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Die israelischen Militäraktionen im Libanon und in den besetzten palästinensischen Gebieten 2006 und ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht Author(s): Sebastian Weber Source: Archiv des Völkerrechts, 44. Bd., 4. H. (Dezember 2006), pp. 460-480 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40800159 . Accessed: 15/06/2014 08:56 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.73.86 on Sun, 15 Jun 2014 08:56:11 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Die israelischen Militäraktionen im Libanon und in den besetzten palästinensischen Gebieten2006 und ihre Vereinbarkeit mit dem VölkerrechtAuthor(s): Sebastian WeberSource: Archiv des Völkerrechts, 44. Bd., 4. H. (Dezember 2006), pp. 460-480Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40800159 .

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Die israelischen Militäraktionen im Libanon und in den besetzten palästinensischen Gebieten 2006

und ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht

Kaum eine Krisenregion hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Öffentlichkeit mehr erregt und die Staatengemeinschaft mehr polarisiert als der Nahe Osten. Im Sommer 2006 erreichte der immer wieder gewalt- sam ausgetragene Konflikt in und um Israel erneut einen Höhepunkt. Am 25. Juni 2006 wurden im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen zwei israelische Soldaten von einer militanten palästinensischen Gruppierung getötet und ein weiterer entführt, Städte im Süden Israels waren in den vorangegan- genen Monaten mit insgesamt mehreren hundert Kassam-Raketen be- schossen worden. Knapp drei Wochen später verwickelten Hizbullah-Mi- lizen israelische Grenzposten an der Nordgrenze zum Libanon in eine Reihe kleinerer Gefechte, töteten acht Soldaten und entführten am 12. Juli 2006 zwei weitere.

Israel antwortete auf diese Vorfälle mit massiven Militäraktionen. In den Gaza-Streifen rückten die Streitkräfte in erheblichem Umfang ein und zer- störten Infrastruktureinrichtungen und Verkehrswege. Hochrangige Pa- lästinenserführer wurden von der israelischen Armee festgenommen, zahl- reiche Menschen getötet und verletzt. Im Libanon bombardierte die israe- lische Luftwaffe unter anderem die Stellungen der Hizbullah im Süden, Straßen und Brücken, den Flughafen der Hauptstadt Beirut sowie überwie- gend deren südliche Wohnviertel, in denen die Hizbullah ihr Hauptquar- tier unterhält, Treibstofflager am Mittelmeer und die Verbindungswege nach Syrien. Der Seeweg zum Libanon wurde von der israelischen Marine blockiert. Die Hizbullah feuerte ihrerseits mehrere tausend Raketen unter- schiedlichen Typs auf Städte im Norden Israels wie Haifa, Kiryat Shmona, Afula und Nazareth. Israelische Bodenstreitkräfte rückten schließlich in den Süden Libanons ein, um eine Sicherheitszone zwischen Israel und Li- banon einzurichten. Im Laufe dieser militärischen Auseinandersetzung ka- men im Libanon und in Israel insgesamt mehr als tausend Zivilisten ums Leben, mehrere tausend wurden verletzt. Knapp eine Million Menschen flüchteten vor den Kämpfen in vermeintlich sicherere Gebiete des jewei- ligen Landes oder auch ins benachbarte Ausland.1

1 Vgl. zu den Fakten auch M. Johannsen, Waffenruhe im Libanon: Ruhe vor dem nächs-

Archiv des Völkerrechts, Bd. 44 (2006), S. 460-480 © Mohr Siebeck - ISSN 0003-892X

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A. Der internationale bewaffnete Konflikt zwischen Israel und Libanon

Die im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon erfolgten Gefechte zwi- schen israelischen Grenzsoldaten und Hizbullah-Milizen, die auf israeli- schem Territorium begangene Entführung zweier Soldaten, der nachfol- gende Raketenbeschuss israelischer Städte und die massiven Militärschläge Israels im Libanon begründen zunächst einmal ohne Weiteres das Vorlie- gen eines internationalen bewaffneten Konflikts und damit die Anwend- barkeit des humanitären Völkerrechts, vor allem seiner Kampfführungsre- geln und seiner Schutzvorschriften für die Zivilbevölkerung, die in ihrem Kernbestand gewohnheitsrechtliche Geltung besitzen. Als unmittelbar Beteiligte und Betroffene wird man neben den Völkerrechtssubjekten Is- rael und Libanon auch die zumindest in großem Ausmaß unabhängig von der libanesischen Regierung agierende Hizbullah ansehen müssen.

In welchem Umfang, mit welchen Mitteln und auf welcher Rechts- grundlage Israel auf die skizzierten Vorgänge reagieren durfte, hängt ei- nerseits von der Frage ab, welche völkerrechtliche Eingriffsberechtigung die Handlungen der Hizbullah für sich genommen als solche auszulösen vermochten, und andererseits davon, inwieweit diese Handlungen eines nicht-staatlichen Akteurs dem Staat Libanon zuzurechnen waren. Als Rechtsgrundlage für die Militärschläge kam insoweit nur das Recht Israels in Betracht, sich gegen einen gegenwärtigen, bewaffneten Angriff selbst zu verteidigen, solange der UN- Sicherheitsrat nicht die erforderlichen Maß- nahmen zur Wiederherstellung und Sicherung des Friedens ergriffen hatte.

1. Selbstverteidigung gegen den bewaffneten Angriff eines nicht- staatlich en Akteurs

Die Tatbestandsvoraussetzungen des naturgegebenen und in Art. 51 UN- Charta normierten Selbstverteidigungsrechts eines Staates sind seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 durchaus umstritten. Grund- sätzlich erscheint mit Blick auf das Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 UN- Charta eine möglichst restriktive Auslegung des Art. 51 UN-Charta ge- boten zu sein. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Ver- einten Nationen steht die Staatengemeinschaft einer Anwendbarkeit des Selbstverteidigungsrechts im Falle nicht-staatlicher Handlungen denn auch mit respektablen Gründen zurückhaltend gegenüber.2 Der Interna-

ten Sturm?, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik 39/2006; abruf bar unter: http://www.ifsh.de/pdf/publikationen/hifs/HI39.pdf 2 Vgl. A. Cassese, Terrorism Is Also Disrupting Some Crucial Legal Categories of Inter- national Law, EJIL 12 (2001), S. 993 (996).

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tionale Gerichtshof vertritt bis heute3 die Annahme, nur ein Staat könne einen bewaffneten Angriff im Sinne des Art. 51 UN-Charta gegen einen anderen Staat unternehmen.

a. Intensität der Angriffshandlung als ausschlaggebendes Kriterium

Der Wortlaut des Selbstverteidigungsrechts setzt allerdings nicht voraus, dass der bewaffnete Angriff durch einen anderen Staat erfolgen muss, um entsprechende Verteidigungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Dies gilt zu- nächst für den Fall, dass sich ein Staat privater Akteure zur Durchführung eines bewaffneten Angriffs auf einen anderen Staat bedient. Doch auch ohne eine solche staatliche Instrumentalisierung erscheint es überzeu- gender angesichts des Bedrohungspotentials nicht-staatlicher Organisa- tionen, etwa von Milizen, paramilitärischen Verbänden oder auch von Ter- roristen, auf die Intensität des Angriffs abzustellen und demjenigen Staat, der sich in materiellem Sinne einem bewaffneten Angriff gegenübersieht, das Recht auf die notwendigen Verteidigungshandlungen einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als gerade auch nicht-staatlichen Akteuren mittler- weile hoch entwickelte Waffen mit großem Zerstörungspotential zur Ver- fügung stehen. Asymmetrischen Konflikten dieser Art sollte deshalb auch bei der Auslegung des Art. 51 UN-Charta Rechnung getragen werden, an- dernfalls läuft das Völkerrecht Gefahr, reale Gefährdungs- und Konflikt- situationen nicht mehr adäquat zu erfassen. Seine befriedende Wirkung könnte das Völkerrecht in der Folge verlieren.

