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Florian Meinel* Die Grundrechtstheorie Carl Schmitts Systematik, Wirkung und Bedeutung StudZR 2/2007 Abstract Die Weimarer Verfassung gab mit ihrem weit ausgreifenden Grundrecht- steil der zeitgenössischen Staatsrechtslehre ein großes Thema auf. Dem „Grundrechtslaboratorium Weimar“ (W.Pauly)1 entstammen viele der bis heute bedeutsamen grundrechtlichen Systementwürfe, unter denen die Verfassungslehre Carl Schmitts besonders hervorragt. Ihre in diesem Bei- trag versuchte Rekonstruktion führt über die Einordnung in ihren dog- mengeschichtlichen Kontext und die Rezeption in der Verfassungsrechts- wissenschaft der Bundesrepublik. Dabei wird deutlich, wie sehr sich seither die Problemstellungen verschoben haben. Die Berufung auf die Grundrechtstheorie Carl Schmitts ist nur begrenzt und allenfalls sehr be- hutsam möglich. * Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Doktorand der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Die folgende Abhandlung ist im Wintersemester 2004/2005 im Seminar von Prof. Dr. Jens Kersten und PD Dr. Karsten Fischer an der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden. Der Dank des Verf. gilt Herrn Prof. Dr. Kersten für seine Unterstützung und vor allem Herrn Prof. Dr. Michael Sachs, Köln, für seine eingehende Kritik einer früheren Fassung dieses Textes. StudZR 2/2007 237 1 W. Pauly, Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004.

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Florian Meinel*

Die Grundrechtstheorie Carl SchmittsSystematik, Wirkung und Bedeutung StudZR2/2007

Abstract

Die Weimarer Verfassung gab mit ihrem weit ausgreifenden Grundrecht-steil der zeitgenössischen Staatsrechtslehre ein großes Thema auf. Dem„Grundrechtslaboratorium Weimar“ (W. Pauly)1 entstammen viele der bisheute bedeutsamen grundrechtlichen Systementwürfe, unter denen dieVerfassungslehre Carl Schmitts besonders hervorragt. Ihre in diesem Bei-trag versuchte Rekonstruktion führt über die Einordnung in ihren dog-mengeschichtlichen Kontext und die Rezeption in der Verfassungsrechts-wissenschaft der Bundesrepublik. Dabei wird deutlich, wie sehr sichseither die Problemstellungen verschoben haben. Die Berufung auf dieGrundrechtstheorie Carl Schmitts ist nur begrenzt und allenfalls sehr be-hutsam möglich.

* Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. GunnarFolke Schuppert am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschungund Doktorand der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universitätzu Berlin. Die folgende Abhandlung ist im Wintersemester 2004/2005im Seminar von Prof. Dr. Jens Kersten und PD Dr. Karsten Fischer ander Humboldt-Universität zu Berlin entstanden. Der Dank des Verf.gilt Herrn Prof. Dr. Kersten für seine Unterstützung und vor allemHerrn Prof. Dr. Michael Sachs, Köln, für seine eingehende Kritik einerfrüheren Fassung dieses Textes.

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1 W. Pauly, Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004.

A. Einleitung

Viele prägnante Begriffe der modernen Verfassungslehre sind Begriffe Carl Schmitts.Diese Einsicht ist an sich weder neu noch überhaupt ein hinreichender Grund füreingehende Befassung, neigen doch Begriffe dazu, sich von ihren Vätern loszusagenund ein Eigenleben zu entwickeln, in dem das rituelle Zitat langsam entbehrlichwird. Und doch kann es nützen, zu den Quellen der Begriffe zurückzugehen, umsich ihre Bedingtheiten neu bewußt zu machen. Die Grundrechtslehre Schmitts isthierfür anschauliches Beispiel. MeinelDie Grundrechtstheorie Carl Schmitts – Systematik, Wirkung und Bedeutung

Die Entwicklung der Lehre ist zeitlich anzusiedeln zwischen dem Erscheinen der„Verfassungslehre“ 1928 und Schmitts Beitrag zu dem von Anschütz und Thomaherausgegebenen Handbuchs des Deutschen Staatsrechts2. Obwohl die auf die Expo-sition der Lehre folgenden Entwürfe von 19313 und 19324 Schmitts Selbstinterpreta-tion nach5 wesentlich durch Kritik an der Verfassungslehre evoziert waren, erscheintes nicht förderlich, die Werkentwicklung chronologisch nachzuvollziehen, geradeweil die in solchem Vorgehen angelegte Suche nach einer Teleologie der Reifung Ge-fahr läuft, den Blick auf die Sache zu verstellen.

B. Grundrechte im „System“ der Verfassungslehre

Die Behandlung von Schmitts Grundrechtslehre bliebe unverständlich, erfolgte sienicht aus dem Kontext der Verfassungslehre heraus, um so mehr, als Schmitt mit ihr,ausweislich des Vorwortes, den „Versuch eines Systems“6 wagte.

I. Die Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz

Mit seiner begrifflichen Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz ant-wortet Schmitt auf die die gesamte Weimarer Staatsrechtslehre beschäftigende Frage7nach den Grenzen der verfassungsändernden Gewalt.

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2 Spätere direkte Befassungen Schmitts mit den Grundrechten beschränken sich auf die Ergän-zungen in C. Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 1954.

3 C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, in: ders., Ver-fassungsrechtliche Aufsätze (FN 2), S. 140 ff., zuerst in: Festschrift zum 25jährigen Bestehender Handelshochschule Berlin, 1931, S. 1 ff.

4 C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, in: ders. (FN 2), S. 174 ff.,zuerst als „Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteil der Weimarer Reichsverfassung“, in:G. Anschütz/R. Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, § 101,S. 572 ff.

5 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 143.6 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. IX.7 Vgl. einerseits G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919,

14. Aufl. 1933, Art. 76, Ziff. 2 für die h. L. und andererseits aber C. Schmitt, VVDStRL 1

Das übliche Verständnis der Verfassung als erschwert abänderbarer rechtlicher Grund-norm und die von der vorherrschenden Meinung angenommene „plenitudo potesta-tis“8 der verfassungsändernden Gewalt seien defizitär. Vielmehr gebe es einen schlecht-hin unabänderlichen Verfassungskern als Ausdruck der politischen Einheit des Volkes.Dies zu verkennen, verschleiere das staatsrechtliche Problem der verfassunggebendenGewalt. Verfassung sei demnach eine „Gesamtentscheidung über Art und Form derpolitischen Einheit“9 durch den pouvoir constituant. Die durch diesen Akt der Dezisi-on hergestellte Verfassung kann nach Schmitt nur durch einen actus contrarius der ver-fassunggebenden Gewalt geändert oder beseitigt werden. Sie bildet den Geltungsgrundaller positiven Normen. Daraus folgt freilich für den Konfliktfall, dass die informellepolitische Grundentscheidung sich gegen ihren formellen rechtlichen Ausdruckdurchsetzt. Dem Verfassungsgesetz, Inbegriff dieser normativ nachgelagerten Gesetz-lichkeit innerhalb der formellen Verfassung, ist eigen, auch im Wege der bloßen Revi-sion nach Art. 76 WRV abänderbar zu sein. Unter der WRV unaufhebbar, weil zurVerfassung im positiven Sinne gehörig, seien die Entscheidung für Demokratie, Re-publik, bundesstaatliche Ordnung, parlamentarisch-repräsentative Form der Gesetz-gebung und Regierung und, im hier interessierenden Zusammenhang von vorrangigerBedeutung, die „Entscheidung für den bürgerlichen Rechtsstaat mit seinen Prinzipien:Grundrechte und Gewaltenunterscheidung“.10 Gesichert sind aber nicht einzelneRechtsbestände, sondern Identität und Kontinuität der Verfassung überhaupt. DiesenVerfassungskern verengt Schmitt apodiktisch auf „bürgerlich-rechtsstaatliche“ Gehal-te. Dagegen mussten zwar die dezidiert sozialstaatlichen Elemente im Grundrechtsteilder WRV sprechen. Doch vom Entscheidungsdenken her musste dieser Einwand insLeere gehen: Die inhaltliche Heterogenität der Grundrechte der Reichsverfassung be-lege, so Schmitt, dass über deren Gesamtcharakter keine neue Entscheidung gefallensei. Vielmehr sei die verfassunggebende Gewalt insoweit untätig geblieben. Daher geltedie historische Grundentscheidung für den Rechtsstaat fort.11 Die auf ihren abwehr-rechtlichen Gehalt verengten Grundrechte werden so mit dem Nimbus höchster Ver-fassungskraft umkränzt, der juristisch nicht folgenlos bleibt.

II. Bürgerlicher Rechtsstaat und politische Form

Ausgehend von diesem ersten, dem Begriff der Verfassung überhaupt gewidmetenAbschnitt (§§ 1–11), unterscheidet die Verfassungslehre zwischen dem rechtsstaat-lichen (II. Abschnitt, §§ 12 –16) und dem politischen Bestandteil (III. Abschnitt,§§ 17–28) der modernen Verfassung. Während dem politischen Bestandteil die Lehre

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(1924), S. 98; ders., Legalität und Legitimität, 1932, S. 7 f.; E. Jacobi, VVDStRL 1 (1924),S. 122 ff.; K. Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, 1931, S. 56 ff.,64 f., 75 f.

8 Stellvertretend R. Thoma, Grundbegriffe und Grundzüge, in: Anschütz/Thoma (FN 4),§ 71, S. 154.

9 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 20 ff.10 Ebd., S. 23 f.11 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 198, 206.

von Demokratie, Monarchie und Parlamentarismus zugehören, bilden Grundrechteund Gewaltenteilung das Herzstück des rechtsstaatlichen Teils. Ineinandergeführtund systematisch verschränkt sind beide Bestandteile innerlich wie äußerlich in demsie trennenden § 16 Bürgerlicher Rechtsstaat und politische Form, der das geistigeZentrum der Verfassungslehre bildet.

Die Antithese von Rechtsstaat und politischer Form wurzelt in einem LeitgedankenSchmitts, der schon im Frühwerk „Römischer Katholizismus und politische Form“12erhalten ist: der Unterscheidung und Entgegensetzung von Liberalismus, Parlamen-tarismus, Pluralismus einerseits und Demokratie andererseits. Alle politische Formberuht nach Schmitt auf Identität und Repräsentation, den „zwei entgegengesetztenpolitischen Gestaltungsprinzipien, aus deren Verwirklichung jede politische Einheitihre konkrete Form erhält.“13 Dabei bezeichnet Identität den politischen Status vor-rechtlicher seinsmäßiger Homogenität des Volkes, das sich zur politischen Einheitverbindet. Repräsentation dagegen umfasst den existentiellen Vorgang geistiger Dar-stellung der politischen Einheit als ganzer. Der Rechtsstaat, der mittels der den ein-zelnen in seiner Differenz zum Ganzen bewahrenden Grundrechte der Identitätgerade entgegenwirkt und mit der Gewaltenunterscheidung ein der monistischen Re-präsentation gerade zuwiderlaufendes Prinzip in den Staatsaufbau einschleust, ist da-mit als Hemmschuh aller Form und damit eines Wesenselements des Politischenüberhaupt ausgemacht.

