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1 von Angelika Gärtner Zur Geschichte der deut- schen Einwanderung in Rio Grande do Sul Rio Grande do Sul, um etwa ein Viertel klei- ner als die Bundesrepublik, ist der südlichs- te Bundesstaat Brasiliens, dessen Besied- lung bzw. Inbesitznahme erst im 17. und 18. Jahrhundert durch spanische Jesuiten, por- tugiesische Soldaten und azorianische Ko- lonisatoren erfolgte. Die deutsche Einwan- derung in Rio Grande do Sul, die entschei- dend zur wirtschaftlichen und gesellschaft- lichen Entwicklung dieser Region beitrug, verlief in drei großen Phasen: 1824-1830, 1844-1889 und 1890-1914. 1 Sie begann 1824 mit den von Kaiser Dom Pedro I und seiner Ehefrau Leopoldine von Habsburg zur Bewirtschaftung und Verteidigung der Landesgrenzen ins Land gerufenen Einwan- derern. Die Ankömmlinge gründeten die Kolonie São Leopoldo, von wo aus sich die Siedlungsgebiete der »alten Kolonien« ins Landesinnere erstreckten. 2 Die Schätzungen bezüglich der Zahl der deutschen Einwan- derer schwanken stark. Die meisten Unter- suchungen gehen von 235.000 bis 250.000 Personen aus. 3 Die deutsche Sprache in Rio Grande do Sul, Südbrasilien Deutsch als Minderheiten- sprache Die Nachkommen der Einwanderer Heute leben ca. 9 Millionen Einwohner in Rio Grande do Sul. Etwa ein Viertel von ihnen ist deutscher Abstammung. Die Einwanderer und ihre Nachkommen bewahrten über mehrere Generationen ihre Muttersprache, bis sie der Estado Novo unter der Diktatur von Getúlio Vargas (1938-1945) gewaltsam daran hinderte. Mit dessen Nationalisie- rungspolitik wurde bei Verbot der Immi- grantensprachen die Verbreitung des Portu- giesischen betrieben und somit auch die Fortsetzung des deutschen Schulwesens, das bis dahin mit seinen fast 1000 Schulen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Schreib- und Lesekompetenz in der Mutter- sprache übernommen hatte, verhindert. So erhielt sich die deutsche Sprache lediglich als mündliches Medium – vor allem in ver- schiedenen Dialektvarianten – im eher fami- liären und privaten Bereich. 4 In vielen Orten der deutschstämmigen Siedlungsgebiete existiert eine bilinguale Situation, wobei Deutsch auch Sprache in den Behörden, Geschäften oder Predigten vor allem der evangelischen Kirche ist. Nach Schätzun- Inhalt Que tal pedir Eisbein? Die deutsche Sprache in Rio Grande do Sul, Südbrasilien von Angelika Gärtner S. 1 Zum Stand der Germanistik in Nischni Nowgorod von Natascha Chlonina und Marina Rosina S. 5 Wo ist Waltraud? Sprachglosse von Rainer Moritz S. 6 Impressum S. 6 Über Hinweise zur Orthographie in älteren deutschen Briefstellern und Anstandsbüchern von Elzbieta Kucharska S. 7 Das »Mekka aller Linguisten« von Elzbieta Kucharska und Leslaw Cirko S. 12 Fremdheit in der Muttersprache Unterschiede in kommunikativen Mustern zwischen Ost und West von Gerd Antos S. 14 Aktuelles S. 16 Que tal pedir Eisbein?

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von Angelika Gärtner

Zur Geschichte der deut-schen Einwanderung in RioGrande do Sul

Rio Grande do Sul, um etwa ein Viertel klei-ner als die Bundesrepublik, ist der südlichs-te Bundesstaat Brasiliens, dessen Besied-lung bzw. Inbesitznahme erst im 17. und 18.Jahrhundert durch spanische Jesuiten, por-tugiesische Soldaten und azorianische Ko-lonisatoren erfolgte. Die deutsche Einwan-derung in Rio Grande do Sul, die entschei-dend zur wirtschaftlichen und gesellschaft-lichen Entwicklung dieser Region beitrug,verlief in drei großen Phasen: 1824-1830,1844-1889 und 1890-1914.1 Sie begann1824 mit den von Kaiser Dom Pedro I undseiner Ehefrau Leopoldine von Habsburgzur Bewirtschaftung und Verteidigung derLandesgrenzen ins Land gerufenen Einwan-derern. Die Ankömmlinge gründeten dieKolonie São Leopoldo, von wo aus sich dieSiedlungsgebiete der »alten Kolonien« insLandesinnere erstreckten.2 Die Schätzungenbezüglich der Zahl der deutschen Einwan-derer schwanken stark. Die meisten Unter-suchungen gehen von 235.000 bis 250.000Personen aus.3

Die deutsche Sprache in Rio Grande do Sul, Südbrasilien

Deutsch als Minderheiten-sprache

Die Nachkommen der EinwandererHeute leben ca. 9 Millionen Einwohner in RioGrande do Sul. Etwa ein Viertel von ihnen istdeutscher Abstammung. Die Einwandererund ihre Nachkommen bewahrten übermehrere Generationen ihre Muttersprache,bis sie der Estado Novo unter der Diktaturvon Getúlio Vargas (1938-1945) gewaltsamdaran hinderte. Mit dessen Nationalisie-rungspolitik wurde bei Verbot der Immi-grantensprachen die Verbreitung des Portu-giesischen betrieben und somit auch dieFortsetzung des deutschen Schulwesens,das bis dahin mit seinen fast 1000 Schuleneine wichtige Rolle bei der Ausbildung derSchreib- und Lesekompetenz in der Mutter-sprache übernommen hatte, verhindert. Soerhielt sich die deutsche Sprache lediglichals mündliches Medium – vor allem in ver-schiedenen Dialektvarianten – im eher fami-liären und privaten Bereich.4 In vielen Ortender deutschstämmigen Siedlungsgebieteexistiert eine bilinguale Situation, wobeiDeutsch auch Sprache in den Behörden,Geschäften oder Predigten vor allem derevangelischen Kirche ist. Nach Schätzun-

Inhalt

Que tal pedir Eisbein?Die deutsche Sprache in Rio Grande do Sul,Südbrasilienvon Angelika Gärtner S. 1

Zum Stand der Germanistik inNischni Nowgorodvon Natascha Chlonina undMarina Rosina S. 5

Wo ist Waltraud?Sprachglosse von Rainer Moritz S. 6

Impressum S. 6

Über Hinweise zur Orthographiein älteren deutschen Briefstellernund Anstandsbüchernvon Elzbieta Kucharska S. 7

Das »Mekka aller Linguisten«von Elzbieta Kucharskaund Leslaw Cirko S. 12

Fremdheit in der MutterspracheUnterschiede in kommunikativen Musternzwischen Ost und Westvon Gerd Antos S. 14

Aktuelles S. 16

Que tal pedir Eisbein?

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gen verstehen und/oder sprechen heutenoch ca. 700.000 Menschen die deutscheSprache in Rio Grande do Sul.5

aus Altenhofen 1996: 53; ergänzt um die im vorlie-genden Artikel zitierten Kleinstädte

Die Mennoniten

Um 1930 vollzog sich die Einwanderung dermennonitischen Gläubigen aus Kanada undder Sowjetunion über Paraguay nach Brasi-lien. Die Mennoniten siedelten sich zunächstin Paraná und Santa Catarina an. Im Jahre1948 verließen einige Familien ihre in SantaCatarina errichtete Siedlung »Krauel« undzogen nach Rio Grande do Sul, in die Nähevon Bagé, wo sie die Colônia Nova gründe-ten.6 Dort leben heute noch ca. 60 die deut-sche Sprache in Form eines niederdeut-schen Dialekts sprechende Familien, derenKinder die Schule »Menno Simons« mitDeutschunterricht besuchen.

Die deutsch-jüdische Gemeinde SIBRA

Die ersten Juden aus Deutschland kamenzu Beginn der 30er Jahre nach Brasilien.Zwischen 1933 und 1942 reisten ca. 9.400deutsche Juden ein.7 Etwa 350 von ihnenkamen nach Rio Grande do Sul, hauptsäch-lich in den Großraum Porto Alegre.8 1936wurde die deutsch-jüdische GemeindeSociedade Israelita Brasileira de Cultura eBeneficiência (SIBRA) in Porto Alegre ge-gründet. Sie ist heute eine von sieben jüdi-schen Vereinigungen in der Hauptstadt, dieGlaubensrichtungen von liberal bis streng-orthodox vertreten. Die SIBRA, eine jetzteher ethnisch gemischte Gemeinde mit libe-raler Richtung, umfasst noch etwa 40deutsch-jüdische Familien.

Unter den Mitgliedern war auch der aus Ber-lin stammende, 1991 verstorbene HerbertCaro, Übersetzer deutscher Literatur ins

Portugiesische (u.a.von Thomas Mann),von 1940 bis 1945Präsident der SIBRA.Eva Sopher, ebenfallsd e u t s c h - j ü d i s c h eEinwanderin und Mit-glied der SIBRA, istheute Präsidentin derFundação de TeatroSão Pedro, die sichfür Finanzierung undRenovierung desTheaters »São Pedro«in Porto Alegre ein-setzte und seitdem fürein reichhaltiges, na-tionales und interna-tionales Kulturange-bot (letzteres auchhäufig in Zusammen-arbeit mit dem hiesi-gen Goethe-Institut)sorgt.

Die SIBRA erhält keinefinanzielle Hilfe der

brasilianischen Regierung, sondern finan-ziert sich aus Beiträgen und Spenden derMitglieder sowie durch Unterstützung desKulturinstituts Instituto Cultural Judáico MarcChagall in Porto Alegre. Die Predigten in derSynagoge werden seit den 60er Jahren auf-grund der Öffnung auch für nichtdeutsch-sprachige Juden auf Portugiesisch (und He-bräisch), nicht mehr auf Deutsch gehalten.

Deutsch an den Universitä-ten in Rio Grande do Sul

In Rio Grande do Sul führen neun von insge-samt 14 Universitäten, die die Möglichkeiteines Studiums der Sprach- und Literatur-wissenschaft anbieten, Deutsch im Curricu-lum: als Germanistik/Deutsch als Fremd-sprache in einer Deutschabteilung an vierUniversitäten: an der Bundesuniversität(Universidade Federal do Rio Grande do Sul,UFRGS) in Porto Alegre, am Institut fürDeutschlehrerausbildung (Instituto deFormação de Professores de Língua Alemã,IFPLA) der Universidade do Vale do Rio dosSinos in São Leopoldo, an der Universidadede Santa Cruz do Sul im Landesinneren vonRio Grande do Sul und – z. Zt. noch – an derPontifícia Universidade Católica do RioGrande do Sul in Porto Alegre. Als Sprach-kurs wird Deutsch für Studenten der Sprach-und Literaturwissenschaften an drei Univer-sitäten, als Curso de Extensão, d. h. Sprach-kurs oder Fachsprachenkurs für Hörer allerFakultäten sowie für Gasthörer, an weiterenfünf kleineren Universitäten angeboten.

Die Fakultät für Sprach- und Literatur-wissenschaft der Bundesuniversität(UFRGS)

Die Deutschabteilung ist im Instituto deLetras, der Fakultät für Sprach- und Literatur-wissenschaft, die 1970 eigenständige Fakul-tät an der Bundesuniversität wurde, ange-siedelt. Es lehren hier z. Zt. sieben Dozen-ten; die Zahl der Studenten liegt bei ca. 60,die Deutsch als Fach mit dem Abschluss fürLehramt oder Übersetzer in der Graduie-rung studieren. Seit 1992 wird zusätzlich einAufbaustudiengang zur Ausbildung als Dol-metscher angeboten. In der Postgraduie-rung kann Deutsch im Bereich Linguistik mitSchwerpunkt Spracherwerb, Kontrastive Lin-guistik und Sprachkontaktforschung/Bi-lingualismus seit 1993 mit Magisterab-schluss studiert werden. Ab März 1997 istauch ein Promotionsstudiengang möglich.

Das DAAD-Lektorat im Instituto deLetras

1992 wurde an der UFRGS das DAAD-Lek-torat wieder eingerichtet. Neben der Lehre –je nach Fachgebiet des Lektors/der Lektorinund im Einverständnis mit dem Curriculumder Gastuniversität – hat der/die DAAD-Lek-tor/in die Aufgabe, Veranstaltungen mitGastdozenten, Vortragsgästen, Literaten etc.zu organisieren, Fortbildungsseminare zuveranstalten und die Stipendienberatung fürPromotionsaufenthalte in Deutschlanddurchzuführen. Daneben gibt es einen wei-teren Arbeitsbereich, der gerade an derBundesuniversität in Porto Alegre von Be-deutung ist: die Forschung. Mehrere For-schungsprojekte, an denen ich derzeitig alsLektorin mitarbeite oder die ich leite, sind andie Universität und/oder das DAAD-Lektoratgebunden und auf ein bis drei Jahre befri-stet. Sie werden teilweise vom DAAD, teilwei-se von der Universität finanziell unterstützt.Es handelt sich z. B. um die Folgenden:

(1) im Bereich »Sprachkontaktforschung«und »Deutsch als Minderheitensprache«:

- deutsch-portugiesische Sprachmischungund Code-Switching in Rio Grande do Sul,am Beispiel von Feliz, einer Kleinstadt imLandesinneren;

- die deutsche Sprache der Mennoniten inder Colônia Nova bei Bagé;

- Zielsprache Standarddeutsch: Die Text-produktion bilingualer Studenten mit Por-tugiesisch und einem deutschen Dialektals Muttersprachen;

(2) im Bereich »Übersetzungswissenschaft«:

- Übersetzung/Übertragung deutscher Wör-ter mit landeskundlichem Hintergrund insPortugiesische (Kooperationsprojekt vonDozenten dreier Universitäten im Groß-raum Porto Alegre);

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- die Übersetzung von Filmtiteln ins Deut-sche und Portugiesische. Eine verglei-chende sprachwissenschaftliche Untersu-chung zur Textsorte des Titels unter Be-rücksichtigung des kulturellen Hintergrun-des von Deutschland und Brasilien;

- Herta Müllers Erzählungen in »Niederun-gen«: Versuch einer literarischen Überset-zung ins Portugiesische mit vergleichen-der Darstellung der deutschen Minderheitin Rumänien und Brasilien in der Literatur;

(3) im Bereich »Fachsprachendidaktik«:

- »Alemão Instrumental«: Entwicklung einerzweisprachigen, didaktisierten Material-sammlung für einen Lesekurs Deutsch imBereich der Geisteswissenschaften fürbrasilianische Studenten.