Die jüngere Staatenpraxis stützt eine solche Interpretation des Selbst- verteidigungsrechts. In den Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) be- kräftigte der UN-Sicherheitsrat das Selbstverteidigungsrecht der USA ge- genüber den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001. Entge- gen seiner früheren Praxis stellte der Sicherheitsrat dabei nicht auf eine staatliche Handlung ab, sondern auf die terroristischen Verbrechen selbst. Geteilt wurde dieses Verständnis des Selbstverteidigungsrechts beispiels- weise von den NATO-Staaten und der Organisation Amerikanischer Staa- ten.4 Maßgebend für die Annahme eines bewaffneten Angriffs im Sinne des Selbstverteidigungsrechts ist demnach nicht (mehr) die Staatlichkeit

3 IGH, Advisory Opinion on the Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Territory, vom 9. Juli 2004, General List Nr. 131, Tz. 139; Case concerning armed activities on the territory of Congo (Democratic Republic of the Congo vs. Uganda), vom 19. Dezember 2005, General List Nr. 116, Tz. 141 ff. (abrufbar unter <http://www. icj-cij.org>). 4 Vgl. auch T. Bruha/C. J. Tarns, Self-Defense Against Terrorist Attacks, in K. Dicke/ S.Hobe/K.-U. Meyn/A. Peters/E. Riedel/H.-J. Schütz/C. Tietje, Weltinnenrecht, Liber amicorum Jost Delbriick, 2005, S. 85 (96 f.) sowie die Sondervoten im Fall DR Congo vs. Uganda (Anm. 3) der Richter Kooijmans (Tz. 29 ff.) und Simma (Tz. 8 f f .); kritisch zur letzt- genannten Entscheidung auch Κ. Ο ellers- Frahm, IGH: Kongo gegen Uganda, Vereinte Na- tionen 54 (2006), S. 117 (121).

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des Akteurs, sondern die Intensität einer bewaffneten Handlung. Deren Einordnung als bewaffneter Angriff dürfte sich am Täterkreis, dem poten- tiellen Opferkreis, der Zahl der Opfer, dem Ausmaß der Zerstörung und den angewandten Mitteln orientieren. In Anlehnung an das herkömmliche Verständnis des Art. 51 UN-Charta könnte zudem ein gewisser Organisa- tionsgrad der Täter ausschlaggebend sein sowie die Wahrnehmung der Tat durch den angegriffenen Staat bzw. seine Bevölkerung. Einzelne Bomben- anschläge oder Selbstmordattentate genügen diesen Anforderungen indes nicht, sondern sind nur dann als Kampfhandlungen eines bewaffneten Angriffs anzusehen, wenn sie systematisch organisiert werden und Teil eines umfassenden Planes sind.5

Bei der Auswahl der Ziele von Verteidigungshandlungen und der ver- wendeten Kampfmittel und -methoden gelten die allgemeinen Regeln des humanitären Völkerrechts, insbesondere auch die Schutzvorschriften für die Zivilbevölkerung. An die Verteidigungshandlungen selbst sind zudem strenge Anforderungen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu stellen. Die Legitimation des sich verteidigenden Staates hängt maßgeblich davon ab, ob er nicht nur seinen eigenen Bürgern und deren Anspruch auf Sicherheit gerecht wird, sondern auch die Rechtsgüter derjenigen achtet, die von den Verteidigungsmaßnahmen betroffen sind.6

b. Antizipatorische Selbstverteidigung Tax welchem Zeitpunkt ein Staat zur Selbstverteidigung berechtigt ist, ist momentan einer der umstrittensten Punkte in der Staatengemeinschaft und der Völkerrechtswissenschaft. Allzu eng wird man das Tatbestands- merkmal der Gegenwärtigkeit des bewaffneten Angriffs allerdings kaum noch auslegen dürfen. Angesichts des Rüstungsstands, der Waffentechnik und der möglichen Verwendung nuklearer, biologischer oder chemischer Kampfstoffe kann man einem Staat nicht zumuten, einen unmittelbar be- vorstehenden Angriff erst abwarten zu müssen, bevor er die notwendigen Gegenmaßnahmen ergreift. In diesem Sinne sind antizipatorische Vertei- digungshandlungen als gerechtfertigt anzusehen, wenngleich es gerade in diesem Zusammenhang immer auf den konkreten Einzelfall ankommen wird und eine einmütige Beurteilung desselben in Politik und Wissen- schaft kaum zu erwarten ist. Abzulehnen ist indes eine Auslegung, nach

5 So etwa C. Tomuschat, Gezielte Tötungen (Targeted Killings), VN 2004, S. 136 (139); vgl. auch M. Byers, Terrorism, The Use of Force and International Law after 11 September, ICLQ 51 (2002), S.401 (405 ff.); M. Kotzur, Krieg gegen den Terrorismus, AVR 40 (2002), S.454 (473); S.D. Murphy, Self-Defense and the Israeli Wall Advisory Opinion: An Ipse Dixit from the ICJ?, AJIL 99 (2005), S. 62 (64 ff.). 6 J.G. Gardam, A Role for Proportionality in the War on Terror, Nordic JIL 74 (2005), S.3 (7 f f .); C. Tomuschat, Der 11. September 2001 und seine rechtlichen Konsequenzen, EuGRZ2002,S.535(543).

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der es einem Staat erlaubt sein soll, bereits die Möglichkeit eines Angriffs auszuschließen und damit gleichsam zugunsten der Staatengemeinschaft etwaiges Vernichtungspotential eines anderen Staates oder auch nicht- staatlicher Akteure zu zerstören.7

