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Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918 Begleitdokumentation zum Webvideo www.politische-bildung.nrw.de

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Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918Begleitdokumentation zum Webvideo

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Landeszentrale für politische Bildung NRW – Begleitdokumentation „Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918

Bildnachweis Titel Westfront, deutscher Soldat Bundesarchiv, Bild 183-R05148/CC-BY-SA

Herausgeber Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Referat Multimedia Horionplatz 1 40213 Düsseldorf [email protected] www.politische-bildung.nrw.de

Filmografische AngabenDie Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918 Regie: Andrew AitkenGroßbritannien 1991

Hinweis zum Abruf des Webvideos Das Webvideo, für das diese Begleitdokumentation erstellt wurde, ist erhältlich

1. unbefristet für die Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen • bei EDMOND NRW www.edmond.nrw.de

2. befristet bis zum 31. März 2016 • im Webangebot der Landeszentrale www.politische-bildung.nrw.de • auf dem YouTube-Kanal der Landeszentrale www.youtube.com/lzpbnrw

Bildnachweis Titel Westfront, deutscher Soldat Bundesarchiv, Bild 183-R05148/CC-BY-SA

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Westfront, deutscher Soldat Bundesarchiv, Bild 183-R05148/CC-BY-SA

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erstellt von Dr. Susanne Brandt, Universität Düsseldorf

Einführung in das Webvideo

Transkript mit Kommentar

Verzeichnis der Personen

Weiterführende Informationen

(Literatur, Filme, Romane und Museen)

Impressum

Lektorat: Dr. Philipp SankeKorrektorat: Korrekturservice Dr. Bärbel MüllerRedaktion: Ulrike Filgers & Dr. Philipp SankeGestaltung: Bernd Gichtbrock

herausgegeben im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen

© 2014

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Die vorliegende Dokumentation erzählt in 90 Minuten vielschichtig die Geschich-te des Ersten Weltkrieges. Sie zeichnet die wesentlichen Entwicklungslinien nach, nimmt die wichtigsten Kriegsschauplätze in den Blick und berücksichtigt gleicher-maßen Kriegs- und Heimatfront. Sie verzichtet darauf, den Zuschauer mit einer Flut von Daten, Personen und Fakten zu überfordern. Die in der Dokumentation dargestellten Fakten sind weitgehend korrekt

– nach derzeitigem Kenntnisstand. Nicht immer ist es möglich, eindeutige Infor-mationen zum Thema „Erster Weltkrieg“ zu finden. So weichen die Quellen etwa bei Verlustzahlen – also der Zahl der im Krieg gefallenen Menschen – stark vonei-nander ab. Es ist nicht immer klar, ob die in den verschiedenen Quellen dargestell-ten Verluste nur Tote oder auch Verwundete und Kriegsgefangene mit einbeziehen. Konkrete Daten können auch deshalb unterschiedlich sein, weil zum Beispiel un-terschiedliche Angaben über den Zeitpunkt des Endes einer Offensive vorliegen. In russischen Darstellungen muss überdies von einem anderen Kalender umgerech-net werden. Nicht jede Abweichung von anderen Darstellungen ist deshalb also unbedingt ein Fehler. Die Dokumentation verleugnet ihre englische Herkunft nicht. Für deut-sche Ohren ist die manchmal stark wertende und emotionale bis pathetische Ausdrucksweise des Kommentars vielleicht ungewohnt. Das sollte den Zuschauer jedoch nicht dazu verleiten, den Wert der Dokumentation zu unterschätzen. Im Wesentlichen stellt sie noch immer gültige Forschungsergebnisse dar, auch wenn sie mehr als zwanzig Jahre alt ist.

Die Geschichte des Ersten Weltkrieges ist komplex – aber gut erforscht. Fast jeder Satz in der Dokumentation liefert komprimierte Informationen, zum Teil aber auch Meinungen. Der Vorzug des in klaren Thesen formulierten Kommentartextes ist jedoch, dass er sich gut als Diskussionsanregung eignet. Für die Zuschauer, die sich weiter informieren möchten, wird im Anhang dieses Begleittextes weiterführende Literatur angeboten. Zusätzlich werden aus-gewählte Filme und Romane zum Ersten Weltkrieg sowie fünf Museen vorgestellt, die einen anschaulichen Zugang zum Thema aus unterschiedlichen Perspektiven bieten. Der Filmzuschauer sollte berücksichtigen, dass die vorliegende Dokumen-tation das Bild- und Filmmaterial zur Veranschaulichung und zur Visualisierung des Kommentartextes, nicht aber als Quelle oder Beleg verwendet. Aufgrund der damaligen technischen Möglichkeiten existieren zum Beispiel überhaupt keine authentischen Schlachtaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg. Deshalb sind an einigen Stellen der Dokumentation Filmsequenzen aus Spielfilmen der Zwischen-kriegszeit eingefügt. Deren Regisseure fühlten sich damals verpflichtet, für ihr zum Großteil aus Veteranen bestehendes Publikum ein authentisches Bild des Krieges zu entwerfen. Es schadet der Aussagekraft der Dokumentation jedoch nicht, dass dieses Spielfilmmaterial integriert wurde.

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An manchen Stellen werden in der Dokumentation Fotos gezeigt, die zu einem spä-teren Zeitpunkt entstanden sind und nicht die Ereignisse abbilden, die sie im Film veranschaulichen sollen. So finden sich im Filmkapitel über die ersten Kriegsmo-nate Bilder deutscher Soldaten, die Kanonen durch den Matsch ziehen – genau-so, wie es 1914 auch gewesen ist. Jedoch lassen die auf den Bildern zu sehenden Stahlhelme erkennen, dass hier Aufnahmen verwendet wurden, die frühestens 1916 entstanden sein können. Einige offensichtliche Schwächen des Kommentartextes sind wahrschein-lich auf seine in Einzelfällen unzureichende oder fehlerhafte Übersetzung zurück-zuführen.

Der Autorin dieser Begleitdokumentation lag die englische Originalfassung lei-der nicht vor; sie hat dennoch versucht, solche Unzulänglichkeiten zu glätten. Im Kommentartranskript werden solche Änderungsvorschläge gegenüber dem deut-schen Original in Fußnoten angezeigt. In eckigen Klammern finden sich außerdem minimale Ergänzungen, die den Text flüssiger gestalten.

Dr. Susanne Brandt, Universität Düsseldorf

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1 Im Original „französisch-preußischen“; vermutlich falsch rückübersetzt.

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Am 28. Juni 1914 löste das feige Attentat eines jungen bosnischen Nationalisten auf den Thronfolger der k. u. k. Monarchie Kräfte aus, die die Welt in ein Massen-sterben stürzen sollte[n], in den Ersten Weltkrieg oder auch der „Große Krieg“ ge-nannt.

Innerhalb weniger Wochen wurden die Streitkräfte aller europäischen Nationen mobilisiert und in Angriffsstellung gebracht. Sie zogen die Welt in einen tödlichen Strudel, in einen gnadenlosen Krieg, der in nur vier Jahren neun Mil-lionen Tote auf den Schlachtfeldern zurücklassen, mensch-liches Leiden von bis dahin unbekannten Ausmaßen ver-ursachen und die Welt in ein großes Schlachtfeld verwan-deln sollte. Aber der Mord an Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo war lediglich der Funke, der das in Europa seit Jahrzehnten schwelende Pulverfass zur Ex-plosion brachte. Im Mittelpunkt der Geschehnisse stand Deutsch-land. Unter dem listigen Meisterdiplomaten Otto von Bismarck, dem „Eisernen Kanzler“, wurden 35 Einzel-staaten zu einem einzigen verschmolzen. Der militärische Erfolg im deutsch-französischen Krieg 1 von 1870/71 hat-te dem jungen Deutschland zur Position als europäische Militärmacht verholfen. Die nachfolgenden drei Jahrzehn-te sahen gewaltige Anstrengungen in der Industriealisie-rung, im Bildungssystem und im Überseehandel. Die Bevölke-rung wuchs um 20 Millionen an, während sich die Bevöl-kerung des Erzfeindes Frankreich verringerte. Um 1900 fühlte sich das selbstbewusste Deutschland stark genug, um als Weltmacht aufzutreten und mit den Kolonialstaa-ten mitzuziehen. Die anderen Mächte aber waren der Mei-nung, ihr Club sei voll besetzt. Die europäischen Mächte hatten Anlass zur Sorge, als Bismarck, dessen Bestreben auf Verteidigung und Si-cherheit des jungen Reiches ausgerichtet war, von Kaiser Wilhelm II. zum Rücktritt gezwungen wurde. Strebsam und intelligent, aber auch eingebildet, ehrgeizig und im-pulsiv, hatte sich der neue Kaiser ganz als Kriegsherr ge-

geben, sich ganz und gar mit der Aura preußischer Militärkultur identifiziert und war völlig dem Traum von deutscher Macht hingegeben. Aber es bestanden noch mehr Verknüpfungen unter den Mächten und ih-ren herrschenden Schichten, die als starkes Bollwerk gegen jegliche Kriegsüber-legungen hätten dienen können: Eine Verwandtschaft und Verschwägerung unter den Herrschern wurde von einer exklusiven politischen und militärischen Elite ge-

00:00 min. Kapitel 1: Europa vor dem Krieg

1 Im Original „französisch-preußischen“; vermutlich falsch rückübersetzt.

Neun Millionen ToteIn der Dokumentation wird die Zahl von neun Millionen Toten als Bilanz des Ersten Welt-krieges genannt. Es ist schwer, die korrekte Zahl der Toten zu ermitteln. Zu den gefallenen Soldaten können weitere sechs Millionen zi-viler Opfer hinzugerechnet werden, die im weitesten Sinne infolge von Kriegseinwirkun-gen – Hunger, Seuchen, Luftangriffen etc. – gestorben sind. Wenn von „Verlusten“ ge-sprochen wird, sind häufig nicht nur Gefallene, sondern auch Kriegsgefangene oder Verwun-dete mit eingeschlossen.

Ein Meisterdiplomat?Bismarck wird in der Dokumentation als „Meisterdiplomat“ bezeichnet. Mit dieser Be-zeichnung sollte man vorsichtig sein. Bismarck hatte im Krieg von 1870/71 die Gründung des Deutschen Reiches vor allem deshalb betrieben, um die Monarchie zu ret-ten. Einer drohenden weitreichenden Demo-kratisierung oder gar einer Revolution setzte er die Reichsgründung „von oben“ entgegen. Mit den harten Reparationsforderungen und Gebietsabtretungen – zum Beispiel Elsass-Lothringen – legte er nach dem Krieg gegen Frankreich jedoch auch den Keim für künfti-ge Konflikte. Auch seine Bündnispolitik, die sich explizit gegen Russland richtete, ver-schärfte in Europa die Spannungen.

Transkript mit Kommentar

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2 Im Original „im Balkan“.3 Im Original „Wer konnte da durch einen massiven Konflikt profitieren?“.

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2 Im Original „im Balkan“.3 Im Original „Wer konnte da durch einen massiven Konflikt profitieren?“.

stützt, die in pompösen Palästen, Clubs und Salons in Berlin, Wien, Petersburg, London oder Paris gleichermaßen zu Hause war. In krassem Gegensatz zu dem glitzernden und ausgelassenen Leben dieser herrschenden Minderheit und ihrer reichen, begünstigten, aber dilettan-tischen Gefolgschaft stand das ärmliche Leben der großen Masse. Der Großteil der Bevölkerung bestand aus Bauern, die in den riesigen ländlichen Gebieten des Deutschen Reiches lebten und deren Verhältnisse sich über Jahrhunderte kaum verändert hatten. Die städtischen Arbeiterschichten vegetierten in herunterge-kommenen Stadtvierteln, die durch die industrielle Revolution wie Pilze aus dem Boden schossen. Aber diese Massen waren nicht mehr das Produkt eines rigiden Feudalismus: Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und das Bildungssystem sowie die Versuche, Demokratie zu etablieren, hatten ein zorniges Proletariat ge-schaffen, das bereit war, den Ungerechtigkeiten des Status quo ein Ende zu ma-chen. Der sozialistische Geist wehte durch die Salons der Reichen. Außerdem entstanden tiefe nationale Spaltungen, die den Herrschern der verschiedenen Reiche große Sorgen bereiteten. Kaiser Franz Josef von Österreich war ein weichlicher Herrscher über ein tausendjähriges Reich, das aus 17 grund-verschiedenen Nationen bestand. Unter anderem aus Deutschen, Slawen, Kro-aten, Serben, Polen, Tschechen, Ungarn. Selbst Großbritannien sah sich in dem nach Selbstverwaltung strebenden Irland Aufruhr gegenüber. Die herrschenden Dynastien Europas, die selbst schwere interne politische und soziale Schwierigkeiten hatten, schienen kaum an einer Kriegsführung mit ih-resgleichen interessiert. Aber der Rüstungswettlauf geriet aus der Bahn und die Hinwendung zum Krieg ging weiter. 1914 schien es, als wolle niemand den Krieg. Russland war noch dabei, sich von dem Krieg gegen Japan von 1905 zu erholen. Frankreich rüstete wieder auf, hatte aber eine pazifistische Regierung und schien bessere Beziehungen zu Deutschland zu suchen. Österreich-Ungarn war mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Die Nationalisten führten Krieg auf dem Balkan 2. Großbritannien schien damit zufrieden, sein eigenes Reich unter Kont-rolle zu halten. Selbst die deutschen Industriellen waren davon überzeugt, dass Deutschland aus rein wirtschaftlicher Kraft zur Weltmacht emporsteigen könne. Alle Mächte verfügten zur Abschreckung über starke Armeen oder Seestreitkräfte. Alle Mächte hatten Abkommen [geschlossen], um die Aggression der anderen un-ter Kontrolle zu halten. Alle Mächte hatten akute Probleme im eigenen Land. Wer konnte da von einem massiven Konflikt profitieren? 3

Kommentar Europa vor dem Krieg

In der Dokumentation wird richtig darauf hingewiesen, dass die europäischen Mächte durch ein Geflecht von Familienbanden miteinander verbunden waren. Doch dieses Geflecht, welches den Frieden hätte sichern können, reichte für diese große Aufgabe nicht aus. Denn die europäischen Mächte konkurrierten stark miteinander, zum Beispiel um Kolonien oder um Märkte. Richtig ist, dass alle Nationen im Innern mit sozialen Problemen konfrontiert waren. Ergänzt werden sollte, dass die fünf großen europäischen Mächte unterschiedliche politische Systeme hatten. Russland am einen Ende des Spektrums war eine Autokratie, in der der Zar mit uneinge-schränkter Macht herrschen konnte. Deutschland und Österreich-Ungarn waren hingegen Monarchien –

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4 Im Original „Kriegsstab“.

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Dennoch geriet im August 1914 das gigantische diplomatische Schachspiel außer Kontrolle. Alle Sicherungsmechanismen versagten in Europa und die Allianzen der subtilen alten Diplomatie wurden wieder auf den Plan gerufen: Deutschland mit Österreich-Ungarn sowie die starke Entente zwischen Russland, Frankreich und England. Es bestanden kaum Zweifel daran, dass der [deutsche] Kaiser der Kriegs-treiber war. Im Dezember 1912 rief er einen Kriegsrat 4 der deutschen Militärelite zusammen und brüskierte damit die Diplomaten. Das Militär und die kaiserliche Machtstellung repräsentierten im Ausland die deutsche Nation. Im Jahr 1900 legte Admiral Alfred von Tirpitz einen Fünfzehnjahresplan für ein umfangreiches Schiffsbauprogramm vor. Ein undiplomatischer Versuch, das Deutsche Reich mit einer starken Waffe auszurüsten, um den Engländern einen Teil der Kolonialmacht zu entreißen. Bis 1914 wurde der Nord-Ostsee-Kanal erweitert, um den neuen Schlacht-schiffen die Passage von der Ost- zur Nordsee zu ermöglichen. 1914 verfügte Deutschland über ein hervorragend ausgebildetes Herr, das von einem Offiziers-korps in der unvergleichlich preußischen Tradition ausgebildet wurde. Schließlich legte Alfred Graf von Schlieffen dem Reich einen Kriegsplan der Superlative für den Kriegsfall vor. Deutschland war für den Krieg vorbereitet, wenngleich auch nicht sonderlich interessiert, ihn zu beginnen. In der Struktur war der Schlieffen-Plan sehr einfach: Vier deutsche Arme-en sollten einen Verteidigungswall an der eigenen Grenze bilden und die übrigen drei Armeen sollten Belgien in einem riesigen Bogen überrennen und Frankreich ausmanövrieren. Schnelligkeit und das Überraschungsmoment sollten Frankreich vom Schlachtfeld fegen. Die deutschen Armeen könnten sich dann zur Ostfront wenden und die Abwehr gegen die sich langsam aufrüstenden Russen aufbauen. Dies wäre die Möglichkeit, den gefürchteten Zweifrontenkrieg zu umgehen. Der

4 Im Original „Kriegsstab“.

in ihnen wurden die nach Demokratie strebenden Kräfte zu dieser Zeit zwar stärker, politisch konnten sie jedoch nur wenig Einfluss nehmen. Die Republik Frankreich und das Vereinigte Königreich Großbritannien waren demgegenüber bereits gefestigte Demokratien mit starken Parlamenten. In Russland, Deutschland und Österreich-Ungarn entschieden Monarchen, Militärs und konserva-tive Politiker über den Kriegseintritt. Sie hofften, dass ein siegreicher Krieg die Monarchien ohne sonst vielleicht notwendige politische Reformen stabilisieren würde. Zugleich herrschte die Überzeugung, dass der Krieg eine legitime – wenn nicht sogar unvermeid-bare – Fortsetzung der Politik sei. Keinesfalls kann man sagen, keiner habe den Krieg gewollt. Im Gegen-teil: Deutschland und Österreich-Ungarn nutzten den „Funken von Sarajevo“, um die Kriegsbereitschaft der anderen Nationen zu testen. Zwar wussten die Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt nicht, wie sich der Krieg tatsächlichen ent-wickeln würde, aber sie nahmen bewusst ein großes Risiko in Kauf. Was ebenso wichtig ist: Es gab europa-weit keine Kräfte oder Institutionen, die sich für den Erhalt des Friedens einsetzten.

