Die Großen Musikstädte 2: Delphi

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HAM HAMB URGER SYMPHONIKER URGER SYMPHONIKER SPIELZEIT 2011 | 2012 CHEFDIRIGENT: JEFFREY TATE | INTENDANT: DANIEL KÜHNEL DIE GROSSEN MUSIKSTÄDTE II DIRIGENT: CLEMENS SCHULDT THERESA KRONTHALER, MEZZO ARTTU KATAJA, BARITON KRISTINA VON WELTZIEN, SPRECHERIN JENS WAWRCZECK, SPRECHER CHOR: KÖLNER MÄNNER-GESANG-VEREIN DELPHI HHS521732_Progr_Delphi.indd 1 HHS521732_Progr_Delphi.indd 1 31.10.11 14:04 31.10.11 14:04

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Im 2. Sonderkonzert der Hamburger Symphoniker steht entgegen den gängigen Erwartungen die griechische Stadt Delphi im Mittelpunkt der programmatischen Betrachtungen. Das Umgehen mit der Zukunft auf der Grundlage unseres Wissens aus der Vergangenheit – dafür steht das Orakel von Delphi. Und genau das ist auch ein wichtiger Aspekt einer modernen Musikstadt. Und So erfahren wir, was der russische Komponist Igor Strawinsky, sein rumänischer Kollege George Enescu und der Finne Kalevi Aho mit dem griechischen Ort verbinden: Strawinsky hat ein Opern-Oratorium über „Oedipus Rex“ geschrieben und Griechenland selbst bereist, Enescu nahm sich derselben Thematik innerhalb einer Oper an – und Ahos Werk „Pergamon“ wiederum verweist schon im eigenen Titel auf das antike Griechenland. Das Programm wird im zweiten Teil durch Beethovens 5. Symphonie ergänzt – der berühmten „Schicksalssymphonie“.

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HAMHAMBURGER SYMPHONIKERURGER SYMPHONIKER

SPIELZEIT 2011 | 2012 CHEFDIRIGENT: JEFFREY TATE | INTENDANT: DANIEL KÜHNEL

DIE GROSSEN MUSIKSTÄDTE II

DIRIGENT: CLEMENS SCHULDTTHERESA KRONTHALER, MEZZO ARTTU KATAJA, BARITON KRISTINA VON WELTZIEN, SPRECHERIN JENS WAWRCZECK, SPRECHERCHOR: KÖLNER MÄNNER-GESANG-VEREIN

DELPHI

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KALEVI AHO (*1949)

„PERGAMON“

GEORGE ENESCU (1881–1955)

SZENE DER SPHINX AUS „OEDIPE”

IGOR STRAWINSKY (1882–1971)

ARIE DER IOCASTE UND SCHLUSSSZENE AUS „OEDIPUS REX“

LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1827)

5. SYMPHONIE IN C-MOLL OP. 6DAS PROGRAMM

2. SONDERKONZERT

03.11.11 I 19:30 I LAEISZHALLE - MUSIKHALLE HAMBURGDONNERSTAG GROSSER SAAL

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3 BIOGRAFISCHES

Der 28-jährige

Dirigent Clemens

Schuldt gewann

2010 den renom-

mierten Donatella-

Flick-Dirigierwettbe-

werb in London. Als

Assistant Conductor des London Symphony

Orchestra arbeitet er daraufhin für ein Jahr

mit Dirigenten wie Sir Colin Davis, Valery

Gergiev, Daniel Harding und Sir Simon Rattle

sowie an eigenständigen Projekten.

In der Saison 2011/12 wird er neben

dem London Symphony Orchestra, das BBC

National Orchestra of Wales und das WDR

Rundfunkorchester Köln leiten, zudem

dirigiert er das Orquesta Sinfonica y Coro

de RTVE Madrid, das Osaka Symphony

Orchestra, das Ho Chi Minh City Ballet

Symphony Orchestra Vietnam, die Slovak

Sinfonietta und das Beethoven Academy

Orchestra im Rahmen des Beethoven Easter

Festival Warschau. Weiter in der Zukunft

liegende Engagements führen ihn u. a. zum

Orchestre de Chambre de Lausanne und zum

Deutschen Symphonie-Orchester Berlin.

