Die Entwicklung der Rechenstrategien bei Aufgaben des Typs ZE±ZE im Verlauf des zweiten Schuljahres
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Christiane Benz
Die Entwicklung der Rechenstrategien bei Aufgaben des Typs ZE±ZE
im Verlauf des zweiten SchuIjahres
Zusammenfassung
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Die Bedeutung der Erforschung kindlicher Denk- und Lernprozesse ist in der Mathematikdidaktik unumstritten. Diesbeziigliche Eikenntnisse liegen hislang jedoch nur fur wenige inhaltliche Bereiche der Grundschulmathematik VOL 1m Mittelpunkt dieses Artikels steht die Analyse der Rechenstrategien von Schiilerinnen und Schiilern beim Losen von Additions- und Subtraktionsaufgaben des Typs ZE±ZE. Da die Kinder am Anfang, zur Mitte und am Ende des zweiten Schuljahres befragt wurden, konnen sowohl die Denk- und Lernwege in Form von Vorkenntnissen als auch deren Entwicklung dokumentiert werden.
Abstract
In mathematics education the importance of research into children's thinking and learning processes is undisputed. Results of this kind of research, however, are only available for a few areas of primary school mathematics. The central concern of this article is the analysis of the mental arithmetic skills of pupils solving addition and subtraction problems involving two-digit numbers. Since the children were assessed at the beginning, middle and end of their second year, it has been possible to record both their previous knowledge and the development of their ways of thinking and learning.
1 Einleitung
In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten ist die Erforschung des kindlichen Denkens in den Fokus der mathematikdidaktischen Forschung geriickt. Das geschah auf dem Hintergrund einer konstruktivistisch gepragten erkenntnistheoretischen und lempsychologische Sichtweise, deren Vertreter die aktive Konstruktion von Wissen und die Passung an bestehende Wissensstrukturen als Voraussetzung flir den Aufbau neuer Wissenskonstruktionen betonen (von Foerster 1999, von Glasersfeld 1996, Steffe & Cobb 1988). Auch Vertreter des genetischen Prinzips (Piaget 1971, Wagenschein 1989, Wittmann 1981) weisen auf die tragende Rolle von vorhandenem Wissen und informellen Strategien im Lehr-Lemprozess hin, wie in Treffers Zitat deutlich wird: "formal knowledge can be developed from children's own informal strategies" (Treffers zit. in Klein 1998, 6).
Es kann also festgehahen werden, dass Wissenserwerb nach konstruktivistischinteraktionistischer, genetischer und neurowissenschaftlicher Sichtweise aktiv geschehen muss, sich auf bestehendes Wissen griinden muss und nur dann geschehen kann, wenn an bestehende Strukturen angekniipft wird. Damit steht das Primat der Passung und des
(JMD 28 (2007) H. 1, S. 49-73)
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Ermoglichens von Ankniipfung bzw. Vemetzung als Voraussetzung fiir einen gelingenden Lehr-Lem-Prozess im Vordergrund. Aus diesem Grund kann in vielen didaktischen Konzepten, Ansatzen und Positionen als Konsens festgehalten werden, dass die Beriicksichtigung und das Verstehen kindlicher Vorerfahrungen und Denkweisen bei der Gestaltung und Reflexion des Lehr-Lem-Prozesses notwendig sind.
Deshalb wurde in den letzten Jahren das mathematische Denken der Kinder untersucht. In den Forschungsbeitragen lassen sich zwei Schwerpunkte feststellen: die Erforschung des Denkens von Kindem vor und am Anfang der Grundschulzeit beziiglich Zahlbegriffsentwicklung und Vorkenntnissen von Schulanfangem und gegen Ende der Grundschulzeit im Blick auf die schriftlichen Rechenverfahren. Andere inhaltliche Bereiche der Grundschulmathematik wurden weniger griindlich erforscht. Ergebnisse iiber Rechenstrategien von Kindem bei Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 beispielsweise liegen bislang nur wenige vor (vgl. jedoch Jones et al. 1996, Beishuizen 1993, Klein et al. 1998, Grassmann et al. 1996, Cooper & Heirdsfield 1996, Thompson 1999).
Aus diesem Grund wurde die vorliegende Untersuchung durchgefiihrt. Ziel der Untersuchung war, im Laufe eines Schuljahres die Entwicklung der Rechenstrategien von Kindem bei Additions- und Subtraktionsaufgaben zu dokumentieren. Die Entwicklung der Rechenstrategien wird natiirlich durch die Unterrichtsgestaltung stark beeinflusst. 1m Rahmen dieser Studie wurde der Unterrichtseinfluss nicht genau erhoben und kontrolliert. Allerdings fanden halbstandardisierte Interviews mit den Fachlehrerinnen statt, so dass genau Angaben gemacht werden konnten, wann die ZE±ZE Aufgaben in Relation zu den Testzeitpunkten thematisiert wurden.
2 Forschungsstand und Forschungsfragen
In diesem Abschnitt werden, nachdem eine Begriffsklarung der verschiedenen Auspragungen von Rechenstrategien vorgenommen wird, Ergebnisse anderer Untersuchungen zum Einsatz von Rechenstrategien und die daraus resultierenden Forschungsfragen vorgestellt.
Als Rechenstrategie wird in dieser Untersuchung die Tatigkeit des Zerlegens einer Additions- oder Subtraktionsaufgabe in einfachere Teilaufgaben bezeichnet, deren Bearbeitung nicht durch Zahlen sondem durch Rechnen erfolgt. Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen Rechenprozedur bzw. Rechenverfahren und Rechenstrategie (vgl. jedoch Beishuizen 1997, Fuson 1997, Lorenz 1997). In der vorliegenden Untersuchung werden alle Losungswege, bei denen die Kinder rechneten, in Abgrenzung zu gewussten oder gezahlten Losungen als Einsatz von Rechenstrategien bezeichnet.
2.1 KlassifIzieren von Rechenstrategien
Threlfall (2002) und Beishuizen (2001) weisen daraufhin, dass die Beschreibung in den Grobkategorien nicht ausreicht, urn der Vielfalt der Strategien der Kinder gerecht zu werden: "It is acknowledged with Beishuizen (2001, 122) that there is too much diversity to count each variant as different and that categories have to be a little broader to include several methods covering all problems yet although all the methods are accounted
Rechenstrategien 51
for in the categories of one author or anoth~r, none seems to have room for all of them" (Threlfall 2002, 35). Durchgangig werden allerdings bei allen intemationalen Forschungsprojelcten, trotz unterschiedlicher Nomenklatur und Ausdifferenzierung einzelner Strategien, die Rechenstrategien in folgende Hauptgruppen eingeteilt.
2.1.1 Stellenweises Rechnen
Beim steUenweisen Rechnen werden beide Zahlen in Zehner und Einer zerlegt. Fur das Uberwinden des Zehneriibergangs bei stellenweiser Subtraktion findet man verschiedene Moglichkeiten (Radatz et al. 1998, Rottmann & Schipper 2002, Schipper 2003, Wittmann 2003).
46+29= 40+20= 60, 9+6=15, 60+15=75
71-69 = 70-60= 10, 1-9=-8, 10-8=2
71-69 = 70-60=10,9-1=8: 10-8=2
71-69 = 60-60=0, 11-9=2
Tab. I: Rechenstrategie: S1ellenweise
2.1.2 Schrittweises Rechnen
Beim schrittweisen Rechnen wird nur ein Summand bzw. der Subtrahend zerlegt. Meist wird in die SteUenwerte zerlegt (Zeile 1 und 2). Es gibt jedoch auch die Moglichkeit bis zum voUen Zehner zu zerlegen (Zeile 3 und 4).
46+29= 46+20=66,66+9775
71-69 = 71-60=11,11-9=2
46+29= 46+4=50,50+25=75
71-69 = 71-1=70; 70-68=2
Tab.2: Rechenstrategie: Schrittweise
2.1.3 Mischform
Bei der Misch/orm werden beide Zahlen in ihre Stellenwerte zerlegt. Zuerst werden entweder beide Zehner oder beide Einer miteinander verknupft und dann wird schrittweise weiter gerechnet, z.B.:
46+29= 40+20=60,60+6=66,66+9=75
71-69 = 70-60=10,10+1=11,11-9=2
Tab. 3: Rechenstrategie Misch/orm
2.1.4 Ableiten
Unter dieser Strategie werden aBe Strategien gefasst, die operative Beziehungen nutzen \ wie z.B.:
Threlfall (2002) weist darauthin, dass nichtjede Strategie in gleicher Art und Weise anzuwenden ist. Beim Ableiten muss man selbst iiberlegen, von welcher Aufgabe man ableitet. Die
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• Ableiten von einer Verdoppelungs-/ Halbierungsaufgabe; • Verandem beider Zahlen z.B. gegensinniges oder gleichsinniges Verandem; • Ableiten von einer dem Kind schon bekannten Aufgabe; • Ausnutzen dekadischer Analogien.
