ehren seines Leidens empfangen und seine Gnade erkennen, uns ohne unser Werk und Verdienst geschenkt? Ja, ihr habt sie, solchem Gedächtnis entgegen, das eigne Werk und den freien Willen gelehrt und aus document.doc 9 5/11/2023

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dem Sakrament selbst auch ein Werk gemacht und alles verkehrt, und wollt das nicht büßen, sondern verteidigts auch noch dazu. O Spötter! o Gaukler! o Heuchler! o Lästerer! Ach, mein Herr Christus, komm doch bald mit Feuer und Schwefel vom Himmel und mach mit solchem Spotten und Lästern ein Ende, wie übertreiben sie es doch so ganz unleidlich und unerträglich!

Damit ich aber einmal von diesem Stück wegkomme: du hast hier eine mächtige und treffliche Ursache, die dich reize, zum Sakrament zu gehen, daß dein Herz dich auf diese Weise ermahnen kann: Wohlan, ich will zum Sakrament gehen, nicht daß ich damit ein gutes Werk tun oder Verdienst erwerben wollte. (Ich gehe) auch nicht um des Gehorsams oder des Gebots des Papstes oder der Kirche willen, sondern meinem Gott zu Lob und Ehren, der mir solches gestiftet hat, damit ich es empfange, und meinem Herrn und Heiland zu Liebe und Dank, der mir solches zu Ehren seines Leidens eingesetzt hat, es zu gebrauchen und ihm zu danken. (Ich tue das), damit ich deren einer sei, der ihm für sein Leiden danke und nicht unter den Verächtern und Undankbaren erfunden werde, auch nicht den andern ein böses Beispiel zum Ärgernis gebe und mich so ihrer Verachtung und Undankbarkeit teilhaftig mache, sondern vielmehr ein gutes Beispiel gebe und andere herzulocke, daß sie es auch ehren und loben, und so das Gedächtnis des Leidens Christi halten und stärken helfe und zugleich als ein Christ meinen Herrn vor der Welt bekenne. Solch Dankopfer will ich ihm bringen, wenn ich gleich keinen andern Nutzen davon haben sollte. Denn es soll dem Herrn mein Dank sein für sein bittres Leiden, das er um meinetwillen erlitten hat.

Ich hoffe aber, es sei nicht nötig, hier lange zu lehren, was »Christi Gedächtnis« bedeute, was wir anderswo oft und viel gelehrt haben: nämlich, daß es nicht das Betrachten des Leidens sei, womit etliche, wie mit einem guten Werk, Gott gedient und Gnade erlangt haben wollen, die mit Trauern für das bittere Leiden Christi usw. umgehen. Sondern das ist Christi Gedächtnis, wenn man die Kraft und Frucht seines Leidens lehrt und glaubt, (und zwar) so, daß unsere Werke und Verdienste nichts sind, der freie Wille tot und verloren sei, sondern daß wir allein durch Christi Leiden und Tod von Sünden frei und fromm werden, daß es ein Lehren oder Gedächtnis von der Gnade Gottes in Christus sei und nicht ein Werk, Gott von uns dargebracht. Solcher Lehre und Glauben widerstrebt das ganze Papsttum mit seinen Stiften, Klöstern und eigenen Werken. Sie haben dazu aus dem Sakrament auch das allgemeinste größte Werk gemacht, wo man doch am allerwenigsten von unsern Werken, sondern allein von lauter bloßer Gnade reden sollte. Sie haben Christi Gedächtnis so in allen Dingen unterdrückt und diese gnadenreiche Stiftung Gottes in solchen angsterregenden Greuel verkehrt. Da hüte dich vor und lerne hier nichts mehr tun, als deinem Herrn Christus für sein Leiden und Gott für seine Gnade und Barmherzigkeit danken. Zum Zeichen und Bekenntnis solchen Danks und Lobes nimm und empfange das Sakrament mit Freuden.

Das sei von dem ersten Stück oder der Ursache gesagt, die uns reizen und bewegen soll, mit Lust und Liebe zum Sakrament zu gehen, nämlich, daß wir es Gott zu Lob und Dank tun, Christus zu Liebe und Bekenntnis, unserem Nächsten zum guten Beispiel und Besserung, und endlich zur Erhaltung des Sakraments, Lehrens, Glaubens und der ganzen Christenheit. (Das geschieht) ungeachtet (dessen), ob wir gleich dadurch nichts verdienen sollten noch könnten, sintemal wir ohnedies schuldig sind solches alles zu tun, denn es ist ja ein allgemeines Gebot Gottes, daß wir ihn loben und ihm danken sollen, Christi Leiden lieben und ehren, den Nächsten bessern und die Lehre, Glauben und Christenheit erhalten helfen; wieviel mehr sollen wir es hier tun, wo er eine besondere Stiftung dazu eingesetzt hat und uns auch dazu ruft und lockt. Und ob wirs nicht empfangen wollten oder könnten, (wollten wir) doch gerne dabei sein und sehen (wie es andere) empfangen, und hören Gott loben und Christus danken; denn das geschieht nicht aus eigenem Gutdünken oder Menschenwahl, sondern steht hier im Worte Christi gegründet: »Solches tut zu meinem Gedächtnis«.document.doc 10 5/11/2023