C. Schmitts Deutung des zweiten Hauptteils derWeimarer Verfassung

Bei der Formulierung einer juristischen Grundrechtstheorie stand Schmitt wie alleKommentatoren der Reichsverfassung vor dem Problem, den neuen disparatenRechtsstoff auf handhabbare dogmatische Begriff hin zu entwickeln. Seine bis heuteanerkannte14 Leistung ist deshalb in erster Linie eine Systematisierungsleistung.

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12 C. Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, 2. Aufl. 1925.13 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 204.14 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 68, S. 756 ff.;

U. Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 21; F. Klein, Institutionelle Garantien und Rechts-institutsgarantien, 1934, S. 50 ff.; E. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfas-sung, 1979, S. 16 f.; G. Abel, Die Bedeutung der Lehre von den Einrichtungsgarantien für dieAuslegung des Bonner Grundgesetzes, 1964, S. 13; C. Mainzer, Die dogmatische Figur derEinrichtungsgarantie, 2003, S. 17, 45 ff.; P. Unruh, Weimarer Staatsrechtslehre und Grundge-setz, 2003, S. 128; anders aber P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Artikel 19 Abs. 2Grundgesetz, 3. Aufl. 1982, S. 92 ff.

I. Unmöglichkeit jeder formalrechtlichen Einteilungder Grundrechte

Für unmöglich hält Schmitt eine formale Einteilung der Grundrechte. Am wenigs-ten überzeugt ihn schon des vorfindlichen Verfassungstextes wegen die Gleichset-zung von Grundrechten mit den Bestimmungen des zweiten Hauptteils,15 der ihmals Ausdruck von „Heterogenität, Inkohärenz und Pleonexie“16 galt. Ebensowenigüberzeugt Schmitt aber die Einteilung nach der Geltungskraft. Dieser Einwand be-trifft namentlich die von R. Thoma vorgenommene Systematisierung der Grund-rechte, der unterschieden hatte zwischen „reichsverfassungskräftigen“, also nurdurch verfassungsänderndes Gesetz nach Art. 76 WRV einschränkbaren, „reichsge-setzeskräftigen“, mit Sperrwirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber ausgestatte-ten und sonstigen Grundrechte, die auch dessen Zugriff unterlagen.17 Diese Eintei-lung sei ebenso wie die Unterscheidung zwischen notstandsfesten und nach Art. 48Abs. 2 WRV diktaturvorbehaltsbehafteten Grundrechten wesentlich nur kompe-tenzrechtlicher Natur18 und damit ohne Aussagewert für die Grundrechtsnormenim eigentlichen Sinne. Dasselbe gelte für die von G. Anschütz eingeführte Termino-logie der polizeifesten Grundrechte,19 denn deren Polizeifestigkeit beruhe allein aufder bundesstaatsrechtlichen Sperrwirkung der Reichsgesetzgebung gegenüber denfür Polizeigesetzgebung zuständigen Ländern.

Auf Ablehnung Schmitts stößt die herrschende20 Lehre auch, insoweit diese bei derAuslegung der Grundrechte zwischen aktuell geltendem Recht einerseits und bloßenProgrammsätzen bzw. Konkretisierungen des allgemeinen Freiheitsrechts anderer-seits unterschied. Anschütz etwa hat daran in seinem Kommentar bis zuletzt festge-halten.21 Während verfassungsgesetzliche Sonderbestimmungen wie die Statusrechtedes Beamten volle Geltung entfalten und verfassungswidrigem Altrecht vorgehen,bleiben die allgemeinen Freiheitsgewährleistungen „leerlaufend“, weil unbeschränk-ter einfachgesetzlicher Einschränkung unterworfen. Alle übrigen Grundrechtsbe-stimmungen seien lediglich als politische Direktiven zu zukünftiger Gesetzgebungzu verstehen. Solches Vorgehen führt nach Schmitt zu dem „unmöglichen“ Ergebnis,dass „irgendwelche zufälligen singulären Einzelrechte […] heiliger sind als das allge-meine Menschenrecht auf Freiheit und Gleichheit.“22

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15 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 181 ff.16 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 140.17 R. Thoma, Grundrechte und Polizeigewalt, in: FG PrOVG, 1925, S. 183 ff.18 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 187.19 Anschütz (FN 7), S. 457.20 Vgl. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 83,

S. 695 m. w. N.21 Anschütz (FN 7), S. 514.22 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 201.

II. Materielle Einteilung der Grundrechte undverfassungsmäßigen Rechte

In einem ersten Zugriff geht Schmitt das Problem an, indem er es in die Matrix dergetroffenen Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz eingliedert undannimmt, dass „ein unmittelbarer, konkreter und begriffswesentlicher Zusammen-hang von Grundrechten und Verfassung bestehen muß.“23

1. Absolute Grundrechte

Gemäß der in den WRV getroffenen Entscheidung für den bürgerlichen Rechtsstaatmuss Schmitt auch den gesamten Grundrechtsteil im Lichte dieser Gesamtentschei-dung verstehen. Unmöglich erscheint ihm schon aufgrund des Zusammenhangs mitder Grundentscheidung jedweder Grundrechtspluralismus: „Ein und derselbe Staat[kann] nur eine Art von Grundrechten haben.“24 In der Theorie des bürgerlichenRechtsstaates seien dies ausschließlich vor- und überstaatliche Rechte. Ihnen alleinkommt eine „das grundlegende Ordnungsprinzip aufstellende, Art und Struktur desganzen Gemeinwesens konstituierende Funktion“ zu, die in der Abgrenzung zwi-schen Staat und einzelnem besteht.25 Der Kreis dieser absoluten Grundrechte ist be-grifflich nach zwei Seiten hin beschränkt.

Zum einen stehen nur solche Rechte unter dem absoluten Schutz der bürgerlich-rechtsstaatlichen Verfassung, die „ihrer Substanz nach keine Rechtsgüter [sind], son-dern Sphären der Freiheit.“26 Rechte, die, wie Staatsbürger- oder Leistungsrechte,von vorneherein nur im Staat, also nach Maßgabe der Gesetze bestehen können, blei-ben ohne Anteil an echter Grundrechtlichkeit. Denn es sei nach der bürgerlich-libe-ralen Vorstellung die Existenzberechtigung des Staates überhaupt, Schutz undSchirm zu bieten für jene vor ihm liegende natürliche Freiheit. Freiheit dieser Art istkonsequenterweise gerade in vollkommener Abgeschiedenheit und also geradezu inBerührungslosigkeit zum Staat verwirklicht. Deshalb kann sie zwar Rechts-, nichtaber Anspruchscharakter haben. Strikt unterschieden wird damit zwischen dem sub-jektiven Recht als der primären und elementaren Freiheitsposition einerseits undsekundären negatorischen Abwehransprüchen, die erst bei FreiheitsverletzungenAktualität gewinnen. Die Prämisse, von der alles weitere abhängt, ist also die einesrein negativen „sphärischen“ Freiheitsbegriffes, der in der Gesamtentscheidung fürden bürgerlichen Rechtsstaat verortet und damit gegen jede einfachverfassungsge-setzlich argumentierende Kritik immunisiert wird. In diesem Zusammenhang istauch die Kritik zu lesen, die Schmitt an der besonders von H. Triepel betriebenen27

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23 Ebd., S. 190.24 Ebd., S. 206.25 Ebd., S. 226 f.26 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 163.27 H. Triepel, Goldbilanzen und Vorzugsaktien, 1924.

Ausdehnung des Eigentumsbegriffs auf ausnahmslos alle Vermögensrechte übt.28Denn nur ein „streng auf den Sacheigentumsbegriff des bürgerlichen Rechts“29 unddamit auf prinzipielles Herrschaftsbelieben über eine Sache (§ 903 BGB) beschränk-tes Eigentumsverständnis kann seinen vorstaatlichen Charakter gegenüber staat-licher Ausgestaltung wenigstens dem Grunde nach wahren. Während der klassischerechtsstaatliche Eigentumsbegriff wesentlich Substanz sei, folge die Auflösung desEigentumsbegriffs dem „allgemeinen Trend von der Substanz zur Funktion“.30

Zum anderen sind Grundrechte im bürgerlichen Rechtsstaat vornehmlich Individu-alrechte, weil das Bild vom isolierten Einzelmenschen der maßgebliche Bezugspunktinnerhalb der Verfassung im positiven Sinne ist. Etwas anderes besagt auch nicht dieAnerkennung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit als Grundrechte,31 siesind nicht Recht der Gemeinschaft, sondern Recht des Einzelnen zur Gemeinschaft.So wie die grundrechtlich geschützte Freiheit sphärisch und totalnegativ ist, so ist ihrTräger individualistisch und vorgemeinschaftlich gedacht. Allein der einzelneMensch, nicht aber Körperschaften oder Vereine können Träger liberal-rechtsstaat-licher Grundrechte sein. Unterschieden werden die Rechte damit zum einen nachihrem tatbestandsunmittelbar Berechtigten. Zum anderen kann aber auch graduellunterschieden werden anhand des Maßes der effektiven Betätigung des Grundrechts,das seine Voraussetzungen selbst aufhebt, wenn es den Quantensprung zum Politi-schen vollzieht. Soweit nämlich Grundrechte, insbesondere die Grundrechte aufsoziale Betätigung und darunter besonders die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheitzur Bildung eigener politischer und also mit der Fähigkeit zur Freund-Feind-Unter-scheidung begabter sozialer Entitäten ermächtigen oder ihrer Bildung dienen,können sie aufhören, echte Grundrechte zu sein. An diesem Punkt verlässt derGrundrechtsträger den von der Verfassungsentscheidung vorgegebenen Tatbestanddes Grundrechts und begibt sich seiner durch Bildung eines Verbandes. Die Leug-nung der Grundrechtsfähigkeit von Verbänden erfolgt maßgeblich mit Blick auf dasstaatliche Gewaltmonopol, das sich bei Schmitt als Hegung des Politischen liest.Grundrechte als privilegierende Exemptionen und Immunitäten von der staatlichenAllgemeinheit sind deshalb allenfalls Grundrechte eines „pluralistische[n] Verbands-staat[s], der auf einem Föderalismus verschiedenartiger Organisationen […] beruhte,und dessen Urgrundrecht […] das Recht der Verbände auf Einhaltung der Verträgewäre.“32 Darin aber wäre nicht mehr das freie Individuum des liberalen Zeitalters derBezugspunkt, sondern der „sozialisierte, gruppierte Mensch, der Verbandsmensch“33.

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28 C. Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze(FN 2), S. 110 ff., 113, und Nachbem., S. 118 ff.