c. Zulässige Gegenmaßnahmen gegen den bewaffneten Angriff der Hizbullah

Die grenzüberschreitenden Attacken der Hizbullah auf israelische Grenz- posten, die Tötung von acht Soldaten und die Gefangennahme von zwei weiteren sind zweifellos als militärische Aktion zu qualifizieren. Zwar kann nicht jede Gewaltanwendung als bewaffneter Angriff im Sinne des Selbstverteidigungsrechts angesehen werden8, doch kann man diese Vor- gänge kaum noch als Bagatellangriff oder bloßes Grenzscharmützel quali- fizieren. Vielmehr lag ein grenzüberschreitender, militärisch geführter Angriff auf die israelischen Streitkräfte vor. Bei der Subsumtion einer sol- chen militärischen Aktion unter den Begriff des bewaffneten Angriffs im Sinne des Art. 51 UN-Charta kann auf die Aggressionsdefinition des Art. 3 der Resolution 3314 der UN- Generalversammlung vom 14.12.1974 als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden.9 Zwar setzt die Aggressions- definition einen zwischenstaatlichen Vorgang voraus, doch liefert die De- finition auch im Zuge einer weitergehenden Auslegung des Art. 51 UN- Charta in Bezug auf genuin eigenständige Militärgewalt nicht-staatlicher Akteure Anhaltspunkte. Auf die Resolutionspraxis des UN-Sicherheits- rates nach dem 11. September 2001 kann ebenfalls zurückgegriffen wer- den. Regelmäßig dürfte daher im Falle einer bewaffneten Aggression auch ein bewaffneter Angriff im Sinne des Selbstverteidigungsrechts vorliegen. Ist die militärische Aktion eines nicht-staatlichen Akteurs mit konventio- nellen Angriffshandlungen einer staatlichen Streitmacht in ihrer Art und Weise wie auch in ihrer Wirkung vergleichbar, ist auch eine nicht-staat- liche Aktion als Angriffshandlung zu qualifizieren. Der angegriffene Staat ist deshalb zur Selbstverteidigung im Rahmen des Art. 51 UN-Charta

7 So etwa L. van den Hole, Anticipatory Self-Defense under International Law, Ameri- can University Journal of International Law and Policy 19 (2003), S. 69 (95 ff.); D. Murswiek, Die amerikanische Präventivkriegstrategie und das Völkerrecht, NJW 2003, S. 1014 (1016 ff.); weitergehend: E. Benvenisti, The US and the Use of Force: Double-edged Hegem- ony and the Management of Global Emergencies, EJIL 15 (2004), S. 677 (684 ff .); M. Herde- gen, Völkerrecht, 3. Auflage 2004, §34, Rn. 19; A.D. Sofaer, On the Necessity of Pre-emp- tion, EJIL 14 (2003), S. 209 ff. 8 Vgl. IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nica- ragua, Entscheidung vom 27.06.1986, ICJ Reports, S. 14 (111). 9 Vgl. H. Fischer, in K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Auflage 2004, §59, Rn. 10; S.Hobe/O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Auflage 2004, S. 325; T. Stein/C. von Buttlar, Völkerrecht, 11. Auflage 2005, Rn. 784.

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auch gegenüber einem nicht-staatlichen Akteur berechtigt.10 Israel durfte demnach die Stellungen der Hizbullah, von denen dieser bewaffnete An- griff aus geführt wurde, angreifen, Waffen und militärische Gerätschaften zerstören und die Nachschubwege abschneiden. Israel durfte auch auf li- banesisches Territorium vorrücken, um die gefangen genommenen Solda- ten zu befreien und die Flucht der Entführer zu verhindern.

Inwieweit Israel bereits im Sinne antizipatorischer Selbstverteidigung berechtigt gewesen wäre, Raketenabschussanlagen der Hizbullah im Sü- den Libanons oder etwa das Hauptquartier in Beirut anzugreifen, kann an dieser Stelle offen bleiben. Spätestens nach Beginn des Beschüsses israeli- scher Städte mit Raketen, der für sich genommen wiederum eine Angriffs- handlung im Sinne der Resolution 3314 (XXIX) der UN- Generalver- sammlung darstellt, war Israel berechtigt, die Abschussvorrichtungen der Hizbullah und die entsprechenden Lagerstätten zu zerstören. Dies gilt auch für den Fall, dass sich diese in zivilen Siedlungen befanden. Insoweit lag bereits seitens der Hizbullah ein Verstoß gegen hergebrachte Regeln des humanitären Völkerrechts vor, denn gem. Art. 58 b des 1. Zusatzproto- kolls zu den Genfer Abkommen von 1977 darf keine Partei eines bewaff- neten Konflikts ihre Stellungen oder Waffenlager in dicht bevölkerten Ge- bieten einrichten. Hiervon umfasst ist auch das Hauptquartier, von dem aus die militärischen Aktionen gesteuert werden. Israel war es demnach unter Beachtung der Kampfführungsregeln und des Verhältnismäßigkeits- prinzips auch erlaubt, solche Ziele inmitten von Orten im Süden Libanons oder in Beirut anzugreifen.11

Gestützt wird diese Einschätzung im Nachhinein durch den massiven und bislang beispiellosen Raketenbeschuss israelischer Städte durch die Hiz- bullah. Offenkundig hatte sich dieser trotz aller Verknüpfungen mit dem libanesischen Staat immer noch unabhängige, nicht-staatliche Akteur sys- tematisch auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Israel vorbereitet. Die Waffenvorräte wie auch die zahlreichen Abschussvorrichtungen waren auf eine solche Eskalation wie auch auf Israels Gegenmaßnahmen ausgelegt worden, andernfalls hätte die Auseinandersetzung kaum über einen solch langen Zeitraum in diesem Umfang erfolgen können. Ein deutliches Indiz dafür, dass die Hizbullah einen von langer Hand vorbereiteten Angriff un- ternommen hat, ist auch die Tatsache, dass israelische Panzer bei ihrem Einmarsch in den Libanon in große Sprengfallen geraten sind, die offen- kundig in Erwartung großer Truppenbewegungen dort platziert wurden.12

10 Vgl. T. Bruba, Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht nach dem 11. September 2001, AVR 40 (2002), S.383 (395); R. Wedgwood, Responding to Terrorism: The Strikes against Bin Laden, Yale Journal of International Law 24 (1999), S. 559 (563 f.). 11 Vgl. C. Tomuschat, Der Sommerkrieg des Jahres 2006 im Nahen Osten. Eine Skizze, Die Friedens-Warte 81 (2006), S. 179 (182). 12 Vgl. N. Busse, Wie eine moderne Armee, in Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 09.08.2006, S. 5.

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Sollte es darüber hinaus als erwiesen anzusehen sein, dass Waffenliefe- rungen an die Hizbullah sowohl auf dem Landweg als auch über den See- und Luftweg erfolg(t)en, erscheint es darüber hinaus vertretbar, die weitere Versorgung der Hizbullah mit Waffen zu unterbinden. Die Seeblockade des Libanon und der Beschuss des Beiruter Flughafens sind deshalb zumin- dest nicht von vornherein als Selbstverteidigungsexzess zu bewerten.