06:16 min. Kapitel 2: Kriegsvorbereitungen

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Schlieffen-Plan baute buchstäblich auf dem Fahrplan der Deutschen Reichsbahn auf. Der 9.45er von Berlin nach Brüssel blieb der Berlin–Brüssel. Aber die Fracht wurde zu einer ganz anderen. In Sarajevo hörte das Warten auf und die Ereignisse bewegten sich vom Ursprung auf dem Balkan in alle Richtungen fort. Ultimaten, Drohungen und Ge-gendrohungen schwirrten kreuz und quer durch Europa. Aber die Würfel waren gefallen, die aus unrealistischem Ehrgeiz, Bündnisverpflichtungen, Druck der Öffentlichkeit oder einfach nur aus Angst die Mächte eine nach der anderen ins Kampfgeschehen trieben. Millionenstarke Truppen wurden per Bahn an die Front-gebiete geschafft, von überschwänglich enthusiastisch klingenden Rufen wie

„nach Berlin“ oder „nach Paris“ begleitet. Aber es war eine gigantische Aufgabe, die riesigen Armeen an die Fronten zu transportieren. Ein Soldat zu Fuß war 1914 nicht schneller als 100 Jahre zuvor, als die gleichen Mächte sich in der Schlacht von Waterloo gegenüberstanden. Diese gewaltigen Landarmeen mit Nachschub jeder Art zu versorgen, stell-te ein logistisches Problem ohnegleichen dar. Für die Verschiebung einer Truppe von 12.000 Mann mit ihren Pferden und Ausrüstungen benötigte man 1.000 Güter- und Personenwagen. Vom Bahnhof mussten die Truppen an die Front geschafft werden, was oft eine Plackerei in der aufgewühlten und schlammigen Landschaft bedeutete. Die Truppenladung eines einzigen Zuges füll-te über 20 Kilometer Straßenstrecke und benötigte rund fünf Stunden, um einen Posten zu passieren. Die 1. deut-sche Armee bestand allein schon aus 320.000 Mann. Wenngleich Deutschland auch die treibende Kraft des Krieges war, so waren die Alliierten für die Härte des Krieges verantwortlich. Die großen Armeen, die ur-sprünglich aufgestellt wurden, um Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, entwickelten, erst einmal in Bewegung gesetzt, eine nicht mehr unter Kontrolle zu bringende Ei-gendynamik.

Wer war für die Härte des Krieges verant-wortlich?Die These in der Dokumentation, die Alliier-ten – also die Truppen der Entente und ihrer Verbündeten – seien für die Härte des Krie-ges verantwortlich, ist zu pauschal und so nicht haltbar. Die Dokumentation selbst zeigt, dass beide Seiten neue Waffen entwickelten und immer unerbittlicher Krieg führten.

Kommentar Kriegsvorbereitungen

Die Dokumentation weist richtig darauf hin, dass das Deutsche Reich mit dem Bau einer Schlachtflotte die Seemacht Großbritannien offen herausforderte. Grundlage dafür waren die von Admiral Tirpitz initiierten Flottengesetze. Das Verhältnis zu Großbritannien verschlechterte sich unter Kaiser Wilhelm II. in der Tat beständig. Die historische Forschung weist ihm eine große Verantwortung am Kriegsausbruch zu. Nach dem Attentat von Sarajevo sah er die Chance, Österreich-Ungarn im Kampf gegen Serbien zu unterstützen. Es wäre je-doch angesichts der komplexen Lage nicht richtig, ihn alleine verantwortlich zu machen. Der Kaiser, die Militärs und Kanzler von Bethmann Hollweg sahen in dem Attentat von Sarajevo eine Möglichkeit, auszutesten, ob Russland Serbien in einem Konflikt beistehen würde. Wenn nicht, so die Hoffnung der deutschen Führung, würde Russland als Bündnispartner von Frankreich und Großbritannien stark an Glaubwürdigkeit verlieren. Vielleicht – so das Kalkül – würde sogar die Entente zerbrechen, also das Militärbündnis der genannten drei Nationen. Deutschlands Verantwortliche waren überzeugt, dass die Entente in absehbarer Zeit den Rüstungs-vorsprung des Deutschen Reiches aufholen werde. Wenn also ein Krieg schon unvermeidlich war, dann wollte man ihn wenigstens so bald wie möglich führen.

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5 Dieser Satz ist unverständlich. Ohne das englische Original lässt er sich jedoch nicht korrekt übersetzen oder korrigieren.6 Lüttich

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5 Dieser Satz ist unverständlich. Ohne das englische Original lässt er sich jedoch nicht korrekt übersetzen oder korrigieren.6 Lüttich

Deutschland hoffte bei seinen Kriegsplänen auf eine Begrenzung des Konfliktes, und dabei vor allem auf die Neutralität Großbritanniens. Die deutsche Führung trug – darin sind sich die meisten Historiker einig – die Verantwortung für die Eskalation in der Julikrise rund um die Ermordung des österreichischen Thronfolgers. Die Entente-Mächte erkannten jedoch schnell, dass das Attentat von Sarajevo als Test für das ei-gene Militärbündnis genutzt wurde. Sie zeigten sich entschlossen, die Vertragsbedingungen des Bündnis-ses zu erfüllen. Diese sahen vor, dass Großbritannien im Falle der Verletzung der belgischen Neutralität in einen Krieg eintreten würde. Nachdem Serbien zunächst entgegenkommend auf das österreichische Ultimatum reagiert hatte, schwankte der deutsche Kaiser Wilhelm II.: Sollte das Deutsche Reich wirklich in den Krieg ziehen – oder sich von Österreich-Ungarn distanzieren? In Kriegszeiten war der Kaiser zwar Bestandteil der Obersten Heeresleitung, in die Kriegsführung griff er – obwohl Oberster Kriegsherr – aber nicht ein. Der Versailler Vertrag sah nach Kriegsende vor, Wil-helm II. als Kriegsverbrecher vor ein Gericht zu stellen. Er entzog sich diesem Verfahren jedoch durch sein Exil im niederländischen Doorn.

Das begehrte Elsass-Lothringen wirkte wie ein Magnet auf die französischen Trup-pen, die nördlich des Rheins verlegt wurden, direkt in die Arme der Deutschen. 5 Am 4. August 1914 durchzogen die furchteinflößenden deutschen Armeen belgi-sches Gebiet, die Hoheitsrechte der Belgier einfach missachtend. Der Albtraum des Ersten Weltkrieges hatte damit begonnen. Der erste Eindruck, dass der Krieg ein Bewegungskrieg sein würde, verflog schnell, als der erste Schwung der deut-schen Truppen nachließ und sie an der Marne zum Stillstand kamen. Einige Einheiten von von Klucks 1. Armee, am Rande des Marne-Bogens postiert, waren nach Tagesmärschen von rund 40 Kilometern völlig erschöpft. Selbst wenn die Deutschen den Kampf an der Marne für sich entschieden hät-ten, wären sie nicht in der Lage gewesen, weiterzumarschieren. Die Kontakte zum Oberkommando waren unterbrochen und die Nachschubversorgung auf ein Mi-nimum geschrumpft. Diese modernen Armeen waren nicht in der Lage, sich aus dem Land zu ernähren. Die deutsche Spannkraft ließ nach. Der Schlieffen-Plan hatte versagt. Der entschlossene Widerstand des tapferen kleinen Belgien bei der Festung von Liège 6 hatte den deutschen Angriff elf Tage lang aufgehalten. Tage, die

dazu ausreichten, den alliierten Widerstand zu organisieren. Das Frühstadium des Krieges verlief für die Mit-telmächte im Osten schlecht. Sie wurden mit Leichtigkeit von einigen der weltbesten Soldaten aus Serbien zurück-geschlagen, von den zerlumpten, aber alles überwälti-genden russischen Horden besiegt und zum Rückzug aus Galizien gezwungen. Aber all dies wurde in der tak-tisch brillanten Schlacht bei Tannenberg ins Gegenteil

„Zerlumpte Horden“? Absolut unpassend – und in der Dokumen-tation ein Ausrutscher – ist die abfällige Bezeichnung der russischen Soldaten als „zerlumpte Horden“.

10:53 min. Kapitel 3: Sackgasse Stellungskrieg

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verkehrt, als die Deutschen die russische Narew-Armee, die doppelt so groß wie die eigene war, einschlossen und 100.000 Gefangene machten. Zwei Männer kamen bei diesem für Deutschland bedeutendsten Sieg groß her-aus. Sie sollten später die ganze deutsche Kriegsführung übernehmen: Paul von Hindenburg, ein 66 Jahre alter, aus dem Ruhestand zurückberufener Soldat, und der brillan-te Stratege Erich Ludendorff. Als in den ersten Monaten den diversen Umfas-sungsversuchen an der Westfront Widerstand geleistet und die Truppen in Schach gehalten wurden, endete das Ganze in einem ergebnis-losen Wettlauf zum Meer. Die Offensive lief sich tot. Der Bewegungskrieg wurde zum Stellungskrieg und beide Seiten verschanzten sich in ihren Stellungen von der Schweiz bis zum Meer. An der Ostfront wurden Reserven neu aufgestellt und die verirrten Armeen gaben die Suche nacheinander in dem riesigen, menschenlee-ren Land, weitab von den Versorgungsbahnhöfen, auf. Im Niemandsland zwischen den Fronten pflügten die Bauern gleichgültig ihre Böden weiter. Auf beiden Seiten setzten die Kämpfe aus, als der Winter einbrach. Der Krieg würde bis Weihnachten nicht zu Ende sein. Die Kosten der militärischen Operationen von 1914 gerieten außer Kontrolle. Die Liste der Gefallenen umfasste bereits Millionen und alles, was die Armeen mit ihrem Blutbad erreicht hatten, war, in eine Sackgasse zu geraten. Eine ausweglose Situation, die mehrere Jahre andauern sollte. Die hochgesteckten Erwartungen wichen brutaler Realität, als eine Million Flüchtlinge mit ihren Bündeln aus dem belagerten Belgien flüchteten. Die Kavallerieoffizie-re, die mit ihren Helmbüschen und Standarten, altmodi-schen Schwertern, Lanzen und Vorstellung wie Schieß-budenfiguren wirkten, waren von der Wirklichkeit des Krieges geschockt: Dies war nicht der kurze, heldenhafte Krieg, auf den sie sich eingestellt hatten.

Kommentar Sackgasse Stellungskrieg

Richtig werden in der Dokumentation die zahlreichen Ursachen für das Scheitern des Schlieffen-Planes genannt. Ergänzt werden können noch die Angaben zu den Annahmen, von denen die Kriegsplaner in ihrem Konzept für einen Zweifrontenkrieg ausgingen: Zunächst sollte die französische Armee in einer riesigen Umfassungsbewegung geschlagen werden. Dafür sollten die deutschen Truppen nicht die stark gesicherte deutsch-französische Grenze überschreiten, sondern durch das neutrale Belgien vordringen. Für diese Phase waren nicht mehr als sechs Wochen vorgesehen. Nach dem Sieg über Frankreich sollten die Truppen dann an die Ostfront verlegt werden. Die Kriegs-planer gingen davon aus, dass Russland wesentlich länger als die genannten sechs Wochen für die Mobil-machung und den Truppentransport benötigen würde. Diese Rechnung ging jedoch – nicht zuletzt wegen

Ludendorff: Ein brillanter Stratege? An der Ostfront hatte die deutsche Armee großes Glück, denn sie konnte die russischen Pläne für die „Tannenberg“ Schlacht abfan-gen. Insofern ist es übertrieben, von „brillan-ter“ Taktik zu sprechen und General Luden-dorff als „brillanten Strategen“ zu bezeichnen.

Entgleisung des KriegesIn der Dokumentation hätte auch deutlicher betont werden können, dass der Krieg schon zu diesem frühen Zeitpunkt „entgleiste“: Die Deutschen beschuldigten sogenannte Freischärler, völkerrechtswidrig zu kämpfen, und reagierten mit großer Brutalität gegen-über der belgischen Zivilbevölkerung. Namhafte Intellektuelle wie zum Beispiel Thomas Mann, Georg Simmel und Werner Sombart meldeten sich daraufhin zu Wort und erklärten den Konflikt zu einem Krieg zwischen Kultur und Zivilisation.

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7 Die englische Bezeichnung „Pals-Battalions“ hat im Deutschen keine Entsprechung, lässt sich 8 daher nur sinngemäß übersetzen.8 Zitat, das vereinzelt und ohne Beleg in amerikanischen Quellen Wilhelm II. zugeschrieben wird.

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7 Die englische Bezeichnung „Pals-Battalions“ hat im Deutschen keine Entsprechung, lässt sich daher 8 nur sinngemäß übersetzen.8 Zitat, das vereinzelt und ohne Beleg in amerikanischen Quellen Wilhelm II. zugeschrieben wird.

des Eisenbahnbaus in Russland – nicht auf. Deshalb mussten entgegen dem Plan einige deutsche Truppen-teile vorzeitig an die Ostfront verlegt werden. Diese Umverteilung schwächte den rechten deutschen Flü-gel an der Westfront, der im ursprünglichen Plan eine zentrale Bedeutung hatte. Etwas zu kurz kommt in der Dokumentation auch der Hinweis darauf, dass Großbritannien vor allem deshalb in den Krieg eintrat, weil die belgische Neutralität verletzt wurde. Die deutsche Seite hatte lange gehofft, dass Großbritannien nicht eingreifen würde.

In der Heimat wurden die Menschen der kriegsführenden Staaten im Taumel von 1914 mitgerissen. Überall folgten die Männer dem Ruf zu den Waffen in einem An-fall von Patriotismus. In England sammelten sich Freiwillige jeden Alters, um sich einschreiben zu lassen. Dies war weder ein Bauernkrieg noch ein Krieg für Berufs-soldaten. Ganze Universitätsklassen, Firmen, ganze Städte und Dörfer zogen in den Kameradschaftsbataillonen 7 in den Krieg. Die Menschen, mit denen man gearbeitet und gelebt hatte, wurden zu Menschen, mit denen man starb. Die männliche Bevölkerung einer ganzen Stadt konnte buchstäblich in einer großen Schlacht ausgelöscht werden. Es war kein kurzes, heldenhaftes Zwischenspiel in ihrem Leben mehr, in dem der Ruf zum Dienst auch die Aussicht auf große Abenteuer, den Glanz der Uniformen, eine Ab-wechslung von der Monotonie des Alltags und für einige die Aussicht auf ein gere-geltes Einkommen bedeutete. In den Staaten, in denen es die Wehrpflicht gab, war der leidenschaftliche Wille, am Krieg teilzunehmen, nicht geringer. Europa wurde von einer Kriegshyste-rie ergriffen. Gott schien auf jedermanns Seite, selbst der des Kaisers. Gott hörte die kampfbereiten Nationen singen und rufen „Gott bestrafe England“ und „Gott schütze den König“, Gott hier, Gott da, Gott überall. „Mein lieber Gott“, sprach Gott, „wie schwer wird’s mir gemacht.“ In England kochten die Straßen, Konzertsäle und Kanzeln vor nationa-ler Leidenschaft und Sentimentalität über. Die Königsfamilie ersetzte sogar ihre deutschstämmigen Namen. Sachsen-Coburg [und] Gotha wurde zu Windsor, Bat-tenberg zu Mountbatten. „Gott hat uns erschaffen, um die Welt zu zivilisieren, Leid und Tod allen, die sich meinem Willen widersetzen“. 8 Aber die öffentliche Hysterie hatte einen bitteren Beigeschmack. Es kam eine allgemeine Fremdenfeindlichkeit auf. Der Hass auf den Kaiser drückte sich in Ausschreitungen gegen alle, die einen ausländisch klingenden Namen trugen, aus, sie liefen praktisch in die offenen Mes-ser der plündernden Mengen. Der Ausländer galt schlechthin als Feind. Die Propaganda stand wie nie zuvor im Mittelpunkt und nahm größten Einfluss. Die Tageszeitungen wurden zum idealen Träger, die die Propagandisten benutzten, um mit ihrer primitiven, sensationslüsternen, chauvinistischen und selten wahren Botschaft beim Volk anzukommen. Die Darstellung des Feindes als Ungeheuer wurde von der kriegshungrigen Masse leicht aufgesogen. Die Idee ei-

14:56 min. Kapitel 4: Jenseits der Front

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9 Im Original „in den“.10 Im Original „Ich sehe hier keine Parteien, nur Deutsche!“. Falsch rückübersetztes Zitat. 11 Wahrscheinlich gemeint: „Zusammengehörigkeit“.