29 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 163.30 Schmitt, Auflösung des Enteignungsbegriffs (FN 28), S. 119.31 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 165.32 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 205 f.33 Ebd., S. 206.

2. Demokratische Staatsbürgerrechte

Demokratische Staatsbürgerrechte sind, im Gegensatz zu den Grundrechten alsRechten des isolierten vorstaatlichen bourgeois, die Rechte des politisch im Staat me-diatisierten citoyen, und zwar gerade die Rechte, die das Maß der Beteiligung amstaatlichen Leben regeln, namentlich der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 109 RV),die Wahlrechtsgleichheit, das Petitionsrecht oder der gleiche Zugang zu öffentlichenÄmtern nach Maßgabe der Befähigung. Besondere Beachtung verdient dabei offen-sichtlich die auf den ersten Blick verblüffende Zuordnung des Gleichheitsrechts zuden demokratischen Staatsbürgerrechten. Diese erweist sich aber aus zwei Gründenals konsequent: Zum einen war Art. 109 WRV als Deutschenrecht ausgestaltet.34Zum anderen sah die alte Lehre35 in ihm allein das Gebot der Rechtsanwendungs-gleichheit, das sich naturgemäß allein an staatliche Rechtsanwendungsorgane richtenkonnte.

3. Leistungsrechte

Die dritte Kategorie von Rechten bilden die als „wesentlich sozialistisch“ bezeichne-ten Leistungsrechte, denen in der Verfassungslehre ebensowenig Raum gewidmet istwie den Staatsbürgerrechten. Ihnen gleichen sie darin, dass auch sie relativiert sinddurch ihre Verwiesenheit auf staatliche Organisation und gesetzliche Verleihung.36Während individuelle Freiheit durch Recht zwar beschränkt, aber weder geschaffennoch definiert werden kann und deswegen prinzipiell unbegrenzt ist, sind sozialeGrundrechte gesetzlich verliehen und bleiben prinzipiell begrenzt. Der normativeGehalt leistungsrechtlicher Grundrechtsbestimmungen ist meist auf eine richtungge-bende Regulierungsfunktion zukünftiger Gesetzgebung beschränkt, wenngleichihnen daneben interpretationsleitende Bedeutung zukommen kann.37 Die stiefmüt-terliche Behandlung der „sozialistischen“ Leistungsrechte erscheint zwar angesichtsdes Verfassungstextes überaus fraglich, scherte aber nicht aus der ganz herrschendenLehre aus. Gleichwohl ist auch hier im Vorgehen Schmitts das Bestreben erkennbar,„den Begriff des ‹echten› Grundrechts trennscharf zu bilden und andersartige Be-stimmungen des Grundrechtsteils der WRV bewußt auszuklammern, um sie alsVorschriften minderen Ranges zu deklassieren.“38

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34 Dies traf für fast alle im II. Hauptteil genannten Rechte zu, die allerdings zumeist nach dervon Anschütz (FN 7), S. 516 geführten Auffassung trotzdem als Jedermannsrechte verstan-den werden sollten.

35 F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 7. Aufl. 1926, S. 300; F. Stier-Somlo, DieVerfassung des Deutschen Reiches, 3. Aufl. 1925, S. 81; ders., Reichs- und Landesstaatsrecht,Bd. I, 1924, S. 440; anders aber ders., Art. 109. Gleichheit vor dem Gesetz, in: H. C. Nipper-dey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, S. 177 ff. sowieF. Poetzsch-Heffter, Handkommentar zur Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, S. 399 f.

36 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 169.37 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 228.38 M. Sachs, in: Stern (FN 14), § 63, S. 346.

4. Der Fluchtpunkt der Grundrechtssystematik

Fixpunkt der echten Grundrechte ist das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip. FürSchmitt ist es auf das engste mit der bürgerlich-rechtstaatlichen Verfassungsentschei-dung verknüpft, konstituiert in fundamentaler Weise die vertikale Beziehung des ein-zelnen zur öffentlichen Gewalt und besagt, dass die Freiheit des einzelnen prinzipiellunbegrenzt ist, während die Befugnisse des Staates prinzipiell begrenzt bleiben.39 Dieerste und bei Schmitt klar hervortretende Bedeutung des Verteilungsprinzips ist einestaatstheoretische: Die bürgerliche Freiheit ist das a priori des Rechtsstaats, der umihrer willen besteht und sich selbst aufhebt, sucht er diese Asymmetrie zu überwin-den. Die zweite, wesentlich rechtspraktische Bedeutung ist die einer durch dasrechtsstaatliche Verteilungsprinzip in die Abgrenzung des individuellen Freiheitsbe-reichs gegenüber staatlicher Zugriffsmacht eingeführte „Argumentationslastregel“40,dergemäß die Ausübung grundrechtlicher Freiheit rechtfertigungsfrei bleibt, indesihre staatliche Beschränkung der rationalen Begründung bedarf.

5. Grundrechtsbegrenzungen

Wiewohl dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip unterworfen und also als echteGrundrechte des Einzelnen gegenüber den Befugnissen des Staates prinzipiell unbe-schränkt, können Einschränkungen auch echter Grundrechte nicht völlig ausge-schlossen werden. Aus dem Verteilungsprinzip ergibt sich jedoch, dass solche Be-schränkungen prinzipiell „die Ausnahme, und zwar […] eine berechenbare, nachVoraussetzung und Inhalt meßbare und kontrollierbare Ausnahme“41 bleiben müs-sen. Zu einer genauen Bestimmung der Anforderungen an diese Ausnahme kommtSchmitt, indem er einerseits auf der Ebene des Gesetzesvorbehalts den an ältere Tra-ditionen der deutschen Staatsrechtslehre anknüpfenden „rechtsstaatlichen Gesetzes-begriff“ einbringt und damit das vorbehaltene Gesetz im Sinne und zugunsten deseingeschränkten Grundrechts in Stellung bringt und andererseits die Eingriffsinten-sität selbst beschränkt.

Mit dem rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff bezieht Schmitt Position gegen den herr-schenden Positivismus, der auch jedes Einzelfallgesetz als mögliche Grundrechtsein-schränkung zuließ.42 Dies aber sei kein rechtsstaatlicher, sondern ein politischer Ge-setzesbegriff, der wesensmäßig „konkreter Wille und Befehl“ des Souveräns sei.43Das Willensdenken sei aber im Rechtsstaat überhaupt verfehlt, da es rechtsstaatlichenIdealvorstellungen zentral um die „Souveränität des Gesetzes“ gehe. Im Gegensatzdazu ist das rechtsstaatliche Gesetz zum einen allgemeines Gesetz, im Gegensatz zu„Einzelmaßnahmen, Spezialanweisungen, Dispensen und Durchbrechungen“44 und

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39 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 166, 175 u. ö.40 B. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 195.41 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 175.42 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, 5. Aufl. 1911, S. 2; G. Jellinek, Ge-

setz und Verordnung, 1919, S. 298.43 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 140.44 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 139.

richtet sich folglich gegen exekutivistische Einzelfallwillkür in legislativem Gewan-de. Die formalistische Zuordnung von Gesetz und Gesetzgeber lehnt er ab, Gesetzsei gerade nicht bloß all das, wessen sich der Gesetzgeber entäußert. Rechtsgleichheitwird – und auch dies folgt der Verfassungsentscheidung eines Staates, der „wesent-lich nicht Privilegienstaat“45 sein will – zum materiellen Kriterium der Vorbehaltsge-setzgebung. Gesetz soll nicht voluntas sein, sondern vernünftig-allgemeine ratio. Da-mit ist das jeweilige Grundrecht gegen solche Vorbehaltsgesetzgebung immunisiert,die, wie die Legalenteignung, funktional vollziehend ist.

Die Überzeugungskraft dieses Gesetzesbegriffs, aus dem freilich solche gesetzlichenAnordnungen ausgenommen sind, die wie etwa Haushaltsgesetze „durch ausdrückli-che verfassungsgesetzliche Bestimmung oder gewohnheitsrechtliche Übung“ demGesetzgebungsverfahren zugeordnet sind, speist sich daraus, dass rechtsstaatlicheGewaltenteilung im institutionell-organisatorischen Sinne ins Leere griffe, soweit sienicht zugleich funktional Gewaltenunterscheidung ist. Gewährte man nämlich derLegislative ein unbeschränktes Zugriffsrecht auf dem Grunde nach exekutivischeEinzelmaßnahmen, so führte der Weg zu einem „Absolutismus der Gesetzgebungs-stellen“46 und müsse zwangsläufig wegen inhaltlicher Auflösung gewaltenteiligerFunktionszuweisungen „jede Unterscheidung von Gesetzgebung, Verwaltung undJustiz beseitigen“. Auf diese Weise überwindet Schmitt die Unterordnung derGrundrechte unter das organisatorische Verfassungsrecht und bezieht die grund-rechtliche und die staatsorganisationsrechtliche Freiheitsidee konsistent aufeinander.So sehr er dabei freilich sachlich zu überzeugen wusste, so wenig leistete ihm die zeit-genössische Staatsrechtslehre Gefolgschaft. Erst mit der Aufnahme des Art. 19 Abs. 1S. 1 in das Bonner Grundgesetz gelang ihm ein „später, aber klarer Sieg“ (Dürig)47,der in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung allerdings weitgehendfolgenlos blieb.48

Als Ergänzung des lediglich modal wirkenden und also allein die Art und Weise derstaatlichen Freiheitsbeschränkung betreffenden Gesetzesbegriffs werden der mate-riellen Eingriffsintensität selbst Schranken gezogen. Dabei muss stets im Blick behal-ten werden, dass der Weimarer Zeit das Hantieren mit dem verfassungsrechtlichenGroßgeschütz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch ganz und gar unvertrautwar49 und die Wendung zum „Abwägungsstaat“50 eine Entwicklung jüngeren Da-tums ist.

Für Schmitt verfügt der Vorbehaltsgesetzgeber zwar über einen weiten Einschät-zungsspielraum. Weil aber der Geltungsgrund der Freiheitsrechte in der Verfassungs-entscheidung selbst liegt, die dem pouvoir constitué entzogen ist, ist es ihm verwehrt,das Grundrecht „als solches“ zu beseitigen.51 Während unechte Grundrechte stets

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45 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 190.46 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 151.47 G. Dürig, JZ 1954, S. 7 FN 17.48 Zur geringen Relevanz Stern (FN 20), § 83, S. 721 ff. m. w. Nachw.49 B. Schlink, FS BVerfG, 2001, Bd. II, S. 445 ff.50 W. Leisner, Der Abwägungsstaat, 1997.51 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 209.

unter dem Vorbehalt einer inhaltgebenden Normierung stehen, muss der Gesetzes-vorbehalt der Freiheitsrechte stets Ausnahmecharakter haben. Um aber einenMaßstab für die Grenzen der Beschränkungsbefugnis zu gewinnen, bleibt dasGrundrecht zwar negatives Freiheitsrecht, wird jedoch systematisch auf seine „typi-sche“ gesetzliche Einschränkung und Ausgestaltung hingeordnet. Messlatte der ver-fassungsrechtlichen Beurteilung der Vorbehaltsgesetzgebung im Regelungsbereichetwa des persönlichen Freiheitsrechts ist damit die überkommene Art der Regelungdes Strafprozessrechts. Solche schon bestehende Gesetzgebung im Regelungsbereichdes Grundrechts wird als Garantie verstanden, die das Grundrecht sichert gegen ent-hemmte, das Recht wesensmäßig beseitigende Einschränkungen. Gegenüber dem ne-gativen Abwehrrecht gewinnen die typischen Schranken die Gestalt von konnexenoder komplementären Institutsgarantien,52 die der Gesetzgeber zwar erheblichmodifizieren, im sachlichen Kern aber nicht antasten darf. Dies folgt aus der Verfas-sungsentscheidung für den bürgerlichen Rechtsstaat, in dem Grundrechtsvernich-tung nur im formellen Sinne Gesetzgebung, in Wahrheit aber „apokrypher Souverä-nitätsakt“53 ist.