Die Oper spielt eine zunehmend größere

Rolle in Clemens Schuldts musikalischer

Arbeit. Auf Einladung von Sir Colin Davis

assistierte er ihm im Juni 2011 bei einer

Produktion von Mozarts La Clemenza di

Tito in Aix-en-Provence. Er arbeitete mit

Hermann Bäumer in Osnabrück an Hoffmanns

Erzählungen von Offenbach und wird

demnächst mehrere Aufführungen von

Dvoraks Rusalka am Theater in Gelsenkirchen

leiten.

Besonderen Stellenwert hat für Clemens

Schuldt die Arbeit mit Jugendorchestern und

mit jungem Publikum. Neben der Leitung der

„Discovery Concerts“ des London Symphony

Orchestra im Barbican Centre ist er regelmä-

ßig zu Gast bei Ensembles wie der Schumann

Camerata und dem Jungen Klangforum Mitte

Europa. Mit Letzterem war er sehr erfolgreich

auf Tournee und brachte u.a. in der Tonhalle

Düsseldorf Beethovens 3. Leonoren-Ouver-

türe und Maki Ishiis sinfonische Dichtung

I llusion and Death zur Aufführung.

Schon früh zeigte er großes Interesse

für Musik der Gegenwart. Durch Arbeitspha-

sen bei Festivals für zeitgenössische Musik

wie dem Warschauer Herbst konnte er seine

Erfahrung mit diesem Genre weiter vertiefen.

Ein besonderer Höhepunkt war schließlich

die Uraufführung des Werkes Halo von Vlad

Maistorovici mit dem London Symphony

Orchestra im März 2011.

In Bremen geboren, studierte Clemens

Schuldt Geige an der Robert-Schumann-

Hochschule in Düsseldorf. Als ausgebildeter

Geiger hat er beispielsweise mit dem Gürze-

nich-Orchester Köln unter Markus Stenz und

der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen

unter Paavo Järvi gespielt. Es folgte ein Diri-

gierstudium bei Rüdiger Bohn in Düsseldorf

und Mark Stringer in Wien; momentan ist Cle-

mens Schuldt Student von Nicolas Pasquet in

Weimar. Seit 2010 ist er Stipendiat des Diri-

gentenforums des Deutschen Musikrats.

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Page 4: Die Großen Musikstädte 2: Delphi

BIOGRAFISCHES 4

Theresa Kron thaler

wurde in Würzburg

geboren und wuchs

in Rom auf, wo sie

sich schon früh für

den Gesang und die

Schauspielerei

begeisterte. Sie erhielt in Italien Gesangsun-

terricht bei Elio Battaglia in Turin. Nach einem

Studium der Theaterwissenschaften in London

zog sie 2002 nach Berlin und ist seitdem

Gesangsstudentin an der Hochschule für

Musik Hanns Eisler bei Prof. Renate Faltin und

Prof. Julia Varady. Sie besuchte Meisterklassen

von Dietrich Fischer-Dieskau, Christa Ludwig

und Thomas Quasthoff.

Ihre Tätigkeit als Solistin in Konzerten

und im Musiktheater führt sie an eine Vielzahl

von Orten, mit Auftritten u. a. in der Sankt

Petersburger Philharmonie, der Berliner Phil-

harmonie, dem Konzerthaus am Gendarmen-

markt, der Tonhalle Düsseldorf, der Deutschen

Oper Berlin und der Komischen Oper.

Im Dezember 2008 machte sie ihr Debüt an

der Genfer Oper als Prinz Orlofsky in Die Fleder-

maus und sang 2009 Hindemiths Neues vom

Tage. Seit der Spielzeit 2009/10 ist sie

Ensemblemitglied an der Deutschen Oper am

Rhein, wo sie u. a. als Hänsel (Hänsel und Gretel),

Annio (La Clemenza di Tito) und Dorabella

(Così fan tutte) zu hören sein wird. Sie gab

zudem Liederabende in Moskau und Zürich.

Mit der Spielzeit 2012/13 wird Theresa

Kronthaler Ensemblemitglied der Komischen

Oper Berlin werden.