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9 Im Original „in den“.10 Im Original „Ich sehe hier keine Parteien, nur Deutsche!“. Falsch rückübersetztes Zitat. 11 Wahrscheinlich gemeint: „Zusammengehörigkeit“.

nes heldenhaften und glorreichen Krieges wurde durch dosierten Gebrauch ein-zelner Wahrheiten genährt, bis die harte Wirklichkeit zuschlug. Auf Regierungsebene wurden sogenannte Fremde massiv aus dem Weg geräumt. Großbritannien stand mit diesen Aktionen bei Weitem nicht alleine da. In Deutschland und Österreich waren Ausländer dieser Situation ebenso ausgesetzt. Aber der Kriegstaumel ergriff nicht alle. In den Städten, den Sammelpunkten für die Verschickung an die Front und den Einberufungslokalen war die Stimmung zwar aufgeheizt, aber auf dem Land wurde dem Krieg mit Resignation und Frust begegnet. Das vor Invasionen relativ sichere England hatte bezüglich des Krieges leicht reden, als es auf Belgiens Schicksal reagierte. Aber das europäische Fest-land hatte Ähnliches schon in bitterer Erinnerung: keine Männer, die das Land be-stellen, Wohnungen in großer Zahl zerstört, lange Züge erschöpfter Soldaten. Der Krieg dauerte wesentlich länger, als man angenommen hatte. Dies wurde für die Politiker zum Problem. Besonders in Großbritannien musste die Wirtschaft durch das Militär geregelt werden, damit die gefräßigen Fronten ge-halten werden konnten. Die anhaltende Einberufung in die Armee hinterließ rie-sige Lücken an Arbeitskräften in der Industrie. Die Regierung hatte viel zu spät bemerkt, dass sie wertvolle Kumpel und Stahlarbeiter im 9 ersten Enthusiasmus an den Krieg verloren hatte, und versuchte vergeblich, so viele wie möglich zurück-zuholen, bevor der Krieg seinen endgültigen Tribut fordern würde. Die meisten Lücken in der Industrie wurden dann mit Frauen und später auch Kindern geschlossen. Es war reiner Zynismus, dass hier legalisiert wurde, was lange Zeit für an der Armutsgrenze dahinvegetierende Familien gang und gäbe war. Die Frauenrechtlerinnen der Mittelschicht bejubelten die ansteigende Beschäftigung der Frauen als Siegeszug der Emanzipation. Für die Arbeiterschicht bedeutete dies aber nur eine Verlagerung der Arbeitskräfte. In den Munitionsfabri-ken konnte mehr Geld verdient werden als in Haushalten oder der Textilindustrie. Es entstanden Gegenbewegungen, die vor moralischer Gefahr und Kindesver-nachlässigung warnten, wenn die Frauen Arbeitsplätze einnehmen, die traditionell Männern vorbehalten waren. Aber die Propagandisten schlugen aus dieser neuen Frauenarbeiterschaft gegen alle Proteste und Widerstände Kapital. Aber der Glanz verblasste ganz schnell, als die Frauen feststellten, dass sie praktisch zwei volle Arbeitsplätze einnahmen, und täglich ungeheuer lange Ar-beitszeiten auf sich nehmen mussten. Die meisten Familien hatten mindestens ei-nen Brotverdiener an die Armee verloren und mit der explodierenden Inflation, für die es auch keinen Ausgleich gab, wurde jeder Mehrverdienst schnell wertlos. Nur die Schieber und Wucherer verdienten am Krieg. Für die Politiker war es ein glücklicher Umstand, dass der Friede unter den Klassen standhielt und der Kaiser großzügig im von den Sozialdemokraten domi-nierten Reichstag verkünden konnte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“ 10 In diesem anfänglichen Geist der Zusammenarbeit 11 und der Einheit wurde die Kriegsmaschinerie genährt und der Krieg fortgesetzt.

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Landeszentrale für politische Bildung NRW – Begleitdokumentation „Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918

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Kommentar Jenseits der Front

Die Dokumentation unterstreicht, dass der Erste Weltkrieg von Anfang an die gesamte Gesellschaft betraf. Es gab Kriegsbegeisterung, aber auch skeptische Stimmen. Beides ist richtig, ebenso der Hinweis darauf, dass in allen Staaten eine Art Burgfrieden geschlossen wurde, indem innergesellschaftliche Differenzen – zumindest vorübergehend – zurückgestellt wurden. Intensiver könnten jedoch die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten betont werden: • In Frankreich hielt die „Union sacrée“ bis zum Kriegsende. Die Nation von Besatzern zu befrei- en war ein Wunsch, der Soldaten wie Zivilisten gleichermaßen motivierte. • Ähnlich war die Lage in Belgien. • In Deutschland hingegen brachen die gesellschaftlichen Konflikte bald wieder auf – zur Revolte kam es jedoch erst kurz vor Kriegsende.

Wichtig ist die Rolle der Propaganda. Vor allem um die neutralen Staaten wurde geworben. Sie sollten ent-weder unparteiisch bleiben oder, besser noch, auf der Seite des eigenen Bündnisses in den Krieg eintreten. Aber die Propaganda zielte natürlich auch auf die Individuen. In fast jedem am Krieg beteiligten Land – in England ab 1916 – bestand die Wehrpflicht. Um die Soldaten zu motivieren, mussten sie über-zeugt sein, für eine gerechte Sache zu kämpfen. Sie sollten sich nicht als Angreifer, sondern als Verteidiger wahrnehmen. Gleiches galt für die Zivilisten: Sie brauchten einen Grund, um die zahllosen Strapazen und Opfer zu ertragen. In Deutschland misstrauten außerdem die Politiker und Militärs den eigenen Bürgern – besonders den Sozialdemokraten, die als „vaterlandslose Gesellen“ galten. Ihnen unterstellten die Konservativen mangelnde Tapferkeit und fehlenden Patriotismus: Sie fürchteten Desertionen in großem Umfang. Also wurde in der Propaganda immer und immer wieder betont, dass die eigene Nation angegriffen worden sei und die Soldaten sich an das Völkerrecht hielten. Die Gegner wurden als brutale Vergewaltiger und Lügner denunziert. Die Propaganda aller Nationen operierte nicht nur mit Lügen, sondern auch mit gezieltem Ver-schweigen: In vielen Ländern durften keine Fotografien von toten Soldaten der eigenen Armee abgedruckt werden, in England und Frankreich wurde sogar verboten, Verlustlisten auszuhängen. Zur Propaganda gesellte sich Zensur: Über Rückschläge und Niederlagen durfte nicht berichtet werden. Viele Redakteure und Verleger übten sich – aus Sorge, dass ihre ohnehin dürren Informationska-näle sonst versiegen könnten – außerdem in Selbstzensur. So trat neben das tatsächliche Kriegsgesche-hen noch ein „Krieg der Geister“, an dem sich eine große Zahl offizieller und privater Stellen, Schriftsteller, Künstler und Geistlicher beteiligten. Das Medium Film wurde zu einem der wichtigsten Propagandainstrumente. Doch fast alle verbrei-teten Filme, die das Leben in der Etappe oder in einem Manöver zeigten, waren nicht dokumentarisch, son-dern sorgsam inszeniert. Das erklärt, warum die spätere Niederlage für viele Menschen so überraschend kam. Die intensive Propaganda war außerdem verantwortlich dafür, dass Feindbilder lange nach dem Waffenstillstand weiterwirkten und den Frieden belasteten.

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12 Im Englischen bezeichnet ein „white elephant“ etwas Seltenes und Kostspieliges, das jedoch mehr 12 Mühe verursacht, als Ertrag zu bringen.13 Im Original wird als Datum der 17. Mai genannt, die Lusitania wurde aber am 7. Mai torpediert.14 Im Original „ihrem“.15 Im Original mit doppelter Verneinung, dann würde der Satz das Gegenteil bedeuten, nämlich, dass 15 nur die Unterseeboote dem romantischen Kriegsbild zuwiderliefen.

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12 Im Englischen bezeichnet ein „white elephant“ etwas Seltenes und Kostspieliges, das jedoch mehr 12 Mühe verursacht, als Ertrag zu bringen.13 Im Original wird als Datum der 17. Mai genannt, die Lusitania wurde aber am 7. Mai torpediert.14 Im Original „ihrem“.15 Im Original mit doppelter Verneinung, dann würde der Satz das Gegenteil bedeuten, nämlich, dass 15 nur die Unterseeboote dem romantischen Kriegsbild zuwiderliefen.

Der Eintritt der englischen Marine in den Krieg bedeutete, dass der europäische Krieg zum Weltkrieg wurde. Der Krieg wurde überall dorthin getragen, wo Deutsch-land oder seine Verbündeten Einfluss nahmen. Die englische Marine verschob ihre Truppen wohin und wann sie wollte. Die deutsche Flotte konnte dagegen kaum etwas unternehmen. England beherrschte die See. Am 23. August 1914 trat Japan in den Krieg ein. Englands Überlegenheit zur See wurde noch weiter gestärkt, weil das deutsche Flottenkommando mit chronischer Übervorsicht reagierte. Auf der offenen See fanden kaum militärische Auseinandersetzungen statt. Die großen Schlachtschiffe pflügten in Drohgebärde durch die Wasser, bau-ten Blockaden und Gegenblockaden auf, die Kommandeure hatten aber Angst, ihre teuren Schiffe zu riskieren, obwohl diese die Elefanten 12 des Wettrüstens dar-stellten. Sie waren angesichts der Bedrohung durch die Unterseeboote eine veral-tete, extravagante Verschwendung an Technologie und Material. Die U-Boote wurden zu Deutschlands letzter Hoffnung, die lähmende Blo-ckade der Alliierten zu durchbrechen. Der Angriff des deutschen U-Bootes U20 hatte folgenschwere Auswirkungen: Am 7. Mai 1915 13 torpedierte die U20 den Dampfer Lusitania auf seinem 14 Weg von New York nach Liverpool. Von den 2.000 Passagieren verloren 1.198 Männer, Frauen und Kinder ihr Leben. Als ihre Leichen am Strand bei Kinsale angeschwemmt wurden, gab es heftigen Protest, insbesondere seitens des neutralen Amerika. Erst später kam he-raus, dass der Dampfer tatsächlich Kriegsmaterial geladen hatte, aber der Vorfall konnte jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden. Als stärkste neutrale Nation wurden die USA unerbittlich aufseiten der Alliierten in den Krieg gezogen. Der Un-tergang der Lusitania zeigte nicht allein das Grauen der modernen Kriegsführung auf. Ebenso war das Unterseeboot nicht die einzige Waffe unter den Gattungen des 20. Jahrhunderts, die den letzten heldenhaft romantischen Anstrich des Krie-ges hinwegwischte. 15 Die ausweglose Situation an der Westfront eskalierte 1915 zu einem bluti-gen Gemetzel. Die Kämpfe dauerten durch alle Jahreszeiten und alle Wetterbedin-gungen hindurch an. Sie waren mörderisch, forderten sinnlose Tribute und führten in eine ausweglose Situation, als beide Seiten schlecht koordinierte Angriffe auf die gegnerischen Linien bei Neuve Chapelle, Loos, Artois, Champagne, Aubers Ridge, Ypern und Festubert starteten. Die Mörser, Haubitzen und schwere Artille-rie wühlten die Landschaft auf und hinterließen sie als bizarres Abbild des Großen Krieges. Ein fauliges, schlammiges, blutdurchtränktes Ödland mit verstümmelten Leichen übersät. Jeder Soldat führte seinen eigenen kleinen Krieg. Die skurrile Welt des ge-meinen Soldaten wirkte wie ein Stecknadelkopf auf dem monumentalen Kampf-schauplatz, auf dem er die gesamte Bandbreite an Emotionen, schierer Angst und trister Langeweile durchlebte. Auf den wenigen 100 Metern an der Front lebte er mit seiner neuen Familie: der eigenen Einheit. Das war das Einzige, was in diesem

21:25 min. Kapitel 5: Die Kriegsmaschinerie

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16 Im Original „konträre“. 17 Im Original „Frontgängern“.18 Im Original „der“.

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rattenverseuchten Sumpf und dem alles durchdringenden Gestank von Fäulnis des Krieges noch sinnvoll erschien. Entgegen sich hartnäckig haltender Mythen wurde nur ein Viertel der Zeit in den Schützengräben an den Fronten zugebracht, aber in dieser Zeit hing jedes Leben an einem seidenen Faden. Für jeden, der es überleben sollte, hatte das Le-ben eine voraussagbare Monotonie angenommen. Das Gefühl, dem Schicksal hilf-los ausgeliefert zu sein, wurde lediglich durch Galgenhumor und die echte Kame-radschaft gemildert.

Aber der Humor nahm nach und nach bittere Züge an: „Guten Morgen, guten Morgen“, war des Generals Gruß bei der Begegnung letzte Woche auf dem Weg zur Front. Jetzt liegen die meisten unter der Erde einige Fuß. Verdammt seien die Schweine vom Stab, die haben es nicht gekonnt.

„Er war ein feiner Kumpel“, raunt der Harry zum Jack, als sie sich einreihten mit ihrem schweren Gepäck. Er starb für sie beide im Dreck. Die Generäle waren von der Heftigkeit des Krie-ges überrascht und in die Falle gelockt, als sie verzweifelt versuchten, von den Kartentischen weit hinter den Fron-ten die gigantischen Streitmächte zu dirigieren. In dem Durcheinander der Befehlsstäbe erteilten sie per Feldtele-fon widersprüchliche 16 Befehle. Die Kommunikation war ein einziges Durcheinander. Ein buntes Gemisch an Melde-gängern 17, Brieftauben und Signalfeuern. Die meisten Telefonleitungen wurden durch die Sperrfeuer zunichte-gemacht. Wurde einmal eine Offensive in Gang gesetzt, konnte praktisch kein Einfluss mehr auf den Verlauf ge-nommen werden. Die Schlachten wurden zum undurch-schaubaren Spektakel in den Schwaden des Krieges. Aber das Phänomen des nationalen Zusammen-haltes hielt inmitten des ungewollten Blutvergießens und der Entbehrungen dem nur am Rande auftretenden Aufflackern von Unzufriedenheit stand. Die öffentliche Meinung wurde von der Presse aufgestachelt und die Sensationslust schürende Propaganda machte die mili-tärischen Führer zu Halbgöttern. Hindenburg, Kitchener und Joffre wurden zu Personifizierungen des Sieges ihrer Nationen. Von jedem loyalen Bürger wurde erwartet, dass er unerschütterlichen Glauben in diese großen Kriegshel-den setzte. In Wahrheit waren sie völlig überfordert. Als die ersten zerbrechlichen Doppeldecker über den Rauchschwaden der Schlachtfelder auftauchten, füg-ten sie dem Krieg eine neue Dimension hinzu. Technisch noch unfertig, ebneten sie den Weg, der 30 Jahre später

zum Horror von Hiroshima führen sollte, für den 18 Luftkrieg. Die Fliegerei steckte noch in den Kinderschuhen, das Flugzeug war lediglich ein Spielzeug für die Auf-klärung, primitive Tiefflugangriffe und kleinere Störungen in den feindlichen Trup-penbewegungen und Versorgungslinien. Der romantisierte Luftkampf der Ritter

„Good morning, good morning!“In der Dokumentation wird ein Gedicht des britischen Dichters Siegfried Loraine Sassoon zitiert, das in der hier im Transkript vorliegenden deutschen Übersetzung nur noch schwer zu erkennen ist. Im Original lautet der Text des erstmals 1918 veröffent-lichten Gedichts „The General“ wie folgt:

“Good morning, good morning!” the General saidWhen we met last week on our way to the line.Now the soldiers he smiled at are most of ’em dead,And we’re cursing his staff for incompetent swine.

“He’s a cheery old card,” grunted Harry to JackAs they slogged up to Arras with rifle and pack.---But he did for them both by his plan of attack.

Die letzte Zeile des Gedichts kann dahin ge-hend gedeutet werden, dass die beiden Sol-daten Harry und Jack dem Angriffsplan des Generals zum Opfer fallen. Dass sie nament-lich benannt werden, macht sie einerseits zu Individuen, gleichzeitig deutet der Dichter mit der Verwendung dieser sehr verbreiteten Namen aber an, dass ihr Schicksal sich zehn-tausendfach wiederholte.

16 Im Original „konträre“. 17 Im Original „Frontgängern“.18 Im Original „der“.

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des Himmels mit den Geschwadern des Roten Barons von Richthofen war für die müde Infanterie mehr ein Schauspiel als eine Beeinflussung der Kriegsgescheh-nisse. Auch die riesigen Zeppeline, vor denen die Besatzungen mehr Angst hatten als die Angegriffenen, wurden von den Schaulustigen als exotisch angesehen. Das Flugzeug war noch das Wickelkind des Krieges.