Zum Problem wird damit aber die Legitimität des überkommenen Gesetzes, weiletwa das Beispiel des Strafprozessrechts einen Bereich betrifft, der im Wesentlichendurch vorkonstitutionelles Recht geregelt war, demgegenüber Art. 114 WRV keineDerogationswirkung entfaltete.54 Die Zweifel lassen sich zu der Frage verdichten, obSchmitt in seinem Misstrauen gegenüber dem aktuellen, handlungsmächtigen Ge-setzgeber Zuflucht suchte bei einem verflossenen. Denn die Legitimität der überlie-ferten Grundrechtsbeschränkungsgesetzgebung ist eine geschichtliche, der gestalten-de Zugriff des Gesetzes auf Freiheitspositionen deshalb eine Legitimitätsdurchbre-chung.

6. Grundpflichten

Aus der dargelegten Systematik ergibt sich, dass für Grundpflichten in einer Grund-rechtstheorie des bürgerlichen Rechtsstaats kein Raum sein kann, weil sie im Wider-spruch zum rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip stünden. Überhaupt fanden dieGrundpflichten der Reichsverfassung55 kaum die Beachtung ihrer Kommentatoren.H. Nawiasky bestritt grundsätzlich ihren Rechtscharakter und wollte sie in ein„System der Staatsbürgerkunde“56 verbannen. R. Thoma fasste sie im Rückgriff aufdie Figur des Einheitsgrundrechts in der Grundpflicht zum Gesetzesgehorsam zu-sammen.57 Auch für diesen formalen Grundpflichtenbegriff hat Schmitt nichts

Meinel Die Grundrechtstheorie Carl Schmitts – Systematik, Wirkung und Bedeutung 247

52 Ebd., S. 210.53 Zum Begriff Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 107 f.54 Vgl. etwa Poetzsch-Heffter (FN 35), Art. 114, Anm. 2 f. S. aber im Übrigen Art. 178 Abs. 2

WRV, der Derogation gegenüber verfassungswidrigem Altrecht anordnete.55 Namentlich Art. 120; 132; 133 Abs. 1; 133 Abs. 3; 134; 145; 153 Abs. 3; 155 Abs. 3 WRV.56 H. Nawiasky, Die Grundgedanken der Reichsverfassung, 1920, S. 124.57 R. Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsver-

fassung im allgemeinen, in: Nipperdey (FN 35), S. 33 ff.

übrig, da ihm kein über die gesetzlich festgelegten Pflichten hinausgehender Inhalteigne.58 Bedeutung maß er allenfalls ihrer „interpretatorischen, einen konsequentenLiberalismus mildernden Wirkung“ bei.59

III. Institutionelle und Institutsgarantien

Von der Gruppe der Rechte des Einzelnen unterscheidet Schmitt zunächst einheitlichdie institutionellen Garantien, womit er der von Martin Wolff übernommenen Fi-gur60 zum Durchbruch verhalf.

1. Sinn und Begriff

Die Rechtsfigur der institutionellen Garantie entwickelte Schmitt als weitere Ant-wort auf die Frage nach den Grenzen der gesetzgeberischen Befugnisse im Rege-lungsbereich der Grundrechte.61 Sie versteht sich als Gegenentwurf zur Alternativevon Leerlauf oder bloßem Programm. Vorrangiger Zweck der dogmatischen Figurist die verfassungsunmittelbare Immunisierung einzelner Gewährleistungsgehaltegegen gesetzgeberische Abschaffung oder Aushöhlung. Innerhalb der Verfassungkommt ihnen Stabilisierungs-, Fixierungs- und Konfirmierungsfunktion zu.62 Die-se Schutzwirkung sei anzunehmen, wenn bestimmten Einrichtungen durch verfas-sungsgesetzliche Regelung besonderer Schutz gewährt wird.63 Institutionelle Ga-rantien unterscheiden sich von echten Grundrechten darin, dass sie nur innerhalbdes Staates bestehen, dem Verteilungsprinzip nicht unterworfen sind und also zumSchutzgegenstand nicht eine Freiheitssphäre, sondern eine rechtlich anerkannte In-stitution haben. Dem unbegrenzten Freiheitsbegriff entgegengesetzt bezeichnet dieInstitution „etwas Umschriebenes und Umgrenztes, bestimmten Aufgaben und be-stimmten Zwecken Dienendes“64. Das gewonnene Kriterium der institutionellenGarantie als eines besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes bestimmter recht-lich anerkannter und umgrenzter Institutionen, bleibt allerdings so vage, dassSchmitt nicht einmal den Versuch unternimmt, die von ihm entfaltete Kasuistik in-stitutioneller Garantien anhand einer Subsumtion zu verifizieren. Daher kann eskaum überraschen, dass die Figur alsbald etwa von K. Loewenstein65 begierig aufge-griffen und jeder auch nur denkbaren Verfassungsbestimmung wie etwa dem die

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58 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 216.59 Ebd., S. 217.60 Wegmarken: M. Wolff, FG Kahl, 1923, S. 4 ff.; Triepel (FN 27); K. Renner, Die Rechtsinstitu-

te des Privatrechts und ihre soziale Funktion, 1929; L. Waldecker, AöR 46 (1924), S. 134 ff.und dann auch G. Anschütz, Die Weimarer Reichsverfassung, 3. Aufl. 1926, Art. 153,Anm. 5.

61 Mager (FN 14), S. 21, 397.62 Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 227.63 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 170.64 Ebd., S. 171.65 Loewenstein (FN 7), S. 290.

Reichsflagge festlegenden Art. 3 WRV übergestülpt wurde. Schmitt weist dagegennur die kommunale Selbstverwaltung (Art. 127 WRV), das Verbot von Ausnahme-gerichten (Art. 105 WRV), die Ehe (Art. 119 WRV), die Sonntagsruhe (Art. 139WRV), das Eigentum (Art. 153 WRV) und das Erbrecht (Art. 154 WRV), das Beam-tentum (Art. 128 ff. WRV), die Wissenschaft (Art. 142 WRV), den Religionsunter-richt und die theologischen Fakultäten (Art. 149 WRV) als institutionelle Garantienaus.66

2. Verhältnis zu den Freiheitsrechten

Am Beispiel des Eigentums exemplifiziert Schmitt die These, dass zwischen institu-tioneller Garantie und Freiheitsrecht nicht zwingend ein Alternativitätsverhältnisbestehen muss. Vielmehr könne ein und dieselbe Vorschrift beides enthalten. Dasändere jedoch nichts daran, dass beide in der Norm enthaltenen Aussagen grundver-schieden seien: Schutz subjektiver Privatrechte im Sinne konkreter Eigentümerbe-fugnisse gegen jeden staatlichen Zugriff einerseits und objektive Sicherung einesInstituts gegen den Gesetzgeber andererseits. Dass beide Teile nicht in einem recht-lich höheren Dritten – etwa in einem „Grundrecht als Ganzem“67 – ineinandergrei-fen, ist in dem in Alternativen schwelgenden Denken Schmitts nur konsequent.

3. Akzessorietät subjektiver öffentlicher Rechte

Zur Erläuterung des Verhältnisses von institutioneller Garantie und subjektivem öf-fentlichen Recht bedient sich Schmitt der institutionellen Garantie des Berufsbeam-tentums. Ungeachtet des objektiven Charakters der Garantie könnten innerhalb derInstitution subjektive Rechte gewährt werden. Sie gehörten allerdings nicht zum We-sen der institutionellen Garantie, sondern seien vielmehr streng akzessorisch zumBestehen einer objektiv garantierten Institution. Das subjektive Recht nimmt, soweites besteht, teil an der Umgrenztheit des Instituts und kann nicht über dieses hinaus-greifen. Prägend sei daher, dass das subjektive Recht der Institution untergeordnet istund ihr zu dienen hat, dass also der „institutionelle Gesichtspunkt und nicht das in-dividualistisch-egoistische Interesse des subjektiven Berechtigten entscheidet.“68Subjektive Rechte seien häufig gerade im Interesse der Institution anerkannt. Prak-tisch bedeutsam wurde die Frage, als es um die Vereinbarkeit der Kürzung der Beam-tengehälter mit der Unverletzlicherklärung der wohlerworbenen Beamtenrechte inArt. 129 Abs. 1 S. 3 WRV ging. In Opposition zur insoweit herrschenden Meinung,69derzufolge gerade die aktuelle Höhe der Bezüge verfassungskräftig garantiert seinsollte, ging Schmitt davon aus, dass nur solche Kürzungen mit der institutionellenGarantie des Beamtentums unvereinbar seien, die den Status des Beamten und damit

Meinel Die Grundrechtstheorie Carl Schmitts – Systematik, Wirkung und Bedeutung 249

66 Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 171 ff.67 Begriff: R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 224 ff., 228.68 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 149.69 Vgl. die Nachweise bei C. Schmitt, Wohlerworbene Beamtenrechte und Gehaltskürzungen,

in: ders., Aufsätze, (FN 2), S. 174 mit FN 3.

das Institut in seiner Eigenart insgesamt berühren. Denn es gebe „nicht ein einzigessubjektives Beamtenrecht, das außerhalb der spezifischen Institution des deutschenBerufsbeamtentums stände […]. Staat und Beamtentum sind zu eng miteinander ver-bunden, als daß man die finanzielle Lage des einen von dem vermögensrechtlichenStatus des anderen auf die Dauer trennen könnte.“70 Mithin stünden die subjektivenRechte unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit der Institution.

