Die Gesundheitschaden bei...

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Die Gesundheitschaden bei Arsen-Vergiftung Arsen kommt sowohl als reines Element als auch in verschie- denen Verbindungen vor, welche je nach Zusammensetzung unterschiedlich stark giſtig sind. Arsenverbindungen wurden und werden teilweise immer noch in verschiedenen Berei- chen verwendet: Arsenhalge Substanzen wurden früher in unseren Breiten- graden als Schädlingsbekämpfungsmiel im Weinbau, als Anpilzmiel in der Holzwirtschaſt, als Raengiſt und als Enärbungsmiel in der Glasherstellung verwendet. Da die eingesetzten Arsenverbindungen hoch toxisch sind, kam es immer wieder zu Vergiſtungen. In gewissen Ländern werden arsenhalge Substanzen immer noch für die erwähnten Zwe- cke eingesetzt. Bereits in der Anke wurden Arsenverbindungen als Arznei- miel verwendet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das arsenhalge Arsphenamin in die Therapie der Syphilis einge- führt, später dann aber durch die entdeckten Anbioka ab- gelöst. Die medizinische Anwendung von Arsen führte immer wieder zu Vergiſtungen und wurde denn auch praksch kom- ple verlassen. Allerdings wird noch heute das arsenhalge Melarsoprol zur Behandlung der afrikanischen Schlarank- heit eingesetzt, da bei gewissen Formen der Krankheit keine Alternaven zur Verfügung stehen. In Form des hochgiſtigen Arsenik (Arsen(III)-oxid) erreich- te Arsen auch Berühmtheit als Mordgiſt und als Miel zum Suizid. Heute spielt Arsen in der Technik und Elektronik eine Rolle. Die grösste Gefährdung stellt heute die Belastung des Grund- wassers mit hohen Arsenkonzentraonen in gewissen Län- dern wie Bangladesch und Indien dar. Die Arsenverbindun- gen gelangen durch Auswaschung aus arsenhalgem Gestein ins Grundwasser. Weltweit trinken über 100 Millionen Men- schen arsenbelastetes Wasser. Lösliche Arsenverbindungen werden leicht über den Magen- Darm-Trakt und auch die Haut aufgenommen und grössten- teils in den Muskeln, Knochen, Haut, Haaren, Nägeln, Nieren und Lungen gespeichert. Metallisches Arsen zeigt wegen seiner Unlöslichkeit nur eine geringe Giſtigkeit, es wird vom Körper kaum aufgenommen. Da es sich an der Luſt leicht mit seinen sehr giſtigen Oxiden wie dem Arsenik überzieht, ist es dennoch nicht ungefährlich. In sehr geringen Mengen scheint Arsen für den Menschen eine biologische Bedeutung zu haben; allerdings ist diese noch nicht vollständig geklärt. Es gilt als Spurenelement und der notwendige Bedarf soll, falls er bestehen sollte, zwischen 5 und 50 Mikrogramm pro Tag liegen. Dem steht eine tägliche Arsenaufnahme in Abhängigkeit der Nahrungsmiel bis zu 1 Milligramm gegenüber, die aber als harmlos gilt. Die toxische Wirkung von Arsen bei Einnahme höherer Dosen beruht auf einer Störung von biochemischen Prozessen wie des zellulären Energiestoffwechsels, der Signalübertragung innerhalb der Zellen, von rezeptorvermielten Transportvor- gängen und der körpereigenen Reparatur der Desoxyribonu- kleinsäure (des Trägers der Erbinformaon). Es kommt auch zur Inakvierung von so genannten Tumor-Repressor-Prote- inen, was ein erhöhtes Krebsrisiko nach Arsenvergiſtungen erklärt. Bei Aufnahme von hoch toxischen Arsenverbindungen wie Arsenik kommt es zu einer akuten Arsenvergiſtung. Diese äussert sich mit einer Verzögerung von wenigen Stunden in einer schweren Magen-Darm-Entzündung mit Übelkeit, Erbrechen, kolikargen Schmerzen und heſtigen wässrigen Durchfällen. Der starke Wasser- und Salzverlust führt zu Bluteindickung, Störung der Nierenfunkon, erhöhtem Puls und Schock. Die Austrocknung kann so stark sein, dass abge- hobene Haualten lange stehen bleiben. Meist tri der Tod innerhalb von mehreren Stunden bis wenigen Tagen durch Nieren- und Herz-Kreislaufversagen ein. Die Einnahme von 60 bis 170 Milligramm Arsenik gilt für den Menschen als töd- liche Dosis. Werden Arsenverbindungen in kleineren Mengen über län- gere Zeit aufgenommen, kann dies zu einer chronischen Ar- senvergiſtung führen. Das Bild ist vielgestalg. Typisch sind verstärkte Hornhautbildung an Handflächen und Fusssohlen, dunkelgraue Hautpigmenerungen und weisse Nagelbänder. Ferner kann es zu Haarausfall, Entzündungen der Augenbin- dehaut und der oberen Luſtwege, Speichelfluss, Durchfall, Leberschädigung, Schädigung des Gehirns und der periphe- ren Nerven (mit Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen, Lähmungen oder Muskelrückbildung), Magkeit und Apa- thie kommen. Nach lang dauernder Arsen-Exposion können Schäden an den Blutgefässen auſtreten, was zur Ausbildung von Trommelschlägelfingern und Uhrglasnägeln und im Ext- remfall zum Absterben der betroffenen Regionen (so genann-