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Der zweite Teil

Bis hierher haben wir nichts von unserm Nutzen gesagt, den wir im Sakrament suchen oder holen können, sondern allein von dem Nutzen, den du Gott selbst, Christus, dem Nächsten, dem Evangelium und Sakrament, dazu der ganzen Christenheit tun kannst. Wer kanns allerdings (ganz) begreifen, was da alles für großer Nutzen ist, wenn du Gott lobst, Christus dankst, sein Leiden ehrst, deinen Nächsten besserst, das Sakrament und Evangelium samt der Christenheit fördern und erhalten hilfst, dazu dem Gegenteil aller dieser Früchte steuern und wehren hilfst? Dennoch: damit wir ja sehen, welch eine volle, volle gnadenreiche Stiftung Gottes es sei, damit wirs ja herzlich liebgewinnen und gerne brauchen, wollen wir nun sehen, was für Nutzen auch besonders uns selbst darin angeboten und gegeben wird, und wie Christus unser in diesem Sakrament nicht vergessen hat. Zwar habe ich das fast alles früher im Kleinen Katechismus berührt, so daß ein Pfarrherr, der fleißig sein will oder dessen bedarf, sich gut damit behelfen kann. Doch will ichs auch hier wiederum behandeln.

Aufs erste: So wie ich oben vermahnt habe, daß du das Wort »zu meinem Gedächtnis« gut merken solltest, mit dem dich Christus reizt und lockt, daß du ihm zu Liebe und Dank und seinem Leiden zu Lob und Ehr gern zum Sakrament gehen oder doch wenigstens gern dabei sein solltest; ebenso ist hier das Wort: »für euch« auch mit Fleiß zu merken, da er sagt: »das für euch gegeben, das für euch vergossen wird«. Denn die zwei Worte »mein« und »euch« sind ja gewaltige Worte, die dich billig antreiben sollten, daß du gern hundert und tausend Meilen zu diesem Sakrament laufen müßtest. Denn wo du bedenkst, wer der sei, der da spricht: »mein«, da er sagt: »Das tut zu meinem Gedächtnis«, so wirst du ja finden, daß es dein lieber Herr Christus Jesus, Gottes Sohn sei, der für dich sein Blut vergossen hat und gestorben ist. Und er begehrt mit diesem Wort »mein« nicht mehr, als daß du doch solches erkennen und glauben wolltest, es dir doch gefallen ließest und ihm dafür dankest, daß es ihm so von Herzen sauer geworden ist, und (daß du ihn) nicht so schändlich verachtest und sein Sakrament so gering hieltest und unterließest, da dichs doch gar nichts kostet noch zu stehen kommt.

Wenn du also bedenkst, wer die sind, von denen er sagt: »für euch«, so wirst du ja finden, daß es seien: du und ich, samt allen Menschen, für die er gestorben ist. Sind wir aber die, für welche er gestorben ist, so muß das folgen, daß wir in Sünden, Tod, Hölle und unter dem Teufel gewesen sind, wie es auch die Worte klar mit sich bringen »für euch vergossen zur Vergebung der Sünden«. Sind Sünden da, so ist gewiß auch der Tod da, ist der Tod da, so ist gewiß auch die Hölle und der Teufel da. So hilft solches Bedenken, daß du ihm desto fleißiger danken und desto lieber zu seines Leidens Ehre zum Sakrament gehen mußt. Denn welch Herz kann jemals genug begreifen, welch eine Wohltat und Gnade das ist, daß er vom Tode und Teufel, von Sünde und allem Übel erlöst, gerecht, lebendig und selig wird ohne sein Verdienst und Zutun, allein durch das Blut und Sterben des Sohnes Gottes, welcher doch nichts dafür begehrt als Lob und Dank, daß mans erkenne und glaube und nicht so schändlich verachte oder anstehen lasse?

So ist nun das der erste Nutzen und Frucht, die dir aus dem Gebrauch des Sakraments kommt, daß du damit an solche Wohltat und Gnade erinnert wirst und dein Glaube und Liebe gereizt, erneuert und gestärkt wird, auf daß du nicht in Vergessen oder Verachtung deines lieben Heilandes und seines bittern Leidens und deiner großen mannigfaltigen ewigen Not und Tod gerätst, daraus er dir geholfen hat. Lieber! laß solchen Nutzen nicht gering sein. Ja, wenn sonst kein Nutzen im Gebrauch des Sakraments wäre als diese Erinnerung an solche Wohltat Christi und deine Not, durch die du zum Glauben und Liebe gegen deinen Heiland gereizt wirst: so wäre es dennoch überaus genug Nutzen und Frucht. Denn solcher Glaube ist uns hoch vonnöten, daß wir bei Christus bleiben können, bei welchem kein Bleiben ist ohne document.doc 11 5/11/2023

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solchen Glauben; und der Unglaube ist dagegen ein gefährlicher, täglicher, unablässiger Teufel, der uns von unserm lieben Heiland und seinem Leiden mit Gewalt wie mit List wegreißen will. Es macht Mühe und Arbeit, wo man solchen Glauben täglich treibt, reizt und übt, daß wir Christi Wohltat und Leiden nicht vergessen, was soll dann (daraus) werden, wenn man sich dem entzieht, ihn selten treibt und sein Gedächtnis und Sakrament verachtet oder unterläßt?