2. Die Verantwortlichkeit des Libanon für Handlungen der Hizbullah

Sind Handlungen nicht-staatlicher Akteure einem anderen Staat zuzu- rechnen, dürfen die notwendigen Verteidigungsmaßnahmen auch gegen diesen Staat gerichtet werden. So ist etwa der Beschuss des Hoheitsgebietes eines Staates mit Raketen durch nicht-staatliche Akteure demjenigen Staat zuzurechnen, ohne dessen Unterstützung solche militärischen Attacken völlig ausgeschlossen gewesen wären. Die Tötung von Soldaten, ihre Ver- schleppung oder Raketenbeschuss ist auch dann zuzurechnen, wenn sie unter Kontrolle oder Anleitung eines Staates erfolgten13, der betreffende Staat sich die Tat zu Eigen macht oder logistische bzw. materielle Unter- stützung gewährt, indem er Abschusseinrichtungen oder Lager-, Pla- nungs-, Trainings- und Rückzugsstätten zur Verfügung stellt oder zumin- dest ihr Vorhandensein toleriert.14

Aus der Friendly Relations Deklaration der UN- Generalversammlung vom 24. Oktober 1970 - Resolution 2625 (XXV) - kann man darüber hin- aus ableiten, dass ein Staat, dessen Staatsmacht nicht in der Lage oder nicht Willens ist, die erforderlichen Maßnahmen gegen solche Akteure selbst zu ergreifen, militärische oder polizeiliche Maßnahmen auf seinem Staatsge- biet dulden muss, wenn sich ein von bewaffneten Angriffen betroffener Staat anders nicht gegen solche Taten zur Wehr setzen kann.15

Der Libanon ist über diese allgemeinen Grundsätze hinaus für die Handlungen der Hizbullah verantwortlich zu machen. Durch die Resolu- tion 1559 (2004) des UN-Sicherheitsrates besteht für den Staat Libanon eine klare, spezifische Verpflichtung, die Milizen im Libanon aufzulösen und zu entwaffnen. Diese Verpflichtung erstreckt sich selbstverständlich

13 Mit unterschiedlich eng gefassten Kriterien: IGH, Nicaragua (Anm. 8), S. 65; weiter- gehend: ICTY, Prosecutor vs. Tadíc, Urteil vom 15.07.1999, Tz. 103 ff.). Eine vollkommene Vergleichbarkeit beider Fälle ist allerdings nicht gegeben, denn die IGH-Entscheidung be- trifft die Verantwortlichkeit eines Staates, während sich das Urteil des Straf tribunals auf die völkerstrafrechtliche Individualverantwortlichkeit bezieht.

14 Mit unterschiedlichen Akzenten: T. Bruha (Anm. 10), S. 393 it.; G. Dahm/J. Del- brück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. 1/3, 2. Auflage 2002, S. 824 f.; M. Krajewski, Selbstver- teidigung gegen bewaffnete Angriffe nicht-staatlicher Organisationen, AVR 40 (2002), S. 183 (188 ff.); R. Wedgwood, The ICJ Advisory Opinion on the Israeli Security Fence and the Limits of Self-Defense, AJIL 99 (2005), S. 52 (58). 15 J.A. Frowein, Der Terrorismus als Herausforderung für das Völkerrecht, ZaöRV 62 (2002), S. 879 (883 ff.).

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auch auf die Hizbullah-Milizen. Kann jedoch die libanesische Regierung aufgrund der fragilen Machtkonstellation nach dem Ende des Bürger- krieges und des politischen wie sozialen Einflusses der Hizbullah in die- sem vor allem auch religiös gespaltenen Land ihre Verpflichtung nicht er- füllen oder will sie es möglicherweise gar nicht, wofür die Regierungsbe- teiligung des politischen Arms der Hizbullah ein Indiz sein könnte, so verletzt sie ihre völkerrechtlichen Pflichten gegenüber der Staatengemein- schaft. Bereits diese Nichtbefolgung der Resolution stellte eine Bedrohung des Friedens im Sinne des Art. 39 UN-Charta dar und hätte den Sicher- heitsrat zu weiteren Konsequenzen berechtigt. Die Pflichtverletzung des Libanon ermöglichte aber darüber hinaus der Hizbullah erst den bewaff- neten Angriff auf Israel. Die Duldung eines solchen Angriffs vom eigenen Territorium aus könnte wiederum eine Aggression des Libanon gegen Is- rael im Sinne der Aggressionsdefinition der UN- Generalversammlung darstellen. Zumindest wird man eine analoge Anwendung des Art. 3 lit. g der Aggressionsdefinition in Erwägung ziehen müssen.16 Die unterlassene Entwaffnung der Hizbullah ist jedenfalls eine conditio sine qua non für ihren Angriff auf Israel. Die Aggression Libanons liegt insoweit zwar nicht im Entsenden einer bewaffneten Bande, aber doch immerhin im Gewäh- renlassen der Hizbullah, was aus der Perspektive des angegriffenen Staates und seiner Zivilbevölkerung keinen nennenswerten Unterschied macht. Die aus dem Strafrecht bekannte Rechtsfigur der Handlung durch Unter- lassen lässt sich auf das hier betroffene Rechtsgut, die Sicherheit Israels, übertragen. Indem der Libanon die Entwaffnung der Hizbullah pflicht- widrig unterließ, erwächst ihm aus diesem vorangegangenen Unterlassen eine Verantwortlichkeit für die nachfolgenden Taten der Hizbullah. Ge- stützt wird diese Auffassung auch durch Art. 3 lit. f der Aggressionsdefini- tion, der eine Angriffshandlung des Staates beschreibt, der einem anderen Staat sein Territorium überlässt und dieser wiederum von dort eine An- griffshandlung gegen einen dritten Staat unternimmt. Die Aggressionsde- finition erkennt also ausdrücklich Konstellationen an, in denen ein Staat zwar nicht selbst tätig wird, jedoch Vorgänge duldet, die von seinem Terri- torium ausgehen. Auch wenn die vom IGH in seiner Nicaragua-Entschei- dung aufgestellten Kriterien deutlich enger gefasst sind, wird man Libanon die Angriffshandlungen der Hizbullah im Wege einer analogen Anwen- dung der Aggressionsdefinition deshalb anlasten müssen. In der Folge musste der Libanon die notwendigen Verteidigungsmaßnahmen Israels auf seinem Territorium gegen den bewaffneten Angriff der Hizbullah dul- den.

16 So etwa T. Bruha (Anm. 10), S. 405 in Bezug auf kriegsähnliche Gefahren durch Ter- rorismus.

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3. Zielauswahl und Verhältnismäßigkeit der israelischen Militärschläge Israel ist in seiner Gegenwehr jedoch über die Grenzen des Selbstverteidi- gungsrechts hinausgegangen. Die umfassende Zerstörung von Infrastruk- tur und Versorgungseinrichtungen der Zivilbevölkerung und der Beschuss ausschließlich ziviler Wohnviertel Beiruts können nicht mehr als notwen- dige Verteidigungshandlungen qualifiziert werden. Zwar hat Israel durch den Abwurf von Warnhinweisen auf Flugblättern dafür Sorge zu tragen ver- sucht, dass unbeteiligte Zivilisten sich vor bevorstehenden Militärschlägen in Sicherheit bringen konnten, doch rechtfertigt dieser Versuch, zivile Opfer möglichst zu vermeiden, nicht die Auswahl unzulässiger Ziele für die mili- tärische Gegenwehr gegen den bewaffneten Angriff der Hizbullah. Zuläs- sige Ziele militärischer Verteidigungsmaßnahmen sind unabhängig von der Geltungskraft des 1. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen (dort Art. 52 Abs. 2) kraft Gewohnheitsrecht nämlich nur diejenigen, deren Zer- störung oder Neutralisierung auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Stand- orts, ihres Zwecks oder ihrer Verwendung unter den gegebenen Umständen zu diesem Zeitpunkt einen eindeutigen militärischen Vorteil bedeuten.17

