Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

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(Aus der Psychiatrischen und l~ervenklinik der Universitat Breslau. [Geh. Rat Professor Wollenberg.]) Die Intelligenz und ihre Priifung bei leiehten Sehwaehsinnsformen. Von Privatdozent Dr. Siegfried Fischer, Assistenzarzt der Klinik. (Eingegangen am 24. Januar 1925.) Inhaltsverzeiehnis. Seite Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Die InteUigenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 l. Abgrenzung yon anderen psychischen F~higkeiten ........ 56 2. Intelligenz und Denkleistungen. Begriffsbestimmung der Intelligenz 58 3. Intelligenzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Andere Definitionen der Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Die Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Allgemeine Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Die Versuchspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Die Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Versuehsanordnung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) ,, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 e) ,, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) ,, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 e) ,, 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Auswertung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Ergebnis des 1. Versuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) .... 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) .... 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 d) .... 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 e) .... 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 f) Ergebnisse der 5 Tests zusammen . . . . . . . . . . . . . . . 96 Einleitung. Die bis heutigentages vorliegenden Methoden zur Prtifung der In- telligenz sind aul~erordentlich zahlreich, und die Tatsache, dab immer wieder neue Methoden ersonnen werden, rut zur Geniige dar, dab die vorhandenen noch nicht allen Anforderungen entsprechen. Besonderes Interesse an der Ausbfldung einwandfreier Methcden haben die P~id- agogen und die Psychiater. W~hrend die ersten heute sehon fiber ge- wisse Methoden verfiigen, die praktisch verwendbar sind, -- es sei

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(Aus der Psychiatrischen und l~ervenklinik der Universitat Breslau. [Geh. Rat Professor Wollenberg.])

Die Intelligenz und ihre Priifung bei leiehten Sehwaehsinnsformen.

Von

P r i v a t d o z e n t Dr. Siegfr ied F i sche r , Assistenzarzt der Klinik.

(Eingegangen am 24. Januar 1925.)

Inhaltsverzeiehnis . Seite

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Die InteUigenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

l. Abgrenzung yon anderen psychischen F~higkeiten . . . . . . . . 56 2. Intelligenz und Denkleistungen. Begriffsbestimmung der Intelligenz 58 3. Intelligenzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Andere Definitionen der Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . 66

II. Die Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Allgemeine Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Die Versuchspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Die Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

a) Versuehsanordnung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) ,, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 e) ,, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) ,, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 e) ,, 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

4. Auswertung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Ergebnis des 1. Versuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) . . . . 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 d) . . . . 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 e) . . . . 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 f) Ergebnisse der 5 Tests zusammen . . . . . . . . . . . . . . . 96

Einle i tung.

Die bis h e u t i g e n t a g e s v o r l i e g e n d e n M e t h o d e n zu r P r t i f u n g de r In -

t e l l igenz s ind au l~erorden t l i ch zah l re ich , u n d die T a t s a c h e , d a b i m m e r

w iede r n e u e M e t h o d e n e r s o n n e n we rden , r u t z u r Geni ige dar , d a b d ie

v o r h a n d e n e n n o c h n i c h t a l l en A n f o r d e r u n g e n en t sp r echen . B e s o n d e r e s

In t e r e s se a n de r A u s b f l d u n g e i n w a n d f r e i e r M e t h c d e n h a b e n d ie P~id-

agogen u n d d ie P s y c h i a t e r . W ~ h r e n d d ie e r s t en h e u t e sehon f iber ge-

wisse M e t h o d e n ver f i igen , d ie p r a k t i s c h v e r w e n d b a r sind, - - es sei

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hier z. B. an die Methode von Binet und Simon erinnert - - befindet sieh der Psychiater in einer viel schwierigeren Lage. Das Verfahren yon Binet und Simon ist zwar auch in der Psychiatrie ein unentbehr- liehes Hilfsmittel, insbesondere zur Untersuchung yon jugendlichen Schwachsinnigenl). Hier hat es sich ebenso wie in der Pi~dagogik trotz der Einwi~nde bew~hrt, die dagegen erhoben wurden. So wurde z. B. von JDecroly und Degand ~) behauptet , einige Tests seien ffir die einzelnen Altersstufen zu leicht oder auch zu schwer, einige seien zu mechanisch und andere wiederum zu sehr von Erziehungseinflfissen abh~ngig. Aus der Nachprfifung yon Johnston ~) an englischen Kindern ergab sich die Abhangigkeit der Eignung dieser Methode yon 5rtlichen Verh~ltnissen. J~hnliche Bedenken erhob der Amerikaner Whipple4). MSgen diese Einwi~nde in mancher Hinsicht berechtigt und die Methode nocah verbesserungsbedfirftig sein, so stellt sie heute doch fraglos eine ffir die Praxis im wesentlichen brauchbare Prfifungsmethode ffir Kinder dar.

Wesentlich anders aber liegen die Verh~ltnisse ffir den Kliniker dann, wenn er eine Schwachsinnsform zu beurteilen hat, deren Niveau fiber dem Intelligenzniveau eines 12j~hrigen Kindes liegt, der Alters- stufe, bis zu der wenigstens die deutsche yon Bobertag 5) s tammende Bearbeitung der Bine t -S imonschen Methode reicht. Neuerdings sind allerdings yon Terman ~) auch Testserien ffir ~ltere Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr aufgestellt worden. In der Art sind die Aufgaben den- jenigen entsprechend, die Binet und Simon ffir jfingere Jahrg~nge gew~hlt hat ten; der Unterschied liegt nur in der grOl~eren Schwierig- keit. Die Einw~nde, die gegen die Staffelmethode yon Binet .S imon erhoben werden, gelten deshalb auch ffir die Termansche Methode. W/~hrend abet bei der ersten durch vielfache Erfahrung die Be- denken sich als nicht so schwerwiegend herausgestellt haben, fehlt hier einerseits das groBe Untersuchungsmaterial, anderseits wiegen die Bedenken auch schwerer. Wenn z. B. bei Kindern die Prfifung solcher

1) Vgl. F. Chotzen, Die Bedeutung der Intelligenzprtifungsmethode yon Binet und Simon fiir die Hilfsschule. Die Hilfsschule 5. 1912. - - F. Chotzen, Die In- telligenzprtifungsmethode yon Binet und Simon bei schwachsinnigen Kindern. Zeitschr. f. angew. Psychol. 6 (5--6). 1912. - - F. Kramer, Die Intelligenzprtifung bei psychopathischen und kriminellen Kindern. 1. dtsch. KongreB fiir Jugend- bildung u. Jugendkunde zu Dresden 1911. Arbeiten des Bundes ffir Schulreform.

2) Decroly u. Degand, La mesure de rIntelligence chez les enfants normaux. Arch. de psychol. 9. 1910.

3) K. Johnston, Measurement of Intelligence-Binet-Simon Tests. Journ. of exp. Pedagogy usw. 1911, Heft 2.

4) G. M. Whipple, Manual of Mental and Physical tests. Baltimore 1914. 5) Otto Bobertag, ~ber Intelligenzpriifungen nach der Methode yon Binet und

Simon. Leipzig 1914. 5) L. M. Terman, Standford. Revion. L Source Material Guide. II.

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F~higkeiten, die nicht zur eigentlichen Intelligenz zu rechnen sind, wie etwa die Merkfi~higkeit oder auch das positive Wissen, ein an- n~hernd riehtiges Resultat fiber das Intelligenzniveau ergibt, so dfirfte dies wahrseheinlieh daran liegen, dal~ beim Kinde eine grSl~ere Korrela- tion zwischen diesen F~higkeiten bzw. dem positiven Wissen und der Intelligenz besteht. Beim ~lteren Jugendlichen und Erwaehsenen ist dies jedoeh, in diesem MaBe wenigstens, nicht mehr der Fall. Von Stern x) wird ferner gegen die Termansehe Testserie geltend gemaeht, da$ die Intelligenz der hSheren Jugendjahre nicht so sehr durch eine Gradsteigerung gegenfiber den vorhergegangenen Altersstufen als dureh qualitative Wandlungen gekennzeichnet ist. Diese Behauptung stfitzt sich zum Teil auf eigene Untersuchungen, zum Tefl auf diejenigen yon Cohn und Die/]enbacher2). Stern fordert deshalb, dal~ die Aufgaben fiir die h6heren Jahrg~nge einen anderem Typ angeh6ren als beim kleinen Kinde.

Diese Fehler werden zum Teil bei den Proben vermieden, die die Amerikaner R. H. Johnston und J. M . Gregg a) ffir hShere Altersstufen aufstellten. Die Zahl der yon ihnen gewi~hlten Tests ist jedoch sehr klein; vor allem aber werden mit ihnen nur einzelne Seiten der In- telligenz, daneben und hauptsi~chlich aber noch vielerlei andere Fi~hig- keiten geprfift. So besteht z .B. einer der 4 yon diesen Autoren ver- wendeten Tests in der Aufgabe, yon einem umgekehrt gedachten Ziffer- blatt die Zeit abzulesen.

In diesem Zusammenhange seien aueh die ,,psyehologisehen Profile" yon Rossolimo 4) erwi~hnt. Diese Methode dient jedoch nieht nur zur Prfifung der Intelligenz, sondern es werden mit ihr auch Aufmerksam- keit, Wille, Merkfi~higkeit, Gedi~chtnis u. a. Fi~higkeiten geprfift. Zu den eigentlichen Intelligenzprfifungen kann sie deshalb nicht gerechnet werden.

Eine geeignete Methode zur Beurteilung leiehterer Schwachsinns- formen existiert also noch nicht, und der Psyehiater ist hier meist auf eine allgemeine Sch~tzung angewiesen. Noch sehwieriger liegen die Verh~ltnisse bei allen Formen yon intellektueller Minderwertigkeit bei solchen Individuen, die frfiher fiber eine gut entwickelte Intelligenz verffigten und infolge organischer HirnstSrungen an intellektueller

1) W. Stern, Die Intelligenz der Kinder und Jugendlichen. 3. Aufl., S. 148 Leipzig 1920.

3) Cohn u. Die//enbacher, Untersuchungen fiber Geschlechts-, Alters- und Begabungsunterschiede. Beiheft 2 der Zeitschr. f. angew. Psychol. 1911.

a) t~. H. Johnston u. J. M. Gregg, Three new Psychometrie Tests. The Pedag.-Sem. 19, Nr. 2. 1912.

~) G. Rossolimo, Die psychologischen Profile. Zur Methodik der quantitativen Untersuchung der psyehologisehen Vorg/tnge in normalen und pathologischen Fallen. Klinik ffir psychisehe u. nervSse Krankheiten 6 u. 7.

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Leistungsf~higkeit verloren haben. ])as sind also alle F~lle yon ])emenz, sofern sie die Bezeichnung ])emenz, d.h. erworbener, dauernder In- telligenzdefekt, zu Recht tragen, tiler kSnnen die Restbest~nde fffiher erworbener Kenntnisse, der persSnliche Entwicklungsgang, die Milieu. wirkung, den eigentlichen Intelligenzdefekt so verschleiern, dal3 ,,eine tieferdringende Priifung der Verstandesleistungen zur Zeit noch auf Schwierigkeiten st613t, die im Hinblick auf die Vielseitigkeit der )'rage sowie auf den weitreiehenden EinfluB der Erziehung und Bfldung kaum iiberwindlieh erseheinen"l). Die Folge davon ist, dal3 fast jede Klinik und man kSnnte beinahe sagen fast jeder Psyehiater seine eigene Methode sich ersonnen hat, um die intellektuellen Fi~higkeiten solcher Kranker festzustellen; ja haufig ist der Kliniker bei den groBen in- dividuellen Untersehieden der Kranken fast geneigt, fiir jeden zu unter- suehenden Kranken eine eigene Testmethode aufzustellen.

Es fehlt also dem Psychiater eine Methode, mit deren Hilfe er die Tatsaehe und den Grad leichterer Schwachsinnsformen bei Erwachsenen feststellen kann. Wenn in folgendem ein Versuch zur LOsung dieses Problems unternommen wird, so soll dieser mehr als Anregung gelten; die Arbeit erhebt nicht den Ansprueh auf eine endgiiltige L0sung des Problems.

I. Die Intelligenz.

1. Abgrenzung von anderen psychischen Fdhigkeiten.

Was ist denn eigentlich die Intelligenz, jene Fahigkeit, die hier gepriift werden soll? Wenn man Stern 2) vielleicht darin beistimmen kann, dab eine Begriffsbestimmung der Intelligenz zu einer erfolg- reichen Bearbeitung der Intelligenzprtifung nieht unbedingt erforder- lich sei, so glaube ich doch, dab eine Definition des Begriffs auf jeden Fall eine besser fundierte Basis schafft und dadurch eine erfolgreichere Arbeit ermSglicht wird.

Um den Begriff Intelligenz zu definieren, empfiehlt es sich, ihn zun~chst yon anderen Begriffen abzugrenzen.

Wi~hrend besonders yon psychiatrischer SeRe friiher und zum Teil auch heute noch die Kenntnisse oder der geistige Besitzstand (Jaspers) nicht seharf vonder Intelligenz getrennt wurden, bricht sich auch in psyehiatrisehen Kreisen jetzt allmi~hlich die Ansicht Bahn, dal3 die Kenntnisse nur das Material darstellen, an dem sich die Intelligenz bet~tigt, und dab ein groBer geistiger Besitzstand durehaus kein Beweis ffir die H6he der intellektuellen Befi~higung ist. Es mug jedoeh betont werden, dab Intelligenz und Kenntnisse in einer gewissen Wechsel- wirkung stehen. Je gr613er ni~mlich die Intelligenz ist, desto leichter

1) Kraepelin, Psyehiatrie Bd. 1, S. 480, 8. Aufl. Leipzig 1909. 2) a .a .O.S . 2.

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wird es, in vielen FMlen wenigstens, Kenntnisse zu erwerben, wghrend anderseits ein groBer Reichtum an Kenntnissen die M6gliehkeit einer besseren und weiter reiehenden Beti~tigung der Intelligenz schafft.

Jaspers 1) hat auf die Vorbedingungen der Intelligenz hingewiesen. Hierher rechnet er unter anderem die Merkfahigkeit und das Gedi~cht- nis. Dazu ist jedoeh einiges zu sagen. Bezeiehnen wir die Intelligenz ganz allgemein als eine F~higkeit, etwas zu leisten, so Icann diese F~hig- keit vorhanden sein, ohne dab tatsi~chlich etwas geleistet werden muff. Wenn in solchen Fgllen aueh nichts fiber das Vorhandensein, das Fehlen oder den Grad dieser Fahigkeit ausgesagt werden kann, so ist es doch durchaus m6glieh, dab sie vorhanden ist. Beti~tigen kann sich die Intelligenz aber nur, wenn sic Material hat, und an dem bearbeiteten Material erkennen wir ihre Leistungen und beurteilen sie. Ist also kein oder ungenfigendes Material vorhanden, so kann fiber die Intelligenz nichts oder nichts Sicheres ausgesagt werden.

Das Material seinerseits wird durch die Neuerfassung, insbesondere aber durch das Gedi~chtnis beschafft. Bei der Neueffassung spielen intellektuelle Vorgi~nge eine ausschlagebende Rolle. Das Gedgchtnis dagegen ist yon intellektuellen Faktoren weir weniger abh~ngig. Inner- halb des Ged~chtnisses wiederum ist das mechanische yon dem logischen zu unterseheiden. Das erste ist dadurch charakterisiert, dab es sich auf eine Einpr~gungsart grfindet, bei der die reine Assoziation die Glieder verbindet; das logische Ged~chtnis beruht im Gegensatz dazu darauf, daB, ganz allgemein, Beziehungen zum Bewul~tsein gebracht werden. Bei der Reproduktion des Eingepr~gten wird nun entweder das eine Glied yon einem anderen assoziativ hervorgerufen (mechanisehes Ge- d~chtnis), oder aber es werden die bereits bei der Einpri~gung her- gestellten Beziehungen aktualisiert. DaB gerade diese oder jene be- stimmten Glieder wieder ins Bewul~tsein treten, ist Wirkung der Auf- gabe. Ob die Wirkung der Aufgabe zu den Intelligenzleistungen zu rechnen ist, darfiber soll hier nicht entschieden werden. Abgesehen davon aber wird man in der Aktualisierung assoziativ erweekter Glieder oder bereits frfiher hergestellter Beziehungen keine eigentlichen In- telligenzleistungen erblicken k6nnen.

Das Material also, an dem sieh die Intelligenz beti~tigt, wird vor- wiegend dureh niehtintellektuelle Prozesse beschafft. Und wenn diese gesehgdigt sind und das Gedgehtnis nieht mehr imstande ist, das frfiher erworbene Wissen und die frfiher erworbenen Vorstellungen zu aktuali- sieren, so kann fiber das Vorhandensein und den Grad der Intelligenz ebensowenig etwas ausgesagt werden wie etwa darfiber, ob Raffael ein groBer Maler gewesen w~re, wenn er ohne Arme geboren wgre. Ebenso wie die letzte Annahme durehaus denkbar ist, da ja die Fi~hig-

1) Jaspers, Allgemeine Psychopathologie, 3. Aufl. 1923.

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keit als solche vorhanden gewesen sein kann und sich nur nicht h~tte betatigen kSnnen, so ist es durchaus denkbar, dab eine StSrung der Intelligenz nicht vorzuliegen braucht, wenn das Ged~chtnis gesch~digt ist, wie es zuweilen bei sogenannten senil , ,Dementen" zu beobachten ist. Als Vorbedingung kann deshalb das Ged~chtnis nur ffir dieLeistungen der Intelligenz angesehen werden, nicht aber ffir die Intelligenz als solche, namlich ffir die F~ihigkeit, etwas zu leisten.

Von den anderen Vorbedingungen der Intelligenz, die Jasper8 angibt, ist als wesentlich der Mechanismus des Sprachapparates zu erw~hnen. Bei den engen Beziehungen, die zwischen Sprechen und Denken bestehen, kann dieser Ansicht beigepflichtet werden. So kSnnen z .B . amnestisch-aphatische StSrungen, wie Lotmar ~) gezeigt hat, den Denkverlauf beeintr~chtigen. DaB auch andere DenkstSrungen im Gefolge der Aphasie auftreten, haben Pick ~) und ich 3) dargetan.

Schwieriger ist die Abgrenzung der Au/merksamkeit yon der In- telligenz. Ohne etwas prajudizieren zu wollen, daft vorl~ufig einmal angenommen werden, da~ die wichtigsten Leistungen der Intelligenz auf dem Gebiete der Denkvorg~nge liegen. Sieht man mit Bi~hler 4) die Prozesse der Aufmerksamkeit vorwiegend als solche des Denkens an, und zieht man weiterhin in Betracht, da~, wie ich 5) andernorts dargetan habe, das einfache Beachten, also Prozesse der Aufmerksam- keit, flieBend, fibergehen in das denkende Erfassen yon Gegenst~nden und Sachverhalten, so geht schon aus diesen theoretischen Erwagungen die Schwierigkeit der Abgrenzung von Aufmerksamkeit und Denken hervor. Wir wissen ferner, da~ zur LSsung einer Denkaufgabe ein gewisses Ma~ yon Intensit~t und Konzentrat ion der Aufmerksamkeit gehSrt, und da~ diese Eigenschaften yon einer gewissen Dauer oder Konstanz sein mfissen. Die se Kardinaleigenschaften der Aufmerksam- keit scheinen mehr als nur eine Vorbedingung fiir Denkleistungen zu sein. Binet ~ ist der Ansicht, dal~ die Aufmerksamkeit mit zu- nehmendem Schwachsinn abnimmt. Auch Meumann 7) meint, dal~ die Eigenschaften der Aufmerksamkeit , wo sie wirklich schwach entwickelt sind, die eigentlich schwache Begabung sehr best immt yon der normalen

1) F. Lotmar, Zur Kenntnis der erschwerten Wortfindung und ihrer Bedeutung fiir das Denken des Aphasischen. Schweiz. Arch. f. Neurol. u. Psychiatrie 6, 1. 1920.

2) Pick, Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 38. 3) S. Fischer, Ver~nderung psychischer Funktionen bei transcorticaler sen-

sorischer Aphasie. Klin. Wochenschr. 2. Jg., Nr. 19. 1923. 4) K. Bi~hler, Artikel Aufmerksamkeit im Handbuch der Naturwissenschaften.

1912. 5) S. Fischer, Die sog. Bewul~tseinsstSrungen. Arch. f. Psychiatrie u. Nerven-

krankh. 67. 1923. 6) Zit. nach FrSbes, Lehrbuch der experimentellen Psychologie. 1920. ~) Vorlesung zur Einfiihrung in die experimentelle P~dagogik. 2. Bd., S. 394.

Leipzig 1913.

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abgrenzen. Welche Eigenschaften der Aufmerksamkeit dafiir ins- besondere in Betracht kommen, ist daraus allerdings nieht zu ersehen. Bei unseren .eigenen Versuchen, die im zweiten Abschnitt beschrieben werden, konnten wir aber h~ufig feststellen, dab Schwachbefi~higte bei einer Aufgabenreihe die ersten Aufgaben der Aufgabe gem~B 15sten, daB aber bei einer der folgenden die anfangs fibernommene und ver- standene Aufgabe vSllig vernachl~ssigt wurde. Dieser Tatbestand wird als ein Mangel an Konstanz der Aufmerksamkeit angesehen werden miissen und ~lieser wiederum als ungeniigende Wirkung der deter- minierenden Tendenz, worunter Ach 1) die Wirkung versteht, die vom Vorstellungsinhalt, der Zielvorstellung, ausgeht und eine Determinierung im Sinne oder gem~B der Bedeutung dieser Zielvorstellung nach sich zieht. Die Schwierigkeit der Entseheidung, ob in diesem Falle die determinierende Tendenz zu dem Denkverlauf oder der Aufmerksam- keit zu rechnen ist, zeigt auch hier, wie schwierig die Abgrenzung des Denkens und damit der Intelligenz vonder Aufmerksamkeit ist.

Inwieweit die Verteilungsf~higkeit der Aufmerksamkeit mit der Intelligenz zusammenhi~ngt, ist allgemein nieht zu entseheiden. In gewissem Sinne sind nach Fr6bes 3) die Intensit~t und die Verteilung umgekehrt proportional. Je naeh der zu 15senden Aufgabe wird das eine Mal mehr die Intensit~tt, das andere Mal mehr die Verteilungs- fi~higkeit der Aufmerksamkeit den Intelligenzleistungen zugute kommen. Selz3) kommt auf Grund seiner eigenen denkpsyehologischen Versuche und der Versuche K6hlers an Anthropoiden zu dem Ergebnis, dab eine geringe Verteilungsfi~higkeit der Aufmerksamkeit als m5gliehe Ursache geringerer Intelligenzleistungen in Erw~gung zu ziehen ist.

Wenn Stern die Aufmerksamkeit als unumg~ngliche Vorbedingung fiir die Beti~tigung der Intelligenz ansieht, so scheint mir nach dem Vorstehenden das Verh~ltnis dieser beiden Funktionen zueinander doch ein engeres zu sein.