Der andere Nutzen ist: Wo solcher Glaube immer so erfrischt und erneuert wird, da wird zusätzlich auch das Herz immer von neuem erfrischt zur Liebe des Nächsten und zu allen guten Werken (sowie) stark und gerüstet, der Sünde und aller Anfechtung des Teufels zu widerstehen; sintemal der Glaube nicht müßig sein kann, er muß Früchte der Liebe üben, indem er Gutes tut und Böses meidet. Der Heilige Geist ist dabei, der uns nicht feiern läßt, sondern willig und geneigt macht zu allem Guten und ernst und fleißig wider alles Böse. So erneuert sich also ein Christ durch solchen rechten Gebrauch des Sakraments immerdar und von Tag zu Tag mehr und mehr und nimmt zu in Christus, wie uns Paulus auch lehrt, daß wir uns immerdar erneuern und zunehmen sollen. Wo man sich umgekehrt vom Sakrament enthält und es nicht gebraucht, da muß der Schade folgen und kann nicht fehlen, daß sein Glaube täglich mehr und mehr schwach und kalt wird. Daraus muß dann weiter folgen, daß er in der Liebe gegen den Nächsten faul und kalt wird, müde und unlustig zu guten Werken, ungeschickt und unwillig dem Bösen zu widerstehen, und so je länger je weniger Lust zum Sakrament gewinnt, bis daß er es ganz überdrüssig wird, an seinen lieben Heiland zu denken, und verachtet ihn und verdirbt so in sich selbst von Tag zu Tag (mehr) und wird geneigt und bereit zu allem Übel. Denn der Teufel ist da, der feiert auch nicht, bis daß er ihn in Sünde und Schande bringt.

Ich will allen zum Exempel, die sich warnen lassen wollen, hier meine eigene Erfahrung anzeigen, damit man lerne, welch ein listiger Schalk der Teufel ist. Es ist mir etliche Male widerfahren, daß ich mir vorgenommen habe, auf den oder den Tag zum Sakrament zu gehen. Wenn der Tag gekommen ist, so ist solche Andacht weg gewesen, oder sonst irgendein Hindernis gekommen, oder ich habe mich nicht recht vorbereitet gefühlt, so daß ich sprach: Wohlan, über acht Tage will ichs tun! Der achte Tag fand mich abermals ebenso unvorbereitet und gehindert wie jener. Wohlan, abermals über acht Tage will ichs tun! Von solchen »acht Tagen« hatte ich so viele, daß ich wohl ganz davon abgekommen und nimmermehr zum Sakrament gegangen wäre. Als mir Gott aber die Gnade gab, daß ich des Teufels Büberei merkte, sprach ich: Wollen wir darum wetten, Satan, so habe du ein gutes Jahr mit deiner und meiner Vorbereitetheit! Und ich brach hindurch und ging zum Abendmahl, auch wohl etlichemal ungebeichtet, was ich doch sonst nicht tue, dem Teufel zum Trotz, besonders deshalb, weil ich mir keiner groben Sünde bewußt war.

Und habe also bei mir selbst gefunden: Wenn einer schon keine Lust noch Eifer zum Sakrament hat und doch mit Ernst dahin zu gehen beabsichtigt, so machen ihm solche Gedanken und die Handlung selbst auch Andacht und Lust genug, vertreiben auch fein solche schlechten, unlustigen Gedanken, die einen hindern und ungeeignet machen. Denn es ist ein gnadenreiches kräftiges Sakrament: wenn man nur ein wenig mit Ernst daran denkt und sich zu ihm begibt, so zündet es an, reizt und zieht ein Herz weiter zu sich. Versuchs nur, und wo du es nicht so findest, so zeihe mich der Lüge, was gilts: du wirst auch finden, wie dich der Teufel so meisterlich genarrt und so listig vom Sakrament abgehalten hat, damit er dich mit der Zeit ganz vom Glauben und ins Vergessen deines lieben Heilandes und aller deiner Not bringen möchte.

Und wenn du sonst keine Ursache noch Notwendigkeit zum Sakrament zu gehen hättest, Lieber! wäre das nicht böse und Notwendigkeit genug, daß du dich zum Sakrament kalt und document.doc 12 5/11/2023

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unlustig findest? Was ist das anders, als daß du dich kalt und unlustig findest an deinen lieben Heiland zu glauben, ihm zu danken und an ihn zu denken und an alle Wohltat, die er dir durch sein bitteres Leiden erzeigt hat, auf daß er dich von Sünde, Tod und Teufel erlöse, gerecht, lebendig und selig mache? Womit willst du dich aber wider solchen Frost und (diese) Unlust erwärmen? Womit willst du deinen Glauben erwecken? Womit willst du dich zum Danksagen reizen? Willst du warten, bis du es von selbst bekommst oder der Teufel dir Raum dazu gebe oder seine Mutter dich dahin halte? Da wird nimmermehr was draus. Hier an das Sakrament mußt du dich schmiegen und hinzuhalten, da ist ein Feuer, das die Herzen anzünden kann. Da mußt du deine Not und Bedürftigkeit bedenken und die Wohltat deines Heilandes hören und glauben, so wird dir dein Herz anders werden und andere Gedanken fassen.

