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Malte Brinkmann Die geheime Anthropologie des Michel Foucault Bildungstheoretische Überlegungen zum anthropologischen Zirkel in Foucaults Literaturtheorie, Archäologie und Genealogie 1 Foucault stellt am Ende der Histoire de la folie in Bezug auf den schwankenden Bo- den der Humanwissenschaften als Wissenschaften des Menschen von sich selbst eine unerbittliche „Dialektik des modernen Menschen bei der Auseinandersetzung mit seiner Wahrheit“ fest. Diese Dialektik bestehe darin, dass „sie nie ausschöpft, was sie auf der Ebene der wirklichen/wahren Kenntnisse (connaissances vraies) ist.“ 2 In die- ser knappen Aussage wird nicht nur eine vielleicht allzu begründete Skepsis gegen- über den Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Objektivierung des Menschen an- gemeldet (Ebene der Wissenschaftskritik). Foucault deutet hier zudem einen erkenntnistheoretischen Zirkel der Humanwissenschaften an, den er in Les mots et les choses das empirisch-transzendentale Doppel nennt, in dem die Humanwissen- schaften der Moderne den Ermöglichungsgrund ihrer Erkenntnis in den geschichtli- chen und empirischen Bedingungen des faktischen Existierens suchen müssen (also a posteriori das fundieren, was transzendental begründet werden soll) (Ebene der Erkenntniskritik). Zugleich und drittens kann diese Aussage zum „anthropologischen Zirkel“ in einer elementar-anthropologischen Perspektive gelesen werden als An- zeige eines fundamentalen Verweisungszusammenhangs von Selbstvergewisserung und Selbstbeschreibung einerseits und Selbstdurchstreichung und Selbstkritik ander- seits (Ebene der Anthropologie und Bildungstheorie). 1. Foucaults humanismuskritische, gegenanthropologische und gegenmetaphysische Untersuchungen stellen immer noch eine Herausforderung, wenn nicht Zumutung für eine Pädagogik auf der Suche nach einer zeitgemäßen Bildungstheorie dar. Insofern möchte ich mich Foucaults Denken in „Neueinsätzen“ (Waldenfels 1991, 278.) stel- len, ohne die Widersprüche zu synthetisieren und die Spannungen zu homogenisie- ren. Ich verstehe Foucaults Unternehmen als diskontinuierliche, immer wieder neu ansetzende Frage und Suche nach dem Menschen und nach dessen Stilisierungen. (1994a, 243) Ich möchte dabei erstens danach fragen, welche besonderen Dimen- 1 Dieser Spur bin ich auch in meiner Dissertation nachgegangen (Brinkmann 1999). Die folgenden Gedanken zur gouvernementalen Macht und zum Verhältnis Foucault - E. Fink gehen darüber hinaus. 2 Foucault 1973, 551; 1972, 549; vollständige Übersetzung des letzten Kapitels der Histoire de la folie: Foucault 2003. Brinkmann: Die geheime Anthropologie des Michel Foucault, in: Nach Foucualt, hg. v. L. Pongratz u.a., Opladen 2004. 1

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Malte Brinkmann

Die geheime Anthropologie des Michel Foucault Bildungstheoretische Überlegungen zum anthropologischen Zirkel in Foucaults

Literaturtheorie, Archäologie und Genealogie1

Foucault stellt am Ende der Histoire de la folie in Bezug auf den schwankenden Bo-

den der Humanwissenschaften als Wissenschaften des Menschen von sich selbst eine

unerbittliche „Dialektik des modernen Menschen bei der Auseinandersetzung mit

seiner Wahrheit“ fest. Diese Dialektik bestehe darin, dass „sie nie ausschöpft, was sie

auf der Ebene der wirklichen/wahren Kenntnisse (connaissances vraies) ist.“2 In die-

ser knappen Aussage wird nicht nur eine vielleicht allzu begründete Skepsis gegen-

über den Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Objektivierung des Menschen an-

gemeldet (Ebene der Wissenschaftskritik). Foucault deutet hier zudem einen

erkenntnistheoretischen Zirkel der Humanwissenschaften an, den er in Les mots et

les choses das empirisch-transzendentale Doppel nennt, in dem die Humanwissen-

schaften der Moderne den Ermöglichungsgrund ihrer Erkenntnis in den geschichtli-

chen und empirischen Bedingungen des faktischen Existierens suchen müssen (also a

posteriori das fundieren, was transzendental begründet werden soll) (Ebene der

Erkenntniskritik). Zugleich und drittens kann diese Aussage zum „anthropologischen

Zirkel“ in einer elementar-anthropologischen Perspektive gelesen werden als An-

zeige eines fundamentalen Verweisungszusammenhangs von Selbstvergewisserung

und Selbstbeschreibung einerseits und Selbstdurchstreichung und Selbstkritik ander-

seits (Ebene der Anthropologie und Bildungstheorie).

1. Foucaults humanismuskritische, gegenanthropologische und gegenmetaphysische

Untersuchungen stellen immer noch eine Herausforderung, wenn nicht Zumutung für

eine Pädagogik auf der Suche nach einer zeitgemäßen Bildungstheorie dar. Insofern

möchte ich mich Foucaults Denken in „Neueinsätzen“ (Waldenfels 1991, 278.) stel-

len, ohne die Widersprüche zu synthetisieren und die Spannungen zu homogenisie-

ren. Ich verstehe Foucaults Unternehmen als diskontinuierliche, immer wieder neu

ansetzende Frage und Suche nach dem Menschen und nach dessen Stilisierungen.

(1994a, 243) Ich möchte dabei erstens danach fragen, welche besonderen Dimen-

1 Dieser Spur bin ich auch in meiner Dissertation nachgegangen (Brinkmann 1999). Die folgenden Gedanken zur gouvernementalen Macht und zum Verhältnis Foucault - E. Fink gehen darüber hinaus. 2 Foucault 1973, 551; 1972, 549; vollständige Übersetzung des letzten Kapitels der Histoire de la folie: Foucault 2003.

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sionen von Individualität und Subjektivität in den verschiedenen Anläufen jeweils

analysiert und dekonstruiert werden. Aufgrund der Materialität und Spezifizität der

einzelnen Untersuchungen, die immer eine auf das jeweilige Gebiet und Problem

zugeschnittene Sprache und Methodologie aufweisen, werde ich versuchen, diese

zunächst in einem kurzen Überblick rekonstruierend vorzustellen. In einer Perspek-

tive auf die anthropologische Modellbildung will ich dann das jeweilige Modell von

Subjektivität, das im Mittelpunkt der kritischen Analyse Foucaults steht, herausar-

beiten.

2. Meine zweite Frage lautet: Welche erkenntnisleitenden Modelle benutzt Foucault

dabei, beziehungsweise welche setzt er voraus? Es geht mir dabei darum, eine be-

kannte Rezeptionshaltung in Bezug auf Foucault umzukehren und sich nicht aus dem

berühmten Werkzeugkasten des archäologischen oder genealogischen methodischen

Repertoires zu bedienen. Vielmehr sollen die methodischen und modellhaften Vor-

aussetzungen dekonstruktiv aufgedeckt werden. Das Ziel dieses Vorgehens erschöpft

sich allerdings nicht im textimmanenten Modellkosmos foucaldischen Denkens, son-

dern führt auf die Spur einer geheimen Anthropologie, die den gegenanthropo-

logischen Duktus unterläuft. Foucault - so meine These - kommt nicht darum herum,

eine verschwiegene Anthropologie zu praktizieren und das vorauszusetzen, was er

eigentlich kritisch verabschiedet. Diese Figur, mit und gegen Foucault als anthropo-

logischer Zirkel bezeichnet, begegnet in allen Werken Foucault – explizit oder impli-

zit.

3. Wie lässt sich das Unternehmen Foucaults aus anthropologischer und modellkriti-

scher Perspektive produktiv lesen? – so lautet meine dritte Frage. Mit dem anthro-

pologischen Zirkel zeigt sich eine Figur, der nicht nur historische oder systematische

Dimensionen eignet, sondern die als eine sinnhaft sich verständigenden Praxis des

Menschen in der Welt zugleich elementar-anthropologische Dimensionen aufweist.

Aus dem Horizont der Strukturanthropologie Eugen Finks gesehen, eröffnet sich die

Möglichkeit, Foucaults selbst- und subjektkritisches Unternehmen in den verschie-

denen Anläufen als Experiment einer radikalen Selbstanfrage zu lesen, gleichwohl

ohne emphatische Zielverkündigungen und humanistische Omnipotenzgebärden,

aber als Beispiel eines hochdifferenzierten Denkens und Experimentierens, in dem

die Frage des Menschen nach sich selbst gerade in der Selbstdurchstreichung wieder

hervorgetrieben wird.

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Meine Ausführungen folgen in fünf Schritten den Untersuchungsgebieten Foucaults.

Ich gehe dabei auf die literaturtheoretischen, archäologischen und genealogischen

Schriften Foucaults ein und vernachlässige Foucaults Schriften zur Ethik.3 Die ab-

schließenden Überlegungen versuchen die bildungstheoretische Dimension des

anthropologischen Zirkels aufzuweisen.

1. Das Murmeln einer Sprache ohne Sprecher – oder die endliche Existenz in den

unendlichen Spiegeln der Sprache

Das Thema der Sprache durchzieht alle archäologischen Schriften Foucaults gleich-

sam als untergründige Kontinuität. In den literaturtheoretischen Essays entwickelt

Foucault das Konzept einer selbstreferenziellen, „murmelnden“ Literatur, deren Zei-

chen jenseits von Sinn und Bedeutung, von Souveränität und Identität flottieren: ein

„obstinates Gemurmel einer Sprache, die von allein spricht“ (1973, 12, 1973; 1994,

163). Mit dem Auftauchen des „rohen Seins der Sprache“ (1974, 76) im humanwis-

senschaftlichen Wissen der Moderne zeichnet sich eine neue, zukünftige epistemi-

sche Ordnung ab, in der die sprachlichen Zeichen nicht mehr auf Ursprüngliches re-

ferieren und sich nicht mehr “durch uns“ und „für uns“ konstituieren. (Nietzsche,

Freud, Marx, 1994, 564-579) Ich möchte im folgenden auf drei Aufsätze eingehen,

die Foucault in den 60er Jahren verfasst hat: Auf die Préface de la transgression, auf

La pensée du dehors und auf Le Langage à l´infini.