2. Intelligenz und Denkleistungen. Begri//sbestimmung der Intelligenz. Man wird sich beim Versu'ch einer Definition der Intelligenz zuni~ehst

fragen miissen, ob dieser Begriff fiberhaupt psychologisch definierbar ist. Stern 4) z.B. behauptet, daB die eigentliche Begriffsbestimmung der Intelligenz unabh~ngig v o n d e r denkspychologischen Analyse erfolgen miisse. ,,Denn das Wesen einer seelischen Disposition besteht nicht darin, daB sie bestimmte Akte vollziehe (z. B. solche des Kom- binierens oder des Verstehens), oder dab sie bestimmte Ph~nomene

1) N. Ach, ~ber die Willenstatigkeit und das Denken. GSttingen 1905. 2) a. a. O. S. 75. a) O. Selz, Zur Psychologie des produktiven Denkens und des Irrtums, S. 613.

Bonn 1922. 4) a .a .O.S. 2.

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(Gegenstandsgedanken, Beziehungsbewul~tsein usw.) erzeuge, sondern dal~ sie gewisse Teilzwecke des pers6nlichen Lebens verwirkliehe." Nach diesem Satze wiirde dasselbe ebenso wie fiir die Intelligenz auch fiir andere seelische Dispositionen, z .B. das Gedi~chtnis, Geltung haben. Es ist zweifellos riehtig, dab das Gedi~chtnis Teilzwecke des persSn- lichen Lebens verwirklicht; aber es ist dies nur dann mSglich, wenn nicht wahllos Vorstellungen oder Gedanken reproduziert werden, sondern wenn dies zweckentsprechend oder aufgabegemi~l~ erfolgt. Die Leistungen des Gedi~ehtnisses erschSpfen sieh also nicht in der Reproduktion schlechthin, sondern diese mug aufgabegemi~l~ erfolgen. Daraus geht aber nicht hervor, dal~ die seelischen Vorg~inge der Ge- d~chtnisleistungen nicht psychologiseh bestimmt werden kSnnten. Allerdings wird man yon Ged~chtnisleistungen nur sprechen diirfen, wenn die Reproduktionen aufgabegem~I~ erfolgen. Dasselbe gilt ftir die Intelligenz. Ist diese eine Fi~higkeit, etwas zu leisten, so mug es prinzipiell mSglich sein, die Erlebnisse bei diesen Leistungen zu be- stimmen. Die Erlebnisse werden aber auch hier nur dann zu Leistungen ffihren, wenn sie aufgabegemi~f~ ablaufen. Der teleologische Faktor ist also hier wie bei der Begriffsbestimmung jeder seelischen Disposition zu berficksichtigen.

Als psychische Erlebnisse, die den Intelligenzleistungen zugrunde liegen, werden in erster Linie die Denkprozesse in Anspruch genommen werden miissen. Ob aber jedes Denkerlebnis eine Intelligenzleistung ist und anderseits, ob es auBer den Denkprozessen andere Erlebnisse gibt, die auch als Intelligenzleistungen anzusehen sind, bedarf der Untersuchung. Eine Stellungnahme zu diesen Fragen wird erleichtert, wenn zuvor die Denkprozesse analytiseh betrachtet werden.

Die Psychologie des Denkens ist heute durch die Untersuchungen von Ki~lpe, Ach, Karl und Charlotte Biihler, Lindworsky, Selz u .a . soweit begriindet und fortgefiihrt, dal~ die Ergebnisse, die fiir uns wichtig sind, als gesichert angesehen werden diirfen. Es ist bier nicht mSglieh und auch nieht erforderlieh, die yon diesen Forschern aufgestellte Lehre in extenso darzulegen. Nur das, was in diesem Zusammenhange wesentlich ist, ski kurz erwi~hnt.

Alles Denken ist unansehaulicher Art. Nicht die Vorstellungen sind es, die den Denkverlauf ausmachen, sondern davon streng unterschiedene und in der Selbstbeobachtung immer wieder vorgefundene Erlebnisse besonderer Qualit/~t, die je naeh ihrer Eigenart als Akte, Funktionen, Gedanken, Beziehungen bezeich- net werden. Die Vorstellungcn haben nur die Rolle der Illustration [B~thlerl)] oder in selteneren Fi~llen die der Erg~nzung~). Innerhalb der Denkfunktionen k6nnen als elementar 2 Arten unterschieden werden: 1. der AbstraktionsprozeB, durch den

1) Biihler, Die geistige Entwieklung des Kindes. 2. Aufl., S. 361. Jena 1921. 2) S. Fischer, ]~ber das Entstehen und Verstehen yon Namen. Arch. f. d. ges.

Psychol. 42/43.

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es gelingt, einzelne Teilinhalte des Bewul3tseins hervorzuheben und andere zurfick- treten zu lassen, und 2. die Relationserfassung, d. h. das Herstellen einer oder mehrerer Beziehungen.

Im Urteil werden Beziehungserkenntnisse anerkannt, zum Urteilserlebnis gehSrt also das Herstellen yon Beziehungen, d. h. das Erfassen eines SachverhMt- nisses und die Anerkennung bzw. die Verwerfung dieser Beziehung. Ob der Akt der Anerkennung oder Verwerfung ein Erlebnis sui generis ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall karm das Urteil definiert werden als das Anerkennen oder Verwerfen yon Sachverh/~ltnissen.

Die psychologischen Grundlagen des schlullfolgernden Denkens hat Lind- worsky 1) in grundlegenden Versuehen erforseht. Von den Ergebnissen ist in diesem Zusammenhange der Nachweis wichtig, dall der Kernproze$ des Schliellens immer ein Beziehungserlebnis ist.

~ber die Entstehung der Begriffsbildung hat insbesondere Biihler ~) in seinem Werk fiber die Psyehologie des Kindes wiehtige Bemerkungen gemacht. Aus seinen Ausffihrungen 1/~llt sich ableiten, dab auch bier Abstraktions- und Relations- prozesse die Grundlage dieser Erlebnisse bflden. Dasselbe gilt fiir die Ergebnisse der eingehenden experimentellen Untersuchungen yon Ach ~) fiber die Begriffs- bfldung. Ebenso sind nach meinen 4) Untersuchungen Abstraktions- und Relations- prozesse die Grundlage fiir die Neuerfassung oder das mit Hilfe der Wahrnehmung zustande kommende Erfassen von Gegenst~nden.

Ffir den geordneten Denkverlauf, im Gegensatz zu dem Denkverlauf etwa einer Ideenflucht, ist naeh Ach Vorbedingung die Wirkung der determinierenden Tendenz. In seharfsinnigen Analysen hat dann O. Selz 5) versueht, die Gesetze des geordneten Denkverlaufs und des produktiven Denkens festzustellen. Soweit ich sehe, lassen sieh seine Ergebnisse ganz allgemein ebenfalls auf die Tatsachen zurfiekffihren, dab das geordnete Denken und spezielt auch das produktive Denken auf Abstraktionsprozessen und auf dem Erfassen yon Sachverh~ltnissen (Herstellen yon Beziehungen), die dureh die Aufgabe determiniert ablaufen, beruht. Soweit die grundlegenden Er6rterungen dieses Autors ffir das hier behandelte Problem in Frage kommen, werden sie an den jeweiligen Stellen Erw~hnung finden.

Nach alledem kSnnen geordnete Denkerlebnisse charakterisiert werden als Abstrakt ions- und Relationsprozesse oder Prozesse der Erkenntnis oder Erfassung yon Sachverh~ltnissen bzw. Aktualisierung solcher friiher erworbener, die aufgabegem~B ablaufen. - -

Auf Grund dieser Be t rach tung soil zunachst entschieden werden, ob alle Denkleistungen auch als solche der Intelligenz gewertet werden diirfen. Es sei zu diesem Zwecke ein Beispiel gew~hlt. Die wichtigsten Relationen, die in den Denkprozessen zu finden sind, sind die Gleichungs- relationen (Gleichheit, ~hnlichkei t , Gegensatz), die Relat ionen der AbhangigkeR (Ursache - - Wirkung, Grund - - Folge) und schlieBlich diejenigen der ZuordnungS). Diese letzten sind z . B . solche, die das

1) j . Lindworsky, Das schlullfolgernde Denken. Freiburg 1916. 3) K. Bi2hler, Die geistige Entwieklung des Kindes, 2. Aufl., S. 391. 1921. 3) N. Ach, ~)ber die Begriffsbildung. Eine experimentelle Untersuehung.

Bamberg 1921. 4) Arch. f. d. ges. Psychol. 4~. 1922. 5) O. Selz, ~ber die Gesetze des geordneten Denkverlaufs. Stuttgart 1913. - -

Ders., Zur Psychologie des produktiven Denkens und des Irrtums. Bonn 1922. e) Vgl. dazu E b b i n g h a u s - Bfihler, Grundzfige der Psychologie I, 753. 1919.

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Zeichen mit dem Bezeichneten, das Lautgebilde mit dem damit ge- meinten Gegenstande verbinden. Das Erkennen eines Saehverhalt- nisses yon Ursache und Wirkung wird besonders in sehwierigeren Fallen fraglos als eine Leistung der Intelligenz angesehen werden; kaum jemals aber wird es als Intelligenzleistung gewertet werden, wenn jemand etwa bei der Nennung des Namens eines ihm bis dahin unbekannten und jetzt vor ihm stehenden Mensehen die Beziehung erfaBt, dab dies der Name dieses Menschen ist. Und ein Denkakt ist das Erfassen dieses Sachverhaltnisses zweifellos. Wo ist nun die Grenze zu ziehen, welehe Arten yon Relationserfassung k6nnen noch als In- telligenzleistung gewertet werden und welehe nicht? Wenden wir uns einmal zum Kind. Hier wissen wir insbesondere von Bi~hler, dal~ es eine der bedeutsamsten Entdeckungen des Kindes ist, daI~ man mit Lautgebilden Gegenstande ,,darstellen" und meinen kann. Setzen wir den Tall, dab einmal ein Kind im Alter von vielleieht 8 Monaten dieses Sachverhaltnis schon erfassen wiirde, so wiirde niemand an- stehen, dies als ganz aui~ergew6hnliche Intelligenzleistung zu werten. J~hnlieh liegen die Dinge, wenn ein sechsjahriges Kind etwa schwierige Schliisse zu ziehen oder den Sinn einer Fabel zu erfassen verm6chte. Man sieht aus diesen Beispielen, dai~ Denkprozesse immer in bezug auf das Alter und beim normalen Erwachsenen wohl auch in bezug auf den Bildungsgang als gr6i~ere oder geringere oder als keine Intelligenz- leistungen gewertet werden. Aber auch der fiir den Erwachsenen einfachste Denkproze~, sei es nun eine einfaehe Relation oder ein einfacher Abstraktionsprozel~, gilt irgendwann im Leben einmal als Leistung der Intelligenz. Darum wird man alle Denkerlebnisse, vor- ausgesetzt dai~ sie einem geordneten Denkverlauf entsprechen und aufgabegemaB ablaufen, zu den Intelligenzleistungen reehnen miissen. Wie hoch diese Leistung bei dem betreffenden Individuum einzu- schatzen ist, das ist eine andere Frage, die hier nicht zur Diskussion steht.

Es bedarf hier der Erwahnung, dab man in dem Ausdruek aufgabe- gemal~ noch nicht eine prazise Formulierung ffir die Forderung er- blicken k6nnte, daI~ die Denkerlebnisse auch richtig, d .h . den Sach- verhaltnissen entsprechend sein mfissen, sofern sie als Intelligenz- leistungen gewertet werden sollen. Um in den Ausdruck aufgabe- gemaB nicht zu viel hineinzulegen, und um diesem Mil~verstandnis auszuweichen, empfiehlt es sieh daher, die Denkerlebnisse, die als Intelligenzleistungen gewertet werden, als aufgabegemaB und richtig ablaufende zu charakterisieren. - -

Die Intelligenzleistungen gehen aber anderseits nicht vollkommen in den Denkleistungen auf. Es ist namlich nicht nur das LSsen eines Problems das Zeichen einer guten Intelligenz, sondern in vielen Fallen ist die selbstandige Fragestellung und Zielsetzung eine ebenso und

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unter Umst~nden noch h6her zu bewertende Leistung. Das Erkennen eines Problems und das Aufwerfen der Frage wird sich allerdings, abgesehen von dem Interesse, das das Individuum an den betreffenden Gegensti~nden nehmen muB, im wesentlichen in Denkvorgi~nge auf- 16sen lassen. Die Ubernahme der Aufgabe aber und das Sichihrunter. ziehen sind Erlebnisse, die nicht vom Denken, sondern vom Ge]i~hls- und Willensleben abh~ngig sind. Bei einer Begriffsdefinition der In- telligenz wird dies also zu beriieksichtigen sein.

Man wird sich ferner dariiber klar werden miissen, ob und inwieweit diejenigen Prozesse, die auf der Kunst der Ein]i~hlung insbesondere in Fremdseelisches beruhen, zur Intelligenz gerechnet werden diirfen. Im taglichen Leben zwar wird auch derjenige als intelligent angesehen, der die Kunst der Menschenerkenntnis besitzt und auf Grund dieser Fi~higkeit seinen Mitmensehen gegeniiber handelt. Soweit das auf Grund der Einffihlung erworbene Material denkend verarbeitet wird und aus ihm Schlul3folgerungen fiir das Handeln gezogen werden, wird die Annahme von Intelligenzleistungen berechtigt sein. Schwieriger aber ist die Entscheidung, ob das Erlebnis der Einftihlung schon als eine Leistung der Intelligenz anzusehen ist. Bei diesem Vorgange ist zu unterscheiden das Erkennen des Geffihls, der Stimmung, des Affektes des Anderen, der etwa freudig, traurig oder zornig ist, yon der Abstraktion oder dem Herausheben dieses Affektes und dem Er- kennen, dan der Andere diesen Gefiihlszustand hat. In dem ein- ftihlenden Erleben als fremdseelischen Gefiihls diirften, soweit ich sehe, Denkakte keine wesentliche Rolle spielen, noch nieht einmal in dem MaBe, als Denkvorg~nge ffir den Prozel3 der Wahrnehmung oder besser der Empfindung erforderlich sind. Dieses Erlebnis wird darum ebenso wie die Wahrnehmung (oder Empfindung), v o n d e r der eigentliche Erfassungsvorgang zu trennen ist, nicht als Denk- oder Intelligenz- leistung zu bewerten sein. Der eigentliche Abstraktionsvorgang, dureh den das Eingefiihlte oder Wahrgenommene herausgehoben wird, ist dagegen ein Denkvorgang. Diese (~berlegung fiihrt zu dem Schlul3, dab die Einfiihlung in Fremdseelisches keine Intelligenzleistung dar-" stellt. Gegen diese Ansicht wird man geltend machen k6nnen, dal3 damit fiir den Intelligenzbegriff ein Faktor auI3er acht gelassen wird, der zweifellos als eine der wichtigsten Vorbedingungen ftir die Erfolge des Diplomaten, Kaufmanns, nicht zuletzt des Psychiaters in Betracht kommt. Das soll nicht bestritten werden. Aber darum braucht diese Vorbedingung selbst noch keine Fahigkeit zu sein, die der Intelligenz zukommt. Ich zweifle nicht, dan es tiefgrfindige Denker gibt, die nicht diese Kunst besitzen, und die darum doch auf einem hohen Intelligenz- niveau stehen. Es ist eine prinzipielle Frage, die allerdings je nach der Individualiti~t des Autors entschieden werden wird, ob die Intelligenz

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sieh -- mit Ausnahme der oben erwi~hnten Fi~higkeiten der selbsti~ndigen Setzung der Aufgabe -- nur in Denkleistungen bet~tigt, oder ob man in den Kreis ihrer Leistungen auch die Kunst der Einffihlung in Fremd- seelisches einbeziehen will Tut man dies, so wird mai~ gezwungen sein, den Kreis noch weiter zu ziehen und auch auf die Einffihlung in Gegen- st~nde jeglieher Art auszudehnen.

Naeh diesen ErOrterungen glaube ich nunmehr, die Intelligenz de/inieren zu k6nnen als die $u au/gabegemiifl (und richtig) zu abstrahieren und Sachverhiiltnisse zu er/assen (Beziehungen herzustellen) und die Fghiglceit zur selbst2indigen Setzung solcher Au/gaben.

3. Intelligenzleistungen. Ist die gegebene Definition richtig, so mug sich dies an den Intelligenz-

leistungen erweisen lassen. Die Leistungen der Intelligenz lassen sich in der Hauptsaehe in folgende auflSsen: 1. das Erfassen yon Gegen- st~nden,und SachverhMtnissen, 2. die Abstraktion des Wesentliehen, d.h. des vonder Aufgabe Geforderten oder fiir die LSsung der Auf- gabe erforderlichen Mittels, 3. die Kombination, 4. die Mittelfindung zur AufgabelSsung, 5. die Kritik und 6. die selbst~ndige Problem- stellung. Die genannten Punkte schlie~en sich nicht voUkommen aus. Fiir den vorliegenden Zweck ist dies aueh nicht erforderlieh. Es hat aber die Einteilung den Vorteil, da~ in ihr die wiehtigsten Leistungen der Intelligenz, wie ich glaube, eingefangen sind.

Fiir das Effassen und Neueffassen von Gegenst~nden wurde oben bereits auf die Ergebnisse der einschl~gigen Untersuehungen hin- gewiesen und dargetan, dab diese auf der Erkenntnis von Sachverh~lt- nissen und damit auf Abstraktions- und Beziehungserlebnissen beruhen.

Die Abstraktionsprozesse wurden als Elementarerlebnisse in die gegebene Definition aufgenommen. Wenn hier yon der Abstraktion des Wesentliehen die Rede ist, so gehSrt diese Forderung zweifellos zu den Bedingungen, die an eine Intelligenzleistung gestellt werden miissen. In der gegebenen Definition der Intelligenz ist dieser Tat- bestand dureh den Begriff aufgabegem~l~ ausgedriickt. Dureh die Aufgabe ist ein bestimmtes Ziel determiniert, und damit sind die Mittel, die zur LSsung der Aufgabe ffihren, ftir die LSsung wesentlieh. -- Fiir das Finden des Wesentliehen ist ferner Voraussetzung, daI~ der Umkreis der Faktoren iibersehen wird, die als L5sungsmittel in Be- tracht kommen, damit die wesentliehen iiberhaupt herausgefunden werden kSnnen. Die Umsicht ist also eine Vorbedingung ffir die Heraus- hebung des Wesentliehen.

Die Kombination ist ein Herstellen yon Gleiehungs- und Abh~ngig- keitsbeziehungen. Die dritte der Relationen, die Relation der Zu- ordnung, spielt als isoliert auftretendes Erlebnis bei der Kombination

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keine Rolle, ebensowenig wie sie als Grundlage des logischen Ged~cht- nisses in Betracht kommt. Nur insoweit als zu jeder Gleichungs- oder Abh~ngigkeitsbeziehung eine Zuordnung der Glieder gehSrt, ist sic hier von Bedeutung. Die Kombination beruht jedoch zumeist nicht einfach darauf, dal~ zwischen zwei oder mehreren gegebenen Gliedern eine Abhiingigkeits- oder Gleichungsrelation hergestellt wird, sondern es kSnnen mehr oder weniger zahlreiehe Zwischenglieder eingeschoben werden, so daI~, wie anderen Orts beschrieben, die beiden Glieder durch indirekte Gleichungs- oder Abhi~ngigkeitsrelationen verbunden sind.

Die determinierte Mittelfindung kann, wie Selz 1) nachgewiesen hat, entweder eine determinierende Mittelaktualisierung oder eine determi- nierte Mittelabstraktion sein. Im ersten Falle ist die Mitteldetermination auf die reproduktive Aktualisierung bereits angewendeter oder wenig- stens erkannter Mittel gerichtet. Ist die LSsung einer Denkaufgabe hierdurch nicht mSglich, so setzt nach Selz als sekundi~re allgemeine Methode der Mittelfindung die Operation der determinierten Mittel- abstraktion ein, die auf die Abstraktion eines Zweckmittelverhi~lt- nisses geriehtet ist. Obwohl die determinierte Mittelaktualisierung lediglich reproduktiven Charakter tr~gt, wird sie doch als Intelligenz- leistung insofern gewertet werden miissen, da sie zur Entstehung neuer Produkte dadureh fiihren kann, daI~ die reproduzierten Operationen immer wieder an einem durch spezielle Zielsetzung bestimmten neuen Material angewendet werden. Die determinierte Abstraktion des Mittels stellt dagegen ein Erlebnis dar, das fiir die Intelligenzleistungen und insbesondere fiir das produktive Denken yon prinzipieller Wichtigkeit ist. Die Tatsache der Abstraktion ist in unserer Definition beriick- siehtigt, die Mittelfindung ihrerseits ist die Erkenntnis eines Sach- verhi~ltnisses, das fiir die LSsung der Aufgabe erforderlich ist.

Nicht nur die gemeinhin produktiv genannte Denktatigkeit, sondern auch die kritischen Leistungen des Denkens erheben den Ansprueh, als Intelligenzleistungen gewertet zu werden. Fiir Kritik kann in der- selben Bedeutung der Ausdruck Beurteilung gebraucht werden. Vor- bedingung fiir die Beurteilung einer Sachlage ist, dab mit Umsicht die wesentlichen Sachverhaltnisse erkannt werden. Die einzelnen Faktoren, die diese Vorbedingung umfaSt, wurden bereits besproehen. Dazu kommt dann erst der eigentliche Beurteilungsproze$. Da es sich hier nur um die Intelligenz handelt, schalten alle solchen Beurtei- lungsprozesse aus, die ein Urteil ~sthetischer oder ethischer Sach- verhaltnisse enthalten. Denn in solchen Fallen wird nicht nur das zu beurteilende Material, zum Teil wenigstens, auf dem Wege der Einffihlung erfal~t, was ja hier gleichgfiltig ware, sondern das Urteil

1) a. a. O. S. 525ff. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. X C V I I . 5

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selbst ist nicht rein intellektueller Art, sondern yon Geffihlserlebnissen abhi~ngig.

MAt W. Stern 1) kann man innerhalb der intellektuellen Kri t ik die logische und die empirische unterscheiden. W~hrend die erste auf VerstSl~e gegen den Sinn geht, geht die empirische auf VerstSi~e gegen Erfahrungsgesetze und gelernte Regeln. Bei der letzteren handelt es sich denmach um die Aktualisierung eines Wissens, das In-Beziehung- setzen desselben mit einem erkannten Sachverhalt und ein Urteil fiber die Beziehungen der beiden Sachverhalte zueinander. Die intellek- tuellen Operationen erschSpfen sich also in Abstraktionsprozessen und in dem Effassen yon Sachverhalten. Wenn anderseits die logische Kri t ik VerstSBe gegen den Sinn aufzudecken hat, so kann ihre Aufgabe auch darin bes t immt werden, dab sie ein Sachverh~Itnis aufzudecken hat zwischen zwei oder mehreren sich widersprechenden Sachverh~lt- nissen. Es liegt also hier prinzipiell derselbe Tatbestand vor, wie bei der empirischen Kritik, nur dab die erste die Einsicht auf Grund empirischen Materials oder positiver Kenntnisse, diese hier auf Grund zweier oder mehrerer abstrahierter Sachverh~ltnisse vermittelt .