Deshalb hat Gott recht und gut daran getan, daß er uns in solchem Stande hat bleiben lassen, da wir mit der Sünde, Tod, Teufel, Welt, Fleisch und allerlei Anfechtung kämpfen und ringen müssen, auf daß wir genötigt und gezwungen werden, seine Gnade, Hilfe, Wort und Sakrament zu suchen und zu begehren. Sonst, wo das nicht wäre, würde kein Mensch ein Haar breit weder nach seinem Wort noch nach seinem Sakrament fragen, weder Gnade noch Hilfe suchen. Nun aber solche Jagdhunde, ja Teufel hinter uns her sind und uns aufstöbern, so müssen wir wohl munter werden, und wie ein gejagter Hirsch zum frischen Wasser, so müssen auch wir nach Gott schreien, wie Psalm 42, 2 sagt, damit unser Glaube wohl geübt, erfahren und stark werde und wir so in Christus bleiben und fest werden.

Sagst du aber, du fühlst keine Sünde, Tod, Welt, Teufel usw. und hast keinen Kampf noch Streit mit ihnen, darum zwinge dich auch keine Not zum Sakrament? Antwort: Ich hoffe nicht, daß das dein Ernst sei, daß du allein unter allen Heiligen und Menschen auf Erden ohne solch Fühlen sein solltest. Und wo ich wüßte, daß es dein Ernst wäre, so wollte ichs wahrlich bestellen, daß man auf allen Gassen, wo du gingest, alle Glocken läuten und vor dir her ausrufen müßte: Hier geht daher ein neuer Heiliger über alle Heiligen, der keine Sünde fühlt noch hat. Aber ich will dir ohne Scherz sagen: Fühlst du keine Sünde, so bist du gewiß in Sünden ganz tot und die Sünde herrscht mit Gewalt über dich. Und auf daß ich von den groben äußerlichen Sünden schweige, wie Lust zu Unzucht, Ehebruch, Zorn, Haß, Neid, Rache, Hoffart, Geiz, Wollust usw., so ist das schon allzuviel und große Sünde, daß du zum Sakrament keinen Drang noch Lust hast. Denn daran merkt man, daß du auch keinen Glauben hast, das Wort Gottes nicht achtest, Christi Leiden vergessen hast und voll Undankbarkeit und aller geistlichen Greuel steckst.

Darum ist mein Rat, wenn du dich ja so ganz unempfindlich findest, daß du nicht Sünde, Tod usw. fühlst, so greife an deinen Mund, Nase, Ohren, Hände und fühle, obs Fleisch oder Stein sei. Ists Fleisch, wohlan, so glaube doch der Schrift, kannst du deinem Fühlen nicht glauben. Die Schrift sagt aber Gal. 5, 17: »das Fleisch streitet wider den Geist«, ebenso Röm. 7, 18: »In meinem Fleische wohnt nichts Gutes« und dergleichen. Denselben Sprüchen sprich also nach: Wahrlich, ich fühle, daß ich Fleisch an meinem Leibe habe, also wird gewiß nichts Gutes darin sein. Darum ists mir freilich nötig, solange ich Fleisch habe, zum Sakrament zu gehen, meinen Glauben und Geist wider das Fleisch zu stärken, welches meinem Geist entgegen ist. Die Schrift lügt dir nicht, aber dein Fühlen und Nichtfühlen betrügt dich. Denn obwohl die Sünde durch Christus vergeben und so überwunden ist, daß sie uns nicht verdammen, noch das Gewissen beschuldigen kann, so ist sie doch insofern noch dageblieben, daß sie uns anfechten und so unsern Glauben erproben kann.

Ebenso: Fühlst du die Welt nicht, so sieh dich um, wo du bist, ob du nicht unter Menschen wohnst, wo du Mord, Ehebruch, Raub, Irrtum, Ketzerei, Verfolgung und allerlei Untugend siehst, hörst und erfährst. Wenn du das siehst, so glaube der Schrift, die da (1. Kor. 10, 12) sagt: »Wer sich läßt dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle«. Denn in solche document.doc 13 5/11/2023

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Stücke kannst du auch alle Stunde fallen, nicht allein mit dem Herzen, sondern auch mit der Tat, denn du kannst wohl deinen Feind hassen und ihm Schaden tun oder am Guten hindern usw. Demnach mußt du sagen: Wahrlich, ich sehe, daß ich in der Welt bin, mitten unter allerlei Sünden und Lastern, darin ich wohl fallen kann. Deshalb bedarf ich dessen wohl, solange ich in der Welt bin, daß ich zum Sakrament gehe, auf daß ich mich an meinen Heiland halte und meinen Glauben stärke, damit ich solcher bösen Welt widerstehen und vor Sünden und Laster behütet werden möge. Denn obwohl Christus die Welt (für) uns überwunden hat, daß sie uns nicht zur Sünde zwingen kann, so ist sie doch insofern dageblieben, daß sie uns anfechten, plagen und verfolgen und damit unsern Glauben erproben kann.