Während an der Ostfront 1915 der Mann-gegen-Mann-Krieg weitergeführt wurde, öffnete der Eintritt Italiens in den Krieg aufseiten der Alliierten eine völlig neue Front in Tirol und eine neue Form des Krieges, auf der Maxime ruhend „Wer die Höhen kontrolliert, kontrolliert die Täler“. Die angenommene „Hintertür“ durch Österreich nach Deutschland wurde buchstäblich von der Natur verschlossen. Der alpine Krieg in Italien wiederholte lediglich die Vorgänge in Frankreich, jedoch un-ter weitaus härteren Bedingungen. Eine Serie erfolgloser Angriffe, die nichts ein-brachten. Italien – mit Männern reichlich versorgt, aber sehr dünn mit Ausrüstung

Kommentar Die Kriegsmaschinerie

Mit dem Kriegseintritt Großbritanniens nahm der Konflikt weltumspannende Dimensionen an: Die Kampf-zone wurde ausgedehnt. So schickten nun auch die Kolonien und Dominions von Frankreich und England Soldaten in den Kampf. Auf den Schlachtfeldern kämpften auch Inder, Afrikaner und Australier, mit der US-Armee kamen Indianer an die Front. Im Hinterland wurden über 100.000 chinesische Bauern von der Entente als Arbeitskräfte eingesetzt. Für viele Staaten wie Irland, Australien, Neuseeland und Kanada rechtfertigte die Kriegsbeteiligung mit ihren hohen Verlusten und vielen Opfern nach 1918 den Schritt in die Unabhängigkeit bzw. – im Falle Australiens – die Gleichberechtigung mit dem früheren Mutterland. Großbritannien war eine starke Seemacht. Mit dem Kriegseintritt der Briten wurde eine Seeblo-ckade um Deutschland eingerichtet. Ziel war es, die Einfuhr von Nachschub und Lebensmitteln zu verhin-dern. Eine hungernde deutsche Bevölkerung, so das Kalkül, könne nicht kämpfen oder würde gegen die eigene Regierung revoltieren. Deutschland versuchte mit neu entwickelten U-Booten die Blockade zu durchbrechen. Auch andere Waffen – in der Dokumentation wird vor allem die Luftwaffe erwähnt – wur-den in einem technologischen Rüstungswettlauf mit Hochdruck weiterentwickelt. Die opferreichen Schlachten an der Westfront brachten nur geringe Geländegewinne und waren nicht kriegsentscheidend. Wie aber wurden die Soldaten motiviert? Die Gründe waren vermutlich eine Mischung aus sehr unterschiedlichen Aspekten: Sie kämpften gegen Besatzer, aus Patriotismus, um die Heimat zu schützen, aber auch aus Angst, als Deserteur bestraft zu werden, sowie aus Loyalität gegen-über den Kameraden.

29:25 min. Kapitel 6: Neue Fronten

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19 Im Original „… verbündete sich Ferdinand von Bulgarien, Serbiens Nachbarstaat, heimlich mit Deutsch-19 land.“ 20 Siehe Kommentar: „ANZAC cove“ ist die britische Bezeichnung einer kleinen namenlosen Bucht.

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und nur wenigen schweren Waffen ausgestattet – wurde zum teuren Begleiter der alliierten Kriegsanstrengungen. Im September 1915 verbündete sich Serbiens Nachbarstaat Bulgarien un-ter Zar Ferdinand heimlich mit Deutschland 19 und im Oktober landeten die Englän-der und Franzosen in Saloniki im neutralen Griechenland. Der Vorgang war so skrupellos wie der Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien. Diese voreilige Geste, Serbien zu Hilfe zu kommen, band 600.000 Mann an ein Unternehmen, das die Deutschen hämisch als „das größte alliierte Internierungslager des Krieges“ bezeichnen sollten. Die Türkei wurde für den Nachschub der Alliierten ebenfalls zum Fass ohne Boden. Die dortigen Kämpfe zogen immer mehr Truppen nach Me-

sopotamien und zu den Dardanellen. Was als einfache Operation zur Sicherung der Ölquellen im Persischen Golf begann, endete in der bri-tischen Niederlage während der Belagerung von Kut, als die verhungernden Überreste der englischen Streitkräfte unter dem übereifrigen General Townshend sich letztlich im April 1916 den Türken ergaben. Die ausgemergelten in-dischen Truppen waren eher bereit zu sterben, als Pferde-fleisch zu essen. Obwohl die Türkei nur als Feind zweiten Ranges galt, erwies sie sich als harter Gegner. Bei Gallipoli trafen die Truppen aus England und Frankreich auf erbitterten Widerstand seitens der Türkei und konnten sich nur eine dürftige Stellung auf der Halb-insel von [Gallipoli am] Kap Helles und der Bucht von AN-ZAC 20 bewahren, bevor die Kampagne in einer nur allzu bekannten Pattsituation endete. Die Lage wurde unter der Hitze, den Krankheiten und der kritischen Versorgungs-lage unerträglich. Die ruhmreiche englische Seemacht wurde schmerzhaft vermisst, während sich eine weitere ausweglose Situation stabilisierte. Zu Beginn des Jahres 1916 wurden die letzten Trup-pen aus Gallipoli in einem brillanten taktischen Rückzug evakuiert. Die Tragödie der Dardanellen [war] damit be-endet. Eine furchtbare, ja tragische Niederlage. In einer entschlossenen Aktion hätte die Türkei aus dem Krieg gedrängt, die Handelsrouten nach Russland freigelegt und eine neue Front gegen Deutschland eröffnet werden können. Aber die Meerenge am Schwarzen Meer blieb verschlossen und Russland blieb von seinen westlichen Alliierten isoliert. Die Überlebenden von Gallipoli ließen 200.000 ge-fallene Kameraden zurück. Ebenso viele Schlacht- als auch Seuchenopfer. Der Architekt dieses Fiaskos, Winston Churchill, hatte seinen Ruf durch diese Niederlage für die Dauer des Krieges ruiniert. Aber das große Schlachten sollte erst noch kommen.

19 Im Original „… verbündete sich Ferdinand von Bulgarien, Serbiens Nachbarstaat, heimlich mit Deutsch-19 land.“ 20 Siehe Kommentar: „ANZAC cove“ ist die britische Bezeichnung einer kleinen namenlosen Bucht.

Ölquellen?Der Hinweis, dass es bei der Dardanellen-Offensive um die „Sicherung von Ölquellen“ ging, wird in der Literatur nicht gestützt. Die Forschung hebt hervor, dass der damalige Marineminister Winston Churchill den Zu-sammenbruch der Türkei erreichen wollte.

ANZACANZAC steht für Australian and New Ze-aland Army Corps. Die kleine namenlose Bucht nahe Gaba Tepe wird oftmals – vor allem auf britischer, australischer oder neuseeländischer Seite – als „ANZAC cove“ bezeichnet.

Die Gallipoli-OperationIn der Dokumentation heißt es, dass die Tür-kei in einer „entschlossenen Aktion“ hätte aus dem Krieg gedrängt werden können. Gleichzeitig wird jedoch anschaulich darge-legt, mit welchen Hürden die Angreifer auf der Halbinsel Gallipoli zu ringen hatten. In-sofern erscheint es spekulativ, einen erfolg-reichen Ausgang der Operation als mögliche Entwicklung darzustellen. Kenner der Galli-poli-Operation unterstreichen außerdem, dass eine Niederlage der Türkei das Deut-sche Reich nicht kriegsentscheidend ge-schwächt hätte.

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21 Klarer „entschlossenen“.

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Der Krieg verschärfte sich und beeinflusste jeden Winkel des täglichen Lebens: die Wirtschaft, das politische und soziale Leben. Der Krieg wurde für die herrschenden Klassen zur Gefahr, da ihre Misswirtschaft und Unfähigkeit allmählich offenkundig wurde. Sie konnten es sich nicht leisten, jetzt zu verlieren. Der Krieg wurde mit immer größerer Grausamkeit geführt und die Fronten verschlangen immer mehr Männer, Granaten und Waffen, um die ausweglose Situation zu durchbrechen. Die Einsätze waren hoch. Man konnte es nicht vertreten, dass das Sterben umsonst gewesen war. Aus dieser resoluten 21 Einstellung an der Westfront resultierten drei Schlach-ten, die zum Symbol des Ersten Weltkrieges werden sollten. Grausames Abschlach-ten, Operationen, die zu nichts führten, für die die Namen Verdun, Somme und Passchendaele standen. Die Leichtigkeit, mit der die Deutschen ihre Truppen mit ihrem hervorra-gend ausgebauten strategischen Bahnnetz von Front zu Front verschoben, von einem Brennpunkt zum nächsten, bewegte die Alliierten 1916 dazu, eine große Of-fensive zu unternehmen. Militär, Marine und Wirtschaft sollten sich vereinen, um die Mittelmächte für immer und ewig zu vernichten. Der Achsenpunkt der Offensi-

21 Klarer „entschlossenen“.

Kommentar Neue Fronten

In der Dokumentation wird nachgezeichnet, wie sich der Krieg weiter ausdehnte. An anderen Fronten wie-derholte sich, was im Westen zu sehen war: opferreiche Schlachten ohne unmittelbar kriegsentscheidende Wirkung. Die in der Dokumentation formulierte These, dass die Landung englischer und französischer Trup-pen in Griechenland vergleichbar sei mit der Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland im August 1914, greift jedoch zu kurz. Der griechische König Konstantin bewunderte zwar seinen Schwager Kaiser Wilhelm II. und sympathisierte mit den Mittelmächten. Die gewählte liberale griechische Regierung war aber für die Unterstützung der Entente und für die Erfüllung der Vertragsverpflichtungen gegenüber Serbien. Die Truppen der Entente landeten also nicht gegen den Willen der Regierung. Premier Venizelos setzte auf eine Allianz mit der Entente, um seine Vision eines modernen Griechenlands zu erreichen. Als Ende 1915 Serbien zusammenbrach, entfiel zwar das Argument der Bündnistreue gegenüber Serbien. Doch blieben französische und britische Truppen weiterhin in Griechenland stationiert und grif-fen dort massiv in die inneren Angelegenheiten ein – u. a. wurde durch Ultimaten auf die Besetzung poli-tisch wichtiger Positionen und auch auf die Regierung selbst Einfluss genommen. Erst im Juni 1917 trat Griechenland auf der Seite der Entente in den Krieg ein. Diese Phase der „Nationalen Spaltung“ wirkte über das Kriegsende hinaus und gilt bei griechischen Historikern als die tragischste in der Geschichte des Landes.

33:22 min. Kapitel 7: Verheerende Schlachten

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22 Gemeint ist die „Voie Sacrée“, die Heilige Straße, die Verdun mit dem Hinterland verband und über 21 die ununterbrochen Nachschub geliefert wurde.23 Im Original „Schlaglöchern“.24 Im Original „Verbot“.

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ve sollte an der Somme liegen, wo sich die alliierten Linien zu einem gemeinsamen Angriff [hätten] vereinen können. Aber Deutschland hatte seine eigenen Pläne. Den Angriff auf ein Ziel, das den Franzosen als Symbol galt und das sie bis zum letzten Blutstropfen verteidigen würden: Verdun. Am 21. Februar 1916 um 7.00 Uhr morgens begann die große Schlacht mit dem vernichtendsten Bombardement, das der Krieg [bislang] gesehen hat. Aber Verdun hielt noch zehn Monate später aus. Die Zähigkeit der Franzosen und der geheime Weg 22, die lebenswichtige Ader, auf der täglich 3.000 Lastwagen die be-lagerte Armee versorgten, hielten Verdun am Leben. Aber um einen furchtbaren Preis. Der große Vernichtungskessel kostete 700.000 französischen und deut-schen Soldaten das Leben. Das alles für eine Handvoll nutzloser Stellungen. Der grenzenlose Wahnsinn wurde fortgesetzt. Mit Verdun hatte die Som-me ihren strategischen Nutzen als Schlachtfeld verloren. Aber trotzdem waren die Engländer entschlossen, einem Feind gegenüberzutreten, der mit einem System von tief ausgehobenen Gräben zum Schutz vor schwerstem Bombardement gut vorbereitet war. Es schien unvorstellbar, diesen Feind auszuheben. Aber acht Tage nach Beginn des sinnlosen Sperrfeuers erhob sich die eng-lische Armee am 1. Juli in perfekter Ordnung. Welle auf Welle verließ die Infanterie an diesem heißen Julitag ihre Gräben, nur um mit ihrem schweren Gepäck in dem Durcheinander von Bombentrichtern, Stacheldraht und Granattrichtern 23 zum Still-stand gebracht zu werden. Die Deutschen hatten genug Zeit, um aus ihren Gräben unbeschadet her-vorzukommen, und begannen ein einziges Massaker. Mit dem letzten Stakkato der Maschinengewehre schwiegen die Waffen an der Somme. Am späten Nachmittag des für alle beteiligten Armeen schlimmsten Schlachttages und des blutigsten Tages in der Geschichte der englischen Trup-pen hatten die Engländer 60.000 Opfer zu beklagen, ein Drittel davon war tot. Es dauerte drei volle Tage, bevor alle Verwundeten in ihrer Agonie vom Schlachtfeld getragen werden konnten. Das Blutbad währte weitere sechs Monate mit nahezu krimineller Miss-achtung aufseiten der Generäle, die sich weigerten, ihre Prahlereien zu beenden und ihre Pläne aufzugeben. Dies war Kriegsführung, wie sie im Buche stand: ein Versuch, den Unsicherheiten und Verirrungen des Krieges durch schiere Ignoranz zu begegnen. Bis zum 13. November hatte dieser Vorbote 24 der Eitelkeit auf beiden Sei-ten über eine Million Tote und Verwundete gekostet. Die unglücklichen blutver-schmierten Kämpfer an der Somme hatten zwei Ereignisse miterlebt, die zum Symbol dafür wurden, dass sich die Kriegsführung für immer verändert hatte. Am 14. Juli frühmorgens wurden in einem Überraschungsangriff rund acht Kilometer der deutschen Front überrannt. Dann kam die sorgfältig geplante Ope-ration, von der jeder englische General geträumt hatte: Die Infanterie sah ein ein-zigartiges Bild dreier Kavalleriedivisionen, auf die Lücken in der Front zureitend, in ihre Hörner stoßend, mit wehenden Fahnen und blitzenden Lanzen. Das glorreiche Bild zerfiel blitzschnell, als das Feuer aus Maschinengewehren eröffnet wurde. Zwei Monate später überrollten die ersten englischen Panzer die Stachel-drähte. Der Idealismus ging an der Somme unter. Die enthusiastischen Freiwilligen waren nicht mehr enthusiastisch. Sie hatten den Glauben an ihren Auftrag, ihre Führer und alles andere verloren, ausgenommen die Loyalität zu den Kameraden.

22 Gemeint ist die „Voie Sacrée“, die Heilige Straße, die Verdun mit dem Hinterland verband und über die 21 ununterbrochen Nachschub geliefert wurde.23 Im Original „Schlaglöchern“.24 Im Original „Verbot“.

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Die Zivilbevölkerung spürte, dass der Krieg immer näher kam. Die Liste der Opfer bestand nicht mehr aus fernen Helden, sondern aus Verwandten und Freunden. Die Inflation setzte ein, Nahrungsmittelpreise auf unkontrollierbaren Märkten ex-plodierten. Schlangen, die nach Brot anstanden, und Suppenküchen schossen wie Pilze aus dem Boden. Der Schwarzmarkt florierte. Deutschland wurde von einer Missernte heimgesucht und die Blockade der Alliierten wurde spürbar. Deutsch-land begann zu hungern. Aber trotz all der Härten, die sich ins tägliche Leben immer größerer Bevölkerungsschichten einschlichen, konnten die Reichen in England sich immer noch Wetten leisten. Die Zugeständnisse der Reichen an die Kriegslage blieben im Vergleich zum Rest der Bevölkerung unerheblich. Aber angesichts der krassen Ungleichheit kamen in allen Ländern Risse zum Vorschein. Die instabile Waffenruhe zwischen den sozialen Schichten wurde 1914 von der herrschenden Klasse und den Sozialreformern nur übertüncht. Es gab nach wie vor nur sporadi-

40:23 min. Kapitel 8: Der Untergang des „alten Europa“

Kommentar Verheerende Schlachten

Drei verlustreiche Schlachten stehen im Fokus dieses Kapitels. Hervorgehoben werden die hohen Opfer-zahlen. Im Film werden für Verdun 700.000 Tote genannt – in der Literatur finden sich meistens andere Schätzungen, die aber auch von mehr als 500.000 Toten und Verwundeten auf beiden Seiten ausgehen. Die Geländegewinne waren unbedeutend. Die Fehleinschätzungen der alliierten Generäle sind aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen: Die deutschen Stellungen an der Somme wurden durch den ständigen Beschuss nicht wirklich zerstört – und Sturmangriffe der Briten waren chancenlos, weil sie von Deutschen mit ihren Maschinengewehren problemlos abgewehrt werden konnten. In der Dokumentation wird betont, dass im Jahr 1916 ein Waffenstillstand keine Option mehr dar-stellte. Nur ein Sieg – so die Meinung der Führungsstäbe – könne für die hohe Zahl an Opfern entschädigen. Die Generäle setzten immer wieder zu Durchbruchsversuchen an. General Erich von Falkenhayn, der für den deutschen Angriff bei Verdun und die letztendliche Niederlage verantwortlich war, behauptete jedoch später, keinen Durchbruch, sondern nur das „Ausbluten“ der Gegner beabsichtigt zu haben. In Frankreich hatte fast jeder Soldat vor Verdun gekämpft – aufgrund eines durchdachten Systems der regelmäßigen Ablösung. Aus diesem Grund konnte sich Verdun als Symbol für die gemeinsame Rettung des Vaterlandes im kollektiven Gedächtnis Frankreichs verankern. Die Schlachten des Jahres 1916 schwächten die Armeen nachhaltig. 1918 waren die Deutschen er-schöpft, während die Entente frische Kräfte aus den USA erhielt. Die vielen Opfer auf beiden Seiten legten später den Grundstein für die deutsch-französische Ver-söhnung, für die im Jahr 1984 der Handschlag von Kanzler Helmut Kohl und Präsident François Mitterrand in Verdun zum emotionalen Symbol wurde.