Als letzter Punkt wurde die selbst~ndige Setzung yon Aufgaben oder die Tatsache der selbst~ndigen Problemstellung genannt. Die Anregung zu solcher selbst~ndigen Zielsetzung kann entweder auf Grund der tterstellung einer neuen Beziehung, d .h . der Erkennung eines Sachverh~ltnisses, erfolgen, sie kann aber auch, wie Selz (S. 630) gezeigt hat, zuf~llig bedingt sein, z .B. als zuf~llig entstandene wert- volle Nebenwirkung einer Handlung.

Als Grunderlebnisse der Intelligenzleistungen finden sich also immer Prozesse der Abstraktion und der Herstellung yon Relationen. Nur die selbst~ndige Problemstellung l~Bt sich nicht restlos auf diese Prozesse zuriickffihren.

d. Andere De/inition der Intelligenz. Von anderen Autoren wurde schon verschiedentlich der Versuch unternommen,

den Begriff Intelligenz zu bestimmen. Eine kritische Stellungnahme zu den wich- tigsten yon ihnen wird die yon nns gegebene Definition noch besser fundieren.

Als eine der ersten und wichtigsten ist diejenige yon Ebblnghaus 2) zu er- w~hnen, der die ,,geistige Leistungsf~higkeit", worunter er die Intelligenz verstan- den wissen will, gleiehsetzt mit Kombinationsfahigkeit. Nach den Ausftihrungen des vorangehenden Absehnittes ist leicht einzusehen, dab mit dieser Begriffs- bestimmung wolff ein sehr wesentlicher Teil der Intelligenz getroffen ist, daB aber andere wiehtige F~higkeiten, die notwendig zur Intelligenz gereehnet werden miissen, nicht in die Definition einbezogen sind. Insbesondere ist dabei das Ab- straktionsvermSgen aul]er aeht gelassen, eine Fahigkeit, die in vielen F~llen

1) Die Intelligenz der Kinder und Jugendliehen, S. 100. Leipzig 1920. 2) H. Ebbinghaus, ~ber eino neue Methode zur Priifung geistiger F~higkeiten

und ihre Anwendung bei Schulkindern. Zeitschr. I. Psyehol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 13. 1897.

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iiberhaupt erst die M0glichkeit zur Kombination schafft, und die als solche keiner anderen psychischen Fahigkeit als eben der Intelligenz zuzuschreiben ist.

An diese Begriffsbestimmung lehnt sieh diejenige yon Anschi~tz 1) an, der das Wesen der Intelligenz darin sieht, Beziehungen anfzufinden und herzustellen. Hier ist derselbe Einwand zu erheben, der bei der Ebbinghausschen Definition geltend gemacht wurde. 2tern 2) wendet ferner mit l%cht ein, ,,dab nicht das Her- stellen irgendwelcher, sondern das Herstellen sinnvo]ler, yon der Situation ge/orderter Beziehungen kennzeichnend fiir die Intelligenz ist". Diese Kritik hat auch fiir die yon Ebbinghaus gegebene Begriffsbestimmnng Geltung, sofern man nicht annimmt, dab in dem Begriff Kombination das Aufgabegem~]~e schon enthalten ist. In diesem Zusammenhange sagt Stern, dab es eben nieht mSglich ist, die InteUigenz ohne Beriicksichtigung eines teleologischen Gesichtspunktes zn definieren. Wenn Stern den Begriff der Aufgabe als solchen Gesichtspunkt gelten l~Bt, so kann unsererseits, wie aus der oben gegelJenen Definition hervorgeht, dieser Ansieht beigepflichtet werden.

H6per 8) definierte die Intelligenz als die F~higkeit des Individuums, Be- ziehungen aufzufinden und herzustellen. Diese F~higkeit ist orientiert an den Sachgebieten des Lebens. Sie kann sich ~uBern in mehr produktiver oder mehr receptiver Weise, mehr anMysierend oder mehr synthet i seh . - Hier ist, ebe~so wie bei Ebbinghaus und bei Anschi~tz, das AbstraktionsvermSgen nieht beriiek- siehtigt und auBerdem die Tatsache, dab nur aufgabegem~B ablaufende Prozesse als Intelligenzleistungen gewertet werden kSnnen.

Die wichtigste Definition, die aueh am meisten Eingang gefunden hat, stammt yon W. Stern. Dieser Autor definiert die Intelligenz Ms die allgemeine F~higkeit eines Individuums, sein Denken bewuBt auf neue Fordernngen einzustellen; sie ist allgemeine geistige Anpassungsf~higkeit an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens. Gegen diese Begriffsbestimmung sind yon Meumann und aueh yon .~r~bes Einwendungen erhoben worden. Fr6bes 4) betont zu Reeht, daB in der Sternsehen Definition ,,nieht die Intelligenz in ihrer Allgemeinheit definiert wird, sondern die h~ehste Abart, die produktive Leistung". Leistungen der Intelligenz, wie z.B. die Kritik, sind in dieser Begriffsbestimmung nicht mitenthalten. Wenn Meumann s) gegen die Sternsehe Definition einwendet, dab sie unzureichend sei, da sie nur teleologisch gerichtet sei, dab sic augenscheinlieh eine rein psyehologische Erg~nzung als ihre Grundlage vermissen lasse und infolgedessen als leitender Ge- siehtspunkt und Wertungsstab bei Intelligenzpriifungen nieht brauchbar ist, so gibt Stern dies zu, weist aber zugleieh darauf hin, dab es trotz der Meumannschen Darlegungen unverstandlieh bleibt, wie diese Vielheit der bei der Intelligenz betefligten Prozesse in die Begriffsbestimmung mit anfgenommen werden kann. Wir glauben, dab bei der yon uns gegebenen Definition die ~'orderung Meumanns erfiillt ist, insofern die Definition dutch den Ausdruek ,,aufgabegem~B" in gewisser Weise teleologiseh gerichtet ist, dabei aber die psychologisehen Tatbestande doeh beriieksiehtigt werden.

Aber abgesehen davon, dab die Sternsehe Definition keine psychologische ist, seheint sie auch inhaltlieh nieht ganz zutreffend zu sein. Wenn man als MaBstab der Intelligenz die F~higkeit ansieht, sich an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens anzupassen, so wiirde danaeh der tiefgriindige Gelehrte, der gegeniiber

1) G. Anschi~tz, Die Intelligenz. Osterwieck 1913. 3) a. a. O. S. 10. a) ~ber d. obj. Wert v. Intell.-Prtif. Beitr. z. Kinderforsehg. H. 158. 1919. 4) Lehrbueh der experimentellen Psychologie. 2. Bd. 5) Vorlesungen z. Einf. in die exp. P~dagogik. Bd. 2, S. 719.

5*

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den praktisehen Aufgaben des Lebens versagt, fraglos auf einem viol tieferen Niveau stehen als etwa irgendein im praktischen Leben stehender Handarbeiter.

Eine ~hnliche Definition wie Stern gibt Clapar~deZ). Er bestimmt die In- telligenz als ,,die F~higkeit, mittels des Denkens neue Probleme zu 16sen", sie ist ,,ein Werkzeug der Anpassung, das ins Spiel tritt, wenn andere Anpassungsmittel, Instinkt und Gew6hnung, versagen". Der erste Toil dieser Begriffsbestimmung deckt sich mit der unsrigen insofern, als Intelligenzleistungen' als Denkleistungen angesehen warden. Man wird annehmen dfirfen, dab auch die Kritikfi~higkeit in dieser Definition mitenthalten ist. Dagegen beriicksiehtigt Cla~par~de nieht die F~higkeit zur Setzung neuer Aufgaben. In einem gewissen Widersprueh zu dem ersten Satz steht ferner der zweite. Die Anpassungsf~higkeit eines Mensehen n~mlich setzt mehr voraus als nur Denkprozesse; die F~higkeit, sich in andere Menschen einzuffihlen, ist eine ihrer wichtigsten Voraussetzungen.

Meumann~) legt in seinen Ausfiihrungen fiber den Intelligenzbegriff noch mehr als Stern Wert auf das SchSpferische und Neue der Intelligenzleistungen. Es gilt hier also aueh der gegen die Sternsche Definition yon Fr6bes gemachte Einwand. Eine scharfe Begriffsbestimmung ffir die Intelligenz gibt Meumann nieht. In ]~bereinstimmung mit ihm sind wir, wenner behauptet, dal~ die InteUigenz auf Urteilen und Denken beruhe. Meumann kommt zu dem SchluB, dab der Begriff der Intelligenz einen Doppelcharakter hat. Intelligenz ist ffir ihn einer- seits: eine psychologisch bestimmte Art der Begabung des Mensehen, anderseits eine Fi~higkeit, in der Kunst, der Wissensehaft odor im praktisehen Leben etwas zu leisten - - d.h. der Begriff der Intelligenz trggt ebensowohl psychologisehen wie praktisch teleologischen Charakter. Dieser yon Meumann hervorgehobene Doppeleharakter der Intelligenz l~l~t sich in einer einzigen Definition einfangen, wenn man den Begriff der Aufgabe in sie hineinnimmt.

Neuerdings hat O. Lipmann ~) eine vSllig neuartige und von den bisher ge- gebenen Begriffsbestimmungen abweichende Definition der Intelligenz gegeben. Lipmann geht yon der Wertheimer-KShlerschen 4) Gestalttheorie aus, der er sieh allerdings nieht in allen Punkten anschlieSt. Nach dieser Theorie ist es eine Cha- raktereigenttimlichkeit der Seele, dal3 sie Elemente, die in gewisser raumlicher odor zeitlieher Beziehung stehen, nicht als Elemente hinnimmt, sondern sie go- staltet. Die Seele ist ,,frei" darin, wie sie gestaltet, nicht darin, ob sie gestaltet. Auch das Analysieren faBt der Autor als einen Gestaltungsprozel~ auf; ,,sein wesentl~cher Inhalt ist nieht die Zertri~mmerung einer Gestalt, sondern ein eigen- artiger selbstgndiger, ,analytisehe Betrachtung' genannter Gestaltungsvorgang". ,,Je primitiver eine seelische Konstitution ist, desto primitiver und desto be- schr~nkter ist die Art der von ihr gesehaffenen Gestaltungen, und desto fester ihre Gestalten; und umgekehrt: je hSher entwiekelt eine psychische Konstitution ist, desto verschiedenartigere Gestalten kann sie bilden, desto komplexer kSnnen die yon ihr gebildeten Gestalten sein, und desto leichter kSnnen ein und dieselben Elemente bald zu dieser, bald zu jener Gestalt zusammengefaBt, kSnnen Gestalten zertrtimmert nnd aus den so gewonnenen Elementen neue Gestalten aufgebaut werden. Den HShegrad einer seelischen Konstitution pflegt man auch als den

z) (Zit. nach Stern.) La psychologie de l'intelligence. Seientia ~2. 1917 u. Des diverses categories de tests mentaux. Schweiz. Arch. f. Neurol. u. Psychiatrio 3. 1918.

3) Vor]esungen Bd. II nnd Intelligenz und Wflle. 2. Aufl. Leipzig 1913. 3) O. Lipmann, Bemerkungen zur Gestalttheorie. Arch. f. d. ges. Psychol.

44, 3/4. 1923. 4) Vgl. dazu insbesondere: M. Wertheimer, Untersuehungen zur Lehre yon der

Gestalt. P syehol. Forseh. I, 1/2.1921, und W. K6hler, Die physischen Gestalten. 1920.

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Grad der ,Intelligenz' des betreffenden Wesens zu bezeichnen, und wit k~men damit zu einer Definition der Intelligenz: Intelligenz ist Fahigkelt der Gestalt- bildung."

Eine Stellungnahme zu der dieser Argumentation zugrunde liegenden Gestalt- theorie kann und braueht in diesem Zusammenhang nieht zu erfolgen. FOx die Be- urteilung der Lipmannschen Auffassung yon der Intelligenz sei einmal die Ge- stalttherorie als riehtig vorausgesetzt. In diesem Falle wiirden alle Erlebnisse, die als Leistungen der Intetligenz gelten, als Gestaltungsprozesse angesehen werden miissen, und zwar die l~dationserfassung sowohl wie die Abstraktionsprozesse und die selbsti~ndige Setzung yon Aufgaben. Damit w~ren die 3 Arten yon Ele- mentarerlebnissen, die zur Intelligenz geh6ren, unter einen Oberbegriff gebracht. Gewonnen dtirfte damit eine neue Betraehtungsweise der Intelligenz sein, die Begriffsbestimmung der Intelligenz gewirmt dadurch jedoeh nieht an Sehiirfe. Immerhin wiirden, solange keine prinzipiellen Bedenken erhoben werden k6nnen, solange einzig und allein die Erlebnisse, die als Leistungen der Intelligenz an- erkannt sind, unter den Begriff der Gestaltungsprozesse fallen. Das kann abet weder die Ansicht yon Wertheimer, noch die yon Lipmann sein. Erlebnisse der Wahrnehmung oder die der Phantasie des Kiinstlers entstammenden werden ebenso zu den Gestaltungsprozessen gerechnet wie alas einfiihlende Verstehen yon Kunstwerken und des Fremdseelischen. Und wenn ieh Lipmann reeht verstehe, so seheint es insbesondere bei der primitiv strukturierten Seele kaum einen see- lisehen Vorgang zu geben, sei er nun dem Denk-, Gefiihls- oder Wfllenserleben zuzurechnen, der nicht den Charakter der Gestaltbildung hatte. Lipmann kommt dann aueh weiter zu der Sehlu$betraehtung: ,Jst die Tatsache, daB derartige Auffassungsgestaltungen vollzogen werden, somit eine Eigentiimlichkeit des Psyehisehen, und ist ferner, wie wir friiher gesehen haben, die Komplexiti~t, Man- nigfaltigkeit und Variabilitat der Gestaltungen kennzeiehnend fox die H6he einer psyehischen Konstitution, so k6nnen wit nun auch sagen, dab diese Merkmale kennzeichnend sind fox den Grad der Beseeltheit eines materiellen Gebildes, oder mit anderen Worten: wit k6nnen die Begriffe Intelligenz und Beseeltheitsgrad gleiehsetzen." Die in diesen Worten liegende philosophische Anschauung, die noch deutlicher aus den folgenden hier nicht zitierten Satzen hervorgeht, ist in diesem Zusammenhange ohne Belang. Hier kommt es auf die yon dem Autor vorgenom- mene Gleiehsetzung der Begriffe Intelligenz und Beseeltheitsgrad an. Damit werden der Intelligenz Leistungen zugesehrieben, die ihr fraglos nicht zukommen; denn jede Art yon Gestaltbildung ware dann eine Intelligenzleistung. Die ge- gebene Definition ist in dieser Form also zu weft. Dagegen ist es - - immer veto Standpunkt tier Gestalttheorie aus gesehen - - eine berechtigte Frage, ob auch die Intelligenzleistungen auf Prozessen der Gestaltbildung beruhen.

Nieht eine eigentliche Erklarung der Intelligenz, sondern eine mehr formale Definition haben Spearman 1) und Krueger und Spearman 2) gegeben. Bei den Untersuehungen der beiden Forscher hatte sieh gezeigt, dab die Messung der ,,Leistungsfahigkeiten" eines und desselben Individuums in zahlreiehen Spezial- ti~tigkeiten mit groBer Gleichma$igkeit hohe Korrelationen dieser Fi~higkeiten zueinander ergibt. Fiir die Erkli~rung dieser Tatsache nahm Spearman einen ,,gemeinsamen Zentralfaktor" an, der seine Wirkung auf sehr verschiedene Inhalto des Seelenlebens erstreckt. Er bezeichnet ihn nigher als eine ,,allgemeine plastische

1) Spearman, ,,General-Intelligenz." Objektiv. Determin. and Measured. Amerie. Journ. of Psyehol 15. 1904.

~) Krueger und Spearman, Die Korrelation zwischen verschiedenen geistigen Leistungsf~higkeiten. Zeitschr. f. Psychol. 44. 1906.

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Funktion", die das Nervensystem des einen gegenfiber dem des anderen in ge- steigertem MaBe besitze.

Noch welter yon einer eigentlichen Begriffsbestimmung der Intelligenz ent- fernen sieh einige andere Autoren, die aber in diesem Zusammenhang doeh Er- w~hnung finden sollen, da ihre Betrachtungen ffir die Beurteilung der Intelligenz und ihrer Leistungen yon Wert erscheinen. Gekennzeichnet sind diese Versuche dadurch, dab diese Autoren das Wesen und das Niveau der Intelligenz nicht so sehr in zahlenm~Big bestimmbaren MaBen auszudrficken versuchen, sondern ffir die Beurteilung mehr die Art, wie gearbeitet wird, also einen qualitativen MaBstab zugrunde legen.

Noch am wenigsten gekl~rt findet sich diese Betrachtungsweise bei L. P/ei//erZ), der ,,qualitative Arbeitstypen" unterscheidet, und zwar einen assoziativen oder perzeptiven und einen apperzeptiven Typus. Die erste Gruppe verhiflt sich vor- wiegend wahrnehmend oder erinnernd, die zweite dagegen beziehend, schlieBend, reflektierend usw. Systematisch hat die Art, wie Aufgaben gelSst werden, zuerst K6hn ~) in Angriff genommen und stfitzte sich dabei auf Ansehauungen yon A. Fi- schera). Fischer teilte jeden Arbeitsvorgang in typische Etappen ein. DieseEtappen drfickte K6hn in der nachstehenden formelbaften Zusammenfassung aus und legte diese seiner Untersuchung zugrunde. Nach ihm heiflt arbeiten:

1. sieh ein Ziel setzen; 2. die Mittel zur Erreichung desselben suchen; 3. die Mittel disponieren, in der richtigen Reihenfolge verwenden und so stufen-

weise das Ziel realisieren; 4. fiber der Ausarbeitung das Ziel nicht vergessen; 5. die Detailresultate an der Vorstellung des Zieles kontrollieren; 6. etwaige Hemmungen fiberwinden; 7. das Resultat priifen. Es gelang K6hn auf diese Weise, die gut, mittel und sehwach Bef~higten

dureh die Art, wie sie in den einzelnen Teilleistungen arbeiteten, zu unterscheiden. Ebenso zeigen Lipmann und Bogen 4) in der vor kurzem ersehienenen ,,Naiven Physik", dab die qualitativen Beobachtungen darfiber, wie der Prfifling gegebenen- falls zur LSsung gelangt, wichtige Aufschlfisse fiber die Intelligenz gew~hren.

So wichtig diese Ausfiihrungen der zuletzt genannten Autoren ffir Intelligenz- prfiflmgen sind, so kommen sie ffir unseren speziellen Zweck nicht in Betracht. Der Kliniker muI3 eine Methode haben, mit der er in relativ kurzer Zeit sich ein Bild fiber das Intelligenzniveau des Prfiflings verschaffen kann, und die ihm zahlenmal3ig ein ungef~hres Bild der Intelligenz liefert. Ffir eingehende psycho- logisehe Untersuchungen bleibt ihm in der Praxis keine Zeit; solche Unter- suehungen kommen nur ffir spezielle Forschungen in Betracht. Fiir unsere Zweeke handelt es sieh also darum, eine quantitative Prfifungsmethode zu schaffen. Andererseits soll mit dieser Methode nicht die soziale Brauchbarkeit des Kranken festgestellt werden; das lehrt die klinische Beobachtung. Durch sie soll vielmehr ein MRtel geschaffen werden, um die Leistungsf~higkeit der Denkflmktionen zu prfifen und sie quantitativ zu bestimmen.

z) L. P/ei//er, Experimentelle Untersuehungen fiber qualitative Arbeitstypen. Leipzig 1908.

2) Karl K6hn, Experimentelle Beitr~ge zum Problem der In$eUigenzpriifung. Leipzig 1913.

8) A. Fischer, ,,Arbeiten und Lernen." 2. Jahrbueh der P~dagogik. Zentrale d. dtseh. Lehrervereins. 1912.

4) Lipmann u. Bogen, Naive Physik. Leipzig 1923.

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Die Intelligenz und ihre Priifung bei leichten Schwachsinnsformen. 71

II. Die Versuche. 1. AUgemeine Bemerlcungen.

Die Beurteilung der Intelligenz als Fi~higkeit kann nur auf Grund ihrer Leistungen geschehen. Kann nun, unter der Voraussetzung, dab eine bestimmte Leistung tatsachlich nur vonder Intelligenz hervor- gebracht wird und unter der Voraussetzung, dab alle anderen psychischen Funktionen intakt sind, diese mit Recht als Mai~stab ffir die inteUek- tuelle Bef~higung eines Individuums in Anspruch genommen werden ? Selz hat in seinen Analysen des produktiven Denkens darauf hinge- wiesen, dal~ die Abstraktion des LSsungsmittels zuweilen auch zufalls- bedingt sein kann, wenngleich sie natiirlich immer determiniert sein muB. Das einfachste Beispiel dieser Art finder sich bei K6hlers Ver- suchen an Anthropoiden. Als Sultan mit seinen beiden StScken die von ihm durch ein Gitter getrennte Banane nicht erreichen kann, kommt er schlie~lich durch Zufall darauf, dal~ die beiden St6cke ineinander- zusteeken sind und dadurch der Stock verl~figert werden kann. Von diesen einfachsten Intelligenzleistungen der Anthropoiden bis hinauf zu den bedeutendsten Erfindungen und LSsungen yon Denkproblemen l~l~t sich naehweisen (Selz ffihrt daffir Beispiele an), dal~ der Zufall vielfach als Faktor ffir die determinierte Mittelabstraktion eine Rolle spielt. Aus diesem Grunde wird eine Intelligenzleistung als reine Denk- leistung nur dann angesehen werden dfirfen, wenn der Modus der L6sung bekannt ist. Das lal~t sich bei Intelligenzprfifungen fast niemals durch- ffihren, da die Versuchspersonen nicht fiber genfigende Selbstbeobaeh- tungsfi~higkeit verffigen und anderseits die L6sung dann leiden kSnnte, wenn eine ungefibte Versuchsperson die Aufgabe hat, sich selbst zu beobachten. Um den Zufall als Faktor auszuschalten, ist es deshalb erforderlieh, immer eine gr61~ere Anzahl yon Versuchen zu maehen, eine Forderung, die ja auf Grund anderer ~berlegungen schon vielfach aufgestellt wurde.

Wie eingangs erw~hnt, soll hier versucht werden, mit experimenteUen Methoden Formen von Intelligenzst6rungen m6glichst quantitativ nachzuweisen, die bezfiglich ihres InteUigenzniveaus fiber demjenigen eines ll--12j~hrigen Kindes stehen. Es handelt sieh also um den Naeh- weis eines Intelligenzmangels. Insofern ist die Aufgabe und dement- sprechend die Anlage der Versuche abweichend von solchen, die ffir den P~dagogen erforderlich sind. Die Methode muB ferner fiir den Kliniker, der sie t~glich braueht, geeignet sein. Deshalb darf sowohl die Ausffihrung der Versuche wie die Berechnung der Ergebnisse nicht schwer zu handhaben sein.