Desgleichen: fühlst du den Tod nicht, so geh zu den Gräbern auf den Kirchhof, oder glaube der Schrift, die (Hebr. 9, 27) sagt: »Den Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben«, so wirst du finden, daß du noch nicht leibhaftig im Himmel bist, sondern du hast den Tod auch noch vor dir und dein Grab wartet dein auch unter den anderen, und du bist keinen Augenblick sicher davor. Wenn du das siehst, so gedenke: Wahrlich, ich bin noch nicht hinüber, ich muß mit dem Tode auch noch kämpfen. Solange ich nun noch lebe, ist es mir nötig, zum Sakrament zu gehen, auf daß ich meinen Glauben stärke, damit der Tod mich, (wenn er mich überrascht), nicht erschrecke und verzagt mache, denn er ist ein grausamer Feind, den Ungläubigen unerträglich, ja, auch den Schwachgläubigen schrecklich. Und wenn ihn Christus auch wohl überwunden hat, daß er uns nicht fressen noch behalten kann, so ist er doch insofern dageblieben, daß er uns erschrecken und mit Verzagen anfechten und so unsern Glauben erproben kann.

Ebenso: fühlst du den Teufel nicht, wie er zum Mißglauben, Verzweifeln, Gott lästern und Haß treiben kann, so glaube der Schrift, die uns bezeugt, wie er mit solchen Stücken Hiob, David und Paulus und andere mehr geplagt hat und dich auch noch so plagen kann. Demnach sprich: Wahrlich, der Teufel ist noch ein Fürst in der Welt, und ich bin ihm noch nicht entronnen. Solange ich aber in seinem Fürstentum bin, bin ich vor ihm nicht sicher, deshalb muß ich zum Sakrament gehen und mich zu meinem lieben Helfer und Heiland halten, damit mein Herz und Glaube täglich gestärkt werde, auf daß mich der Teufel mit seinem Pfahl nicht auch aufspieße oder mit seinen feurigen vergifteten Pfeilen erwürge. Denn obwohl Christus den Teufel für uns überwunden hat, so ist er dennoch insofern noch ein Herr der Welt geblieben, daß er uns mit den hohen geistlichen Anfechtungen bekriegen und so unseren Glauben erproben kann.

Solches hab ich so grob und einfach daher sagen müssen um der groben faulen Christen willen, die über die Dinge nicht sehr nachzudenken wissen und so unversehens müde und sicher werden, als bedürften sie weder Gottes noch seines Wortes, gehen dahin, als hätte es weder Gefahr noch Not mit ihnen; darüber verlieren sie dann den Glauben und werden untüchtig zu guten Werken. Aber Gott hat uns solche Feinde übrigbleiben lassen, daß wir zu kämpfen hätten und nicht faul und sicher würden, gleichwie Richt. 3, 1 ff. geschrieben steht, daß er für sein Volk Israel (in Kanaan) auch etliche Könige und Fürsten bleiben ließ, auf daß sie Kriegführen lernten und in der Gewohnheit des Krieges blieben. Denn Gottes Wort ist allmächtig, ebenso ist der Glaube und Geist geschäftig und unruhig, muß immer zu tun haben und zu Felde liegen. So muß das Wort Gottes nicht geringe, sondern die allermächtigsten Feinde haben, an welchen es nach seiner großen Gewalt Ehre einlegen kann, wie es denn diese vier Gesellen sind: Fleisch, Welt, Tod, Teufel; daher heißt Christus der Herr Zebaoth, das ist ein Gott der Heerfahrt oder der Heerscharen, der immer Krieg führt und in uns zu Felde zieht.

Deshalb bedürfen wir dessen über die Maßen sehr, daß wir einen gnädigen Gott haben, der uns helfen kann. Und nicht allein das, sondern wir müssen auch gewiß und sicher sein, daß er document.doc 14 5/11/2023

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uns ohne Zweifel gnädig sein und helfen wolle. Wie können wir aber dessen gewiß und sicher sein, wenn er uns nicht ein sicheres unbezweifelbares Zeichen seiner Gnade und Liebe gegen uns gäbe! Wer könnte es sonst erraten, wie er gegen uns gesinnt wäre? Das hat er nun hier mit dem Sakrament getan und uns ein sicheres Zeichen seiner Liebe und Gnade aufgestellt. Denn das Sakrament ist ja kein Zeichen seines Zornes, und er würde es uns nimmermehr geben, wenn er mit uns zürnte, sondern es ist ein Zeichen seiner höchsten Liebe und unergründlichen Barmherzigkeit. Und wie kann er höhere Liebe und tiefere Barmherzigkeit erzeigen, als daß er uns wahrhaftig sein eigen Leib und Blut zur Speise dargibt? Das soll nicht allein ein gnädiges Zeichen, sondern auch eine Speise sein, mit der wir uns laben und stärken sollen, alle, die in seinem Heer mit ihm zu Felde liegen. Und es ist eigentlich der Sold und Proviant, mit dem er sein Heer und Kriegsvolk besoldet und speist, bis sie endlich siegen und mit ihm das Feld behalten. O, es ist gute Münze, köstliches rotes Gold und reines weißes Silber, hübsches schönes Brot und guter süßer Wein, und von dem allen die Fülle und reichlich vollauf, daß es gar lieblich ist, in dieser Heerfahrt zu sein.