3 In den Schriften zur „Ästhetik der Existenz“ untersucht Foucault verschiedene Formen der Selbsttechnik. Die letzten beiden Bände der Histoire de la sexualité beschäftigen sich mit der klas-sisch-griechischen „Ästhetik der Existenz“ und römisch-hellenistischen „Sorge um sich“. In verstreu-ten Ausführungen bezieht sich Foucault auf die christlich-mittelalterlichen Ethik im Modus der „Geständnisse des Fleisches“. Das „Innen“ des Menschen, die subjektive Erfahrung und das subjek-tive Selbst gelten ihm nicht mehr als Faltung der sich in Strategien ent-faltenden Macht oder als der schizophrene Effekt der humanwissenschaftlichen Grundstruktur von Subjekt und Objekt. Das Indivi-duum, das Foucault hier vorstellt, ist sich in seinem (ethischen) Verhältnis vor allen gesellschaft-lichen, macht- und wissensmäßigen Diskurses selbst gegeben. (Vgl. Foucault 1986, 10) Ziel der aske-tischen und sorgenden Techniken ist es, Autonomie, Souveränität und Verantwortlichkeit des Subjekts zu fördern. Damit unterstellt Foucault, in aristotelischer Tradition stehend, eine Opposition von Wirk-lichkeit und Möglichkeit und kann so zu einem Konzept der Intentionalität von Handlungen gelangen, Handlungen, für die das um sich selbst sorgende Subjekt (vor sich selbst und vor anderen) verant-wortlich ist. Die Bildungsziele Autonomie, Souveränität und Verantwortlichkeit werden jedoch nicht eigens hinterfragt. (Aus kritischer Perspektive der Altertumswissenschaft vgl. Hadot 1991.) Es zeigt sich also eine subjektzentrierte Grundtendenz der Genealogie der ethischen Selbstkonstitution und Lebensführung, die zu einer im Vergleich zu Foucaults früheren Schriften eher eindimensionalen ´Renaissance´ humanistischer und existenzphilosophisch gefärbter Begriffe und Themen wie Sorge, Autonomie und Freiheit führt. Dieser bildungstheoretische Einwand schmälert vielleicht nicht das praktischen Ansinnen Foucaults, Modelle aufzuzeigen, die als praktische und existentielle Weisen der ethischen Selbstformung und Selbstbildung eine Alternative zu universalistischen Moralcodices und einen Widerstandspol innerhalb moderner Macht darstellen könnten, allerdings ohne die zirkuläre Struktur menschlicher Selbstsetzung und Selbstdurchstreichung zu bedenken. (Vgl. Brinkmann 2001)

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Nach Foucault führen insbesondere die symbolistischen und surrealistischen Schrift-

steller einen subversiven „Gegendiskurs“ (1974, 76) zur humanwissenschaftlichen

und anthropologischen Ordnung der Dinge. Die Sprache unterläuft die neuzeitliche

„Dialektik“ des philosophischen Diskurses (1987, 36-37, 42-43) ebenso wie sie das

identische und souveräne Subjekt zerstreut. In offener Anspielung auf Descartes sagt

Foucault: „(…) das ´ich spreche´ läuft dem ´ich denke´ zuwider. Dieses führt in der

Tat zur unzweifelhaften Gewissheit des Ich und seiner Existenz, jenes hingegen ver-

drängt und zerstreut diese Existenz, und lässt nur ihren leeren Ort erscheinen. Das

Denken des Denkens – eine ganze Tradition, die sich nicht auf die Philosophie be-

schränkt, hat es uns gelehrt – führt in die tiefste Innerlichkeit. Das Sprechen des

Sprechens führt uns in die Literatur, aber vielleicht auch auf anderen Wegen in jenes

Außen, in dem das sprechende Subjekt verschwindet.“ (1987, 48; franz. 1994, 520)

Mit dem Verschwinden des Subjekts in der selbstbezüglichen Sprache der Literatur

wird zugleich die logozentrische und egozentrische Tradition umgekehrt: Primat der

Sprache vor dem Denken, Primat der Fiktion vor der Reflexion, Primat des Unbe-

wussten vor dem Bewusstsein, Primat der Literatur vor der Philosophie. Die „ent-

dialektisierte“ (1987, 37), kreisende und zerstreuende Sprache überschreitet das Ge-

genwärtige, sie befreit von Identität und Totalität, von Anthropologie und Humanis-

mus. Sie öffnet dem nachmetaphysischen Denken und Sprechen der Moderne einen

„äußeren“ Raum der „ontologischen Leere“. (1987, 43)

Ich möchte hier nicht auf die literaturtheoretischen und ästhetischen Implikationen

dieses in den 60er Jahren formulierten und von Foucault im Sinne seiner dynami-

schen Neueinsätze selbst kritisierten und verworfenen Modells eingehen (Kögler

1994, S. 68-79), mich auch nicht über die gewollten Aporien auslassen, die diese

Sprache ohne Sprecher, ohne zurechenbares Autor-Subjekt, ohne Sinn, Bedeutung

und Information betreffen, sondern - wie angekündigt - auf deren modelltheoretische

und anthropologische Implikationen eingehen. Diese werde ich in drei Schritten re-

konstruieren:

1. Interessant ist in der Préface de la transgression die zentrale Rolle der existen-

tiellen Erfahrung, die in und mit der Überschreitung einhergeht. Mit dem Ausbruch

der selbstbezüglichen Literatur aus dem Einschluss des abendländischen Denkens

findet zugleich eine Befreiung statt, die einer „inneren und souveränen Erfahrung“

korrespondiert. (1987, 30) Damit verweist die literarische Überschreitung nicht nur

auf eine ´Außen´ und auf ein neues, befreiendes Denken jenseits der Metaphysik und

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der philosophischen und humanistischen Stilisierungen, sondern auch auf die

menschliche Existenz. Foucault restituiert damit eine anthropologische Dimension,

die er eigentlich verabschieden will. Erst dieses anthropologische Fundament qua er-

fahrende Existenz macht Grenzerfahrung und Grenzüberschreitung möglich. Diese

Existenz erfährt aber weder die Welt noch den Anderen, sie ist auch keine Existenz,

die von Sprache, Sprechen, Hören und Schreiben her bestimmt ist. Was also erfährt

sie eigentlich?4

2. In La pensée du dehors variiert Foucault in Hinsicht auf das Werk Blanchots das

Thema der Zerstreuung und Entäußerung. In dessen Werken zeigt sich ein „Diskurs

über den Nicht-Diskurs“ der Sprache, ein „Denken des Außen“. Dieses Denken des

Außen basiert auf einer „Erfahrung des Außen“. Sie ist eine „Offenheit

(l´ouverture)“ (1987, 53) des Sprechers für etwas, das hinter und unter ihm spricht

und ihn ent-äußert und zerstreut.5

3. Was kennzeichnet die erfahrende, befreite, entäußerte und offene Existenz? In Le

langage à l´infini gibt Foucault darauf eine Antwort, indem er einen, wie er sagt,

„fundamentalen“ Zusammenhang zwischen Literatur und Tod herstellt. Erst „über

der Linie des Todes reflektiert sich das Sprechen“. (1993, 91) Die „Spiegelstruktur“

der Literatur wird hier als Sprechen gegen die Zeit und gegen den Tod vorgestellt

und exemplarisch in den tausendundeinen Erzählungen der Scheherazade nachge-

wiesen: Sie muss sprechen, um nicht zu sterben. Erst auf diesem existentiellen Grund

der Endlichkeit entstehen die Selbstreferentialität der Sprache, ihre „ontologische

4 Foucaults Rede von der Überschreitung lehnt sich an Sartres Zentralkategorie des „existentiellen Hu-manismus“ an und kommt mit ihm in dem Versuch überein, metaphysische und humanistische Tradi-tionen zu überwinden. Verkürzt gesagt, kommt nach Sartre der Mensch erst in der Überschreitung zu sich selbst, indem er sich ´existieren macht´. Der Mensch transzendiert sich im Überschreiten selbst und stilisiert sich zur Existenz. Bei Foucault hingegen ist die Überschreitung keine Selbstüber-schreitung, sondern leere Transzendenz einer zerstreuten und zerrissenen, aber erfahrenden Existenz im äußerst abstrakten und ästhetisch stilisierten Raum der Literatur. (Sartre 1985, S. 35; Roedig 1997.) 5 Auch hier kann man an die existentielle Offenheit bei Sartre denken, nach der der Mensch weder ´bei sich´ noch ´in sich´, sondern dauernd außerhalb seiner selbst ist. Noch deutlicher, weil nicht auf die Existenz, sondern auf das Außen, das Nicht-Menschliche bezogen, ist das Vorbild von Heideggers ekstatischer Offenheit als Hinausstehen des Menschen in das Sein. Auch bei Heidegger ist das Ich (als „Wächterich“) des Seins ein Agent eines Mediums, über das es nicht verfügt. Das „Denken des Au-ßen“ setzt eine ähnliche Struktur voraus. Allerdings ist die Offenheit, von der Foucault spricht, kein ekstatisches Eröffnetsein für das ursprüngliche Seinsgeschehen (Aletheia). Es ist vielmehr eine ver-stummende Offenheit für ein anonymes Murmel, das durch den Sprecher hindurch geht und ihn darin zerstreut. So gesehen ähnelt dieses Murmeln Heideggers Vorstellung von der Sprache als „Haus des Seins“, als untergründiges und vergessenes Geschehen, dessen Agenten und Sprecher die Dichter sind, über das sie aber nicht verfügen. Das „rohe Sein der Sprache“ bei Foucault allerdings verweist nicht auf das ontologische Sein, auch nicht auf die Welt. In gewisser Weise handelt es sich um eine Radikalisierung der Heidegger´schen Position: Nicht nur Sprecher und Schriftsteller sowie Hörer und Leser als souveräne Subjekte versinken im Sprechen der Sprache, sondern auch das, als dessen Me-dium die Sprache nach Heidegger spricht. (Heidegger1991; Heidegger 1993)

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Leere“ und ihr „Außen“. Diese „geheime Vertikalität“ (1993, 95) der Endlichkeit

menschlichen Sprechens ermöglicht die unendliche Verdopplung der literarischen

Sprache.