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Die Gesundheitschaden bei Arsen-VergiftungArsen kommt sowohl als reines Element als auch in verschie-denen Verbindungen vor, welche je nach Zusammensetzung unterschiedlich stark giftig sind. Arsenverbindungen wurden und werden teilweise immer noch in verschiedenen Berei-chen verwendet:

Arsenhaltige Substanzen wurden früher in unseren Breiten-graden als Schädlingsbekämpfungsmittel im Weinbau, als Antipilzmittel in der Holzwirtschaft, als Rattengift und als Entfärbungsmittel in der Glasherstellung verwendet. Da die eingesetzten Arsenverbindungen hoch toxisch sind, kam es immer wieder zu Vergiftungen. In gewissen Ländern werden arsenhaltige Substanzen immer noch für die erwähnten Zwe-cke eingesetzt.

Bereits in der Antike wurden Arsenverbindungen als Arznei-mittel verwendet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das arsenhaltige Arsphenamin in die Therapie der Syphilis einge-führt, später dann aber durch die entdeckten Antibiotika ab-gelöst. Die medizinische Anwendung von Arsen führte immer wieder zu Vergiftungen und wurde denn auch praktisch kom-plett verlassen. Allerdings wird noch heute das arsenhaltige Melarsoprol zur Behandlung der afrikanischen Schlafkrank-heit eingesetzt, da bei gewissen Formen der Krankheit keine Alternativen zur Verfügung stehen.

In Form des hochgiftigen Arsenik (Arsen(III)-oxid) erreich-te Arsen auch Berühmtheit als Mordgift und als Mittel zum Suizid. Heute spielt Arsen in der Technik und Elektronik eine Rolle.

Die grösste Gefährdung stellt heute die Belastung des Grund-wassers mit hohen Arsenkonzentrationen in gewissen Län-dern wie Bangladesch und Indien dar. Die Arsenverbindun-gen gelangen durch Auswaschung aus arsenhaltigem Gestein ins Grundwasser. Weltweit trinken über 100 Millionen Men-schen arsenbelastetes Wasser.

Lösliche Arsenverbindungen werden leicht über den Magen-Darm-Trakt und auch die Haut aufgenommen und grössten-teils in den Muskeln, Knochen, Haut, Haaren, Nägeln, Nieren und Lungen gespeichert. Metallisches Arsen zeigt wegen seiner Unlöslichkeit nur eine geringe Giftigkeit, es wird vom Körper kaum aufgenommen. Da es sich an der Luft leicht mit seinen sehr giftigen Oxiden wie dem Arsenik überzieht, ist es dennoch nicht ungefährlich.

In sehr geringen Mengen scheint Arsen für den Menschen eine biologische Bedeutung zu haben; allerdings ist diese noch nicht vollständig geklärt. Es gilt als Spurenelement und der notwendige Bedarf soll, falls er bestehen sollte, zwischen 5 und 50 Mikrogramm pro Tag liegen. Dem steht eine tägliche Arsenaufnahme in Abhängigkeit der Nahrungsmittel bis zu 1 Milligramm gegenüber, die aber als harmlos gilt.