4. Unterscheidung von Instituts- und institutionellen Garantien

Später unterscheidet Schmitt zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garan-tien und begründet damit den bis heute gültigen Sprachgebrauch. Mit dem in derVerfassungslehre gebrauchte Sammelbegriff der institutionellen Garantie glaubteSchmitt die Verschiedenartigkeit öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Gewähr-leistungen nicht trennscharf genug abbilden zu können. Mit der institutionellen Ga-rantie wird weiterhin die Garantie einer öffentlichrechtlichen Institution als solcherdurch die Verfassung bezeichnet. Mit dem Begriff der Institutsgarantie ist hingegenein durch die Verfassung in Bezug genommener überkommener Normenkomplexvornehmlich privatrechtlicher Natur gemeint: das im Wege zivilrechtlicher System-bildung gewonnene Rechtsinstitut. Diese Unterscheidung ist so zugleich eine Unter-scheidung zwischen Garantien bestehender Einrichtung und traditioneller Normen-komplexe.

5. Verfassungsgesetzliche Garantien und Verfassungsgarantien

Bei der Suche nach einem materiellen Kriterium zur die Identifizierung spezifischerVerfassungsgarantien und zur Vermeidung der Auflösung des Begriffs im Uferlosen,kommt Schmitt zu seinem entscheidenden Argument, indem er erneut seine Unter-scheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz gewinnbringend einzusetzen ver-mag: „Von einer Verfassungsgarantie kann man richtigerweise nur sprechen, wenndie Verfassung sich mit der Garantie, die sie gibt, identifiziert und eine Verletzungder Garantie ohne weiteres eine Verletzung ‹der Verfassung selbst› bedeutet.“71Nähme man dagegen überall dort, wo eine Norm konservierende und fixierendeWirkung entfaltet, eine institutionelle Garantie an, so verlöre der Garantiebegriff„jeden spezifischen Sinn“72. Erneut muss daher das einzelne Verfassungsgesetz imLichte der es tragenden Gesamtentscheidung verstanden werden. So gelangt manmit Schmitt zur Unterscheidung von „echten“ Verfassungsgarantien und bloß ver-fassungsgesetzlichen Garantien, letztere ohne sachlichen Zusammenhang mit derGesamtentscheidung.73

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70 Schmitt, Beamtenrechte (FN 69), S. 170.71 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 154.72 Ebd., S. 153.73 Ebd., S. 154.

6. Schutzdichte

In der Bestimmung des Schutzumfangs finden die zuvor um der begrifflichen Klarheitwillen ertragreich voneinander geschiedenen Kategorien der institutionellen und derInstitutsgarantien systematisch wieder zueinander. Dieser Befund zeigt die Berechti-gung der von F. Klein74 vorgenommenen Zusammenfassung beider unter dem Ober-begriff der Einrichtungsgarantien. Die Darstellung der genauen Schutzwirkungen derEinrichtungsgarantien bildet indes nach zutreffender Ansicht75 keinen Glanzpunktder Überlegungen Schmitts. Dennoch gelingt ihm immerhin eine Andeutung derwesentlichen Punkte. Wesentlicher Grundgedanke ist, dass Einrichtungsgarantien,gemäß ihrem Zweck, einen „Mißbrauch der Gesetzgebungszuständigkeit“ zu verhü-ten,76 legislative Souveränitätsakte verbieten und damit die Ausgestaltung des Garan-tieobjekts in die von der Garantie selbst gewiesenen Bahnen zwängen. Damit ist zumersten Mal ein materieller Maßstab für das gesetzgeberische Tätigwerden gefunden.Besonders am Beispiel der kommunalen Selbstverwaltung, die von der damals wieheute herrschenden Meinung am einmütigsten als solche verstandene institutionelleGarantie, wird deutlich, dass der gesetzgeberischen Dispositionsbefugnis gerade die„typischen Merkmale“ entzogen sind, „wie sie sich in der geschichtlichen Entwick-lung als charakteristisch und wesentlich herausgebildet haben […], wenn die Gewähr-leistung überhaupt noch einen Inhalt haben soll.“77 Charakteristisch und wesentlichsei, dass den Gemeinden ein substantieller gegenständlicher Wirkungskreis verbleibenmuss und sich daraus Grenzen der Staatsaufsicht ergeben,78 worin bis heute der„Kernbereich der Selbstverwaltung“ gesehen wird.79

IV. Das Problem des Verfassungsvollzugs

Ist der Verfassung auf diese Weise Geltungskraft aller staatlichen Gewalt gegenüberverliehen, stellt sich die Frage nach ihrem Vollzug. Verdienst Carl Schmitts ist es, sieerkannt und in grundsätzlicher Weise zu Bewusstsein gebracht zu haben.80 Die Mög-lichkeit unmittelbaren Verfassungsvollzugs ohne interpositio legislatoris durchRechtsprechung und vollziehende Gewalt zerrüttet das hergebrachte rechtsstaatlicheModell des Vollzugs qua Gesetz, in dem gesetzliche Ausgestaltung, Präzisierung undVerfahrensbereitstellung nicht „äußere Zutat [ist], die auch wegbleiben könnte, son-dern Kern und Sinn des Verfassungsstaates selbst.“81 Wird die Verfassung zur unmit-

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74 Klein (FN 14), S. 2 und passim.75 Stern (FN 14), § 68, S. 854; Mager (FN 14), S. 33.76 So Schmitt, Verfassungslehre (FN 6), S. 180 für den gesetzlichen Richter.77 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 146 f.78 Schmitt, Freiheitsrechte (FN 3), S. 146 f.79 BVerfGE 50, 195 (201).80 Zuerst Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten (FN 4), S. 217 ff.; später ders., Rechtsstaat-

licher Verfassungsvollzug, in: ders., Aufsätze (FN 2), S. 452 ff.81 Schmitt, Verfassungsvollzug (FN 80), S. 456; zur Fortentwicklung s. nur E. Forsthoff, FS

Schmitt, 1959, S. 61 f.

telbar geltenden Werteordnung und schließlich gar zur Wertrangordnung hyposta-siert, so wird Verfassungsvollzug zum Wertevollzug,82 die rechtliche Ordnungskraftder Verfassung schließlich zur „Tyrannei der Werte“83.

D. Wirkung und Bedeutung

Der Frage nach der verbleibenden Bedeutung der Grundrechts- und Institutionen-lehre Carl Schmitts kann hier nicht insgesamt nachgegangen werden. Zum einen (1.)ist aber zu untersuchen, inwieweit der methodische Kern seiner Auffassung, die Ge-winnung grundrechtlicher Aussagen aus Grundentscheidungen der Verfassung, vonder bundesrepublikanischen Grundrechtstheorie aufgegriffen wurde und in der Tie-fenstruktur des heutigen Grundrechtsverständnisses lebendig ist. Zum anderen (2.)wird die Frage der Zeitgemäßheit der Einrichtungsgarantien aufgeworfen.

I. Grundrechte und Verfassungsentscheidung

In einer sehr grundsätzlichen Darstellung hat E.-W. Böckenförde 1974 die These zurEntfaltung gebracht, jede Grundrechtsinterpretation sei immer und zwingend Er-gebnis einer spezifischen Grundrechtstheorie als einer „systematisch orientiertenAuffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die in-haltliche Reichweite der Grundrechte“84. Der knappen Sprachgestalt wegen, die ein-deutiges Textverständnis ausschließe, müsse es darum gehen, „die Interpretation dereinzelnen Grundrechtsbestimmungen nicht allein einer an detaillierten Gesetzesaus-legungen ausgebildeten juristischen Technik zu überlassen, sondern in den Gesamt-zusammenhang einer Staatsauffassung und/oder Verfassungstheorie einzubinden.“85Da die Resultate der Grundrechtsinterpretation, je nachdem ob sie im Lichte derliberal-rechtsstaatlichen, institutionellen, Wert-, demokratisch-funktionalen oder so-zialstaatlichen Theorie erfolge, erheblich voneinander abweichen könnten, kommees gerade darauf an, die verfassungsgemäße Grundrechtstheorie als das durch dieVerfassung selbst entschiedene Vorverständnis der Grundrechte aufzufinden.86 Ver-fehlt sei indes allemal methodischer Synkretismus, wie Böckenförde ihn in der bun-desverfassungsgerichtlichen Judikatur verortet. Erkenntnisquellen der verfassungs-gemäßen Grundrechtstheorie seien insbesondere die Staatsstrukturprinzipien und

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82 Grundrechtsdogmatisch gewendet bei E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), S. 169; aus-führlich ders., Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, o. J. (1990),S. 22 ff., bes. aber 60 ff.

83 C. Schmitt, Die Tyrannei der Werte, Privatdruck 1960, wieder in: Säkularisation und Utopie,1967, S. 37 ff.

84 E.-W. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 und nun etwa M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung imGesetz, 1999, S. 105.

85 Böckenförde (FN 84), S. 1529.86 Ebd., S. 1536 f.

die durch sie konstituierte grundlegende rechtliche Ordnung des Verhältnisses desEinzelnen und der Gesellschaft zum Staat.

Obgleich Böckenfördes Entgegensetzung von Grundrechtstheorie und klassischerHermeneutik eine geradezu schmittianische Scheinopposition ist, weil den klassi-schen canones schon alle Merkmale einer Grundrechtstheorie eignen, sind doch diedurch sein methodologisches Desiderat aufgeworfenen Fragen von Interesse: Setztdie Grundrechtsauslegung des überknappen Textmaterials wegen den Rekurs aufVerfassungsentscheidungen zwingend voraus? Daran anschließend zweitens: Sinddem Grundgesetz solche Verfassungsentscheidungen zu entnehmen, die sinnvolleAussagen über Grundrechte bereithalten?

1. Die Rede vom Menschenbild des Grundgesetzes

Sehr schnell hat sich das Bundesverfassungsgericht für ein „Menschenbild desGrundgesetzes“ entschieden und es für die Grundrechtsinterpretation fruchtbar ge-macht. Seit BVerfGE 4, 7 spricht es davon, das Bild des Grundgesetzes vom Men-schen sei nicht das eines „isolierten souveränen Individuums“. Die Verfassung habevielmehr „die Spannung Individuum-Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsge-bundenheit und Gemeinschaftsbezogenheit der Person gelöst, ohne deren Eigenwertanzutasten.“87 Dies sei eine „Grundentscheidung des Grundgesetzes über die Gren-zen, die den Grundrechten gezogen sind.“88 Das ergebe sich aus einer „Gesamtsichtder Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG“89. Ohne die Dicke des Eises, auf dem sich einesolche Gesamtschau und überhaupt die ganze Rede vom Menschenbild befindet, imEinzelnen überprüfen zu wollen, drängt es sich auf, dass zumal das an ihre Funda-mentalität gemahnende Präfix der Grund-Rechte einen Anhaltspunkt dafür bietet,dass im grundrechtlich geordneten Gemeinwesen das Menschenbild weniger vorge-geben, als je konkret aufgegeben ist. Es muss genügen, sich die der Argumentationzugrundeliegende Methode der Gewinnung einer grundgesetzlichen Basis fürGrundrechtsbegrenzungen aus der Verfassungsentscheidung für ein Menschenbildvor Augen zu führen.