Langfristige linguistische Forschungs-projekte im Instituto de Letras

Es wird z. Zt. an zwei großen Forschungs-projekten im Instituto de Letras gearbeitet:Das Projekt VARSUL (Variação LingüísticaUrbana no Sul do País) ist ein Kooperations-projekt, das an insgesamt vier Universitäten(in Rio Grande do Sul und den Nachbarbun-desstaaten Santa Catarina und Paraná)durchgeführt wird. Es stellt in einer Daten-bank zur aktuellen portugiesischen Sprachein Südbrasilien ein Corpus von transkribier-ten und ausgewerteten Sprachaufnahmenzur Verfügung. In Rio Grande do Sul wurdenvon den Sprachwissenschaftlern derUFRGS Sprecher in vier verschiedenenStädten aufgenommen, die den Sprach-stand in der Hauptstadt (Porto Alegre), diepotentiellen Einflüsse der Immigranten-sprachen (in Flores da Cunha: Italienisch, inPanambí: Deutsch) auf das Portugiesischesowie den Kontakt mit dem Spanischen ander Grenze zu Argentinien (São Borja) exem-plarisch aufzeigen.

ALERS (Atlas Lingüístico-Etnográfico daRegião Sul), ein seit 1987 bestehendes Ge-meinschaftsprojekt der Bundesuniversitätenvon Santa Catarina und Paraná, unter Lei-tung der UFRGS, untersucht mit geo-linguistischen Methoden das gesprochenePortugiesisch im Süden Brasiliens. Das Zielist, einen Sprachatlas zu erstellen, der dieSprache auf phonetisch-phonologischer,morphologischer und lexikalischer Ebenekartographisch erfasst. Hierbei werden auchdie Immigrantensprachen wie Deutsch, Ita-lienisch, Polnisch, Ukrainisch etc. mit-einbezogen. Die Datengrundlage in RioGrande do Sul besteht aus den aufgenom-menen Antworten zu einem umfangreichenFragebogen von Informanten aus 95 ver-schiedenen Orten der Region. Die Publika-tion der ersten Sprachkarten ist für März1997 vorgesehen. Dieser Sprachatlas desPortugiesischen soll als Grundlage für einAnschlussprojekt dienen, das die Kontakt-sprachen und den Plurilingualismus in RioGrande do Sul untersucht. Hierzu werden

auch die ausgewerteten Fragebögen einesälteren Projektes (BIRS: Bilingüismo no RioGrande do Sul) herangezogen.

Die drei anderen großen Forschungsberei-che in der Linguistik am Instituto de Letrassind Diskursanalyse, Lexikographie/Termi-nologie und Spracherwerb, die wiederumverschiedene kleinere, jeweils an einen oderzwei Dozenten gebundene Projekte beinhal-ten; im Bereich des Spracherwerbs sinddies z. B.: Muttersprachenerwerb bei Kin-dern zwischen 5 und 9 Jahren; Mutter-sprachenerwerb im Vergleich: Portugiesischin Portugal und Brasilien; Erwerb der ge-schriebenen Sprache; Fremdsprachen-erwerb; Bilingualismus; Portugiesisch fürAusländer. Bei den meisten dieser For-schungsrichtungen auf dem Gebiet desSpracherwerbs sind die Miteinbeziehungund Bearbeitung der deutschen Sprachesowie die Anfertigung von Magisterarbeitenvon Deutschstudenten möglich.

Mittlerorganisationen

Deutsche Mittlerorganisationen

Neben dem DAAD-Lektorat an der UFRGSgibt es in Rio Grande do Sul noch weiteredeutsche Mittlerorganisationen mit entsand-tem Fachpersonal. Im seit 1962 bestehen-den Goethe-Institut in Porto Alegre, dasverwaltungsrechtlich an das in den 50erJahren gegründete Instituto CulturalBrasileiro-Alemão (ICBA) angeschlossen ist,unterrichten 9 festangestellte Lehrer unddrei Honorarlehrkräfte. Zwei entsandte Mitar-beiter sind für die Spracharbeit und die Kul-turarbeit (Institutsleiter) zuständig. DieSprachabteilung des Goethe-Instituts veran-staltet jährlich ca. 20 Seminare und Work-shops, die sich an Deutschlehrer undDeutschdozenten richten und einen wichti-gen Faktor im Prozess der Lehrerfortbildungdarstellen. Seit 1992 sind die Schülerzahlender Sprachkurse des Goethe-Instituts rück-läufig (z. B. 1992: 899, 1995: 746 und 1996:595). Der Rückgang am Interesse für diedeutsche Sprache ist einerseits auf die zu-nehmende Relevanz des Spanischen seitGründung des MERCOSULs, einer der EUähnlichen Wirtschaftsunion zwischen Brasi-lien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und(seit 1996) Chile, zurückzuführen, anderer-seits auf die Kultursparpolitik Deutschlandssowie auf die Kostenexplosion und Folgender brasilianischen Währungsreform mit derEinführung des »Real« als stabiler Währung.Im Goethe-Institut ist auch der Sitz der vonder »Zentralstelle für Auslandsschulwesen«(ZfA) geförderten regionalen Fachberatungin Rio Grande do Sul mit einer entsandtenLehrkraft. Diese betreut – in Zusammenar-beit mit dem IFPLA in São Leopoldo – dieAusbildung und Fortbildung der Deutsch-lehrer an Schulen. Drei entsandte Bundes-programmlehrer sind z. Zt. zur Unterstüt-zung des Deutschunterrichtes in Rio Grande

do Sul tätig. Des weiteren verfügt PortoAlegre über eine diplomatische Vertretung,ein Generalkonsulat, mit drei entsandtendeutschen Diplomaten.

Andere Organisationen

Die Vereinigung der Ex-Stipendiaten, dieForschungs- und Studienaufenthalte inDeutschland durchführten, die Associaçãodos ex-Bolsistas da Alemanha (AEBA) in RioGrande do Sul, mit Sitz im Goethe-Institut,hat 360 Mitglieder (Stand 1996); weitere 43sind in einer regionalen Unterorganisation inSanta Maria im Landesinnern registriert, wosich auch eine Dependance des ICBA miteinem Angebot an Deutschunterricht undkulturellen Aktivitäten befindet. Die AEBAwurde 1964 ins Leben gerufen und spielteine wichtige Rolle im akademischen Aus-tausch zwischen Deutschland und Brasili-en.10

Der Deutschlehrerverband von Rio Grandedo Sul (Associação Riograndense de Pro-fessores de Alemão, ARPA), ebenfalls mitSitz im Goethe-Institut, zählt 272 Mitglieder(Stand 1996). Die ARPA, 1972 gegründet, istdie regionale Unterorganisation des brasilia-nischen Verbandes ABRAPA (AssociaçãoBrasileira de Professores de Alemão). Diesegibt viermal jährlich die in São Paulo ge-druckte Zeitschrift »Projekt« heraus, in der indeutscher und portugiesischer Sprachewissenschaftliche Artikel im Bereich Linguis-tik, Literaturwissenschaft, Übersetzungs-wissenschaft und Landeskunde veröffent-licht werden, und veranstaltet ca. alle zweiJahre einen Kongress.

Deutsch an den Schulen

Bei der letzten Erhebung in Rio Grande doSul im Jahre 1995 wurden 143 Schulen (39private, 51 bundesstaatliche, 49 Munizipal-und 4 Gemeindeschulen) mit zwei bis fünfWochenstunden Deutschunterricht in derPrimar- und/oder Sekundarstufe bei 228Deutschlehrern, die insgesamt 18.723Schüler unterrichten, verzeichnet.11 DreiSchulen in Porto Alegre bieten Deutsch an,die anderen befinden sich im GroßraumPorto Alegre und im Landesinneren, wo diedeutschen Immigrantensiedlungen liegen.Es gibt in Porto Alegre zwar keine deutscheBegegnungsschule,12 dafür bietet dasColégio Pastor Dohms, gegründet 1931, seit1991 einen bilingualen Zweig in der Vor-schule, Primar- und Sekundarstufe an, indem der Unterricht auf Portugiesisch undDeutsch gehalten wird. Hier sind auch diedrei entsandten Programmlehrer tätig.

Eine Schule mit verstärktem Deutschunter-richt und den meisten Deutschlehrern (z. Zt.neun) im Landesinnern von Rio Grande doSul ist die Escola Evangélica, heute in Ivotí,die als »Deutsches Evangelisches Lehrerse-minar« 1909 gegründet und 1950 wiederer-

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öffnet wurde. Sie ist sowohl Schule als auchAusbildungsinstitut für Deutschlehrer anGrundschulen.

Der Erwerb der deutschen Sprache wird inRio Grande do Sul außerdem in zwei größe-ren kommerziellen (Yázigi und Berlitz) undmehreren kleinen Sprachschulen (z. B.Deutschstudio, Treffpunkt Deutschspaß, Will-kommen) angeboten. Darüber hinaus gibtes ein breites, zahlenmäßig unüberschau-bares Angebot an privatem Deutschunter-richt.

Das Institut für Deutsch-lehrerausbildung IFPLA

Seit 1976 bildet das IFPLA Studenten zuDeutschlehrern für die Primar- und Sekun-darstufe an öffentlichen und privaten Schu-len aus. Das Institut, als Deutschabteilungan die Universität angebunden, wird finanzi-ell von der ZfA unterstützt, unter anderemdurch die Entsendung eines Fachberaters,die Gewährung von Stipendien sowie Bezu-schussung eines zweimonatigen Prakti-kums der Studenten in Deutschland. Bis1996 schlossen 184 ausgebildete Deutsch-lehrer im IFPLA ab, von denen 162 an Schu-len in Rio Grande do Sul und einige wenigein Santa Catarina und Paraná tätig sind.Jährlich werden 15 neue Studenten aufge-nommen, die gute Sprachkenntnisse (ent-sprechend dem »Deutschen SprachdiplomStufe 1« der HRK oder dem »Zertifikat DaF«des Goethe-Instituts) nachweisen müssen.Zur Fortbildung der Lehrer nach mindestenszweijähriger Tätigkeit führt das IFPLA einenAufbaukurs durch, in dem sich diese in Lin-guistik, Literatur, Didaktik und Landeskundefortbilden können.

Druckmedien in deutscherSprache

Neben den beiden bekanntesten, in SãoPaulo herausgegebenen und auch den Sü-den Brasiliens erreichenden Wochenzeitun-gen Deutsche Zeitung (brasilianische Wo-chenzeitung in deutscher Sprache seit 1897)und Brasil-POST (Brücke zu den Deutsch-sprechenden in aller Welt), werden in RioGrande do Sul noch andere Druckmedien indeutscher Sprache gelesen:

Die vierseitige Einlage Evangelische Zeitungin deutscher Sprache des ansonsten aufPortugiesisch verfassten und monatlich her-ausgegebenen Mitteilungsblattes JornalEvangélico der evangelisch-lutherischenKirche, das zweimal im Monat in SãoLeopoldo erscheint, und das Skt. Paulus-blatt aus Nova Petrópolis für die deutsch-sprachigen Katholiken in Rio Grande do Sul.Bei Bagé, wo die Mennoniten leben, ist das

zweimal monatlich in Paraná gedruckte Mit-teilungsblatt der »Igrejas Menonitas do Bra-sil« erhältlich.

In verschiedenen Zeitungen im Landesin-nern finden sich immer wieder Spalten indeutscher Sprache, meist in Dialekt, wie z.B. in der Primeira Hora von Bom Princípio,Feliz und Umgebung, wo Noêmia Assmannwöchentlich Recordações do passado (Erin-nerungen an die Vergangenheit) in Huns-rückischem Dialekt beschreibt.

Deutsche Begriffe / deutscheWörter

Begriffe und Wörter in deutscher Sprachefindet man in Rio Grande do Sul vor allembei Bezeichnungen von Geschäften undRestaurants oder auf Hinweisschildern fürVeranstaltungen.

Opa’s Kaffeehaus in Nova Petrópolis

In Porto Alegre wird man in der BuchStubezum Kauf auch von deutschsprachiger Lite-ratur angeregt.13 Im Glitzhaus kann man sichnach modernen Dekorationsgegenständenfür die Wohnung umsehen. Pflanzen verkau-fen z. B. Blumenstrauss in Porto Alegre oderWeiss Blumen in Santa Cruz do Sul. Im Hausder Geschenke von Feliz oder im Geschen-ke Eckchen von Ivotí finden sich nette Über-raschungen. In Bom Princípio steht EinFrüherischs Bauern Wohnung (!) zur Besich-tigung bereit. Zum Feiern ist der Bierplatz inSanta Cruz do Sul geöffnet, Tanz ist auf demBaile de Kerb in São Leopoldo, dem Früh-lingsfest in Nova Petrópolis oder demSeptemberfest in Feliz möglich. Im Knusper-haus in Gramado lässt sich gute Schokola-de kaufen, in Opa’s Kaffeehaus in NovaPetrópolis genießt man den berühmten»Cafe Colonial« und bis zu fünfzig verschie-dene Speisen. In der Bierklause in PortoAlegre lädt ein Schild Que tal pedir Eisbein?(Wie wäre es mit Eisbein?) zum Verzehr des-selben ein. Erfrischende Getränke am

1 Vgl. da Cunha 1995: 17ff.2 Die deutschen Siedlungen werden in zwei große

Zonen eingeteilt: die »alten Kolonien« um SãoLeopoldo, Santa Cruz do Sul, Agudo und in derSerra und die späteren, ab 1890 gegründeten»neuen Kolonien« im Nordwesten des Staates.Vgl. Koch 1974: 20f., Koch 1996: 311f. undAltenhofen 1996: 50f., 76.