Sagst du aber: Ja, Paulus machts aber besonders schrecklich, wenn er 1. Kor. 11, 27. 29 spricht: »Welcher nun unwürdig von diesem Brot isset oder von dem Kelch des Herrn trinket, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn«, »der isset und trinket sich selber zum Gericht«. Damit macht er uns verzagt und schüchtern zum Sakrament, denn wer ist, der sich für würdig achten könnte? Antwort: Ei, Lieber, siehst du auch, gegen welche Paulus sich wendet, nämlich gegen die, welche wie die Säue hereinfielen und aus dem Sakrament ein leibliches Gefresse machten und es nicht anders handhabten als sonst ein täglich Brot und Wein, dazu untereinander verachteten, und ein jeglicher ein eigenes Mahl hielten. Wir aber reden von denen, die glauben, daß es nicht ein Schweinemahl sei, sondern der wahrhaftige Leib und Blut Christi, und die da wissen, daß Christus es zu seinem Gedächtnis und unserm Trost eingesetzt hat und gerne auch Christen sein wollten, ihren Herrn loben, danken und ehren, dazu auch gerne seine Gnade und Liebe haben wollten und sich ihrer Person und Unwürdigkeit halber fürchten und so wegbleiben, durch solche falsche Furcht gehindert und abgeschreckt.

Lieber, du mußt nicht auf dich sehen, wie würdig oder unwürdig du seist, sondern auf dein Bedürfnis, darauf, daß du der Gnade Christi wohl bedarfst. Wenn du das Bedürfnis siehst und fühlst, so bist du würdig und geeignet genug, denn er hats uns nicht zu Gift oder Ungnade, sondern zu Trost und Heil eingesetzt. Vor allen Dingen aber mußt du ansehen, daß dein Herr Christus, wie unwürdig du bist, gleichwohl allzu würdig ist, den du loben, ehren und dem du danken und seine Ordnung und Stiftung, wie oben gesagt, handhaben helfen sollst, wie du ihm schuldig bist und in der Taufe gelobt hast. Dein Herz soll so denken: Wohlan! bin ich unwürdig, das Sakrament zu empfangen, so ist mein Herr Christus desto würdiger, daß ich ihm damit danke und ihn lobe und seine Stiftung ehre, wie ich schuldig bin und in meiner Taufe gelobt habe, und abermals: bin ich unwürdig, so bin ich dessen aber bedürftig. Wer betteln will, der darf sich nicht schämen; Scham ist ein unnützes Hausgesinde in eines armen Bettlers Haus. So lobt Christus Luk. 11, 5 ff. auch selbst einen unverschämten Dränger.

Sieh, so hast du denn zwei gute Weisen und Ursachen, das Sakrament zu empfangen: die erste, daß du Christus damit dankst und lobst, die andere, daß du für dich auch Gnade und Trost holst. Diese zwei Weisen können nicht böse noch Mißbrauch sein, sondern müssen recht sein und Gott recht gefallen. Denn gegen Gott können wir nicht mehr als auf zwei Weisen handeln, nämlich mit Dank und Bitten. Mit dem Dank ehren wir ihn wegen der Güter und Gnaden, die wir schon bereits empfangen haben, mit dem Beten ehren wir ihn wegen Güter und Gnaden, die wir hinfort gerne hätten. Denn wer in solcher Absicht zum Sakrament geht, was tut der anders, als spräche er mit der Tat: Herr, ich danke dir für alle deine mir gegebene

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Gnade und bitte weiter, du wollest meiner Notdürftigkeit noch weiter helfen. Das ist ein Lobopfer und ein Bittopfer. Mehr kannst du Gott nicht tun, noch ihn höher ehren.

So sieh doch, welch ein feines Sakrament das ist, wo du zugleich für die frühere Gnade dankst und um die künftigen Gnaden bittest. Wer kann aber jemals genug danken und bitten? Darum ist ja hier keine Ursache, müde und faul zu werden, sondern, eitel brennende, heftige Reizung, daß man das Sakrament ja gerne, mit Lust und Freuden empfangen soll. O hätten die lieben Propheten und alten Väter solch Sakrament allein sehen und hören sollen, wie sollten sie so fröhlich und begierig dazu gewesen sein, wie sollten sie sich über uns verwundert haben, daß wir solche seligen Leute im Vergleich zu ihnen wären! Aber wie wehe sollte es ihnen auch umgekehrt getan haben, wenn sie gesehen haben sollten, daß wirs so schändlich verachten. Aber noch viel weher sollts ihnen getan haben, wenn sie den verfluchten greulichen Jahrmarkt gesehen hätten, den die Papisten und Sophisten mit Winkelmessen und dergleichen daraus gemacht haben.