Auch der Einsatz bestimmter Waffenarten, etwa von Streubomben, ist angesichts des unkalkulierbaren Risikos für die Zivilbevölkerung zu kriti- sieren. Überdies wird man das Ausmaß der Bombardierung von Straßen und Brücken im ganzen Land, aber auch von kleineren Ortschaften und Städten im Süden Libanons als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeits- grundsatz ansehen müssen. Schließlich dürfen Verteidigungsmaßnahmen keinen Straf- oder Vergeltungscharakter aufweisen, denn als bewaffnete Repressalie wären sie unzulässig.18 Ein gezieltes, durchaus auch hartes Vorgehen gegen die Stellungen der Hizbullah wäre ohne Zweifel eine ver- hältnismäßige Reaktion Israels auf den bewaffneten Angriff gewesen, doch lässt sich kaum eine Rechtfertigung für die Bombardierung von Wohnvierteln vor allem in Beirut finden, die letztlich die gesamte Bevölke- rung Libanons in den bewaffneten Konflikt mit der Hizbullah hineinge- zogen hat.

Die beklagenswert hohe Zahl ziviler Opfer führt indes nicht nur zu be- rechtigter völkerrechtlicher Kritik am Vorgehen Israels, sondern sie ist auch in politischer Hinsicht für Israel problematisch. Nicht nur die inter- nationale Kritik am Ausmaß der militärischen Reaktion Israels19, sondern vor allem ihre Wahrnehmung durch die libanesische Bevölkerung kann nicht im Sinne Israels sein. Konnte man zu Beginn der bewaffneten Aus- einandersetzung noch davon ausgehen, dass ein Großteil der Libanesen die

17 Vgl. C. Tomuschat (Anm. 11), S. 186 f. 18 Vgl. M. Botbe, in W. Graf Vitztbum, Völkerrecht, 3. Auflage 2004, 8. Abschnitt, Rn. 19.

1V Vgl. hierzu die Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.07.2006, S. 5.

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Angriffe der Hizbullah ablehnen und die dadurch erzeugte Kriegsgefahr für das sich nur langsam von den Folgen des Bürgerkriegs erholende Land kritisch betrachten würde, führten die überzogenen Maßnahmen Israels fast zwangsläufig zu einer Solidarisierung innerhalb der libanesischen Be- völkerung mit der Hizbullah. Israel ist in diesem Konflikt zwar nicht als Aggressor aufgetreten, doch konnte so weder eine entsprechende Wahr- nehmung im Libanon noch eine Vertiefung der ohnehin schon bedroh- lichen, feindlichen Haltung der Nachbarstaaten unterbleiben. Dies gilt insbesondere für die Bombardierung des Dorfes Kana, bei der mehr als 50 Zivilisten, darunter viele Kinder, ums Leben kamen und über die sich auch der UN-Sicherheitsrat erschüttert und schockiert zeigte.20 Israel muss des- halb die Entscheidungsprozesse vor und während der bewaffneten Aus- einandersetzung untersuchen und darf auch nicht vor einer kritischen Ana- lyse der Zielauswahl und der Verhältnismäßigkeit seiner Verteidigungs- handlungen zurückschrecken.

4. Die Resolution 1701 (2006) des UN-Sicherheitsrates

Das Recht zur Selbstverteidigung eines Staates endet, wenn der UN-Si- cherheitsrat die notwendigen Maßnahmen zur Friedenssicherung bzw. seiner Wiederherstellung ergriffen hat. Nach langwierigen Verhandlungen konnte sich der Sicherheitsrat schließlich am 11. August 2006 auf eine ent- sprechende Resolution verständigen. In ihrer Präambel begrüßte er zu- nächst die Absichtserklärung der libanesischen Regierung, fortan mit re- gulären staatlichen Streitkräften die Sicherheit der Grenze zu Israel zu ge- währleisten und außerhalb der libanesischen Armee keine militärischen Waffensysteme mehr zu dulden. Der Sicherheitsrat unterstrich nachdrück- lich unter Verweis auf seine Resolutionen 1559 (2004) und 1680 (2006) die Verpflichtung der libanesischen Regierung, für eine vollständige und ef- fektive Kontrolle des Staatsgebiets und die Entwaffnung aller Milizen zu sorgen. Auf Bitten des Libanons wurde sodann eine erhebliche Erhöhung der Truppenzahl der sich ohnehin schon im Lande befindlichen United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf 15.000 Soldaten be- schlossen. Um ein möglichst hohes Maß an Legitimität zu erzielen, sollen nach Vorstellung der UN insbesondere auch muslimisch geprägte Staaten Truppenkontingente zur Verfügung stellen.

Gemeinsam mit der libanesischen Armee sollen die UNIFIL-Truppen vor allem in dem Gebiet zwischen der Grenze zu Israel und dem Fluss Li- tani nunmehr bewaffnete Angriffshandlungen von Milizen ausschließen, Waffenschmuggel unterbinden und die Entwaffnung nicht-staatlicher Einheiten gewährleisten. Das bereits in den Resolutionen 425 und 426

20 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 01 .08.2006, S. 2.

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(1978) formulierte Mandat der UNIFIL-Truppe wurde zu diesem Zweck erheblich erweitert. Explizit ermächtigt wurde UNIFIL dazu, alle not- wendigen Maßnahmen zur Verhinderung von bewaffneten Auseinander- setzungen oder weiteren Entführungen zu ergreifen. Darüber hinaus ist die UN-Truppe gemeinsam mit der libanesischen Armee für die Sicherheit humanitärer Hilfsorganisationen vor Ort wie auch des UN-Personals ver- antwortlich. Seeseitig soll unter maßgeblicher Beteiligung von deutschen Marineverbänden der Waffenschmuggel in den Libanon durch die Über- wachung und Kontrolle von Schiffen verhindert werden. UNIFIL besitzt insoweit zwar kein offensives Mandat, etwa zur Entwaffnung der Hizbul- lah, doch sind Aufgaben und Ermächtigungen umfangreich. Um die in der Resolution formulierten Ziele zu erreichen, sind die UN-Truppen insoweit mit einem durchaus robusten Mandat ausgestattet worden.

Auch ohne explizite Bezugnahme auf Kapitel VII UN-Charta wandte der Sicherheitsrat damit das ihm zur Verfügung stehende Instrumentarium zur internationalen Friedenssicherung an, qualifizierte die Lage im Liba- non als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit und er- griff die notwendigen Maßnahmen zur Befriedung des bewaffneten Kon- flikts. Konkrete Festlegungen auf eine Vorgehensweise zur Entwaffnung der Hizbullah, einen Zeitplan und eine Regelung zur Übergabe der ent- führten israelischen Soldaten enthält die Resolution indes nicht. Der UN- Generalsekretär wurde vielmehr beauftragt, die Einzelheiten in der Folge- zeit zu regeln und dem Sicherheitsrat zu berichten. Entscheidend wird letztlich das Verhalten der libanesischen Regierung und ihrer Armee sein. Ohne eine erkennbare Steigerung der Sicherheit der israelisch-libane- sischen Grenze und die Entwaffnung der Hizbullah wird die nunmehr er- zielte Befriedung nicht von Dauer sein.