3 Seyferth 1994: 12 nennt 235.000, Born 1994: 134253.846; Altenhofen 1996: 55 dagegen zitiert75.000. Alle drei Autoren stützen sich wiederumauf Zahlen aus älteren Untersuchungen.

4 Bei den verschiedenen Dialekten dominiert das»Hunsrückische«, eine moselfränkische Varietät,von den Sprechern selbst als »Hunsrick« oder»Hunsbucklisch« bezeichnet. Zu anderen vor-kommenden Dialekten s. u.a. Born 1995: 143f.und Altenhofen 1996: 56ff.

5 U.a. nach mündlichen Angaben von Walter Volk-mann, Direktor des LehrerausbildungsinstitutsIFPLA (s. Kap. 6). Altenhofen 1996: 56 nenntzwischen 700.000 und 900.000 Personen.

6 Vgl. u.a. Bergmann 1994: 79ff.7 Dies macht etwa 3,5% der Gesamtemigration der

deutschen Juden in diesen Jahren aus. Insge-samt sind zwischen 1931 und 1942 27.651 Ju-den aus verschiedenen Ländern nach Brasiliengekommen, der größte Anteil aus Polen (vgl.Lesser 1995: 318-321).

8 Nach Schätzungen z.B. von Hedy Hofmann undMargot Levy Matoso, Angehörige der deutsch-jüdischen Gemeinde, in einem Interview vom1.7.1993.

9 An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die wissen-schaftliche Literatur in deutscher Sprache zu denentsprechenden Fachgebieten Bücher- undZeitschriftenspenden von DFG, DAAD, InterNationes, Goethe-Institut und IfA zu verdankenist.

Abend sind in der Wunderbar zu empfehlen.Im Leckerhaus gibt es tortas finas alemãs(feine deutsche Kuchen) wie Apfelkuchen,Käsekuchen oder Walnusstorte. Wer es def-tiger mag, entscheidet sich für das OriginalNeckaremser Bauernbrot - kräftig würzig,das allerdings aus einem anderen Bundes-staat, nämlich Minas Gerais, »importiert«wird. Dafür gibt es in den Porto AlegrenserBäckerläden Westfalen, kräftiges Leinsamen-brot oder Schwarz Brot mit oder ohneKummel. Eine Spezialität in Rio Grande doSul ist die Schmier oder KäsSchmier, diesich schon die ersten Einwanderer aufs Brot»schmierten«.14

Der wohl berühmteste Begriff, den jederBrasilianer aus dem Süden kennt, ist das inmehreren Kleinstädten (u. a. in Santa Cruzdo Sul, Igrejinha und Ivotí) veranstaltete Ok-toberfest.

Das zweitgrößte Oktoberfest der Welt sollallerdings in Blumenau in Santa Catarinastattfinden. Es wurde 1984 eingeführt undfindet jährlich mit dem Ziel statt: »mostrar aopúblico toda a tradição dos colonisadoresalemães.«15

Anmerkungen

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10 Im November 1995 fand in Porto Alegre ein vomDAAD und der AEBA gemeinsam organisiertesund vom DAAD-Präsidenten Theodor Berchemgeleitetes Seminar unter dem Motto »Ex-Stipen-diaten als Brücke zwischen Deutschland undBrasilien« statt, dem der deutsche Bundespräsi-dent Roman Herzog bei seinem Staatsbesuch inBrasilien beiwohnte.

11 Die Zahlenangaben sind den unveröffentlichtenStatistiken des IFPLA sowie den Angaben derregionalen Fachberaterin entnommen. (Vgl. auchdie Berichte der Fachberater aus Südbrasilien inDer deutsche Lehrer im Ausland 3/1996:163-167.) In den anderen beiden Bundesstaaten mitBewohnern deutscher Abstammung, SantaCatarina und Paraná, gibt es 106 (Stand 1995)bzw. 57 (Stand 1996) Schulen.

12 Die drei deutschen Begegnungsschulen Brasili-ens befinden sich in Rio de Janeiro und São Pau-lo.

13 Die Schreibweise der zitierten Begriffe ist jeweilsoriginalgetreu übernommen.

14 Schmier ist seit einiger Zeit auch als Lehnwort,chimia oder schimia geschrieben, in dieser Re-gion geläufig.

Die Autorin ist DAAD-Lektorin an der UniversidadeFederal do Rio Grande do Sul in Porto Alegre, Bra-silien.

15 Wolff / Flores 1994: 209f. (Übersetzung: um demPublikum die ganze Tradition der deutschen Ko-lonisatoren zu zeigen.)

Zum Stand der Germanistik in Nischni Nowgorodvon Natascha Chlonina und Marina Rosina

Die Linguistische Universität NischniNowgorod ist im Unterschied zu vielen eu-ropäischen Universitäten jung und relativklein. In den 30er Jahren unseres Jahrhun-derts wurden in Nischni Nowgorod (ehemalsGorki) Fremdsprachenkurse organisiert,deren Ziel es war, Schullehrer auszubilden.In kurzer Zeit gewannen die Kurse

Natascha Chlonina

an Bedeutung. Sie wurden erweitert und aufihrer Basis wurde die Pädagogische Hoch-schule für Fremdsprachen gegründet. DieFremdsprachenhochschule zählte 4 Fakul-täten: 3 pädagogische (mit Englisch,

Deutsch, Französisch als Hauptfächern)und eine Dolmetscherfakultät, wo alle 3Sprachen unterrichtet wurden.

Die Absolventen der Nischegoroder PH ar-beiteten in Nischni Nowgorod, im Nische-goroder Gebiet und darüber hinaus, in vie-len Städten und Dörfern der ehemaligenSowjetrepubliken. Viele waren im Auslandund in der UNO als Dolmetscher tätig. Bis1985 gehörte Nischni Nowgorod zu densogenannten »geschlossenen« Städten. Dasbedeutete, dass die Ausländer, die nur miteiner offiziellen Genehmigung die Stadt be-treten durften, von den entsprechendenstaatlichen Behörden betreut wurden. AlsFolge hatten die Studenten und Lektoren derHochschule keine Möglichkeit, sich mit ei-nem Muttersprachler zu unterhalten.

Dessen ungeachtet haben die Deutsch-lektoren ihr Bestes getan: An der Hochschu-le wurde ein Tonlabor eingerichtet, wo sichdie Studenten authentische Texte anhörenund einüben konnten, um ihre phonetischenFähigkeiten zu entwickeln. Außer den pho-netischen Laborarbeiten gab es auch Hör-texte und grammatische Hörübungen. DieTexte der Tonträger wurden von Deutschdo-zenten und russlanddeutschen Mitarbeiternder Hochschule gelesen. Die Studienlektürebestand hauptsächlich aus Büchern derSchriftsteller: A. Seghers, M. Lange-Weinert,E. Kästner, D. Noll, L. Frank u. a.

An der deutschen Fakultät wie auch an derHochschule insgesamt, arbeitete man inten-siv wissenschaftlich. Es wurde der Lehrstuhlfür deutsche Philologie gegründet. Am Lehr-stuhl wurden Grundfragen der deutschenPhonetik, Grammatik und Lexikologie erör-tert. Die Lehrstuhlwissenschaftler organisier-ten wissenschaftliche Konferenzen an derHochschule und beteiligten sich an denen

Marina Rosina

Literatur

Altenhofen, Cléo Vilson: Hunsrückisch in RioGrande do Sul. Ein Beitrag zur Beschreibungeiner deutsch-brasilianischen Dialektvarietät imKontakt mit dem Portugiesischen. Stuttgart,1996.

Bergmann, Günther J.: Auslandsdeutsche in Pa-raguay, Brasilien, Argentinien. Bad Münsterei-fel, 1994.

Born, Joachim: Minderheiten, Sprachkontakt undSpracherhalt in Brasilien. In: Kattenbusch, Die-ter (Hrsg.): Minderheiten in der Romania.Wilhelmsfeld, 1995: 129-158.

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anderer Hochschulen. Die Doktorarbeitenwurden unter Leitung der Professoren R. R.Kaspranski, A. T. Kukuschkina, P. S.Wdowitschenko, W. S. Waschunin geschrie-ben. Außerdem gab es ( und gibt es auchheute) Lehrstühle für die Methodik desDeutschunterrichts, für deutsche Spracheund Übersetzung.

Die Umgestaltung 1985 eröffnete neue Per-spektiven für die Hochschule: Erste Kontaktezu den deutschen Kollegen wurden geknüpftund 1991 wurde die Gesellschaft fürDeutsch-Russische Begegnung Essen ge-gründet. Die Gesellschaft basiert auf Privat-initiative und ist für alle Interessenten an derdeutschen und russischen Sprache undKultur offen. Die Gesellschaft trug erheb-lich dazu bei, dass das Deutsch-Russische

Kulturzentrum und die deutsche Bibliothekeröffnet werden konnten. Die Bibliothek er-lebt ihre Anfangsphase, wobei sie bereitsüber viele neue Standardwerke und schön-geistige Literatur verfügt. 1994 wurde derHochschule der Status einer LinguistischenUniversität verliehen.

Seit 1995 gibt es an der Universität eineösterreichische Präsenzbibliothek, in der re-gelmäßig Treffen mit talentierten russischenund österreichischen Musikern, Literatur-wissenschaftlern und Schriftstellern veran-staltet werden. Hier finden auch Diskussio-nen und Lesungen statt. Dennoch werdenweitere Möglichkeiten gesucht, um die fürdas Germanistikstudium notwendige Fach-literatur anzuschaffen. Die Deutschdozen-tinnen und Deutschdozenten, die ihr Leben

lang Deutsch unterrichtet hatten, wie auchdie Studierenden bekamen die Möglichkeit,Deutschland für einen 2-4-wöchigenForschungsaufenthalt zu besuchen.

In den letzten 4 Jahren arbeiten an der Lin-guistischen Universität DAAD-Lektorinnen.Leider hat die Universität keine Partner-Uni-versität in Deutschland, was sehr wün-schenswert wäre. Die positiven Veränderun-gen im Leben der Universität geben Mut undHoffnung, dass die alltäglichen Schwierig-keiten, die sie als ein Teil des Systems derHochschulausbildung Russlands (vor allemFinanznot) durchmacht, überwunden wer-den können.

Die Autorinnen waren 1996 Gäste am IDS inMannheim.

SPRACHGLOSSE

Von Rainer Moritz

Wann hat es angefangen? Und warum hörtes allmählich auf? Lässt sich alles mit demModell kultureller Zyklen erklären? Zweifel-los eine Angelegenheit für Soziolinguisten.John F. Kennedy, Franklin D. Roosevelt –Amerikanern, so wusste man, ist es selbst-verständlich, und irgendwie klingt es elegantund phonetisch gelungen, wenn die tiefeKluft, die Ruf- und Nachnamen trennt, durchdie Brücke eines abgekürzten zweiten Vor-namens spielerisch überwunden wird.

Und weil dergleichen chic war, bemächtig-ten sich auch Wissenschaftler und Kultur-schaffende ihres zweiten Vornamens undnannten sich fürderhin Friedrich A. Kittler,Volker C. Wehdeking, Joachim C. Fest oderHeinz F. Schafroth. Manche verstanden dasdamals miss und fügten, wie der Mann ausder ZDF-Hitparade, ihrem faden Kurzsilben-vornamen ein unabgekürztes »Thomas« hin-zu, und andere kappten gar mutig den An-fang wie der Literaturkritiker W. Martin Lüdke.Seit einiger Zeit jedoch ist der Budenzaubervorbei. Die gereiften Menschen kehren in Sa-chen Namen zum schlichten Jil-Sander-Lookzurück. Die Herren Kittler, Wehdeking,Schafroth und Lüdke zum Beispiel heißen

plötzlich nur noch Friedrich, Volker, Heinzund Martin. Nichts weiter. Warum? WelcheAbsprachen stecken dahinter? Manche frei-lich sind unbelehrbar. Dieter Thomas Heckbleibt bei Dieter Thomas, und der PublizistC. Bernd Sucher steht weiterhin zu seinenJugendtorheiten. Aber hat der nicht sowie-so ein fehlerhaftes Theatlerlexikon und einenunfreiwillig komischen Benimmratgeber ge-schrieben, der »Hummer, Handkuß, Höflich-keit« oder so ähnlich heißt? Da lob ich mirdie Schriftstellerin Waltraud Anna Mitgutsch,die nach Jahren des doppelten Vornamensnur noch »Anna« zu Protokoll gibt. Wo, bitte,ist Waltraud abgeblieben?

Und ich selbst? Meine Eltern haben es ver-säumt, mir einen zweiten Vornamen, einschlichtes »Maria« etwa, mit auf den Weg zugeben. Sämtliche meiner Schriften sind folg-lich nie unter Rainer M. erschienen, und sokonnte ich das Kürzel nie abschütteln. Sowie Friedrich, Volker, Heinz und Martin.

Der Autor ist Programmchef des Reclam VerlagsLeipzig.

Herausgeber: Institut für deutsche Sprache,Postfach 101621, 68016 Mannheim.