Darum siehe ja zu, daß du dies Sakrament nicht anders als auf diese zwei Weisen gebrauchst, nämlich auf Dankweise und Betweise. Und hüte dich vor der Papisten Greuel, die machen ein Opfer daraus, womit sie nicht für die frühere Gnade danken, sondern wie mit einem Werk die künftige Gnade erwerben und verdienen wollen, dazu nicht für sich selbst, sondern auch für andere, welchen sie solche Opfermesse verkaufen. Aber du sollst im Sakrament Gott danken und loben helfen für die frühere Gnade, besonders die, welche dir in Christus erzeigt ist, und um die künftige Gnade für dein Bedürfnis begehren und bitten. Dann wirst du keinen Jahrmarkt noch Verdienst daraus machen können, den du andern mitteilen oder verkaufen möchtest. Ein jeglicher muß hier für sich Gott danken und zu ihm beten, mit allen andern.

Soviel will ich diesmal den Predigern, die es nicht besser wissen, angezeigt und daneben gebeten haben, daß sie helfen wollten, solches gut in das Volk zu bringen und ihm ausführlich darzulegen. Denn obwohl etliche verstockte, unbußfertige, rohe Menschen das nicht achten werden, so wirds doch bei vielen Frucht schaffen, wie man sagt; Ein gut Wort findet eine gute Statt. Und Gott selbst spricht Jes. 55, 11: »Mein Wort wird nicht leer zu mir zurückkommen, sondern ihm wird gelingen, wozu ich es sende«. Wo aber dieser Verächter etliche gefunden werden, die sich an solche Vermahnung nicht kehren, dazu das Sakrament bei gesundem und lebendigem Leibe nicht gebrauchen, da soll man sie auch an ihrem Tode und letzten Ende liegen lassen und ihnen das Sakrament nicht geben. Haben sie gelebt wie die Hunde und Säue, so lasse man sie auch sterben wie Hunde und Säue, es sei denn, daß sie ganz starke Zeichen eines reuigen, gläubigen Herzens beweisen. Denn wir sollen das Heiligtum nicht den Hunden geben, noch die Perlen vor die Säue werfen, spricht Christus, Matth. 7, 6. Und Gott wird auch selbst mit zuschlagen unter solche Verächter, daß sie des Abendmahls Christi nicht wert sein noch es genießen können. Davon will ich hier ein Beispiel erzählen, das unlängst in der Stadt Torgau geschehen ist, wo man dafür noch beide, Pfarrherrn und Kaplan, zu Zeugen haben kann.

Es ist auch ein solcher Mann gewesen, dessen Namen ich nicht nennen will, der in sechs oder sieben Jahren unter dem Schanddeckel der christlichen Freiheit nicht zum Sakrament gegangen ist und solches bis in seine Krankheit aufgeschoben und gespart und in derselben noch dazu verschoben hat, bis das letzte Stündlein daherkam. Als er nun ein Ende seines Lebens zu fühlen begann, forderte er den Kaplan und bat um das Sakrament: da der Kaplan es bringt und ihm gerade in den Mund reicht, fährt die Seele aus und läßt das Sakrament auf der Zunge im offenen Munde, daß der Kaplan es wieder zu sich nehmen mußte. Als er aber heikel war, daß ers nehmen sollte, und mich fragte, wo ers hintun sollte, hieß ichs ihn mit Feuer verbrennen. Lieber, laß dir das ein Beispiel und Zeichen sein, daß du nicht so roh dahinlebst, ob du wohl jetzt nicht zum Sakrament gezwungen bist. Kannst du Gott in seinem Sakrament document.doc 16 5/11/2023

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verachten, kann er dich wieder in deinen Nöten verachten, wie er, Sprüche 1, 25 f. sagt: »Wenn ihr fahren laßt all meinen Rat und meine Zurechtweisung nicht wollt, dann will ich auch lachen bei eurem Unglück und euer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet« usw. Und es ist auch recht, daß der, welcher ein Christ sein will und solchen Namen mit Schande führt, so daß er das Sakrament nicht gebrauchen will, wenn er gut kann, daß ers auch nicht gebrauchen soll, wenn ers gerne haben wollte.

Nicht, daß ich deshalb jemand zum Sakrament nötigen oder zwingen, noch Gebot oder Zeit festsetzen wollte, wie der Papst getan hat. Denn Gott mag keinen gezwungenen Diener haben, viel weniger will er jemandem gegen seinen Willen etwas geben. Sondern ich wollte gern damit dazu vermahnen, daß sich ein jeglicher selbst zwinge und sich aus eigenem Eifer selbst nötige, solchen edlen lieben Schatz der Seele zu holen, und daneben anzeigen, wie Gott mit Recht daran ein großes Mißfallen habe, daß man seine angebotene Gnade und Güte so schändlich verachtet, obs helfen wollte, daß die Menschen ohne Zwang und Gesetz Gottes Gnade zu suchen und zu empfangen lernen. Denn solche große Verachtung und Undankbarkeit verdient wohl größere Strafe als es die ist, daß einer bei seinem Tode das Sakrament entbehren muß, wie denn gewiß auch eine viel größere folgen wird.