2.1.5 Erganzen als Strategie fUr Subtraktionsaufgaben
Dieses Vorgehen wird gelegentlich als eigenstandige Strategie bezeichnet (Connecting Arc, Klein 1998, de Corte & Verschaffel1987, 377)
2.2 Bewertung verschiedener Rechenstrategien in der fachdidaktischen Literatur
Bei der Bewertung der stellenweisen und schrittweisen Rechenstrategien als Hauptstrategien gibt es heutzutage verschiedene Positionen, sowohl in der nationalen als auch in der intemationalen Diskussion. Hinter den beiden Rechenstrategien stehen verschiedene Zahlvorstellungen - der kardinale und der ordinale Aspekt. Die Strategie Stellenweise basiert uberwiegend auf der Vorstellung, Zahlen kardinal zu denken. Hier steht der Mengenaspekt im Vordergrund. Dieser Aspekt wird durch flachige, raumlich simultane Anordnung zum Ausdruck gebracht, wie z. B. beim Hunderterpunktefeld. Die Strategie Schrittweise basiert auf der Vorstellung Zahlen vorwiegend ordinal zu denken. Bei linear angeordnetem Material, wie etwa dem Zahlenstrahl, kommt di.eser Zahlaspekt besonders zum Tragen.
Die Vertreter, die schrittweises Rechnen bevorzugen, sind vor aHem in Europa zu finden (Beishuizen -1997, Menne 2001, Radatz et al. 1996, Treffers & de Moor 1990, Williams & Shuard 1982, Schipper 2001). Ein Grund fUr die Bevorzugung der schrittwei sen Rechenverfahren ist die geringere gedachtnismaBige Anforderung, die das schrittweise Rechnen darsteHt (Cooper et al. 1996, 'Schipper 2001). Dies gilt vor aHem dann, wenn die Aufgaben nur im Kopf ohne schriftliche Notationsmoglichkeiten gelost werden.
Beishuizen (1993) stellt fest, dass stellenweises Rechnen fehleranfalliger ist, da es einerseits mehr Gedachtnisleistung beinhaltet und anderseits bei Subtraktion mit Zehnerubergang schwierig durchzufUhren ist. Denn die einzelnen Zwischenrechnungen mussen bei der Subtraktion addiert werden. Bei Subtraktionsaufgaben mit Zehnerubergang besteht ein zusatzliches Problem, da ein Zwischenergebnis in Form einer "negatiyen Zahl" auftaucht. Bei der Aufgabe 22-18, muss man jedoch das sich ergebende Zwischenergebnis -4, nicht unbedingt als negative Zahl interpretieren, sondem man kann es auch in der Form interpretieren, dass noch 4 abgezogen werden mussen (vgl. Wittmann 2003,35).
Nicht nur bei Subtraktionsaufgaben mit Zehnerubergang ist nach Beishuizen stellenweises Rechnen problematisch, sondem auch bei Erganzungsaufgaben ist seiner Meinung nach stellenweises Rechnen eher hinderlich als fOrderlich. Beishuizen geht sogar
einzelnen Uisungsschritte sind nicht klar festgelegt, wohingegen bei den Strategien Schrittweise und Stellenweise die einzelnen Losungsschritte recht klar festgelegt sind.
Rechenstrategien 53
soweit, dass er uberlegt, stellenweises Rechnen nicht nur als schwachere Strategie einzustufen, sondem sogar als Barriere beim Problemlosen (vgl. Klein 1998). In spateren Beitragen weicht er von dieser extremen Position jedoch ab (Beishuizen 200 I).
Wittmann (1990, 2003) bewertet schrittweises und stellenweises Rechnen gleichwertig. Er weist daraufhin, dass Kinder mathematische Strukturen und Gesetze nur dann erfahren konnen (Assoziativgesetz, Kommutativgesetz), wenn verschiedene Strategien zugelassen werden. Fur das Verstandnis nicht nur des Einspluseins, sondem auch der halbschriftlichen Addition ganz generell, ist es seiner Meinung nach fundamental wichtig, zu beachten, dass in der Arithmetik die Rechengesetze festgelegt sind, nicht aber die Rechenwege. Denn das halbschriftliche Rechnen und spater in der Sekundarstufe die Algebra beruhen auf der geschickten Nutzung der Rechengesetze. Auch Scherer (2003, 112) empfiehlt, selbst bei lemschwachen Kindem, nicht sofort eine feste Strategie vorzugeben, sondem zuerst Aufschluss uber die vorhandenen Ideen der Kinder zu bekommen, urn dann im weiteren Verlauf die Strategien mit den mathematischen Konventionen zu verbinden.
Wittmann fordert, dass stellenweises Rechnen gerade bei Subtraktionsaufgaben (auch mit Zehnerubergang) zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden solI. Denn auch Kinder, bei denen das stellenweise Rechnen nicht diskutiert und vorgemacht wird, rechnen mit stellenweisen Verfahren Subtraktionsaufgaben und benutzen diese oft fehlerhaft. Auch SchUtte (2004, 139) bemerkt, dass viele Kinder eine Vorliebe fUr die Rechenstrategie Stellenweise gerade bei Subtraktionsaufgaben zeigen. Rousham (2003) kritisiert in diesem Zusammenhang das gestufte Vorgehen im Unterricht, bei dem zuerst nur Aufgaben ohne Zehnerubergang gerechnet werden, bei denen stellenweises Vorgehen angewendet werden kann. Somit wird stellenweises Rechnen als allgemeingiiltige Methode begriffen, ohne dass auf die Problematik des stellenweisen Rechnens bei Subtraktion mit Zehnerubergang eingegangen wird.
- Eine ganz andere Bewertung des stellenweisen Rechnens findet sich im angloamerikanischen Raum2
• Da dort fur Addition und Subtraktion im Hunderterraum schriftliche Verfahren gelehrt werden, favorisiert man dort die stellenweisen Rechenstrategien wegen ihrer strukturellen Nahe zu den schriftlichen Verfahren sogar gegenuber den schrittweisen Rechenstrategien (Fuson 1992, Resnick 1983): "From an early age they have been encouraged to partition any two-digit number into its tens and units components, and this tradition is still alive" (Rousham 2003, 34). Ein weiterer Grund fUr das Lehren der stellenweisen Strategie ist die starke Analogie, die zu bekannten, automatisierten Zahlensatzen besteht (Ashcraft 1985). Deshalb empfiehlt auch Thompson 1997 noch, stellenweise Strategien in den britischen Klassen beim halbschriftlichen Rechnen und Kopfrechnen schwerpunktmaBig zu thematisieren. In neuerer Zeit finden in England in didaktischen Beitragen die schrittweisen Strategien und die Strategie Mischform groBere Beachtung (vgl. Thompson 1999,2003), indem auf die Schwachen des stellenwei-
Beishuizen und Anghileri (1998, 523) schildem den Hintergrund flir dieses Verstandnis: "Under the influence of Pia get ian psychology and New Maths, this latter approach became very influential in both the USA and the UK. Counting was seen as a mechanical and meaningless activity, which should not be stimulated but instead should be replaced as soon as possible by the more meaningful place value concept and its corresponding written (vertical) procedures for addition and subtraction".
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sen Rechnens bei mental arithmetic eingegangen wird: "Our tradition of early teaching of splitting in the guise of 'place-value' endows both us and the children with the handicap of thoroughly learning a method which works for addition but not for subtraction" (Rousham 2003, 36).
Verschiedene englische Studien (Thompson 1994, Thompson & Smith 1999) belegen, dass auch Kinder, bei denen schrittweises Rechnen nicht thematisiert wird, diese Strategien anwenden und beim Einsatz von Rechenstrategien zwischen Additions- und Subtraktionsaufgaben unterscheiden. So wurde bei den Additionsaufgaben stellenweises Rechnen und bei den Subtraktionaufgaben schrittweises Rechnen haufiger eingesetzt (vgl. auch Lieshout 1997). Beishuizen und Foxman (Beishuizen & Foxman 2002) erhalten ahnliche Ergebnisse. Ein Drittel der Kinder benutzte bei einer Subtraktionsaufgabe mit Zehneriibergang schrittweises Rechnen, obwohl diese Strategie nicht gelehrt wurde.
Auf dem Hintergrund der verschiedenen Positionen zur Bewertung und zur unterrichtlichen Thematisierung der Rechenstrategien sowie aufgrund der empirischen Ergebnisse zum unterschiedlichen Einsatz bei Additions- und Subtraktionsaufgaben liegt unser vorrangiges Erkenntnisinteresse in der vorliegenden Arbeit bei folgenden Analysepunkten.