Nach einigem Zögern erklärten sich denn schließlich auch hinreichend viele Staaten bereit, der UNIFIL entsprechende Kontingente an Soldaten und militärischem Gerät zur Verfügung zu stellen. Die nunmehr erfolgte Implementierung der erweiterten UNIFIL-Truppe im Libanon führt dazu, dass Israel fortan nicht mehr berechtigt ist, auf der Basis des Selbst- verteidigungsrechts mit Waffengewalt gegen die Hizbullah-Milizen im Li- banon vorzugehen.

B. Terroranschläge und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser

Der bewaffnete Angriff der Hizbullah und die israelische Gegenwehr ha- ben die zeitgleich erfolgten Militäraktionen im Gaza-Streifen in der öf- fentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund treten lassen. Die Situation in den palästinensischen Gebieten im Gaza-Streifen und Westjordanland

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Die israelischen Militäraktionen im Libanon 471

stellt sich dabei komplizierter dar, als die Beurteilung des bewaffneten Konfliktes zwischen Israel und der Hizbullah bzw. Libanon. Immerhin besteht inzwischen über einige Grundbedingungen dieser spezifischen Lage völkerrechtliche Klarheit. Der Staat Israel, seine Souveränität und sein Anspruch auf Achtung seiner territorialen Integrität im Umfang der Grenzen vor dem Juni 1967 sind weltweit anerkannt. Daran ändern auch gegenteilige Äußerungen einzelner Nachbarstaaten nichts. Die Existenz des palästinensischen Volkes und sein Recht auf Selbstbestimmung werden heute ebenfalls nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt. Seit der Unter- zeichnung der Prinzipienerklärung zur vorläufigen Selbstregierung vom 13. September 1993 befinden sich Israel und die Palästinenser im Grunde in Verhandlungen über eine dauerhafte Regelung und Befriedung des ehe- maligen Mandatsgebietes Palästina.21

Kaum bezweifelt werden kann auch, dass die Errichtung des Sicher- heitszaunes durch Israel auf palästinensischem Boden im Westjordanland geltendes Völkerrecht verletzt.22 Die gezielte Tötung von Palästinenser- führern, wie etwa die von Scheich Yassin und seinem Nachfolger Rantisi im Jahr 2004, verstößt gegen elementare Prinzipien des Rechtsstaats und gegen die auch für Israel verbindlichen Menschenrechte.23 Und letztlich ist auch klar, dass Israel, sollte es hierüber keine anders lautende Vereinba- rung mit den Palästinensern treffen, die jüdischen Siedlungen im Westjor- danland ebenso wird räumen müssen, wie dies im Gaza- Streifen 2005 be- reits geschehen ist.24

1. Rechte und Pflichten der Palästinenser

Als Volk besitzen die Palästinenser ein Recht auf Selbstbestimmung, das in Art. 1 II UN-Charta und den Art. 1 der UN-Menschenrechtspakte ver- ankert ist und auch gewohnheitsrechtlich gilt. Sie können damit frei über ihren Territorialstatus (als äußeres Selbstbestimmungsrecht) und ihren Verfassungsstatus (als inneres Selbstbestimmungsrecht) entscheiden. Ohne Einfluss von außen kann das palästinensische Volk so über seine Staats- form, seine Wirtschafts- und Sozialordnung wie auch über seine kulturelle Entwicklung bestimmen.25

21 Vgl. A. Cassese, The Israel-PLO Agreement and Self-Determination, EJIL 4 (1993), S. 564 ff.; G. Seidel, Die Palästinafrage und das Völkerrecht, AVR 44 (2006), S. 121 ff.; S. Sina, Der völkerrechtliche Status des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens nach den Osloer Verträgen (Diss. Heidelberg), 2004, S. 5 ff. 22 IGH, Advisory Opinion (Anm. 3). 23 G. Tomuschat (Anm. 5), S. 136 ff.; differenzierend D. Kretzmer, Targeted Killing of Suspected Terrorists: Extra-Judicial Executions or Legitimate Means of Defence?, EJIL 16 (2005), S. 171 ff. 24 Vgl. schon E. Häckel, Land gegen Land, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 01.06.2004, S. 10.

25 K. Hailbronner, in W. Graf Vitzthum, Völkerrecht, 3. Auflage 2004, 3. Abschnitt,

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Durch die Aufnahme des sog. Befreiungskrieges gegen Kolonialherr- schaft, fremde Besetzung und rassistische Regime in Art. 1 IV des 1. Zu- satzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 erfuhr dieses Selbstbestimmungsrecht eine weitere Normierung. Einem betrof- fenen Volk wurde auf diesem Weg der Status einer Konfliktpartei und Völ- kerrechtssubjektivität zugesprochen. Partielle Völkerrechtssubjektivität kommt auch der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO zu, die Trägerin der Selbstverwaltungsbehörden in den besetzten Gebieten, Ver- tragspartei der Osloer Verträge sowie zahlreicher Entwicklungshilfeab- kommen mit Drittstaaten ist und Beobachterstatus bei den Vereinten Na- tionen besitzt.26

Ein bislang an der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts gehinder- tes Volk kann sein Recht im Extremfall auch mit Gewalt gegen eine Kolo- nial- oder Besatzungsmacht oder ein rassistisches Regime durchsetzen.27 Ein Volk, das sich in einem solchen Befreiungskampf befindet, ist aber an die Regeln des humanitären Völkerrechts über die zulässigen Mittel und Methoden der Kampfführung gebunden.28 Eine Befreiungsarmee darf deshalb nur militärische Einheiten und Einrichtungen der herrschenden Staatsgewalt angreifen. Völkerrechtlich straffrei bleibt ein Befreiungs- kämpfer dann, wenn er sich als solcher zu erkennen gibt und nicht etwa aus der Deckung der Zivilbevölkerung heraus Anschläge verübt. Die Zer- störung von Anlagen und Einrichtungen nicht-militärischer Art, wozu auch Polizeistationen zu rechnen sind, oder Angriffe auf die Zivilbevölke- rung stellen Kriegsverbrechen dar und können auch als terroristische Akte zu qualifizieren sein. Auch ein mögliches Widerstandsrecht gegen fremde Besatzung deckt entsprechende Handlungen nicht ab. Anhand der ver- wendeten Mittel und ihrer Angriffsziele lässt sich eine Befreiungsarmee demnach von Terrororganisationen unterscheiden. Befreiungskampf er ha- ben es deshalb letztlich selbst in der Hand, inwieweit sie völkerrechtliche Immunität genießen oder als Terroristen ggf. weltweiter Strafverfolgung unterliegen.29 Mangels Kombattantenstatus unterliegen Befreiungskämp- fer trotz allem aber der Strafverfolgung der von ihr bekämpften Staats- macht.30

Rn. 97; S. Oeter, Souveränität - ein überholtes Konzept?, in H. J. Cremer/T. Giegerich/D. Richter/ A. Zimmermann, Tradition und Weltoffenheit des Rechts, Festschrift Steinberger, 2002, S. 259 (282). 26 Vgl. G.R. Watson, The „Wall" Decisions m Legal and Political Context, AJIL 99 (2005), S. 6 (22 f.). 27 Κ. Doehring, Völkerrecht, 2. Auflage 2004, Rn. 796 f.