Wenn hier eine Testmethode geschaffen werden soll, also eine F~hig- keitsprfifung, so miissen die Tests den yon Stern aufgestellten und anerkannten Forderungen genfigen. Dieser Autor fordert: 1. Der

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einzelne Test soll imstande sein, gewisse Seiten des psychisehen Verhaltens zu isolieren, und zwar solche Seiten, die in der inneren Veranlagung des Mensehen begriindet sind. 2. Es soll durch eine ge- schickte Verbindung mehrerer Tests eine mSglichst vielseitige Priifung der zur Intelligenz gehSrigen T~tigkeiten gew~hrleistet werden. 3. Der Test sou es ermSglichen, alle Prfiflinge unter vergleichbare Bedingunqen zu stellen (z. B. Prfifung mit genau demselben, bis ins einzelste fest- gelegten Verfahren). 4. ~Die Ergebnisse des Tests sollen quantitativ bewertbar sein, um eine weitgehende Vergleichung der Prfiflinge zu erm0gliehen. 5. Soll das Testverfahren den Vorzug der kurzen Dauer haben und in einer oder wenigen Sitzungen fiber sonst unbekannte Mensehen ein Urteil verschaffen kSnnen.

Trotz aller Vorzfige, die eine experimentelle Untersuchung der Intelligenz haben mag, wird man sich doch darfiber klar sein mfissen, dab die experimentelle Methode allein niemals ein ausreichendes Bild des Kranken gibt, ebensowenig wie die Beobaehtung des Kranken allein es vermag. Beide Forschungsriehtungen mfissen sich ergginzen; gegenseitig ersetzen kSnnen sie sieh jedoch nicht. Das, was die eine Methode nicht bietet, mul~ die andere erg~nzend hinzufiigen. Deshalb ist es notwendig, bei einer experimentellen Prfifung der Intelligenz sich darfiber Reehenschaft zu geben, wo die Grenzen dieser Methode liegen. Wenn wir auf Grund der friiher gegebenen Definition die Grenzen bestimmen wollen, so kann, wie gezeigt werden wird, das aufgabe- gem&~e Abstrahieren und ein der Aufgabe gem&6es Erfassen yon Saehverh&ltnissen im Experiment untersucht werden, und zwar lassen sich diese Leistungen in den ersten 5 Punkten der (S. 64) angegebenen Leistungen der Intelligenz einfangen. Anders aber steht es um den letzten Punkt, die selbst~ndige Setzung soleher Aufgaben. In den vorliegenden Untersuchungsmethoden der Intelligenz ist diese Seite noeh hie in Angriff genommen worden. Die Erlebnisse bei der (~ber- nahme einer Aufgabe und die Bedingungen, unter denen dies geschieht, sind neuerdings von Blumen/eld 1) untersucht worden; die Ergebnisse gestatten vorl~ufig aber noch keine Anwendung ffir Zwecke wie die hier vorliegenden. An diesem Punkt hat also vorl~ufig die Beobaeh- tung erg~nzend einzusetzen. -- Ein zweiter Faktor, der leiehter fiber- windlieh seheint, ist der Zufall, der naeh den obigen Ausffihrungen bei den LSsungsmethoden eine RoUe spielt. Bei der Verwendung einer genfigend grol~en Zahl yon Einzetaufgaben desselben Tests darf man damit rechnen, da[~ bei dem Gesamtergebnis die dureh Zufall gelSsten Aufgaben einen so versehwindend kleinen Teil ausmaehen, dal] sie bei der quantitativen Bewertung nieht sehwer ins Gewieht fallen.

1) Ber. iib. d. VIII. Kongr. f. exper. Psychologie. Leipzig 1923; hrsg. yon K. Biihler. Jena 1924.

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Die Inte]ligenz und ihre Priifung bei leichten Schwachsinnsformen. 73

2. Die Versuchspersonen.

D a hier das In te l l igenzn iveau yon K r a n k e n b e s t i m m t werden soll, so mul~ zun~ehst e inmal fes tges te l l t werden, wieweit nach un ten die in te l lektuel le Leis tungsf~higkei t soleher I n d i v i d u e n reicht , die gemeinhin noch als gesund angesprochen werden. Die Schwier igkei t der In te l l igenz- pr i i fungen an Erwaehsenen l iegt in ers ter Linie in dem versch iedenen En twick lungsgang der Pri if l inge. U m ein einigermai~en einhei t l iches Mater ia l zu haben, h a b e n wir uns deshalb bei der vor l iegenden Pr i i fung auf I nd iv iduen mi t Volksschulb i ldung beschrankt . Die In te l l igenz- untersuchung, wie sie hier angegeben wird, is t also zunitchst nur fiir

K r a n k e m i t Volksschulb i ldung berechnet .

Zur Feststellung, was das erwachsene, normale ]ndividuum leistet, wurden 40 Normale untersucht. Es waren dies Pfleger, Pfiegerinnen und einige andere Angestellte der Klinik. Diese Zahl ist ~llerdings nicht groin; sie konnte aber des- wegen night, vermehrt werden, well Versuehspersonen (Vpn.) erforderlieh waren, fiber die durch monste- oder jahrelangen Dienst die Arzte und insbesondere das Oberpflegepersonal sich bezfiglieh des Intelligenzniveaus ein Urteil gebildet hatten. Wenn die Methode den Forderungen entsprach, mul~ten sich aueh bier schon Untersehiede der Intelligenz aufdecken lassen. Um einen Vergleich zu huben, wurden entspreehend der Lehrerzensur bei Schfilern einige Arzte und das Ober- pflegepersonal, und zwar jede dieser Personen einzeln und unabh/ingig voneinander befragt, wie sie die einzelnen Vpn. bezfiglich ihrer Intelligenz einseh/itzten. Dabei wurde ausdrficklich betont, dal~ es sich nieht um eine Sch/itzung der Vpn. hinsieht- lich ihrer F/ihigkeit ffir den Pflegedienst handelte.

Von den m/innlichen Vpn. wurden als intelligent bezeiehnet Vpn. 1, 2, 4, 9, 12, 14, 18 und 19; als debil Vp. 11, als schwaeh bef/ihigt Vpn. 3, 7 und 8. Die fibrigen wurden als durehschnittlich beg~bt eingesch/itzt.

Unter den weiblichen Vpn. wurden als die intelligentesten Vpn. 1, 2, 5 und 16 angesehen. Ffir ausgesproehen dumm gehalten werden Vpn. 7, 8 und 17, als etwas besser Vpn. 3 und 9. Die fibrigen Vpn. gelten als durehschnittlieh bef/ihigt.

Von den Geisteskranken konnten nut solche herangezogen werden, die nieht eine zu grofle IntelligenzstSrung aufwiesen. Unter dem klinischen Material fanden wir 7 M/inner und 6 Frauen, die ffir unsere Zwecke geeignet scheinen. Diese Vpn. werden mit Vp.K. bezeichnet. Vp.K. 1--5 sind leicbtere Paralytiker, wenigstens insofern, als sie /iuBerlich geordnet sind. Vp.K. 6 ist ein Debiler, der sich aber im Leben gut zurechtfindet und Vp.K. 7 ein nicht ganz gekl/irter Fall, der aber wahrsheinlich als Paralyse aufzufassen ist. Naeh der Prfifung mit der Methode yon Binet-Simon steht Vp.K. 1 auf Stufe 10. Vp.K. 2 auf Stufe 11, Vp.K. 3 fiber Stufe 12, Vp.K. 4 auf Stufe 12, Vp.K. 5 fiber Stufe 12, Vp.K. 6 auf Stufe 11, Vp.K. 7 fiber Stufe 12.

Von den weiblichen kranken Vp. sind 3 paralytisch, Vp.K. 1 ist v611ig ge- ordnet, sie erffillt s/imtliche Tests der Binet-Simon-Methode. Vp.K. 2 steht auf Stufe9 und Vp.K. 3 auf Stufe 11. Alle 3 Vpn. sind geordnet, Vp.K. 3 jedoch teilnahmslos und an der Umgebung wenig interessiert. Die 3 anderen weiblichen Kranken sind debfl bzw. imbeeill. Nach Binet-Simou steht Vp.K. 4 auf Stufe 11 bis 12, Vp.K. 5 auf S~ufe 10 und Vp.K. 6 auf Stufe 8.

Bei der Ausfiihrung der Versuehe un~erstiitzte mich Herr Kollege Freiberg, wofiir ich ihm aueh hier bestens danke.

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3. Die Methode.

Als Prfifungsmethode konnte selbstverst~ndlich nicht eine einzelne Testmethode Anwendung finden, sondern, um die einzelnen intellek- tuellen F~higkeiten im Versuch zu priifen, muBten mehrere Methoden nebeneinander angewendet werden, d .h . es muBte eine Testserie ge- schaffen werden.

Da als IntelligenzmaB, der Aufgabe der Untersuchung entsprechend, nicht das Intelligenzalter zugrunde gelegt werden konnte, muBten die Ergebnisse nach anderen Gesichtspunkten bewertet werden. Dabei soll nochmals betont werden, dab es sich vor allem um den Nachweis krankha/ter IntelligenzstSrungen handelt, d .h . um den mOglichst quanti tat iv bestimmten Nachweis einer StSrung des allgemeinen Intelligenzniveaus. Die Untersuchung der normalen Versuchspersonen, die hier den grSBten Raum einnimmt, ist nut als Vorarbeit ffir den eigentlichen Zweck, dem diese Arbeit dient, anzusehen. Durch sie sollte festgestellt werden, welche minimalen Leistungen noch bei In- dividuen vorkommen, die als gesund gelten. Es sollte also in erster Linie die untere Grenze der normalen Intelligenzleistungen bei Er- wachsenen festgestellt werden. Dazu war es aber einmal erforderlich, auch solche Versuchspersonen zu untersuchen, die als durchschnittlich oder sogar fiberdurchschnittlich begabt gelten, und zweitens mu~ten die Aufgaben so gew~hlt sein, dab zwar yon den normalen Minder- begabten noch eine erhebliche Anzahl gelSst werden, damit auch die Individuen mit krankhafter IntelligenzstSrung noch eine gewisse Spiel~ breite der richtigen LSsungen hatten; anderseits jedoch war es wiinschens- wert, dab auch die durchsehnittlich befghigten Normalen nicht alle Aufgaben restlos 15sten.

Von vornherein empfahl es sich, mSglichst solche Methoden in die Serie aufzunehmen, die sich bereits in Untersuchungen anderer Autoren bewghrt hatten. Dafiir kamen vor allem Methoden in Betracht, die bei glteren Jugendlichen, etwa im nachschulpfliehtigen Alter, und bei Erwachsenen erprobt waren.

Versuehsordnung 1. Als erste Methode zur Prfifung der Intelligenz w~hlten wir die

Abstraktionsversuche im AnschluB an Gri~nbauml), Koch 2) und Habrich 3). Psychologisch liegen in den Abstraktionstatsachen unmittelbare BewuBtseins-

inhalte vor, worauf Ki~lpe 4) nachdrficklich hingewiesen hat und Gri~nbaum nach

1) ~'ber die Abstraktion der Gleichheit. Arch. f. d. ges. Psychol. 12. 1908. 2) Experimentetle Untersuchungen tiber die Abstraktionsf~higkeit an Volks-

schulkindern. Zeitschr. f. angew. Psychol. 7. 1913. 3) ~ber die Entwicklung der Abstraktionsfahigkeit bei Schfilerinnen. Zeitschr.

f. angew. Psychol. 9. 1905. ~) Bericht fiber den 3. KongreB ftir experimentelle Psyehologie 1908.

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ihm auf Grund umfangreieher Untersuchungen best~tigen konnte. Abstraktions- prozesse linden sich in fast allen Denkleistungen. Hier kSnnen sie aber kaum isoliert gepriift werden. Eine grundlegende Methode ftir die Priifung der Ab- straktion warde yon Gri~nbaum in der erwi~hnten Untersuchung gesehaffen. Auf dieser lubend hat dann Koch an Volksschiilern und Habrich an Volksschiilerinnen die Abstrak.tionsf~higkeit gepriift. An diese Versuche lehnen sich die unsrigen an.

Den Vpn. wurden Figuren dargeboten, die mSglichst wenig an bekannte Gegenst/~nde erinnern durften. Besondere Auff/~lligkeiten mubten vermieden werden, auch die GrSbe mubte bei allen Figuren ungefi~hr dieselbe sein. Die Figuren waren auf weillen Pappkartons yon der GrSbe 19 • 24 cm mit chine- sischer Tusche gezeichnet. Die einzelne Figur, bzw. das Quadrat in dem s.ie stand, hatte eine GrSbe yon 3 X 3 cm. Durch einen schr/~gen Strieh waren die Figuren in zwei gleich grobe Gruppen geteflt. Die einfachste war die, bei der auf jeder SeRe des Striehes 2 lfiguren standen (2/2); diese wurde zuerst exponiert, darauf folgten die Gruppen 3/3 und 4/4. Jedes dargebotene Gruppenbild hatte das Merk- mal, dab eine Figur zweimal vorhanden war, und zwar einmal links und einmal rechts vom Strieh, so dab also jeder dargebotene Karton 2 gleiche Figuren aufwies. Die Aufgabe schrieb vor, erstens die gleiehen Figuren herauszufinden und zweitens die Stellen anzugeben, wo diese Figuren sich befunden batten. In den friiheren Untcrsuehungen der 3 genannten Autoren hatten die Vpn. aul~erdem die Aufgabe, noeh anzugeben, welehe von den ungleichen ~iguren sie sich gemerkt batten und wo sie lokalisiert waren. Da, wie aus den Untersuchungen yon Koch hervorgeht, diese sog. Nebenleistung wenigstens bei den Knaben keinen Mabstab fiir die Be- gabung gibt, wurde die Nebenleistung in unseren Versuchen nicht mitgepriift.

Um die Ergebnisse mit denen yon Koch und Habrich vergleichen zu kSnnen, lehnten wir uns an das Zahlenverh/~ltnis der von diesen Autoren gepriiften Figuren- gruppen an. Da die Anzahl der Gruppen fiir unseren Zweck jedoch zu grob war, w/~hlten wir yon jeder Serie die H/~lfte, so dab also jeder Vpn. yon jeder Gruppe je 10 Karten dargeboten wurden. Vor den eigentlichen Versuchen wurden 1 oder 2 Vorversuche gemacht.

Exponiert wurden die Kartons auf einem Pappgestell. Vor der Exposition waren sie mit einem weiBen Pappschirm verdeckt. ~qach der Ankiindigung ,,Bitte" wurde der Schirm entfernt und nach 3 Sekunden - - die Zeit wurde mit der Ftinftel- sekundenuhr gemessen - - wieder verdeckt. Darauf hatte die Vp. auf einem Streifen, der bis dahin verdeckt war, die Figur zu zeigen und in einem vor ihr liegenden leeren Schema die Quadrate, in denen die Figur gestanden hatte, an- zugeben.

Die Streifen waren nach dem Vorgange Kochs so eingerichtet, dab die Zahl der Auswahlfiguren bei der Gruppe 2/2 10, bei 3/3 17 und bei 4/4 23 betrug. Da bei 10 Aufgaben der Gruppe2/2 10Auswahlfiguren zu wenig gewesen w/~ren, wurde hier nach den ersten 5 Expositioncn ein zweiter Streifen verwendet. - - Obwohl praktisch die Darbietung mit dem Projektionsapparat mSglich gewesen w~re, wurde doch davon abgesehen, da die Methode fiir den vorliegenden Zweck handlich sein mubte. Ich glaube nicht, dab dadurch die Resultate beeinflubt wurden und deshalb ein Verglcich unserer Resultate mit denen von Koch und yon Habrich nicht mfglich w/~re.

Von den Ergebnissen der Kochschen Untersuchung sind fiir unsere Zwecke die Ergebnisse fiber die Hauptleistung wichtig. Unter ,,vollst/~ndiger Haupt- le'rstung" versteht dieser Autor die LSsung der Hauptaufgabe, also das Auffinden tmd Lokalisieren der beiden gleichen Fia~ren. Liegt dagegen nur ein richtiges Wiedererkennen, aber keine Lokalisation vor, so ist die I-Iauptleistung eine partielle, ebenso wenn die Gleichen nur richtig lokalisiert, aber nicht richtig wiedererkannt

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wurden, eine Tatsache, die alle Untersucher fanden und auch yon uns vielfaeh beobachtet wurde.

Bei den Kochschen Untersuchungen stellte sich heraus, dab die vollst~ndige Hauptleistung den Klassenfortschritt deutlich zum Ausdruck bringt und die Leistung yon Klasse zu Klasse w~chst. Vgl. folgende Tabelle:

Lebensalter (Jahre) 6,5 7,5 8,5 9,5 10,5 11,5 12,5 18,5 bis bis bis bis bis bis bis bis 7,5 8,5 9,5 10,5 11,5 12,5 13,5 14,5

Jahrgang . . . . . . . . . 1 2 3 4 5 6 7 8 Absolute Zahl der F~lle . . 119 177 229 271 288 317 336 345 Proz. der mSglichen Fi~lle 22 33 41 50 53 59 62 64

Ebenso erwies sich die partielle Hauptleistung, die in der richtigen Lokalisation der Figuren besteht, als charakteristisch ftir den geistigen Fortschritt. Dagegen ergab das Auffinden der gleichen Figur ohne Rilcksicht auf ihre Stellung kein Kriterium zur Feststellung des Klassenfortschrittes. Koch selbst h~lt auf Grund seiner Untersuchung die Tabelle, die die vollsti~ndige Hauptleistung wiedergibt, filr die zuverl~ssigste. Es ist ni~mlich anzunehmen, daB, wenn dem Schiller ein Wiedererkennen der gleichen Figur, verbunden mit riehtiger Lokalisation beider Gleichen, gelingt, diese so bestimmte und geuau der Aufgabe entsprechende Lei- stung auf keinerlei glilcklichem Zufall beruht.

Entsprechend den Untersuchungen an Schillern konnte Habrlch an Schille- rinnen bezfiglich der vollsti~ndigen Hauptleistung ebenfalls feststellen, dab die Abstraktionsfahigkeit mit dem Klassenfortschritt zunimmt, und zwar ist die Zunahme mit dem Alter fast dieselbe wie bei den Knaben. Dagegen ist als partielle Hauptleistung nicht wie bei den Knaben die Lokalisation eharakteristisch filr den geistigen Fortschritt, sondern das richtige Wiedererkennen der Figur. - - In diesem Zusammenhange sei erw~hnt, dab die Gesamtleistungen, d .h . die LSsung der Haupt- und der INebenaufgabe, bei den Knaben durchweg grSBer war als bei den M/~dchen. Bi~hler 1) ist geneigt, diese Tatsache durch einen grOBeren Aufmerksam- keitsumfang der Knaben zu crkli~ren.

Aus den Untersuchungen beider Forscher geht ferner hervor, dab die Ab- straktionsleistungen nicht nur mit der Alters-, sondern auch mit der Intelligenz- zunahme wachsen, und dab die Taxierung der Schiller nach diesen Versuchen in den meisten Fallen den Lehrerurteilen fiber die Begabung entsprach. Die Frage, ob durch diese Versuche tats/ichlich nur die Intelligenz gepriift wird, scheint nach diesen Ergebnissen bejaht werden zu mfissen. So einfach liegen die Verh~ltnisse jedoch nicht. Zweifellos wird bier durch die Abstraktionsaufgabe ein Teilgebiet der Intelligenz, eben" das Abstrahieren geprilft, aber von Fr6bes beispielsweise wird eingewendet, dab wohl die ,,Zunahme des Aufmerksamkeitsumfanges und des Gedi~chtnisscs, die beide filr die Intelligenzleistungen eine groBe Rolle spielen", bier yon besonderer Bedeutung sei. Demgegenilber ist die von Koch festgestellto Tatsache zu erw~hnen, dab schwache Schiller bei Fortfall der Abstraktionsaufgabe wolff imstande sind, eine betrgchtliche Anzalff von Figuren aufzufassen und ge- d/~chtnismi~Big festzuhalten, wAhrend die Vollziehung des Abstraktionsprozesses ihnen nur in beschri~nktem MaBe gelingt. Auch ein Vergleich mit der Entwicklung des Gedi~chtnisses, die z. B. yon Netscha]e//~) und Lobsien s) untersucht wurde, zeigt eine prinzipielle Abwcichung gcgeniiber den yon Koch und Habrioh gefundenen Kurven. Lobsien land die grSBte relative Ged~chtniszunahme zwischen dem

1) K. Bi~hler, Die geistige Entwicklung des Kindes. 2. Aufl., S. 163. Jena 1921. 3) Zeitschr. f. Psychol. 24. 1900. 3) Zeitschr. f. PsychoL 27. 1902.

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10. und 12. Lebensjahre, also gerade in der Zeit, in der die Kurve der Abstraktions- leistungen den geringsten Anstieg zeigt.

Sehwieriger ist die Entscheidung, ob und inwieweit die Aufmerksamkeit bei diesen Versuehen eine Rolle spielt. Betrachtet man einen Gegenstand aufmerksam, so gewinnt dadureh der Gegenstand an Klarheit, und zwar an sinnlieher wio ins- besondere an Auffassungsklarheit. Deshalb wird aber noch nieht ein Teil oder eine Eigensehaft abstrahiert, sondern erst, wenn die Farbe, die Gestalt aus dem an- schauliehen Zusammenhang losgetrennt oder abstrahiert ist, ist die erste reine Denkleistung vollzogen, auf die dann die weiteren, n~mlich das Inbeziehungsetzen dieser mit ~nderen, folgen k6nnen. Vorbedingung ftir das Lostrennen allerdings ist das Beaehten. Die Schwierigkeit der Abgrenzung ist darum hier so grol3, weft die Aufmerksamkeit, ebenso wie die Abstraktion Denkprozesse darstellen. Erst eine genaue Analyse kann bier wirkliche Kl~rung schaffen.

Versuchsordnung 2. Als zweiter Test wurde die von Gregor 1) eingeffihrte De/initions.

methode gew~hlt. Dutch die auf brei ter Basis ausgeffihrten Versuehe dieses Autors, deren Ergebnisse zum Teil yon Stern geeicht wurden,

war es hier mOglich, die Leis tung quan t i t a t i v zu bewerten, ein Ums tand ,

der die Anwendung dieser Methode besonders empfahl.

DaB die Definition eines Begriffs eine intellektuelle Leistung darstellt, haben die Versuche Gregors sehon ergeben. Die psyehologisehe Analyse der Denkvorgange bei L6sung solcher Aufgaben ist yon Selz eingehend dargetan worden. Es kann hier auf diese verwiesen werden, und nur etwas sell Erw~hnung finden. Die L6sung tier Aufgabe Definition (und zwar die logisch korrekte) stellt meist eine erhebliehe Leistung des Denkens dar. Neben dem Erfassen yon Sachverh~ltnissen verlangt die L6sung insbesondere Erkenntnisprozesse, dutch die Teile oder unselbst~ndige Elemente zur Abstraktion gelangen. Aus den Selzschen Untersuchungen darf gesehlossen werden, dab ~iir die L6sung der Aufgabe Definition insbesondere Abstraktionsprozesse dienen. Deshalb daft diese Alffgabe vor allem als Prfifung der Abstraktionsf~higkeit angesehen werden, allerdings nicht allein, da noch andere intellektuelle Prozesse eine Rolle spielen.

Nun gilt dies vor allem Iiir korrekte L6sungen der Aufgabe. Wie die Dinge bei primitiveren L6sungen liegen, ist damit nicht ohne weiteres zu vergleichen. Jedenfalls aber darf soviel gesagt werden, dab bei falschen oder unzureichenden L6sungen die F~higkeit der Abstraktion bzw. der Herstellung eines Deckungs- verh~ltnisses (Selz) zwischen der Bedeutung des zu definierenden Wortes und der im Definitionssatz niederzulegenden Wortbedeutung nicht ausreicht, soweit nicht etwa - - und das gilt ftir die meisten Intelligenzleistnngen, die mit Hflfe der Spraehe gepriift werden - - eine mangelnde Beherrschung der Sprache die Ursache dafiir bildet.