•
• •
2.3
Welche Rechenstrategien benutzen die Kinder am Anfang des Schuljahres ohne Beeinflussung des Unterrichts? So k6nnen informelle kindliche Denkweisen und eigene Strategien der Kinder erforscht werden, eben so inwiefem Kinder stellen- bzw. schrittweise Strategien einsetzen. Wie verandert sich der Einsatz der Rechenstrategien im Laufe des Schuljahres? Werden beinflussende Faktoren fur die Auswahl der Strategie sichtbar, wie z.B. Operation oder Darstellungsform?
Erfolg verschiedener Rechenstrategien
Wie bereits erwahnt, beobachtete Beishuizen (1993) in einer Feldstudie uber Effektivitat und Fehlermuster der beiden Hauptstrategien, dass schrittweise Strategien effektiver waren, da bei allen Aufgabentypen diese Strategie sicher angewendet werden konnte. D-ie Ergebnisse von Beishuizen und Foxman (2002) bestatigen diese Tendenz (vgl. auch Cooper et al. 1996, Lieshout 1997, Heirdsfield 2002 Thompson & Smith 1999). Obwohl schrittweise Strategien sicherer sind, benutzten leistungsschwachere Kinder eher stellenweise Strategien.
Beishuizen & Anghileri (1998) vergleichen aufgrund der empirischen Ergebnisse den unterschiedlichen Gebrauch der Strategie Stellenweise und Schrittweise bei leistungsschwachen und leistungsstarken Kindem mit dem unterschiedlichen Gebrauch der Zahlstrategien Alles Ziihlen und Weiterziihlen und gelangen zur Feststellung, dass leistungsschwachere Kinder durch Anwendung dieser Strategien sich selbst Hindemisse schaff en und somit weniger erfolgreich sind (vgl. Gray 1997).
So ist ein weiterer Untersuchungsaspekt die Effektivitat, die bei den einzelnen Rechenstrategien erreicht wird. Daraus ergeben sich folgenden Auswertungsaspekte:
• We1che Erfolgsquoten werden mit den einzelnen Strategien erreicht? • Erweisen sich schrittweise Strategien ebenfalls als weniger fehleranfallig?
Rechenstrategien 55
2.4 Entwicklungen beim Einsatz von Rechenstrategien
In hollandischen Klassen wurde vor Einfiihrung des leeren Zahlenstrahls beobachtet, dass Kinder, die zuerst stellenweise Strategien nutzten, zur Strategie Mischfarm wechselten, wenn sie merkten, dass stellenweises Rechnen bei Subtraktionsaufgaben nicht so einfach anzuwenden ist. Dies war jedoch nur bei den Kindem der Fall, die merkten, dass stellenweises Rechnen ,bei Subtraktion mit Zehnerubergang nicht in der gleichen Weise angewendet werden kann wie bei Aufgaben ohne Zehnerubergang. Manchmal entwickelten diese Kinder dann noch als Abkiirzung der Misch/arm schrittweises Rechnen (Beishuizen 2001). In Klassen, in denen schriftliche Algorithmen beim additiven Rechnen gelehrt wurden, wurde die gegenlaufige Tendenz festgestellt. Hier wurden zuerst vermehrt schrittweises Rechnen und Ableiten als miindliche Strategien verwendet. 1m Laufe des Schuljahres, in dem die schriftlichen Algorithmen im Mittelpunkt standen, nahmen diese Strategien ab, wobei stellenweise Strategien bevorzugt wurden (Cooper et al. 1996).
Bei anderen Studien (Carpenter & Moser 1984, Cooper et al. 1 996b, de Corte & Verschaffel 1987) konnte keine durchgangige Entwicklung festgestellt weJden. Dort wechselten die Kinder die Strategien innerhalb eines und zwischen verschiedenen Interviews, wobei leistungsstarkere Kinder eher vieWiltige Strategien einsetzten. Bei allen Kindem wurde beobachtet, dass sie nicht immer die effektivsten Strategien benutzten, die sie zur Verfiigung hatten - auch wenn sie diese Strategie gerade zuvor eingesetzt hatten -, sondem auch auf niedrigere Levels zuruckgriffen (Carpenter & Moser 1984, Cooper et al. 1996b, Stem 1997). Selten verwendeten Kinder nur eine Strategie fur gleichartige Aufgaben. Oft gab es keinen ersichtlichen Grund fUr den Strategiewechsel (Cooper et al. 1996). Auch von wachsender ZahlengroBe hing die Strategieauswahl nicht ab, eher von der Reihenfolge der einzelnen Zahlen.
Da die Kinder in der beschriebenen Untersuchung dreimal befragt wurden, konnen Entwicklungstendenzen beziiglich aller und einzelner Kinder beim Rechenstrategieeinsatz festgestellt werden. Dabei wird es sich zeigen, ob und welche der bereits vorliegenden Ergebnisse bestatigt werden konnen.
3 Design der Untersuchung
3.1 Rahmenbedingungen
1m Rahmen der hier dazustellenden Untersuchung wurden 120 SchUler und Schiilerinnen im Verlauf des ersten und zweiten Schuljahres insgesamt sechsmal zu Rechenanforderungen der ersten beiden Schuljahre mit Hilfe klinischer Interviews befragt. Grundlage der vorliegenden Arbeit ist der zweite Abschnitt des Forschungsprojekts. Es wurden Vorgehensweisen von Schiilerinnen und Schiilem im zweiten Schuljahr bei Additionsund Subtraktionsaufgaben im Hunderterraum erhoben und analysiert. Die Interviews fandenjeweils am Anfang, in der Mitte und am Ende des Schuljahres statt.
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Klasse I (Zahlenraum bis 20) Klasse 2 (Zahlenraum bis 100)
Interview 1 Interv iew 2 Interview 3 Interview I Interview 2 Interview 3 September Februar Ju li September Februar JuIi
2000 200 1 2001 2001 2002 2002
Tab. 4: Zeit plan
An zehn Heidelberger und Mannheimer Schulen wurden aus jeweils zwei Parallelklassen sechs Kinder wahrend der ersten zwei Schuljahre beim L6sen additiver und subtraktiver Rechenanforderungen beobachtet und befragt. Diese sechs Kinder wurden anhand von Aufgaben zur Erhebung arithmetischer Vorkenntnisse (KnapsteiniSpiegel 1995) in den ersten Schulwochen des ersten Schuljahres und anhand von Lehrerinneneinschatzung so ausgewahlt, dass jeweils ein Junge und ein Madchen mit vermutlich schwachem, durchschnittlichem und starkem Leistungsniveau an der Untersuchung teilnahmen.
Junge und Madchen stark
Junge und Miidchen mittel
Schule X
Junge und Miidchen schwach
Junge und Madchen stark
Abb.l : Schi1lerauswahl
J unge und Miidchen mittel
Junge und Miidchen schwach
Von den ursprunglich 120 Kindem waren nur 100 bei allen drei Untersuchungen anwesend. Die anderen Kinder fielen durch Urnzug, Klassenwiederholung oder Krankheit aus. Aus Grunden der Vergleichbarkeit wurden nur die Ergebnisse dieser 100 Kinder ausgewertet.
3.2 Aufgaben
1m 2. Schuljahr wurden jeweils 10 Plus- und 10 Minusaufgaben gestellt. Bei deren Zusammenstellung wurde Folgendes bedacht (vg1. Benz 2005, 103 f):
• Darbietungsform (D): Jeweils fiinf Aufgaben wurden als Text- (TA) bzw. Zahlenaufgaben (ZA) gestellt.
• Zwillingsaufgaben (ZWI): Von diesen jeweils 10 Aufgaben waren vier Aufgaben so konstruiert, das jeweils zwei von ihnen diese1ben Zahlenwerte aufweisen, d.h. je zwei Zahlensatze wurden einmal als Zahlen- und einmal als Textaufgabe prasentiert.
Rechenstrategien 57
• Umkehraufgaben (UM): Von den jeweils sechs nicht doppelt auftretenden Plusund Minusaufgaben wurden je zwei Plus- und zwei Minusaufgaben so konstruiert, dass sie zumindest aus Sicht der geiibten Rechner als Aufgabe und Umkehraufgabe erkannt werden konnten.
• Bauart (BAU): Generell wurden nur Aufgaben aus dem Hunderterraum ausgewahlt. Bei der Addition und der Subtraktion wurde als ein Klassifikationskriterium die 'Bauart' der beiden Zahlen gewahlt. So konnen die Aufgaben in verschiedene Schwierigkeitsstufen eingeteilt werden und der Einfluss der Komplexitat der Bauart auf die Erfolgsquoten und Vorgehensweisen untersucht werden. 1) E ± Emit Zehneriibergang 2) Z ± Z 3) ZE ± Z 4) ZE ± E ohne Zehneriibergang 5) ZE ± Emit Zehneriibergang 6) ZE ± ZE ohne Zehneriibergang 7) ZE ± ZE zum Zehner 8) ZE ± ZE mit Zehneriibergang
• Ubergang CO): leweils funf Aufgaben erforderten einen Zehneriibergang (bzw. ein Rechnen auf eine Zehnerzahl), bei jeweils funf Aufgaben fiel kein Ubertrag an. Diese Unterscheidung gibt die Moglichkeit, dass genauer betrachtet werden kann, welchen Einfluss der Zehneriibergang haben kann.