Foucaults „Gegendiskurs“ (1974, 76) der subversiven Sprache qua Literatur, die in

der veräußernden Erfahrung des endlichen Sprechers die Grenzen des wissenschaftli-

chen Diskurses aufweist, diese überschreitet und so Grenzerfahrungen ermöglicht, ist

also mit einer anthropologischen „Vertikalen“ versehen. Auf untergründige Art und

Weise antwortet die Unendlichkeit der sich spiegelnden Literatur auf die Endlichkeit

des Sprechens und koppelt das „Sein der Sprache“ an das Werden ihrer existentiellen

Sprecher. Auf dieser Ebene korrespondiert die Materialität des Werkes und der

Schrift der Leiblichkeit menschlicher Existenz, entspricht sein fiktiver Raum deren

wirklicher Zeit, verweist die Offenheit für das Murmeln des Außen auf die Begrenzt-

heit der Zeit des Menschen, bedeutet die Überschreitung der Grenze immer auch

Zurückgeworfensein auf die „eigene Endlichkeit“. (1987, 30)

Wir finden wir hier keine ausgearbeitet Anthropologie vor, sondern eher ein redukti-

ves und verschwiegenes Modell vom Menschen: Er erscheint als endliche Existenz,

die sich der literarischen Sprache öffnet, sich ihr dann überschreitend überantwortet

und sich darin entäußert. Deutlich wird darüber hinaus: Foucault bleibt in wesent-

lichen Punkten - die Begriffe „Überschreitung“, „Offenheit“, „Endlichkeit“ deuten es

an - der Existenzphilosophie verpflichtet. Das Modell der Sprache als Literatur -

nicht als „Haus des Seins“ - hat hier erkenntnisleitende Funktion. Insofern wird die,

wie ich es nennen möchte, reduktive Anthropologie der Endlichkeit ergänzt durch

eine negative Anthropologie der Sprachlichkeit. Das Modell des Zoon Logon Echon

hält sich durch, und zwar ex negativo. Die Sprache gilt zwar nicht mehr als Aus-

zeichnung des Menschen, sondern vielmehr als künstliches und determinierendes

Medium, das aber erst den Raum der Überschreitung, Öffnung und Entäußerung be-

reitstellt, und zwar durch den Menschen und nur für den Menschen.

Foucault konterkariert mit den emphatischen Verweisen auf den „Gegendiskurs“ der

Sprache die eigene strukturalistische Position der 60er Jahre gegen die anthropo-

logische Denkform: auf der einen Seite klare Transparenz der Zeichen und Regel-

haftigkeit der Diskurse (wie in Les mots et les choses vorgeführt) und auf der ande-

ren Seite Insistieren auf die ursprüngliche Erfahrung der zerrissenen Existenz; auf

der einen Seite sprachlich vergitterte Diskurse und auf der anderen die befreiende Er-

fahrung der Kontingenz der Überschreitung und Entäußerung. Foucault löst diese

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Polarität nicht auf, sie kann, wie ich später zeigen werde, als verblasste Anzeige ei-

ner Kontingenz gesehen werden, die die Determinationen der Archäologie aufsprengt

und auf etwas hinweist, was ich mit E. Fink das Welt-Problem nennen möchte.

2. Die Anthropologie der ursprüngliche Erfahrung des Wahnsinns und die Geburt

des Menschen als ´seelische Innerlichkeit´

Die Erzählung der Histoire de la folie steht im Rahmen von Foucaults früher Kritik

am Vernunft- und Bewusstseinssubjekt, das die Möglichkeiten menschlichen Füh-

lens, Denkens und Handelns einschränkt, weil etwas zur Norm erhoben wird, was

anderes ausschließt. Die Geschichte des Wahnsinns ist die seiner Ein- und Aus-

schließung durch die Vernunft. Im Verhältnis des Menschen zum Wahnsinn zeigt

Foucault, wie die Vernunft den Wahnsinn als ihren Anderen ausschließen muss, um

sich selbst absolut setzen zu können. Dabei kombiniert Foucault die archäologische

Analyse des Wissens in Form von juristischen, administrativen, wissenschaftlichen

und philosophischen Diskursen mit einer Genealogie der den Wahnsinn ausschlie-

ßenden Machtpraktiken in Form von Internierungs- und Einweisungspraktiken im

Horizont gesellschaftlicher Normen und politischer Normierungsprozesse. Sie mün-

den in eine strukturale und historische Kritik an einem Denken, das den Menschen

als „homo psychologicus“ (1973, 550) seine Wahrheit in sich selbst, in seiner Inner-

lichkeit und in seinem Bewusstsein suchen lässt.

Der entscheidende Schritt in Hinsicht auf meine Fragestellung vollzieht sich in Fou-

caults Analyse der Befreiung der wahnsinnigen Gefangenen im Krankenasyl von

Bicêtre durch Philippe Pinel (1745-1826).6 Der Irre erlangt gemäß aufklärerischer

Vorstellungen seine Freiheit wieder, aber nur im Zwangssystem des Asyls, das sich

aus einer Mischung aus sozialen, politischen und medizinischen Elementen heraus-

bildet. Im Disziplinar- und Überwachungsraum des Asyls gerät der Kranke unter den

„Blick“ des Arztes (1973, 460) und wird damit zum Objekt wissender und wissen-

schaftlicher Forschung. Dem neuen Status der Objektivität des Wahnsinns korres-

6 Wurde der Wahnsinn nämlich durch den „logophilen Gewaltakt“ in Descartes´ Meditationen (Erste Meditation, (1641) (vgl. Brinkmann 1999, 77) vollständig durch die Vernunft zum Schweigen ge-bracht, so entspricht diesem geistigen Ausschluss der praktisch-soziale Einschluss der Geisteskranken in die Asyle. Die Kritik am wahllosen Zusammenpferchen von Irren und Delinquenten im „Hôpital général“ im Rahmen der revolutionären und nachrevolutionären politischen, philosophischen und me-dizinischen Diskurse führt dazu, dass der Wahnsinnige nun nicht mehr als das leere Gegenteil der Vernunft gilt, sondern zu ihrem Gegenstand wird. Ziel ist es, Sorge dafür zu tragen, dass die Wahnsinnigen einerseits wieder zur Vernunft kommen und so Menschenrechte wie Freiheit und Gleichheit erlangen können und andererseits die Gesellschaft vor den Irren geschützt wird.

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pondiert die Subjektivität des Irren, der sich nun selbst im Modus der technisch-

rationalen und gesellschaftlich-moralischen Objektivität bespiegelt. Der Spiegel als

Metapher der modernen Reflexivität und des Subjekt-Objekt-Verhältnisses hat hier

seinen konkreten historischen Ort: In Pinels Asyl soll sich der Kranke im Spiegel in

einer Art Selbstdiagnose als „objektiv irre“ erkennen (1973, 522). Es entsteht ein

„Spiel der reziproken Blicke“ (1973, 523) zwischen Arzt und Interniertem, das mit

der Objektivierung auch die Subjektivierung als „Bewusstwerdung (prise de

conscience)“ (1973, 523; 1972, 519) der moralischen Verfehlungen und der eigenen

wahnsinnigen Wahrheit impliziert. Im gewisser Weise ist die Selbstdiagnose eine Art

der Selbsterkenntnis des Irren: erkannt wird aber nicht ein substanzielles Selbst, auch

nicht ein Zugrundeliegendes (hypokeimenon), sondern dieses Selbst ist ein Implantat

des fremden, äußerlichen, vernünftig-objektivierenden und gesellschaftlich-normie-

renden Blicks.

Der Mensch – so Foucaults Schlussfolgerung – befindet sich als Subjekt und Objekt

seiner rationalistischen und wissenschaftlichen Objektivierungsakte in einem unend-

lichen „anthropologischen Zirkel (cercle anthropologique)“ (1973, 539; 1972, 531),

in dem die äußeren sozialen, politischen, religiösen und wissenschaftlichen Ein- und

Ausschließungsmechanismen in das Innen des Menschen implantiert werden. Die

Spiegelstruktur von Subjekt und Objekt ist ein Grundmoment des „anthropo-

logischen Zirkels“. Die wissenschaftliche Reflexion als Blick des Individuums auf

sich selbst und die Selbstbespiegelung des ´Inneren´ im Modus der objektivierenden

und subjektivierenden Forschung werden – so Foucault – zu Kernfunktionen der Su-

che des anthropologischen Menschen nach sich selbst.

Foucault entwirft vor allem im zweiten Teil der Histoire de la folie einen seriellen

und strukturalistischen Analyseraum, in dem er vier Serien des Wissens analysiert.

Er führt hier seine archäologische Methode als determinierende Tiefengeschichte

einerseits und andererseits als serielle und strukturalistische Gliederung und Mon-

tage, als „bricolage“7 der Oberflächengeschichte vor. Die medizinische, philoso-

phische, politische und soziale Serie kommen nach verschiedenen „Umkehrung(en)“

(1973, 355), Überkreuzungen, „Verschiebun(gen)“, Vermischungen“ (1973, 422)

und „Synthesen“ (1973, 426) darin zusammen, dass sie ein anthropologisch struktu-

riertes Wissen vom Menschen vorgeben. Der anthropologische Mensch qua Inner-

7 Lévi-Strauss 1968, 29ff. Auf der Ebene des „historischen Apriori“ ließe sich mit Serres von einer „Geometrie der ein- und ausschließenden Strukturen“ oder von der „Variation dualer Strukturen“ sprechen. (Serres 1991)

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lichkeit entsteht als Effekt der Überlagerung verschiedener Serien. Dieses

Macht/Wissen vom Menschen geht - ohne dass Foucault genau sagt wie - in eine tie-

fengeschichtlich kontingente „Erfahrungsstruktur“ (1973, 549) ein, die als histo-

rische Bedingung der Möglichkeit dem Wissen, Erfahren und Handeln vorausliegt

und diese disponiert. Der Mensch sucht seine Wahrheit nunmehr in sich selbst und

versucht sie in der psychologischen „Sprache der Aliénation“ (1973, 551) auf den

Begriff zu bringen. Der Objektivierung des Wahnsinns entspricht die Subjekti-

vierung des Menschen.