Gregor verwendete im ganzen 37 Reizw6rter und untersuchte damit Schiller und Schiilerinnen, Pfleger und Pflegerinnen. Die LSsungen teilte er in korrekte, richtige, primitive und falsche ein. Auf Grund der mitgeteilten Zahlen hat W. Stern 2) einige Worte fiir die versehiedenen Altersstufen geeicht. Diese Worte haben wir zur Grundlage unserer Untersuchungen genommen, da sich dadurch die M6glichkeit einer Auswertung bet. Es sind dies folgende 9:

1) Zeitsehr. i. angew. Psychol. 10. 1915 und Zeitschr. f. Kinderforseh. u. pi~d~gog. Psychoh 25. Jg. 1920.

~) Stern u. Weymann, Methodensammlung zur Intelligenzpriifung. Beitr. z. Zeitschr. f. angew. 1)syehol. 20. 1920.

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Laube, Zelt, Arbeit, Gesetz, Biindnis, Auge, Mund, Mut, Mitleid. Spiiter hat Gregor 1) versucht, allein auf Grund dieser Methode das Intelligenz-

alter zu bestimmen und teilte in dieser Arbeit aueh Tabellen mit, die als Grundlage fiir die Bewertung der verschiedenen LSsungen dienten. Gegen die Bestimmung des Intelligenzalters mit Hilfe eines einzelnen Tests hat sich Stern immer wieder und auch bier gewendet. Auch aus unseren Untersuchungen ergibt sieh, wie gezeigt werden wird, die unbedingte Richtigkeit der Sternsehen Forderung. Nach Gregor hat Lehmann 2) die Methode an schwaehsinnigen Kindern erprobt.

Im einzelnen sehlol~ sieh unsere eigene Untersuchung an die im Hamburger Laboratorinm angewandte an: Es wurde den Vpn. gesagt, dab sie die Worte zu definieren oder erkl~ren h~tten, und sie sollten sich denken, dab sie den Ausdruek einem Ausli~nder zu erkl~ren hi~tten, der gerade dieses Wort nieht verst~nde. Darauf wurde ihnen die Aufgabe an dem Beispiel Fenster klar gemacht und dieser Begriff definiert als 0ffnung in einem Raum, die meist mit Glas ausgefiillt ist lind dazu dient, Lieht und unter Umst~nden aueh Luft in geschlossene R~ume hineinzulassen. Die Angaben der Vpn. wurden wSrtlich notiert.

Versuehsanordnung 3. Stand bisher das Abs t rak t ionsvermSgen im Vordergrunde der Prfi-

lung, so sollte je tz t in mSglichster Re inhe i t die Kombinations/dhigkeit, das Erfassen yon Sachverh~ltnissen oder das Herste l len yon Beziehungen

gepriift werden.

Hierftir kommen 2 Methoden in Betracht; einmal der yon Ebbinghaus ein- gefiihrte Erg~nzungstest. So auBerordentlieh viel Vorteile dieser hat, so wurde doch vor allem deshalb yon ihm Abstand genommen, weil nicht alle Liieken- erg~nzungen gleichma6ig zu bewerten sind. Nach Lindworsky gesehieht die Er- gi~nzung n~mlieh zum Teil assoziativ aus gewohnten Redewendungen, zum Tefl begrifflieh aus dem Zusammenhang. ~un ist nicht immer ohne weiteres zu ent- scheiden, welehe LSsungsmethode angewendet wird, und eine Bewertung der Leistung ist deshalb nicht einwandfrei. Aus diesem Grunde fund unter Anlehnung an Gedanken yon Lipmann im Hamburger (bzw. Breslauer) Laboratorium eine Methode der Lfickenerganzung Anwendung, bei dernur BindewSrter zu erganzen waren, und die unter Stern yon W. Minkus 3) erprobt wurde. Diese Methode scheint als Intelligenzpriifungstest Ausgezeiehnetes zu leisten. Da yon Stern auch eine Alterseiehung vorgenommen wurde, sind die Vorbereitungen hier so weit getroffen, dab die Verwendung der Methode zu anderen Zweeken ermSglicht ist. Wenn sie hier nieht angewendet wurde, so lag dies an auBeren Ursachen, die mit der tter- stellung des gedruckten Textes zusammenhangen. Diese Lficke wurde aber nicht fiihlbar, da wir fiber eine andere Methode verffigten, die im wesentlichen denselben Zweek erfiillte und noeh den Vorteil hatte, weniger auf die spraehlichen Fi~higkeiten zu reeurrieren, dafiir aber die Herstellung einer Bewertung zu ermSgliehen, die die Herbeiholung eines nieht gegebenen Faktors erforderte: ich meine die Drei- Wortmethode nach Masselon. Diese Methode ist nach Binet noeh yon vielen anderen Forsehern bei Intelligenzpriifungen angewendet worden. Unserer Ver- suehsanordnung wurden die Versuehe und Ergebnisse yon Piorkowski 4) zugrunde

l) Zeitschr. f. Kindefforsch. u. p~dagog. Psychol. 25. Jg. 1920. 2) Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. 4~. 3) Stern u. Minkus, Die Bindewort-Erg~nzung. Beihefte z. Zeitschr. f. angew.

Psychol. Heft 19. 4) Untersuchungen fiber die Kombinationsf~higkeit bei Schulkindern. Pad.-

psychoh Arbeit., Ver(iffentl. d. Instit. f. exp. P~dag. u. Psychol. d. Leipz. Lehrerver. 4. Leipzig 1913.

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gelegt, da dieser Autor eingehende Untersuchungen an Schulkindern bis zum 14. Lebensjahre angestellt und die Art ihrer Bewertung in Tabellen beigefiigt hat. Dazu kommt, dab dureh die Naehpriifungen yon Angelstein 1) im Hamburger psychologischen Laboratorium eine Anzahl der Piorkowskischen Aufgaben ffir normale 12j~hrige geeicht wurden, so dab hierdurch ein Anhaltspunkt fiir die Bewertung gegeben war. Nach den Untersuchungen Piorkowskis und seiner Vorg~nger treten bei dieser Untersuchungsmethode die Begabungsunterschiede innerhalb gleicher Altersstufen starker hervor als die Altersunterschiede. GleBe 2) hat darauf hingewiesen, dab bei dieser Methode in die Aufgabe mit hineingenommen werden miisse, da$ zwischen den gegebenen 3 Worten ein logiseh-kausaler Zu- sammenhang hergestellt werden solle. Jiingeren und ungeschulten Individuen muB diese Forderung naturgem/~B auf andere Weise plausibel gemacht werden.

Analytisch betrachtet handelt es sich bei LSsung der Dreiwort-Aufgabe um die Herstellung yon Beziehungen bzw. das Erfassea einer oder mehrerer Saeh- verh/~ltnisse zwischen 2 oder mehreren Gtiedern, yon denen eines oder mehrere nicht gegeben shad, sondern erst gefunden werden miissen. Ch. Biihler a) hat syste- matische Untersuchungen fiber diesen Gegenstand an psyehologiseh geschulten Vpn. angestellt, die fiber ihre Erlebnisse naehtr~glich zu berichten batten. Von den Ergebnissen ist in diesem Zusammenhang von Interesse, dal~ neben der Be- deutung spraehlieher Redewendungen die Relationserfassung oder die Entstehung yon Gedanken das Wesen der LSsung solcher Aufgaben ausmachen. Inwieweit dabei die Phantasie eine Rolle spielt, kann hier dahingestellt bleiben; denn wenn auch eine scharfe Grenze zwischen Phantasie und Denken nieht zu ziehen ist, so diirien diejenigen Prozesse, die zur LSsung eines Dreiworttests erforderlich sind, noch zu den reinen Denkfunktionen gezi~hlt werden. Natiirlich kSnnen LSsungen, bei denen eine reichere Phantasiet/~tigkeit mitspielt, schSnere und besteehendere Resultate ergeben. Ffir unseren Zweek kam es abet hierauf durchaus nicht an, sondern iede logiseh-kausale Verkniipfung der gegebenen Worte gilt bier als ge- lungen, und zwar die phantasievolle ebenso wie die niichterne.

Unsere Versuchsanordnung war fo lgende :

Der Vpn. wurde gesagt: ,,Ieh werde Ihnen 3 Worte nennen, die Sie mir in einem oder mehreren S~tzen in einen guten Zusammenhang bringen sollen. Ieh werde Ihnen einmal zeigen, wie ich es meine. Wenn ich Ihnen die 3 Worte: Vogel - - K a t z e - - Yedern nenne, so ist eine gute L6sung: Eine Katze wollte einen Vogel fangen, der Vogel flog aber davon, und die Katze kolmte ihm nut einige Federn ausreiBen. Eine schleehte L6sung dagegen ist (und hier wurde der Vpn., um den Untersehied klar vor Augen zu ffihren, mit Absicht ein krasses Beispiel angefiihrt): Ein Vogel sa$ auf einem Baum, und eine Katze war im Zimmer, und neben ihr lagen Federn. Und nun sollen Sie mir einen guten Zusammenhang aus folgenden 3 Worten herstellen:

Als Beispiele wurden erstens die 4 Tests gewahlt, die im Hamburger Labora- torium fiir 12jahrige geeicht wurden, namlich:

1. Einbrecher - - Bibel - - Umkehren; 2. Landmann - - grol~e Hitze - - Diebstahl; 3. Stehengebliebene Uhr - - gesehehenes Eisenbahnunglfick - - Freude; 4. Reise - - treuer Hund - - Freude. Um noch 2 sehwerere Tests zu haben, wurden die yon Piorkowski und in

Hamburg angewendeten Wortgruppen gew~hlt:

1) W. Stern, Das psyehologisch-padagogisehe Verfahren der Begabtenauslese. Eine Sammlung yon Beitragen. Leipzig 1918.

z) Zeitschr. f. p~tdag. Psychol. u. exp. Padag. 14. 1913. a) Zeitschr. f. Psychol. 80 u. 81.

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80 S. Fischer :

5. Soldaten im Lager - - sternlose Nacht - - grol]e Verwirrung und Gesehrei. Diese Wortgrupl0e wurde yon 20~o 10--11 j/~hrigen, 20% 11--12 j/ihrigen und

44~o 12--13 j/~hrigen gel6st, eine Wortgruppe also, die ffir 12 j/ihrige als gerade noch zu schwer angesehen werden daft. Und

6. Guter Getreidestand - - fauler Bauer - - Verzweiflung. Dieser Test win'de in Hamburg yon 20~o 10---llj/~hrigen, 25~o ll--12j/ihrigen

und 15~o 12--13j/~hrigen richtig gel6st. Es daft dieser Test also als der schwierigste angesehen werden.

Im Gegensatz zu friiheren Untersuchungen wurde der Einfachheit halber, und da ja jede Vp. einzeln untersucht wurde, die Aufgabe nut miindlich gelSst. Ins- besondere war daI~" maBgebend, dal~ kranke Vpn., vor allem Paralytiker, h/~ufig Schwierigkeiten beim Schreiben haben. Die Zeit vom Aussprechen des letzten Wortes yore u bis zum Beginn der LSsung wurde auf hSchstens 3 Minuten Iest- gesetzt.

Yersuehsanordnung 4.

W a r mi t den Aufgaben der ersten 3 Versuchsanordnungen ver- sucht worden, die Abstrakt ionsf~higkei t einerseits, andererseits das

Herste l len yon Beziehungen mSglichst isoliert zu prfifen, so sollte die 4. Methode eine kombinier te Prfifung beider F u n k t i o n e n ermSg-

lichen. Zu diesem Zwecke wurde eine Methode gew/~hlt, die sich eng an eine yon Blumen/eld zu anderen Zwecken angewendete und auf

dem PsychologenkongreB 1923 zu Leipzig vorgetragene Methode an- schliel]t. Die MSglichkeit der Verwendung dieser Methode zur Pr i i fung

der Intel l igenz ist auch yon Blumen]eld schon ge~ul~ert worden, fiir

diesen Zweek jedoch noch night verSffentlicht. Fi i r die Er laubnis ,

die Methode hier zum ersten Male zum Zwecke der In te l l igenzpr t i fung zu verwenden, danke ich Her rn Prof. Blumen/eld an dieser Stelle.

Die Methode, die ich als Blumen/eldsche Wahlmethode bezeichne, besteht in folgender Versuchsanordnung. Der Vp. werden 2 Substantiva dargeboten, yon denen sie eines zu w~hlen und dem Versuchsleiter (V1.) anzugeben hat. Der V1. sagt darauf falsch oder richtig, je nachdem das richtige oder falsche Wort gew~hlt wurde. Darauf wird ihr ein 2. Wortpaar dargeboten und die Vpn. hat wiederum zu wahlen. Das richtige Wort des 2. Wortpaares ist mit dem richtigdn Wort des 1. Wortpaares dureh einen gemeinsamen Gesichtspunkt verbunden. Also etwa: 1. Wortpaar: Semmel - - Hose, wobei Hose riehtig ist. Darauf folgt Schuhe - - Flasche, wobei Sehuhe richtig ist. Die Vp. hat nun die Aufgabe, erstens das richtige Wort zu w~hlen und zweitens den Gesichtspunkt herauszufinden, der fiir den V1. ffir die Wahl der Worte maBgebend war. Bei jedem Wortpaar wird der Vp. gesagt, ob sie richtig oder falsch gewiihlt hat. Als Gesichtspunkte k6nnen sowohl inhaltliche wie formale Merkmale gew/~hlt werden, l~iir unsere Zwecke wurden nur inhaltliche gew/~hlt, und zwar das Genus proximum oder gemeinsame Eigenschaften. Es wurden nacheinander 6 Wortpaare dargeboten, bis die Vp. die L6sung gefunden hatte.

Dutch Selbstbeobachtung gewonnene Ergebnisse und Analysen fiber die L6sungsmethoden dieser Aufgabe stehen noch nicht zur Verffigung. Man wird aber fiber die wichtigsten Denkvorg/~nge bei L6sung dieses Tests doch einiges sagen k6nnen. Der eigentliche L6sungsprozef~ kann schon bei dem 1. Wortpaar beginnen, indem etwa durch Ahstraktion Eigenschaften des Gegenstandes heraus- gehoben oder vielleicht das Genus proximum gesucht wird. Es braucht dies aber

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Die Intelligenz und ihre Prtlfung bei leichten Schwachsinnsformen. 81

ni eht zu gesehehen sondern nor eine abwartende I-Ialtung eingenommen zu werden. Bei Darbietung des 2. Wortpaares wird das richtige Wort dadurch gefunden, da$ ein Vergleich der dargebotenen heiden Worte mit dem ersten riehtigen Worte beziiglich gleicher Eigenschaften oder einer Zusammengehfrigkeit dutch ein ge- meinsames Genus proximum hergestellt wird. Es wird also zun~ehst abstrahiert und dann versueht, ein Sachverhaltnis herzustellen. Gelingt dies, so wird das 3. Wortpaar darauf untersucht, ob der gefnndene Gesichtspunkt fiir eines der beiden Worte ebenfalls Geltung hat. Oder aber, wenn der Gesichtspunkt noch nieht gefunden ist, wiederholen sich die Abstraktionsprezesse und die Beziehungs- erfassung wie vorher beim 2. Wortpaar. Im 1. Falle wird die Riehtigkeit des beim vorhergehenden Wortpaar gefundenen Einteilungsgesichtspunkts gepriift, und dies ist eine Leistung tier Kritikf~higkeit. An diese Fahigkeit werden aller- dings, wenn der Gesichtspunkt erst einmal riehtig gefunden ist, keine sehr grol]en Anforderungen gestellt. Anders jedoch, wenn ein falseher Gesichtspunkt gewahlt wurde. Aueh das Finden desselben bzw. seine Fiirgiiltigerkl~rung ist eine Kritikleistung. Um diese Leistung sieh yell auswirken zu lassen, ist es deshalb erforderlieh, mindestens das 3. Wortpaar auch darzubieten, selbst wenn die LSsung sehon beim 2. erfolgt.

Mit dieser Methede ist es also mSglieh, gleiehzeitig verschiedene Seiten der Intelligenz zu prtifen, und sie bfldet daher eine gute Ergitnzung der vorangegan- genen 3 Methoden.

Fiir unsere Zwecke wurden folgende Serien gew/~hlt:

I. (H61zerne Gegenstande).

1. Tiseh - - Wasser. 2. Stral3e - - Schrank. 3. Lampe - - Kiste. 4. Kahn - - Zigarre. 5. P f e n n i g - - Baumstamm. 6. Park - - Geige.

II. (Zerbreehliehe Gegenstande).

1. T a s s e - - B u c h . 2. F i s c h - - Glas. 3. Eisen - - Spiegel. 4. Porzellan - - Zueker. 5. Ezde - - •ensterscheibe. 6. Silber - - Flasche.

I II . (Verkehrsmittel).

1. Kahn - - Wald. 2. Messer - - Pferd. 3. Garten - - Schlitten. 4. Stral~enbahn - - Sehornstein. 5. Haus - - Automobil. 6. Schere - - Droschke.

IV. (Baumaterialien).

1. S t e i n - - Puppe. 2. Vogel - - Holz. 3. Sand - - Bfld. 4. Blume - - Lehm. 5. Ziegel - - Kissen. 6. Kalk - - Feder.

V. (Rieehende Gegenst~nde).

1. Rose - - Vogel. 2. Vase - - Seife. 3. Kase - - Biene. 4. Petroleum - - Gold. 5. Mottenpulver - - Papier. 6. Schirm - - Salmiakgeist.

Die Versuchsanordnung im einzelnen war folgende: Der Vp. wurde zun~chst an 2 Vorversuchen die Versuehsanordnung klar gemacht und dabei darauf hin- gewiesen, dal~ Gegenst/~nde infolge ihrer Zugehfrigkei$ zu einem Genus proximum oder dureh eine gemeinsame Eigensehaft zusammengeh6ren k6nnen. Die Wort- paare waren hier ebenso wie in den Versuchen auf einzelne Pappk~r~chen mit Sehreibmaschinenschrift gesehrieben. Darauf wurde der Vpn. das 1. K/~rtchen

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. X C V I I . 6

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82 S. Fischer:

des 1. Versuchs vorgelegt und ihr aufgetragen, eines der Worte zu w~hlen. Wurde das falsehe gew~hlt, so wurde vom V1. hinzugefiigt, beim 1. T~felchen kSnne sie das richtige natiirlich noch nicht wissen. Zuweilen wurde beim 1. Wortpaar das richtige Wort vom Versuehsleiter gleich gen~nnt. Obwohl das Resultat dadurch kaum beeinfluBt werden diirfte, wird dabei doch vielleicht ein Unterschied da- durch hervorgerufen, dab bei der Wahl mSglicherweise allerlei Abstraktions- prozesse sich einstellen und MSglichkeiten erwogen werden, die bei der Angabe des richtigen Wortes dutch den V1. nicht so stark in Erscheinung treten oder viel- leicht erst spi~ter auftreten. Es wurde aber trotzdem manchmal dieser letztere Modus gew~hlt, um die Vpn. bei falscher Wahl nicht unlustig zu machen, was bei dem ohne jede Begriindung erfolgenden Urteil des Vls. leicht der Fall ist. Darauf wurde das 2. K~rtchen unterha]b des 1. gelegt, die Vp. aufgefordert zu w~hlen und vom V1. gesagt, ob riehtig oder falsch gewi~hlt wurde. Wurde richtig gewi~hlt, so wurde die Vp. sofort gefragt: Warum ? Wurde falsch gewahlt, so wurde einige Seknnden nach dem Urteil des Vls. dieselbe Frage gestellt. Es hatte sieh n~mlich im Verlaut der Versuche gezeigt, da~ die Vpn. zuweilen die LSsung schon wul~ten, sie aber nicht sagten. Eine andere Frage als das Wort Warum ? oder irgendeine Hilfe oder Beurteilung wurde nicht gegeben. Hatte die Vpn. die Aufgabe gelSst, so wurde ihr noch mindestens ein weiteres Ki~rtehen, meist noch mehrere nach- einander vorgelegt und sie gefragt, ob die LSsung richtig sei.

Bei Versuch 2, der absichtlieh so gew~hlt ist, dal] er anfangs irreftihrend ist, da Tisch und Schrank mit vollem l~eeht als MSbel bezeichnet werden, wurde, wenn diese Antwort erfolgte, hinzugeftigt: Wir wollen noch die n~chsten Worte abwarten.

Versuehsanordnung 5.

Die letzte Versuchsanordnung dient dem Zwecke, die Kr i t ikf~higkei t mSglichst isoliert zu prfifen.

Fiir die Priifung dieser Fahigkeit liegen bereits eine ganze Anzahl yon Ver- suchsanordnungen vor, die jedoch fiir unsere Zweeke nicht geeignet ersehienen. Ein Teil der vorhandenen Tests wie die Fragen von Binet und Bobertag, Terman, Jaederholmu. a. sind fiir Kinder etwa vom 9.--12. Lebensjahr berechnet und deshalb f~' unsere Zwecke zu leicht. Bis auf verh~tltnism~i~ig wenige fordern die meisten der genannten Tests keine logische, sondern empirische Kritik. Und da diese ein bestimmtes Wissen voraussetzen, werden damit in erster Linie, wenn auch nicht aussehliel~lich, die Kenntnisse des Priiflings untersueht. Sind die Kenntnisse hinreichend, so ist das Erfassen der Sinnwidrigkeit eine solch leichte Aufgabe, da~ sie als Priifungstest der Intelligenz kaum mehr in Betracht kommt, es sei denn, dab die Vp. nicht aufmerksam genug ist und deshalb die Sinnwidrigkeit einfaeh iibersieht. Was fiir diese spraehlichen Tests gilt, hat ebenso Geltung ftir die z.B. von Rossolimo angewandten Bilder, die Sinnwidrigkeiten darstellen. Besser als diese Tests ist der im Hamburger Laboratorium verwendete, bei dem in einem vorgelegten Text Fehler herauszufinden waren. Aueh hier ist ein Tell der Fehler nur auf Grund von Kenntnissen, die, wie ich glaube, beim einfachen Manne nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden diirfen, zu 15sen. Aus diesen Griinden mufite hier die Kritikfi~higkeit auf andere Weise gepriift werden. Natiirlich sind, wie bei jeder Intelligenzprtifung, auch in diesem Falle irgendwelche Kenntnisse notwendige Voraussetzung, aber es wurde dabei erstrebt, die zur LSsung erforder- lichen Kenntnisse auf ein Mindestmai~ zu beschri~nken.

