Die Determinanten der Gesundheit und deren Bedeutung für …...Wohnumfeld, das Kindern und...

Carlo Fabian – Fachtagung UNICEF 2020 – Solothurn 19. Oktober 2020 11

Die Determinanten der Gesundheit und deren Bedeutungfür die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Partizipative Prozesse und Praxisbeispiele im Kontext der Aussenraumgestaltung.

Carlo FabianInstitut Soziale Arbeit und Gesundheit


Aus dem Tagungsprogramm

« … die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum der Aussenraumgestaltung zu stellen. Die Gesundheit der Kinder ist das ihnen zustehende Recht und darüber hinaus ein wichtiger Indikator für starke Kinder. Eine zukunftsträchtige Gesellschaft braucht starke Kinder.»

«Kinderfreundliche Räume spielen dabei eine wichtige Rolle, denn in den Räumen bewegen, entwickeln und sozialisieren sich die Kinder.»

«Der Zugang zu Naturräumen und die Möglichkeit zur Partizipation bei der Gestaltung der Räume sind ebenso wichtig für die gesunde kindliche Entwicklung wie die Möglichkeit zum freien Spielen.»

-> Fragen!

• Was ist Gesundheit? Wie entsteht Gesundheit? Wie wird Gesundheit gefördert und erhalten?

• Was sind kinderfreundliche Räume?

• Was ist Partizipation in der Freiraumgestaltung und wie kann sie tatsächlich gewährleistet werden?


Programm Referat

▪ Einführende Bemerkungen

▪ Antworten zu den aufgeworfenen Fragen

1. Was ist Gesundheit? Wie entsteht Gesundheit? Wie wird Gesundheit gefördert und erhalten?

▪ Konkretisierungen anhand des Projekts QuAKTIV

2. Was sind kinderfreundliche Räume?

3. Was ist Partizipation in der Freiraumgestaltung und wie kann sie tatsächlich gewährleistet werden?

4. Welchen Zusammenhang gibt es (bei Kindern) zwischen Partizipation und Gesundheit?

5. Warum sind naturnahe Aussenräume / Freiräume für die Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen wichtig?


Einführende Bemerkungen

• The city and the urban are not places, but social conditions of mutual inspiration and collective

action. (Lefebvre, 1991)

• Der Begriff des Sozialen Raums verweist darauf, dass der Raum auch Ergebnis menschlichen Handelns ist. Folglich kann er nicht ohne seinen sozialen Kontext und Inhalt sowie die räumlichen Verflechtungen der Menschen gedacht werden. (Früchtel, Cyprian & Budde, 2013)

• Die Umweltpsychologie handelt von der „letztlich unauflöslichen Beziehung“ zwischen den Menschen und der Umwelt. (Graumann & Kruse, 2008)

-> Erleben und Verhalten sind immer als Funktion der Interaktion zwischen Mensch(en) und Umwelt zu sehen.


Ausgangslage

• UN Convention on the Rights of the Child (1990)-> https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/crc.aspx

-> Berücksichtigung der Meinung der Kinder (Artikel 12): «(1) Die Vertragsstaaten sichern …, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.»

• Kinderfreundliche Gemeinden / Child Friendly Cities – UNICEF Initiative-> https://childfriendlycities.org/child-rights/

-> Basiert auf der UN Kinderrechtskonvention


Frage I

• Was ist Gesundheit?

• Wie entsteht Gesundheit?

• Wie wird Gesundheit gefördert und erhalten?


Gesundheit

• Gesundheit im Sinne der WHO:

Ausdruck von hohem Wohlbefinden und von hoher Lebensqualität und nicht bloss als

Abwesenheit von Krankheit.

• Gesundheit ist ein multidimensionales Phänomen und durch körperliche, psychische und

soziale Einflussfaktoren konstituiert. (vgl. Sterdt & Walter 2012)

• Gesundheit wird nicht mehr nur als Zustand, sondern vielmehr als Prozess verstanden:

• Balance zwischen Belastungen / Herausforderungen und Ressourcen.

• Vielfältige Wechselwirkungen von Menschen mit ihrer Umwelt.(vgl. Faltermeier 2009)


Gesundheit

„Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo

sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.

Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in

die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen

Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt,

Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“

(World Health Organization 1986)


Gesundheit: Positive Beschreibungen (nicht abschliessend)

Lebensfreude

Vitalität

Konzentrations-fähigkeit

Freiheit

Kreativität

Optimismus Selbstwirksam-keit

…


Das bio-psycho-soziale Modell der Gesundheit und Krankheit

(nach Engel, 1976)

In einem bio-psycho-sozialen

Verständnis werden

biologische, psychische und

soziale Aspekte nicht additiv

verstanden, sondern

wechselseitig aufeinander

bezogen.


Wie wird Gesundheit gefördert und erhalten?

Pathogenetische Perspektive vs. Salutogenetische Perspektive

-> Salutogenese: Was hält uns gesund?

«Gesundheitsförderung ist definiert als Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an

Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie dadurch zur Stärkung ihrer

Gesundheit zu befähigen.» -> Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. WHO, 1986)

(BZgA – Leitbegriffe: https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/gesundheitsfoerderung-1-grundlagen; WHO 1986)


Lebensfelder und Rahmenbedingungen der Gesundheit von jungen Menschen / Determinanten der Gesundheit

(Bachmann, Meyer & Zumbrunn, 2020)


Mehrebenenmodell der Gesundheitsförderung

BZgA – Leitbegriffe: https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/gesundheitsfoerderung-1-grundlagen/(modifiziert nach Göpel, o.J.)


Setting-Ansatz

Kriterien für gute Praxis der soziallagen-bezogenen Gesundheitsförderung. (BZgA, 2015)


Konkretisierungen anhand des Projekts QuAKTIV

«Die Entwicklung von kinderfreundlichen und naturnahen Freiräumen

für Kinder und mit Kindern»


Frage II

Was sind kinderfreundliche (und naturnahe) Räume?


Kinderfreundlich? Naturnah?

Carlo Fabian



www.manor.ch

www.erento.ch



Timo Huber


Kindergerecht gestaltete Freiräume

• Erreichbarkeit / Zugang

• Aufforderungscharakter

• Hohes Potential für Identifikation

• Interaktion, soziale Kontakte und Austausch

• Lern- und Entwicklungsraum

• Fokus auf Bedürfnisse von Kindern

• Gestaltungskonzept, welches Aneignung und Nutzungsänderungen zulässt

• Naturnahe Räume ! -> Flexible, mobile, freistehende, bedürfnisgerechte Materialien und Möglichkeiten

• …


Frage III

Was ist Partizipation in der Aussenraumgestaltung und wie kann sie tatsächlich gewährleistet werden?


Das Programm QuAKTIV

Ausgangslage

• Kinderfreundliche und naturnahe Freiräume werden immer rarer / immer weniger Kinder haben Zugang.

• Partizipative, ökologische und pädagogische Ziele werden bisher kaum gemeinsam in Projekten berücksichtigt.

Realisierung

• Drei Pilotprojekte in Gemeinden / Quartieren; Laufzeit drei Jahre.

• Methoden, Prozesse und Instrumente sind entwickelt, getestet und bereitgestellt.

• Finanzierung: Stiftung Mercator Schweiz & Swisslos Kanton Aargau.


Informieren

Mitwirken

Mitentscheiden

Mitverantworten

•Verfahren•Rolle Kinder•Rolle Erwachsene•Rahmenbedingungen•Anhörung

•Ideenfindung•Planungsschritte•Umsetzungen

•Diskussionen Ebene Kinder•Rückkopplungen «Planung» – Kinder•Gemeinsame Lösungen

•Pflege Freiraum•Weiterentwicklung Freiraum

•Akzeptanz, dass Kinder ExpertInnen ihrer Lebenswelt sind.•Zugestehen, dass Kinder das Recht auf Meinungsäusserung haben. •Haltung, diese Meinungen aufnehmen und integrieren zu wollen.•Mehrwert in partizipativen Prozessen sehen.

-> UN-Kinderrechtskonvention: Recht auf Meinungsäusserung

Kindergerechte Gestaltungsprozesse?