28 Vgl. S. Oeter, Methods and Means of Combat, in D. Fleck, The Handbook of Huma- nitarian Law in Armed Conflicts, 1999, S. 105 ff; vgl. auch IGH, Advisory Opinion (Anm. 3),Tz.l62. 2V Vgl. C. Daase, Terrorismus - Begritie, Theorien und Gegenstrategien, Die rnedens- Warte 76 (2001), S. 55 (65); R. Wedgwood (Anm. 14), S. 57 ff.

30 S. Oeter, Terrorism and „Wars of National Liberation", ZaöRV 49 (1989), S. 445 (469).

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2. Die Verantwortlichkeit für terroristische Verbrechen in Israel

Fraglich ist, inwieweit die Palästinenser als Volk oder etwa auch die Selbst- verwaltungsbehörden für terroristische Verbrechen verantwortlich ge- macht werden können, die von palästinensischen Terrorgruppen auf israe- lischem Boden verübt werden oder gegen israelische Staatsbürger gerichtet sind.

Die massive terroristische Bedrohung Israels ist leider offenkundig. Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass jederzeit und besonders in den Städten mit Anschlägen, insbesondere mit Selbstmordattentaten, zu rech- nen ist. Davon betroffen waren in der Vergangenheit vor allem öffentliche Verkehrsmittel und Orte mit hohen Besucherzahlen wie Einkaufszentren, Restaurants und Diskotheken. In den Reise- und Sicherheitshinweisen für Touristen wird deshalb zu höchster Vorsicht geraten.31 Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums sind seit Beginn der sog. zweiten Intifada im September 2000 bei Terroranschlägen mehr als tausend Israelis getötet und sieben- bis achttausend Menschen verletzt worden.32

Für eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit des gesamten palästinen- sischen Volkes für diese Verbrechen spricht zunächst seine Aufwertung und Anerkennung im Rahmen der Vereinten Nationen, die durch den Be- obachterstatus der PLO und nicht zuletzt durch die Teilnahme am IGH- Gutachtenverfahren zum Sicherheitszaun manifestiert wurde. Es dürfte zudem sachgerecht sein, ein Volk, dem durch das Selbstbestimmungsrecht erhebliche Berechtigungen eingeräumt werden, auch an seinen Pflichten bei dessen Durchsetzung festzuhalten. Diese Pflichtenbindung der Paläs- tinenser geht über die Einhaltung der Kampfführungsregeln hinaus. Vor allem wird man erwägen müssen, ob das palästinensische Volk auch als Adressat von Selbstverteidigungsmaßnahmen Israels in Betracht kommt.33 Eine solche Zurechnung erscheint allerdings nur dann vorstellbar, wenn ein Volk bereits über staatsähnliche Strukturen und Repräsentationsor- gane verfügt, die in zurechenbarer Weise für das Volk als solches tätig wer- den. Im Falle der Palästinenser liegen diese Bedingungen vor, denn mit der PLO und den Selbstverwaltungsbehörden existieren Institutionen und Organe, die auch weltweit entsprechende Anerkennung erfahren haben und als Repräsentanten des palästinensischen Volkes auftreten.

Inwieweit die Selbstverwaltungsbehörde selbst Völkerrechtssubjektivi- tät besitzt, ist angesichts der vorbehaltenen Zuständigkeiten Israels in den Osloer Verträgen allerdings fragwürdig. Der Selbstverwaltungsbehörde

31 Vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/Laenderinformation/Israel/Sicherheits- hinweise.html [09.07.2006]. 32 Vgl. http://wwwl.idf.il/SIP_STORAGE/DOVER/files/7/21827.doc [18.07.2006]. ■" So etwa F. Becker, IGH- Gutachten über „Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten", AVR 43 (2005), S. 218 (236); G.R. Wat- son (Anm. 26), S. 24.

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sind vor allem jedwede Außenkompetenzen vorenthalten worden. Für eine völkerrechtliche Pflichtenstellung der Selbstverwaltungsbehörde sprechen immerhin diejenigen Rechte, die ihr in völkerrechtlichen Verträgen zwi- schen der PLO und Drittstaaten eingeräumt wurden. Beachtlich erscheint auch ihre Funktion als organschaftliche Repräsentantin des palästinen- sischen Volkes, das durch sie zumindest teilweise sein Selbstbestimmungs- recht ausübt.34

Sollten terroristische Verbrechen als gegenwärtiger, bewaffneter An- griff zu qualifizieren sein, nämlich dann wenn sie systematisch organisiert werden und vorbereitete Selbstmordattentate in großer Anzahl erfolgen oder beispielsweise israelische Städte in großem Umfang mit Raketen be- schossen werden, lägen zumindest Elemente eines bewaffneten Kampfes vor, die im Einzelfall als Teile eines umfassendes Planes bewaffnete An- griffshandlungen im Sinne des Selbstverteidigungsrechts darstellen könn- ten und zu entsprechender Gegenwehr berechtigen würden.

Eine Verantwortlichkeit des palästinensischen Volkes für entsprechende Taten hängt aber davon ab, ob man ihm die Verbrechen der handelnden Terrorgruppen zurechnen kann. Das Ergebnis der palästinensischen Wahlen vom 25.01.2006 hat diese Frage der Zurechnung erschwert. Bis- lang konnte man trotz aller Differenzen zwischen den verschiedenen pa- lästinensischen Organisationen davon ausgehen, dass die PLO und die sie beherrschende Fatah-Bewegung des verstorbenen Präsidenten Arafat maß- gebliche Repräsentantin des palästinensischen Volkes ist. Da sich die PLO- Führung seit etwa Mitte der achtziger Jahre grundsätzlich von terroristi- schen Anschlägen distanzierte, war zumindest insoweit Zurückhaltung angezeigt, dem palästinensischen Volk etwaige Terrorakte zuzuordnen.

Für eine Zurechnung der jüngsten Terroranschläge spricht die Regie- rungsübernahme der Hamas. Mit der Hamas steht der israelischen Re- gierung seit den Wahlen eine Organisation als Repräsentantin der Paläs- tinenser gegenüber, die einerseits durch Wahlen legitimiert wurde, die andererseits zahlreiche dieser Attentate und Selbstmordanschläge zu ver- antworten und sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, wie auch die nachhaltige Weigerung der Hamas, die Existenzberech- tigung Israels grundsätzlich anzuerkennen, zeigt.