Bei den Aufgaben fur die Subtraktion wurde noch beriicksichtigt, dass durch die Wahl der Zahlenwerte bzw. des Aufgabentextes jeweils funf Aufgaben so gestellt wurden, dass sie mehr der Abzieh- (A) bzw. mehr der Erg~nzungsvorstellung (E) zuneigten.
Die Aufgaben, die die Grundlage fur die Auswertung des Rechenstrategieeinsatzes bilden, waren die Aufgaben ZE ± ZE mit und ohne Zehneriibergang, da bei diesen Aufgaben aIle Rechenstrategien angewendet werden konnen:
Aufgabe D ZWI UM BAU U E/A
Wie viel ist 25+43? ZA JA 6
Wie vie I ist 46+29? ZA JA 8 JA
Auf einem Backblech liegen 46 Kekse, auf einem ande- TA JA 8 JA ren Backblech liegen 29 Kekse. Wie viele Kekse sind es zusamrnen?
Auf einem Backblech liegen 33 Kekse, es werden 47 TA JA 7 JA Kekse hinzugelegt. Wie viele Kekse sind es zusamrnen?
Wie vie! ist 68-25? ZA JA 6 A
Wie vie! ist 71--69? ZA JA 8 JA E
Ich will 71 Kekse backen. 69 Kekse sind schon fertig. TA JA 8 JA E Wie viele Kekse muss ich noch backen?
Tab. 5: ZEZE Aufgaben
Es kamen vier Testversionen zum Einsatz. Die Reihenfolge der Aufgaben wurde variiert, so dass diese die Erfolgsquoten nicht zu sehr beeinflussen konnte. Den Kindem wurde bei jeder Interviewserie immer die gleiche Testversion prasentiert.
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Es standen den Kindem Plattchen, Zehnerstreifen, Hunderterfeld, Hunderterrechenrahmen und das in der jeweiligen Klasse vorhandene Material zur Verfugung (z.B. Cuisenairestabe, Rechenrahmen, Steckwtirfel, Hunderterfeld mit Plattchen und Zehnerstreifen). Papier und Stifte waren fur zeichnerische Losungen und halbschriftliches Rechnen oder sonstige Notizen vorhanden.
Ais Einstieg in die Textaufgaben wurden den Kindem Zeichnungen eines Backbleches (Hunderterfeld), das mit 100 (50, 37) Keksen gefullt war, vorgelegt. Die Kinder sollten die Anzahl der 50 und 37 Kekse benennen. AuBerdem wurde ein leeres Backblech, auf dem allerdings - ahnlich wie bei Backpapier - potenzielle Orte, an denen die Platzchen gelegt werden konnten durch eine diinne Linie angedeutet wurden, bereitgelegt. So wurde versucht, den Kindem eine ikonische Losungshilfe anzubieten, die auch einen inhaltlichen Bezug zu den Textaufgaben bot.
Da zu Beginn des Schuljahres der Zahlenraum bis 100 noch nicht erweitert war, konnten die Kinder nicht auf bekannte Anschauungsmaterialien zumindest am Schuljahresbeginn zurUckgreifen. Den Kindem wurde verbal signalisiert, dass sie die Aufgaben ohne Materiallosen konnen, wenn sie es wollen bzw. es sich zutrauen, aber auch Material zu Hilfe nehmen konnen, wenn sie es mochten.
3.3 Datenauswertung
Zum Erheben und Auswerten der Daten wurden sowohl qualitative als auch quantitative Verfahren genutzt. Das Verfahren der Methodentriangulation3 hat sich mittlerweile in den Sozialwissenschaften (Larnnek 1995) und auch in der mathematikdidaktischen Forschung durchgesetzt. "Um einem gangigen Missverstandnis entgegenzuwirken, ist daraufhinzuweisen, dass qualitative Forschung keineswegs eine Quantifizierung der Daten ausschlieBt" (Maier & Beck 1994, 166). Dabei ist eine grundliche qualitative Auswertung wichtig als gute Grundlage fur Quantifizierung: "Auch qualitativ erhobenes Material kann unter unterschiedlichsten Gesichtspunkten quantifiziert werden. Entscheidend ist, dass diese Quantifizierung im Nachhinein erfolgt, auf der Basis einer umfangreichen Auseinandersetzung mit dem qualitativ erhobenen Material" (Hopf 1979, 13f, zit. in Maier & Beck 1994,166).
Das Besondere dieser Studie ist, dass von allen 100 Kindem zuerst die qualitativen Daten in Form von klinischen Interviews vorlagen. AnschlieBend erfolgte eine Klassifizierung der Aul3erungen tiber einen Vergleich der Interviewdaten. Die gewonnenen Daten wurden anhand deskriptiver statistischer Verfahren so bearbeitet, dass Aussagen tiber Tendenzen bei allen Kindem getroffen werden konnten. Es wurden Signifikanzen zwischen verschiedenen Kindergruppen, Aufgabengruppen, Untersuchungszeitpunkten auf dem 5% Niveau (p<0,05) berechnet. Die Signifikanzen werden nur dann angegeben, wenn sie bestehen, aus Grunden der besseren Lesbarkeit werden die einzelnen Signifikanzwerte nieht angegeben. Des ofteren nutzten die Kinder bei einer
Triangulation wird nach Denzin als die Kombination von Methodologien beim Studium ein und desselben Phiinomens bezeichnet (Lamnek 1995,248).
Rechenstrategien 59
Aufgabe mehrere Rechenstrategien. Fur die statistischen Verfahren wurden nur die Daten des ersten Losungsversuchs miteinbezogen.
Bei einigen Interviews bzw. einigen Aufgaben wurde eine genaue qualitative Analyse vorgenommen. Dabei wurden die relevanten Interviewausschnitte wortlich transkribiert, damit Aussagen uber tiefer liegende Gedankengange getroffen werden konnten.
4 Untersuchungsergebnisse
Die Interviews wurden anhand der Kategorien Ergebnisse, Rechenmethode, ZiihlenRechnen-Wissen, Zahlstrategien, Rechenstrategien und Fehlermuster ausgewertet, die in der Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial weiter entwickelt wurden (vgl. Benz 2005).
1m diesem Abschnitt werden die Untersuchungsergebnisse der Kategorie Rechenstrategien vorgestellt. Wie bereits erwahnt (s. 3.2) wurden fUr die Betrachtung des Rechenstrategieeinsatzes nur die 7 Aufgaben der Bauart ZE±ZE ausgewahlt (r/Z 46+29, T/Z 71-69, Z68-25, T33+47, Z25+43), da bei dies en Aufgaben aIle Rechenstrategien eingesetzt werden konnen.
4.1 Zunehmender Einsatz von Rechenstrategien
Am Schuljahresanfang nehmen die Rechenstrategien mit 32,9% bei den Aufgaben mit zwei zweistelligen Zahlen, ZEZE Aufgaben, schon einen betrachtlichen Anteil an den eingesetzten Losungswegen ein. Dabei waren fUr diese Aufgaben noch uberhaupt keine Rechenstrategien thematisiert worden. Deshalb kann man vor allem informellen Rechenstrategieeinsatz beobachten. 51,7% der Aufgaben wurden durch Zahlen gelost und bei 5,9% der Aufgaben konnten die Kinder durch Folgewissen das Ergebnis nennen. Die restliehen Aufgaben 16sten die Kinder mit versehiedenen Losungswegen.
In der Schuljahresmitte wurden bei 48,1% der ZEZE Aufgaben Rechenstrategien eingesetzt. (36,6% Zahlen und 7,3% Wissen). In 12 Klassen waren diese Aufgaben zum Untersuchungszeitpunkt noell nieht Unterrichtsgegenstand gewesen. Die 6 Klassen, in denen mathematikus, Zahlenbuch und Lollipop verwendet wurden, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ZEZE Aufgaben behandelt. In den 2 Klassen, in denen mit Leonardo unterriehtet wurde, waren ZEZE Aufgaben ohne Obergang thematisiert worden. In vielen SehulbUehem (multi, Welt der Zahl, Nussknacker, mathematikus) wurde Schrittweise bei anderen Aufgabengruppen ausfUhrlicher dargestellt bzw. favorisiert.
Am Schuljahresende ist der Anteil der Rechenstrategien auf 59,7% gestiegen (25,3% Zahlen, 7,5% Wissen). Nun waren in allen Klassen Rechenstrategien fUr die ZEZE Aufgaben thematisiert worden.