Internet: http://www.ids-mannheim.de

Redaktion: Annette Trabold (Leitung),Ulrike Haß-Zumkehr, Dieter Herberg,

Heidrun Kämper, Eva TeubertRedaktionsassistenz: Iris Schmid

Satz & Layout: Claus HoffmannBelichtung: LaserSatz Thewalt

69257 WiesenbachDruck: Morawek, 68199 Mannheim

gedruckt auf 100% chlorfrei gebleichtem PapierISSN 0178-644X

Auflage: 2000Erscheinungsweise: vierteljährlich

Jahresabonnement: DM 16,—Einzelheft: DM 5,—

Bezugsadresse:Institut für deutsche Sprache,

Postfach 10 16 21, 68016 MannheimTel. 0621/1581-0

In eigener Sache – an die Autoren:Sie sollten Ihre Beiträge möglichst auf Disketteschicken. Bitte wählen Sie folgendes Format:

3.5 Zoll-Disketten im DOS-Format, als Textver-arbeitungsprogramm möglichst WINWORD. Wirkönnen aber auch WORD für DOS oderWORDPERFECT weiterverarbeiten.

NICHT bearbeiten können wir:

– 5.25 Zoll-Disketten,– MAC-Disketten.Die Texte sollten nicht mit komplizierten Layoutsund nicht mit einer Formatvorlage erstellt sein.

Die Formatvorlagen erstellen wir.Der SPRACHREPORT wird mit PageMaker 6.0erstellt.

SPRACHREPORT

Wo istWaltraud?

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oder

»Die Schreibrichtigkeit oder Rechtschreibung belangend/ ist leider nicht zu hoffen/ daß solchedurchgehend eingerichtet werden könne« (Harsdörfer: 1656, S. 17)

von Elzbieta Kucharska

Die oben angeführte - eher resignierend anmutende - Feststellungvon Harsdörfer wird in seinem Titular- und Formularbuch wie folgtfortgesetzt:

»Weil nun nicht zu erwarten/ daß sich die Mund-Arten in gleichstim-mende Aussprache vereinigen sollten: Als ist auch ihre Schreib-richtigkeit auff keine Weise endlich zu vergleichen/ und singet einjeder Vogel/ wie ihm der Schnabel gewachsen ist.« (1656, S. 17).Diese Äußerung gibt mehr oder weniger die Sachlage wieder, dieden Ausgangspunkt der Bemühungen um die einheitliche deutscheOrthographie bildete. Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist abernicht, den gesamten Weg zu verfolgen, den die Grammatiker undandere »Gelehrte« zurücklegen mussten, bis auf dem Gebiet derRechtschreibung ein annehmbarer, verbindlicher Konsens erreichtwerden konnte. Die frühe deutsche Sprachwissenschaft (als solche)will hier grundsätzlich nur indirekt angesprochen und lediglich alseine Art Hintergrund für die eigentlichen Erwägungen verstandenwerden. Thematisiert wird in dem Beitrag dagegen in erster Linie diePerspektive eines mehr oder weniger durchschnittlichen Sprach-benutzers: Briefsteller und Anstandsbücher, die im Folgenden zurAnalyse herangezogen werden, sind ja keine linguistischen Regel-werke, auch wenn ihnen ein gewisser normativer Charakter nichtabgesprochen werden darf; sie enthalten vielmehr (höchstens) das,was man mit moderneren Termini als Rezeption der Ergebnisse derlinguistischen Forschung jener Zeit bezeichnen könnte.

Orthographische Fragen (nebst einigen mit ihnen zusammenhän-genden Schreibgewohnheiten), auf die anschließend näher einge-gangen wird, stellen dabei nur einen Bruchteil aller metasprachli-chen Kommentare dar, die in den untersuchten Ratgebern gewöhn-lich zu lesen sind. Auffallend und bemerkenswert ist aber, dass die-ser »Bruchteil« nicht in jedem Briefsteller und nicht in jedem Anstands-buch gleichermaßen klein bleibt, sondern von Fall zu Fall unterschied-lich umfangreich ausfällt bzw. mit der Zeit immer größer wird. Trotz-dem sind es in vielen Briefstellern und in den meisten Etikettebüchernin der Tat nur einzelne (im Text verstreute) Sätze bzw. kurze Absätze,die über die entsprechenden Probleme einiges aussagen (vgl. 1775,S. 498, 505-507; 1793, S. 125-127; 1804, S. 25-26; 1817, S. 8-9;1828, S. 111; 1848, S. 208-209; 1871, S. 56; 1878, S. 682-684, 718-719, 721; 1890, S. 40-41; 1892, S. 299-300; 1895a, S. 341-342, 350-352, 358; 1895b, S. 140; 1899, S. 116; 1902, S. 113; 1913, S. 501-502; 1935, S. 22-23). Die vermittelten Informationen und Hinweisewerden dabei an unterschiedlichen Stellen, d. h. innerhalb unter-schiedlicher größerer Kommentareinheiten und in unterschiedlichenKontexten formuliert: Einmal geschieht das z. B. ganz einfach in derVorrede (vgl. 1656), ein anderes Mal im Zusammenhang mit deräußeren Form des Briefes (vgl. 1766, »Von der Rechtschreibung undäußerlichen Zierde eines Briefes nach dem Wohlstande«; 1793; 1878,»Der gute Ton im schriftlichen Verkehr«; 1890, »Äußere Form des

Briefes«; 1895a, »Der Brief. Das Äußere«), manchmal dort, wo derStil bzw. der Inhalt der Briefe kommentiert wird (vgl. 1827, »Von demBriefstile«; 1895a, »Vom Stil«, »Der Inhalt«; 1913, »Der Inhalt der Brie-fe«), oft in den nur einführenden bzw. allgemeinen Kapiteln, wie »Vonder Schreibart in Briefen« (1817), » Ausbildung der Sprache und desAusdrucks« (1828), »Vom schriftlichen Verkehr« (1848), »Brief« (1871),»Der gute Ton im schriftlichen Verkehr« (1878), »Im schriftlichen Ver-kehr« (1895a), »Vom schriftlichen Verkehr« (1895b), »Zweck und in-nere Einrichtung der Briefe« (1898), »Wie soll man Briefe schreiben?«(1899). Nur in wenigen Ratgebern werden die orthographischen Fra-gen mit einer an Akribie grenzenden Ausführlichkeit behandelt. Essind dann aber tatsächlich entweder längere, wissenschaftlich undstreng normativ wirkende Abschnitte oder ganze Kapitel, die sichmit den diesbezüglichen Themen in aller Gründlichkeit befassen (vgl.1766, S. 421-429 im Kapitel »Von der Rechtschreibung und äußerli-chen Zierde eines Briefes nach dem Wohlstande«; 1827, S. 13-25,25-57, Abschnitte »Von den Unterscheidungszeichen« und »Von derOrthographie oder Rechtschreibung« im Kapitel »Von dem Briefstile«;1876, S. 13-18, Abschnitt »Von der deutschen Rechtschreibung oderOrthographie« im Kapitel »Lautlehre«, S. 49-51, Abschnitt »Von derZeichensetzung oder Interpunktion« im Kapitel »Satzlehre«; um 1900,S. 3-13, Kapitel »Die Hauptregeln der Rechtschreibung«).

Neben diesen quantitativen Unterschieden fallen als nächste die inder allgemeinen Einschätzung der orthographischen »Lage« auf, diesich zwischen den einzelnen Kommentaren genauso deutlich wiejene abzeichnen. Ausgesprochen aussagekräftig werden sie dann,wenn man den herangezogenen Quellen in chronologischer Reihen-folge nachgeht. So formuliert Harsdörfer, indem er auf die Recht-schreibung Bezug nimmt, noch konjunktivisch: »Es wäre zu wün-schen/ daß man hierinnen mehr den rechtmässigen Ursachen/ alsden unbesonnenen Gebrauch nachfolgte.«, und diesem Wunschschließt er gleich ein Postulat an: »so sollte gewißlich unsre Spra-che/ zu endlicher Vollkommenheit gelangen.« Er ist sich dabei zwarbewusst, »daß in kurzen Jahren darinnen mehr geleist worden, alszuvor in viel hundert Jahren nicht beschehen [sic!]«, doch bleibtseiner Ansicht nach immer noch vieles erst im Bereich des Wün-schenswerten (1656, S. 17-18).

Eine wesentlich andere Stimmung erzeugt dagegen (ungefähr hun-dert Jahre später) die diesbezügliche Stelle bei Stockhausen: »Weilein Brief deutlich und verständlich seyn soll [...], hiezu aber die Recht-schreibung der Wörter sehr vieles beytragen kann: so ist es nöthig,daß alle Wörter nach den vernünftigen Regeln der Rechtschreibunggeschrieben werden.« (1766, S. 7). Natürlich stellt sich für Stock-hausen - angesichts der damals nach wie vor fehlenden allgemeinanerkannten Rechtschreibkonvention - gleich die Frage nach der»vernünftigen« Orthographie, die er auch zu beantworten versucht,indem er drei orthographische Hauptregeln nennt: 1) »Man muß alle

Über Hinweise zur Orthographie in älteren deutschen

Briefstellern und Anstandsbüchern

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Wörter so schreiben, wie sie nach der Hochdeutschen Mundart aus-gesprochen werden.«, 2) »Man muß die abgeleiteten Wörter soschreiben, wie es ihr Stamm erfordert.«, 3) »Man muß sich nachdem allgemeinen Gebrauche in der hochdeutschen Rechtschrei-bung richten, und so schreiben, wie angesehene, gelehrte und ver-ständige Männer zu schreiben pflegen«, selbst wenn »es dieser oderjener Regel nicht gemäß wäre.« Stockhausen selber definiert sichals Anhänger der »sogenannten Leipziger Rechtschreibung, wie sieinsonderheit von der berühmten deutschen Gesellschaft daselbstausgebessert worden«. Indem er sich über die französische Ortho-graphieregelung mit Anerkennung äußert, plädiert er dafür, dass auch»die höchsten Häupter der deutschen Provinzen einer Gesellschaftdie Verbesserung und Einrichtung der deutschen Rechtschreibungauftrügen, hernach aber allen Kanzleyen, Rathäusern, Akademienund Schulen anbefählen, sich derselben beständig, wenigstens inöffentlichen Schriften zu bedienen«. Offen bleibt aber nach wie vor,»ob man [...] dazu eine grössere Hoffnung fassen könne« (1766, S.423-427).

Eine weitere Steigerung des Nachdrucks, mit dem behauptet wird,dass die Rechtschreibregeln eingehalten werden müssen, stellt dieÄußerung von Eichler dar. In seinem Briefsteller heißt es nämlich:»Es macht einen sehr widrigen Eindruck, wenn man einen mit ortho-graphischen Fehlern angefüllten Aufsatz liest; und bei den gegen-wärtigen Schulanstalten, bei dem großen Lichte, das uns derunermüdete Sprachforscher Herr Bibliothekar Adelung in Rücksichtauf die Rechtschreibung aufgesteckt hat, ist es unverzeihlich,gegen dieselbe noch immer so auffallend zu sündigen.« (1804, S.25). Dies sagt Eichler aber nicht nur der Orthographie selbst we-gen, sondern er argumentiert anschließend mit der allgemeinen Ver-ständlichkeit und mit der Schönheit, die durch die gehäuften Fehlermanchmal sogar extrem beeinträchtigt würden.

Das Prinzip der Schönheit, das nicht verletzt werden sollte, greiftspäter der »Wiener Briefsteller« auf, in dem sich der Verfasser aufAdelungs »Anweisung zur deutschen Orthographie« beruft: »Die or-thographische Richtigkeit ist für den schönen Styl das, was die rich-tige Zeichnung der einzelnen Theile für den bildenden Künstler ist,nur mit dem Unterschiede, daß bey diesem die Schönheit die höch-ste, bey dem Schriftsteller aber nur eine untergeordnete Absicht ist.Aber das berechtigt letztern nicht, sie ganz zu verletzen; denn wenngleich ein orthographischer Fehler einen schriftlichen Aufsatz nichtso sehr verunstaltet, als ein verzeichneter Daumen eine mediceischeVenus schänden würde; so bleibt er doch immer ein Fehler, dessenVermeidung Pflicht wird.« (1817, S. 9).

Ein völlig anderes Argument (nicht mehr das Prinzip der Schönheit)führt Alberti an, wenn er schreibt: »Nicht jeder kann geistreich er-zählen, kann durch blendenden Witz die Gesellschaft angenehmüberraschen, denn dazu gehören hohe Geistesbildung und unge-wöhnliche, natürliche Anlagen; aber von Jedem kann man mit Rechtverlangen, daß er seine Sprache gründlich erlernt habe, sie richtigzu gebrauchen verstehe, und nicht in jedem Satze unverzeihlicheFehler begehe.« (1828, S. 111). Dieses Argument leitet sich alsovon der Überzeugung her, dass der an sich korrekte Sprachgebrauchnicht mehr als naturgegeben und nicht als »der hohen Geistesbildungbedürftig« anzusehen ist, sondern eben - wie eine quasi handwerk-liche Fertigkeit - als erwerbbar zu gelten hat. Ein vergleichbar großerGrad der Erlernbarkeit konnte im Falle des geistreichen Erzählensoffensichtlich nicht ohne weiteres festgestellt werden.

Eine weit liberalere Einstellung den Rechtschreibregeln gegenüberverbreitet Ebhardt: »Es mache sich also über die RechtschreibungNiemand unnöthige Sorgen; es giebt da der streitigen Punkte sounendlich viele, daß sich eigentlich über jeden streiten läßt.« (1878,S. 683) Den orthographischen Fehlern stellt Ebhardt »die sprachli-chen Verstöße, die immer den sprachlich Ungebildeten verrathen«gegenüber. Zu diesen zählen »Casusverwechslungen, falscher Ge-brauch der Präpositionen, Nichtunterscheidungen von das und daßusw.«, die »Dinge« sind, »welche nicht vorkommen dürfen, wenn sich

der Briefschreiber für einen gebildeten Menschen gehalten sehenwill.« . Daraus folgt also, dass die orthographischen Fehler - wennman sie sowieso als solche nicht immer zu identifizieren vermag -nicht unbedingt einen »Ungebildeten« verraten; dies tun erst die an-deren - die grammatischen - Fehler, die sich letztendlich alsgravierend(er) erweisen. Daher soll man in erster Linie auf Vermei-dung dieser (da man nach ihnen beurteilt bzw. verurteilt wird) be-dacht sein.