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25 In der Literatur werden Verluste bis zu einer Million genannt.

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sche Zeichen: Rebellionen um Brot, Streiks gegen die Wehrpflicht, eine wachsende Lobby von Kriegsdienstverweigerern, aber das Grollen der Unzufriedenheit wurde stärker. Nationalistische Unruhen schürten das Feuer. Die arabische Revolte gegen das Osmanische Reich, der fruchtlose Osteraufstand der irischen Separatisten, tschechische Desertationen aus der vielsprachigen österreichisch-ungarischen Armee, die bereits durch die russische Brussilow-Sommeroffensive von 1916 ge-schwächt war. Die Offensive hatte weitreichende politische Konsequenzen. Die Armeen der Habsburger verloren ihren Kampfgeist. Einheit, Loyalität und Verbun-denheitsgefühl lösten sich auf. Der Verlust von einer Million Russen 25 in dieser let-zten großen russischen Operation des Krieges sicherte den Untergang der Roma-nows und bereitete den Weg für die Revolution von 1917, als die russischen Solda-ten vom Kriegsschauplatz desertierten. Im November 1916 starb der alte Monarch Franz Josef von Österreich. Sein Tod läutete das Ende einer Epoche ein, sein Lebenswerk zerfiel, das Reich, für das er gekämpft hatte, wurde von Krieg und Aufruhr zerrissen. Mit ihm ging das alte Europa für immer unter. Der totale Krieg, ein Krieg, der auf das Leben der gesam-ten Zivilbevölkerung übergriff, hatte dies ermöglicht. Die hohlen Versprechungen von 1914 wurden nun zum Gespött, verursacht durch die verschwendeten Leben,

Härten, Opfer und Leiden. Nationale Leidenschaft, an-gefeuert durch verführerische Propaganda, schlug um in Desillusion, Verzweiflung und Bitterkeit, in die schwei-genden, vergrämten Gesichter der Frontheimkehrer ge-schrieben.

Sie fragten mich, wo ich gewesen, was ich tat und ich gesehen? Ich kann darauf nichts sagen. Ich konnte selbst nichts wagen, andere sind in gleichen Lagen und müssen über Meere fahren,mit Kopf und nackten Händen. Menschen in fremden Ländern töten. Ein jeder muss die Schande selber tragen, so viele Menschen getötet zu haben.

25 In der Literatur werden Verluste bis zu einer Million genannt.

Wilfrid Wilson Gibson: „Back“ (1915)Da die Übersetzung im Kommentar leider fehlerhaft ist, hier der Text im Original:

They ask me where I’ve been,And what I’ve done and seen.But what can I replyWho know it wasn’t I,But someone just like me,Who went across the seaAnd with my head and handsKilled men in foreign lands ...Though I must bear the blame,Because he bore my name.

Das Gedicht bringt die Schuld zur Sprache, die die Soldaten verspürten, nachdem sie getötet hatten. Der Erzähler empfindet eine tiefe Desillusionierung. Unüberbrückbar ist die Kluft zwischen den Ideen, für die die jun-gen Männer 1914 in den Krieg gezogen waren, und der Wirklichkeit auf den Schlachtfeldern.

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26 Im Original „Neville“. Der Name wird im gesamten Text ohne weitere Hinweise korrigiert.

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Aber solange die Wehrpflichtigen die Reihen der Gefallenen auffüllten, sollte kein Friede einkehren und kein Waffenstillstand geschlossen werden. Die kriegsführen-den Nationen schnallten ihre Gürtel enger und füllten ihre Waffenlager für ein wei-teres Jahr der Kriegsführung. Ein Krieg von satanischen Ausmaßen, der Menschen zum Krüppel schlägt und tötet, inspiriert von den neuen, durch Menschenhand geschaffenen Technologien, den U-Booten, dem Panzer und dem an Grausamkeit unübertrof-fenen und von allen gefürchteten Gas. Im Gegensatz zu Europa hatte sich Amerika vom Krieg ferngehalten und den größten Boom seiner Geschichte miterlebt. Es wurde durch die Waffenlieferungen an die Alliierten reich, während Präsident Woodrow Wilson sich als Friedensstifter versuchte. Am 18. November 1916 lud Wilson die kriegsführenden Nationen zu einem Treffen ein, damit sie ihre Friedensbedingungen äußern könnten. Aber dazu war es schon zu spät. Die Führer Lloyd George in England, Nivelle 26 aus Frankreich und der mächtige Lu-dendorff waren gegen einen Kompromiss. Die Alliierten waren entschlossen, die USA in den Krieg zu ziehen. Es würde nur einen letzten Appell an die amerikanischen Ide-ale brauchen, um die riesigen amerikanischen Ressour-

26 Im Original „Neville“. Der Name wird im gesamten Text ohne weitere Hinweise korrigiert.

44:45 min. Kapitel 9: Der Krieg geht weiter

Kommentar Der Untergang des „alten Europa“

Franz Josef I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, starb am 21. November 1916 nach 68 Regie-rungsjahren. Sein Tod wird in der Dokumentation als Anfang vom Ende des alten Europa bezeichnet. Tatsächlich jedoch kann der gesamte Krieg als Untergang des alten Europa bezeichnet werden. Die Mächte Österreich-Ungarn und Deutschland waren unfähig, ihre zahlreichen Probleme auf friedlichem Weg zu lösen. Statt Parlamentarisierung und Demokratisierung erfolgte – so formulierte es der deutsche Kanzler von Bethmann Hollweg – ein „Sprung ins Dunkle“. Der Krieg brachte keine Lösung, sondern ver-schlimmerte die Lage dramatisch. 1917 betraten überdies zwei neue Mächte die europäische Bühne: die USA und die Sowjetunion. Der „Untergang“ des alten Europa und die Desillusionierung des Krieges traumatisierte viele Men-schen. Ernest Hemingway bezeichnete die jungen Männer, die entwurzelt und gebrochen aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrten, als „lost generation“. Erich Maria Remarque widmete seinen Roman „Im Westen nichts Neues“ den Männern, „die vom Kriege zerstört wurde[n] – auch wenn sie seinen Granaten ent-kam[en]“.

GaskriegGas wurde in größerem Umfang erstmals in Flandern im April 1915 von den Deutschen eingesetzt. In den folgenden Jahren wurde diese Waffe weiterentwickelt, eine zentrale Rolle nahm dabei der deutsche Chemiker Fritz Haber ein. Militärisches Ziel war es, die von tödlichen Gasschwaden ausgelöste Pa-nik der Gegner für erfolgreiche Durchbrüche zu nutzen.Geschätzt wird, dass der Gaskrieg an der Westfront 500.000 Verletzte und 20.000 Tote forderte. Für die Ostfront liegen keine verlässlichen Angaben vor.

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27 Klarer „voller Kummer“.

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cen auf die Seite der Alliierten zu ziehen. Die Yankees würden sich bald beteiligen und der Krieg weitergehen. Als die Truppen während ihres dritten trostlosen Win-ters an der Westfront in ihren Gräben kauerten, müssen sie sich jämmerlich 27 an die leeren Versprechen von 1914 erinnert haben: Da wurde ihnen gesagt, dass sie bis Weihnachten zu Hause sein würden. Aber niemand hatte ihnen gesagt, welches Weihnachten es sein würde.

Zu Beginn des Krieges steckte die Flugzeugentwicklung noch in den Anfängen und die ersten Modelle waren unförmige und primitive Apparate, die mehr Spott als Anerkennung im Kommandostab hervorriefen. Aber während der ersten Kriegs-monate bewährten sie sich und rechtfertigten die Investitionen. Englische Flieger hatten als Erste die Bewegungen der Deutschen in Richtung Mons und Marne ge-meldet und es möglich gemacht, Truppen gezielt für eine Begegnung aufzustellen. Die ersten Pioniere der Luftaufklärung führten noch Pistolen und Karabiner mit. Diese wurden dann durch Maschinengewehre ersetzt, die am Heck des Flugzeugs befestigt oder so angebracht wurden, dass sie über die Propeller hinwegschießen konnten. 1915 wurde der mechanische Unterbrecher erfunden, der es ermöglichte, durch den rotierenden Propeller zu schießen. Das Feuer wurde bei jedem Eintritt eines Blattes in die Schusslinie unterbrochen. Diese Entwicklung schuf das erste ernst zu nehmende Kampfflugzeug. Die rasche Entwicklung in der Flugtechnologie während des Krieges und die gleichzeitige Entwicklung strategischer Taktiken für den Luftkrieg spiegelten einen Pioniergeist wider, der in nahezu allen anderen Kriegsbereichen fehlte.

27 Klarer „voller Kummer“.

47:49 min. Kapitel 10: Der Luftkrieg

Kommentar Der Krieg geht weiter

In der Dokumentation wird die USA als Kriegsprofiteur dargestellt, die aus Eigennutz zunächst von einer Beteiligung am Krieg absahen. Richtig ist jedoch, dass die Vereinigten Staaten auch schon vor ihrem Kriegseintritt u. a. den Briten Kredite gewährt und Rohstoffe, Waffen und Lebensmittel geliefert hatten. Sie hatten damit die Kriegsführung massiv unterstützt. US-Präsident Wilsons Neutralitätskurs und seine Ideen für Frieden, Demokratie und Abrüstung waren ernst gemeint und sollten nicht nur als wirtschaftliches Kalkül gedeutet werden. Erst mit der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges gaben die Vereinigten Staa-ten offiziell ihre Neutralität auf und erklärten Deutschland am 6. April 1917 den Krieg. Ihre Streitkräfte wa-ren allerdings zu diesem Zeitpunkt alles andere als kriegsbereit.

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28 Klarer „Bereitschaft der Zivilisten, weiterzukämpfen“.29 Im Original „Sperrfeuerballons“; die gibt es nicht.30 Im Original „Zeitzünderbomben“.31 Im Original „Verrufenheit“.

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Nachdem sie ihren Wert als Aufklärer demonstriert hatten, waren die ersten Flie-ger ebenso hart entschlossen, die Auseinandersetzungen in der Luft mit gleicher Vehemenz zu führen. Die Kontrolle über die Schlachtfelder aus der Luft bedeutete Kontrolle über militärische Strategien. Die Flugzeuge wurden nicht nur für die Aufklärung eingesetzt, sondern auch für die effektive Positionierung der Geschütze. Aus den primitiven Anfängen entwickelten sich die ersten Spezialbomber und läuteten den Anfang einer gren-zenlosen Kontroverse zwischen taktischer und strategischer Bombardierung ein. Die Angriffe auf London mit Zeppelinen brachten die Idee auf, nicht nur Industrie-gebiete und Anlagen weitab der Fronten anzugreifen, sondern die ganze Zivilbevöl-kerung mit einzubeziehen und damit die Moral zu untergraben und die Entschlos-senheit 28 zu schwächen. Die Entwicklung der Luftfahrt führte zu Spezialisierungen und weiteren Modellen für unterschiedliche Einsatzbereiche. 1917 wurden die ersten Langstre-ckenbomber entwickelt, darunter die Gotha, ein bemerkenswertes zweimotoriges Flugzeug mit Druckschraube, das weitgehend die Rolle des Zeppelins übernahm und London von 1917 bis zum Ende des Krieges unaufhörlich bombardierte. Der erste Jäger kam heraus und eine weitere Entwicklung eines schnellen und leich-ten Aufklärungsflugzeuges. Es wurden große Anstrengungen unternommen, um Spezialisten auszubilden, und beide Seiten gingen die neuen Probleme an, die die Luftabwehr mit sich brachte. Sperrballons 29 und Flugabwehrkanonen wurden ent-wickelt. Zuerst wurden Feldkanonen entwickelt, die sich hoch aufrichten ließen, kurz darauf gefolgt von speziellen Waffen, die Zeitzündergranaten 30 verschossen. Für die Soldaten in den Schützengräben sowie die müde und zunehmend ausgebrannte Zivilbevölkerung der Städte und Dörfer bedeuteten die Erfolge die-ser ersten Piloten die einzige Abwechslung in dem lähmenden Stillstand an der Front. Hoch über den ermüdeten Armeen und dem Elend der Schlachtfelder erfüll-ten die Piloten die illusorischen Versprechen, die die Welt im Sommer 1914 elek-trisiert hatte: die Versprechen auf Abenteuer, edelmütigen Kampf und heroische Taten. Aber sie mussten dafür ihre Köpfe hinhalten. In nur einem Monat verloren die Briten allein 316 Piloten und Aufklärer so-wie 224 Flugzeuge an der Westfront, zu der Zeit nahezu ein Drittel ihrer ganzen Truppenstärke. Von allen Rollen, die von den Piloten im Ersten Weltkrieg gespielt wurden, erzielte eine Gattung Ruhm und Status wie keine andere: die Kampfjäger. Die besten von ihnen sollten als Fliegerasse in die Geschichte eingehen. Einige von ihnen schrieben Kriegsgeschichte: Manfred von Richthofen – der Rote Baron – das kanadische Fliegerass Billy Bishop und einer, der den Mantel des Ruhms benutzen sollte, um in einem anderen Krieg in Verruf 31 zu geraten: das deutsche Fliegerass Hermann Göring.

28 Klarer „Bereitschaft der Zivilisten, weiterzukämpfen“.29 Im Original „Sperrfeuerballons“; die gibt es nicht.30 Im Original „Zeitzünderbomben“.31 Im Original „Verrufenheit“.

Kommentar Der Luftkrieg

Die Luftangriffe auf zivile Ziele hatten 1914–1918 nicht das Ausmaß wie später im Zweiten Weltkrieg. Aber schon damals wurde der Plan verfolgt, mit solchen Angriffen die Zivilisten zum Aufstand gegen ihre Regie-rungen zu bewegen. Es wird geschätzt, dass durch deutsche Luftangriffe über 1.400 Briten starben und

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32 Klarer „Unsinn“.33 Im Original „wegen“.

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32 Klarer „Unsinn“.33 Im Original „wegen“.

mehr als 4.000 verwundet wurden. Das Ziel, die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen, wurde dadurch aber nicht erreicht. Die „Fliegerasse“ eigneten sich jedoch gut für Propagandazwecke. Die „Helden der Luft“ bewahr-ten einen Rest von – angeblicher – Ritterlichkeit. Sie setzten einen Akzent gegen die Anonymität, die die Soldaten in den Massenheeren empfanden. Denn selbst im Tod ging der Einzelne in der Masse unter: täg-lich starben durchschnittlich 6.000 Soldaten. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten die vermeintlich ungeschlagenen Fliegerhelden des Ersten Weltkrieges später für die eigene Kriegsvorbereitung – und bereiteten dadurch zugleich die Zivilis-ten auf einen möglichen Luftkrieg vor.

50:01 min. Kapitel 11: Die Rolle der Industrie

1917 regte die Fliegerei und alles, was mit ihr in Zusammenhang stand, die Fantasie der Völker an. Die Entwicklungen in anderen Bereichen gingen langsamer voran und unterlagen häufig politischen Intrigen. Aber eine Innovation hatte sich durch-gesetzt und wurde an der Somme 1916 ausprobiert: Als Absurdität 32 bei dem ersten Erscheinen verworfen, wurde der Panzer 1917 rasch als furchteinflößende Kriegswaffe anerkannt. Er galt als einzige Waffe, die die Initiative und Bewegung an der Front wieder in Gang [würde] setzen können. In England und Frankreich wur-den unterschiedliche Modelle entwickelt und getestet. Diese Projekte errangen

in der Vorahnung auf kommende Zeiten höhere Priorität. Taktische Planung, lange Zeit auf Eis gelegt, wurde unter dem Schein der modernen Kriegsführung wieder belebt. Wenngleich die Maschinen die Aussicht auf ein Durchbre-chen der Pattsituation versprachen, trugen sie auch ihren Teil dazu bei, die Industrialisierung des Krieges voranzu-treiben. Eine Situation, die trotz 33 ihrer weiten Entfernung zur Front nicht unbedeutend war. Es setzte sich die Überzeugung durch, dass der Krieg letztlich nicht durch die Stärke der Armeen, son-dern durch die Ausnutzung industrieller Ressourcen in der Herstellung der Kriegswaffen entschieden werden könne. Große Zahlen an Soldaten galten plötzlich nicht mehr so viel wie große Mengen an Panzern, Geschützen und Flugzeugen. In den ersten Monaten des Jahres 1917 hatte die Zivilbevölkerung in Deutschland und Österreich-Ungarn schwer zu leiden. Schlechte Ernten 1915 und 1916, verbun-den mit der Blockade der Alliierten, führten zu einem har-ten Winter, in dem Hunger und Unterernährung in immer schärferen Kontrast zu dem deutlich sichtbaren Reich-

TanksBriten und Franzosen entwickelten Panzer, die sie „Tanks“ nannten – weil sie an Wasser-tanks erinnerten. Die deutsche Oberste Heeresleitung schätzte den Nutzen dieser Waffe dagegen als gering ein und setzte statt-dessen auf U-Boote.