Der gebürtige Finne

Arttu Kataja begann

seine musikalische

Ausbildung als Neun-

jähriger mit Oboen-

unterricht. Später

studierte er Gesang

an der Sibelius-Akademie in Helsinki, war

Stipendiat der Martti Talvela Stiftung und u.a.

zweifacher Preisträger beim Internationalen

Mozartwettbewerb in Salzburg (2006). Gast-

spiele führten den jungen Bariton u. a. an die

Finnische Nationaloper in Helsinki, nach

Tampere, zum Theatre du Capitole in Toulouse,

zum Savonlinna Opernfestival, zum Strassburg

Festival, als Figaro, Masetto und Guglielmo an

die Deutsche Oper am Rhein, sowie nach Japan,

zusammen mit Daniel Barenboim und der

Deutschen Staatsoper Berlin. Seit 2006 gehört

er zum festen Ensemble der Berliner Staatsoper.

An der Staatsoper war er in der Rolle De Brétigny

(Manon) unter der Leitung von Daniel Barenboim

an der Seite von A. Netrebko und R. Villazón zu

hören. In 2009 gab er sein Debüt als Heerrufer

in der Neuproduktion von Wagners Lohengrin

unter der Regie von S. Herheim und der

musikalischen Leitung von D. Barenboim. Ferner

trat er in der Produktion Orlando Paladino unter

R. Jacobs auf. Zu den aktuellen Aufgaben des

Künstlers gehören Papageno bei den Festivals in

Kokkola sowie in Savonlinna (2012). Weiter singt

er in Haydns Orlando Paladino in konzertanten

Aufführungen in Brüssel, Edinburgh und

Eisenstadt unter der Leitung von René Jakobs.

Foto

: Rik

hard

Tiu

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5 BIOGRAFISCHES

Kristina von Welt-

zien wurde 1973 in

Kiel geboren und

stammt aus einer

Schauspielerfami-

lie. Nach dem Abitur

studierte sie am

Hamburgischen Schauspielstudio Hildburg

Freese, erlangte dort die „Allgemeine Büh-

nenreife“ und ist seitdem als freie Schau-

spielerin am Theater und im Film tätig. Nach

mehreren kleineren Synchronaufträgen syn-

chronisierte sie eine der beiden Hauptrollen

in der kanadischen Jugendserie Amanda und

Betsy, die von 1994–97 im ZDF ausgestrahlt

wurde. Inzwischen ist ihre Stimme aus Kino-

und Fernsehfi lmen, Hörbüchern, Doku-

mentationen, Radio und aus der Werbung

bekannt. Sie sprach z. B. Hauptrollen in

Serien wie McLeods Töchter, The Mentalist,

Baywatch, She-ra und Shirley Holmes. Sie

synchronisierte Schauspielerinnen wie Kate

Backinsale, Patricia Arquette, Isabelle Carré

und Julie Benz, darüber hinaus übernahm

sie Rollen in Hörbuch- und Hörspielproduk-

tionen wie Bram Stokers Dracula, Henning

Mankells Vor dem Frost, Die drei ???, TKKG,

Die Welle sowie Hanni und Nanni

Jens Wawrczeck

wurde 1963 in

Nyköbing (Däne-

mark) geboren

und begann seine

künstlerische Lauf-

bahn mit elf Jahren

beim Norddeutschen Rundfunk in Ham-

burg: Als „Krümel“ in der Hörspielbearbei-

tung des Astrid Lindgren Klassikers Die

Brüder Löwenherz. Kurz darauf übernahm

er die Rolle des „Peter“ in der Kult-Serie

Die drei ???. Bis heute ist Jens Wawrczeck

dem Medium Hörspiel treu geblieben

und fi ndet dort immer wieder Möglichkei-

ten die unterschiedlichsten Charaktere zu

gestalten. Seine schauspielerische Ausbil-

dung erhielt Jens Wawrczeck in Hamburg,

New York und Wien. Seitdem war er häufi g

auf der Bühne zu sehen, u. a. in Shakes-

peares Was ihr wollt oder Lessings Nathan

der Weise. Für seine Rolle als Edgar in

König Lear bekam Jens Wawrczeck 1995

den Hersfeldpreis der Kritiker sowie den

Publikumspreis. In seiner Hörbuchedition

AUDOBA veröffentlicht er regelmässig lite-

rarische und musikalische Kostbarkeiten

und lässt gemeinsam mit dem Kompo-

nisten Henrik Albrecht das Genre Melo-

dram wiederaufl eben. Darüberhinaus ist

Jens Wawrczeck Mitbegründer der Film-

AusleseR, Teil des Duos 2stimmig und arbei-

tet als Synchronregisseur, Autor, Übersetzer

und als Schauspiel-Dozent in New York.