Der informelle Rechenstrategieeinsatz zu Schuljahresbeginn nimmt schon einen betrachtlichen Anteil ein. Signifikante Zunahmen lassen sich bei den Rechenstrategien zwischen allen Untersuchungen feststellen.
4 T= Textaufgabe, Z=Zahlenaufgabe
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4.2 Verwendung aller Rechenstrategien
Wie bereits erwahnt, konnen bei den 7 Additions- und Subtraktionsaufgaben der ZEZE Aufgaben aIle Rechenstrategien eingesetzt werden. Allerdings zeigt sich bei den Zwillingsaufgaben 71-69 das Problem der Anwendung des stellenweisen Rechnens bei Subtraktionsaufgaben mit Zehneriibergang (vgl. 2.2 Bewertung verschiedener Rechenstrategien). Betrachtet man die Schaubilder, so rallt auf, dass zu jedem Untersuchungszeitpunkt aile Rechenstrategien eingesetzt wurden.
Rechenstrategien bei ZEZE Aufgaben
25°0
20".
0 chriuweise 15°0
• Stcllenweise
1~. o Mischform
lr 1 o Ablcilen
5";,
00. ..., h
Int. 1 Int. 2 Int. 3
250.0
200>
15°0
10°0
5°0
0".
KOl'rekte Rechenstl'ategien bei ZEZE Aufgabe n
r ILf ~ Int. 1 Int. 2
h
Int. 3
o Schrittweise
• Stell nweisc
o t\ lischform
O J-\ blei t 11
Abb. 2: Rechenstrategien bei ZEZE Aufgaben
Am Schuljahresanfang ist Stellenweise vor Behandlung der Rechenstrategien bei allen ZEZE Aufgaben mit 14,2% (M=0,82, SD=I,4) Hauptstrategie, gefo1gt von Mischform mit 9,0% (M=0,52, SD=l ,O). Schrittweise nimmt immerhin noch 6,9% (M=0,4, SD=0,8) ein und wurde vor allem bei der Textaufgabe 71-69 eingesetzt, wahrend sich aus Sieht der Kinder Ableiten kaum anbietet.
In der Schuljahresmitte haben aile Rechenstrategien - bis auf Ableiten - signifikant zugenommen. Stellenweise dominiert weiterhin mit 22,8% (M=I,51 , SD=1,8). Bei 13,8% (M=0,91, SD=I ,4) der Aufgaben wird die Strategie Mischfarm genutzt. Schrittweise nimmt nun 10,1 % ein (M=0,67, SD=1,2).
Am Schuljahresende ist Stellenweise auch noch Hauptstrategie, obwohl eine leiehte Abnahme auf 20,9% (M=1,45, SD=I,6) stattgefunden hat. Der Anteil von Misch/arm mit 18,9% (M=1,31, SO=1,7) und Schrittweise mit 16,5% (M=1,14, SO=I,4) ist weiter signifikant angestiegen.
Beim Einsatz der Rechenstrategien bei den ZEZE Aufgaben wird folgende Tendenz deutlieh: Daminanz und Abnahme von Stellenweise - Zunahme von Schrittweise und Mischfarm. Da am Schuljahresende die ZEZE Aufgaben im Unterricht behandelt worden waren und in den meisten Schulbiichem und Unterriehtsstunden Schrittweise favorisiert5,
in anderen zumindest ausfuhrlich behandelt wurde, verwundert die Zunahme nieht. Bei den korrekten Reehenstrategien zeigt sieh am Anfang und in der Mitte des Schul
jahres keine unterschiedliche Tendenz im Vergleich zu. den Reehenstrategien allgemein.
Aussagen bei den Fragebogen der Lehrerinnen
Rechenstrategien 61
Stellenweise dominiert, Mischfarm wurde etwas haufiger eingesetzt als Schrittweise. Am Schuljahresende ist Stellenweise ebenfalls wie bei samtlichen Rechenstrategien Hauptstrategie. Zweithiiufigste Strategie bei den korrekten Rechenstrategien ist jedoch Schrittweise. Mischfarm wurde weniger hiiufig korrekt verwendet.
Festgehalten werden kann also, dass trotz unterschiedlicher Entwicklung des Rechenstrategieeinsatzes bei den einzelnen Rechenstrategien zu jedem Untersuchungszeitpunkt von den Kindem alle Rechenstrategien verwendet wurden.
Manche Kinder setzten sogar innerhalb einer Aufgabe mehrere Rechenstrategien ein, wie am Schuljahresanfang an der Bearbeitung von Claudia bei der Aufgabe: "Wie v~el ist 46+29?" zu sehen ist. Claudia setzte sowohl Rechen- als auch Zahlstrategien ein, variierte immer wieder ihre Strategie und reflektierte kritisch ihre L6sung. Weiterhin ist bei ihren L6sungsversuchen sehr deutlich zu sehen, dass gerade am Schuljahresanfang der Zahlenraum und die Zahlwortr~ihe bis lOO, die noch nicht erweitert waren, fur die Kinder eine Hiirde darstellen. Claudia begann mit der Strategie Stellenweise zu rechnen, indem sie versuchte, zuerst die Summe der Zehner und dann die Summe der Einer zu berechnen. Die Summe der Einer konnte sie korrekt bestimmen, beim Addieren der Zwischenergebnisse 60 und 15 harte sie jedoch Probleme.
4 C: Nee, diesmal hab ich's so gemacht, dass die Zahl und die zusammengerechnet hab, (zeigt auf die Zehnerstellen), das war dann sechsund ... 60, und dann die und die zusammen, (zeigt auf die Einerstellen), und dann das, was das ergibt, zu den 60 dazugezahlt.
Sie wechselte dann zur Strategie Mischfarm, indem sie erst zur 29 die 40 dazuzahlte und dann die 9 addieren wollte, dabei untemahm sie mehrere Zahlversuche.
19 C: Angefangen hab ich hier (zeigt mit zwei Fingern auf die Ziffern der 29), und dann hab ich die 40 dazugezahlt, (zeigt aUf die 4) und zu den 40 nochmal die 6.
AnschlieBend wechselte sie die Rechenrichtung und addierte zur 46 zuerst die 20, erhielt als Ergebnis 66, addierte dann 9 dazu und gelangte aufgrund eines fehlerhaften Zehneriibergangs zu einem unkorrekten Ergebnis. Dabei kann beobachtet werden, dass Claudia zu den wenigen Kindem geh6rt, die ihr Ergebnis reflektierten.
31 C: 66, 67, 68, 69, 50, 51, 52, 53, 54, 55 kommt bei mir raus. (Bewegt die Finger dazu.) 32 I: Jetzt habe ich es perfekt verstanden. Wunderst du dich oder? 33 C: Nee, aber ich hatte jetzt was ganz anderes gedacht, das was anderes rauskommt. 34 I: Ja, was hast du gedacht? 35 C: Weil ich mein das sind 60 (zeigt auf die 4 und die 2), und dann kann nicht 55 rauskommen,
weil55 ist ja weniger als 60.
4.3 Unterschiedlicher Einsatz bei Additions- und Subtraktionsaufgaben
Wahrend des ganzen Schuljahres werden die Rechenstrategien bei Additions- und Subtraktionsaufgaben der ZEZE Aufgaben unterschiedlich angewendet.
62 Christiane Benz
So dominiert bei den Additionsaufgaben immer Stellenweise. Ein signifikanter Zuwachs fUhrt dazu, dass in der Schuljahresmitte Stellenweise fast doppelt so haufig eingesetzt wurde wie Mischform. Bis zum Schuljahresende nimmt Stellenweise etwas ab, wahrend Schrittweise und vor aHem Mischform signifikant zunehmen. Trotzdem bleibt Stellenweise Hauptstrategie.
Rechenstrategien bei ZEZE Additions' lind SlIbtraktionsallfgaben
35% ,....-------~ 30%
Korrekte Rechenstrategien bei ZEZE Additions- lind Subtraktionsaufgaben
35% r--------..., 30%
25% &hriu..wc.isc 25% C Schrittwcisc
20%
15%
10%
5%
0% ...... .CI...L ............ J-..IJ ............. u...w-.....u
Int.. Int. Int. Int. Int. In t. 1+ 1- 2+ 2- 3+ 3·
20%
15%
10%
5% 0% ~~~uu~~~~=
Int. Int. Int. Int. Int. Int. 1+ 1- 2 + 2' 3+ 3'
Abb.3: Rechenstrategien bei den ZEZE Additions- und Subtraktionsaufgaben
Bei den Subtraktionsaufgaben ist Schrittweise wahrend des ganzen Schuljahres Hauptstrategie. In der Schuljahresmitte kann bei Schrittweise und Mischform ein signifikanter Zuwachs verzeichnet werden. Am Schuljahresende nimmt nur Schrittweise signifikant zu, wahrend Stellenweise etwas zurUck geht und Mischform fast konstant bleibt. Die Textaufgabe - ,,69 Kekse habe ich schon, 71 will ich haben, wie viel muss ich noch backen?" - die das schrittweise Erganzen als Strategie nahe legt, kann mit eine Ursache sein, dass bei den Subtraktionsaufgaben Schrittweise Hauptstrategie wird. Signifikante Unterschiede bestehen zwischen den ZEZE Additions- und Subtraktionsaufgaben bei folgenden Rechenstrategien:
• Bei der Rechenstrategie Stellenweise und Mischform bei allen drei Interviews; • Bei der Rechenstrategie Schrittweise in der Mitte und am Ende des Schuljahres.