Doch auch wenn die Feststellung über die unendlich vielen »streiti-gen Punkte« im Bereich der Rechtschreibung mit Sicherheit nichtnur für die Zeit zutraf, in der Ebhardt an seinem Ratgeber arbeitete,formulieren die späteren Autoren schon mit erheblich weniger »Groß-zügigkeit«:

– »Auf Sprachrichtigkeit, Vermeidung von Fehlern gegen die Recht-schreibung, Wort- und Satzbildung ist selbstverständlich dasgrößte Gewicht zu legen.« (1898, S. 4);

– »Selbstverständlich ist, daß man einen Brief auch orthographischschreiben soll.« (1899, S. 116).

Beides, d. h. sowohl die von vielen hervorgehobene Unumgäng-lichkeit der entsprechenden Normierungsprozesse (folgerichtig all-gemeingültige Rechtschreibregeln und orthographisches Schreiben)als auch die Hoffnungslosigkeit der momentanen Lage bzw. einenüchterne Einschätzung der in dieser Richtung gewagten Ansätzesowie der Perspektiven vereint Ebhardt in der folgenden Äußerung:»Daß die Orthographie auch in der deutschen Sprache festen Ge-setzen unterstellt werden müßte, unterliegt keinem Zweifel, es sindauch schon unendlich viele Versuche dazu gemacht worden, bis-her aber ohne Erfolg. Man kann wohl kaum zwei Bücher von zweiverschiedenen Autoren neben einander stellen, in denen nicht aucheine verschiedene Rechtschreibung befolgt würde. Das ist ohneFrage ein großer Uebelstand, der aber einstweilen nicht beseitigtwerden kann - vielleicht nie beseitigt werden wird, weil es schwerdenkbar ist, daß die Sprachgelehrten sich jemals werden einigenkönnen.« (1878, S. 682).

Interessant ist bei dieser Sachlage zu verfolgen, inwiefern in denBriefstellern die Schule als ein Ort/eine Institution verstanden wird,der/die zur Popularisierung der Rechtschreibregeln beitragen kann.So sind es 1766 eher kritische Bemerkungen bzw. Forderungen, dieman an die Adresse der Schule/der Lehrer richtet: »Einmal werdendie Kinder in den niederen Schulen zuweilen nicht recht zum Buch-stabieren angehalten. Die Schulmeister begnügen sich oft damit,wenn sie ihre Untergebenen nur bald zum Lesen gewöhnen kön-nen, und die Lehrlinge, aus einer eiteln Ehrbegierde, erwählen freylichdieses lieber, als jenes. Aber was diese Versäumung hernach imSchreiben für einen Einfluß beweiset, siehet man aus täglichen Ex-empeln.« (1766, S. 427-428). Als die zu befürchtenden Unzuläng-lichkeiten werden in der Fortsetzung »Verwechslungen der hartenund der weichen Buchstaben« und »unrichtige Abtheilung der Wör-ter« angeführt. Doch damit ist die Liste der potentiellen Gefahrennoch nicht ausgeschöpft. Denn selbst dann, wenn man mit Schü-lern »professionelle« Übungen im Schreiben vornimmt, »kann einneuer Fehler unterschleichen, indem die Schulmeister, oder welchenoch etwas besser seyn wollen, die Schreibmeister ihren Lehrlin-gen selbst unrichtige Vorschriften geben.« (1766, S. 428).

Dieser skeptischen Formulierung von Stockhausen schließt sich eineteils pessimistische, teils von Ratlosigkeit geprägte Meinung vonEbhardt an: »Die Orthographie, obwohl auf der Sprachwissenschaftund auf gewissen Regeln beruhend, ist doch - bei uns Deutschenwenigstens - keineswegs ein so unangefochtener Zweig der Wis-senschaft, daß sie im Schulcursus ein- für allemal erlernt werdenkönnte, um dann unverlierbares Eigenthum zu sein. Sie ist zum gro-ßen Theile Sache der Gewohnheit und wird weit mehr mechanischdurch das Auge aufgenommen, als durch bestimmte Regeln demVerstande eingeprägt.« (1878, S. 682). Mit anderen Worten: Unab-hängig davon, was die Sprachwissenschaft schon geleistet hat,

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können die orthographischen Regeln - wenn überhaupt - eher quasispontan, durch vieles Lesen und nicht in der Schule erworben wer-den.

Doch nicht alle Verfasser sind derselben Meinung. Ein vollkommengegenteiliges Urteil über die Rolle der Schule beim Erwerb der Recht-schreibregeln fällt z. B. Schoppe: »Die deutsche Schulbildung istheutzutage allerersten eine so gründliche, daß ein Zurückkommenauf die allgemeinen grammatikalischen, wie orthographischen Re-geln, - die ohnedies noch manche Wandlung zu durchlaufen habenwerden, ehe sie als feststehende zu befolgen sind - uns als über-flüssig erschien.« (1884, S. 2). Was die Autorin mit dieser Formulie-rung faktisch zum Ausdruck bringt, ist streng genommen zweierlei:Erstens ist das wirklich ein Lob der deutschen Schulbildung (dieorthographischen Vorschriften brauchen ja in den Briefstellern nichtmehr angesprochen zu werden), zweitens schwebt in der Aussageeine Art Ignoranz mit (etwa nach dem Motto: Was die Schule einem- trotz der ganzen Gründlichkeit der angebotenen Ausbildung - nichtmehr beizubringen vermag, und zwar deswegen, weil es noch nicht»feststeht«, ist auch nicht wert, daß man sich darüber Gedankenmacht, und kann - überspitzt formuliert - schlicht und einfach ver-gessen/übergangen werden.

Vergleichbares sagt über die Schule die Quelle 1895a aus, indemsie »bei dem augenblicklichen Chaos von alter und neuer Orthogra-phie« »eine leidliche Kenntnis der Rechtschreibung« als selbstver-ständlich voraussetzen zu dürfen meint. Die Bezeichnung »leidlich«bezieht sich dabei auf »allgemein bekannte Dinge [...], an denennicht zu rütteln ist«, und die im Ratgeber zur Illustration exempla-risch herangezogen werden. Resümierend stellt die Verfasserin fest:»Solche und ähnliche Finessen prägt die Schule fest ein, und dererwachsene Mensch hat durchaus keine stichhaltige Entschuldi-gung, wenn sie ihm abhanden gekommen sind.« (1895a, S. 341-342).In den bisherigen Ausführungen schimmerte schon stellenweisedurch, dass die zitierten Ratgeber nicht nur die Regeln wiederzuge-ben bzw. diese bis zu einem gewissen Grade sogar selber aufzu-stellen versuchen. Mit dem Stichwort »Schule« sprechen sie näm-lich schon einen anderen, äußerst wichtigen Themenkreis an, undzwar den des praktischen Erwerbs der postulierten Kenntnisse. Dochmit dem einfachen Verweis auf die schulische Ausbildung gebensich viele Autoren nicht zufrieden. Sie sind sehr oft noch darum be-müht, dem Benutzer zusätzliche Ratschläge zu erteilen, auf welcheArt und Weise (quasi durch das Selbststudium) die Rechtschreib-fehler vermieden werden können und wie die dazu nötigen Kennt-nisse und Fertigkeiten zu erlangen bzw. zu fundieren sind. In die-sem Kontext werden - um die entsprechenden Lernprozesse zubezeichnen - sehr oft zunächst einmal relativ abstrakte/allgemeineFormulierungen gebraucht, wie »seine Briefe lange ausbessern«(1817, S. 9), »gründliche Erlernung der Sprache« (1828, S. 111), »einegute Sprachlehre recht fleißig studieren« (1899, S. 116), u. a. Vondiesen heben sich eindeutig die durch mehrere Verfasser formulier-ten, zum Teil argumentativ gestalteten Abschnitte übers Lesen ab,das oft als das einzige und dazu noch das wirksam(st)e Mittel be-griffen wird, sich die korrekte Schreibweise der Wörter anzueignen.Vgl. z. B.:

– »Man braucht deshalb in Bezug auf die Rechtschreibung nichtallzu ängstlich zu sein, vieles Lesen ist dafür ein ganz ausgezeich-netes Bildungsmittel. Die äußere Gestalt des Wortes prägt sichdem Gedächtnisse unwillkürlich ein, es haftet, und ebenso unwill-kürlich giebt die Hand es dann auch schreibend wieder.« (1878,S. 682-683; vgl. auch 1878, S. 684 sowie andere Stellen auf S.682-683);

– »Eine gute Uebung für Grammatik, Orthographie und Stil ist fleißi-ges Lesen. Wir sehen von den Kellerstubenromanen ab, derenstilistischer Wert gewöhnlich ihrem Inhalte die Wage hält, und ra-ten nur zu gediegenen Schriften, wie sie unsere Literatur in jedemGenre bietet.« (1895a, S. 342);

– »Das beste Mittel, in der Rechtschreibung fest zu werden, ist fleißi-ges und aufmerksames Lesen, wodurch sich uns die richtige Formder Worte endlich so einprägt, daß es uns augenblicklich auffällt,wenn wir ein Wort durch einen orthographischen Fehler entstelltfinden.« (um 1900, S. 3).

Aus der obigen Zitatenreihe resultiert eindeutig, was Rammler stell-vertretend wie folgt zusammenfasst: »Tonangeber des Schreib-gebrauches sind die anerkannt besten Schriftsteller unserer Zeit,und deren Schriften sind der Richterstuhl und Norm des Schreib-gebrauches.« (1876, S. 14; vgl. auch 1878, S. 683). Dieser in derRechtschreibtradition fest verankerten Meinung, die den Schriftstel-lern und der von ihnen geschaffenen Literatur die führende Rollezuweist, werden hier und da mit kritischem Unterton Äußerungenüber die damalige linguistische Forschung und deren Bedeutunggegenübergestellt. Vgl. z. B.: »Die historisch-sprachliche Forschunghat auch ihre Consequenzen auf dem praktischen Gebiete der Or-thographie gezogen und tritt für Schreibungen in die Schranken,welche der heutigen Orthographie ganz fremdartig erscheinen, z.B. laßen, Waßer, Hindernis, gieng etc. Aber die Sprache geht ihrenunabänderlichen Gang, und deshalb soll der Grammatiker nicht alsGesetzgeber auftreten und mit maßlosen Anstürmen gegen das bis-her Gebräuchliche die allerdings wünschenswerte Vereinfachungoctroyiren.« (1876, S. 14; Ähnliches vgl. auch in 1878, S. 683 und721).

Auf der anderen Seite gibt es aber einige Gelehrte - durchaus sprach-wissenschaftlich interessierte »Schrift-Steller« -, »welche sich dieVerbesserung und die Reinigung der Orthographie mit gutem Er-folg haben angelegen seyn lassen«, und deswegen auch anerkanntund gewürdigt werden. Zu diesen zählen: »Bödiker in den Grund-sätzen der deutschen Sprache; Freyer in der Anweisung zur deut-schen Orthographie; Gottsched in seiner deutschen Sprachkunst;Cöllner in dem deutlichen Unterrichte von der Orthographie derDeutschen. Unter den älteren [...] sind Schotters [sic!] und SpatensBemühungen nicht zu übergehen.« (1766, S. 428-429).

Doch unabhängig davon, wie wichtig und interessant Informationendieser Art dem heutigen Leser erscheinen mögen, wusste der durch-schnittliche Benutzer von damals mit ihnen nur bedingt umzuge-hen. Statt der bis jetzt kommentierten Äußerungen über die ge-wünschten/eingetretenen Normierungsprozesse, über die deutscheSchule und zum Teil auch über das Selbststudium, das erst nacheinem Langzeitversuch erfolgversprechend anmutete, brauchte erviel eher etwas Handfestes: praktische Richtlinien, an die er sich»hier« und »jetzt« ganz konkret halten konnte. In den Briefstellern,Anstands- und Etikettebüchern konzentrieren sich die Verfasser des-wegen häufiger auf diejenigen orthographischen Fragen, die sichjedem Briefschreiber stellten, und mit denen er notwendigerweisefertig werden musste. Zu diesen gehören: Abkürzungen, Zeichen-setzung und Großschreibung.

Zum Thema »Abkürzungen«, wie es in den Ratgebern behandelt wird,lässt sich zusammenfassend sagen, dass es Abkürzungen gibt, diev. a. in den älteren Quellen - aufgrund der damaligen Konvention -als gebräuchlich (gebräuchlicher als die völlig ausgeschriebenenWörter) bezeichnet werden und daher als empfehlenswert gelten.Als solche sind beispielsweise zu nennen:

»Ew. kaiserl. (königl.) MajestätEw. hochfürstl. (herzogl.) DurchlauchtenEw. hochgräfl. GnadenEw. Hochreichsgräfl. Erlauchtenhochfreyherrl.Ew. reichsfreyhochwolgeb. GnadenEw. Hochgeb.Ew. Hochwolgeb.Ew. Wolgeb.Ew. Hochedelgeb.Ew. Hochedl.

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der Unterschrift läßt«, vor Missbrauch schützen, wenn der Brief inunbefugte Hände kommen sollte. (1876, S. 55; vgl. auch 1793, S.126).

Natürlicherweise, nämlich aufgrund der sich ändernden sozialenUmstände, gerät der doppelt gekrümmte (1793, 1876, 1878) oderauch gerade (1876, um 1900) Submissionsstrich mit der Zeit immermehr in Vergessenheit. Letzten Endes ist er nur noch in amtlichenSchriftstücken üblich.