Foto

: Uw

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BIOGRAFISCHES 6

Kölner Männer-Gesang-Verein (KMGV)

Im April 1842 gegründet, blickt der Kölner

Männer-Gesang-Verein im kommenden

Jahr auf eine 170-jährige Vereinsgeschichte

zurück. Unter dem Motto „durch das Schöne

stets das Gute“ hatten sich Mitte des

19. Jahrhunderts rund 30 Herren, die meisten

von ihnen aktive Sänger im Kölner Domchor,

zu einem Männerchor zusammengeschlossen.

Mit hoher musikalischer Qualität bestritt der

Kölner Männer-Gesang-Verein, der in seiner

Geschichte zeitweise über 300 aktive Sänger

in seinen Reihen versammelte, Sänger-Wett-

streite, nahm an internationalen Sängerfesten

teil und führte schon bald erste Konzertreisen

durch. Den Annalen des Vereins ist zu ent-

nehmen, dass der KMGV Konzerte mit

berühmten Persönlichkeiten des damaligen

Musiklebens gab. Beispielhaft seien hier

die Auftritte erwähnt, die gemeinsam mit

Jacques Offenbach bestritten wurden. Ab den

1970er Jahren spielten die Konzertreisen des

KMGV immer mehr eine hervorgehobene

Rolle. Der Verein gastierte unter anderem in

Südafrika, Japan, den USA, Kanada, in der

ehemaligen UdSSR, China und Jordanien.

Im Mai 2011 konnte sich der Kölner

Männer-Gesang-Verein darüber freuen,

seinen Dirigenten Bernhard Steiner als pro-

fessionellen und engagierten musikalischen

Leiter seit zehn Jahren bei sich zu wissen.

Unter der Leitung des aus Wien stammenden

Dirigenten hatte der KMGV in dieser Periode

sein musikalisches Profi l noch einmal

signifi kant geschärft. Vor allem die Jahres-

konzerte, die der Kölner Männer-Chor seit

25 Jahren in der Kölner Philharmonie ver-

anstaltet, bilden diesen musikalischen

Anspruch ab. Der Kölner Männer-Gesang-

Verein gehört bis heute zu den größten

Männerchören Deutschlands. Als besondere

„Highlights“ der vergangenen zehn Jahre

sind den Sängern das beschwingte Konzert

„Wien grüßt Köln“, das geistliche Konzert

mit der „Missa Dalmatica“ von Franz von

Suppé und die Aufführung der griechischen

Tragödie „Antigone“ in der Vertonung von

Mendelssohn-Bartholdy in bester Erinnerung.

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7 ZUM PROGRAMM

KALEVI AHO (* 9.3.1949, Forssa): „Pergamon“

GEORGE ENESCU (19.8.1881, Liveni – 4.5.1955, Paris):Szene der Sphinx aus „Oedipe“

IGOR STRAWINSKY (17.6.1882, Oranienbaum – 6.4.1971, New York):Arie der Iocaste und Schlussszene aus „Oedipus Rex“

LUDWIG VAN BEETHOVEN(17.12.1770, Bonn – 26.3.1827, Wien):5. Symphonie in c-Moll op. 67

Wer überlegt, wie Delphi wohl klingt, der

denkt wahrscheinlich zunächst an eine

mythische Stimme, diejenige des Orakels.