Bei der isolierten Betrachtung der korrekten Rechenstrategien bestatigen sich die meisten Tendenzen, obwohl bei allen drei Interviews Mischform einen geringeren Anteil im Vergleich zu den allgemeinen Rechenstrategien hat. Zu Beginn des Schuljahres wurde Ableiten bei den korrekten Rechenstrategien hiiufiger verwendet als Mischform und in der Schuljahresmitte ist der Einsatz von Ableiten fast genauso haufig wie Mischform.
Auch bei den Umkehraufgaben Z68-25 und Z25+43 bestatigt sich die Tendenz, die bei der Betrachtung aller ZEZE Aufgaben aufgetreten ist: Kinder nutzten bei der Additionsaufgabe hiiufiger Stellenweise und bei der Subtraktionsaufgabe eher Schrittweise, wobei der Unterschied im Lauf des Schuljahres deutlicher wird. In der Mitte und am Ende des Schuljahres sind die Unterschiede beim Einsatz der Strategie Stellenweise und Schrittweise signifikant.
Rechenstrategien 63
Interview 1 Interview 2 Interview 3
Schritt- Stellen- ~isch- iAblei- Schritt- Stellen- ~isch-iAblei Schritt- Stellen- ~isch-iAblei
Iweise Iweise ann en Iweise Iweise ifonn . en Iweise Iweise ann en
Z25+43 4,2% 20,0% 12,6% 2,1% 3,1% 45,8% 14,6% 1,0% 12,1% 47,5% 17,2% -
Z68-25 8,9% 17,8% 5,6% 1,1% 13,1% 25,3% 14,1% - 24,0% 24,0% 14,0% -
Tab. 6: Rechenstrategien bei Umkehraufgaben
Zu allen drei Untersuchungszeitpunkten auBerte sich nur ein Kind zur Beziehung zwischen den Umkehraufgaben.
I:
2 K: 3 I: 4 K: 5 I: 6 K:
Auf einem Backblech liegen 80 Kekse. Ich esse 33 Kekse auf. Wie viele liegen dann noch auf dem Backblech? 47. Das ging ja auch schnell, wie hast du das so schnell rausgekriegt? (Zeigt auf seine Notizen von der Aufgabe T33+47.) Von der Aufgabe da oben? Ja, 80-33 ist gleich 47.
Stellenweise als Hauptstrategie bei den ZEZE Additionsaufgaben entspricht den Ergebnissen von Missaoui (1999). Bei Thompson & Smith (1999) wurden ebenfalls Mischform und Stellenweise bei den Additionsaufgaben als Hauptstrategien eingesetzt, wobei Mischfarm Hauptstrategie war. Schrittweise als Hauptstrategie bei den ZEZE Subtraktionsaufgaben wurde auch von Thompson & Smith (1999) festgestellt. Der unterschiedliche Einsatz bei Additions- und Subtraktionsaufgaben entspricht den Ergebnissen von Thompson & Smith (1999) und Lieshout (1997).
4.4 Unterschiede bei Aufgaben mit und ohne Zehneriibergang
Rechenstrategien bei ZEZE Additionsaufgaben mit und ohne Zchnerubcrgang
5~~--------------------------~
30%
lin. 10 hH. I 0 InL. 20 InL 2 0 InL 30 Int" 8 0
0= ohne Ubergang, U= mit Ubergang
IJ Schl'ittwcise
• Stelle]] wcise
cMiliChfnnn
o Ablcitcn
Abb. 4: Rechenstrategien bei ZEZE Additionsaufgaben mit und ohne Ubergang
Die Abbildung zeigt, dass sich der Einsatz der Rechenstrategien Stellenweise und Mischform beim Addieren mit und ohne ZehneIiibergang unterscheidet. Die Kinder nutzten bei Aufgaben ohne ZehneIiibergang wahrend des gesamten Schuljahres signifikant hiiufiger
64 Christiane Benz
Stellenweise als bei Aufgaben mit Zehneriibergang. Stellenweise ist wahrend des gesamten Schuljahres bei den Additionsaufgaben ohne Zehneriibergang Hauptstrategie, wahrend bei den Aufgaben mit Zehneriibergang immer Misch/arm dominiert. Dieser unterschiedliche Einsatz konnte ein Anzeichen dafiir sein, dass Kinder bereits bei der Aufgabenstellung - vielleicht in Form eines Zahlenblicks (Schiitte 2004) oder Zahlensinns (Lorenz 1998) - "sehen", ob ein Zehneriibergang anHillt und dies ihre Strategieauswahl beeinflusst. Wenn sie die Notwendigkeit eines Zehneriibergangs bemerkten, nutzten sie eher die Strategie Misch/arm als Stellenweise, da ihr Gedachtnis ansonsten bei der komplizierteren Teilrechnung mit den Einem doppelt belastet gewesen ware.
Signifikante Unterschiede bestehen zwischen den ZEZE Additionsaufgaben mit und ohne Zehneriibergang bei der Rechenstrategie Stellenweise in allen drei Interviews.
Auch bei den Subtraktionsaufgaben wird, wie erwartet, eine unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Rechenstrategien deutlich. So zeigt sich vor allem beim Einsatz der Strategien Stellenweise eine unterschiedliche Entwicklung. Stellenweise nimmt bei den Aufgaben mit Zehneriibergang ab und bei der Aufgabe ohne Zehneriibergang zuerst signifikant zu und dann leicht abo Schrittweise hat bei beiden Aufgabentypen einen Zuwachs. Bei der Aufgabe ohne Zehneriibergang ist Stellenweise immer Hauptstrategie, allerdings wird am Schuljahresende Stellenweise und Schrittweise gleich haufig eingesetzt. Bei den Aufgaben mit Zehneriibergang wurde Schrittweise wahrend des ganzen Schuljahres am haufigsten benutzt. Schrittweise wird am Schuljahresanfang bei den Aufgaben mit Zehneriibergang kaum und in der Schuljahresmitte signifikant haufiger verwendet. Der signifikant unterschiedliche Einsatz der Strategie Stellenweise zeigt, dass die Kinder ein gewisses aufgabenadaquates Verhalten haben.
Rechenstrategien bei ZEZE ubtraktionsaufgaben mit und ohne Zehnerubel·gang
3~ ~--------------------------~ 25'-
2~
15%
10%
o = ohne Obergang, 0 = mit Obergang
c Schritty,'eisc
• Stcllenwcisc
o Mischform
o Ablcitcn
Abb. 5: Rechenstrategien bei ZEZE Subtraktionsaufgaben mit und ohne Zehneriibergang
Signifikante Unterschiede zwischen den ZEZE Subtraktionsaufgaben mit und ohne Zehneriibergang lassen sich bei folgenden Rechenstrategien feststellen:
• Bei der Rechenstrategie Stellenweise bei allen drei Interviews; • Bei der Rechenstrategie Schrittweise in der Mitte und am Ende des Schuljahres; • Bei der Rechenstrategie Ableiten in der Mitte und am Ende des Schuljahres.
Rechenstrategien 65
4.5 Seltener Einsatz von schrittweisem Subtrahieren am Schuljahresanfang bei den ZEZE Subtraktionsaufgaben
Rechenstl'ategien bei ZEZE Subtraktion aufgaben mit Unterscheidung bei schl'it tweisen Strategien
2~'~ .................................................. ~
15~ Sch ri I twcisc
l~
In t . I Int. 2 Int. 3
Abb. 6: Rechenstrategien bei Subtraktiansaufgaben mit Unterscheidung schrittweiser Strategien
Wei I die Semantik der Textaufgabe T71-69 Erganzen nahe legt, wird hier nochmals nach der Rechenrichtung differenziert. Wahrend Schrittweise allgemein von Anfang an die Hauptstrategie darstellt, ist dies fur das schrittweise Subtrahieren an sich erst gegen Ende des Schuljahres der Fall.