Zur Priifung wurden einfache Fragen angewendet. Um die Kritik heraus- zufordern und zu verhindern, daft ein negatives Resultat nicht nur die Folge ungeniigender Aufmerksamkeit sei, wurde jede Frage mit den Worten eingeleitet: ~st es richtig? Darauf folgten nacheinander die 9 Fragen:

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Die Intelligenz und ihre Prtifung bei leichten Schwachsinnsformen. 83

1. DaB ein Nachtw~ehter am Tage sterben kann? 2. DaB es in der Nacht hell sein kann ? 3. Wenn man krank ist, muB man im Bert liegen? 4. WGnn Gin Haus einstiirzt, ist der Baumeister daran schuld? 5. Wenn jemand gut ist, geht er oft in dig Kirche ? 6. Wenn jemand nichts rut, ist er faul? 7. Wenn man im Winter ein warmes Zimmer haben will, mug man Kohle

haben ? 8. Wenn man viel lernen will, muB man viel lesen ? 9. Wenn ein Unschuldiger verurteilt wird, ist der Richter daran schuld? Bei diesen Fragen muBte sieh herausstellen, ob die Vpn. die S~tze einfach

hinnahmen, oder ob sie mit Umsieht iiberlegten und dann ihr Urteil f~llten. Im ti~glichen Leben ist ja gerade dies das Zeiehen des kritischen Menschen, dab er, bevor er ein Urteil anerkennt, erst nach allen Seiten Umschau h~lt, ob auch kGin anderes Saehverh~ltnis dem Inhalt des Urteils widersprieht. Andererseits ist der )r dieser Fiihigkeit bei Paralytikern besonders auff~llig.

Ein Vorzug dieser Methode besteht schhefllieh noch darin, dab wir tiber die wesentlichsten Vorgange bei der LSsung solchGr Aufgaben durch die Untersuchungen Biihlers 1) orientiert sind, der seinen Vpn. auch Fragen, die mit: Ist es richtig? eingeleitet wurden, vorlegte. Unanschauliche Erlebnisse, die Bi~hler Gedanken nennt, das HGrstellen von Beziehungen oder die Relationserfassung sind bei so]chen Aufgaben die Prozesse, die zur L6sung ftihren.

Jede einzelne Frage wurde ohne irgendwelehe besondere Betonung an die Vp. gerichtet, so etwa, wie man gemeinhin eine Frage zu stellen pflegt und darauf die Antwort abgewartet. Eine Reaktionszeit von mehr als einer Minute wurde nicht gew~hrt. Gab die Vpn. eine richtige Antwort, entweder ja oder nein, je naeh dcr Frage, so wurde sie welter gefragt: Warum? Gab sie eine falsche Antwort, so wurde noch einige Sekunden bis zur n~ehsten Frage gewartet, um der Vpn. die M6glichkeit einer nachtr~gliehen Korrektur zu geben.

4. Auswertung und Ergebnisse.

Fi i r die meis ten bis j e tz t vor l iegenden In te l l igenzprf i fungen wurde das In te l l igenza l t e r als Mal~ ffir die E in te i lung des In te l l igenzgrades zugrunde gelegt. Solange es sieh um die Prf i fung von Jugend l i ehen hande l t , i s t das In te l l igenza l t e r auch ffaglos das jenige Mal~, das sieh am bes ten bew~hrt . Viel schwieriger l iegen die Verhi~ltnisse jedoch be im Erwachsenen . Hie r spiel t das Al te r fi ir die In te l l igenz ke ine Rolle mehr . Selbs t bei solchen Ind iv iduen , die infolge einer Demenz beztiglich ihrer in te l lek tue l len Fi~higkeiten e inem K i n d e gle iehzuste l len sind, wird m a n bei Pr i i fung e twa mi t der Methode von Binet-Simon noeh n ich t b e h a u p t e n diirfen, der K r a n k e s tehe auf dem Inte l l igenz- n iveau einer b e s t i m m t e n Al terss tufe , wenn er die fiir dieses A l t e r an- gegebenen Tests 16st, da be im Erwachsenen noch vielerlei F a k t o r e n , vor a l lem die Kenn tn i s s e und der Bi ldungsgang von Einf lu~ auf die Le is tung sind, die bei dieser Methode zuweilen ein In te l l igenza l t e r vor t~uschen, das in vielen F~l len n ich t vo rhanden ist.

1) Arch. f. d. ges. Psyehol. 9.

6*

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84 S. Fischer :

F i i r die Beur te i lung der Inte l l igenzle is tungen unserer erwachsenen

Vpn. wurde deshalb ein Punktsystem zugrunde gelegt. Mit einer solchen Methode arbei te te bereits Yerkesl). Dieser Autor wandte

die P u n k t m e t h o d e allerdings nu r fiir die Skala yon Binet-Simon an. Unsere E in te i lung geht prinzipiell dahin, dab wir die beste

L6sung jeder einzelnen Testserie mi t 10 P u n k t e n bewerten, so dab

also die P u n k t z a h l fiir eine einwandfreie LOsung der fiinf Testserien

zusammen 50 be t r ig t .

Es sei hier noch einmal erwihnt, daft die Methode nicht zu einer Auslese der Begabten dienen soll, sondern die Methode hat ihren Zweck dann erreicht, wenn es gelingt, mit ihrer Hilfe innerhalb einer kurzen Frist intellektuell minderwertige Individuen herauszufinden, die die Tests yon Binet-Simon 15sen, klinisch aber sieher als debil oder leicht dement angesehen werden, oder in dieser l~ichtung verdachtig erscheinen; und wenn es zweitens m6glich ist, den Grad des InteUigenzmangels quantitativ festzulegen Dazu ist es nicht unbedingt erforderlich, dab das Intelligenzniveau fiir den normalen Erwachsenen festgelegt wird. Denn dies ist bei den auI]erordentliehen Differenzen bei Erwaehsenen nicht ohne weiteres m6glich. Es gentigt vielmehr, die untere Grenze festzulegen, die bei, im gew6hnlichen Sinne, normalen Individuen gefunden wird; der Schwer- punkt liegt also in der Abgrenzung der Durchschnittsintelligenz yon der unter dem Durchsehnitt liegenden. Da es innerhalb der normalen Erwachsenen bekannter- mal]en aueh dumme Individuen gibt, und wir haben solche aueh als Vpn. heran- gezogen, so muB, wenn diese Methode sich bew/ihrt, innerhalb der sog. Normalen sich auch schon ein Untersehied geltend machen, der festzustellen sein muB. Sollte es sich herausstellen, dal] aueh die Besserbef~higten yon den Durchschnitts- bef/~higten mit Hilfe dieser Methode zu unterscheiden sind, so w/ire das ein wert- volles Nebenergebnis, das abet nieht das eigentliche Ziel der Untersuchung darsteUt.

Ergebnisse des 1. Versuches.

Fi i r die Auswer tung der Abstrakt ionsversuche wurde die voU. st~indige Hauptleistung zugrunde gelegt.

Nach den Untersuchungen yon Koch und Habrich zeigt diese Leistung yore 6. bis etwa 14. Lebensjahre einen Anstieg mit zunehmendem Alter, und zwar fallen die beiden Kurven, die die Entwicklung der Abstraktionsf&higkeit dar- stellen, fiir die Knaben und fiir die Midchen beinahe zusammen. Die geringen Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern spielen keine wesentliche Rolle. Und selbst wenn dies der Fall ware, wfirde die Zugrundelegung der Entwicklungs- kurve der Knaben aueh fiir die Auswertung der Leistungen yon weiblichen Er- waehsenen geniigen, da ja hier nieht das Intelligenzalter der Vpn. bestimmt werden soll. Es kommt vielmehr darauf an, Durchschnittswerte der Leistung bei minn- lichen und weibliehen Erwachsenen festzustellen und davon die Leistungen Kranker zu unterscheiden. Wenn also weibliche Vpn. im Durchschnitt z.B. geringere Leistungen aufweisen sollten, so wiirde die untere Grenze eben beim weibliehen Geschleeht tiefer liegen. - - Nach Koch erweist sieh die richtige Lokalisation der gleichen Figuren als eine besonders charakteristische Leistung fiir den geistigen Fortschritt der Knaben, wihrend nach Habrlch fiir die Midchen das Wiedererken- nen der gleichen Figuren sich als Charakteristikum des geistigen Wachstum zeigt.

x) A Point Skala for Meacuring Mental Ability. Baltimore 1915.

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Die Intelligenz und ihre Priifung bei leiehten Schwachsinnsformen. 85

Diese Verschiedenheit erlaubt es nicht, eine dieser beiden Leistungen als M~Bstab zugrunde zu legen.

Um ein System yon 10 Punkten auf Grund der Tabelle yon Koch (s. S. 76) zu erhalten, wurde nach den in dieser Tabelle angegebenen Prozentzahlen die Anzahl der Treffer ausgerechnet, die unter Zugrundelegung der Zahl unserer Expositionen sich flit jedes Lebensalter yon 7--14 Jahren ergeben. Auf diese Weise ergaben sich 8 Stufen oder Punkte. Es mul3te jedoch damit gerechnet werden, da$ Erwaehsene unter Umsti~nden noeh mehr leisten als die yon Koch geprtiften Jugendliehen; deshalb wurde die Reihe bis zur 10. Stufe ergi~nzt. Da es nicht auf eine Auslese der Begabten, sondern nur auf eine quantitative Bewertung Minderbefi~higter an- kommt, diirfte diese Ergi~nzung gentigen. Nach diesen Gesichtspunkten ergibt sieh folgende Tabelle:

% der mSglichen Anzahl der gelfsten voll- Punkte F~lle nach l~oeh stgndigen Hauptaufgabeu

22 J

33 {

41 { 50

i 53 ~ 59 62 64

7 8--9

10 11 12 13--14 15 16 17 18 19 20 21 22

1 11]2 2 21/2 3 31/2 4 5 51/2 6 7 8 9

10

F i i r d ie Auswer tung der Le i s tung der e inzelnen Vpn. wurden die FMle zusammengezi~hlt , in denen die H a u p t l e i s t u n g vollsti~ndig ge- lungen war, wo also die F i g u r r ich t ig w iede re rkann t und auf be iden Sei ten r icht ig lokal is ier t wurde ; da r au f wurde in der Tabel le gesucht , welche P u n k t z a h l der gefundenen Anzah l der Treffer en tsprach . Auf diese Weise erhie l ten wi t folgendes Ergebn i s :

m~tnnliche Vpn. weibliehe Vpn. Punktzahl Anzahl der Vpn. Punktzahl Anzahl der Vpn.

10 8 10 2 9 2 9 0 8 1 8 1 7 0 7 4 6 2 6 4 51/2 2 51/2 3 5 2 5 3 4 2 4 0 3 0 31/2 3 2 0 3 0 11/2 1 2 0

1 0

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86 S. Fischer:

Dem stehen die Ergebnisse bei den Kranken gegeniiber: m~innliche Vpn. weibliche Vpn.

Punktzahl Anzahl der Vpn. Punktzahl Anzahl der Vpn.

51/2 1 31/2 1 31/2 1 11/2 1 3 1 1 1 0 4 0 3

Bei Gegeniiberstellung der Ergebnisse von Normalen und Kranken zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied, der jedoch wie bei allen Einzeltests niemals eine seharfe Grenze zwischen gesund und krank ziehen lgl~t. Wir linden einzelne Werte bei gesunden und Erwachsenen, die sich auch bei Kranken zeigen. Innerhalb der normalen Vpn. zeigt sich in vielen F~llen eine Korrelation zu der IntelligenzschAtzung, in einzelnen Fallen jedoch gibt der Ausfall dieser Leistung allein kein Bild von dem Intelligenzniveau der Vpn., und es w~re deshalb ver- fehlt, auf Grund dieses einen Tests eine Rangordnung aufstellen zu wollen.

Erwghnenswert ist, da~ die mannlichen Individuen und zwar sowohl Gesunde wie Kranke im Durchschnitt h6here Leistungen auf- weisen als die weiblichen.

Ergebnis von Versuch 1I.

Bei der Auswertung der Definitionsmethode hielten wir uns streng an die von Gregor gegebene Tabelle. Bei einigen LSsungen war die Einreihung und Beurteilung auf Grund der Gregorschen Angaben nicht mSglich. Obwohl dieser Autor eine wesentlich gr6Bere Anzahl yon Vpn. hatte als wir, waren manchmal unsere L6sungen in seiner Tabelle nicht enthalten; es erklart sich dies wohl daraus, dal~ Gregor hauptsachlich Jugendliche untersucht hat. Da, wo die Gregorsche Tabelle fiir andere LSsungen nicht ausreichte, haben wir sie entsprechend den von Gregor angegebenen Gesichtspunkten erg~nzt. (Die Tabelle befindet sich am Ende der Arbeit.)

Gregor hatte die L6sungen in 4 Kategorien eingeteilt, namlich korrekte, richtige, primitive und falsche. Fiir die Bewertung innerhalb unserer Methode ware die Beibehaltung dieser Kategorien sehr umst~tndlich. Dazu kommt, dab die Unter- scheidung einer korrekten L6sung von eincr richtigen in den meisten Fallen mehr von sprachlichen Momenten als von den eigentlichen Denkfunktionen abhangig ist. Wenn eine korrekte L6sung in m~nehen Fallen trotzdem eine h6here Intelligenz- leistung darstellt als eine richtige, so darf dieser Unterschied unberiicksichtigt bleiben, da es hier ja darauf ankara, die intellektuell Minderwertigen herauszufinden und nicht darauf, die Begabten auszulesen, t)brigens hat auch W. Stern bei der Eichung dieser Tests ftir die einzelnen Altersstufen die 1. und 2. Kategorie einer- seits, die 3. und 4. andererseits zusammengenommen und auf diese Weise nur riehtige und falsche L6sungen voneinander unterschieden.

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Die Intelligenz und ihre Prtifung bei leichten Schwachsinnsformen. 87

Nach der Eichung von Stern kann die Aufgabe: Definition der Worte Laube, Zelt, Arbeit yon 10j~hrigen Knaben, der Worte Gesetz, Btindnis, Auge, Mund yon 13j~hrigen, und der Worte Mut und Mitleid von 14jahrigen Knaben verlangt werden. Diese verschiedene Schwierigkeit der Aufgaben muBte bez der Bewertung der L6sungen in Betracht gezogen werden. Wie bei den Abstraktionsversuchen entspricht aber die Alterseichung der M/idchen nicht genau derjenigen der Knaben. Die Unterschiede sind jedoch nicht sehr groI3. Eine Beriicksichtigung der Ab- weichungen ftir die Auswertung unserer Versuche ist aus den bereits in der 1. Ver- suchsanordnung angegebenen Grtinden nicht erforderlich.

Die richtigen L6sungen der ersten 3 Aufgaben wurden entsprechend der Alterseichung mit je 10 bewertet, diejenigen der Aufgaben 4--7 mit je 13 und diejenigen der letzten beiden mit je 14. Bei LOsung aller Aufgaben konnte dem- nach im besten Falle die Zahl 110 erreicht werden. Ffir die Bewertung der einzelnen Aufgaben entsprechend der Alterseichung war der Umstand mal3gebend, da{3 auch in dem 1. Versuch das Alter ftir die Berechnung zugrunde gelegt wurde; das grol3e Material des Voruntersuchers bot auch yon vornherein eine grSBere Gew/~hr fiir die richtige Bewertung als die Zugrundelegung unserer eigenen Er- gebnisse.

Es kam nun darauf an, die erhaltenen Werte wiederum in ein Punktsystem yon 10 Punkten einzuordnen; danach mul3ten je 11 Einheiten einem Punkt ent- sprechen. Andererseits muSten abet die Zahlenwerte, die demjenigen Wert am n/ichsten lagen, dem eine bestimmte Punktzahl entsprach, auch noch zu diesem Wert hinzugerechnet werden. Wenn also die Zah133 3 Punkten entspricht, so werden alle Werte yon 28--38 noch in diese Kategorie gez~hlt usw. Zur Erleich- terung des Auffindens dieser Werte ist eine Tabelle beigefiigt. Es bedarf also zur Auswertung dieser Tests nur des Vergleiches mit der yon uns erg/~nzten Gregorschen Tabelle, ob die LSsung als ~- oder - - zu bewerten ist. Die Zahlen, die zu den einzelnen gelSsten Anfgaben gehSren (also die Zahlen der AlCerseichung) werden addiert und in der Tabelle die der Ziffer entsprechende Punktzahl nachgesehen.

Anzahl d. Punkt- i Anzahl d, Punkt- Einhei ten zahl I Einhei ten zahl

L 1 0 - - 1 6 = 1 i 61-- 7 1 = 6 17--27 = 2 I 72-- 8 2 = 7 2 8 - - 3 8 = 3 I 83-- 8 4 = 8 I

3 9 - - 4 9 = 4 ! 9 5 - - 1 0 5 = 9 5 0 - - 6 0 = 5 i 1 0 6 - - 1 1 0 = 1 0

Auf diese Weise ergab sich bei den normalen Vpn. folgendes Resultat: Anzahl der Vpn.

Punk tzah l m~innlich weiblich

10 8 2 9 3 5 8 6 2 7 0 3 6 3 3 5 0 2 4 0 1 3 0 1 2 0 0 1 0 1

Diesem Resultat seien die Ergebnisse an pathologisehen FMlen gegeniiber- gestellt:

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8 8 S. Fischer :

Anzahl der Vpn. Punktzahl mannlich weiblich

8 1 0 7 - - 1 5 1 2 4 1 1 3 1 0 2 2 2 1 1 0

M a n s i e h t a u c h h i e r w i ede r , d a $ w o h l e in U n t e r s c h i e d z w i s c h e n

K r a n k e n u n d G e s u n d e n i n m a n c h e n F M l e n b e s t e h t , dal~ a b e r a u f G r u n d

e ines e i n z e l n e n T e s t s f ibe r d ie L e i s t u n g des I n d i v i d u u m s n i c h t g e u r t e i l t

w e r d e n k a n n . E b e n s o wie d ies a u s d e m V e r g l e i c h d e r L e i s t u n g y o n

G e s u n d e n u n d K r a n k e n h e r v o r g e h t , h a t d i e se r S a t z a u c h G i i l t i g k e i t

i n n e r h a l b d e r N o r m a l e n . I n m a n c h e n F a l l e n e n t s p r i c h t d ie L e i s t u n g

be i d i e s e n A u f g a b e n d e m a l l g e m e i n e n U r t e i l f iber d ie I n t e l l i g e n z

t ier V p n . , i n m a n c h e n F M l e n j e d o c h g i b t sie e i n s i c h e r l i c h f a l s c h e s

B f l d y o n d e m I n t e l l i g e n z n i v e a u , wie s ich a u c h s p ~ t e r be i d e r G e s a m t -

b e w e r t u n g a l le r 5 T e s t s h e r a u s s t e l l e n wi rd . D e s h a l b w i r d a u c h

f i be r d e n I n t e l l i g e n z u n t e r s c h i e d bez i ig l i ch d e r b e i d e n G e s e h l e c h t e r

a u s d i e s e m R e s u l t a t k e i n Schlul~ g e z o g e n w e r d e n d i i r f e n .

Die dnzelnen Aufgaben bei dieser Versuchsanordnung wurden yon den Nor- malen in folgender Weise ver/ehlt:

Prozent der mSglichen Falle Aufgabe Manner Frauen Summe

I I I

I I I IV

V VI

VI I V I I I

I X

(Luube) . . . . . . . - - 20 (Bert) . . . . . . . . . 10 (Arbeit) . . . . . . . 15 25 (Gesetz) . . . . . . . 10 45 (Btindnis) . . . . . . . 25 35 (Auge) . . . . . . . . 5 20 ( ~ u n d ) . . . . . . . . - - 15 (Mut) . . . . . . . . 40 65 (iV[itleid) . . . . . . . 25 35

Eine i)bersicht, wie oft die einzelnen A u f g a b e n yon wurden (in Prozenten), gibt nachstehende Tabell e:

Aufgabe Manner Frauen I . . . . . . . . . . . 43 50

I I . . . . . . . . . . 28 50 I I I . . . . . . . . . . . 100 100 IV . . . . . . . . . . . 56 83 V . . . . . . . . . . . 71 83

VI . . . . . . . . . . . 56 16 VI I . . . . . . . . . . . 28 16

V I I I . . . . . . . . . . . 71 83 I X . . . . . . . . . . . 56 33

10 5

20 27 30 12

7 52 30

den Kranken ver feh l t

Summa 46 38

100 69 77 38 23 77 46

Gtregor hat bei seinen Versuchen an normMen Erwachsenen folgendes R~sul ta t erz ielt:

Page 37: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Die Intelligenz und ihre Prtifung bei leichten Schwaehsinnsformen.

Aufgabe Pfleger %

I . . . . . . . . . . . 5 I I . . . . . . . . . . 5

I I I ' 5

IV . . . . . . . . . . . 13 V . . . . . . . . . . . 22

VI . . . . . . . . . . . 5 VI I . . . . . . . . . . . 100

V I I I . . . . . . . . . . . . 0 IX . . . . . . . . . . . 10

89

Pflegerinnen % 30 35 25 55 45 40 25 55 3O

Bis aof Beispiel VII und VI I I gehen unsere Resultate mit den Gregorschen Versuchen im wesentliehen parallel.

Die Ergebnisse der Gregorschen und unserer Untersuchungen an Erwachsenen zeigen danach keine vollkommenen Parallelen zu der Bewertung nach den Alters- stufen. Aus diesem Grunde empfahl es sich, allein auf Grund unserer Ergebnisse an Gesunden festzustellen, wie hoch die einzelne L6sung zu bewerten ist. Dazu benutzten wir naeh dem Vorgange yon Blumen/eld 1) den Lgsungskoe/[izienten oder die L6sungsziffer L. Diese wird aus der Zahl der yon allen Vpn. gefundenen richtigen L6sungen, der Treffer T, und der Zahl der maximal mSgliehen richtigen LSsungen M nach der Formel bereehnet:

Z(T) L ~ = Z ~ ( ~ " 100

Je leiehter die Aufgabe fiir die Vpn. ist, um so gr6Ber wird L sein. ,,Will man also Aufgaben verschiedener Art miteinander vergleichen, so mfissen die schwie- rigeren mit einem Gewieht versehen werden, das in erster Ann~herung L um- gekehrt proportional ist. Ist beispielsweise bei 2 Aufgaben L 1 = 50%, L~ = 10~o, so sind die Punktzahlen, die bei der 2. Aufgabe yon jeder Vpn. erhalten werden, gegeniiber denen der 1. Aufgabe mit 5 als Gewichtsfaktor zu multiplizieren." Nach Blumen/eld geben die LSsungsziffern schon bei 30 Vpn. einen einigermaBen brauchbaren Anhalt ffir die riehtige Bewertung yon Leistungen und Tests. AuI diese Weise erhielten wir ffir die 9 Aufgaben folgende Gewichtsfaktoren:

Aufgabe Gewichtsfaktor I 1

I I 1 I I I 1,5 IV 1,5 V 1,5

VI l VII l

Vlll 2 IX 1,5

Sa.: 12

�9 Nach denselben Gesichtspunkten wie bei der ersten Berechnung wurde hier wieder ein Zehnpunk~system zugrunde gelegt. Der Einfaehheit halber wurden die oben erw/~hnten Zahlen mit 10 multipliziert, so da$ also die beste Leistung mit 120 Ein- heiten 10 Punkten entsprach. Die Ergebnisse der 40 gesunden Vpn. stellen sich dann wie folgt dar:

I) W. Blumen[eld, Untersuehungen fiber die Formvisualit/~t. Zeitsehr. f. Psychol. 91. 1922.