Zwar sagt mythisch noch nicht zu viel über

deren Klang aus, wohl aber über ihren Cha-

rakter. Sie wäre nicht ganz eindeutig einer

Frau oder einem Mann zuzuschreiben, weil

das Orakel eben kein Mensch, sondern eine

mythische Kraft ist. Nun wissen wir in der

postmodernen Gegenwart längst, dass aus

einer Erdspalte aufsteigende Dämpfe und

eine gewisse Mischung verbrannter Harze

und Kräuter Priesterinnen in Delphi in Trance

versetzt haben, so dass sie als Stimme des

Orakels ihren Besuchern Auskunft geben

konnten – so zumindest die populärste The-

orie über die Praxis der antiken Weissagung.

Doch die inspirierte Stimme einer Priesterin,

oder auch die mythische Stimme des Orakels

machen nicht den einzigen Klang der Stadt

Delphi aus. Vielmehr gehören die Geräusche

des Tempels ebenso dazu wie der Lärm der

Kaufl eute und Händler, die den Besuchern

und Ratsuchenden ihre Waren feilboten.

Daran jedoch denken wir in der Regel nicht,

wenn wir von Delphi hören. Das Orakel ist die

Stimme, die aus der Antike her zu uns dringt.

Selbst wenn wir heute nicht mehr an die anti-

ken Götter glauben und uns die alten Mythen

weniger ihrer Inhalte wegen interessieren, als

wegen ihrer Kraft, Kunstwerke herauszufor-

dern. Genau das tut das Orakel von Delphi

tatsächlich bis in die Gegenwart.

Der fi nnische Komponist Kalevi Aho

schrieb sein Werk „Pergamon“ in diese

ästhetische Rezeptionsgeschichte ein. Seine

Verbindung zum Pergamon-Altar geht nicht

unmittelbar auf die eigene Begegnung mit

diesem Relikt der Antike und dem auf ihm

Dargestellten zurück. Vielmehr ließ sich Aho

auf Peter Weiß’ dreibändigen Roman-Essay

„Die Ästhetik des Widerstands“ ein. Dort

markiert eine Schilderung des Altars den

Beginn. Trotz der besonderen Form griff der

Komponist nach eigenen Angaben gern auf

diesen Text zurück, als er von der Universi-

tät Helsinki den Auftrag bekam, ein Werk zur

Feier ihres 350-jährigen Bestehens zu gestal-

ten: „Ich wollte keine konventionelle Festou-

vertüre schreiben, sondern Musik, die ihre

Zuhörer tiefer beeinfl usst und sie zum Nach-

denken zwingt. Zu diesem Zweck passte der

Text von Peter Weiß sehr gut. Im Text spricht

man von einer uralten mythischen Katastro-

phe, aber entsprechende gewaltige Katastro-

phen hat es auch später überall in der Welt

gegeben, vielleicht passieren sie sogar heute

noch. Deswegen die verschiedenen Spra-

chen des Textes.“ Vier Orchestergruppen,

Erzähler und Orgel machen die Besetzung

aus, damit präsentiert sich Ahos „Pergamon“

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ZUM PROGRAMM 8

sicherlich als ein Werk der Gegenwart: es

wird im heutigen Konzert zum ersten Mal in

einem Konzertsaal gegeben. Nach der ein-

drücklichen Wirkung, die es bei der Feier

der Universität Helsinki 1990 erzielt hat und

einer CD-Aufnahme in Lahti 1994 ist „Perga-

mon“ von den Hamburger Symphonikern für

das Delphi-Konzert wiederentdeckt worden.

„Ich bin sehr froh, dass man in Hamburg das

Werk aufs Neue gefunden hat. Man kann

sogar von einer Konzerturaufführung von

‚Pergamon‘ sprechen“, schreibt Kalevi Aho

darüber.

George Enescus Oper „Oedipe“ setzt

sich auf ganz besondere Weise mit dem

antiken Stoff auseinander. Sie begleitet

Ödipus auf seinem gesamten Lebensweg,

zeigt den Ausgangspunkt, als der Säugling

einer Weissagung des blinden Sehers Tire-

sias wegen ausgesetzt wird, seine angenom-

mene Identität als Sohn des korinthischen

Königs Polybus und seine Flucht vom dorti-

gen Königshof, weil er den Spruch des Ora-

kels in Delphi nicht wahr werden lassen will.