Partizipationist Methode und Haltung!


Praxisleitfaden

Grundlagen: Theorien, Good-Practice, Methoden

Umsetzung in 3 Pilotgemeinden

Transfer(Praxis <-> Wissensch.) Verstetigung Evaluation

P R A X I S H I L F E

QuAKTIV: Bausteine (2013-2016)

(Fabian, Huber, Käser, Schmid, 2016) -> www.quaktiv.ch

• Lokale Arbeitsgruppe (AG): GR, Fachpersonen Landschaft, Gartenbau, Natur, Jugendarbeit, Schule, …

• Projektleitung in Gemeinde• FHNW: Projektbegleitung & Fachexpertise Partizipation mit Kindern• Vielfältige partizipative Workshops, Aktivitäten etc. mit Kindern • Versch. Treffen Kinder-Erwachsene (AG, Eltern)

http://www.quaktiv.ch/


Exkurs


Exkurs: Partizipation /Empowerment (Folie präsentiert an der Konferenz Gesundheitsförderung Schweiz, 2019, Neuenschwander & Fabian)

M. Wright et al. 2010


27

-> Wegweiser für Gemeinden, Behörden und Kommissionen. Arbeitshilfe für die Ortsplanung. Planungswegweiser des Kt. Bern (2002).

www.jgk.be.ch/jgk/de/index/raumplanung/raumplanung/arbeitshilfen/planungswegweiser.html

(Download 19.3.2020)

Planungsprozess

http://www.jgk.be.ch/jgk/de/index/raumplanung/raumplanung/arbeitshilfen/planungswegweiser.html

Carlo Fabian – Fachtagung UNICEF 2020 – Solothurn 19. Oktober 2020 28(Fabian et al., 2016)

Partizipation in jeder Projektphase


Frage IV

Welchen Zusammenhang gibt es (bei Kindern) bei der Freiraumentwicklung zwischen Partizipation und Gesundheit?


Partizipation in Gestaltungsprojekten von Lebenswelten

Naturnah und kindergerecht gestaltete Freiräume sowie deren partizipativeEntwicklung…

… unterstützen als Lern- und Erfahrungsräume eine gesunde Entwicklung von Kindern.

… stärken die Kompetenzen und Ressourcen der Kinder.

… ermöglichen Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen und Herkunft.

… begünstigen die Identifikation mit dem Ort.

… sensibilisieren Kinder für Natur und Gestaltungsprozesse.

… fördern die Demokratieerfahrung der Kinder sowie der Erwachsenen.


Erkenntnisse: Partizipation und Demokratie (Kriterien)

• Inklusion - Erreichung der definierten Zielgruppen mit den

angewendeten Methoden

• Gerechtigkeit der Verfahren gegenüber den Partizipierenden und den Nicht-Partizipierenden

• Mitwirkungsqualität - Realisierung vertiefter, kontinuierlicher Mitwirkung in einem fairen, ausgewogenen und

ergebnisoffenen Verfahren

• Transparenz – angemessene Information der Beteiligten und auch weiterer interessierter Kreise über die Verfahren

• Sozialisation – Beeinflussung der Beteiligten für zukünftiges Verhalten und den Einstellungen gegenüber Partizipation

• Einbettung der neuen Partizipationsformen in die bestehenden demokratischen Prozesse

(Widmer and Stutz, 2016; vgl. auch Fabian & Huber, 2019)


Partizipation und Gesundheit

Förderung gesundheitsbezogener Faktoren:

• Empowerment & Autonomie: Aktivierung und Mobilisierung, Förderung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung von Individuen und Gemeinschaften -> Fragen: Wer muss empowert werden? Wer entscheidet das?

• Selbstwirksamkeit : Konsequenzerwartung & Kompetenzerwartung. -> Hauptquellen: eigenes Erleben und Beobachtung

• Kontrollüberzeugung (locus of control): internale und externale

• Kohärenzgefühl (Kernkomponente der Salutogenese)

• Verstehbarkeit: kognitive Komponente -> Nachvollzielbarkeit und Erklärbarkeit der Umwelt

• Handhabbarkeit: kognitiv-emotionale Komponente -> Herausforderungen lösbar

• Sinnhaftigkeit: emotionale Komponente -> Gefühl von sinnhaftem Leben

(Fabian, 2016; vgl. auch Fabian & Huber, 2019)


Frage V

Warum sind naturnahe Aussenräume / Freiräume für die Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen wichtig?