4.6 Wechselnde Bevorzugung der Strategien
Bei der Analyse nach "bevorzugter Rechenstrategie" wurden Kinder berucksichtigt, die bei mindestens drei der ZEZE Aufgaben die gleiche Strategie verwendeten und andere Strategien nur vereinzelt nutiten6
. Es gibt bis auf die Aufgaben T/Z 71-69 keine ZEZE Aufgabe, bei der sich aus Sicht geubter Rechner im Sinne flexibler Rechenstrategien bestimmte Strategien eher anbieten als andere. Die Aufgaben T/Z 71-69 stellen in gewissem Sinne eine Ausnahme dar, da sich Stellenweise nicht anbietet. Aus Sicht der Kinder ist 1-9 nicht lOsbar und in keiner Klasse wurde Stellenweise bei Subtraktionsaufgaben mit Zehnerubergang erarbeitet. Auch im Hinblick auf den flexiblen Einsatz von Rechenstrategien ist diese Aufgabe eine Ausnahme, da bei T/Z 71-69 aus Sicht geubter Rechner das Erganzen oder Bestimmen des Unterschieds als elegante Strategie geeignet ist.
Stellenweise ist die Strategie, die wahrend des gesamten Schuljahres am haufigsten bevorzugt wurde, obwohl den Kindem schrittweises Rechnen von den Aufgaben mit Zehnerubergang aus Klasse 1 bekannt war und stellenweises Rechnen noch nicht thematisiert wurde. Mischfarm wurde am Schuljahresende genauso haufig wie Stellenweise vorwiegend eingesetzt. Schrittweise nimmt zu, wurde jedoch am Schuljahresende nur halb so oft als favorisierte Strategie verwendet.
6 Aus diesem Grund wird am Schuljahresanfang ein Kind doppeJt aufgefiihrt, weil es drei Aufgaben stellenweise und drei Aufgaben schrittweise loste. In der Mitte und am Ende des Schuljahres rechnete ein Kind drei Aufgaben mit Schrittweise und Mischfarm, ebenso setzten am Schuljahresende drei Kinder bei drei Aufgaben Stellen- und Schrittweise ein.
66 Christiane Benz
Stellenweise Schrittweise Mischform Versch.
Anzahl der Aufgaben 3 4 5 6 3 4 5 6 3 4 5 6 3-6
Anzahl der Kinder 7 7 2 2 1 3 1 2 10
Interview 1
Anzahl der Kinder 8 13 5 2 3 1 0 2 5 3 2 2 16
Interview 2
Anzahl der Kinder 10 11 4 - 6 3 0 4 11 8 3 3 9
Interview 3
Tab. 7: Bevorzugte Rechenstrategien in der Schuljahresmitte
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei wenigen Kindem tiber das ganze Schuljahr hinweg ein konstantes L6sungsverhalten - im Sinne der Bevorzugung einer Strategie - festgestellt werden kann. Am hiiutigsten kann dies bei der Strategie Stellenweise bei neun Kindem konstatiert werden. Innerhalb einer Untersuchung sind allerdings die Kinder, die eine Rechenstrategie vorwiegend einsetzten, ab der Schuljahresmitte hiiutiger vertreten als die Kinder, die zu einem Untersuchungszeitpunkt verschiedene Rechenstrategien benutzten. Die Kinder, die am Schuljahresende hauptsiichlich Misch/arm verwendeten, ziihlten bei den beiden vorherigen Interviews hauptsiichlich.
Insofem k6nnen die Ergebnisse von Beishuizen (2001) nur teilweise bestiitigt werden. Misclifarm ist am Schuljahresende zwar die bevorzugte Strategie, die am hiiutigsten eingesetzt wurde. Allerdings kann bei keinem Kind ein Entwicklungsverlauf von Stellenweise tiber Misch/arm zu Schrittweise festgestellt werden. Eine Zunahme von Stellenweise, wie sie von Cooper et al. (1996) konstatiert wurde, kann vor allem im ersten Halbjahr beobachtet werden. Die Tendenz des wechselnden Strategieeinsatzes von Carpenter & Moser (1984), Cooper (1996b), de Corte & Verschaffel (1987) kann auch in dieser Untersuchung beobachtet werden. Auch zeigt sich trotz der Tendenz des recht konstanten Strategieeinsatzes wiihrend eines Interviews, dass Kinder bei gleichen Aufgaben verschiedene Strategien einsetzten (vgl. Cooper et al. 1996), vor allem bei der Zwillingsaufgaben T/Z46+29. Auch in der vorliegenden Untersuchung kann der Strategiewechsel bei einzelnen Kindem oft nicht begrundet werden (vgl. Cooper et al. 1996). Bei der Betrachtung der verschiedenen Aufgabengruppen wird allerdings deutlich, dass Operation und Bauart (der Zehnerubergang bei den ZEZE Subtraktionsaufgaben) die Strategieauswahl beeinflussen.
4.7 Unterschiedliche Erfolgsquoten bei den einzelnen Rechenstrategien
Urn die Effektivitiit der Rechenstrategien bei den ZEZE Aufgaben zu betrachten, wird der Anteil der korrekten Resultate bei den eingesetzten Rechenstrategien dargestellt. Da Ableiten sehr selten eingesetzt wurde, werden nur die Erfolgsquoten der drei Hauptrechenstrategien miteinander verglichen.
Rechenstrategien 67
"0% 18%
16%
1m
12%
10%
8%
6%
.%
2%
0%
Korrekte und unkorrekte Rechenstrategien bei ZEZE AlIfgAben
l:tSc:hriuwclse
• SchriUwcise unkorrekt
o Stc.llcnwcisc
• Slcllcnwciso un.korreJct Cl Misehform
• Misehform ~mkotrckt
Int. I Inl.2 Int.:1
Erfolgsquoten der Rechenstrategien bei
den ZEZE Auf aben
Int. 1 Int. 2 Int. 3
Schrittweise 52,9% 78,2% 87,8%
Stellenweise 74,1% 77,0% 84,2%
Mischform 48,9% 67,9% 61,9%
Abb. 7: Korrekte und.unkorrekte Rechenstrategien bei ZEZE Aufgaben
Am Schuljahresanfang ist Stellenweise die erfolgreichste Strategie. 74,1 % der Aufgaben, die mit Stellenweise gerechnet wurden, hatten ein korrektes Ergebnis. Schrittweise wurde am Schuljahresanfang nicht so effektiv angewendet wie Stellenweise. Die Erfolgsquoten beider Strategien nehmen im Laufe des Schuljahres zu. In der Schuljahresmitte und am Schuljahresende ist Schrittweise dann geringfUgig erfolgreicher als Stellenweise.
Da die Kinder bei der Wahl der Rechenstrategie zwischen Additions- und Subtraktionsaufgaben unterschieden, werden die Erfolgsquoten der einzelnen Strategien noch gesondert fUr Additions- und Subtraktionsaufgaben betrachtet.
Additionsaufgaben Subtraktionsauu aben
Int. 1 Int. 2 Int. 3 Int.l lnt. 2 lnt. 3
Schrittweise 34,0% 78,4% 92,5% 64,3% 77,5% 84,7%
Stellenweise 77,8% 79,8% 87,3% 65,6% 66,7% 70,3%
Mischform 59,0% 87,2% 68,2% 17,0% 24,7% 43,9%
Tab. 8: Erfolgsquoten der Rechenstrategien bei den Additions- und Subtraktionsaufgaben
Wie zu erwarten war, zeigen sich bei den verschiedenen Aufgabengruppen auch unterschiedliche Erfolgsquoten bei den einzelnen Rechenstrategien. Am Schuljahresanfang wurde Schrittweise bei den Additionsaufgaben mit einer sehr geringen Erfolgsquote eingesetzt, wlihrend bei den Subtraktionsaufgaben Schrittweise fast genauso erfolgreich ist wie Stellenweise. In der Schuljahresmitte sind bei den Additionsaufgaben beide Strategien gleich effektiv, wlihrend bei den Subtraktionsaufgaben Schrittweise erfolgreicher ist. Am Schuljahresende ist dann Schrittweise bei beiden Aufgabengruppen die erfolgreichste Strategie. Die Erfolgsquote von Mischform ist bei allen drei Untersuchungen bei den Additionsaufgaben deutlich hOher als bei den Subtraktionsaufgaben. Bei den Subtraktionsaufgaben fUhrte der Einsatz von Mischform nur zu einer sehr geringen Anzahl an korrekten Resultaten. So kann die allgemeine Tendenz (Beishuizen 1993, Beishuizen & Foxman 2002, Heirdsfield 2002, 2002a, Thompson & Smith 1999) der groBeren Effektiyitlit von schrittweisen Strategien lediglich ab der Schuljahresmitte bei allen ZEZE Aufgaben und besonders bei den Subtraktionsaufgaben festgestellt werden (vgl. auch Lieshout 1997).