Um jetzt auf die Kurzformen von Wörtern zurückzukommen:Generell (bis auf die bereits genannten Fälle, die sich durch ihrenSonderstatus auszeichnen) gilt: »Abkürzungen, wie gefl., u., od.,event., Fr., Frl. und ähnliche sind allerhöchstens in solchen Briefen[Geschäftsbriefen] angängig, in allen andern Arten niemals, weil siestets das Bestreben verraten, die Sache so schnell wie möglich ab-zumachen. Das mag bei der geschäftlichen Korrespondenz wohlhingehen, für Freunde und Bekannte, noch mehr aber für Vorge-setzte und Gönner, müssen wir immer Zeit genug haben, jedes Wortvollständig zu Papier zu bringen. Selbstredend bilden die allgemeinüblichen Abbreviaturen u.a., dgl., u.s.w., d.h., z.B. eine Ausnahme.«(1895a, S. 358; zu der letzten Feststellung vgl. auch 1876, S. 55).Dieselbe Meinung, doch mit mehr Nachdruck ausformuliert, enthältdie Quelle 1913:

»Alle Abkürzungen vermeide man sowohl im Datum als im Briefeselbst. Abkürzungen wie u. (für und), d. (für der, die oder das), e.(für ein oder eine) sind durchaus zu tadeln. Eine Ersparnis erzieltman ja ohnehin doch nicht dadurch, sondern gibt nur einen Be-weis seiner Nachlässigkeit.« (1913, S. 502).

Wie bereits bemerkt, gehören zu den in Briefstellern und Anstands-büchern ausführlicher behandelten orthographischen Fragen auchdie der Zeichensetzung. Erörtert werden diese meistens entwederim Zusammenhang mit der Anrede oder - viel detaillierter - in selbst-ständigen Kapiteln. Die auf die Zeilen der Anrede bezogenen Kom-mentare befinden sich beispielsweise in folgenden Quellen: 1775,S. 505-507; 1878, S. 718-719; 1895a, S. 350. Stellvertretend für diegenannten Ratgeber soll an dieser Stelle das Anstandsbuch ausdem Jahre 1878 zitiert werden:»Hinter die Anrede setzt man ein Ausrufungszeichen (!) und der Briefwird dann ein oder zwei Finger breit darunter mit einer neuen Zeilebegonnen. Also:

Geehrter Herr!Verzeihen Sie, daß ich etc.Auch ein Komma (,) hinter der Anrede ist nicht unrichtig, entschie-den falsch aber ist ein Punkt; denn der Punkt trennt stets das Vor-hergehende gänzlich von dem Nachfolgenden ab, was doch zwi-schen Anrede und Brief nicht der Fall sein kann. Die Anrede istkein selbständiger Gedanke, sondern nur der Anfang des erstenGedankens.

In dem Falle daß man die Anrede mit dem nachfolgenden Satzeorganisch verbindet, fällt das Zeichen dahinter ganz fort. Also:

Ew. Wohlgeboren verzeihen, daß ich etc.« (1878, S. 718-719).

Leicht einzusehen ist dabei, dass dieser Kontext (die Anrede) dieMöglichkeiten des Kommentars auf nur drei Interpunktionszeichen(das Ausrufezeichen, das Komma, den Punkt) beschränkt. Viel brei-ter fällt das Spektrum der thematisierten Satzzeichen in denjenigenQuellen aus, wo Interpunktion aus der Vielfalt der sprachlichen Fra-gen ausgesondert und getrennt behandelt wird (1827, S. 14-25; 1876,S. 49-51; um 1900, S. 9-14). Die Aufzählung der im Briefsteller ausdem Jahre 1827 erläuterten Unterscheidungszeichen (wie die Inter-punktionszeichen dort heißen) macht sofort den quantitativen Un-terschied (mit dem aber oft auch der qualitative einhergeht) zwi-schen den beiden Darstellungsmöglichkeiten deutlich. Zu den be-treffenden Unterscheidungszeichen gehören in dem genannten Rat-geber nämlich: das Komma, das Semikolon und Kolon, der Punkt,das Fragezeichen, das Ausrufungszeichen, das Anführungszeichen,

Ew. Hochwoledl.Ew. Woledl.« (1775, S. 489).

Mit der Zeit heißt es aber immer öfter, dass man Abkürzungen in derTitulatur bzw. in der Anrede vermeiden soll. Vgl.:

– »Die Titulatur muß vollständig und ganz ausgeschrieben werden«(1847, S. 209);

– »Es schickt sich nicht auf einem Briefe (außer an Dienstboten) Fräu-lein und Mademoiselle in Frl. und Mlle abzukürzen, ebenso nichtMme für Madame zu schreiben, weil dies immer einen Unterge-benen bezeichnet. Ebenso zeugt es nicht von Takt und Bildungmein l. Mann oder meine l. Frau (abgekürzt, statt liebe) zu schrei-ben. Hat man es wirklich so eilig, dann läßt man das Epithetonornans ganz weg.« (1902, S. 113);

– »Mache in einem Briefe keine unnötigen Abkürzungen, insbeson-dere ist es weder bei der Aufschrift noch in der Anrede, noch beider Aufführung einer dritten Person gestattet, Fräulein oder Fraumit »Frl.«, »Fr.« abzukürzen, schreibe das Wort immer ganz aus»Fräulein«, »Frau«.« (1935, S. 22-23).

Zu den vorhin angesprochenen »akzeptablen« Abkürzungen zählenweiter Abbreviaturen wie P. P. (praemissis praemittendis, d.h. nach-dem vorausgeschickt ist, was vorausgeschickt werden muss) (1793,S. 126; 1898, S. 5), S.T. (salvo titulo, d. h. vorbehaltlich des Titels)(1793, S. 126; 1898, S. 5), P. T. (pleno titulo, d. h. mit vollständigemTitel, bzw. pro titulo, d.h. anstatt des Titels) (1898, S. 5; um 1900, S.39). Diese Abbreviaturen werden in Briefen statt der Anrede ge-braucht, wobei dies hauptsächlich in der geschäftlichen und nichtin der privaten Korrespondenz der Fall sein sollte.

Im Zusammenhang mit Abbreviaturen solcher Art wird in den Rat-gebern manchmal noch ein weiteres, seiner Funktion nach mit Ab-breviaturen verwandtes graphisches Zeichen - der Submissionsstrich(auch Devotions-/Respekts- oder Ehrfurchtszeichen genannt) - be-handelt. Es ist ein Zeichen, »welches die Anrede und die Schlußfor-mel vertritt und besonders in kurzen Billets, Meldungen etc. anwend-bar ist, z. B.

Ew. Hochwohlgeboren gnädigem Befehl gemäß etc.;und vom letzten Worte des Schreibens an, mit Übergehung allerHochachtungsformeln, bis an den Ort der Unterschrift:

(Name.)

Der Strich soll um so länger sein und der Name um so tiefer stehen,je mehr Hochachtung wir dem Empfänger schuldig sind.« (um 1900,S. 40). Dabei machte gerade die Freiheit, die Länge oder die Kürzedes Respektsstriches selber zu bestimmen, (je nach dem, wie manden Grad der Vertrautheit, der Distanz o. ä. zwischen sich selbstund der Person, an die man schrieb, eingeschätzt hat), den Ge-brauch dieses Zeichen sehr beliebt. Außerdem konnte man »eineMenge von Worten ersparen«, »welche durch dieses Zeichen zurGenüge ersetzt werden.« (1793, S. 126). Dieselbe Quelle informiertgleich von einem weiteren Vorteil, den der Respektstrich mit sichbrachte: »Auch braucht man, wenn man sich dieses Zeichens be-dient, die Anrede nicht zu Anfange des Briefes allein zu setzen, alsetwa:

Ew. Hochedelgebohrenhabe ich die Ehre zu berichten, u.s.w.

sondern:

Ew. Hochedelgebohren habe ich die Ehre zu berichten, u.s.w.«(1793, S. 126).

Nicht zuletzt sollte der Respekts- oder Submissionsstrich den »lee-ren Raum, welchen man zwischen dem Schlusse des Briefes und

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der Apostroph, das Abteilungszeichen, die Parenthese oder das Ein-schaltungszeichen, der Gedankenstrich. Vollständigkeitshalber mussaber anschließend auch erwähnt werden, dass es auf der anderenSeite Ratgeber gibt, die die deutsche Zeichensetzung nur ganz kurz(manchmal in einem Satz) abhandeln. Vgl.:

- »Auch die nötigen Zeichen müssen gesetzt werden, was sich be-sonders Damen merken mögen. Oft ist das Weglassen derselbengeradezu sinnverwirrend.« (1871, S. 56);

- »Vergiß auch die Interpunktionszeichen nicht.« (1913, S. 501).

Der letzte der drei genannten orthographischen Schwerpunkte - dieGroßschreibung bestimmter Wörter - wird in den Briefstellern (indenen Briefe ja im Mittelpunkt des Interesses stehen) fast ausschließ-lich dort erörtert, wo die Struktur bzw. die Bestandteile der Anredegenauer besprochen werden. 1775 heißt es beispielsweise, »daßman jede Zeile [der Anrede] mit einem großen Anfangsbuchstabenschreiben müsse, welcher wieder wegfällt, wenn das Wort nicht mehrin der Zeile voransteht« (S. 505-507). So sollte man z. B. das Adjektiv»hochzuehrender« in der Anrede »Hochzuehrender Herr« groß undin der Anrede »Insonders hochzuehrender Herr« (wo es nicht mehrdas erste Wort der betreffenden Zeile ist) klein schreiben. Darüberhinaus meint derselbe Verfasser, »daß es nicht nöthig sey, in derMitte eines Ehrenwortes einen großen Buchstaben zu gebrauchen«(S. 505-507). Gemeint sind hier solche Komposita wie »Hochzu-ehrender«, die früher sehr oft mit einem Anfangsbuchstaben imWortinneren geschrieben wurden (vgl. »HochzuEhrender«).

In der Quelle 1876 wird der Gebrauch der großen Buchstaben vielausführlicher behandelt (Großschreibung der Substantive, der zu-sammengesetzten Wörter, der Orts- und Personennamen, der Ad-jektive und der Ordnungszahlen in der Apposition; vgl. 1876, S. 14-15). Auch in Bezug auf die Anredewörter erfährt man hier neue Aspek-te: »Mit großen Anfangsbuchstaben schreibt man der Höflichkeit we-gen alle Anredewörter in Briefen. Dahin gehören zuvörderst die Für-wörter Du, Dir, Dich, Ihr, Ihnen, Er, Sie etc.; dann andere Titelwörter,wie Ew. Kaiserliche Majestät, Ew. Hochwohlgeboren, Ew. Wohlge-boren« (1876, S. 15). Auf die Schreibweise der Anredepronominamachen auch noch folgende Quellen aufmerksam: 1878, S. 721;1895a, S. 351-352; 1913, S. 501-502. Der Ratgeber 1895a betontaber im Gegensatz zu den anderen folgendes: »man vergesse nicht,daß auch »sich« hierhin gehört [d. h. zu den Fürwörtern, die sich aufangeredete Personen beziehen und stets groß geschrieben werden].Es heißt also z. B.: »Sie können Sich kaum eine Vorstellung von mei-ner Freude machen.« (S. 351-352).

Über die drei angesprochenen Schwerpunkte hinaus beschäftigensich manche Briefsteller mit zahlreichen anderen orthographischenFragen: mit der Schreibweise der Vokale, der Konsonanten und derDoppellaute, mit den allgemeinen Regeln der Groß- und Kleinschrei-bung, mit der Schreibweise der gleichlautend ausgesprochenenWörter, mit den allgemeinen Gesetzen, Wörter abzukürzen, mit derTrennung der Wörter, mit den Zusammenhängen zwischen der Aus-sprache und der Rechtschreibung (vgl. 1827, S. 25-57; 1876, S. 13-18; um 1900, S. 3-9). Da diese Ausführungen aber nicht mehr kon-kret auf Briefe bezogen werden, sondern vielmehr - was auch schonaus der obigen Aufzählung resultiert - allgemeine Rechtschreibre-geln betreffen und dadurch nicht briefsteller-, sondern wörterbuch-artig wirken, wird hier auf ihren Inhalt nicht mehr detailliert eingegan-gen: Sie bieten Stoff für eine separate Untersuchung.

Für die dargebotene Übersicht muss dagegen resümierend und zumTeil ergänzend gesagt werden, dass die meisten Verfasser der mehroder weniger normativen Briefsteller und Anstandsbücher es größ-tenteils als selbstverständlich empfunden haben, dem Benutzer ansHerz zu legen, seine Briefe orthographisch zu schreiben; fragenmusste man sich nur viel intensiver als heute, was als »orthogra-phisch« anzusehen war. Verbunden war diese Einstellung der Auto-ren einerseits immer mit der Überzeugung, dass das Geschriebene(selbst dadurch, dass es nicht wie das mündlich Formulierte ver-hallt, sondern meist über längere zeitliche Abschnitte bestehen bleibt)

unabhängig von seinem Inhalt eine Art Dokument darstellt und des-wegen viel mehr Sorgfalt verlangt und verdient. Andererseits aberwar die vom jeweiligen Verfasser entschieden postulierte Schreib-richtigkeit Ausdruck seiner Sorge um den Leser, der wegen dermangelnden Kenntnisse der Orthographie der Neckerei, dem Spottund womöglich noch folgeschweren falschen Urteilen der Umge-bung über die eigene Person ohne weiteres ausgesetzt werden konn-te. Um ihn also vor den unangenehmen Konsequenzen der durchdie falsche Schreibweise entstehenden Missverständnisse rechtzeitigzu warnen, berichten die Autoren über verschiedene, oft humorvol-le, doch für den Betreffenden in der Tat peinliche Ereignisse. Vgl.abschließend den folgenden Bericht, der »als abschreckendes Bei-spiel schlechter Interpunktion« dienen sollte: »Nach ihm kam LordSalisbury auf dem Kopfe, einen weißen Hut an den Füßen, großeaber gutgeputzte Stiefel auf der Stirn, ein dunkle Wolke in seinerHand, den unvermeidlichen Spazierstock in den Augen, einen dro-henden Blick in finsterem Schweigen.« (1871, S. 56).