Die toxische Wirkung von Arsen bei Einnahme höherer Dosen beruht auf einer Störung von biochemischen Prozessen wie des zellulären Energiestoffwechsels, der Signalübertragung innerhalb der Zellen, von rezeptorvermittelten Transportvor-gängen und der körpereigenen Reparatur der Desoxyribonu-kleinsäure (des Trägers der Erbinformation). Es kommt auch zur Inaktivierung von so genannten Tumor-Repressor-Prote-inen, was ein erhöhtes Krebsrisiko nach Arsenvergiftungen erklärt.

Bei Aufnahme von hoch toxischen Arsenverbindungen wie Arsenik kommt es zu einer akuten Arsenvergiftung. Diese äussert sich mit einer Verzögerung von wenigen Stunden in einer schweren Magen-Darm-Entzündung mit Übelkeit, Erbrechen, kolikartigen Schmerzen und heftigen wässrigen Durchfällen. Der starke Wasser- und Salzverlust führt zu Bluteindickung, Störung der Nierenfunktion, erhöhtem Puls und Schock. Die Austrocknung kann so stark sein, dass abge-hobene Hautfalten lange stehen bleiben. Meist tritt der Tod innerhalb von mehreren Stunden bis wenigen Tagen durch Nieren- und Herz-Kreislaufversagen ein. Die Einnahme von 60 bis 170 Milligramm Arsenik gilt für den Menschen als töd-liche Dosis.

Werden Arsenverbindungen in kleineren Mengen über län-gere Zeit aufgenommen, kann dies zu einer chronischen Ar-senvergiftung führen. Das Bild ist vielgestaltig. Typisch sind verstärkte Hornhautbildung an Handflächen und Fusssohlen, dunkelgraue Hautpigmentierungen und weisse Nagelbänder. Ferner kann es zu Haarausfall, Entzündungen der Augenbin-dehaut und der oberen Luftwege, Speichelfluss, Durchfall, Leberschädigung, Schädigung des Gehirns und der periphe-ren Nerven (mit Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen, Lähmungen oder Muskelrückbildung), Mattigkeit und Apa-thie kommen. Nach lang dauernder Arsen-Exposition können Schäden an den Blutgefässen auftreten, was zur Ausbildung von Trommelschlägelfingern und Uhrglasnägeln und im Ext-remfall zum Absterben der betroffenen Regionen (so genann-

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te „Black Foot Disease“) führen kann. Chronische Arsenbelas-tung geht mit einem erhöhten Krebsrisiko einher. So können nach Jahren bösartige Tumoren der Haut, Lunge, Leber und Harnblase auftreten.

Als Antidot (Gegengift) bei akuten Arsenvergiftungen wer-den schwefelhaltige so genannte Komplexbildner (z.B. Di-mercaptopropansulfonsäure, Dimercaptobernsteinsäure) eingesetzt und sind auch bei hohen Arsendosen effektiv, wenn die Vergiftung rechtzeitig diagnostiziert wird und sie sofort zum Einsatz kommen. Ihr Stellenwert bei der Be-handlung chronischer Arsenvergiftungen ist hingegen um-stritten. Aktivkohle ein bis mehrere Stunden nach der Ein-nahme kann Arsen im Magen-Darm-Trakt binden und zur Ausscheidung bringen.

Trotz der, je nach Verbindung, grossen bis sehr grossen Gif-tigkeit von Arsen gab es aber erstaunlicherweise Menschen, die Arsen regelmäßig zu sich nahmen und keinen Schaden davon trugen. Sie sind unter dem Begriff „Arsenikesser“ be-kannt. Die stimulierende Wirkung des Arsens ist vermutlich die Ursache des früher in einigen Alpengegenden verbreite-ten Arsenikessens. Im 17. Jahrhundert verzehrten manche der dortigen Bewohner lebenslang zweimal wöchentlich bis zu 250 Milligramm Arsen; Männer, weil es bei der Arbeit in den Höhenlagen half, Frauen, da es angeblich zu einer kräf-tigen Gesichtsfarbe beitrug. Der genaue Mechanismus der „Unempfindlichkeit“ gegenüber dem Arsen ist nicht bekannt. Man geht aber davon aus, dass eine langsame Gewöhnung an das Gift mit sukzessive steigenden Dosen physiologisch möglich ist.