Waffen wichtiger als Soldaten?Die These der Dokumentation, dass die Waf-fen für die Kriegsführung eine bedeutende-re Rolle spielten als die Soldaten, ist nicht richtig. Im weiteren Verlauf des Krieges zeigte sich, dass diejenigen Nationen siegreich wa-ren, die sowohl über ein mächtiges kriegs-relevantes Industriepotenzial verfügten als auch über beträchtliches „Menschenmate-rial“.

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34 Der zeitgenössische und in der Forschung verwendete Begriff ist „uneingeschränkter“ U-Boot-Krieg.35 Klarer „spürbare“.36 Im Original „mit“.

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tum derjenigen geriet, die vom Krieg wirtschaftlich profitierten. Die immer grö-ßer werdende Knappheit führte in allen Ländern zum Blühen von Schwarzmärk-ten und mit diesen zu immer krasserer Ungleichheit, Frustration und Unmut. Die Industriellen erzielten enorme Profite aus dem unersättlichen Waffenbedarf. Und überall fiel die Last auf die ohnehin schon Armen und Schwachen. In den ersten Kriegsjahren hatten die Deutschen Abstand von wahllosen Angriffen auf die alliierte Schifffahrt genommen. Aber angesichts der sich immer mehr verschärfenden Knappheit und der immer enger werdenden Blockade ent-schlossen sich die deutschen Führer zu einem totalen 34 U-Boot-Krieg. Ihre Ver-zweiflung wurde durch die unausgesprochene Bereitschaft zum Ausdruck ge-bracht, das Risiko einzugehen, Amerika in den Krieg zu ziehen. Aber nirgendwo sonst wurden die Auswirkungen des Krieges stärker ge-spürt als in Russland.

Die Industrialisierung hatte in Russland sehr spät eingesetzt. Die Bauernschicht war erst 1861 aus der Leibeigenschaft entlassen worden und die dazwischenlie-genden Jahre hatten immense soziale Unruhen mit sich gebracht. Rationalisierun-gen in der Landwirtschaft hatten die ohnehin schon merkliche 35 Abwanderung in die Städte beschleunigt. Diese wurden von 36 einem riesigen, entwurzelten und hun-grigen Proletariat überschwemmt. Unter diesen Bedingungen erinnerte sich Russ-land seiner riesigen Ressourcen. Zu Beginn des Krieges hatte es die Industrialisierung wesentlich schneller vorangetrieben als irgendein anderer Staat. Und der Krieg brachte seinen eigenen Anreiz mit sich. In den ersten beiden Kriegsjahren machte Russland eine industri-

34 Der zeitgenössische und in der Forschung verwendete Begriff ist „uneingeschränkter“ U-Boot-Krieg.35 Klarer „spürbare“.36 Im Original „mit“.

Kommentar Die Rolle der Industrie

Pläne für den Bau geländegängiger, gepanzerter Fahrzeuge lagen schon vor 1914 vor. Mit dem Erstarren der Fronten wuchs das Interesse an einer Waffe, mit deren Hilfe die feindlichen Schützengräben erobert werden konnten. In gepanzerten Fahrzeugen sollten die Soldaten unversehrt das feindliche Feuer durch-dringen und die Artillerie der Gegner ausschalten. Nach der Eroberung der Stellungen sollten die Panzer dann verhindern, dass diese sofort wieder aufgebaut werden konnten. Erstmals in der Schlacht von Cambrai im November 1917 zeigte sich – auch wenn die Schlacht für die Angreifer nicht erfolgreich endete –, welche Möglichkeiten bei einem taktisch richtigen Einsatz von Panzern bestanden.

58:38 min. Kapitel 12: Revolution in Russland

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37 Im Original „als“.38 In anderen Darstellungen wird der 15. März genannt.

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37 Im Original „als“.38 In anderen Darstellungen wird der 15. März genannt.

elle Revolution durch, die in ihren Ausmaßen oder ihrer Intensität kaum übertrof-fen wurde. Der Ausstoß von Kriegsmaterial stieg dramatisch an. Aber diese Entwicklung hatte ihren Preis: Die Inflation schnellte in die Höhe und das Transportsystem brach zusammen. Die Lebensmittelvorräte häuften sich auf dem Lande, während die städtische Bevölkerung hungerte. Die Härten zu Hau-se wurden von den Siegesaussichten an der Front oder [von] irgendwelchen Aus-sichten auf Besserungen, wie nah sie auch immer scheinen mochten, kaum gelindert. 1917 stand Russlands Wirtschaft vor dem Kollaps. Die Zivilbevölkerung und 37

auch die Armee litten unter den Kriegsentbehrungen, waren demoralisiert und völlig verunsichert. Steigende Kriegsopferzahlen, der immer schlimmer werdende Mangel und die spürbare Inkompetenz der Regierung gingen in einer großen Flam-me von Revolte auf. Streiks und Demonstrationen suchten St. Petersburg heim. In der letzten Februarwoche wurden die nach Brot schreienden Aufrührer von den in der Hauptstadt stationierten Kosaken unterstützt, die eigentlich für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Ein Sowjet oder Rat – repräsentiert von Arbeitern und Soldaten – wurde ausgerufen. Die Menschenmenge wälzte sich zur Duma, dem Parlament, das vom Zaren eingesetzt worden war, aber keine wirkliche Macht be-saß. Einer gefährlichen und verbitterten Menschenmenge gegenüberstehend und ohne jegliche Autorität reagierte die Duma, indem sie eine provisorische Regie-rung ernannte. Drei Tage später, am 2. März,38 unterzeichnete der Zar seine Ab-dankung und erkannte damit die provisorische Regierung und die Revolution an.

Am 6. April erklärten die USA Deutschland den Krieg. Die U-Boot-Offensive hat-te ihr Einschreiten unausweichlich gemacht. Der Kriegsausbruch hatte Amerika vor der Rezession bewahrt und seiner Industrie von 1915 bis 1916 einen wahren Boom beschert, weil 39 sie die kriegsführenden Nationen mit Kriegsmaterial belie-

Kommentar Revolution in Russland

In Russland waren zu diesem Zeitpunkt weder die Armee noch die Wirtschaft noch das politische System den Anforderungen des Krieges gewachsen. Die zwangsläufige Folge war das Ende der russischen Auto-kratie. Zar Nikolai II. sowie die Staatsduma erlebten einen massiven Vertrauensverlust in allen Schichten der Gesellschaft. Am 15. März 1917 dankte Zar Nikolai II. zugunsten seines Bruders Michael ab, dieser ver-zichtete am folgenden Tag ebenfalls auf den Thron.

1:02:19 min. Kapitel 13: Die USA betreten den Kriegs-schauplatz

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39 Im Original „indem“.

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ferten. Der erschreckende Erfolg der U-Boot-Kampagnen brachte die Expansion zum abrupten Stillstand und drohte, die amerikanische Wirtschaft in einen noch tieferen Abgrund zu stürzen. Außerdem war man um die Sicherheit der jetzt hoch verschuldeten Partner, insbesondere England und Frankreich, besorgt. Die Garan-tie für ihre Rückzahlungen hing mittlerweile von ihrem Sieg ab. Aber der Kriegseintritt der USA beruhte nicht allein auf harten wirtschaftli-chen Überlegungen. Der U-Boot-Krieg hatte den amerikanischen Sinn für Anstand verletzt. Die russische Revolution mit ihrer Aussicht, eine Demokratie einzufüh-ren, hatte die Amerikaner dazu bewogen, den Konflikt als einen zwischen freien Völkern und den autokratischen Mittelmächten geführten zu betrachten. Der Ein-tritt der USA in den Krieg brachte England zunächst wenig Erleichterung, das jetzt unter chronischem Versorgungsmangel und schwelender Unzufriedenheit litt. In den ersten fünf Monaten der U-Boot-Offensive erreichten die Verluste an Schiffen kritische Ausmaße. Allein im April kehrte jedes vierte Schiff, das einen Hafen ver-ließ, nicht wieder zurück. Es sah so aus, als ob England einer ultimativen Katastro-phe entgegenblicken würde: Untergang durch Aushungern, ein Schicksal, das es eigentlich für Deutschland vorgesehen hatte. Im Mai hatte die königliche Marine ein System eingeführt, Konvois zu es-kortieren. Es sollten gleichzeitig der Handelsschifffahrt Schutz geboten und die deutschen U-Boote in das Kriegsgeschehen einbezogen werden. Das Konvoi-system brach der U-Boot-Offensive wirksam das Rückgrat. Die Entwicklung von Unterwasserortung und Tiefenmessung trug dazu bei, das Blatt in der Atlantik-schlacht zu wenden. Damit wurde der Krieg ein weiteres Jahr in der Luft, zu Land und auf dem Wasser geführt. Der Frühling sah weitere sinnlose Gemetzel auf den französischen Schlachtfeldern.

39 Im Original „indem“.

Kommentar Die USA betreten den Kriegsschauplatz

Mit dem Kriegseintritt der USA wurde ein „Frieden ohne Sieg“ immer unwahrscheinlicher. Das ist nicht ausschließlich mit finanziellen Interessen zu erklären, auch wenn es richtig ist, dass die Vereinigten Staaten die Rückzahlung ihrer Kriegskredite erwarteten. Schuldnerländer wie Großbritannien brauchten einen Sieg, um diese Kredite bedienen zu können – denn nur dann konnten sie Reparationen von den unterlege-nen Mächten einfordern. Immer klarer wurde jedoch auch, dass die amerikanische Politik darauf ausgerichtet war, nach ei-nem Sieg unter Ausnutzung der finanziellen Abhängigkeiten ihre eigenen Ideen einer neuen Friedensord-nung durchzusetzen. Das minderte den Erfolg anderer Friedensinitiativen wie zum Beispiel die des Deutschen Reiches vom Dezember 1916. Dieser damalige Vorschlag für Friedensverhandlungen wird von Historikern jedoch als nicht ernsthaft gedeutet. Vielmehr rechnete Berlin nicht wirklich mit der Annahme des Angebots und nutzte dessen Ablehnung dann im März 1917 als Rechtfertigung für den erneuten Beginn des uneinge-schränkten U-Boot-Krieges. Die Friedensinitiative der Stockholmer Konferenz der II. Sozialistischen Internationale im Sommer 1917 scheiterte allein deshalb, weil die USA, Frankreich und Großbritannien den Delegierten ihrer Länder die Ausreise nach Schweden verboten. Die Friedensnote von Papst Benedikt XV. vom 1. August 1917 – dem dritten Jahrestag des Kriegsbeginns – lehnte US-Präsident Wilson ab.

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40 Im Original „… stünde er vor einem Desaster.“41 Andere Quellen nennen etwas mehr als 100.000 Opfer.42 Im Original „unter“.43 Im Original „bei“.44 Im Original „seit“.45 Klarer „aufgefüllt worden“.46 Im Original „für“.

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40 Im Original „… stünde er vor einem Desaster.“41 Andere Quellen nennen etwas mehr als 100.000 Opfer.42 Im Original „unter“.43 Im Original „bei“.44 Im Original „seit“.45 Klarer „aufgefüllt worden“.46 Im Original „für“.

Ein neuer französischer Kommandeur, General Nivelle, hatte den Alliierten [den] absoluten und endgültigen Sieg für 1917 versprochen. Die große Offensive wurde am 16. April in der Gegend um [den] Chemin des Dames gestartet. Der Angriff war von Anbeginn an eine Katastrophe. Trotz kleinerer Erfolge der Engländer bei Arras im Westen quälte sich der Hauptangriff gegen deutsche Stellungen, die von dem schweren Bombardement kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Am Abend hatte Nivelle 600 Meter an Boden gewonnen, aber grausame Verluste einstecken müssen. Nivelle hielt seine Offensive einen ganzen weiteren Monat aufrecht. Er hat-te seine Beförderung mithilfe seiner Versprechung erreicht und musste sie durch-setzen, sonst wäre er vor einem Desaster gestanden.40 Alles zusammengerechnet hatte die französische Armee durch die Nivelle-Offensive eine Viertelmillion Opfer hinnehmen müssen.41 Die Moral war dadurch so weit geschwächt, dass Meuterei-en die ganze französische Armee bedrohten und den militärischen Zusammen-bruch hätten heraufbeschwören können. Im Mai wurde die Offensive eingestellt, den Verlusten standen keine nennenswerten Gewinne gegenüber. Der französi-schen Infanterie schien es, als ob alle ihre Opfer völlig umsonst gewesen waren. Am 15. Mai wurde Nivelle entlassen. Er wurde durch General Pétain ersetzt, der die schwierige Aufgabe hatte, Ordnung und Moral innerhalb 42 der zerschunde-nen Armee wiederherzustellen. Die französische Niederlage am 43 Chemin des Dames übertrug die Last der Initiative auf England, dessen Streitkräfte 44 nach den verhäng-nisvollen Verlusten an der Somme wieder vollständig 45 waren. Um die Franzosen zu entlasten und einen rein englischen Sieg zu erzie-len, entschloss sich General Haig zu einem 46 Angriff in Flandern im Sommer. Die 3. Schlacht bei Ypern begann mit dem größten Artilleriefeuer des Krieges. Das Bombardement dauerte zwei volle Wochen an, erreichte kaum etwas, außer die Landschaft in ein nahezu unpassierbares Meer aus Schlamm zu verwandeln und jeden Fortschritt den sich verteidigenden Deutschen zu überlassen. Der eigentli-che Angriff wurde fünf Tage lang geführt, wobei drei Kilometer Kraterlandschaft bei 32.000 Verlusten genommen wurden. Die hinter den Linien aufgestellten Pan-zer konnten an der Schlacht nicht teilnehmen, es gab keinen Boden mehr, der ihr Gewicht hätte tragen können. Am 6. August nahm Haig die Offensive wieder auf und ließ die wiederhol-ten Angriffe den ganzen September und Oktober hindurch fortführen. Im Novem-ber hatte Haig zehn Kilometer gewonnen und die Passchendaele-Höhe genom-men. Alles, was von dem Ort übrig bleiben sollte, war der Name für diese Schlacht. Die Einnahme von Passchendaele wurde unter dem Verlust von über einer halben Million Opfer erreicht. Die Lage in Russland hatte sich seit Februar weiter verschlechtert.

1:05:09 min. Kapitel 14: Neue Offensiven

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Von Anfang an gab es zwischen der provisorischen Regierung, die als Kreatur der Duma galt, und den Sowjets – einem wahren Kind der Revolution – heftige Reibe-reien und Rivalitätskämpfe. Aus dem Zwist der beiden Gruppen kam eine bemer-kenswerte Person hervor und überschattete alles: Alexander Kerenski, ein charis-matischer Führer, der fest dazu entschlossen war, die junge russische Demokratie zu festigen. Kerenski glaubte, dass er dies erreichen könnte, indem er Russlands Auslandsverpflichtungen nachkommen und mit der Weiterführung des Krieges eine ehrbare Anerkennung für sein Land erreichen würde. Aber nach dem Befehl Nummer 1 der Sowjets konnte kein russischer Soldat mehr dazu gezwungen wer-den, Befehle auszuführen, die seinem persönlichen Gewissen widersprachen. Die Disziplin an der Front brach total zusammen. Fahnenflucht gehörte jetzt zur Tages-ordnung. Es fielen nicht mehr einzelne Soldaten ab, die durchs Land vagabundier-ten, sondern es entstand eine regelrechte Flut der Demobilisierung. Weitere und tückischere Kräfte bedrohten Kerenski. Die Ereignisse des Fe-bruars hatten die professionellen russischen Revolutionäre überrascht. Eine Un-annehmlichkeit, die sie eifrig zu überdecken versuchten. Der bolschewistische Führer Lenin wurde von den Deutschen in der Schweiz aufgespürt. Er hatte keine Ahnung von der Krise, die sein Land erschütterte. In Lenin wurde ein Instrument gesehen, mit dem nicht nur Kerenski gestürzt werden,

Kommentar Neue Offensiven

Die große Offensive am Chemin des Dames – auch Nivelle-Offensive genannt – führte zu Meutereien in der französischen Armee. Die Opferzahlen waren nicht höher als in früheren Schlachten. Nivelle hatte aber konkrete Hoffnungen auf einen kriegsentscheidenden Durchbruch geweckt, sodass die Enttäuschung bei den Soldaten und in der Heimat angesichts des Misserfolges enorm war. Die Enttäuschung und Unzufriedenheit führte zu Befehlsverweigerungen und Meuterei: Soldaten schwenkten rote Fahnen, sangen die Internationale, wurden gewalttätig gegenüber vorgesetzten Offizieren. Aber nur 10 % dieser Meuterer wurden vor Gericht gestellt, da General Pétain, der Nivelle ablöste, in gewissem Rahmen Verständnis für die Täter hatte, aus Gründen der Abschreckung aber nicht ganz auf Bestrafungen verzichten wollte. 3.427 Soldaten wurden verurteilt, 554 davon zum Tode. 49 der Todesur-teile wurden vollstreckt, die anderen in lange Haftstrafen umgewandelt. Über 1.300 Meuterer wurden zu Zwangsarbeit verurteilt. Die Meuterer – oftmals Bauern – kamen vor allen aus der unteren Mittelschicht. General Pétain versuchte, durch eine Reihe von Maßnahmen die Meutereien einzudämmen, u. a. durch eine Verbesserung der Versorgung, ein geregeltes Urlaubssystem und moderate Strafen. Der Gene-ral sprach sich für eine sorgfältige Planung des weiteren Vorgehens aus und wollte vor dem Start weiterer Offensiven zunächst die Weiterentwicklung neuer Waffen und den Kriegseintritt der USA abwarten.