Quellen (in chronologischer Reihenfolge)

1656: Harsdörfer, Georg Philipp: Der Teutsche Secretarius Das ist: AllenCantzleyen/ Studir- und Schreibstuben nutzliches/ fast nohtwendiges/ zumdrittenmal vermehrtes Titular- und Formularbuch. Nürnberg.

1766: Stockhausen, Johann Christoph: Grundsätze wohleingerichteter Briefe,nach den besten Mustern der Deutschen und Ausländer; nebst beygefügtenErläuterungen und Exempeln. Wien.

1775: Heynatz, Johann Friedrich: Handbuch zu richtiger Verfertigung undBeurtheilung aller Arten von schriftlichen Aufsätzen des gemeinen Lebensüberhaupt und der Briefe insbesondere. Zweite durchaus vermehrte undverbesserte Auflage. Berlin.

1793: Moritz, Karl Philipp: Allgemeiner deutscher Briefsteller, welcher eine kleinedeutsche Sprachlehre, die Hauptregeln des Styls und eine vollständigeBeispielsammlung aller Gattungen von Briefen enthält. Berlin.

1804: Eichler, Andreas Chrysogon: Eichlers neueste und leichteste Methodegute Briefe schreiben zu lernen. Samt Anweisung zu verschiedenen schrift-lichen Aufsätzen und der deutschen und französischen Titulatur, mit Bei-spielen erläutert. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Prag.

1817: Wiener Briefsteller für alle Fälle des gesellschaftlichen Lebens. Nebsteiner gründlichen Anleitung, die im gemeinen Leben nöthigen Geschäfts-aufsätze: die Bittschriften, Contracte, Handlungs- und Wechselbriefe, Schuld-verschreibungen, Testamente u.s.w. ohne Zuziehung eines Rechtsgelehr-ten oder Geschäftsmannes nach der letzten bestehenden k. k. Verordnungselbst verfassen zu können, auch einem französischen und deutschen Titular-buche aller Stände, und einem Anhange von der Kunst geheime Briefe zuschreiben. Verfaßt von einem Geschäftsmanne. Wien, Leipzig.

1827: Briefsteller für Frauenzimmer oder faßliche Anleitung zu der Abfassungder verschiedenen Briefe und ähnlicher nöthiger schriftlicher Aufsätze, nebstden erforderlichen Regeln der deutschen Sprache, der Rechtschreibungund der Schreibart. Ein Handbuch zum Selbstunterrichte. Leipzig.

1828: Alberti, J. J.: Neuestes Complimentirbuch. Oder Anweisung, in Gesell-schaften und in allen Vehältnissen des Lebens höflich und angemessen zureden und sich anständig zu betragen; enthaltend Glückwünsche und An-reden zum Neujahr, an Geburtstagen und Namenstagen, bei Geburten, Kind-taufen und Gevatterschaften, Anstellungen, Beförderungen, Verlobungen,Hochzeiten; Heiratsanträge; Einladungen aller Art; Anreden in Gesellschaf-ten, beim Tanze, auf Reisen, in Geschäftsverhältnissen und bei Glücksfäl-len; Beileidsbezeigungen etc. und viele andere Complimente, mit den dar-auf passenden Antworten. Nebst einem Anhange, welcher die Regeln desAnstandes und der feinen Lebensart, in Miene, Sprache, Stellung, Bewe-gung, Kleidung, Wohnung, Verbeugung, Höflichkeitsbezeigungen, bei Be-suchen, in Gesellschaften, bei religiösen Handlungen, im Umgange mitPersonen höheren Standes, im Umgange mit dem schönen Geschlecht,auf Bällen, in Concerten, bei der Tafel etc. enthält. Ein nützliches Hand- undHülfsbuch für junge und ältere Personen beiderlei Geschlechts. Vierte ver-besserte und vermehrte Auflage. Quedlinburg, Leipzig.

1847: Lewald, August: Das Buch der Gesellschaft. Für angehende Weltleute.Stuttgart.

1871: Adelfels, Kurt: Das Lexikon der feinen Sitte. Praktisches Hand- undNachschlagebuch für alle Fälle des gesellschaftlichen Verkehrs. Dritte, ver-mehrte und verbesserte Auflage. Stuttgart.

1876: Rammler, Otto Frierich: Otto Friedrich Rammler’s Universal-Briefstelleroder Musterbuch zur Abfassung aller in den allgemeinen und freundschaft-

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Zum »Mekka aller Linguisten« ist das Institutfür deutsche Sprache in Mannheim schonmehrmals und von vielen erklärt worden.Den neuesten Beweis dafür, dass dies nachwie vor zutrifft, liefert der vergangene Herbst,in dem mehr als 20 Sprachforscher aus vie-ler Herren Länder in Mannheim erschienensind, und zwar aus reinem Interesse an denGesetzmäßigkeiten und an den Besonder-heiten der deutschen Sprache. Doch ist die-ses (wenn auch primäre) Interesse nicht alsder einzige Faktor zu verstehen, der überden Aufenthaltsort des einen oder des an-deren Auslands- bzw. Inlandsgermanistenentscheidet. Mit einem Forschungs-stipendium, dienstlich oder privat, kommtman für eine kurze oder für eine längere Zeitins IDS, um hier einen regen Gedankenaus-tausch zu erleben, um sich mit der älterenund der neueren Fachliteratur bekannt zumachen bzw. um in den computer-gespeicherten Textkorpora nach den jeweilsnötigen Belegen zu suchen. Nach Auffas-sung vieler Gäste ist es der besonderegenius loci, der sie hierher lockt. So bringtdas Mannheimer Institut etablierte und an-gehende Linguisten zusammen, die diedeutsche Sprache zu ihrer Arbeitssprache

Die Autoren sind Gäste am Institut für deutscheSprache.

Das »Mekka aller Linguisten«von Elzbieta Kucharska und Leslaw Cirko

gewählt haben und sich dieser als einer spe-ziellen »lingua franca« zu bedienen pflegen.Seinen absoluten Höhepunkt erreicht dasimmer während der Jahrestagung, zu dersicher auch im kommenden März mehrerehundert Sprachwissenschaftler aus ver-schiedenen Herkunftsländern eintreffen wer-den - teilweise um ganz konkret zu zeigen,dass die berühmte Sprachenverwirrungbeim Turmbau zu Babel ab und zu auch mitErfolg behoben werden kann.

Linke Reihe, von hinten nach vorn:Kucharska (Polen), Ghasarjan (Armenien),Viorel (Rumänien), Filipovic (Jugoslawien),Dogaru (Rumänien), Witton (Australien),Rosina (Russland);

Mittlere Reihe von hinten nach vorn:Cirko (Polen), Tsunekawa (Japan),Petronijevic (Jugoslawien), Teubert (IDS),Chlonina (Russland);

Rechte Reihe von hinten nach vorn:Dordevic (Bosnien), Berst (IDS), Kajanne(Finnland), Durell (Großbritannien),Konieczna-Zieta (Polen), Adachi (Japan),Denissowa (Russland).

lichen Lebensverhältnissen sowie im Geschäftsleben vorkommenden Brie-fe, Documente und Aufsätze. Ein Hand- und Hilfsbuch für Personen jedesStandes, enthaltend [...]. Nebst folgenden Zugaben [...]. Sechsundvierzigsteumgearbeitete und von neuem stark vermehrte Auflage von Dr. H. Th. Traut.Leipzig.

1878: Ebhardt, Franz: Der gute Ton in allen Lebenslagen. Ein Handbuch fürden Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben.Dritte, verbesserte Auflage. Berlin.

1884: Schoppe, Amalie: Briefsteller für Damen. Siebente Auflage neu bear-beitet und vermehrt durch Briefe berühmter Frauen von Karoline S. I. Milde.Leipzig.

1890: Möller, Eduard: Anleitung zur Anfertigung von Geschäftsaufsätzen, Brie-fen und Eingaben an Behörden, sowie zur Gewerblichen Buchführung. Fürdie Hand der Schüler in Fortbildungsschulen, zum Gebrauch in den Ober-klassen der Volksschulen und zum Selbstunterricht für jedermann. AchteAuflage. Langensalza.

1892: von der Lütt; Isa: Die elegante Hausfrau. Mitteilungen für junge Haus-wesen. Mit besonderen Winken für Offiziersfrauen. Stuttgart, Leipzig, Berlin,Wien.

1895a: Schramm, Hermine: Der Gute Ton oder das richtige Benehmen. EinRatgeber für den Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öffentli-chen Leben. Fünfte Auflage. Berlin.

1895b: Berger, Otto: Der gute Ton. Das Buch des Anstandes und der gutenSitte. Ein unentbehrlicher Ratgeber für den gesellschaftlichen Verkehr.Reutlingen.

1898: Petri, Carl: Der Guts-Sekretär. Praktische, durch Beispiele erläuterteAnleitung zur Abfassung aller schriftlichen Arbeiten des Landwirts in Berufund Verwaltung. Berlin.

1899: von Adlersfeld, Eufemia: Katechismus des Guten Tons und der feinenSitte. Dritte Auflage. Leipzig.

um 1900: Kiesewetter, L.: Dr. L. Kiesewetters neuer praktischer Universal-Briefsteller. Ein Formular- und Muster-Buch zur Abfassung aller Gattungenvon Briefen, Eingaben, Kontrakten, Verträgen, Testamenten, Vollmachten,Quittungen, Wechseln und anderen Geschäfts-Aufsätzen, mit genauen Re-geln über Briefstil, einer Anweisung zur Orthographie und Interpunktion undeiner möglichst vollständigen Zusammenstellung aller üblichen Titulaturen.Nebst einer Auswahl von Stammbuch-Aufsätzen und einem Fremdwörter-buche. 30. vermehrte und verbesserte Auflage.

1902: Hilty, Carl: Ueber die Höflichkeit. Bern.

1913: von Eltz, J.: Das goldene Anstandsbuch. Ein Wegweiser für die guteLebensart zu Hause, in Gesellschaft und im öffentlichen Leben. Neunte Auf-lage. Essen.

1935: Höflich, Erich: Wie benehme ich mich? Allgemeine Regeln zu einemgesitteten und gefälligen Betragen. (Sammlung »Hilf dir selbst!« Nr. 15).Bonn.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germanistischen Institut derUniversität Wroclaw, Polen.

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Verständnisschwierigkeiten zwischenOst- und Westdeutschen beruhen aufunterschiedlichen kommunikativen Mus-tern und Diskursstrategien. D. h.: Deut-sche aus Ost und West gestalten dasWas, das Wann, das Wieviel und dasIn-welcher-Weise ihrer Gesprächs-beiträge unterschiedlich. Anders als(leicht karikierbare) Dialekt- oder Wort-schatzunterschiede fallen bestimmteFormen der Diskursorganisation nichtauf, bestimmen dafür aber die Kommu-nikation viel nachhaltiger. Die Folge sind»Musterkonkurrenzen«, wobei West-deutsche ihre als »normal« empfunde-nen kommunikativen Muster gegenüberOstdeutschen durchzusetzen pflegen.Diese »Konkurrenzen« können unter be-stimmten Bedingungen konfliktär wer-den.

»Ost- und Westdeutschland sind durch einegemeinsame Sprache getrennt!«, so derostdeutsche Schriftsteller Christoph Heinprovokativ-paradox. Mit dem Gefühl, dassdie Deutschen trotz gemeinsamer Sprachenicht immer »die gleiche Sprache spre-chen«, steht Hein nicht allein da. Was stecktaber hinter diesem »Gefühl«? Spiegeln sichvielleicht in der Sprache »nur« tief empfun-dene Verschiedenheiten und Unsicherhei-ten, die historisch, sozial und kulturell be-dingt sind? Oder lassen sich sprachlich-kommunikative Unterschiede zwischen Ostund West auch an sprachlichen Faktennachweisen?

Dieser Frage geht das seit zwei Jahren lau-fende DFG-Gemeinschaftsprojekt »Fremd-heit in der Muttersprache« nach: In Leipzigwerden von Prof. Ulla Fix »Sprachrituale«und »Sprachbiographien« vor und nach derWende erforscht. In Hamburg versucht Prof.Peter Auer in dem Projekt »Alltagsrhetorik inOst- und Westdeutschland« die besonderenHürden zu erklären, die Ostdeutsche (z. B.aus Mecklenburg) bei Bewerbungsge-sprächen in Westdeutschland (z. B. in Ham-burg) nehmen müssen.

In dem in Halle laufenden DFG-Projekt»Wissenstransfer und Wertewandel alsKommunikationsproblem« geht es um kom-munikative Konsequenzen, die durch die

Übernahme westdeutsch geprägter Le-bens-, Konsum- und Arbeitsbedingungen inOstdeutschland bedingt sind. Grundlageder empirischen Untersuchung sind etwa350 telefonische Beratungsgespräche zuThemen wie Reiserecht, Versicherungen,Erb- und Rentenrecht, Schadensregulie-rung, Pflege- und Unfallversicherung, Be-rufsberatung, Ausbildung / Umschulung,Existenzgründung und Baufinanzierung.Dieses alltagsweltlich wichtige Fachwissenist für viele Bürger der neuen Länder ent-weder partiell unbekannt, neu oder nochnicht Teil ihrer alltäglichen Praxis. Kein Wun-der, dass ostdeutsche Tageszeitungen denBedarf an Information mit speziellen Rat-geberseiten und telefonischen Leserforenbedienen.