Selbstbestimmte Räume

«Auch die Ausgestaltung des Wohnumfelds und die vorhandenen Angebote haben einen Einfluss auf die Handlungsspielräume und das Freizeitverhalten. Wichtig ist ein Wohnumfeld, das Kindern und Jugendlichen Bewegung und Begegnung in der Freizeit ermöglicht.

Aus Expertensicht besonders entwicklungsfördernd sind für Kinder und Jugendliche nicht-strukturierte Freizeit und selbstbestimmte Räume.»

(Bachmann, Meyer & Zumbrunn, 2020, S. 50)

in: Gesundheit in der Schweiz – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Nationaler Gesundheitsbericht 2020


Bewegung

• Bewegung wird in Aussenräumen ermöglicht und gefördert – «Aufforderung» zur Bewegung.

• Bewegung mit Gleichaltrigen macht Spass und erhöht die Zeit des Spiels und der Bewegung.

• Je mehr Zeit Kinder draussen verbringen, desto mehr Bewegung haben sie.

• Kinder können frei Spiele spielen, erfinden, ausprobieren, aushandeln, vereinbaren etc..

• Spiel und Sport gehen ineinander über. «Sport» im Kindesalter ist oft Motivation für Sport in Verein/organisierten Sport.

-> Bewegung und Sport haben positiven Impact auf die Gesundheit.(Zahner, Wick, Häfliger, Schärrer, 2016)


Zugang zu den Frei- und Aussenräumen

Gleichheit vs. Gerechtigkeit(en)


Equality vs. Equity (Gleichheit vs. Gerechtigkeit)


Equality vs. Equity vs. Justice (Gleichheit vs. Gerechtigkeit)

http://www.cawi-ivtf.org/sites/default/files/publications/advancing-

equity-inclusion-web_0.pdf


https://medium.com/@sandeepkumar_52041/equality-

equity-and-justice-5f71ebe31245

Equality – Equity – Reality – Liberation


Equality vs. Equity

http://muslimgirl.com/46703/heres-care-equity-equality/

–


Covid-19 ?

Was sind die Folgen in den Bereichen Gesundheit, Entwicklung, Chancengerechtigkeit,

etc. für Kinder und Jugendliche aufgrund von Covid-19 und der erfolgten

Massnahmen?


Statements zum Schluss

• Die Determinanten der Gesundheit sind vielfältig.

• Chancengerechtigkeit und Inklusion für alle sind eine grosse Herausforderung.

• Projekte und Prozesse mit umfassenden (echten) partizipativen Ansätzen können

hier wesentliche Beiträge leisten.

• Ausserordentliche Zeiten, wie eine Pandemie, müssen diese Aspekte gebührend

berücksichtigen.

Carlo Fabian

[email protected]


Kleine Literaturauswahl

Bachmann, N., Meyer, St. & Zumbrunn, A. (2020). Lebenswelten, Umweltfaktoren und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. (S. 33-63). In: Peter, C., Diebold, M., Delgrande Jordan, M., Dratva, J., Kickbusch, I. & Stronski, S. (Hrsg.). Gesundheit in der Schweiz – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Nationaler Gesundheitsbericht 2020. Neuchâtel. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.

Fabian, C., & Huber, T. (2019). Participating in creating open spaces with and for children - A kind of participatory action research? (S. 153-179). In I. R. Berson, M. J. Berson, & C. Gray (Eds.). Participatory Methodologies to Elevate Children’s Voice and Agency. Charlotte: Information Age Publishing.

Fabian, C., Huber, T., Käser, N., & Schmid, M. (2016). Naturnahe Freiräume für Kinder und mit Kindern planen und gestalten. Grundlagen, Vorgehensweise und Methoden. Praxishilfe. Basel: FHNW. -> siehe auch www.quaktiv.ch.

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