1:08:56 min. Kapitel 15: Ende der Kämpfe in Russland

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47 Andere Darstellungen geben den 25. Oktober als Datum an.

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47 Andere Darstellungen geben den 25. Oktober als Datum an.

sondern das gesamte russische Reich in eine Katastrophe gestürzt werden könn-te. Man brachte ihn heimlich durch Deutschland und schleuste ihn in Russland ein. Durch dunkle Kanäle wurde Geld herangeschafft, um seine Störaktionen zu finanzieren. Lenins erster Versuch, Kerenski zu stürzen, endete in einer Katastrophe: Nach einem misslungenen Putschversuch im Juli wurde Lenin als deutscher Agent entlarvt und musste aus St. Petersburg fliehen. Er versuchte, sich zu tarnen, in-dem er seinen Bart abnahm und die Kleidung eines Arbeiters anlegte. Während er sich in Finnland versteckte, fuhr Lenin mit seinem Komplott gegen Kerenski fort. Er spornte seine Anhänger an, [in] den Sowjets Schlüssel-positionen einzunehmen und damit die Kluft zwischen den Sowjets und der Re-gierung zu vergrößern. Konflikte zwischen der Regierung und den Überresten der Armee zusammen mit dem immer größer werdenden wirtschaftlichen und indust-riellen Chaos schwächten Kerenski weiter und stärkten die Bolschewiken, die sich jetzt bewaffneten in Vorahnung des totalen Zusammenbruchs der Regierung. Am Morgen des 27. Oktober 47, als Kerenski außerhalb der Hauptstadt war, um auf dem Lande um Unterstützung zu werben, wurde der Winterpalast von den Bolschewiken besetzt, die den Fall der provisorischen Regierung proklamierten. Unter diesen Umständen war die Demokratie in Russland endgültig am Ende. Der Sieg der Bolschewiken brachte die Teilnahme Russlands am Krieg zu einem Ende. Die Teilnahme war in der letzten Zeit ohnehin mehr nominell als real [gewesen]. Der zu Beginn 1918 unterzeichnete Frieden von Brest-Litowsk machte es Deutschland möglich, seine Truppen zusammenzuziehen und eine letzte große Offensive im Westen zu starten.

Kommentar Ende der Kämpfe in Russland

Um das Scheitern Kerenskis zu verstehen, sollte ergänzt werden, dass er als Kriegsminister im Juli 1917 eine weitere verlustreiche Offensive geführt hatte. Sein Plan war es, die Mittelmächte an einem weiteren Vormarsch auf russisches Territorium zu hindern und damit für Russland bessere Ausgangsbedingungen für Friedensverhandlungen zu schaffen. Der Misserfolg der Kerenski-Offensive beschleunigte die Auflösungserscheinungen der russischen Armee – die Kriegsmüdigkeit der Soldaten wurde offensichtlich. Der zwischen Deutschland und Russland geschlossene Frieden von Brest-Litowsk wurde nach lan-gen Verhandlungen im März 1918 unterzeichnet. Die deutsche Seite konnte sich mit sehr harten Bedin-gungen gegenüber der russischen durchsetzen: Russland verlor große Teile seines Gebietes und damit ein Drittel seiner Bevölkerung, darüber hinaus auch wertvolle Rohstoffvorkommen und Industrieanlagen. Für das Deutsche Reich hatte dieser Diktatfrieden jedoch mehr negative Folgen als wirtschaftlichen, politischen und militärischen Nutzen: Die Alliierten waren von den überzogenen Bedingungen des Vertra-ges schockiert. Er führte ihnen vor Augen, wie weit sich die Deutschen von den Nationen entfernt hatten, die sich US-Präsident Wilsons 14-Punkte-Programm für eine neue europäische Friedensordnung verpflich-tet fühlten. Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 in Compiègne annullierte später den Vertrag von Brest-Litowsk.

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48 Im Original „MAG“.

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Der Kampf um die Luftüberlegenheit war sowohl technologischer als auch tak-tischer Art. Die erschreckenden Entwicklungen der ersten Kriegsjahre brachten eine subtile Verfeinerung der Taktik mit sich. Ein kleiner Fortschritt in der Struktur oder an Maschinenkraft, die dem Flugzeug ein paar Stundenkilometer mehr an Geschwindigkeit brachten oder es besser manövrierbar machten, konnten es in die Lage versetzen, ein gegnerisches Flugzeug schnell auszustechen, es in eine tödliche Falle zu locken. Die Sopwith Camel hatte 1917 die Herrschaft der Englän-der gesichert. Aber die Fokker D VII 48 hatte 1918 die Überlegenheit für die Deutschen wiederherstellen können. Als die Deutschen die Luft über den Schützengräben wieder unter Kontrolle hatten, konnten sie in aller Heimlichkeit eine Armee von drei Millionen Mann Stärke und 10.000 Geschützen aufstellen. Ludendorffs Plan bestand darin, eine blitzarti-ge Offensive über 60 Kilometer Frontlänge zu beginnen. Die englischen Armeen sollten an der Somme vernichtet, die alliierte Front aus den Angeln gehoben und die Lini-en von Osten bis Westen aufgerollt werden. Der Angriff begann bei Sonnenaufgang am 21. März 1918. Nach ei-nem kurzen, aber vernichtenden Bombardement konnten die Deutschen unter dem Schutz des dichten Frühnebels vordringen. Diesmal bestanden sie nicht aus einer riesi-gen Infanterieanordnung, stattdessen drangen speziell ausgebildete Stoßtruppen in die schwächsten Stellen der Engländer ein. Ihnen folgten Kampfeinheiten, um die Breschen für die nachfolgenden Truppen zu vergrößern. Dies war eine völlig neue Taktik. Eine Taktik des blitzar-tigen Vordringens und der raschen Einkesselung. Später sollte sie als Blitzkrieg bezeichnet werden. 1918 hatte sie vernichtende Auswirkungen. Als die Nacht hereinbrach, hatten die Deutschen es geschafft, tief hinter die Reihen der Engländer vorzudringen und innerhalb weniger Tage fuhren sie durchs offene Land. Tausende britischer Solda-ten wurden einfach hinter der Schlacht zurückgelassen. Vielen schien es, als würde sich der Krieg dem Ende nähern. Die englischen Stellungen an der Somme waren geschlagen worden, ihren Armeen drohte die Ver-nichtung. Die Franzosen bereiteten sich darauf vor, sich nach Paris zurückzuziehen. Aber im letzten Moment konnte die Katastrophe abgewendet werden. Die engli-sche Armee wurde unter dem Befehl von Marschall Foch gestellt und das Kom-mando damit vereinheitlicht. Die Franzosen sollten die Engländer unterstützen. Anfang April begann der deutsche Vormarsch zu erlahmen. Obwohl die Engländer und Franzosen beinahe in die Flucht geschlagen worden waren, konnten sie jetzt ihre Reserven wieder mobilisieren. Die Deutschen hatten im Gegensatz dazu ihre Reserven aufgerieben.

48 Im Original „MAG“.

1:12:53 min. Kapitel 16: Der deutsche Vormarsch

„Operation Michael“Die „Operation Michael“ im März 1918 war auf den ersten Blick ein militärischer Erfolg für die Deutschen. Doch ihr eigentliches Ziel, die britischen Verbände von den französischenzu trennen, wurde nicht erreicht. Außerdem waren die Verluste immens: 230.000 Solda-ten starben aufseiten der Deutschen, 200.000 auf alliierter Seite. Die deutschen Kräfte erlahmten und konnten nicht wieder aufgefrischt werden.

BlitzkriegEin wichtiger Hinweis in der Dokumentation ist der auf die taktische Innovation der „Stoß-truppen“. Diese neue Taktik sah selbst orga-nisierte Verbände vor, die nicht vom Stabkoordiniert wurden. Den Soldaten dieser Stoß-truppen wurde die Kompetenz zugebilligt, vor Ort eigenständig im Rahmen ihres Auf-trages zu entscheiden. Der im Zweiten Welt-krieg ab 1940 geführte „Blitzkrieg“ baute auf Elementen dieser neuen, im März 1918 erstmals erprobten Taktik auf.

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49 Falsche Übersetzung des englischen Begriffes „Salient“ als Halbinsel. Tatsächlich ist damit die bo-49 genförmige Ausbuchtung gemeint, die die Frontlinie um die Stadt Ypern beschrieb.50 Vermutlich erneut falsche Übersetzung des Begriffes „white elephants“, der im Englischen seltene 49 und kostspielige Dinge bezeichnet.51 Klarer „gedrungenen“.

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49 Falsche Übersetzung des englischen Begriffes „Salient“ als Halbinsel. Tatsächlich ist damit die bogen-49 förmige Ausbuchtung gemeint, die die Frontlinie um die Stadt Ypern beschrieb.50 Vermutlich erneut falsche Übersetzung des Begriffes „white elephants“, der im Englischen seltene und 49 kostspielige Dinge bezeichnet.51 Klarer „gedrungenen“.

Die Deutschen stellten die Offensive vier Tage lang ein, um ihre Waffen und Nah-rungsmittelvorräte aufzufrischen. Beide Seiten waren sich dessen bewusst, dass der Krieg jetzt in seine kritische Phase überging. Amerikanische Truppen trafen jetzt in immerhin so großer Zahl ein, dass das [bisherige] Gleichgewicht zu ihren Gunsten kippte. Wenn die Alliierten den Sturm brechen könnten, könnten sie auch den Krieg gewinnen. Am 9. April brach der Sturm erneut über der 2. britischen Armee am Ypern-Bogen 49 aus. Wieder überrannten die Deutschen die englischen Schlachtaufstellungen und konnten an einigen Stellen 18 Kilometer weit hinter die Linien vordringen. Aber wie schon vorher an der Somme gelang es den Englän-dern, ihre Front zu stabilisieren, indem sie rechtzeitig zum Rückzug bliesen und jeden verfügbaren Mann einsetzten, um die entstandenen Breschen zu schießen. Im Zentrum und im Westen wurde die Offensive zunichtegemacht. Die Richtung schlug um auf die französischen Stellungen beim Chemin des Dames. Am 3. Juli hatten die Deutschen [den] Chemin des Dames überrannt und unter großen Stra-pazen 60 Kilometer in Richtung Marne hinter sich gebracht. Aber dort empfingen die Deutschen die ersten Warnungen von Ereignissen, die sie erwarten würden: Die Straße nach Paris war blockiert, aber nicht etwa von Franzosen, sondern von den Amerikanern! Seit er das Kommando der alliierten Armeen übernommen hatte, hatte sich Foch eine eiserne strategische Reserve erhalten. Diese Reserve wurde nun eingesetzt, um die Deutschen in ihrem Vormarsch aufzuhalten. Die Front hielt den ganzen Juli über Stand. Die Bedrohung von Paris wurde an der Marne aufgehalten.

Im August eröffneten die Engländer mit den Franzosen an ihrer Seite den Gegen-angriff bei Amiens. Nie zuvor waren Panzer bisher wirksam eingesetzt worden. Seit der Schlacht an der Somme 1916, wo die ersten Panzer gnadenlos zerstört worden waren, [waren] ihre taktischen Vorteile durch politische Inkompetenz und sture Unwilligkeit verkannt [worden]. Sie wurden nur als weiße kostspielige Unge-tüme 50 angesehen. Auf dem festen Boden bei Amiens konnten die Panzer das erste Mal gut vorankommen, dicht gefolgt von der Infanterie. Ohne sich durch das sonst übli-che Kanonenfeuer zu verraten, konnten die geduckten 51 eisernen Ungetüme aus dem Morgennebel heraus voranfahren und den Stacheldraht und die Hindernisse einfach überrollen und damit alle Ausgaben und Anstrengungen in ihrer Entwick-lung rechtfertigen. Bis zum Abend waren die Panzer zehn Kilometer weit von ihren Ausgangslinien entfernt, 15.000 Deutsche wurden gefangen genommen, sehr viel mehr getötet oder verletzt. Aber der 8. August 1918 war mehr als ein Sieg für Gemeinsinn und Initia-tive. Ludendorff nannte ihn den „schwarzen Tag“ für die deutschen Armeen, den Tag, an dem Deutschland den Krieg verlor. Waren die Anzeichen der Niederlage bei Amiens vom Oberkommando verstanden worden, so wurden sie von der strapa-

1:19:07 min. Kapitel 17: Gegenangriff der Alliierten

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zierten deutschen Infanterie keineswegs verstanden. An jeder Front stand sie auf fremdem Boden und die Westfront schien näher an Paris gerückt als zu irgend-einer Zeit seit 1914. Aber der unaufhörliche Strom amerikanischer Truppen und Waffen stellte sicher, dass Paris für immer außerhalb der deutschen Reichweite bleiben sollte. Den riesigen Flotten der Engländer und Franzosen kam die ameri-kanische hinzu. Sie machten die Blockade zu einem immer enger werdenden Ring aus Stahl. Nach vier Jahren der Blockade und monumentalen Opfern waren die Mit-telmächte gefährlich nah am Kollaps.

Die Kapitulation Bulgariens im September 1918 verstärkte die Isolation. Gerüchte über die Niederlage und die Forderung nach Waffenstillstand am 4. Oktober schür-ten das Feuer der Unzufriedenheit in der Heimat und demoralisierten die Armeen im Feld noch mehr. Angesichts der hervortretenden militärischen Überlegenheit

Kommentar Gegenangriff der Alliierten

Ganz richtig wird in der Dokumentation darauf hingewiesen, dass die Gegenoffensive der Alliierten die Wende brachte. Der Kriegseintritt der USA im April 1917 zeigte jetzt Wirkung: In großem Umfang waren an der Westfront amerikanische Truppen, Waffen, Munition und Nahrungsmittel eingetroffen. Der deutsche General Ludendorff erkannte, dass sich die Kräfteverhältnisse unwiederbringlich zu-gunsten der Alliierten verschoben hatten. Er überließ unverzüglich den Politikern die schwere Aufgabe, Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen. Ludendorff – wie viele andere Generäle – entzog sich da-mit der Verantwortung für das eigene Handeln. Die These, dass die Soldaten im Gegensatz zu den Generälen die drohende Niederlage nicht wahr-genommen hätten oder wahrhaben wollten, ist nicht richtig: Im April und Mai 1918 kam es zu einem „ver-deckten Militärstreik“, zu Befehlsverweigerungen, Desertionen und zu Selbstverstümmelungen. Zahlreiche Soldaten nutzten eine leichte Verwundung aus, um in ein Hospital und damit in Sicherheit zu gelangen. Sie wollten nicht noch kurz vor Kriegsende sterben. Remarque schildert in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“, wie sich die erschöpften Deut-schen amerikanischen Soldaten gegenübersahen, die Essen und Waffen im Überfluss hatten. Nach seinem Erscheinen löste der Roman heftige Diskussionen aus. An seiner Darstellung der schwachen deutschen Soldaten entzündete sich jedoch kein Widerspruch. Viele Veteranen scheinen das Kriegsende ähnlich er-lebt zu haben. Die Akzeptanz der später verbreiteten Dolchstoßlegende ist angesichts dieser Tatsachen also nicht damit zu erklären, dass die Soldaten im Frühjahr 1918 die militärische Niederlage nicht erkannt hätten.

1:22:07 min. Kapitel 18: Der Krieg endet

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52 Im Original „der“.

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52 Im Original „der“.

der Alliierten zu Lande, zu See und in der Luft schwankten Deutschlands Verbün-dete zunächst und fielen dann um. Der innere Zusammenbruch Österreich-Un-garns im Oktober und die daraus folgende Kapitulation am 2. November ließen die Blockade nun für Deutschland allein gelten.