Die Fragestellung des Projektes: Wie wirdder Transfer dieses neuen Wissens sprach-lich bearbeitet und wie manifestieren sich indiesen Beratungsgesprächen die mit derVeränderung von Wissen verbundenen Wer-te? Ziel ist es, folgenreiche Unterschiede imKommunikationsverhalten zwischen Ostund West anhand eines Vergleichs von Be-ratungsgesprächen zwischen »Ost-Ex-perten« und »Ost-Laien« einerseits und»West-Experten« und »Ost-Laien« anderer-seits zu untersuchen.

Die Beratungsgespräche zum »neuen Wis-sen« scheinen sich für das Studium dessprachlich bearbeiteten Wissenstransfersund des damit verbundenen Wertewandelsmethodisch gut zu eignen: Kommunika-tionsprobleme werden nämlich von denBeteiligten selbst sowohl direkt als auch in-direkt (z. B. durch Problematisierung vonWissensdefiziten und -voraussetzungen so-wie bei der Klärung von Missverständissenetc.) zum Gegenstand der Beratung ge-macht.

Methodisch gesehen geht das DFG-Projektneue Wege: Gegenüber dem bisher vorherr-schenden »kontrastiven Ansatz« (»westli-ches« versus »östliches Sprachverhalten«)wird ein »differentieller Ansatz« entwickelt,der im Hinblick auf Gespräche zwischenOst- und Westdeutschen von explizit ge-machten Gemeinsamkeiten ausgeht underst auf diesem Hintergrund Unterschiede

zu erfassen erlaubt. In der gewählten Metho-de spiegeln sich ferner die immer nochbestehenden Asymmetrien der deutsch-deutschen Situation modellhaft wider - näm-lich im Verhältnis von »besserwissendenWest-Experten« zu ratsuchenden »Ost-Lai-en«.

Einige vorläufige Ergebnisse: West-östlicheUnterschiede im Kommunikationsverhaltenberuhen u.a. auf Unterschieden in derDiskursorganisation. West- und Ostdeut-sche orientieren sich - für den jeweiligenPartner kaum bemerkbar - an unter-schiedlichen Strategien und Mustern:

So bevorzugen z. B. West-Experten bei Be-ratungsgesprächen ein Vorgehen, das zu-nächst auf eine dialogisch vorangetriebeneRekonstruktion des Problems abzielt. In ei-ner ausführlichen, nur dem »Erfassen« desProblems gewidmeten Phase wird von demExperten auf dem Hintergrund seines Fach-wissens versucht, den Laien problemrele-vante Informationen zu entlocken - und zwarauch solche, die über das unmittelbar ge-schilderte Problem der Laien hinausgehen.Erst danach wird in einer Art monolo-gischem Vortragsstil Stellung bezogen. Die-ser »Rat« zielt dabei weniger auf konkreteHandlungsanweisungen für den/die Rat-suchende(n) , als vielmehr (zunächst) aufeine grundsätzliche und zumeist umfängli-che Darstellung der (rekonstruierten) Sach-lage mit seinen häufig alternativen Konse-quenzen. Hinter dieser Vermittlung vonGrundsätzlichem scheint die Vorstellung ei-nes Angebots von Informationen zu stehen,unter denen dann ausgewählt werden kann.Allerdings wird bei dieser Art des Beratensoft recht wenig Rücksicht auf Erfahrungenund Einstellungen der Ratsuchenden ge-nommen: Am Material lässt sich erkennen,dass auf die monologischen Passagen derWest-Experten und -Expertinnen mit einemrecht einsilbigen Rückmeldungsverhalten(wenig Bestätigungen, wenig Nachfragen,kaum Reformulierungen, praktisch keineKritik oder Unterbrechungen) reagiert wird.

Demgegenüber realisieren ostdeutscheRatgebende einen anderen Beratungsstil.Die Phase der Problemrekonstruktion istweniger ausgeprägt. Häufig genügen schon

Fremdheit in der Muttersprache

Unterschiede in kommunikativen Mustern zwischen Ost und Westvon Gerd Antos

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Schlüsselworte oder bereits erste Fragenohne weiteren Hintergrund. Die Beratungsetzt häufig als Auskunft ein, d. h. es werdenschnelle, ja »vorschnelle«, konkrete undpraktikabel erscheinende Ratschläge, An-weisungen und »Tips« erteilt. Es werden da-bei weniger Hintergrundinformationen ver-mittelt als vielmehr unmittelbare Handlungs-anweisungen angeboten - samt Bewertun-gen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit. Dies gip-felt häufig in einem Zu- oder Abraten. DieseArt des »schnellen Beratens« hat oft zur Fol-ge, dass »Nachtragsberatungen« erforder-lich werden: Durch die vorläufige Problem-rekonstruktion der Ost-Experten sind dieLaien des Öfteren genötigt, ihr tatsächlichesoder »eigentliches« Problem ein zweitesoder drittes Mal darzustellen und zu präzi-sieren. Die Folge ist eine sukzessive, aberdialogisch gemeinsame und daher aufein-ander abgestimmte, ja zum Teil weitläufigrückgekoppelte Einkreisung und Selbst-vergewisserung der Probleme und derenLösung. Entscheidend ist häufig ferner diehandlungsrelevante Bewertung und prakti-sche Umsetzbarkeit der Lösungen sowie dieEr- oder Entmutigung zum konkreten Han-deln. Der Interaktionsaspekt dominiert somitgegenüber dem Aspekt der bloßen Informa-tionsvermittlung. Im Übrigen: Aus dem Erfor-

dernis, das Muster »Beraten« mehrere Malezu durchlaufen, erklärt sich womöglich die(statistisch) längere Zeitdauer der Bera-tungsgespräche zwischen Ost und Ost imVergleich zu den übrigen Experten-Laien-Gesprächen.

Die Folgen:

1. Westdeutsche Experten präsentierenzwar neben Informationen auch opti-male Handlungsmöglichkeiten, helfenaber selten den Ostdeutschen, sich inden neuen und verwirrenden Informa-tionen und Handlungsalternativen zu-rechtzufinden. Anders als Ost-Expertenweigern sie sich, in Beratungen Infor-mationen zu bewerten und damit einGefühl der Sicherheit und Solidarität zuvermitteln. Zugespitzt: Westdeutschegeben Informationsangebote undEntscheidungshilfen, ostdeutsche Ex-perten eher Auskünfte und Anweisun-gen, allerdings verbunden mit konkre-ter »Lebenshilfe«.

2. Da West-Experten und -Expertinnen imRegelfall ihr eigenes Musterver-ständnis gegenüber ihren östlichenAnrufern durchzusetzen pflegen, darfman schließen, dass dies auch zur Ver-

festigung wechselseitiger Unterschie-de im Verstehen (und von Vorurteilen)zwischen Ost und West beiträgt.

3. Trotz oder gerade wegen der deutlichenwestlichen Musterdominanz gibt esauch Mustermischungen: So kommenWest-Experten manchmal ihren östli-chen Gesprächspartnern entgegenund geben entgegen ihrem Musterver-ständnis vorweg schnelle und konkre-te Antworten. Das hindert sie abernicht, danach in jenen monologischenVortragsstil zu verfallen, der typisch fürdas westliche Beratungsmuster ist.Und umgekehrt: Ostdeutsche Exper-ten haben inzwischen begonnen (zu-nächst imitierend), westliche Mus-terkomponenten zu übernehmen.

4. Allgemein gilt: Die Bedeutung von kom-munikativen Mustern für den Ablauf,das Klima und den »Erfolg« einer Kom-munikation ist weithin unbekannt. Ent-sprechend schwer fällt es Handelnden,ihr eigenes kommunikatives Handelnwahrzunehmen und zu steuern. D. h.:Kommunikative Muster - und somitauch Musterkonflikte - entziehen sichweitgehend der Eigenwahrnehmung.Da unser »Monitor« für eigenes kom-munikatives Verhalten weitgehendblind ist, wird »die Schuld« beiMusterkonkurrenzen und -konfliktenentweder anderen sprachlich-kommu-nikativen Aspekten zugeschrieben (z.B. Dialekt, Sonderwortschatz) oder inVerhaltens- bzw. »Charakterfehlern«, imGeschlecht, in ethnischen Eigenschaf-ten etc. gesucht.

5. Welche (vor allem langfristigen) Konse-quenzen die Durchsetzung kommuni-kativer Muster auf Einstellung und Ver-halten der »Dominierten« hat, lässt sichim Hinblick auf das vorliegende Mate-rial nicht sagen. Die Folgen des Er-lebens wechselseitiger »Fremdheit«sollten aber nicht unterschätzt werden.

6. Kommunikative Unterschiede zwischenOst und West werden sich in Zukunftauf Unterschiede innerhalb der ost-deutschen Gesellschaft verlagern. DieJugendlichen werden anders reden alsihre Eltern, die »Arbeitsbesitzer« andersals die Arbeitslosen, die Rentner an-ders als die neuen Eliten. »Mehr-sprachigkeit in der Muttersprache« istein Phänomen aller modernen Gesell-schaften. »Fremdheit in der Mutter-sprache« wohl ihr unvermeidlicherPreis!

Der Autor ist Professor für germanistische Linguis-tik an der Universität Halle-Wittenberg.

Mustervarianten des Beratens

Gesprächsphasen1. Problemexplikation(gemeinsam)

2. Problemerfassung durchden Ratgebenden:Fokussierung und Relevanz-setzung

3. Ratsuche und Ratschlag(gemeinsam)

Beratungen mit westl. Experten· länger· mehr Fragen· Gewährung von Narrationen

· umfassende Problemrekon-struktion angestrebt

· häufigere Reformulierungen· Selektion· Problematisierung· Typisierung

· sachorientierte Beratung· vom Allgemeinen zum

Besonderen· monologischer Vortragsstil· Darlegung von Zweck-

Mittel-Optima und Hand-lungsalternativen

· Information zur eigenenMeinungsbildung

· Konsequenzen trägt derRatsuchende

Beratungen mit östl. Experten· kürzer· weniger Fragen

· Reduktion auf Etikettierungen· seltenere Reformulierungen· Selektion· Problematisierung· Typisierung· Bewertungen

· personenorientierte Beratung· schnelle Antwort· »Zu-/Abraten«· konkrete Handlungsanstöße

(mit hoher Verbindlichkeit)· über das eigentliche Problem

hinausgehende Ratschläge· Hilfestellung / Solidarität· Folgen von Nachtragsbera-

tungen

Page 16: Die deutsche Sprache in Rio Grande do Sul, Südbrasilien...sammlung für einen Lesekurs Deutsch im Bereich der Geisteswissenschaften für brasilianische Studenten. Langfristige linguistische

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Aktuelles

Das 20. Jahrhundert: „Sprachgeschichte - Zeitgeschichte“33. Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache

11. - 13. März 1997Programm (vorläufige Fassung, Stand: 13. Februar 1997)

Dienstag, 11. März 1997

9.00 Eröffnung: Gerhard Stickel (IDS)

9.15 Verleihung des Hugo-Moser-PreisesFriedhelm Debus, Präsident des IDS (Kiel)

9.30 Peter von Polenz (Trier)Vom Sprachimperialismus zum gebrems-ten Sprachstolz. Das 20. Jahrhundert in dersprachenpolitischen Geschichte derdeutschsprachigen Länder

10.30 Pause

11.00 Jochen Hörisch (Mannheim)Unsagbar unsäglich: zur Krise der Litera-tursprache heute

12.00 Siegfried Grosse (Bochum)Lyrik und Linguistik

– Moderation am Vormittag: Helmut Henne

13.00 Mittagspause

14.30 Dieter Cherubim (Göttingen)Kontinuität und Diskontinuität in der Spra-che des 20. Jahrhunderts

15.30 Pause

16.00 Hartmut Schmidt (IDS)Traditionen des Formulierens -Formulierungsmuster und -moden der letz-ten Jahrzehnte

– Moderation am Nachmittag: Anne Betten

19.00 Begrüßungsabend im Institutsge-bäude R 5, 6-13

Mittwoch, 12. März 1997

9.15 Franciszek Grucza (Warschau)Aspekte des Deutschen aus polnischerSicht

10.15 Volker Hinnenkamp (Augsburg)Deutsche Mehrsprachigkeit und Mehr-sprachigkeit in Deutschland

11.15 Pause

11.45 Eva-Maria Jakobs (Saarbrücken)/Ulrich Püschel (Trier)Von der Druckstraße auf den Daten-High-way

– Moderation am Vormittag: Alan Kirkness

12.45 Mittagspause

14.00 Wolfgang Teubert (IDS)100 Jahre kirchliche Soziallehre. Die Ana-lyse eines historischen Korpus

15.00 Ulrike Haß-Zumkehr (IDS)Die Weimarer Verfassung - Tradition, Funk-tion, Rezeption

16.00 Pause

16.30 Georg Stötzel (Düsseldorf)Öffentlicher Sprachgebrauch und ge-schichtliche Selbstinterpretation seit 1945

– Moderation am Nachmittag: AngelikaLinke

18.00 Empfang der Stadt Mannheim(Rittersaal, Schloss)

Donnerstag, 13. März 1997

9.15 Konrad Ehlich (München)..., LTI, LQI, ... - Von der Schuld der Spre-chenden und der Unschuld der Sprache

10.15 Heidrun Kämper (IDS)Entnazifizierung - Sprachliche Ausdrucks-formen eines ethischen Konzepts

11.15 Pause

11.45 Dieter Herberg (IDS)Schlüsselwörter - Schlüssel zur Wendezeit

– Moderation am Vormittag: Dietz Bering

12.45 Mittagspause

14.00 Podiumsdiskussion:Was gehört zur Sprachgeschichte des20. Jahrhunderts?

Teilnehmer:

Dietz Bering (Köln),Anne Betten (Salzburg),Helmut Henne (Braunschweig),Angelika Linke (Zürich),Peter von Polenz( Trier)

– Leitung: Siegfried Grosse

16.00 Schlusswort: Gerhard Stickel (IDS)