Die vertikale Bohrung des Archäologen trifft aber nicht nur auf die epistemolo-

gischen Voraussetzungen dessen, was über den Wahnsinn zu einem bestimmten

Zeitpunkt gesagt und gedacht wird, sondern auch auf die subversive dionysische Er-

fahrung des Wahnsinns. Die Wahrheit der dionysischen Erfahrung des Wahnsinns

wird dem theoretischen und vernünftigen Menschen der Neuzeit als Ausweg und

Ausbruch aus den rationalistischen und moralistischen Ein- und Ausschließungs-

prozeduren versprochen, wie die Hinweise auf diejenigen zeigen, die schon aus-

gebrochen sind: Nietzsche, Hölderlin, Artaud, Nerval, Van Gogh usw. Die Histoire

de la folie ist von diesem unausgesprochenen Telos durchzogen. Foucault restituiert

mit der Rede von der „tragische(n) und kosmische(n) Erfahrung des Wahnsinns“

(1973, 49) eine Anthropologie der ursprünglichen Erfahrung, die den Anspruch der

strukturalen und seriellen Archäologie unterläuft. Sie verweist als Überschreitungs-

phänomen auf eine Dimension, die das bloß Menschlich-Beschränkte auf ein nicht

näher gekennzeichnetes Außen hin überschreitet. Insofern steht sie in Nachbarschaft

zu der Erfahrung der entäußerten und offenen Existenz im Horizont literarischen

Sprechens. Wie diese impliziert die dionysische Erfahrung des Wahnsinns zugleich

eine Gegenanthropologie, sowohl gegen die Ein- und Ausschließung in der wissen-

den, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Praxis, als auch gegen das moderne

innerliche und objektive Subjekt.

Foucault praktiziert auch hier eine geheime Anthropologie, deren Heraufkunft er

selbst historisch aufzuweisen versucht. Das virtuose Spiel Foucaults mit den Ein-

und Ausschließungen, die schließlich in der anthropologischen Struktur (homo

psychologicus) zu kreisen beginnen, muss den Menschen (im Horizont einer ur-

sprünglichen, welthaften Erfahrung) voraussetzen.

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3. Pathologische und körperliche Individualitäten des medizinischen Wissens

In der Naissance de la clinique führt Foucault das Instrumentarium der archäologi-

schen Analyse anhand des medizinischen Wissens vor. Foucault untersucht die Ver-

änderungen des ärztlichen Blicks und seiner strukturellen Bedingungen in ihrer kon-

tingenten Faktizität. Ebenso kontingent erscheint in den „Verschiebung(en)

(decalage)“ des Wissens und dessen „epistemologischen Fundament(s)“ (1988, 168;

1963, 158) das körperliche Individuum. Die Untersuchungsperspektive wechselt vom

Menschen als `Seele` und ´psychologische Innerlichkeit´ zum Menschen als Körper,

als ´körperliche und voluminöse Innerlichkeit´.8 Es ist hier die Medizin, die die

„anthropologische Struktur“ hervorbringt und die für die „Konstituierung der Wis-

senschaften vom Menschen“ bedeutsam wird. (1988, 208)

Methodisch orientiert sich Foucault diesmal stark an der Epistemologie des Bache-

lard-Schülers Canguilhem, der die diskontinuierlichen Konstitutionsprozesse von

Gegenständen im wissenschaftlichen Diskurs untersuchte. (Canguilhem 1974) Fou-

cault aber übersteigt bzw. unterschreitet das epistemologische Wissen und dessen

Verschiebungen und Transformationen, wenn er zugleich nach einer „Struktur“

(1988, 17, 19, 159), einem „epistemologischen Fundament“ (1988, 168) oder einem

„konkreten Apriori“ (1988, 13) sucht, die den diskontinuierlich abgetrennten, kon-

tingenten Wissensformationen zu Grunde liegen und diese bedingen. Foucault über-

schreitet aber noch in einem weiteren Punkt die epistemologische Methodik. Er

nimmt nämlich das Zeichen-Relationsmodell, das er paradigmatisch in Condillacs

1746 erschienenen „Essai sur l´origine des connaissance humaines“ (1988, 108ff.;

Condillac 1977) formuliert findet und strukturalistisch auslegt, als Grundmodell sei-

ner Analyse. Foucault zufolge erfolgt im medizinischen Wissen der entscheidende

Bruch von der Klassik zur Moderne um 1800 „im Gefolge Condillacs“, d.h. mit der

Anwendung der Analyse als „Zerlegung“ und „Zusammensetzung“. (1988, 110)

Foucault untersucht in vier Schritten die Transformationen des medizinischen Wis-

sens bis zur Entdeckung des körperlichen Individuums. Hauptprotagonist ist der

Anatom Xavier Bichat. Dessen „Hauptendeckung“ (1988, 141) - erster Schritt - ist

die Anwendung der analytischen Methode im körperlichen Raum. Die Obduktion

8 Die Übersetzung des französischen Worts corps wird hier konsequent und gegen manche deutsche Übersetzung mit Körper durchgehalten, um den semantischen Unterschied zum Wort Leib, das im Französischen keine Entsprechung hat, deutlich zu machen. Foucaults technische bzw. analytische, später funktionale Analysen legen diese Sprachregelung nahe.

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und anatomische Sezierung öffnet dem medizinischen Blick erstmals den Körper als

Volumen. Die Feststellung der Krankheit erfolgt nicht nur in räumlich-lokalisieren-

der, sondern auch - zweiter Schritt - in zeitlich-fixierender Hinsicht. Der Krankheits-

prozess selbst wird als zersetzend und zerlegend erkannt. Das analysierte Organ voll-

zieht selbst die Analyse als Zersetzung. Bichat setzt - Foucault zufolge - den Tod als

„technisches Element“ der medizinischen Analyse ein (1988, 158), weil der Tod

erstens zeitlos ist und deshalb eine Position außerhalb der Zeit ermöglicht und zwei-

tens weil er dennoch auf das Leben in Form der Krankheit zerlegend und zersetzend

einwirkt. Im „epistemologischen Fundament“ erscheint eine neue, bipolare Struktur,

nämlich die Opposition von Leben und Tod bzw. von Organischem und Leblosem.

Der Tod enthüllt die Geheimnisse des Körpers und des Lebens. Foucault geht drit-

tens noch weiter: Nicht nur Krankheit, Leben und Tod funktionieren im Modus der

Analyse, sondern die Analyse in Gestalt des medizinischen Blicks als Vollzugsme-

dium der klinisch-anatomischen Medizin funktioniert ebenfalls im Modus des „Tren-

nens und Verbindens (composer et decomposer)“. (1988, 108; 1963, 94)

Der ent-deckende Blick des Anatomen macht im Volumen des Körpers das sichtbar,

was dem Oberflächenblick verschlossen bleibt. Das positive medizinische Wissen

repräsentiert nicht mehr, sondern es produziert seine Objekte im Zeit-Raum des Kör-

pers. Damit sind die wesentlichen Elemente der Humanwissenschaft gefunden: Kör-

per, Tod und das Verhältnis von Subjekt und Objekt. Sie treten alle als technische

Elemente und Instrumente der Analyse auf. Der Körper gelangt also nicht als Welt-

und Selbstorgan, als leidender und leidenschaftlicher, als hungernder, atmender, aus-

scheidender Körper ´in den Blick´, als Körper, dessen Haut die Berührung des Ande-

ren ermöglicht und vom Anderen trennt, d.h. als Leib. Auch der Tod erscheint Fou-

cault nicht (mehr) als Schwellen- und Übergangsphänomen, ist auch keine existen-

tielle Drohung oder „Grundphänomen des menschlichen Daseins“ (Fink).

Im gleichen technischen Modus vollzieht sich der vierte und letzte Akt des Dramas

der Geschichte der Medizin als der humanwissenschaftlichen Erfindung des körper-

lichen Individuums. Broussais entdeckt nun auch die Krankheit als „lebende Indivi-

dualität (individualité vivante)“. (1988, 181; 1963, 172) Es geht also zunächst nicht

um menschliche, sondern um pathologische Individualitäten. Nach der Versprachli-

chung (im Anschluss an Condillac bei Cabanis), der Verräumlichung und Verzeitli-

chung (bei Bichat) erfolgt nun die Individualisierung des medizinischen Sehens und

Sagens. Die Universalisierung des Modells der Analyse erreicht ihren Abschluss mit

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einem Kniff Foucaults: Aufgrund einer „Reversibilität der Struktur (structure réver-

sible)“ (1988, 184; 1963, 174) kann eine Analogisierung der pathologischen mit den

menschlichen Individualitäten erfolgen. Fortan sind auf einer tiefengeschichtlichen,

apriorischen Struktur beide - pathologische wie lebende Individualitäten - Objekte

der wissenschaftlichen Befragung. Die Analyse entdeckt in ihrem Zentrum eine end-

liche und verborgene Substanz, die Grenze der technisch-instrumentellen Zerlegung

und zugleich ihr Ursprung ist: das Individuum. Das Individuum ist Ursprung, weil es

selbst im Modus der analytischen Zerlegung existiert und so seine eigene Ent-

deckung ermöglicht. Es zeigt sich jene „anthropologische Struktur“, die die zirkuläre

humanwissenschaftliche Forschung grundlegend bestimmt: Das ursprüngliche Indi-

viduum ist eine kontingente Erscheinung im medizinischen Wissen und Effekt der

humanwissenschaftlichen Techniken. Der Mensch als Subjekt und Objekt seiner

Analyse kreist endlos um sich selbst, weil er als Körper und verkörpert ´vorhanden´

ist. Aufgrund der „philosophischen Implikation“ (1988, 208) der Medizin kann sich

der Mensch wissenschaftlich und ´positiv´ nie fassen und endgültig auf den Begriff

bringen.

Aber nicht nur der wissenschaftlich-anthropologische Mensch, auch die wissen-

schaftliche Sprache beginnt um sich selbst zu kreisen. Die medizinische Sprache

Broussais´ gerät in eine auf sich selbst referierende Kreisbewegung wie die selbstbe-

zügliche Literatur der Moderne, weil beide nicht mehr repräsentieren, sondern pro-

duzieren. (1988, 183f.)

In der Naissance de la clinique findet sich keine verschwiegene Anthropologie. Inso-

fern ist das später formulierte Postulat einer „erkenntnistheoretischen“ Befreiung von

den „anthropologischen Zwängen“ (1981, 22, 27) hier verwirklicht. Foucault gelingt

das aber nur zum Preis einer Universalisierung des analytischen Sprachmodells von

Condillac durch alle Transformationen des medizinischen Wissens. Aber nicht nur

die Medizin des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, sondern Foucault selbst verwendet

das Modell der Sprache als Analyse der Zeichen, als „Zerlegung“ und „Neuarrange-

ment“, wie Roland Barthes einmal die „strukturalistische Tätigkeit“ bestimmt hat.