Ihm wurde prophezeit, er werde seinen Vater

umbringen und seine Mutter heiraten. Das

jedoch geschieht, wenn auch unwissent-

lich, als Ödipus an einer Wegkreuzung seinen

leiblichen Vater Laios, den er nicht kennt,

im Streit tötet. Als er kurz darauf in Theben

ankommt, kann er die Stadt vor einer mächti-

gen Bedrohung retten. Die Sphinx, eine gefl ü-

gelte Löwin mit dem Kopf einer Frau, tötet

all diejenigen, die ihre Rätsel nicht lösen

können. Ödipus weckt sie und kann auf ihre

Frage, wer das Schicksal besiegen könne,

die richtige Antwort geben: der Mensch.

Seinem eigenen Schicksal entfl ieht er jedoch

nicht, denn nach dem letzten Rätsel der

Sphinx, die ihm aufgibt zu entdecken, ob

sie in ihrem Niedergang weine, oder über

ihren größten Sieg lache, wird Ödipus neuer

König in Theben und Mann der verwitweten

Königin Iocaste. Damit hat sich der Orakel-

spruch erfüllt und erst Jahre später, als die

Pest in Theben wütet, kommt durch Tiresias

die Wahrheit über seine Identität ans Licht.

Iocaste tötet sich selbst, Ödipus blendet sich

und geht ins Exil, wo er letztlich stirbt.

Enescu arbeitete lange Zeit an seinem

Hauptwerk, einerseits der vielen Aufgaben

wegen, die er als Musiker, Komponist, Diri-

gent und akademischer Lehrer inne hatte,

andererseits wegen der weltgeschichtlichen

Ereignisse zwischen 1910 und 1936. Die

erste Auseinandersetzung mit dem Stoff

ist tatsächlich schon für die Jahre vor dem

Ersten Weltkrieg zu belegen, doch die eigent-

liche Schaffenszeit fällt in die Jahre 1921–36,

also die Zwischenkriegszeit. Als durchaus

heimatverbundener Rumäne, der doch in

der europäischen Musikgeschichte zuhause

war, verband Enescu seine Begeisterung für

die Werke Richard Wagners, für rumänische

Volksweise und für die französische Musik

seiner Gegenwart zu einer ganz individuellen

Tonsprache, die gerade „Oedipe“ so beson-

ders herausstellt.

Während die Arie der Sphinx aus

Enescus Oper erklingt, bevor Ödipus König

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9 ZUM PROGRAMM

wird, fokussiert Igor Strawinskys „Oedipus

Rex“ die Entdeckung von dessen unbewuss-

ter Schuld. Damit greifen Stravinsky und sein

Librettist Jean Cocteau, dessen Text jedoch

in lateinischer Übersetzung gesungen wird,

auf die antike Tragödie von Sophokles zurück.

Stravinsky hat den Stoff quasi als Oratorium

bearbeitet, das aus Arien, Duetten und

Chorszenen besteht, die einander folgen,

aber keine stringente Handlung darstellen.

Zum Effekt der Zeitlosigkeit trägt auch die

lateinische Sprache bei, die weder dem

Mythos noch der Zeit der Entstehung von

„Oedipus Rex“ eignet. Vielmehr markiert sie

die Überzeitlichkeit des Stoffes und stellt ihn,

wie auch die Form und die zwischen

Neoklassik und Jazzelementen pendelnde

Musik, als immer neu und damit auch ewig

relevant aus. Die klar strukturierte, vor allem

die Rhythmik betonende Tonsprache trägt

ihren Teil dazu bei.

Die 5. Symphonie Ludwig van Beet-

hovens mit ihrem typischen Anfangsmotiv

wurde eines tradierten Ausspruchs wegen

immer wieder als „Schicksalssymphonie“

bezeichnet. Angeblich hat der Komponist

selbst gemeint, so klopfe das Schicksal an

die Türe. Seine Dynamik jedenfalls zieht

das ganze Werk aus den drei Schlägen des

Beginns. Der Charakter jedoch ändert sich in

jedem Satz und wird im Finale triumphal. Das

Schicksal erscheint hier bei aller Auseinan-

dersetzung mit ihm nicht unbesiegbar.