68 Christiane Benz
Diese Tendenz verdeutlicht auch die Betrachtung der Operationsfehler beim Einsatz der verschiedenen Rechenstrategien. Unter Operationsfehler wurden Fehler bezeichnet, die aufgrund falscher Rechenoperation, Vergessen einer Teiloperationen oder Verwendung einer falschen Teiloperation zustande kamen.
4.8 Hochster Anteil an Operationsfehlern bei Mischform bei allen ZEZE Aufgaben
Eingesetzte Strategie Schrittweise Stellenweise Mischform Ableiten
Interview 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
Anzahl von Aufgaben, die ge- 40 67 114 82 151 145 52 91 131 10 7 12
lost wurden
Summe der Fehler 14 6 10 20 34 18 27 29 37 4 1 1
Summe Operationsfehler 4 2 7 8 9 8 19 20 22 2 1 0
Anteil der Operationsfehler 10,0 3,0 6,1 9,8 6,0 5,5 36,5 22,0 16,8 20,0 14,3 0,0
in %
Tab. 9: Operationsfehler bei allen ZEZE Aufgaben
Am Schuljahresanfang ist der Anteil der Operationsfehler bei den Strategien Schrittweise (10,0%) und Stellenweise (9,8%) fast gleich groB. Die Strategie Mischfarm weist den hochsten Anteil (36,5%) an Operationsfehlem auf, die hauptsachlich bei den Fehlermustem Vergessen einer Teilaperation und Verwendung einer falschen Teiloperation auftreten.
In der Schuljahresmitte ist bei der Strategie Stellenweise der Anteil der Operationsfehler mit 6% hoher als bei der Strategie Schrittweise mit 3%, wobei bei der Strategie Mischform wieder der groBte Anteil an Operationsfehler mit 22% zu finden ist.
Am Schuljahresende treten keine bedeutenden Unterschiede zwischen Stellenweise (6,1%) und Schrittweise (5,5%) auf. Die Strategie Mischform (16,8%) weist wieder bedeutend mehr Operationsfehler auf, die hauptsachlich bei den Fehlermustem Vergessen einer Teiloperation und Verwendung einer falschen Teiloperation vorkommen. Der Anteil der Operationsfehler nimmt bei allen Strategien bis zum Ende des Schuljahres abo Betrachtet man aile Untersuchungen zusammen und berlicksichtigt die Haufigkeit des Einsatzes wird bei allen drei Untersuchungen bei der Strategie Mischform der groBte Anteil an Operationsfehlem sichtbar.
4.9 Geringster Anteil Operationsfehler bei Schrittweise bei Subtraktionsaufgaben
Da Stellenweise vor allem bei den Subtraktionsaufgaben mit Zehnerunterschreitung zu Fehlem fiihren kann, werden hier die ZEZE Subtraktionsaufgaben gesondert betrachtet.
Bei den Subtraktionsaufgaben ist Schrittweise ganz deutlich die Strategie mit dem geringsten Anteil an Operationsfehlem bei allen drei Untersuchungen. Stellenweise hat bei allen drei Untersuchungen einen bedeutend hOheren Anteil an Operationsfehlem und
Rechenstrategien 69
Mischfarm weist bei allen drei Untersuchungen den hOchsten Antei1 auf. Bei der differenzierten Betrachtung der ZEZE Subtraktionsaufgaben wird die Tendenz der unterschied1ichen Effektivitat von Stellenweise und Schrittweise bestatigt (vgl. Beishuizen 1993, Beishuizen & Foxman 2002, Heirdsfie1d 2002, 2002a, Thompson & Smith 1999, Lieshout 1997, Cooper et al. 1996). Bei Schrittweise ist der Antei1 der Operationsfeh1er deutlich geringer als bei Stellenweise. Interessanterweise ist jedoch nicht Stellenweise die feh1eranfalligste Strategie bei den Subtraktionsaufgaben, sondem Misch/arm. Mischform ist wahrend des gesamten Schu1jahres die Rechenstrategie mit der niedrigsten Erfo1gsquote.
EiDl!esetzte Stratel!ie Schrittweise SteJlenweise Mischform Ableiten
Interview I 2 3 I 2 3 I 2 3 I 2 3
Anzahl von Aufgahen, 27 48 72 25 33 27 12 29 34 6 6 5
die geliist wurden
Summe der Fehler 8 6 7 10 10 II 10 21 18 0 0 2
Summe Operationsfeh- 2 2 4 7 6 3 9 18 15 0 0 I
ler
Antell der Operations- 7,4 4,2 5,6 28,0 18,2 11,1 75,0 62,1 44,1 0,0 0,0 20,0
fehler in %
Tab. 10: Operationsfehler bei den ZEZE Subtraktionsaufgaben
5 Ausblick
Zum Absch1uss werden die wichtigsten Forschungsergebnisse nochma1s kurz vorgestellt. Dabei wird sowohl auf mogliche Imp1ikationen fUr die Unterrichtsgesta1tung a1s auch auf offene Fragen eingegangen.
5.1 Konsequenzen ffir die Unterrichtspraxis
Bei den ZEZE Aufgaben wurden bei jedem Interview aile Strategien eingesetzt. Dieses Ergebnis bestatigt die These von Wittmann (1990, 2003), dass aIle Strategien in den Kopfen der Kinder vorhanden sind. Desha1b muss bedacht werden: Auch wenn man sich dafUr entscheidet eine Strategie zu favorisieren, sollte man keine Rechenstrategie ausk1ammem, sondem im Unterricht auf aIle Strategien eingehen, da die Kinder aIle Rechenstrategien nutzen. Bei Additions- und Subtraktionsaufgaben der ZEZE Aufgaben wurden die Rechenstrategien unterschiedlich eingesetzt. Die Operation beeinflusste also die Strategieauswah1 der Kinder ebenso wie ein anfallender Zehneriibergang. Die unterschied1iche Strategieauswah1 kann man auch a1s flexib1en Strategieeinsatz aufgrund eines Zah1enblicks oder Zah1ensinns beschreiben.
Die Erfo1gsquoten der verschiedenen Rechenstrategien weisen ebenfalls darauf hin, dass man keine Strategie im Unterricht ausk1ammem sollte, sondem die Schwierigkeiten, die sich bei den einze1nen Strategien ergeben, in den Unterricht integrieren sollte. Man kann jedoch verschiedene Konsequenzen aus diesen Schwierigkeiten ziehen: Ent-
70 Christiane Benz
weder die Vorgehensweise bei allen Strategien genauer erarbeiten oder aus diesem Grund eine Strategie favorisieren.
Der hohe Anteil der Operationsfehler bei allen ZEZE Aufgaben bei Miscliform zu allen drei Untersuehungszeitpunkten zeigt die Notwendigkeit, gerade die Strategie Mischform zu thematisieren, da bei den Subtraktionsaufgaben die Teiloperationen sowohl aus Additions- als aueh aus Subtraktionsaufgaben bestehen, wie aueh bei der Anwendung von Stellenweise. Die Forderung alle Reehenstrategien und gerade aueh Stellenweise und Misehform zu thematisieren darf jedoeh nieht so verstanden werden, dass alle Kinder alle Strategien anwenden k6nnen und mussen.
5.2 Weiterer Forschungsbedarf
Am Ende dieser Untersuehung bleiben einige Fragen offen. So wurde in der vorliegenden Untersuehung die Beeinflussung der Vorgehensweisen dureh den Unterrieht nieht erhoben. Eine Fragestellung, die zu untersuehen sein wird, ist der Einfluss der Unterriehtsgestaltung auf die Entwieklung der Reehenstrategien der Kinder. Ebenso stellt der Aspekt des flexiblen, aufgabenadaquaten Reehenstrategieeinsatzes weiterhin Forsehungsbedarf dar. In der vorliegenden Untersuehung waren die Aufgaben nieht so konstruiert, dass sieh aus Sieht geubter Reehner bestimmte Reehenstrategien anbieten (mit Ausnahme von 71-69).
Die offenen Fragen und die vorhin dargestellten Implikationen fur die Unterriehtsgestaltung k6nnen nun in daran ansehlieBenden Unterriehtsexperimenten, die als design experiments (vgl. Wittmann 1995) oder als developmental experiments (Gravemeijer 1996) angelegt sind, naher erforseht werden. So k6nnen Auswirkungen von verseniedenen didaktisehen Positionen beziiglieh der Behandlung der Reehenstrategien untersueht werden. Hier bietet es sieh an, ahnlieh wie bei Klein (1988) und Versehaffel et aI. (2000), versehiedene Unterriehtskonzeptionen in versehiedenen Klassen durehzufuhren und deren Auswirkungen naher zu untersuehen.
6 Literatur
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Rechenstrateg ien 71
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Adresse der Autorin
Dr. Christiane Benz PH Heidelberg Fach Mathematik 1m Neuenheimer Feld 561 69120 Heidelberg
Manuskripteingang: 10. Februar 2006 Typoskripteingang: 15. Mai 2006