(Barthes 1966, 193) Das führt zu einem Wissensformalismus, in dem die Welt, die

menschliche Sprache und die menschlichen Daseinsvollzüge verschwinden, um als

Instrumente, Objekte und schließlich Subjekte der Analyse wieder aufzutauchen.

Anthropologisch gesehen stellt sich die Frage, ob nicht in einer zirkulären Figur das

Menschliche qua Körperlichkeit, Endlichkeit und Sprachlichkeit in der univer-

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salistischen, formalistischen Analyse ausgeblendet wird, um es schließlich als Ele-

ment einer anonymen Struktur wieder einzuführen. Wird also das, was ich mit und

gegen Foucault den anthropologischen Zirkel nannte, auf subtile und verschleierte

Weise vorgeführt? Muss nicht der Mensch aus dem elementaren und vollzughaften

Wissen über sich vertrieben werden, um dann wiedergefunden und schließlich verab-

schiedet zu werden?

4. Das Denken des Menschen und das vorstellende Subjekt in den anthropologischen

Doppeln - die geheime Anthropologie der Archäologie

In Les mots et les choses richtet sich Foucaults Kritik gegen das vorstellende und

sich selbst vorstellende Vernunftsubjekt, das sich anmaßt, sich selbst und die Welt in

den Griff bzw. auf den Begriff bringen zu können. Der Rückzug der klassischen

Repräsentation an der Schwelle zum 19. Jahrhundert, der Einbruch der Geschichte

und der Einbruch der Geschichtlichkeit führen in das Dilemma der neuzeitlichen

Subjektphilosophie und der Selbsterkenntnis des anthropologischen Menschen. Der

Mensch erscheint als eine ´Gestalt´ im „gefährlichen und gefährdeten Wissen“ (1974,

417; 1966, 359) der Humanwissenschaften, in denen das Wissen über die Lebe-

wesen, die Ökonomie und die Sprache zirkuliert. Gehorchten im 17. Jahrhundert die

Naturgeschichte, die Analyse der Reichtümer und die allgemeine Grammatik der

Theorie der Repräsentation, so lassen im 19. Jahrhundert, nach dem diskontinuier-

lichen, kontingenten Einbruch der Geschichte und des Geschichtlichen, Biologie,

Politische Wissenschaft und Philologie die anthropologische Dreifaltigkeit von Le-

ben, Arbeit und Sprechen im Denken des Menschen erscheinen: „Der Mensch mit

seinem eigenen Sein, mit seiner Kraft, sich Repräsentationen zu geben, taucht mit ei-

ner durch die Lebewesen, die Tauschgegenstände und die Wörter bestimmten Tiefe

auf, als sie unter der Aufgabe der Repräsentation, die bis dahin ihr natürlicher Sitz

gewesen war, sich in die Tiefe der Dinge zurückziehen, sich in sich selbst gemäß den

Gesetzen des Lebens, der Produktion und der Sprache drehen.“ (1974, 378) Der

Rückzug der Repräsentation als mathesis der „allgemeinen Wissenschaft der Ord-

nung“ (1974, 90), d.h. als allgemeine Semiologie, die Natur und Mensch, Vorstel-

lung und Ding, Denken und Sein bruchlos zusammenfügte und im Medium des re-

präsentativen Zeichens die Ordnung der Dinge vorstellte, lässt die Repräsentation auf

den Menschen übergehen.

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Foucault führt aus, dass Biologie, Ökonomie und Philologie den Menschen als endli-

ches Wesen in das Zentrum ihrer Erkenntnis rücken. Der endliche Mensch in diesen

Wissenschaften ist aber nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Erkenntnis. Er ist

zugleich Untersuchungsgegenstand und Ermöglichungsgrund. Der endliche Mensch

taucht im Gravitationszentrum der objektiven Wissenschaften auf, insofern er reprä-

sentiert, oder – anders gesagt – insofern er vorstellt und sich vorstellt. Denn er ist als

vorstellendes Subjekt die Voraussetzung dafür, dass es Sprache, Leben und Produk-

tion als Vorstellungen überhaupt gibt. Zugleich aber sollen die subjektiven Bedin-

gungen der Möglichkeit (das Leben, die Produktion, die Sprache) als Erkenntnis-

objekte untersucht werden. Das Dilemma der neuzeitlichen Subjektphilosophie, der

Humanwissenschaft und der Selbsterkenntnis des anthropologischen Menschen ist

damit formuliert: Weil der Mensch als Subjekt-Objekt seines Wissens auf dem

schwankenden Boden einer fundamentalen Endlichkeit wissenschaftliche und philo-

sophische Erkenntnis möglich machen soll, kann er sich niemals vollständig (als

Objekt, als Vorstellung) vor sich selbst bringen. Er muss das „Positive im Funda-

mentalen“ (1974, 202) wiederholen. Foucault spielt diesen erkenntnistheoretischen

Zirkel in den bekannten drei anthropologischen Doppeln durch (1974, 384ff.):

1. Das Problem der modernen, ´positiven´ und geschichtlichen Wissenschaften ist es,

den Ermöglichungsgrund des Erkennens in sich selbst, d. h. in den geschichtlichen

Bedingungen des endlichen menschlichen Lebens, Arbeitens und Sprechens finden

zu müssen. Das Denken wird also abhängig von einem aposteriorischen Fundie-

rungsverhältnis, wo es umgekehrt gerade diese Fundamente erkenntnistheoretisch, d.

h. transzendental begründen soll. ( „Das Empirische und das Transzendentale“)

2. Der nachklassische Bruch zwischen Sein und Denken führt zum Verlust der

selbstgewissen Selbsterkenntnis. Weil der Seinsgrund des Menschen schwankende

Endlichkeit ist, weil er sprechendes, arbeitendes und lebendes Wesen ist, kann er sich

in seinem Denken nicht einholen. Er ist immer schon von der Endlichkeit des Le-

bens, von der Tiefe der Sprache und von der mangelnden Grundlage seines Arbeitens

überholt. Gleichwohl unternimmt das Denken immer wieder den Versuch, dieses

nicht zu Denkende zu denken. („Das Cogito und das Ungedachte“)

3. Der Mensch, sofern er nach seinem Ursprung fragt, muss das immer von der Ge-

genwart aus und auf dem Boden seiner eigenen Geschichtlichkeit tun. Als endliches

und empirisches Wesen kann er keinen Ort außerhalb der Zeit finden. Die Frage nach

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dem Ursprung stellt sich immer wieder neu. („Das Zurückweichen und der Wieder-

kehr des Ursprungs“)

Die Zirkelstruktur des humanwissenschaftlichen Denkens des Menschen wird vor der

Folie der logisch eindeutigen und einheitlichen sowie strukturell transparenten Theo-

rie der Repräsentation aufgewiesen. Die Metaphysik der Aufklärung gilt Foucault als

Beispiel und Vorbild für das reine Denken, ohne Disparität, Geschichte, Geschicht-

lichkeit und vor allem ohne Anthropologie.9

Auch im folgenden möchte ich der Spur der geheimen Anthropologie und ihrer Zir-

kel folgen. Zunächst gehe auf die erkenntnistheoretischen Probleme sowie die er-

kenntnisleitenden Modelle ein, wobei ich neben den archäologischen auch die lite-

raturtheoretischen Schriften Foucaults in die Kritik einbeziehe.

Aus erkenntnistheoretischer Perspektive wurde Foucault zu Recht der Vorwurf ge-

macht, er wiederhole selbst in seinen archäologischen Schriften die von ihm kritisch

in Anschlag gebrachten Doppel und könne so den eigenen Anspruch seiner Analyse

nicht durchhalten. (Dreyfus/Rabinov 1987, 116ff ) Auch der archäologische Diskurs

ist als empirisches Objekt sein eigener Ermöglichungsgrund. Das ´Empirische´ - die

wesentlichen Elemente der Serien in der Histoire de la folie, die Analyse im medizi-

nischen Wissen der Naissance de la clinique, das semiologische Zeichensystem der

Repräsentation in Les mots et les choses - finden sich nicht nur auf der geschichtli-

chen Oberfläche, sondern zugleich gehen sie ein in die fundamentale Struktur, in das

Apriori bzw. in die Episteme und bestimmen diese maßgeblich. Sie erhalten damit

einen quasi-transzendentalen Status, das Positive ist zugleich das Transzendentale.

Auch im zweiten Doppel Cogito/Ungedachtes bleibt Foucault befangen. Das Pro-

gramm der Archäologie besteht ja darin, einen unbewussten und zumindest bisher

nicht bedachten Grund des Wissens, Denkens, Handelns und Erfahrens aufzuweisen.

Die mannigfachen expliziten und impliziten Hinweise auf die Verwandtschaft der

Archäologie mit der Psychoanalyse, aber auch mit der phänomenologischen Vorge-

9 Unter Bedingungen der Ontologie des Zeichens der Theorie der Repräsentation kann es, Foucault zufolge, keine Anthropologie geben. Die ´menschliche Natur´ bzw. der menschliche Geist im Modus der Erkenntnis (Vorstellung, Reflexion, Erinnerung) ist zwar der Ort, an dem die Repräsentationen und die Zeichen sich als Repräsentationen und als Zeichen geben. Die menschliche Natur ist aber nur eine „Faltung der Repräsentation in sich selbst“ (1974, 374; 1966, 320), indem sie die Repräsentation in ein Bild transformiert. Dabei tritt der Mensch aber nicht als Autor oder Schöpfer dieser ´Faltung´ auf, denn für die Funktion des menschlichen Schöpfers bzw. für die Tätigkeit des Repräsentierens qua souveräner Autorschaft existiert im klassischen Denken kein Zeichen. Deshalb gibt es kein „episte-mologisches Bewusstsein“ vom Menschen, es wird kein eigenes, spezifisches Gebiet des Menschen im klassischen Wissen isoliert. Weil der Mensch als Schöpfer kein Zeichen hat und nur als Zeichen unter Zeichen, als Repräsentation unter Repräsentationen erscheint, gibt es keine klassische Anthro-pologie.

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hensweise, eine die Alltags- bzw. Oberflächenebene einklammernde und durchsto-

ßende Hintergrundanalyse zu schreiben, weisen darauf hin.10 Foucault wiederholt

das Doppel, indem er das „Unbewusste“ auf die Kultur, auf das „Archiv“ (1981, 190)

bzw. auf das Wissen bezieht, das nicht vom anthropologischen, aber auch nicht - wie

man vielleicht sagen kann - vom archäologischen Subjekt eingeholt werden kann.