2. Die freiheitliche demokratische Grundordnung und das schlechthinKonstituierende

Eine weitaus größere und greifbarere Rolle hat in der Rechtsprechung die freiheit-liche demokratische Grundordnung gespielt. Sie wird gemeinhin mit der Verfas-sungsentscheidung des Grundgesetzes identifiziert. Die Verknüpfung des Schmitt-schen Begriffs der Verfassungsentscheidung mit der in seinen Ohren grell sich bei-ßenden Bezeichnung als freiheitlich und demokratisch muss als Treppenwitz derVerfassungsgeschichte gelten.

Meinel Die Grundrechtstheorie Carl Schmitts – Systematik, Wirkung und Bedeutung 253

87 Fortgeführt von BVerfGE 8, 174 (329); 27, 1 (7); 27, 344 (251); 30, 1 (20); 33, 303 (334); 45,187 (227); 50, 166 (175); 81, 70 (91).

88 BVerfGE 30, 1 (20), Hervorhebung nicht im Original.89 BVerfGE 4, 7 (16).

Zunächst nur in Art. 18, 21, 91 GG enthalten, hatte das BVerfG bereits früh Anlass,dem Begriff Konturen zu verleihen.90 Im SRP-Urteil liest man von einer Ordnung,die „unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatlicheHerrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach demWillen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.“91 Dieserim fraglichen Zusammenhang wohl angezeigten Betonung der demokratischenKomponente stellte das Gericht im KPD-Urteil die wiederum ergebnissichernde Er-kenntnis zur Seite, das Grundgesetz knüpfe „an die Tradition des liberalen bürger-lichen Rechtsstaats an, wie er sich im 19. Jahrhundert allmählich herausgebildet hatund wie er in Deutschland schließlich in der Weimarer Verfassung verwirklichtworden ist.“ In dieser Ordnung stelle die Menschenwürde einen Höchstwert dar.Überdies werde besonders die „geistige Freiheit“, der „geistige Kampf, die Ausein-andersetzung der Ideen“ gewährleistet. Denn geistige Freiheit sei „geradezu eineVoraussetzung für das Funktionieren dieser Ordnung.“92

Auf den Punkt gebracht wurde der Gedanke in der griffigen Formel des Lüth-Ur-teils, die Meinungsfreiheit sei für die freiheitliche demokratische Grundordnung„schlechthin konstituierend“93. Diese Rechtsprechung bewegt sich im Fahrwasserder von Böckenförde sogenannten demokratisch-funktionalen Theorie, die Grund-rechte zuvörderst aus ihrer öffentlichen Funktion heraus zu verstehen sucht.94 Kerndieser Argumentation ist der Zirkelschluss, dass die Kommunikationsgrundrechtebesonderen Schutzes würdig sind, weil sie die Gesamtordnung tragen, obschon de-ren Charakter selbst in der Gewährleistung jener Rechte gründet. Der wichtige Ge-danke des Staatsaufbaus von unten darf nicht den Blick darauf verstellen, dass einsolchermaßen funktionalisiertes Grundrechtsverständnis gelegentlich Einbußen ansubjektivem Grundrechtsschutz in Kauf nimmt, indem es einzelne Freiheiten gegenVorverständnisse von „dienender Freiheit“95 ausspielt. Besonders aufschlussreich istschließlich die Vermengung demokratisch-funktionaler mit institutionellen Ge-sichtspunkten bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als institutionelle Garan-tie von Rundfunk96 und Presse97 im Dienste der freiheitlichen demokratischenGrundordnung.

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90 BVerfGE 2, 1 (12) – SRP; BVerfGE 5, 85 ff. – KPD.91 BVerfGE 2, 1 (12 f.).92 BVerfGE 5, 85 (179 ff.).93 BVerfGE 7, 198 (208), fortgeführt von BVerfGE 10, 118 (121); 12, 113 (141); 25, 44 (56); 33, 1

(15); 35, 202 (221); 42, 133 (139); 62, 230 (247); 77, 65 (74); soweit ersichtlich zuletzt BVerf-GE 101, 361 (384).

94 Böckenförde (FN 84), S. 1534.95 BVerfGE 57, 295 (320).96 BVerfGE 57, 295 (319 f.).97 BVerfGE 20, 162 (175); 66, 116 (133); 80, 124 (133).

3. Abwehrrechte als „echte“ Grundrechte?

Die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte ist wiederholt die „klassische“ ge-nannt worden.98 Klassizität aber bedeutet überzeitliche Gültigkeit.99 Unwandelbareshegt die Verfassung in ihrer durch Art. 79 Abs. 3 GG verfestigten Grundentschei-dung für die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG. Gelänge es nun, unter dem LeitsternSchmitts eine exklusive Konnexität von Abwehrrechten und Rechtsstaat herzustel-len, so wären damit andere Grundrechtsfunktionen als minderrangig abgetan. Der indieser Möglichkeit enthaltene Anfangsverdacht rechtfertigt die Frage, welchen Ein-flusses sich Schmitts Deutung der Grundrechte noch erfreut. Außer Betracht bleibtdabei freilich die in ihrer methodischen Berechtigung nicht zweifelhafte historisch-genetische Untersuchung einzelner Grundrechtsbestimmungen oder der Grund-rechte des Grundgesetzes insgesamt auf ihren vom Verfassungsgeber intendiertenspezifisch abwehrrechtlichen Gehalt hin.

In der Frühzeit des Grundgesetzes sind jene Denkmuster deutlich in der zwischenE. Forsthoff und W. Abendroth geführten Kontroverse über „Begriff und Wesen dessozialen Rechtsstaats“ auszumachen, die interessanterweise weniger grundrechts-dogmatisch als vielmehr staatstheoretisch geführt wurde. Während Abendroth inVerabsolutierung des Sozialstaatsgedankens100 einem Staatsdirigismus das Wort rede-te, der Freiheitseingriffe jeder Art legitimieren wollte, solange sie nur dem Aufbauder sozialistischen Gesellschaft dienten, ging Forsthoff von der Unvereinbarkeit vonRechts- und Sozialstaatlichkeit auf Verfassungsebene aus.101 Die Antinomie lasse sich„nur durch eine Entscheidung überwinden“102. Gebe man dem sozialen Element denVorzug, führe dies zur „Vernichtung des Rechtsstaats.“103 Dessen Form und Ord-nungskraft lasse sich nur erhalten, wenn die formale Technizität der rechtsstaatlichenVerfassung104 gegen die gesellschaftliche Tatsächlichkeit der sozialstaatlichen Da-seinsvorsorge der Leistungsverwaltung fortgeschrieben werde. Zu diesem Ergebnisführte ihn wesentlich sein liberal-abwehrrechtliches Grundrechtsverständnis,105 daser im Sinn des Grundgesetzes angelegt sah, das sich, „ungeachtet des Sozialstaatsbe-kenntnisses, als eine ihrer logischen Struktur nach auf Freiheit angelegte Verfassungabweisend gegen soziale Gehalte erweist und erweisen muß.“106

Während die Klassizität des Abwehrrechts sich in der Folge namentlich durchW. Leisner107, P. Häberle108 und E. Grabitz109 gerade auch verfassungstheoretisch aus-

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98 B. Schlink, EuGRZ 1984, S. 457 ff. S. aber H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kom-mentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Art. 1, Rdnr. 85.

99 S. nur Isensee, HdbStR V, § 111, Rdnr. 21.100 Besonders W. Abendroth, FS Bergstraesser, 1954, S. 279 ff.101 E. Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff.102 Forsthoff, Begriff und Wesen (FN 101), S. 25.103 Ebd., S. 26.104 Ebd., S. 17 f.; ders. (FN 81), S. 61.105 Forsthoff (FN 81), S. 47.106 E. Forsthoff, in: Epirrhosis, 1968, Bd. I, S. 192.107 W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960.108 Häberle (FN 14).109 E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976.

gerichteter Kritik ausgesetzt war, bemühten sich später insbesondere B. Schlink110,G. Lübbe-Wolff111 und jüngstens R. Poscher112 um seine Verteidigung. Sowohl Lüb-be-Wolff als auch Poscher entfalten trotz eingehender staatstheoretischer Grund-legung zumal bei letzterem113 ihr Abwehrrechtsverständnis jeweils allein aus dessenjuristischer Konstruktionskraft heraus. Warum? Der funktionale Pluralismus derGrundrechtsinterpretation, zu dem das Lüth-Urteil die Tür aufgestoßen hatte, be-sitzt offenbar eine andere logische Tiefenstruktur als das monistische Entscheidungs-denken. Dasselbe gilt vom Denken in Werten, Werteordnungen und Wertrangord-nungen, das sich zum Entscheidungsdenken in konstruktiven Widerspruch setzt.Nicht existentialistische aut-aut-Schemata, sondern „Optimierungsgebote“114 wer-den stilprägend. Damit erweist sich das Verglimmen der Argumentationsfigur Ver-fassungsentscheidung als Hinweis auf die Modernisierung der Grundrechtstheorie.Denn alle Verfassungsentscheidungen, seien sie rechtsstaatliche oder nicht, gehörenden „großen Erzählungen“115 an, deren Ende auch für das Grundrechtsverständnisnicht ohne Folgen geblieben ist, das sich mit den „petites histoires“ eines funktiona-len Pluralismus zufriedengibt.

II. Aktualität der Einrichtungsgarantien

Der dogmatischen Figur der Einrichtungsgarantie wurde als solcher unter demGrundgesetz nur sporadisch Aufmerksamkeit zuteil. Früh wandte sich U. Scheu-ner116 ihr zu, später A. Köttgen117, G. Abel118, E. Schmidt-Jortzig119, K. Stern120 undjetzt U. Mager121. Während Scheuners Entwurf dem Versuch gewidmet war, Smendsobjektives grundrechtliches Werte- und Integrationssystem für die institutionellenGrundrechtsgehalte zu gewinnen und es Schmidt-Jortzig vor allem um die Herausar-beitung der besonderen Fixierungskraft der Einrichtungsgarantien ging,122 versuchtMager nunmehr, der Einrichtungsgarantie neue Strahlkraft zu geben, indem sie ihnendie Funktion zuweist, auf grundrechtstatbestandlicher Ebene Organisationsautono-mie zu gewährleisten.123 Sie unterscheidet zwischen institutionellen Autonomiege-währleistungen in Bereichen originär staatlicher Verantwortung (gemeindliche

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110 Schlink (FN 98), S. 457 ff.111 G. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988.112 R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003.113 Ebd., S. 109 ff., 144 ff.114 Ausgangspunkt: Alexy (FN 67), S. 75 ff.115 J.-F. Lyotard, Das postmoderne Wissen, 1987.116 U. Scheuner, Die institutionellen Garantien des Grundgesetzes, in: ders., Staatstheorie und

Staatsrecht, 1978, S. 676 ff.117 A. Köttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, 1959.118 Abel (FN 14), zu ihm Mager (FN 14), S. 82 f.119 Schmidt-Jortzig (FN 14).120 Stern (FN 14), § 68, S. 756 ff.121 Mager (FN 14).122 Vgl. Schmidt-Jortzig (FN 14), bes. S. 26 ff.123 Mager (FN 14), S. 406 ff., 428 ff., 466 ff.