Denn bedenke du selbst, eine wie unsinnige, verzweifelte Verachtung und Undankbarkeit das ist. Vorher unter dem Papsttum, als wir zum Sakrament gezwungen und gedrungen wurden, liefen wir in Mengen hinzu, mußten dazu genug Geld dafür geben und alles teuer erkaufen. Und man gab uns doch nicht mehr als das halbe Sakrament in einer Gestalt. Und was noch ärger war: wir mußtens nicht zu unserem Nutzen noch zu Gottes Ehren holen, sondern nur, daß man dem Papst gehorsam wäre wie mit einem Frondienst. Denn er fragte nicht viel danach, was wir für Nutzen oder was Gott für Ehre davon hätte, die Seinen predigten und lehrten es auch nicht. Sondern das suchte er allein, wie großen Gehorsam er bei uns haben möchte; ja, zu unserm Schaden mußten wirs holen, an Leib wie an Seele. Denn da wurde nichts vom Glauben gelehrt, sondern es mußte ein Werk sein, mit dem man Gott gegenüber wohl tat, worunter der rechte Gebrauch, Nutzen und Frucht des Sakraments verborgen und uns geraubt wurde.

Jetzt aber, wo mans nicht allein umsonst hat, sondern auch den rechten Gebrauch lehrt, und es, in Summa, zu unserem Nutzen und Gottes Ehre gebrauchen kann, stellen wir uns so heikel und schändlich dazu, als wären wir nicht Menschen, (ich will von Christen schweigen) sondern als wären wir Stöcke und Steine, die dessen nicht bedürften, und (als ob es) uns gar nichts anginge. Was solls denn Wunder sein, daß uns Gott umgekehrt auch plagt und straft? Ja, weil wir Christen heißen wollen und uns so verächtlich und lästerlich gegen unsern Heiland stellen, so wäre es kein Wunder, daß uns Gott ohne Aufhören mit Teuerung und Hungersnot, Pestilenz, Krieg und allem Unglück plagte. Denn was soll es doch sein, daß wir aus so greulichem Gefängnis der Seelen und aus des Papstes Stricken so gnädig erlöst sind, und uns dazu solche reiche Gnade angeboten wird, wir aber nicht allein nicht für solche Erlösung danken, sondern auch der angebotenen Gnade gleichsam als eines unnötigen, unnützen Dinges spotten?

Darum sage ich, von Gott aus gesehen, mit Recht: Willst du von meinem Abendmahl nicht essen und trinken, das ich dir so von Herzen gut zugerichtet, so will ich dir umgekehrt auch Teuerung und Hungersnot zuschicken, daß du weder Abend- noch Morgenmahlzeit finden sollst. Bist du so satt, daß du meine Speise nicht magst, so will ich dich hungrig genug machen, daß du auch deine Speise nicht haben sollst. Willst du das Brot des Lebens nicht haben, das ich dir so reichlich darbiete, so habe die Pestilenz, Fieber und alle Krankheit, und stirb immer zum Teufel hin. Willst du das Sakrament der Liebe, der Gnade und des Friedens nicht, die ich dir darin schenke, so habe Krieg, Zwietracht, Unfriede und alle Unruhe. Denn document.doc 17 5/11/2023

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was soll Gott uns doch anders tun? Wie kann ers leiden, daß seine Gnade immer für und für, je länger je mehr verachtet und die Undankbarkeit immer größer wird, und er hats doch so teuer erworben und seinen eigenen Sohn dafür kreuzigen lassen. Er muß dreinschlagen und alle Plagen über uns ergehen lassen, wie es denn schon anfängt und dahergeht. Wir zwingen und dringen ihn zum Zorn, daß er seine Gnade aufheben und Ungnade walten lassen muß. Er kann vor unserer unablässigen Verachtung und Undankbarkeit nichts anderes tun.

Wohlan, ich will das Meine getan und die Prediger treulich gebeten haben, daß sie mir hierin fleißig darauf bestehen helfen, damit wir den Zorn Gottes doch nicht so ganz über uns heraufbeschwören. Ohne Zweifel werden etliche fromme Herzen solches annehmen und sich bessern; der andern halber will ich entschuldigt sein, ihr Blut sei auf ihrem Kopf, es ist ihnen genügend gesagt. Derselbe Gott aller Gnade und Barmherzigkeit verleihe uns seinen Heiligen Geist, der uns erwecke und vermahne, seine Ehre mit Ernst zu suchen und mit aller Andacht des Herzens für alle seine unzähligen, unaussprechlichen Güter und Gaben zu danken, durch Jesus Christus, unsern Herrn und Heiland, dem sei Lob und Dank, Ehre und Preis in Ewigkeit, Amen, Amen.

[WA 30, 2, 595–626]

Quelle: Luther-Werke, hrsg. v. Kurt Aland, Bd. 6, Vandenhoeck und Ruprecht, S. 103 ff.

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