Und doch kommt das Wissen in der Archäologie zu sich selbst.

Das Doppel vom Zurückweichen und der Wiederkehr des Ursprungs finden wir in

der Histoire de la folie. Foucault schreibt eine Dekadenzgeschichte des Wahnsinns

am Leitfaden einer ursprünglichen Erfahrung des Wahnsinns, dessen Ursprünge und

Verheißungen sich in den Tiefen der Geschichte verlieren.

In meiner Frageperspektive könnte man sagen, dass die Doppel letztlich formale

Ausprägungen einer elementaren, die Wissenschaften vom Menschen und die Frage

des Menschen nach sich selbst bestimmenden zirkulären, aber elementaren Figur

sind: des anthropologischen Zirkels. Insgesamt gesehen, bedienen sich die archäolo-

gischen Schriften eines wohlbekannten anthropologischen Modells. Indem Foucault

den anthropologischen Menschen als psychologische Innerlichkeit (Histoire de la

folie), als organische Körperlichkeit (Naissance de la clinique) und als vorstellendes

Subjekt (Les mots et les choses) kritisch in den Blick nimmt, reproduziert er das tra-

ditionelle Modell der Schichtenanthropologie. Danach wird der Mensch als dreifach

gestuftes, körperliches, seelisches, und geistiges Wesen betrachtet. Auch hier mani-

festiert sich der Zirkel: In der Verabschiedung des Menschen als Seele, Körper und

Geist wird die Frage nach ihm wieder hervorgetrieben – allerdings nicht in der tradi-

tionellen aufsteigenden Hierarchie. In anthropologisch-elementarer Perspektive er-

scheint der Mensch weniger als Substanz, vielmehr als fragmentarische, leibliche

und endliche Existenz, die sich in ihrem Verhältnis zur Welt und zum Anderen in

Modellen und Schematisierungen immer wieder neu auslegen muss und damit die

Frage nach der Bildung als Selbst- und Weltverhältnis immer wieder hervortreibt.

Ich gehe auf den elementaren Zusammenhang von Bildung und anthropologischen

Zirkel im letzten Punkt meiner Überlegungen genauer ein.

Dort wird auch deutlicher werden, was ich hier nur angedeutet werden soll. Aus der

Perspektive der Fink´schen Kosmologie weisen zwei - oben schon benannte - Verstö-

rungen der Archäologie auf das Welt-Problem hin:

10 Da sich die moderne Phänomenologie nicht in der transzendentalen Phänomenologie Husserls er-schöpft und seine Schüler den transzendentalen Anspruch hinter sich lassen, kann sie auch Foucaults an den Cartesianischen Meditationen ausgerichtete Kritik nicht recht treffen.

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Zum einen der schon bekannte emphatische Hinweis Foucaults auf den „Gegen-

diskurs“ der Sprache in allen erwähnten Schriften. Das Modell der Sprache als

selbstreferentielles und subversives Medium unterläuft die humanwissenschaftlichen

Doppel und weist auf ein „Außen“, das nicht benannt und begriffen werden kann.

Ebenso verstörend für die humanwissenschaftliche „Ordnung der Dinge“ ist zum an-

deren die offenkundige Spannung zwischen dem Determinismus der apriorischen

oder epistemischer Dispositionen einerseits und den tiefengeschichtlichen diskonti-

nuierlichen Brüchen andererseits. In dieser Spannung zwischen epistemologischer

Analyse und „Philosophie des Ereignisses“ (1991, 37) wird die Zeit radikalisiert. Ein

´Außen´ der Zeit sprengt die Determinationen des Wissens weg. Dieser Einbruch der

Kontingenz bzw. des kontingenten Ereignisses ver- und zerstört die historischen Fel-

der und Schichten ebenso wie das Murmeln der Literatur. Es ließe sich auf ein

´Außen ´der Archäologie schließen, das auf das verweist, was unter den Bedingun-

gen der Archäologie nicht gesagt werden kann, also auf das Ungedachte, Ungeord-

nete, Chaotische (Waldenfels) und auf einen verblassten Welt-Bezug verweist.

5. Der Körper als anthropologisches Fundament der Genealogie

„Als Analyse der Herkunft steht die Genealogie also an der Gelenkstelle (articula-

tion) von Körper und Geschichte. Sie muss zeigen, wie der Körper von der Ge-

schichte durchdrungen (imprimé) ist und wie die Geschichte den Körper zerrüttet.“

(Nietzsche, la généalogie, l´histoire, 1987, 75; 1994 II, 143) Das Programm der Ge-

nealogie als Geschichte des Willens zur Wahrheit ist insofern auch eine Geschichte

des Körpers. Das genealogische Strukturschema Wissen (bzw. Wahrheit), Macht und

Körper rückt die kleinen und kleinlichen Verfahren der Disziplinierung (Surveiller et

punir) und der Diskursivierung (La volonté de savoir) des Körpers in des Blick. Die

mikrophysikalischen bzw. diskursivierenden Techniken der Macht und des Wissens

produzieren im Umgang mit dem Körper und dessen natürlichen Dispositionen das

Individuum (als differenzierter Disziplinierungs- bzw. Diskursivierungseffekt) und

das Subjekt (als sujet assujetti der modernen Disziplinar- bzw. Geständniswissen-

schaften). Man kann also in anthropologischer Perspektive eine aufsteigende Linie in

der Genealogie beobachten: vom Körper, zum Individuum, zum Subjekt. Diese

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möchte ich im folgenden am Leitfaden der zwei genealogischen Studien Surveiller et

punir und La volonté de savoir rekonstruieren.

Was ist der Körper in der Perspektive des Genealogen? Er gilt, wie Foucault in Sur-

veiller et punir sagt, als „produktiver wie unterworfener Körper (corps productif et

corps assujetti)“. (1976, 37; 1975 34) Der Körper ist also beides zugleich: Materiali-

sationspunkt des Macht-Wissens und Kraft, d.h. etwas Produktives und Schaffendes,

Ort der „physiologischen Prozesse“ (1977, 181). Die Analytik der Macht gründet

demnach auf einer ´Theorie des Körpers´. In gewisser Weise schließt Foucault damit

an die archäologische Analyse des medizinischen Wissens und an die darin produ-

zierte ´analytische Individualität qua körperlicher Innerlichkeit´ an. Hier jedoch weist

die doppelte Bestimmung des Körpers auf den Doppelaspekt des assujettissement des

Subjekt-Objekts Mensch voraus.

Foucault untersucht in Surveiller et punir verschiedene Serien der Disziplinierung, in

denen die menschlichen Körper in „Mikro-Ritualen“ durch Überwachung, Kontrolle

und Abrichtung zu Individuen stilisiert bzw. codiert werden. Das geschieht dadurch,

dass die Disziplinarmacht die Körper im Raum (der Schulklasse, der Klinik, der

Fabrik, des Gefängnisses) verteilt, sie mit einer zeitlichen Feinrasterung instrumen-

tell codiert und die einzelnen, differenzierten Kräfte neu zusammensetzt („composer

des forces“, 1976, 212; 1975, 192), so dass eine „kombinatorische Individualität“

(1976, 216) entsteht. In den Prozessen der Verräumlichung, Verzeitlichung und

Verinnerlichung entsteht ein gerastertes und analytisches, d.h. zerteiltes und wieder

zusammengesetztes Objekt der Macht: das Individuum als analysierter, fixierter und

unterworfener Körper.

In einem zweiten Schritt - in der Prüfung als Wissens- und „Machtritual“ (1976, 240)

- wird das körperliche und verkörperte Individuum (als Effekt und „Wirklichkeit“)

zum Subjekt-Objekt (sujet assujetti) stilisiert. Damit wird zugleich die Geburt der

Humanwissenschaften als objektivierende und subjektivierende Praktiken des Macht-

Wissens vollzogen. (1976, 250) Die „Individualisierungsprozeduren“ (1976, 248) der

Disziplin finden in der Prüfung als Technik des assujettissement ihren Abschluss.

Darin wird eine „Wahrheit über das Subjekt“ produziert und in die „Seele“ implan-

tiert. In der Genealogie der subjektivierenden und objektivierenden Zirkelstruktur der

Humanwissenschaften nimmt die Pädagogik sowohl als Disziplinarpraxis als auch

Disziplinarwissenschaft (als Technik der Dressur, Abrichtung und der Archivierung

und Unterwerfung) eine wichtige Position ein.

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Der Körper, wie ihn Foucault in der zweiten genealogischen Studie La volonté de sa-

voir einsetzt, ist nicht konditionierter Disziplinarkörper, sondern diskursivierter, se-

xueller Körper. In der Genealogie der Geständniswissenschaften wird Wissen und

Macht im Diskurs aneinandergeschaltet, so dass auch diskursives Wissen als eine

Strategie der Macht erscheint. In der Folge der „Diskursivierung des Sexes“ (1977,

21) kommt es in der Medizin und Psychiatrie des 19. Jahrhunderts zur „Implantation

(implantation)“ (1977, 58; franz. 1976a, 50) des Macht-Wissens in die Körper. Die

Macht, so kann man sagen, benutzt das medizinische Wissen, um sich in die Körper

einzuschreiben. Die Prozeduren der Einpflanzung und Durchdringung des Körpers in

den „Nahverhältnissen“ (1977, 59) richten sich auf die Kontrolle, die Organisation

und die Kanalisation der körperlichen Triebe, auf, wie Foucault sagt, „physiologische

Prozesse“ (1977, 181), die im Wechselspiel mit dem diskursiven Macht-Wissen ei-

nerseits beherrscht, andererseits hervorgebracht werden.

Auch hier ist der Körper bzw. seine diskursive Durchdringung Voraussetzung für das

Funktionieren des Geständnisverfahrens, mit dem die Wahrheit des Subjekts in einer

„Selbstprüfung“ (1977, 77) erhoben wird. Das führt zur Individualisierung des

„Geständnistiers“ Mensch. Mit der „Überlagerung“ (1977, 83) der „Prozeduren des

Geständnisses und der wissenschaftlichen Diskursivität“ (ebd.) entsteht darüber hin-

aus die medizinisch-psychologisch-hermeneutisch erzwingende und erpressende

Geständniswissenschaft als Ort des „assujettissement“ des unterworfenen Souveräns.