Selbstverwaltung, Privatschule) und Rechtsinstitutsgarantien in Bereichen privaterautonomer Selbstregulierung (Ehe, Elternverantwortung, Eigentum, Erbrecht, Tarif-autonomie). Leitgedanke ist in beiden Fällen die Verpflichtung des Gesetzgebers zurBereitstellung eines adäquaten rechtlichen Rahmens zur Autonomieverwirklichungim Innenverhältnis der Institution und in ihrer Beziehung zu Dritten.124

1. Kritik

Der Versuch, die Einrichtungsgarantien insgesamt zu verabschieden, ist in jüngererZeit besonders von K. Waechter unternommen worden.125 Den Ausgangspunkt bil-det die These, daß der Begriff der Einrichtungsgarantie funktional bestimmt unddeshalb nur solange vonnöten sei, wie die mit ihm verbundenen Konstruktionser-gebnisse nicht anders und besser erzielt werden könnten. Für den Bereich dergrundrechtlichen Einrichtungsgarantien sei mit der Entdeckung neuer Grund-rechtsfunktionen, den Leistungs- und Teilhaberechten, den Schutzpflichten und derobjektiv-rechtlichen Dimension ein differenziertes Instrumentarium entwickeltworden, in dem das Bedürfnis nach besonderen Garantien nun aufgehoben sei.126Überdies sei die Annahme einer Institutsgarantie des Eigentums unvereinbar miteiner offenen Wirtschaftsverfassung.127 Der dogmatische Aufwand eines normim-manenten institutionellen Wesensgehaltsschutzes sei schon der Positivierung inArt. 19 Abs. 2 GG wegen obsolet.128 Auch der organisationsrechtliche Teil der Ein-richtungsgarantien sei insgesamt verzichtbar, da verfassungsrechtliche Organisa-tionsvorschriften stets bereits aus sich heraus das Bestehen und den Schutz derdurch sie konstituierten Einrichtungsgarantien gewährleisteten und die Frage nachder subjektiven Rechtsstellung des organisatorischen Gebildes ohnehin von derEinordnung als institutionelle Garantie unabhängig sei.129 Auch blieben entspre-chende staatliche Schutzpflichten anderweitig konstruierbar.130 Insbesondere führeaber die Heterogenität der unter dem Begriff zusammengefassten Normtypen zurinhaltlichen Auflösung des Garantiebegriffs.

2. Einengung des Begriffs

Der Frage nach der verbleibenden Bedeutung der Einrichtungsgarantien kann ineinem ersten Schritt durch einengende Abschichtungen des Anwendungsbereichsnachgegangen werden.

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124 Ebd., S. 435 ff., 437.125 K. Waechter, Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 ff.; ähnlich S. Obermeyer, KritV 2003,

S. 142 ff.126 Waechter, ebd., S. 49 ff.127 Ebd., S. 52.128 Ebd.129 Ebd., S. 52 f.130 Ebd., S. 55 ff.

Mit K. Stern131 kann die Einrichtungsgarantie zunächst auf die Sicherung von Norm-beständen beschränkt werden. Dazu führt allerdings nicht so sehr die Auslegung, son-dern die rechtstheoretische Einsicht in die operative Geschlossenheit des Rechts imAllgemeinen und die Reflexivität des Verfassungsrechts im Besonderen. Weil rechtli-che Operationen allein auf rechtliche Operationen Bezug nehmen, sind Bezugspunktder institutionellen und Institutsgarantien stets nicht konkrete (Lebens-) Ordnungen,sondern rechtliche Normen, die den durch die Garantie umschriebenen gesellschaftli-chen Sachverhalt ihrerseits zum Tatbestand haben. In dem rechtlich allein maßgebli-chen Sinne sind weder das Eigentum, noch die Familie oder die Rundfunkordnung„urwüchsig“, sondern „rechtserzeugt“132. Rechtsexogene Phänomene sind daher nichtGarantieobjekt. Sie sind Tatbestand, nicht Entelechie. Das ändert nichts daran, dass inbestimmten Fällen allein die rechtliche Nichtregelung oder bloße Rahmenregelung ei-nes Sachverhalts der Garantie gemäß sein kann, wenn solche Normierung dem Zielder Garantie zuwiderliefe. So entspricht es allein den Selbstverwaltungsgarantien, dassHochschulen und Gemeinden zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung er-mächtigt sind und nicht zum Vollzugsorgan allumfassender heteronomer Steuerungwerden. Auch in diesem Fall ist nicht die Unberührtheit der Lebens- oder Funktions-ordnung, sondern die nicht erlassene Norm garantiegegenständlich.

Aus dem Begriff der Einrichtungsgarantien ausgeschieden werden kann weiter dasgesamte Staatsorganisationsrecht.133 Das ist trivial und bedarf keiner weiteren Vertie-fung. Selbstverständlich sind Staatsorgane und -funktionen durch die Verfassung„eingerichtet“ und ihr Bestand kraft verfassungsgesetzlicher Normierung garantiert.Da Gestalt und Kompetenzen grundgesetzlich vorgegeben sind, bliebe die Annahmebesonderer Garantien mindestens ohne jeden Erkenntnisgewinn. Etwas anderes er-gibt sich auch nicht aus dem Rahmencharakter der Verfassung und der Existenz vonstaatsorganisationsrechtlichen Vorbehalten näherer Regelung,134 da schon der Begriffdes Näheren anzeigt, dass alles Wesentliche durch die Verfassung selbst vorentschie-den ist. Etwas anderes gilt allein für die beamtenrechtlichen Strukturkontinuitäts-klauseln des Art. 33 Abs. 4, 5 GG. Ihr muss aus anderem Wege beizukommen sein.

Genauso unsinnig ist es, von Einrichtungsgarantien zu sprechen, soweit der Garan-tiegehalt einer Norm sich logisch in ihrer eigenen Geltung erschöpft. Je stärker dieVerfassungsnorm nach Tatbestand und Rechtsfolge auflösbare strikt verbindlicheRegel ist, desto weniger kann nach Essentialien und Akzidentalien des Tatbestandesunterschieden werden. Wenig hilfreich erscheint es daher, von einer institutionellenGarantie der Staatsangehörigkeit zu sprechen,135 da ihre rechtliche Bedeutung bei der

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131 Stern (FN 14), § 68, S. 785 ff.132 Vgl. H. Bethge, VVDStRL 57 (1999), S. 30; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 94; anders aber

Mager (FN 14), S. 391.133 Ebenso Mager (FN 14), S. 480.134 Etwa Art. 21 Abs. 3; 23 Abs. 3 S. 3, Abs. 7; 26 Abs. 2 S. 2; 29 Abs. 6 S. 2, Abs. 7 S. 2, Abs. 8

S. 4; 38 Abs. 3; 41 Abs. 3; 45b Abs. 2; 48 Abs. 3 S. 3; 54 Abs. 7; 87e Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 2; 91aAbs. 2; 95 Abs. 3 S. 2; 96 Abs. 2 S. 3; 104a Abs. 5 S. 2; 109 Abs. 4 S. 4; 135 Abs. 6 S. 2 GG.

135 Dies tut etwa B. Ziemske, Die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundgesetz, 1995,S. 230 ff.

personalen Zuordnung zu einem Katalog von – teils überdies völkerrechtlich deter-minierten – Rechten und Pflichten ihr Bewenden hat. Wird dieser Umstand durchden Blankettbegriff des „Rechtsverhältnisses“136 verschleiert, dient dieser meist dazu,zunächst eifrig nach dem „Wesen“ dieses Rechtsverhältnisses zu forschen, um darinalsbald die institutionelle Garantie des angeblich allein demokratiegemäßen ius-san-guinis-Prinzips zu entdecken.137

3. Zur Verzichtbarkeit der dogmatischen Figur

Historisch wie systematisch eng mit dem Normtyp Einrichtungsgarantie verbundenist das Verhältnis von Verfassungsrecht und einfachem Recht. Schon weil kaumeinem Problem in jüngerer Zeit eine vergleichbare Aufmerksamkeit zuteil wurde,138muss eine von diesem Problem ausgehende Kritik hier grobschlächtig bleiben. Gera-de dass die Frage aber Ziel so eingehender Bemühungen gewesen ist, nährt die Ver-mutung, dass seit der Weimarer Zeit alternative und überlegene Modelle der Be-schreibung des Verhältnisses zwischen Vorrang und Ausgestaltung der Verfassungentstanden sind. Denn die Dogmatik der institutionellen Garantie krankte schon beiSchmitt und krankt noch immer daran, dass ihr methodisches Filetstück eine rechts-hermeneutisch dunkle Wesensschau ist, die beständig auf der Jagd nach „Charakter“,„Kern“ und „Eigentlichkeit“ sich verfangen muss.

Grundrechtliche Einrichtungsgarantien sind normgeprägte Grundrechte; ihr Inhaltergibt sich aus dem Gesetz. Der darin aufscheinende „Perplexitätsverdacht“139 löstsich indes alsbald auf, scheidet man den autochthon verfassungsrechtlichen Schutz-gutbegriff von der ihm aus einfachem, grundrechtsprägendem Recht erwachsendenBedeutung. Im weitesten Sinne trägt dieses Postulat seinen Grund in dem Zwang ju-ristischer Methode, vom Unbedingten auszugehen, die Verfassungsbegriffe zunächstaus sich heraus zu verstehen und nicht im einfachen Recht nach ihnen zu suchen.Dem können die Ausschau nach Essenz und die Abgrenzung zu Akzidenz nicht ge-nügen. Die Abwertung des Gesetzesrechts durch die Alternative: wesensmäßigerVerfassungsvollzug oder Schaffung bloßer Randständigkeiten, die schon bei Schmittals Problem ausgewiesen werden konnte, wird vermieden, indem die Grundrechts-ausgestaltungsgesetzgebung vom absoluten Grundrechtsgehalt zunächst getrenntwird. Dies geschieht auch mit dem Ziel, den hermeneutischen Zirkel zu umgehen, in

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136 So BVerfGE 54, 53 (70).137 So nämlich Scholz/Uhle (FN 135), S. 1512; Ziemske (FN 135), S. 271 f.138 Vgl. aus dem schier unerschöpflichen Schrifttum der letzten Zeit nur R. Alexy/Ph. Kunig/

W. Heun/G. Hermes, VVDStRL 61 (2002), S. 7 ff., 34 ff., 80 ff., 119 ff.; E.-W. Böckenförde,Der Staat 29 (1990), S. 1 ff.; W. Hoffmann-Riem, AöR 128 (2003), S. 173 ff.; H. D. Horn, Diegrundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999; Jestaedt (FN 84), bes. S. 42 ff., 54 ff., 241 ff. undpassim; ders., DVBl 2001, S. 1309 ff.; W. Kahl, Der Staat 43 (2004), S. 167 ff., bes. S. 180 f.;Poscher (FN 112), bes. S. 277 ff.; M. Ruffert, Der Vorrang der Verfassung und die Eigen-ständigkeit des Privatrechts, 2001; G. F. Schuppert/Chr. Bumke, Die Konstitutionalisierungder Rechtsordnung, 2000.