Page 38: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

90 S. Fischer:

Punktzahl nach M~nnliche Punktzahl nach LSsungsziffern

Vpn. der 1. Berechnung berechnet

1 8 7 2 8 7 3 6 6 4 9 9 5 9 8 6 8 7 7 8 7 S 9 9 9 10 l0

10 10 10 11 8 8 12 10 10 13 6 6 14 l0 10 15 l0 ]0 16 8 7 17 10 10 18 10 10 19 l0 l0 20 6 6

Punktzahl nach Weibliche Punktzahl nach LSsungsziffern

Vpn. der 1. Berechnung berechnet

1 9 9 2 10 10 3 7 6 4 8 7 5 9 8 6 9 9 7 4 4 8 6 6 9 3 3

l0 7 6 11 9 9 12 10 10 13 7 7 14 6 5 15 9 9 16 8 8 17 1 1 18 5 5 19 5 4 20 6 6

Die sich ergebenden Abweichungen betragen im h6chsten Falle 1 Punkt, und zwar zeigt die Berechnung mit L6sungsziffern immer einen niedrigeren Wert als die Berechnung nach der Alterseichung. Die Abweichung finder sich in 13 F/~llen, d. h. bei etwa 33 ~ der Vpn. Bei der Auswertung s/~mtlicher Ergebnisse wird sich noch zeigen, dab die Methode nicht so fein ist, dab ein Plus oder Minus yon 3 oder 4 Punkten beim Gesamtergebnis sehr hoch zu be- werten ist.. Aus diesem Grunde wird man bei den LOsungen der Aufgaben eines einzelnen Tests einen Punkt aueh nicht zu stark bewerten diirfen. Nach diesem Ergebnis wird man daher bei der zuerst vorgesehlagenen Berechnung bleiber~ und die Alterseichung als Grundlage dafiir verwerten diirfen.

Ergebnis des I I I . Versuches.

I n der B e w e r t u n g der L 6 s u n g e n dieser A u f g a b e n r e i h e l e h n t e n wi r

Uns eng an die M e t h o d i k an, die Piorkowski se iner A r b e i t z u g r u n d e

ge leg t ha t . A b e r a u c h h ie r w u r d e n i c h t e ine solche fe ine A b s t u f u n g

de r L e i s t u n g e n du rchge f i i h r t , wie sic Piorkowski a n g e w a n d t ha t .

Dieser Autor unterschied erstens Falle, die gar nicht oder falsch und sinnlos gel6st wurden (0 Punkte), zweitens solche, die teilweise bzw. fast richtig gel6st wurden (1/2 Punkt) und schlieBlich solche, die ganz richtig gel6st, d. h. bei denen der oder ein Zusammenhang gefunden wurde (1 Punkt). Um besonders gute oder originelle L6sungen beriicksichtigen zu k6nnen, fiihrte Piorkowski noch 1/2 und bei besonders vorzfiglichen Leistungen 2/2 Zusatzpunkte ein. Von den Zusatz- punkten wurde bei unseren Versuehen abgesehen, da es ja nicht auf die Auslese Befahigter ankam und weil die Einfachheit der Auswertung dadureh gelitten h/~tte. Aueh im Hamburger psychologischen Laboratorium wurden die L6sungen nur als Versager, halbriehtige und ganzrichtige gewertet.

Page 39: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Die Intelligenz und ihre Prtifung bei leichten Schwachsinnsformen. 91

W i r u n t e r s c h e i d e n also

1. 0 F~l le ode r fa lsche ---- 0 P u n k t e ,

2. t e i lwe i se ge l6s te F~l le = 1/2 P u n k t ,

3. r i ch t i g ge l6s te F~l le ---- 1 P u n k t .

Es mul~te bei der Bewertung noch in Betracht gezogen werden, dal~ die ein- zelnen Aufgaben yon verschiedener Schwierigkeit waren. Stern hat zusammen mit Angelstein die Aufgaben ffir die Altersstufen geeicht. Ffir die Bewertung der LSsung der einzelnen Aufgaben wurde wiederum das Intelligenzalter zugrunde gelegt. Richtige L6sungen bei Aufgabe I - - I V wurden danach mit je 12, halb- riehtige mit je 6 bewertet. Wie S. 80 angeftihrt wurde, ist Aufgabe V ffir 12j~hrige zu schwer, da die flit die Eichung geforderten 75% yon den 12j~hrigen nicht erreicht sind. Deshalb wurde eine richtige LSsung mit 13, eine halbrichtige mit 61/2 be- wertet.

Da die VI. Aufgabe nach den Stern schen Berechnungen noch schwieriger als Aufgabe V ist, wurde die richtige LSsung mit 14, die halbrichtige mit 7 bewertet.

Im besten Falle konnte bei LSsung aller Aufgaben demnach die Zahl 75 er- reicht werden. Um das Ergebnis in einem Zehnpunktsystem auszudrticken, wurde wie bei dem vorigen Versuch eine Tabelle aufgestellt, deren niederster Wert 1 Punkt gleich einer teilweise gelSsten der fiir das 12. Lebensjahr geeichten Auf- gaben und deren hSchster Wert 10 Punkte gleich der richtigen LSsung aller Auf- gaben ist:

Anzahl der Einheitcn 6--11,5 . . . . . . . . 1 Punkt

12--18,5 . . . . . . . . 2 Punkte 19--26,5 . . . . . . . . 3 ,, 27--33,5 . . . . . . . . 4 ,, 34--41,5 . . . . . . . . 5 ,, 42--48,5 . . . . . . . . 6 ,, 49--56,5 . . . . . . . . 7 ,, 57--63,5 . . . . . . . . 8 ,, 64--71,5 . . . . . . . . 9 ,, 72--75 . . . . . . . . l0 ,,

Mit 0 wurden auch solche F/~lle bewertet, deren L5sung 1/inger als 3 Minuten auf sich warren liel~. Im fibrigen war ffir die Bewertung die yon Piorkowski auf- gestel]te Tabelle mal~gebend. Auch hier fanden sich, wie bei dem vorigen Versuch, zahlreiche Fi~lle, ffir die die Piorkowskische Tabelle nicht ausreichte. Nach den Prinzipien, die ffir diese Antworten bei der Aufstellung seiner Tabelle ma$gebend waren, wurde von uns die Tabelle erg/~nzt (siehe am Ende). - - Da das yon uns gew~hlte Beispiel 4 in den Aufgaben Piorkowskis nich~ enthalten ist, war es er- forderlich, die Tabelle auch in dieser Hinsicht zu ergimzen.

Die nachstehende Tabelle gibt einen t~berblick fiber die Zahl der verfehlten bzw. halbriehtigen LSsungen bei den verschiedenen Vpn. in Prozenten (in Klam- mern die halbrichtigen L5sungen):

Normale Aufgabe M~nner Frauen Summa

I 15 35 25 I I 30 (50) 55 (25) 42 (37)

I I I 20 (30) 45 (10) 32 (20) IV 20 (35) 25 (5) 22 (20) V 10 (10) 35 22 (5)

VI 25 (15) 25 (15) 25 (15)

Page 40: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

92 S. Fischer:

Kranke

Aufgabe l ~ n n e r ~ ' - - Frauer~ Summa

I 71 (14) 83 77 II 84 100 92

I I I 42 (28) 83 61 IV 42 (28) 100 (16) 69 (23) V 84 (14) 100 92

VI 84 100 92

Nach dieser Aufstellung ist den erwachsenen Normalen Aufgabe ][I wesentlich schwerer gefallen als alle iibrigen; danach kommt Aufgabe III, die allerdings be- sonders yon Frauen schlech~ gelOst wurde, dann folgen Aufgabe I und VI, w~hrend :Nr. IV und V am hi~ufigsten eine einwandffeie LSsung fanden. Besonders be- merkenswert ist bei diesem Versuche der Unterschied zwisehen kranken und normalen Vpn. Am st~rksten tritt dieser bei den Frauen in Erscheinung.

Auch hier wurden die Ergebnisse unter Zugrundelegung der LSsungszi//ern bereehnet. Ebenso wie bei dem vorigen Versuch ergaben sich aber aueh hier keine st~rkeren Abweichungen, die eine Revision der Ergebnisse efforderten.

Die folgende Tabelle zeigt die H~ufigkeit der versehiedenen Punktzahlen bei Gesunden und Kranken:

Normale Vpn. Punktzahl Anzahl der Vpn.

m[innlich weiblich

10 1 4 9 4 1 8 3 1 7 6 4 6 2 1 5 0 1 4 2 2 3 3 3 2 0 2 1 0 0 0 1

Kranke Vpn, Punktzahl Anzahl der Vpn.

m[tnnlich weiblich

10 0 - - 9 0 - - 8 0 - - 7 0 - - 6 1 - - 5 0 - - 4 0 - - 3 2 1 2 1 - - 1 2 - - 0 ] 5

Auswertung der Ergebnisse des IV. Versuches.

Die Auswer tung der Ergebnisse bei diesem Versuch stSBt insofern auf gr613ere Schwierigkeiten, als Versuche mi t dieser Methode an Jugend- l ichen n icht vorliegen. So wiinschenswert eine U n t e r s u c h u n g an Jugend-

l ichen auch ist, so konn te diese aus ~ul~eren Gri inden n icht ausgefi ihrt werden. Dem Ergebnis u n d der Verwertung dieser Methode fiir unsere

Zweeke dfirfte dies aber kein prinzipielles EIindernis sein, da die Ergebnisse

der normalen Vpn. dari iber aufkl~ren, was yore no rma len Erwachsenen

zu e rwar ten ist.

Jede einzelne Aufgabe bestand aus 6 Wortpaaren. Bei dem 1. Wortpaar konnte naturgem/~13 das richtige Wort nur geraten werden; im besten Falle konnte bei Darbietung des 2. Wortpaares das richtige Wort und das Einteilungsprinzip herausgefunden werden. Vollkommene Sicherheit fiir die Richtigkei~ der L6sung konnte jedoch erst das 3. Wortpaar bringen, da jetzt die Kritik einsetzen konnte, ob das gefundene Einteilungsprinzip auch tats~chlich richtig war.

Page 41: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Die Intelligenz und ihre Pr~ung bei leiehten Schwachsinnsformen. 93

Wurde bei einem Wortpaar an irgendeiner Stelle das falsche Wort gew~hlt und naeh der Antwort des Vls. ,,falseh" das Einteilungsprinzip gefunden, so war diese Lfsung zwar nicht so hoeh zu bewerten, wie wenn gleich das richtige Wor~ gew/~hlt wurde; eine Unterseheidung dieser L6sungsarten bei der Bewertung wurde jedoch nieht gemaeht, da der Unterschied in der Leistung nieht sehr be- deutend ist und die Auswertung dadureh nur kompliziert worden w/~re. Um die einzelnen Aufgaben zu bewerten, wurden far die beste LSsung jeder Aufgabe 5 Einheiten angenommen; diese ergeben sieh aus der Summe der noeh nieht dar- gebotenen Wortpaare plus dem Wortpaar, bei dem die LSsung erfolgt. Wird also eine Aufgabe bei Exposition des 2. Wortpaares gelSst, so ergibt dies 4 § 1 = 5 Ein- heiten; effolgt die LSsung beim 4. Wortpaare, so ergibt dies 2 -4- 1 = 3 Einheiten. Diese Berechnung hat jedoch nur bei denjenigen Aufgaben Gtiltigkeit, bei denen far die richtigen Worte der ersten beiden Wortpaare nur ein Zusammenhang herzustellen ist bzw. far die es nur einen Oberbegriff gibt (der Begriff Gegenstand oder /~hnliehe ganz weite Begriffe werden dabei nicht beriieksichtigt).

In unserem I. Beispiel: Tiseh - - Wasser StraBe - - Sehrauk Lampe - - Kiste

ist dies z. B. nieht der Fall. Wird hier beim 2. Wortpaare die LSsung: MSbel gegeben, so ist dies fraglos richtig. Erst beim 3. Wortpaar braueht hier die Auf- gabe gelSst zu werden. Es ist deshalb die richtige LSsung beim 3. Wortpaare bier ebenso hoch zu bewerten, wie diejenige beim 2. Dagegen gilt die LSsung beim 4. Wortpaare 3, beim 5. 2 usw.

Dasselbe gilt fiir Beispiel II, wenn beim 2. Wortpaar: Trinkgef~Be angegeben wird.

Die beste LSsung aller 5 Aufgaben ergibt demnach 25 Einheiten. Far die Bewertung der einzelnen Aufgaben legten wir zun~ehst die bereits oben erw~hnte Berechnung mit Hilfe der LSsungsziffer zugrunde.

Es hatte sieh ergeben, dab die 5 Aufgaben yon den normalen Vpn. in folgender Weise verfehlt wurden (in Prozenten):

Aufgabe M/inner Frauen Summe I 15 0 7,5

I I 45 25 35 I I I 10 20 15 IV 5 0 2,5 V 10 10 10

Danach ergaben sich als Gewichtsfaktoren far Aufgabe Gewichtsfaktor

I 1 II 3,5

I I I 1,5 IV 1,0 V 1

Summe: 8

Bei LSsung aller Aufgaben warden 5 real 8 ~ 40 Einheiten erreieht werden. Divi- diert man die erhaltene Zahl dutch 4, so sind die Werte auf ein 10-Punktsystem gebraeht. Die so erreehneten Ergebnisse geben jedoch kein richtiges Bild yon der Leistung. Vpn. 19 z. B. 15ste alle Aufgaben beim 2. Wortpaar, nur bei der 2. Auf- gabe blieb die L~sung aus. Obwohl sie also 4 von 5 Aufgaben gut 15ste, erreichte sie nut 5,5 Punkte, d.h. kaum mehr als die H~lfte. Die auBerordentlich hohe

Page 42: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

94 S. Fischer:

Gewichtsziffer ftir Versuch 2 hatte auch bei vielen anderen Vpn. dieselbe Folge fiir die Bewertung. Bei einer gr6Beren Anzahl von Tests mag eine gr6Bere Ge- wiehtsziffer yon weniger EinfluB sein. Bei einer Aufgabenserie von nur 5 Aufgaben, bei denen die L6sungsziffer eines Tests wesentheh yon den iibrigen abweicht, ist eine Reduzierung des Gewichtsfaktors erforderlieh. Aus diesem Grunde wurden die L6sungen von Aufgabe I I mit 2, die der iibrigen mit 1 gewertet. Wir glauben, den Verh/~ltnissen auf diese Weise am meisten gerecht zu werden.

Nach dieser Berechnung wtirde die beste Leistung, d. h. die L6sung aller Auf- gaben beim 2. Wortpaar, mit 30 Einheiten bewertet werden. Um diese auf ein Zehn- punktsystem zu bringen, braucht die gefundene Ziffer nur durch 3 dividiert zu werden. Ist die Zahl nicht durch 3 teilbar, so wird die Zahl nach unten abgerundet, wenn im Quotienten 1/a (0,03), naeh oben, wenn im Quotienten 2/3 (0,66) steht.

Zuweilen kam es vor, dab ein Oberbegriff genannt wurde, zu dem das eine oder andere als richtig bezeichnete Wort durchaus nicht hineingeh6rte, dab also eine jeglicher Umsicht und Logik widersprechende L6sung yon der Vpn. gegeben wurde. In solchem Falle wurden, gleichgiiltig, ob diese betreffende Aufgabe schlieBlieh gel6st oder nicht gel6st wurde, von der Gesamtsumme 3 Einheiten gleich 1 Punkt abgezogen.

Die obige Tabelle gab dartiber Auskunft, wie oft die einzelnen Aufgaben yon den gesunden Vpn. nicht gel6st wurden.

Von den Kranken verfehlten (in Prozenten): Au~abe M~nner Frauen Summe

I 29 66 46 I I 58 5O 54

I I I 86 83 85 IV 29 83 54

V 0 50 23 VI 58 66 61

~ber die tIaufigkeit des Vorkommens der verschiedenen Punktzahlen orientiert folgende Tabelle:

Normale Kranke Punktzahl M~inner Frauen M~nner Frauen

10 6 6 - - 0 9 0 4 - - 0 8 2 2 - - 0 7 4 4 - - 1 6 3 1 1 0 5 1 0 2 1 4 1 3 - - 0 3 1 0 0 1 2 1 0 1 0 1 0 0 2 0 0 1 0 1 3

Be i d e m Verg l e i ch de r L S s u n g e n y o n G e s u n d e n u n d K r a n k e n ze ig t

sich ein d e u t l i c h e r U n t e r s c h i e d , de r a l le rd ings ebenso wie be i a l l en

f r f ihe ren Tes t s n i c h t d u r c h g ~ n g i g ist .

E r g e b n i s s e des Ver suches V.

Die L 0 s u n g j e d e r e i n z e l n e n de r in d i e sem V e r s u c h ge s t e l l t en n e u n

A u f g a b e n w u r d e m i t J r oder - - b e w e r t e t . Als ge l6s t w u r d e e ine A u f -

Page 43: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Die Intelligenz und ihre Priifung bei leichten Schwachsinnsformen. 95

gabe d a n n angesehen, wenn die entsprechende Antwor t ja oder ne in erfolgte u n d entweder sponfari oder auf die Frage des Vls. : warum ? eine kurze Begr i indung der Antwor t erfolgte. Die Begr i indung brauch te

n icht alle in Bet racht kommenden Fak to ren zu beriicksichtigen, sondern

es gentigte die Berficksichtigung eines einzigen.

Da die Fragen nicht alle gleich schwer waren, mul3te die verschiedene Schwie- rigkeit der Aufgaben bei der Bewertung beriicksichtigt werden. Wie bei den vorigen Versuchen stehen Untersuchungen an Jugendlichen mit dieser Methode noch aus. Ma~gebend konnten deshalb nur die Ergebnisse sein, die bei unseren Vpn. gefunden wurden. Da in dieser Aufgabenreihe 9 Aufgaben gestellt wurden, crschien die Bewertung der L6sungen mit Hilfe der L6sungsziffer am geeignetsten. Die nachstehende Tabelle zeigt, wie h~ufig die einzelnen Aufgaben yon den Vpn. verfehlt wurden und die daraus errechneten Gewichtsfaktoren:

Anzahl der gesunden Vpn. (in Proz.)

Aufgabe Manner F r a u e n Summe Gewichtsfaktor I 0 0 0 1/3

I I 0 10 5 1/2 I I I 35 40 37 4 IV 25 15 20 2 V 15 5 10 1

VI 30 15 22 2 VII 50 55 52 5

VIII 30 45 37 4 IX 10 10 10 1

Summe: 20

Die richtige L6sung der 1. Aufgabe gilt demnach 11~, ebenso die der zweiten, die der dritten 4 usw. Die L6sung sgmtlicher Aufgaben ergibt danach 20. Die Berechnung auf ein Zehnpunktsystem erfolgt also einfach durch eine Division der Summe durch 2.

Danach ergibt sich die H~ufigkeit der erreichten Punktzahlen: Punktzahl Manne r Frauen

10 6 6 9 1 0 8 4 1 7 2 2 6 0 5 5 2 2 4 2 3 3 1 1 2 1 0 1 1 0

Dem seien die Ergebnisse an Kranken gegentibergestellt:

Anzahl der Vpn. (in Proz.) Aufgabe Manner Frauen Summe

I 14 16 15 I I 14 0 7,5

III 58 83 69 IV 28 83 53

Page 44: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

96 S. Fischer :

Aufgaben M~nner Frauen Summe

V 86 83 84 VI 86 100 93

VII 100 100 100 VIII 86 100 92

IX 43 83 61

An Punktzahlen erreichten die Kranken: Punktzahl M~nner Frauen

10 0 0 9 0 0 8 0 0 7 0 0 6 1 0 5 0 0 4 3 0 3 0 1 2 1 1 1 1 0

1/2 0 4 0 1 0

Wie bei den vorhergegangenen 4 Versuchen zeigen auch hier die Ergebnisse, daI~ die kranken Individuen im Durchschnitt eine geringere Punktzahl erreichen als die Gesunden, aber auch hier ist eine scharfe Grenze zwischen Gesunden und Kranken allein auf Grund dieses Tests nicht zu ziehen.

Ergebnisse der fi inf Teste z u s a m m e n .

Das Gesamtresultat der Leistung der einzelnen Ypn. ergibt sich, wenn die bei den einzelnen 5 Tests gefundenen Durchschnittszahlen addiert werden. In diesem Falle betr~gt die beste LSsung 50 Punkte. Gegen die Summierung der Punkte, die bei den verschiedenen Auf- gaben erreicht warden, k6nnten Bedenken erhoben werden. Es ist jedoch zu beriicksichtigen, dab mit den einzelnen Testmethoden ver- schiedene Seiten der Intelligenz geprfift wurden, und dab bei einer einzelnen Vp. infolgedessen gr6i~ere Unterschiede bei den LSsungen der einzelnen Tests vorkommen, ist daher nattirlich. Es war ja auch unser Bestreben, mSglichst die einzelnen Seiten der InteUigenz zu erfassen, und durch die Summierung der Punktzahl sollte sich ein Bild des all- gemeinen Intelligenzniveaus ergeben. Inwieweit eine Korrelation zwischen den einzelnen gepriiften Leistungen besteht, wird am Ende noch dargetan werden.

In den nachstehenden Tabellen findet sich eine Zusammenstellung der Leistungen der einzelnen Vpn. bei den fiinf Tests und deren Summe.

Mdnner. Vp. I. II. I II . IV. V. Summe

1 10 8 7 7 10 42 2 9 8 7 10 9 43 3 5 6 7 6 1 25

Page 45: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Z. f. d.

Die Intell igenz und ihre Prtifung bei leichten Schwachsinnsformen. 97

Vp. I. ]I. III. IV. V. Summe 4 6 9 9 10 10 44 5 10 9 8 8 8 43 6 6 8 9 10 7 40 7 51/~ 8 4 2 4 231/2 8 5 9 3 3 2 22 9 10 10 8 10 4 42

10 4 10 9 6 3 32 11 4 8 3 0 5 20 12 8 10 7 10 8 43 13 10 6 7 6 6 36 14 10 10 10 70 10 47 15 11/2 10 9 4 5 291/~ 16 10 8 4 7 10 39 17 51/2 10 6 5 10 361/~ 18 10 10 8 l0 8 46 19 10 10 7 7 l0 47 20 9 6 6 8 8 37

Kranke:

1 0 1 0 1 0 2 2 0 2 1 6 2 11 3 11/2 5 3 5 1 151/, 4 1 4 6 1 4 16 5 31/2 8 2 5 6 241/2 6 51/~ 3 3 2 4 171/~ 7 0 8 1 0 4 13

Frauen :

1 7 9 10 10 8 44 2 10 10 7 10 10 47 3 6 7 3 7 10 33 4 6 8 5 8 6 33 5 6 9 3 4 l0 32 6 51/~ 9 7 6 6 331/2 7 31/z 4 3 4 3 171/~ 8 31/~ 6 2 4 5 201/~ 9 10 3 4 7 4 28

10 7 7 4 9 6 35 I1 51/2 9 8 9 4 351/2 12 31/2 10 9 7 10 391/~ 13 7 7 6 10 6 36 14 51/~ 6 7 9 7 34t/2 15 5 9 2 8 10 34 16 8 8 10 7 7 40 17 5 1 0 10 10 26 18 6 5 10 10 5 36 19 7 5 7 10 6 35 20 5 6 10 9 4 34

Kranl~e :

1 0 5 0 3 1/~ 81/2 2 0 2 0 5 1/~ 71/2 3 0 5 0 0 1/2 51/2

g. Nettr. u. Psych. XCVII. 7

Page 46: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

98 S. Fischer:

Vp. I. H. III. IV. V. Summe 4 31/2 7 4 7 2 231/2 5 3 2 0 0 3 8 6 0 4 0 0 1/2 41/2

Die g e s u n d e n Vpn . g e o r d n e t n a c h de r a l l g e m e i n e n Schi~tzung u n d

die y o n i h n e n e r r e i c h t e n P u n k t z a h l e n :

MRnner Frauen

Gut bef~thigte Vpn. 1 2 4 9

12 14 18 19

mittelm$1~ig befiihigte Vpn.