Alle Werke des Konzerts verbindet die

Spannung zwischen Zeitlichkeit und mythi-

scher Überzeitlichkeit, zwischen Aktualität

und künstlerischer Gültigkeit über Epochen

hinweg. Damit zeigt sich in der Referenz an

die Stadt Delphi, wie spannend Musik ist: sie

erklingt in der Zeit, ist eine momenthafte

Kunst, die nur im Erklingen überhaupt da ist.

Aber dabei erzählt sie von den überzeitlichen

Dingen und kann Präsenz herstellen. So

funktioniert auch der Mythos von Delphi.

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IMPRESSUM 10

2. SONDERKONZERT

CHEFDIRIGENT JEFFREY TATE

VORSTAND ERIKA ANDRESS, DR. MARKUS CONRAD, HARALD DAU, PROFESSOR DR. JOSEF JOFFE, PROFESSOR ELMAR LAMPSON, FRANK NÖRENBERG, PROFESSOR DR. BURKHARD SCHWENKER

BEIRATDR. PETER VON FOERSTER (VORSITZENDER), CORNELIA BEHRENDT, DR. GOTTFRIED VON BISMARCK, CLAUS-G. BUDELMANN, PROFESSOR DR. HUBERTUS GASSNER, ANKE KUHBIER, ROBERT LORENZ-MEYER, JOACHIM LUX, DR. WILFRIED MAIER, DIETRICH RUSCHE, MAJA STADLER-EULER, DR. DOROTHEE STAPELFELDT, ELKE THOMAS, DR. HARALD VOGELSANG

EHRENMITGLIEDER DER HAMBURGER SYMPHONIKERPROFESSOR THOMAS BRANDIS, RENATE WALD †, HELLMUT WEMPE

INTENDANT DANIEL KÜHNEL

DISPOSITION U. STELLV.GESCHÄFTSFÜHRUNG UWE ADAM

KÜNSTLERISCHE BETRIEBSLEITUNGU. PERS. REFERENTIN DES INTEN DANTENSARAH WEINTRITT

SEKRETARIAT GABY NOWAK

ORCHESTERINSPEKTOR BERNHARD HAGEL

NOTENARCHIV ELISABETH HERPIN

EDUCATION U. PROJEKTMANAGEMENT STEFANIE FRICKE

GEHALTSBUCHHALTUNGGABRIELA STRACHANOWSKI

EDV ALEXANDER NOWAK

ORCHESTERWARTE REINHOLD BURMESTER, LASSE MONSKA

ORCHESTERVORSTAND LARS FISCHER, BRUNO MERSE, ALEXANDER RADZIEWSKI

BETRIEBSRAT HELEN CORTIS, ELISABETH HERPIN, CHRISTIAN GANZHORN, RICHARD RIEVES, HARALD SCHMIDT

PRESSE, KOMMUNIKATIONALEXANDER BUSCHE

PUBLIC RELATIONSFRIEDRICH CARL

REDAKTIONDANIEL KÜHNEL, GABY NOWAK, SARAH WEINTRITT

GESTALTUNGMATTHIES JANSSEN

PRODUKTIONSBÜROROMEY VON MALOTTKY GMBH

SATZ/LITHO/DRUCK ALBERT BAUER COMPANIES GMBH & CO. KG

FREUNDE UND FÖRDERER (VORSTAND)LUTZ BASSE, UNDINE BAUM, BERTHOLD BRINKMANN, KATHARINA DAU, DÖRTE HERMSEN, RAINER QUASNITZA, HANS-PETER VORPAHL

EHRENFÖRDERERMARIETTA ANDREAE, DANIEL E. BAUM, HERIBERT DIEHL, BIRGIT GERLACH, KIRSTEN GRÄFIN VON HARDENBERG, BRUNI HEINEMANN, DR. BRIGITTE KLAPP, GERHARD RÖTTERS, ALEXANDER FÜRST ZU SCHAUMBURG - LIPPE

DIE TEXTE ZUM PROGRAMM SCHRIEB ELISABETH BÖHM

ÄNDERUNGEN VORBEHALTENALLE RECHTE VORBEHALTEN, OKTOBER 2011

HAMBURGER SYMPHONIKER E. V.DAMMTORWALL 46, 20355 HAMBURGTEL. 040 226 34 38-0, FAX 040 226 34 38-22 [email protected]

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