139 Jestaedt (FN 84), S. 30.

dem stets nur das dem Verfassungsbegriff entnommen wird, was zuvor durch An-schauung des einfachen Rechts und dessen „Wesen“ in ihn hineingelegt wurde. Esdrohte nämlich die „Gesetzmäßigkeit der Verfassung“140. Der mit lapidarer Kürzeerkaufte Verfassungsrang muß mit der Herausarbeitung eines spezifischen Begriffsernstgenommen werden. Denn der Sinn der Kürze erschöpft sich nicht in Dignität,sondern besteht auch in der Wahrung juristischer Bestimmtheit im Grundsätzlichen.Die Analyse jener Grundrechtsnormen, die gemeinhin als institutionelle Verbürgun-gen verstanden werden, ergibt, dass es sich um die Einräumung spezifischer Rechts-setzungsfreiräume handelt. Diese lassen sich nicht in der Dichotomie von Kern undHülle beschreiben, eher schon als mal gröber-, mal feinermaschiges Netz von Rege-lungsverboten, -geboten und Gestaltungsfreiheit. In ihr wird die den Grundrechtennicht nach-, sondern gleichgeordnete Legitimation der Gesetzgebung im Grund-rechtsbereich sichtbar. Diese demokratische Legitimation bildet die Trennscheidebeider Begriffe. Der normgeprägte Gewährleistungsbereich des Grundrechts bietetdurch die allgemeine und damit prinzipiell freiheitsverbürgende gesetzliche Rege-lung subjektiven Schutz gegenüber gesetzes- und damit im weiten Sinne grund-rechtswidrigen Zugriffen. Das Gesetz selbst muss sich am engen Grundrechtsbegriffmessen lassen und gestaltet dessen weite, umfassende Dimension. Dieser weitenormgeprägte Grundrechtsbereich ist wiederum, wie etwa der Bestandsschutz desgesetzlich ausgestalteten Eigentums, grundrechtsunmittelbar gegen Eingriffe ge-schützt. Durch den Verfassungsreflex der Ausgestaltung wird er dem vollziehendenEinzelzugriff gegenüber wehrfähig. Der Bindung des Gesetzgebers an die Grund-rechte wegen wird die sogenannte institutionelle Dimension damit abwehrrechtlichabschließend konstruierbar.

4. Rigidität und Flexibilität von Verfassungsrecht – Zur Steuerungsfunktionvon Einrichtungsgarantien

Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob nicht ein Wechsel von der Bin-nen- in die Beobachtungsperspektive des Rechts dem Normtyp der Einrichtungsga-rantie ein Stück Legitimität zurückverleihen kann. Dazu soll es unternommen wer-den, sie in das von G. F. Schuppert141 vorgeschlagene Beschreibungsmodell von Rigidi-tät und Flexibilität im Verfassungsrecht einzugliedern. Nach Schuppert ist es geradezubegriffskonstitutiv, dass Verfassungsrecht Momente von Statik und Dynamik glei-chermaßen gewährleistet, aus deren konkreter Zuordnung sich die Verfassung im ma-teriellen Sinne ergibt. Im Begriffspaar von Rigidität und Flexibilität zeige sich zu-gleich die Steuerungsfunktion der Verfassung, die im Wechselspiel von direkten, regu-lativen und indirekten, mittelbaren Momenten bestehe. Während direkte Steuerungtypischerweise ein konkreter Befehl ist, zeichne sich weiche Steuerung dadurch aus,dass die Rechtsordnung adäquate Handlungsformen, sowie Entscheidungskompeten-

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140 W. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfas-sung, 1964, S. 47 ff.

141 G. F. Schuppert, AöR 120 (1995), S. 32 ff.

zen, -typen und -verfahren zur Verfügung stellt und also auf eigene direkte Ergebnis-steuerung verzichtet. Schuppert schlägt vor, insoweit von der „Bereitstellungsfunktiondes Rechts“ zu sprechen.142 Diese Erkenntnis drängt geradezu darauf, auf Einrich-tungsgarantien angewandt zu werden. Der durch sie abgesteckte Steuerungsraum istder zwischen Verfassung, Gesetzgeber und einfachem Recht. Dabei ist die Verfassungvorrangig Steuerungssubjekt. Sie steuert imperativ, indem sie ein direktes Verbot aus-spricht, einen Rechtsbestand im „Kern“ anzutasten. Durch Ausgestaltungsvorbehaltebedient sie sich aber zugleich indirekter Steuerungsmodi, setzt insoweit ein legislati-ves Anpassungsverfahren voraus. Wenn etwa der Inhalt des eigentumsrechtlichen Be-standsschutzes erst einfachgesetzlich Kontur gewinnt, gerät die Verfassung darinebenso zum Steuerungsobjekt. An dieser Stelle tritt der Gesetzgeber auf den Plan, alsdurch die Verfassungsgarantie verpflichtetes Steuerungsobjekt und durch den Ausge-staltungsvorbehalt berechtigtes Steuerungssubjekt. Im einfachen Recht schließlichmünden beide Steuerungsströme ineinander: im Grundsätzlichen ist es statische Ver-fassungskonkretisierung, im übrigen dynamische Ausgestaltung.

Das dergestalt aufgerichtete Modell bliebe zugegebenermaßen etwas blutarm, gelän-ge es nicht, konkrete Momente von Rigidität und Flexibilität der Einrichtungsgaran-tien dingfest zu machen. Diesem Versuch sind die beiden letzten Punkte gewidmet.

Es ließe sich daran denken, die besonders beim späten Schmitt wichtige143 Figur desKat-Echon auch für die Lehre von den Einrichtungsgarantien nutzbar zu machen.Denn wie B. Schlink aufgezeigt hat, besteht die hintergründige und für die Beschrei-bung des Recht bedeutsame Funktion des Katechon nicht so sehr in der Abwehr desAntichristen, sondern darin, im Klammern an „das, was jetzt noch aufhält“, für dieGegenwart Raum zu gewinnen gegenüber endzeitlichen Perspektiven.144 Und in derTat scheint schon ein kurzer Blick auf die unter dem Stichwort Einrichtungsgaran-tien geführten Debatten den Verdacht zu erhärten, dass das Argument primär dannBedeutung gewinnt, wenn verfassungsrechtlich gehegte Institutionen politisch inZweifel gerieten. Ob es um die Abwehr studentischer Forderungen nach Demokratiean der Hochschule,145 die Reform des Beamtentums,146 die Zulassung islamischenReligionsunterrichtes an öffentlichen Schulen147 oder jüngst um rechtsförmigeLebensgemeinschaften Homosexueller148 ging, stets richtete sich die Einrichtungsga-rantie sogleich gegen das Neue und Fremde aus. Geradezu erstarrend schließlichwirkt es, institutionelle Grundrechtsgehalte im Verfassungskern selbst zu verorten,sei es ein angeblich verfassungsrevisionsfester Menschenwürdegehalt des Eigentumsoder die rechtsstaatsnotwendige Garantie des Berufsbeamtentums.149

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142 Ebd., S. 61 ff.143 Sie nur Hofmann (FN 6), S. 220 FN 69. Ausgangspunkt: 2. Thess. 2,6/7.144 B. Schlink, VVDStRL 47 (1989), S. 259 ff., S. 260, FN 74 m. w. Nachw.145 A. Köttgen (FN 117), S. 57 ff., 71, 73; W. Weber, FS Felgentraeger, 1969, S. 225.146 Statt vieler Maunz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 33, Rdnr. 48 ff.147 Ausführlich Th. Anger, Islam in der Schule, 2003, S. 350 ff.148 M. Burgi, Der Staat 39 (2000), S. 487 ff.149 In diesem Sinne C.-H. Ule, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen

Dienstrechts, in: E. Forsthoff u. a. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reformdes öffentlichen Dienstrechts, 1973, S. 445 ff.

Mag es auch stimmen, dass die Verfassung sich des Normtyps der Einrichtungsga-rantien in Bereichen bedient, die einem Wandel von „Wertvorstellungen“ im Beson-deren ausgesetzt sind, so verfängt doch der damit verbundene „Vorwurf“ struktur-konservativ motivierter Ausweitung des Unabstimmbaren nicht: Zum einen könnensich Grundrechte in anderer Funktion offenbar als wenigstens ebenso wirkmächtigerweisen gegen legislativen Zugriff – nichts anderes besagt die Klage von „überzüch-teter“150 Dogmatik oder Grundrechtshypertrophie.151 Zum anderen mündet der Vor-wurf zwangsläufig in eine Kritik am Anspruch der modernen Verfassung überhaupt,eine unverbrüchliche Ordnung von Staat und Gesellschaft zu bieten und deshalbzwangsläufig überall dort zu bewahren, festzuhalten, zu fixieren, wo sie sich nichtselbst über Revisionsklauseln und den Auftrag zu politischer Gestaltung der Verän-derung öffnet. In diesem allgemeinsten Sinne ist aber jede Verfassung und letztlichalles Recht „katechontisch“, weil es auf sich selbst beharrt.

Die Einrichtungsgarantien binden und verpflichten trotz Art. 1 Abs. 3 GG in ersterLinie den Gesetzgeber. Aber: Was schuldet der Einrichtungsgarantien ausgestalten-de Gesetzgeber? In erster Linie schuldet er wie stets trivialerweise vorrangig dasverfassungskonforme Gesetz. Rechtlich ist das Verbot des Verstoßes gegen höher-rangiges Recht erschöpfend. Und doch kann es angereichert werden durch das au-ßerrechtliche Gebot des guten, sachgerechten Gesetzes, das letztlich dem politischauszufüllenden Gemeinwohlauftrag zu entnehmen ist. Rigidität und Flexibilität vonVerfassungsrecht greifen im Bereich der sogenannten Einrichtungsgarantien in be-sonderer Weise ineinander. Positive Ermunterung zur funktions- und sachgerechtenAusgestaltung und das strikte Verbot der Verletzung des verbindlichen Festbestan-des stehen zueinander im Verhältnis konstruktiver Dialektik und muten dem Ge-setzgeber beständig die hermeneutische Sisyphosaufgabe einer Wesensschau zu. Siefordern ihn auf, aus eigener Anstrengung zur sachnahen Gestaltung zu gelangen.Die Qualität solcher Normierung speist sich aus Wert und Sinnigkeit des Denkensvon der Aufgabe her, die darin besteht, die Funktionsfähigkeit des Essentialen durchBeifügung zeitgemäßer Akzidentalien sinnvoll zu fördern.

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150 F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100.151 Kategorie: K. A. Bettermann, Die Hypertrophie der Grundrechte, 1984.