(1977, 78)

Der „unterworfene“ wie „produktive“ Körper (1976, 37), so kann ich zusammenfas-

sen, fungiert also ambivalentes anthropologisches Fundament der genealogischen

Analyse. Am Körper manifestieren sich sowohl die Techniken und die Produktiv-

effekte der Prüfung und der Übung als auch die der Einpflanzung und Anreizung. Er

ist ´letztes Atom´ der disziplinären Zerlegung und zugleich die gleichsam ursprüng-

liche sexuelle Substanz der Diskursivierung. An ihm setzen die Individualisierungs-

und Subjektivierungsprozeduren an. Wenn die Genealogie ihre Analysen am Leit-

faden des Körpers orientiert, dann muss sie ihn - anthropologisch gesehen - als das

geheime und zugleich offensichtlich Zugrundeliegende einführen: eine geheime

Anthropologie also, die ich als Grundzug der Analysen Foucaults versuche aufzu-

weisen.

Diese These lässt sich auch auf Foucaults Machttheorie beziehen, deren Hauptkenn-

zeichen Relationalität, Dezentralität und Produktivität sind. (Vgl. 1977, 113ff.)

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Macht als Analyseraster der Genealogie gilt als anonymes, omnipräsentes Phänomen,

das alle menschlichen Praktiken durchwirkt. (1994a) Aber Macht impliziert auch

Widerstand. Sie besteht Foucault zufolge aus sich widerstreitenden Elementen, die

sich gegenseitig netzartig aufbauen und verstärken oder bekämpfen und aufheben. In

dieser Konzeption ist Foucaults Machtbegriff eng mit dem Nietzsches verwandt.

(Brinkmann 2001)

Wie schon an den Beispielen des analytischen und semio-logischen Modells der Ar-

chäologie aufgewiesen, neigt Foucault auch in der Genealogie zur Universalisierung

von Modellen, jetzt aber des Machtmodells. Diese zeigt sich in beiden genealo-

gischen Schriften. In Surveiller et punir z.B. werden nach der Analyse der Straf-

formen bestimmte Elemente durch verzeitlichende, verräumlichende und verinner-

lichende Prozeduren auf die Disziplin übertragen, dann finden sich diese in kom-

pakter Form auch im panoptischen Gefängnismodell, was im weiteren auf den „ge-

samten Gesellschaftskörper“ (1976, 386) übertragen wird, sodass die relationale, de-

zentrale und anonyme Macht schließlich die gesamte „Disziplinargesellschaft“

(1976, 277) durchdringt. In der „Kerkergesellschaft“ ist alles Macht. Es gibt kein

Außen.

In La volonté de savoir erfährt die Modelluniversalisierung der Macht als analy-

tisches und methodisches Schema noch eine besondere zirkuläre Konnotation: Die

Geständniswissenschaften Psychiatrie und Psychologie als Effekte der Überlagerung

von Geständnistechnik (als Verfahren der Wahrheitsermittlung und Wahrheits-

produktion über Individuen) und diskursiver Methodik und medizinisch-gesell-

schaftlicher Normierung (1977, 83f.) geraten selbst in den Sog ihres Analyse-Ob-

jektes und -Themas Sexualität. Es entsteht ein Wechselverhältnis zwischen Sexua-

lität, Körper, Wissen und Macht. Zum einen wird die Durchdringung der Körper mit

Macht dadurch verstärkt, dass sich Macht mit „Lust (plaisir)“ (Foucault 1977, 60f.;

franz. 1976a, 61) verbindet und die Lust ihrerseits Macht „überwältigt“. (Ebd.) Da-

durch wird die Macht gleichsam sexualisiert. Dieser Lust-Macht entspricht wiederum

ein Lust-Wissen. Wie die Macht, so wird auch das Wissen in den psychologischen

und psychiatrischen Geständnisprozeduren von der Sexualität gleichsam penetriert.

Es wird eine „spezifische Lust am wahren Diskurs über die Lust“ erzeugt. (Foucault

1977, 91) Sexualität durchdringt so sowohl das Wissen als auch die Macht als auch

die Körper. Macht und Wissen erscheinen als triebbestimmte Bereiche, die sich un-

entwirrbar mit und über ihrem sexuellen Objekt vermischen. Offensichtsichtlich hat

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hier das psychoanalytische Modell qua Begehren (nach Macht und Wissen) Pate ge-

standen. Dieses steht also nicht nur am Ende von Foucaults genealogischer Analyse

der modernen Geständniswissenschaften, sondern geht zugleich in die Analyse selbst

ein. Es vermischen sich Thema und Methode, und es stellt sich die Frage, ob Fou-

cault auch hier einem erkenntnistheoretischen Zirkel aufsitzt, indem er die eigenen

methodischen Voraussetzungen in die analytischen Sachverhalte hineinlegt.

Die universalisierende Tendenz in der Darstellung und Anwendung des Macht-

modells haben Foucault viel Kritik eingebracht. (vgl. Lemke 1997) In meiner Per-

spektive ist hier die ambivalente Dimension der Macht interessant, die mit der eben-

falls eigentümlich zwiespältigen „Natur“ des Körpers korreliert: Wenn Widerstand

ein zentraler Vollzugsmodus von Macht in gesellschaftlichem und individuellem

Handeln ist, dann muss ein „wichtiges Element“ mit hineingenommen werden: das

der Freiheit. (Foucault 1994, 255) Gouvernementale Machtausübung als „Führen der

Führungen“ (ebd.) ist „auf Freiheit angewiesen“. (Meyer-Drawe 2001, 450) Auch

hier zeigt sich der eminent anthropologische Grundzug foucaldischer Analysen:

Freiheit als „Existenzbedingung von Macht“ und als ihr agonaler Gegenpol (Foucault

1994, 256) wird als anthropologicum vorausgesetzt, ohne zu klären, was genau diese

Freiheit, der Kampf und das sich daraus eröffnende „Feld von Möglichkeiten“ ist.

(Ebd.) Noch undeutlicher ist bei Foucault der Zusammenhang von Freiheit und Kör-

per, die in der Logik der genealogischen Analyse zusammengehören, deren anthro-

pologische Entfaltung ebenfalls unbestimmt bleibt.11

11 Eine deutlichere Konturierung würde der Bezug auf die Begriffstradition von Leib und Leiblichkeit mit sich bringen, in dem sich „sinnliche“ Begrenzung und Ermöglichung welthaften Handels verbin-den. Foucault aber blendet alle Konnotationen dessen aus, was sich mit dem Begriff Leib verbindet. Bei Foucault ist der Körper nicht Welt-Organ, das uns einerseits von dem trennt, was wir nicht sind, und andererseits uns dieses erst eröffnet, sondern er ist in erster Linie Objekt anonymer Strategien. Hier wie in den archäologischen Analysen zeigt sich ein technisch-instrumenteller Grundzug, der die mannigfachen Vollzüge des menschlichen Daseins in Universalisierungen der analytischen (Naissance de la clinique), semiologischen (Les mots et les choses) und machtanalytischen (Genealo-gie) Modelle ausblendet. Judith Butler hat in ihren subtilen Analysen zu Foucault deutlich gemacht, dass der Körper in Sur-veiller et punir jenseits subjekttheoretischer Substantialisierungen als „Knotenpunkt, als Nexus“ der durch ihn hindurchgehenden und zugleich disziplinierenden Machtstrategien verstanden werden kann. Zugleich wäre er aber auch der Ort, an dem die Macht „an der Stelle ihrer Anwendung durchkreuzt“ werden kann und so die Möglichkeit eines Widerstandes offenbart. Butlers These von der Umlenkung der Macht im Körper und dem Erscheinen eines Widerstandes darin soll hier nicht diskutiert werden – wichtig für die hier verfolgte Absicht ist die Tatsache, dass auch mit dieser Interpretation der Körper Fundament und Basis sowohl der Analyse als auch der Macht/Wissensstrategien gesehen wird, ja so-gar als „Bedingung einer Reflexivität, in der ich mich den Normen unterordne, die ich nicht wählen kann, aber die mit in der Unterordnung vielleicht die Chance lassen, eine andere Art zu sein zu entdecken.“ (Butler 2003)

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6. Bildung im anthropologischen Zirkel

Bisher ist im Durchgang der literaturtheoretischen, archäologischen und genealo-

gischen Schriften in modellkritischer und anthropologischer Perspektive zweierlei

deutlich geworden:

1. Foucault gelingt es in seinen subtilen materialen Analysen und „Neueinsätzen“ die

neuzeitliche Vorstellung vom anthropologischen Menschen als eines mit sich selbst

identischen, autonomen und vernünftigen Subjekts sowie die darauf beruhenden

philosophischen und humanwissenschaftlichen Konzepte nachdrücklich in Frage zu

stellen, ihre Historizität deutlich werden zu lassen, ja die „Unwissenschaftlichkeit“

ihres Vorgehens und Anspruches gemäß erkenntnistheoretischen und transzendental-

philosophischen Standards nachzuweisen sowie ihre geheime Komplizenschaft mit

den Strategien der Macht und den Techniken des assujettissements kritisch gegen sie

selbst zu wenden. Der subjektivierende und objektivierende Funktionsmodus der

Humanwissenschaften bestimmt sowohl ihr Verfahren als auch ihren Gegenstand:

Foucault weist jeweils eine Zirkel- und Spiegelstruktur der Humanwissenschaften

nach, die den Menschen in dem positiven Wissen über sich selbst endlos um sich

selbst kreisen lässt, indem er unaufhörlich nach seiner Wahrheit, seiner Natur, sei-

nem Ursprung sucht und sich so immer tiefer in den Netzen der Macht verfängt. So

wird seine zirkuläre Selbstbeschreibung und Selbstauslegung immer stärker vom

humanwissenschaftlichen Macht/Wissen bestimmt, sodass der Mensch qua Indivi-

duum und Subjekt in seinem Selbstverhältnis schließlich als deren Produkt und Ef-

fekt erscheint.