In Deutschland wurden die Verhandlungen vor einem Hintergrund politischer Intrigen und öffentlicher Unruhen geführt. Statt deutliche Zeichen zu setzen, wur-den nur ungenaue Andeutungen auf eine mögliche par-lamentarische Demokratie gemacht. Eine Meuterei der Marine dehnte sich am 3. November auf die Straßen in Kiel aus. Am Abend des folgenden Tages war Kiel in den Händen eines Arbeiter- und Soldatenrates. Die Revolte dehnte sich auf Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven und Köln aus. Die Revolution, die die Deutschen den Russen unterschieben wollten, bedrohte sie jetzt selbst. Am 9. November wurde Berlin von Streiks und Demonstratio-nen überflutet. Der Reichstag verkündete die Abdankung

des Kaisers und rief die Republik aus. Der Führer der Sozialdemokraten, Friedrich Ebert, übernahm die Regierungsgeschäfte. Panik, Verwirrung und die Drohung ei-ner blutigen Revolution ergriffen Deutschland. Jetzt war nichts wichtiger, als die Truppen nach Hause zu holen. Unter ih-nen gab es immer noch welche, die dem Vaterland treu ergeben waren, noch immer willens, ihm in der Stunde größter Gefahr zu dienen. Am 10. November erkannte die deutsche Führung ohne jede weitere Debatte die Bedingungen der Alliierten an und am folgenden Tag, dem 11. November 1918, wurde der Erste Weltkrieg beendet. Für Deutschland gab es nichts zu feiern. Der Waffenstillstand, den seine Repräsen-tanten unterzeichnet hatten, war kaum mehr als eine bedingungslose Kapitulation. Die sofortige Evakuierung aus Frankreich und Belgien diente der Notwendigkeit, Ruhe und Ordnung im eigenen Land wiederherzustellen. Deutschland akzeptier-te aber auch, weite Teile des Rheinlandes unter fremde Besatzung zu stellen und riesige Mengen an Kriegsgerät inklusive Flugzeugen und Flotte zu übergeben. Sol-che Konzessionen konnten die neue Republik in den Augen derer, die sie einmal [be]erben sollten, nicht gerade stärken. 1919 wurde Deutschland noch immer von Hunger, Chaos und bürgerkriegsähnlichen Unruhen heimgesucht.

Kommentar Der Krieg endet

Der Verhandlungsbeginn verzögerte sich zum einen, weil der amerikanische Präsident deutlich machte, nun nur mit einer demokratisch legitimierten Regierung über einen Waffenstillstand sprechen zu wollen. Zum anderen rückten die Alliierten jetzt von Wilsons 14-Punkte-Plan ab und stellten Forderungen, die einer bedingungslosen Kapitulation gleichkamen. Der Versailler Vertrag stufte Kaiser Wilhelm II. als Kriegsverbrecher ein und forderte ein Verfahren gegen ihn – dem sich dieser aber durch eine Flucht ins Exil entzog. Das Fehlen demokratischer Strukturen belastete das Kaiserreich seit seiner Gründung im Jahr 1870/71. Vor allem gegründet, um der Gefahr einer Revolution zu begegnen, wurden notwendige demokra-tische Reformen im Reich wiederholt verschoben. Krisen in der Innen- und Außenpolitik wurden vielmehr

Klare SignaleIn der Dokumentation heißt es, dass im Rah-men der Friedensverhandlungen keine kla-ren Signale für eine Demokratisierung ge-setzt wurden. Richtig ist, dass es während des Krieges keine erfolgreichen Vorstöße in diese Richtung gab. Demokratische Refor-men blieben vielmehr ein Versprechen für die Zeit nach dem Krieg.

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Um ihre Bedingungen durchzusetzen, hielten die Alliierten die Blockade den Früh-ling und Sommer 1919 über aufrecht und verwandelten damit die Härten des Krie-ges in solche des Friedens. Unter den demobilisierten Truppen hatte die junge Re-publik die Männer gefunden, die den Geist der Revolution vernichten und Ruhe und Ordnung im Vaterland wiederherstellen konnten. Die Freikorps waren freiwilli-ge Milizen aus ehemaligen Soldaten. Ihr Symbol war ein Talisman aus den Kriegs-tagen: das Hakenkreuz. Die Siegermächte trafen sich in Versailles, um die Friedensbedingungen auszuhandeln. Es gab allgemeine Übereinstimmung, dass ein solcher Krieg nie wieder geführt werden dürfe und dass Schritte unternommen werden müssten, um den Frieden in Europa langfristig zu sichern. Deutschland sollte bestraft, seine bewaffneten Streitkräfte auf ein Minimum begrenzt werden, das gerade ausrei-chen würde, in Friedenszeiten die innere Ordnung zu verteidigen. Seine Kolonien und Teile des nationalen Territoriums sollten unter den Siegermächten aufgeteilt werden. Es kam auch die Frage nach Reparationen für die Kompensation der Be-schädigungen und Zerstörungen auf. Diese Dinge waren den Männern in Versailles sehr wichtig. Für Deutschland blieb nur die Schande der Niederlage, die Scham der Er-niedrigungen und für die junge Republik ein Friedensvertrag, der ihr das Rückgrat brechen und damit die Welt in einen weiteren Krieg stürzen sollte.

1:25:59 min. Kapitel 19: Verhängnisvoller Frieden

gezielt geschürt, weil sich die verfeindeten politischen Gruppen gegenseitig aufreiben sollten. Gruppen, die eine Parlamentarisierung anstrebten, wurden gezielt von konservativen und monarchistischen Kräften geschwächt. Auch der Sprung in den Krieg in der Julikrise 1914 kann als Versuch dieser Kräfte gewertet werden, eine Demokratisierung zu verhindern. Es waren dann aber demokratische Politiker, die im Oktober und November 1918 bereit waren, mit den Alliierten zu verhandeln und Deutschland aus dem Krieg zu führen. Als Dank dafür wurden sie später von Republikgegnern als Novemberverbrecher, Erfüllungsgehilfen und vieles mehr beschimpft.

Kommentar Verhängnisvoller Frieden

Die Dokumentation nennt zu Recht die ungelösten Probleme des Konfliktes von 1914–1918 als Wurzeln des Zweiten Weltkrieges und des Erfolgs des Nationalsozialismus. Zwei wesentliche Aspekte fehlen jedoch: Zum einen wird der § 231 des Versailler Vertrages nicht genannt. Er weist dem Deutschen Reich die alleinige Kriegs-schuld zu. Damit verfügten die Sieger über eine rechtliche Grundlage, um von Deutschland Reparationen zu fordern.

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Es war vor allem dieser Paragraf, der für die Deutschen inakzeptabel war. Er machte sie anfällig für diejeni-gen politischen Kräfte, die eine Revision des Vertrages und des Kriegsausgangs versprachen. Hintergrund des Paragrafen war die Notwendigkeit einiger Siegermächte, ihre Kriegskredite sofort nach dem Ende der Kampfhandlungen zurückzahlen zu müssen. Frankreich und Belgien mussten überdies zerstörte Gebiete wieder aufbauen. Die Menschen in diesen Ländern waren nicht bereit, weitere Opfer zu erbringen. Politiker, die um ihre Wiederwahl fürchteten, reagierten darauf mit den harten Bedingungen im Versailler Vertrag. Der zweite fehlende Aspekt: Zwangsläufig war die Entwicklung von Versailles zum Zweiten Welt-krieg nicht. Dieses Urteil ergibt sich eher aus der Rückschau und vor allem aus dem Wunsch, die Ursachen des Zweiten Weltkrieges zu erklären. Der Friedensvertrag von Versailles nährte nämlich auch Hoffnungen auf eine Welt ohne Kriege. Die Vertragspartner waren bestrebt, aus der Vergangenheit zu lernen. Sie ent-warfen den Völkerbund als eine einflussreiche, übernationale Einrichtung, die Konflikte in Zukunft friedlich lösen sollte.

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Bildnachweis Otto von Bismarck Bundesarchiv, Bild 146-1990-023-06A/CC-BY-SAFriedrich Ebert Bundesarchiv, Bild 102-00015/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Billy Bishop 1894–1956 kanadischer Jagdflieger, der mit über 70 Abschüssen als erfolgreichster Jagdflieger des Ersten Weltkrieges gilt.

Otto von Bismarck 1815–1898von 1871–1890 Kanzler des Deutschen Reiches, dessen Gründung er in mehreren Kriegen massiv vorantreibt – nicht zuletzt, um die Gründung durch eine Revolution zu verhindern.

Winston Churchill 1874–1965seit 1911 britischer Marineminister. Das Desaster des An-griffs auf die Halbinsel von Gallipoli, von ihm befürwortet und vorangetrieben, beschädigt seinen Ruf. Er tritt zurück und kämpft als Soldat in Frankreich. Unter David Lloyd George kehrt er im Juli 1917 als Rüstungsminister zurück, im Januar 1919 wird er Kriegsminister.

Friedrich Ebert 1871–1925Sozialdemokrat, ab dem 9. November 1918 Reichskanzler, von 1919–1925 Reichspräsident.

Ferdinand Foch 1851–1929französischer Marshall, ab April 1918 (der erste) Oberbefehls-haber der alliierten Streitkräfte. Er führt die alliierte Delega-tion bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Compiègne.

Franz Ferdinand 1863–1914Erzherzog von Österreich-Este, nach dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolph (1889) Thronfolger, am 28. Juni von serbischen Nationalisten in Sarajevo ermordet.

Verzeichnis der Personen

Bildnachweis Otto von Bismarck Bundesarchiv, Bild 146-1990-023-06A/CC-BY-SAFriedrich Ebert Bundesarchiv, Bild 102-00015/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Bildnachweis Paul von Beneckendorff und von Hindenburg Bundesarchiv, Bild 183-S51620/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Sir Douglas Haig 1861–1928britischer Generalfeldmarschall, von 1915–1918 Oberbefehls-haber an der Westfront. Gilt bis heute in der britischen Ge-schichte als Verantwortlicher für die hohen Verluste.

Hermann Göring 1893–1946führender nationalsozialistischer Politiker, Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, 1946 als Hauptkriegsverbrecher verurteilt; im Ersten Weltkrieg erfolgreicher Jagdfl ieger.

Paul von Beneckendorff und von Hindenburg 1847–1934 Chef des Generalstabes des Feldheeres, 1925 Reichspräsi-dent, 1933 ernennt er Hitler zum Reichskanzler.

Joseph Jacques Césaire Joffre 1852–1931französischer Marshall. Unter seiner Führung gelingt es in der Marne-Schlacht, die deutsche Armee aufzuhalten; 1916 wird er als Oberster Stabschef von General Robert Nivelle abgelöst. Er gilt als kompetent und solide, aber eher einfallslos.

Alexander Fjodorowitsch Kerenski 1881–1970russischer Politiker, u. a. Ministerpräsident der provisori-schen Regierung 1917. Befürworter der Fortsetzung des Krieges nach der Russischen Revolution, im Mai 1918 ver-lässt er Russland.

Horatio Herbert Kitchener 1850–1916britischer Feldmarschall, der als einer der wenigen einen langen Krieg voraussagt.

Bildnachweis Paul von Beneckendorff und von Hindenburg Bundesarchiv, Bild 183-S51620/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Bildnachweis Erich Ludendorff Bundesarchiv, Bild 183-S51620/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Alexander von Kluck 1846–1934preußischer General, führt die 1. Armee bis zu seiner Verwun-dung im März 1915. Er scheidet im Oktober 1916 im Alter von 70 Jahren aus der Armee aus.

Wladimir Iljitsch Lenin 1870–1924russischer Revolutionär und Politiker, kommt 1917 mit deut-scher Unterstützung aus der Schweiz nach Russland und unterstützt dort maßgeblich die Kräfte, die gegen eine Fort-führung des Krieges votieren.

David Lloyd George 1863–1945britischer Staatsmann und im Ersten Weltkrieg einer der einfl ussreichsten britischen Politiker. Unter anderem befür-wortet er die Einführung der allgemeinen Wehrpfl icht und setzt 1917 das Konvoisystem gegen eine unwillige Admirali-tät durch.

Erich Ludendorff 1865–1937preußischer General und Erster Generalquartiermeister im Generalstab des Feldheeres. Gemeinsam mit Hindenburg bildet er im August 1916 die 3. OHL (Oberste Heeresleitung), beide gelten als „heimliche Diktatoren“.

Robert Georges Nivelle 1856–1924französischer General und Chef des Generalstabes. Im Mai 1917 wird er nach den dramatischen Verlusten am Chemin des Dames seines Kommandos enthoben und von General Pétain abgelöst. Französische Historiker halten ihn dennoch für einen der besten französischen Generäle.

Henri Philippe Pétain 1856–1951französischer Marschall, Retter von Verdun, 1940 an der Spitze der Kollaborationsregierung von Vichy. 1945 wird er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, aufgrund seiner Leistungen im Ersten Weltkrieg wird die Todesstrafe in Ver-bannung umgewandelt.

Bildnachweis Erich Ludendorff Bundesarchiv, Bild 183-S51620/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Bildnachweis Alfred von Tirpitz Bundesarchiv, Bild 134-C1743/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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Manfred Freiherr von Richthofen 1892–1918deutscher Jagdflieger, trägt den Beinamen „Roter Baron“. 1925 wird seine Leiche unter großer Anteilnahme der Be-völkerung nach Berlin überführt, 1935 dient er als Namens-geber für ein Jagdgeschwader und fungiert als Symbol nationalsozialistischer Luftmacht.

Alfred Graf von Schlieffen 1833–1913von 1891–1905 Chef des deutschen Generalstabes. Er ent-wickelt 1905 die nach ihm benannte Denkschrift, auf der der Plan für einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland 1914 fußt.

Alfred von Tirpitz 1849–1930deutscher Großadmiral und Politiker. Seine Pläne stellen die Grundlage für Gesetze ab 1898 dar, die zum Schlacht-flottenbau führen und damit die Rivalität mit Großbritannien verschärfen.

Charles Townshend 1861–1924britischer General. Seine Truppen erleiden 1916 eine schwe-re Niederlage auf der Halbinsel Gallipoli.

Wilhelm II 1859–1941deutscher Kaiser und König von Preußen.

Woodrow Wilson 1856–1924Präsident der USA.

Bildnachweis Alfred von Tirpitz Bundesarchiv, Bild 134-C1743/CC-BY-SAalle anderen Wikimedia Commons

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WeiterführendeInformationen

Ein umfassendes und fundiertes Nachschlagewerk: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.)Enzyklopädie Erster WeltkriegPaderborn 2003 Sie erlaubt den Zugang über Schlagworte, Ortsnamen, Schlachten, Personen, bietet aber auch umfassende Artikel zu den kriegsbeteiligten Staaten und gesell-schaftlichen Gruppen.

Da die Dokumentation oftmals unkritisch Bildmaterial verwendet, soll ein Bild-band genannt werden, der dem Leser fundiert ungewöhnliche und aussagekräfti-ge Fotografien zeigt: Hew StrachanDer Erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte GeschichteMünchen 2004

Eine gut lesbare, fundierte und gleichzeitig relativ knappe Gesamtdarstellung bietet: Sönke NeitzelWeltkrieg und Revolution 1914–1918/19Berlin 2008

Die Zahl der Spielfilme zum Ersten Weltkrieg ist nahezu unüberschaubar – und bei Weitem nicht alle sind sehenswert. Die ausgewählten fünf Filme bieten einen Überblick dessen, was seit den 30er-Jahren produziert worden ist. Bei der Aus-wahl wurde darauf geachtet, dass nicht nur die Westfront behandelt wird – und dass nicht nur die Klassiker der Nachkriegszeit, sondern auch zwei aktuellere Beispiele vorgestellt werden. Außerdem sind alle ausgewählten Filme als DVD und in deutscher Sprache erhältlich.

Im Westen nichts Neues USA 1930 Regie: Lewis Milestone.Westfront 1918. Vier von der Infanterie D 1930 Regie: G. W. Pabst.Wege zum Ruhm F 1957 Regie: Stanley Kubrick.Gallipoli AUS 1981 Regie: Peter Weir. Passchendaele CAN 2008 Regie: Paul Gross.

Weiterführende Literatur

WeiterführendeFilme

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Auch für Romane gilt, dass ihre Zahl groß ist und längst nicht alle lesenswert sind. Aus jedem Land wurde ein herausragender Roman gewählt, der möglichst unmit-telbar nach dem (bzw. bereits im) Krieg erschienen ist. Auch hier wurde darauf geachtet, dass die Bücher in deutscher Übersetzung vor-liegen und entweder im Buchhandel, im Antiquariat oder in Bibliotheken zur Ver-fügung stehen. Und bei den Romanen ist auch endlich einmal die Ostfront vertre-ten.

Henri Barbusse Das Feuer Tagebuch einer Korporalschaft (F 1916) Zürich 1918 Fritz von Unruh Opfergang (D 1918) Frankfurt am Main 1966

Jaroslav Hašek Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk (CZ 1921–23) Frankfurt am Main 2000

Robert Graves Strich drunter (GB 1929) Frankfurt am Main 1990

Ernest Hemingway In einem anderen Land (USA 1929) Frankfurt am Main 1999

Alexander Solschenizyn August 1914 Das Rote Rad – Erster Knoten(F/RUS 1971) Darmstadt 1972

Weiterführende Romane

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Landeszentrale für politische Bildung NRW – Begleitdokumentation „Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918

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Die folgenden fünf Museen liegen in Frankreich, Belgien und Österreich. Sie be-handeln den Ersten Weltkrieg, überzeugen durch erstklassige Sammlungen und reflektierte Präsentation. In ihrer Nähe kann der Besucher Denkmäler, Friedhöfe und Überreste des Ersten Weltkrieges besuchen und entdecken. Führungen und/oder Audioguides in deut-scher Sprache sind verfügbar.

Historial de la Grande Guerre Péronnewww.historial.org

Musée de la Grande Guerre du Pays de Meaux Meauxwww.museedelagrandeguerre.eu/

Mémorial de Verdun Fleurywww.memorialdeverdun.fr

In Flanders Fields Museum Ypernwww.inflandersfields.be

Museum 1915–1918 Kötschach-Mauthenwww.dolomitenfreunde.at

Weiterführende Museen

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Landeszentrale für politische Bildung NRW – Begleitdokumentation „Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918

Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen

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