Punktzahl 42 43 44 42 43 47 46 44

Gut bef~higteVpn. 1 2 5

16

5 6

10 13 15 16 17 20

weniger als mittelm~lBig bef~ihigte Vpn.

3 7 8

$chlecht bef~higte Vpn. 11

43 4O 32 36 291/2 39 361/2 37

25 23 i/z 22

2O

mittelm~i~ig bef~ihigte Vpn. 4 6

10 l l 12 13 14 15 18 19 20

weniger als mittelm$iBig bef~higte Vpn.

3 9

Schlecht bef~higte Vpn. 7 8

17

Punktzahl 44 47 32 4O

33 33'/2 33 351/~ 391/z 36 341/z 34 36 35 34

33 28

171/2 201/z 26

Die k r a n k e n Vpn . g e o r d n e t n a c h d e m E r g e b n i s d e r B i n e t - S i m o n -

P r t i f u n g u n d d ie y o n i h n e n e r r e i c h t e n P u n k t z a h l e n :

MSnner Frauen

Vpkn. Altersstufe nach B.-S. Punktzahl Vpkn. Altersstufe nach B.-S. Punktzah l

fiber 12 ,, 12

12 12 11 11 10

151/2 241/2 13 16 11 171/2 2

1 4 3 5 2 6

12 12 11 10 9 8

8a/z 231/z

51/z 8 71/~

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Die Intelligenz und ihre Prtifung bei leichten Schwachsinnsformen. 99

Hier zeigt sich zun~ichst, dab von den m~nnlichen Individuen Vpn. 3, 7, 8 und 11 die niedrigste Punktzahl erreicht haben. Wir hatten frfiher bei der Charakterisierung der Vpn. nach dem allgemeinen Urteil Vp. 11 als debil, Vpn. 3, 7 und 8 als schwach bef~higt angesehen. In dieser Beziehung entspricht also das Ergebnis unserer Untersuchung dem allgemeinen Urtefl fiber die Intelligenz dieser 4 Vpn. Die h(ichste Punktzahl, d.h. fiber 40, erreichten bei den M~nnern Vpn. 1, 2, 4, 5, 9, 12, 14, 18 und 19. Von diesen Vpn. gelten s~mtliche als gut befi~higt bis auf Vp. 5, die als mittelstark bef/~higt gesch/~tzt wird.

Wenn hier die Vpn. fiber 40 als besser bef~higt bezeichnet werden, so soil damit nicht gesagt sein, dab die hShere Punktzahl inner- halb der 40er auch einen h6heren Intelligenzgrad gegenfiber einer geringeren Punktzahl innerhalb der 40er bezeichnet, dab also etwa die Intelligenz yon Vp. 14 gr5Ber ist als die yon Vp. 4. Die Methode ist nicht so rein, dab zwei, drei oder vier Punkte einen deutlichen Hin- weis auf ein hSheres Intelligenzniveau geben. Insbesondere scheint dies fiir die h6heren Intelligenzstufen zu gelten. Es ist ja auch nicht die Absicht, mit dieser Methode den gut Befahigten yon dem durch- schnittlich Befahigten, sondern diesen von dem unter dem Durch- schnitt Stehenden zu unterscheiden.

Eine Punktzahl zwischen 30 und 40 gilt nach dem Ergebnis bei den normalen m~nnlichen Erwachsenen als Leistung eines mittelm~Big bef~higten einfachen Mannes mit Volksschulbildung. Zu dieser Kategorie gehSren unsere Vpn. 6, 10, 13, 16, 17 und 20. Nach der allgemeinen Sch~tzung stehen diese Vpn. ungef~hr auf der gleichen Stufe. Hierher gehSren auch Vp. 5, yon der oben schon die Rede war, und Vp. 15, die nur 29~/~ Punkte erreichte. Alle Leistungen, die unter 30 liegen, diiffen als solche wenig bef~higter Individuen bewertet werden.

Bei den weiblichen Vpn. ergab sich ein ~hnliches, der allgemeinen Sch~tzung entsprechendes Resultat. Nur Vp. 5 wird meist als besser bef~higt angesehen. Wenn diese Vp. nur 32 Punkte erreicht, so dfirfte das auf die starke Nervositi~t derselben zurfickzuffihren sein, die es nicht gestattete, dab die Vp. sich mit voller Aufmerksamkei~ den Aufgaben widmen konnte. Vpn. 1, 2, 5 und 16 gelten allgemein als die Befi~higsten. Diese erreichten bis auf Vp. 5 auch die h6chsten Punkt- zahlen. Allgemein als dumm taxiert werden Vpn. 7, 8 und 17; diese Vpn. weisen auch die schlechtesten Ergebnisse auf. Vpn. 3 und 9 gelten als etwas besser, jedoch als unter dem Durchschnitt stehend. Trotzdem erreichte Vp. 3 doch noch 33 Punkte. Eine Unterscheidung der fibrigen Vpn. durch die allgemeine Sch~tzung war nicht m6glich.

Ein Vergleich zwischen den normalen m~nnlichen und weibliehen Vpn. ergibt auffallenderweise keine h6heren Wer~e bei den Mi~nnern als bei den Frauen; daraus daft jedoch nich~ geschlossen werden --

7*

Page 48: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

100 S. Fischer:

eine Frage, die hier vollkommen offen bleiben soll --, dal~ die Intelligenz der Mi~nner auf demselben Niveau steht wie die der weiblichen Vpn. Mit Hilfe unserer Methode ist es nicht mSglich, hShere Intelligenz- stufen herauszufinden. Allerdings ist zu beriicksiehtigen, dal~ yon den M~nnern 10mal die Punktzahl 40 fiberschritten wurde, w~hrend bei den Frauen dies nur 3 real der Fall war; dies kann aber selbstversti~nd- lich auch an der Zufi~lligkeit der Wahl der Vpn. liegen.

Beim Vergleich der Ergebnisse der kranken Individuen mit denen der Gesunden zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwisehen beiden. Vp. K. 5 zeigt einen Weft, der hier den der schleehtesten Normalen iibersteigt und sich auf der Linie der zweit- und drittsehlechtesten Vp. bewegt. Dieser Kranke zeigte, wie oben ausgefiihrt, ein vollkommen geordnetes und unauffi~lliges Verhalten, ein Intelligenzdefekt war bei einer kurzen Unterhaltung nieht zu beobachten; nach Binet-Simon ]Sste der Patient s~mtliche Tests. Vp. K. 1 weist bei unserer Unter- suchung 2 Punkte auf und damit das schlechteste Ergebnis. Nach Binet-Simon steht er auf Stufe 10. Klinisch ist er fraglos der intellektuell am meisten gesch~digte Kranke. Darauf folgt Vp. K. 2, der nach Binet- Simon auf Stufe 11 steht, mit 11 Punkten, dann Vp. K. 7 mit 13 Punkten (naeh Binet-Simon mindestens auf der Stufe 12) und dann ungef~hr mit gleieher Punktzahl Vpn. K. 3, 4 und 6. Von diesen stehen Vp. K. 3 und 4 nach Binet-Simon auf Stufe 12 bzw. dariiber, Vp. K. 6 auf Stufe 11. Im wesentlichen decken sieh also unsere Ergebnisse mit denen naeh der Priifung yon Binet-Simon, sower diese Methode reicht. Wenn eine vollkommene Ubereinstimmung nicht besteht, so mSehten wia" geneigt sein, dem Ergebnis mit der hier angewandten Methode den Vorzug zu geben, da bei der Binet-Simon-Methode nieht nur die reine Intelligenz, sondern auch andere F~higkeiten gepriift werden, die bei Jugendliehen wahrscheinlich in grS$erer Korrelation zu den inteUek- tuellen F~higkeiten stehen, die aber bei Erwaehsenen und insbesondere bei geisteskranken Erwaehsenen sicherlich nicht vorhanden sind.

Von den weiblichen Kranken erreiehte Vp. K. 1 81/2 Punkte und 15ste alle Tests nach Binet-Simon, Vp. K. 2 und 3 erreichten 71/2 und 51/2 Punkte. Sie standen nach Binet-Simon auf Stufe 9 und 11. Vp. K. 4 zeigte ein Ergebnis yon 231/2 Punkten und steht nach Binet-Simon auf der Stufe 11--12, w~hrend Vp. K. 5 und 6 nur 8 bzw. 41/2 Punkte hatten. Diese Vpn. stehen naeh Binet-Simon auf der Altersstufe 10 bzw. 8 Jahre. Der Unterschied gegeniiber den Normalen macht sich auch hier deutlich geltend.

Aus den Ergebnissen bei den Kranken ergibt sieh ferner, daf$ die Methode kaum bei solchen Schwaehsinnsformen anwendbar ist, die unter dem Intelligenzniveau eines etwa 9--10j~hrigen Kindes stehen. In manchen Fallen diirften sich aueh bei Individuen, die auf dem

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Die Intelligenz und ihre Prilfung bei leichten Schwachsinnsformen. 101

Intelligenzniveau 10-- 11 j~hriger Kinder stehen, schon Schwierigkeiten bei der Anwendung ergeben.

Nach dem Gesagten scheint die Methode geeignet zu sein, leiehtere Schwachsinnsformen und leiehtere Grade von Demenz aufzudecken und quant i ta t iv zu bestimmen. Au$erdem hat sich aus den Versuehen an Normalen ergeben, da$ mit Hilfe der Methode Schwachbef~higte yon durchschnittlieh Bef~higten und diese wiederum mSglicherweise von besser Bef~higten zu unterscheiden sind. - -

Um ein mSglichst zahlenm~$iges Urteil fiber die Brauchbarkei t der Methode zu gewinnen, wurden die Rangkorrelationen der Gesamt- ergebnisse wie derjenigen der einzelnen Tests zu den Sch~tzungs- ergebnissen bei den normalen Vpn. errechnet. Da die Sch~tzungen nur innerhalb der einzelnen Gesehlechter mSglich waren, mul~ten die Korrelationen aueh einzeln ffir die beiden Geschlechter ausgerechnet werden. Wenn die Anzahl der Vpn. auch nicht grog ist, so wird das Ergebnis doeh ein Licht auf die Brauchbarkeit der Methode werfen.

Die Bereehnung erfolgte nach der FormeP):

6 . ~ ' ( x - - y) 2 r

n(n2--1)

Es bezeichnet hierin ~ den Wert der Rangkorrelation, x und y die Rangpl~tze in beiden Reihen, n die Anzahl der Vpn. Auf diese Weise ergab sich

Korrelation der Rangschatzung zu Normale Normale Arithmetisches den Ergebnissen des Yersuches M~nner Frauen Mittel

I . . . . . . 0,64 0,56 0,60 I I . . . . . . 0,53 0,72 0,62

I I I . . . . . . 0,57 0,64 0,60 IV . . . . . . 0,78 0,3 0,54 V . . . . . . 0,66 0,44 0,55

Gesamtergebnis . . . . . . . 0,9 0,76 0,83

Das Gesamtergebnis zeigt bei beiden Geschlechtern eine hohe Korrelation (bekanntlich bedeutet ein Wert von 1 eine vollkommene, von - - 1 eine vollkommen umgekehrte und 0 das Fehlen jeder Kor- relation) und zwar bei den M~nnern eine hShere als bei den Frauen. Der Unterschied ist zum Teil auf das oben bereits erkl~rte Versagen der weibliehen Vp. 5 zu erkl~ren. Bei einer relativ kleinen Zahl yon Vpn. kann ein einziger stark abweichender Wert das Resultat s tark beeinflussen. Die Korrelationen der Intelligenzsch~tzung zu den Er- gebnissen der einzelnen Versuche zeigt durchweg niedere Zahlen, ein Beweis daffir, da~ die Ergebnisse eines einzelnen Tests keinen Sehlu] auf die Intelligenz der Vpn. zula~t. Diese Korrelationen bewegen sich im Durehsehnitt um 0,6 herum, wenn man das arithmetrische Mittel

1) Vgl. W. Stern, Differentiellc Psychologic S. 302f. Leipzig 1911.

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102 S. Fischer:

aus den Ergebnissen bei be iden Geschlechtern zieht . Auffa l lend is t d ie r e l a t i v s t a rke Abweichung der Kor r e l a t i onen zwischen In te l l igenz- seha tzung und den einzelnen Testergebnissen bei be iden Geschlechtern, die jedoch zu a l lgemein gfi l t igen Schli issen n ich t berecht ig t .

Die ergiinzte Gregorsche Tabelle fiir Versueh II.

Korrekte und richtige L6sungen: 1. Laube. Unterkunft im Garten.

Gartenh~tuschen. Geb~tude aus Holz. Steht im Garten. Im Sommer setzt man sich hinein.

2. Zelt. Stangengerfist mit Tueh iiberzogen. Wohnung aus Leinwand. Wohnung aus Leinwand im l~reien. Unterkunftsort im Freien. Sehutzdach. Zum Schutz gegen Regen und Sturm, wenn man fiber Nacht draul3en ist. Zum Lagern ffir Wanderer. Ist aus Leinwand. Dien~ zum Rasten.

3. Arbe~. T~tigkeit. Besch~itigung. Anstrengung. Mfihe. Verrichtungen, um sieh das tagliche Brot zu verdienen. ]~twas Produktives schaffen. Mit der Arbeit verdient man Geld.

4. Gesetz. Bestimmung. Verordnung. Artikel. Ausgearbeiteter Paragraph, der festgestellt ist, um Ord- nung aufrecht zu erhalten. Man richter sich nach dem Gesetz. Mug befolgt werden. Urn Ordnung in die Welt zu bringen. Das alles in Ordnung bleibt.

Primitive und /alsche Lb'sungen: In der Laube sind Kaninehen. Setzen. Aus Holz.

Indianer wohnen im Zelt. Zum Spielen. Zum Sehlafen. Ist fund. Ist ein Ding.

Um sich zu zerstreuen. Wtirde fiir den Menschen. Ieh, Leute gehen auf Arbeit. Ist schwer.

Das man nicht iibertreten daft. tterrscht auf dem Gericht. We man sich hinsetzt.

Page 51: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

Die Intelligenz und ihre Prilfung bei leichten Schwachsinnsformen. 103

Korre~te und richtige L6sungen: 5. Bfindnis. Vereinigung.

Verbfindungen der VSlker. Versprechen, an dem yon allen festgehalten werden mu~. Wenn sich mehrere ver- einigen, zusammentun.

6. Auge. Sinn. Organ. Sehkraft. Punkt zum Sehen. Wiehtiges Glied am menseh- lichen K6rper. Dient zum Sehen. Hat man zum Sehen.

7. Mund. 0ffnung im Gesicht. Organ zum Spreehen. Querspalte im Gesieht. Hat man, dient zum Essen, Sprechen.

8. Mut. Tapferkeit. Kaltblfitigkeit. Eine Willenskraft, Energie,

die der Menseh besitzt. Ausdrueksweise des Geistes

des Menschen. Wenn jemand tapfer ist.

Erbarmen fiber Menschen. Gefiihl mit Anderem. Empfinden fiir Andere. Wenn ein Mensch einem

Armen hilft. Wenn man mit Anderen

Schmerzen mitffihlt. Wenn man jemanden be-

dauert. Wenn man nieht sehen k a n n ,

dab es anderen sehleeht geht.

9. Mitleid.

Primitive und ]alsche L6sungen: Kinder maehen Bfindnis. KSnnen 2 Freunde sehlieBen. Um mit dem Bundesbruder gegen den

Feind zu gehen. Ehe ist ein Bfindnis.

Ich habe Augen zum Sehen. Ist rund. Ist eine groBe Wichtigkeit ffir das

Leben. Sieht. Ein Ding. Blau.

Mit dem Munde sprieht man, il~t man.

Ha t Z~hne. Der il3t. Ist breit, klein.

Wenn der Mensch Courage hat. Kann der Mensch beweisen, wenn er

einen anderen verteidigen will. Wenn einer stark sein will. Soldat hat Mut. Wenn man was haben will.

Mutter usw. hat Mitleid mit Bettler. Der kranke Menseh bedarf des Mitleids. Wenn man jemand schlagen will.

Die erginzte Piorkowskische Tabelle f~r Versuch III. 1. Einbrecher - - Bibel - - umkehren.

a) Ein Einbrecher sieht eine Bibel liegen oder h6rt ein Kind beten und be- komm~ dabei Gewissensbisse, daft er umkehrt. 1.

b) Ein Einbreeher sieht eine Bibel liegen, er erschriekt und bekommt Fureht und kehrt urn. z/~.

e) Ein Einbrecher ging einbrechen, land nur die Bibel und mu~te umkehren, weft er sonst yon der Polizei erwischt worden w~re. 0.

Page 52: Die Intelligenz und ihre Prüfung bei leichten Schwachsinnsformen

104 S. Fischer :

2. Landmann - - groBe Hitze - - Diebstahl. a) Der Landmann schlaft yon der groBen Hitze ein, wahrend dieser Zeit

wird ihm etwas gestohlen. 1. b) Der Landmann bekommt durch die groBe Hitze solchen Durst, dab er

Obst oder etwas zu trinken stiehlt. 1. e) Er hat durch die groBe Hitze eine solche schlechte Ern~e, dab er sehlie01ich

aus Not zum Dieb wird. 1. d) Der Landmann hat kein Futter mehr ffir seine Kfihe, da alles dureh die

groBe Hitze vertrocknet ist, deshalb stiehlt er. 1. e) Der Landmann bekommt durch die groBe Hitze einen Hitzschlag. Als er

nun so daliegt, wird ihm etwas gestohlen. 1. f) Wahrend der Landmann bei der groBen Hitze draufien auf dem Felde ist,

wird bei ihm zu tIause eingebrochen. 1/2. g) Der Landmann muB in der groBen Hitze arbeiten, und vor Diebstahl is~

er nicht gesichert. 0.

3. Stehengebliebene Uhr - - geschehenes Eisenbahnunglfick - - Freude. a) Ein Mann kommt zu spat zur Bahn, da seine Uhr stehengeblieben ist,

kurz darauf erf/~hrt er, dab jener Zug, mit dem er fahren wollte, verunglfickt ist, u n d e r freut sich nun sehr, dab er nicht mit diesem Zug fortgekommen ist. 1.

b) Zwei Zfige stoBen zusammen, da der eine zu sp~t fortgefahren ist, weil die Bahnhofsuhr stehengeblieben war; es wird aber niemand get6tet, darum freuen sich die Leute. 1.

c) Ein Zugffihrer weiB nicht wie spat es ist, da seine Uhr stehengeblieben ist; er f/~hrt deshalb schneller, und dadureh geschieht ein Eisenbahnunglfick; doch freut er sich, daB niemand dabei umgekommen ist. 1.

d) Ein Mann stellt die Weiche nicht, da die Uhr stehengeblieben war, infolge- dessen geschieht ein Eisenbahnunglfick; doch freut er sich, dab er wenigstens niehts dafiir kann, weil es nicht aus Nachl~tssigkeit yon ihm geschehen ist, sondern deshalb, well seine Ulu" stehengeblieben ist. 1.

e) Jemand kommt zu spat, will noch aufspringen und rutscht ab, doeh wird er nicht schwer verletzt, darum ist gro~e Freude unter den Seinigen. 1.

f) Da dem Lokomotivffihrer die Uhr stehengeblieben war, geschah ein Eisen- bahnunglfick; darfiber freuten sieh die Kollegen. (Vp. ist Lokomotivifihrer.) 1.

g) Naeh einem Eisenbahnunglfick land ieh zu meiner Freude in meiner Tasehe meine ganze, aber doch stehengebliebene Uhr. 1/2.

4. Reise - - treuer Hund - - ~reude. a) Der Herr kam yon der Reise zurfick. Als ihn der Hund erblickte, sprang

dieser vor Freude bellend ihm entgegen. 1. b) Auf der Reise war mein treuer Hund mein Begleiter. Ich wurde angefallen,

der Hund half mir die Wegelagerer abzuwehren, und ieh hatte groBe Freude dar- fiber. 1.

c) Als der Herr v o n d e r Reise zurfickkehrte und h6rte, dab der treue H u n d das Haus vor einem Einbruch bewahrt hatte, hatte er groBe Freude. 1.

d) Ich machte eine Reise und hatte groBe Freude an meinem treuen Hunde, den ich als Begleiter mitgenommen hatte. 1/2.

e) Wenn ich reise, nehme ieh meinen treuen Hund mit, worfiber sieh der Hund sehr freut. 1/2.

5. Soldaten im Lager - - sternlose l~acht - - groBe Verwirrung und Geschrei. a) Soldaten liegen im Lager, es ist eine sternlose Naeht, und pl6tzlieh kommen

die Feinde unbemerkt heran und iiberfallen sic, da gibt es grol]e Verwirrung und Gesehrei. 1.

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Die Intelligenz und ihre PrUfung bei leiehten Sehwachsinnsformen. 105

b) Ein Gewitter bricht los, und es entsteht L~rm und Geschrei, da es ein- schli~gt. 1.

e) Die iiberrumpelten Soldaten kSnnen in der Dunkelheit ihre Gewehre nieht finden, und darum entsteht groBes Gesehrei. 1.

d) In der sternlosen Naeht konnten sich die Soldaten nieht genau erkennen und kampften gegeneinander, daher entstand viel Gesehrei. 1.

e) Die Soldaten verlaufen sich in der Dunkelheit und fangen datum an zu sehreien. 1/3.

f) Die Wachtposten geben sieh durch Geschrei in der sternlosen Naeht ein Zeiehen. 1/3.

g) Soldaten sind im Lager, dabei ist finstere Naeht, und in dem Lager gibt es Verwirrung und Geschrei. 0.

6. Guter Getreidestand - - fauler Bauer - - Verzweiflung.

a) Ein Bauer, (lessen Getreide sehr gut stand, war zu faul, es abzumihen; da kam auf einmal ein Gewitter und verniehtete alles, so dab er ganz verzweifelt war. 1.

b) Ein Bauer war zu faul, zur Zeit das Feld zu bestellen. Als er nun sah, dab das Getreide bei den anderen so gut stand, geriet er in Verzweiitung. 1.

e) Die Frau des Bauern gerit in Verzweiflung, da sie sieht, dab ihr Mann den guten Getreidestand nicht einerntet. 1/~.

d) Der Bauer hat guten Getreidestand, erntet ihn aber nieht ein und ger~t dann in Not und Verzweiflung. 0.

e) Ein Bauer, dessen Getreide sehr gut stand, war zu faul, es abzumihen; deshalb veffaulte es nach und naeh, oder die VSgel kamen und piekten naeh und nach die ganzen KSrner auf; als er dies sah, geriet er in Verzweiflung. 0.