2. Es wurde aber auch deutlich, dass Foucault seine Analysen trotz zugespitztem

gegenanthropologischen und gegenhumanistischen Duktus auf anthropologischen

Grundannahmen und Modellen gründet – sei es als verblasste Anthropologie der ent-

äußerten und offenen Existenz oder der ursprünglichen Erfahrung, sei es das traditio-

nelle Modell der Schichtenanthropologie als organisierendes Raster der Archäologie,

sei es als zugleich geheime und offensichtliche Anthropologie des Körpers in der

Genealogie, der in einem dunklen Zusammenhang zur Freiheit als Bedingung der

Möglichkeit von Widerstand und Kritik steht. Foucaults Analysen eignet so gesehen

etwas Kreisendes und Zirkuläres. Foucault kann trotz der Tendenz zur Formali-

sierung und Universalisierung den anthropologischen Zirkel nicht überspringen – al-

lerdings lässt die auf die individuellen und gesellschaftlichen Praktiken und Hand-

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lungen bezogene Perspektive und Methodologie vermuten, dass ihm auch gar nicht

daran gelegen war. Und überhaupt lässt sich ein Einwand gegen das anthropologisch

Zirkuläre nur aus der Perspektive eines wissenschaftlichen oder philosophischen Lo-

gizismus formulieren, der der Frage Foucaults nach dem Individuum, dem Subjekt

nicht angemessen ist.

In der Bahn der Strukturanthropologie Eugen Finks gesehen, zeigt sich nämlich im

zirkulären und immer wieder neu ansetzenden Bestreben des Menschen – auch und

gerade auf dem kritischen und dekonstruktiven Weg der Zerstreuung und Delegiti-

mierung – eine positiv zu fassende anthropologische Notwendigkeit mit bildungs-

theoretischer Implikation. Um diese in ihrem Bezug zu Foucault deutlich zu machen,

soll im weiteren eine, wenn auch in fast unzumutbarer Weise verkürzte Darstellung

der Fink´schen koexistentialen Strukturanthropologie folgen. Wie Foucault so wen-

det sich auch Fink (ähnlich wie auch Plessner) sowohl gegen substanzialisierende

Anthropologien, die von einem vermeintlichen „Wesen“ des Menschen ausgehen, als

auch gegen empirisch-naturalisierende Anthropologien, die den Menschen im Modus

positiver Forschung durchschaubar machen wollen. Finks Antiidealismus und Anti-

naturalismus (Schütz 1995/96) schlägt sich auch im Primat der Praxis gegenüber der

Theorie nieder, was ihn wiederum mit Foucault verbindet. Fink analysiert mensch-

liches Dasein am Leitfaden eines fundamentalen Rasters, der mitmenschlichen

Handlungsfelder Liebe, Arbeit, Herrschaft, Tod, Spiel. (Fink 1979) In diesen

koexistentialen „Grundphänomenen“ muss sich der Mensch als weltoffenes und

zugleich poetisches Wesen not-wendig entwerfen. Menschliches Dasein legt sich in

Entwürfen auf die Welt hin aus und erfährt sich selbst „in Zuspruch und Wider-

spruch, in Erfüllung und Verweigerung, in Kampf und Übermächtigtwerden, in Ver-

fügbarem wie in Unverfügbarem“. (Schütz 1992, 75) Zugleich kann es sich in diesen

praktischen wie theoretischen Entwürfen nie endgültig einholen, sich nie wesenhaft

erfassen. „Die ´Daseinsauslegung´ ist deshalb kein Geschäft, das von außen oder nur

gelegentlich betrieben werden kann, seine Motive in irgendwelchen wissenschaft-

lichen Zusammenhängen hat. Das menschliche Dasein geschieht als Auslegung; als

unaufhörliche Deutung der Lebensrätsel und Welträtsel. Dieses Geschehen hat viele

Formen, viele Masken und Instrumente – es vollzieht sich nicht nur in Worten, in

Lehren, oft viel eindrücklicher in Handlungen, Entscheidungen, in Sitten und Ge-

bräuchen, in der Ausprägung von Institutionen, in der Gründung von Städten und

Staaten.“ (Fink 1979, 90) Die theoretischen wie praktischen, institutionellen wie

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kulturellen Versuche menschlicher Daseins- und Selbstauslegung sind immer unsi-

cher, überholbar und nicht endgültig. Alle Versuche der Feststellung bleiben not-

wendig zirkulär und fragmentarisch, der Mensch bleibt sich immer – wie Fink sagt –

rätselhaft. In jeder materiellen wie ideellen Produktion bleibt ein nicht einholbares

Surplus.

Das menschliche Selbstverhältnis ist nach Fink nicht im Subjekt-Objekt-Schema zu

fassen. Als Selbstinterpretation in den Praxen menschlicher Selbstbestimmung darf

es aber auch nicht am hermeneutischen Modell des Verstehens gemessen werden.

Nicht eine epilogische Interpretation von bereits objektiv Vorhandenem, sondern ein

prologisches Sich-Entwerfen, eine Produktion von Sinn ist gemeint, für die Fink das

Wort „Beratung“ favorisierte. (Meyer-Wolters 1997) Sie bleibt immer bestimmt

durch die schon bestehenden historischen und aktuellen Formen kulturell-sinnhafter

Festschreibung und institutionell-machtmäßiger Festsetzung. Jede kulturelle und in-

dividuelle Bestimmung ist geprägt „sowohl in vorgeschichtlichen wie in geschichtli-

chen Zeiten durch ein mehr oder weniger ausdrückliches Produktionsverhältnis zur

Natur (Arbeit), durch ein machtmäßig interpretiertes Selbstverhältnis (Herrschaft),

durch ein Zeugungs- und Regenerationsverhältnis (Liebe), durch ein die Wirklichkeit

durchdringendes und aufhebendes Möglichkeitsverhältnis (Spiel), durch ein Verhält-

nis zum Ende, zur Nach- und Vorwelt (Tod)“. (Schütz 1995/96, 248)

In der Analyse der koexistentialen, elementaren Praxen findet Fink Belege für den

spekulativen Gedanken einer elementaren und nicht vermittelbaren Unterschie-

denheit, eines Grund-Risses zwischen Mensch und Welt, der in dem eigentümlichen

sich auslegenden Daseinsvollzug des Menschen aufbricht. Diese elementare Diffe-

renz liegt gleichsam unterhalb der wissenschaftlichen oder philosophischen Subjekt-

Objekt-Dichotomien, auch unterhalb anthropologischer Differenz, die sich auf den

anthropozentrischen Raum beschränkt. Im Aufbruch dieses Grund-Risses als ele-

mentare Verwiesenheit zwischen Mensch und Welt, der uns die Welt und die – mit

Fink gesprochen – binnenweltlichen Differenzen von alter und ego, Nähe und

Distanz, Vertrautem und Fremden usw. erst eröffnet und darin zugleich entzieht12,

12 In der Bahn Fink´scher Kosmologie gesehen, lässt sich der Einbruch der Kontingenz in die archäologischen Felder des Wissens bei Foucault als Hinweis auf das sonst epistemologisch, semiolo-gisch und struktural ausgeklammerte Welt-Problem und als verblasste Anzeige eines Weltbezuges le-sen, der die „Ordnung der Dinge“ verstört. Fink betont und bedenkt im Zusammenhang mit der Rede von der Fragmentarität des Menschen die Mensch-Welt-Differenz ohne sie transzendental-philosophisch zu überspringen. Die Welt ist hier nicht mehr subjektiv Vorgestelltes oder objektiv Vorhandenes, auch nicht mehr existentielles In-der-Welt-sein, sondern labyrinthisches und rätselhaf-tes Umfangendes, das „Raum, Zeit und Erscheinen geschehen lässt“. (Fink 1990, 205) Die „waltende

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erweist sich die Bruchstückhaftigkeit und Unwesentlichkeit des Menschen. (Fink

1989) Der Mensch kann sich in den entwerfenden, sinnhaften und Sinn produzie-

renden Praxen nicht einholen und endgültig fest-stellen, weil er als zeitliches und

zeitoffenes, leibliches und weltoffenes „Wesen“ von einem fundamentalen Grund-

Riss durchstimmt ist. Auf dieser Ebene erweist sich die Zirkularität der (Selbst-)Be-

stimmung des Menschen als ebenso eigentümlich für ihn wie auch die Endlichkeit

und Vorläufigkeit seiner Auslegungen und Entwürfe. Bildung und Erziehung werden

im Angesicht von Rätselhaftigkeit, Unabschließbarkeit und Fragmentarität zu einem

Experiment in Sachen Sinn produzierender Selbst- und Daseinsauslegung, werden zu

einer besinnenden Praxis in der Bereitschaft, sich der Fraglichkeit des modernen

menschlichen Daseins zu stellen. (Burckhardt 2001, 152ff.) Foucaults immer wieder

neu gestellte „Frage nach dem Subjekt“ (Foucault 1994a, 243) lässt sich in diesem

Zusammenhang als radikales Verstehensexperiment lesen. Dahinter scheint die

nothafte und notwendige Praxis des Menschen durch, seine offenen Selbstfraglich-

keit in Modellen, Schemata und Konzepten fassen zu müssen, sich darin aber nie

vollständig erfassen zu können, anders gesagt: sich nie durch sich selbst vor sich

selbst bringen zu können. Gerade unter Bedingungen der Unverfügbarkeit und Ge-

waltsamkeit der von Foucault so subtil analysierten Wissens- und Machtprozeduren

moderner Gesellschaft und Wissenschaft, in denen sich menschliche Selbstinter-

pretation und Fremdzugriff unentwirrbar vermischen, wird der von Fink aufgerissene

praktische Entwurfs- und Auslegungsvollzug menschlichen Daseins schier unerträg-

lich radikalisiert. Aber gleichsam unterhalb aller epistemologischen Dispositionen

des Wissens und machtmäßigen Disziplinar- und Diskursprozeduren scheint die

anthropologisch zirkuläre Grundstruktur von Foucaults Analysen als ein Hinweis auf

die elementar-anthropologische Dimension einer fragmentarischen und sich selbst

rätselhaft bleibenden Praxis des Denkens durch, das sich auch unter prekären und

scheinbar aussichtlosen Bedingungen durchhält. Im anthropologischen Zirkel jenseits

von Logizität und Systematik wird der experimentelle und prekäre, aber auch gebil-

dete und bildungsmächtige Versuch deutlich, sich selbst zu fassen mit dem Risiko,

sich darin zu verlieren und sich wieder zu entgleiten, oder mit Foucault gesagt: Neu-

Welt“ als Doppelspiel von Verbergen und Aufgehen, von Schaffen und Zerstören, von – mit Nietzsche gesprochen – apollinischer Feststellung und dionysischer Auflösung ist ein Spiel mit und in der Diffe-renz. Die Welt als Spiel und Differenz wäre das, was „vor jeder sich wissenden Selbstheit und vor je-der gewussten Sache (ist), sofern sie zuallererst den Raum und die Zeit eröffnet, worin das selbst sich von fremden Seienden zu unterscheiden vermag.“ (Fink 1960, 219)

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