Verschärft wird die terroristische Bedrohung der israelischen Zivilbe- völkerung durch die Rivalität der verschiedenen palästinensischen Grup- pierungen. So steht die Hamas als militante Kampforganisation gegen Israel etwa in Konkurrenz zum Islamischen Djihad oder den Al-Aksa- Brigaden. Zur Unübersichtlichkeit der Lage trägt darüber hinaus die Zer- strittenheit der offiziellen Repräsentanten der Palästinenser untereinan-

34 Vgl. die unterschiedlichen Standpunkte bei S. Sina (Anm. 21), S. 304; G. Seidel (Anm. 21), S. 137.

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der bei. Vor allem an den wiederholt auch gewaltsam ausgetragenen Aus- einandersetzungen zwischen Hamas und Fatah wird deutlich, wie fragil die Machtstrukturen innerhalb der palästinensischen Selbstverwaltung sind.35 Auch auf Regierungsebene können die Spannungen zwischen dem zwischenzeitlich zurückgetretenen Premierminister Hanija und Präsi- dent Abbas nur mühsam ausgehalten und aufgefangen werden. Ihr Ver- such, eine Koalition „der nationalen Einheit" zwischen Hamas und Fatah zu vereinbaren, bietet insofern nur begrenzt Anlass zur Hoffnung, wie auch die Morddrohungen von Exil-Hamas-Führern in Syrien gegen den eigenen Premierminister belegen.36 Maßgeblich für den Erfolg einer sol- chen Koalition dürfte sein, inwieweit es ihr gelänge, aus der internationa- len Isolation heraus zu kommen, um vor allem die eingefrorenen Hilfs- gelder wieder nutzen zu können. Hierfür wiederum dürfte allerdings die unbedingte Anerkennung des Existenzrechts Israels Voraussetzung sein, was jedoch gerade von Hamas-Führern strikt abgelehnt wird. Solange diese Anerkennung Israels jedoch unterbleibt, läuft das palästinensische Volk Gefahr, aufgrund von Terroranschlägen und Raketenbeschuss is- raelischer Städte unter Verteidigungshandlungen Israels zu leiden. Es er- scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass entsprechende Handlungen zumindest der Hamas zuzurechnen sind und damit den offiziellen Reprä- sentanten des palästinensischen Volkes.

3. Israels Rolle als Besatzungsmacht Als Besatzungsmacht unterliegt Israel allerdings besonderen Bedingun- gen, die eine Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht fragwürdig er- scheinen lassen. Das Besatzungsrecht, vor allem die Bestimmungen der Art. 43 ff. der Haager Landkriegsordnung und des IV. Genfer Abkom- mens, überträgt die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ord- nung in einem besetzten Gebiet der Besatzungsmacht. Solange Israel den Gaza-Streifen und das Westjordanland besetzt hielt bzw. hält, muss(te) es unter weitgehender Beachtung bereits bestehender Rechtsnormen etwa den Schutz des Privateigentums oder der Religionsausübung gewährleis- ten.37 Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit gehört selbstver- ständlich auch die Verhinderung terroristischer Verbrechen innerhalb und außerhalb des Besatzungsgebiets. Nach Einstellung der unmittelbaren

35 Vgl. M. Asseburg, Nach dem israelischen Teilabzug, SWP-Studie, 2005, S.15ff.;/. Bremer, Entscheidende Woche für Palästina, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.09.2006, S. 10.

36 Vgl. die Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.09.2006, S.6.

37 M.J. Dennis, Application of Human Rights Treaties Extraterritorially in Times of Armed Conflict and Military Occupation, AJIL 99 (2005), S. 119 (131 f.); Κ. Ipsen, in ders., Völkerrecht, 5. Auflage 2004, § 69, Rn. 21 ff.

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Feindseligkeiten sind dabei allerdings einer militärischen Gewaltanwen- dung völkerrechtlich enge Grenzen gesetzt. Auf terroristische Anschläge, die zunächst einmal als kriminelle Verbrechen anzusehen sind, darf die Besatzungsmacht lediglich mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln reagieren.

Auf das Selbstverteidigungsrecht kann sich Israel auch dann nicht stüt- zen, wenn es militärisch gegen palästinensische Terrorgruppen vorgeht, die aus den besetzten Gebieten heraus Anschläge in Israel verüben. Inso- weit wird man die Normen des Besatzungsrechts als leges spéciales anse- hen müssen, die keinen Raum mehr für das allgemeine Selbstverteidigungs- recht lassen.38 Das Selbstverteidigungsrecht ist konsequenterweise auf die- jenigen Fälle zu begrenzen, in denen ein bewaffneter Angriff von außerhalb erfolgt. Übt ein Staat jedoch als Besatzungsmacht die effektive Herr- schaftsgewalt über ein fremdes Gebiet aus, so sind etwaige bewaffnete An- griffshandlungen nicht als Angriffe „von außen" zu qualifizieren und be- rechtigen deshalb auch nicht zur Selbstverteidigung im Sinne des Art. 51 UN-Charta.39 Dem IGH wird man insoweit auch in seiner apodiktischen Kürze folgen können, wenn er die Errichtung des Sicherheitszaunes auf palästinensischem Territorium nicht durch das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen terroristische Angriffe gerechtfertigt sieht.40 Die permanente Gefährdung der israelischen Zivilbevölkerung durch Bombenanschläge und vor allem Selbstmordattentate würdigte der Gerichtshof in seinem Gutachten allerdings nur unzureichend.41

Israel hat sich allerdings in den Abkommen zur Selbstverwaltung der Palästinenser Eingriffsrechte vorbehalten. So ist etwa gem. Art. XIII.2.a. Satz 3, Art. V.3.a. Satz 3 des Interimsabkommens (Anhang I IA) die israe- lische Militärregierung in den sog. B-Gebieten des Westjordanlandes für die gesamte innere Sicherheit verantwortlich, in den sog. C-Gebieten sogar für die gesamte öffentliche Ordnung (Art. IV.4, Anhang III I A). Israel darf im Rahmen dieser Zuständigkeit alle erforderlichen Maßnahmen ergrei- fen, um die Sicherheit zu gewährleisten und insbesondere auch um Terro- rismus zu verhindern (Art. XH.l Satz 2). Der Gebrauch von Waffengewalt ist dabei allerdings nur als letztes Mittel in Notfällen erlaubt (Art. XI.3.C,

38 T. Bruha/C.J. Tams (Anm. 4), S. 91; a.A. etwa Richter Buergenthal in seinem abwei- chenden Votum zum IGH-Gutachen (Anm. 3), Tz. 6.

39 IGH, Advisory Opinion (Anm. 3), Tz. 139; so auch T. Bruha/C.J. Tams (Anm. 4), S. 92; a.A. etwa R. Wedgwood (Anm. 14), S. 59.

40 Vgl. /. Scobbie, Words My Mother never taught me - „In Defense or the International Court", AJIL 99 (2005), S. 76 (77 ff .); dennoch kritisch etwa R. Wedgwood (Anm. 14), S. 59.

41 Vgl. nur die Sondervoten zum Gutachten (Anm. 3) der Richter Buergenthal (Tz. Iff.), Higgins (Tz. 33 f.) und Kooijmans (Tz. 31 ff.) sowie die Kritik im Schrifttum bei F. Becker (Anm. 33), S. 234; D.-E. Khan, Sicherheitszaun oder Apartheidmauer?, Die Friedens-Warte 79 (2004), S.345 (359 ff.); M. Pomerance, The ICJ's Advisory Jurisdiction and the Crumb- ling Wall between the Political and the Judicial, AJIL 99 (2005), S. 26 (37 f.).

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Anhang I IA). Die weitere (Strafverfolgung eines Vorfalls soll schließlich den palästinensischen Behörden übertragen werden.42

Solange Israel effektive Herrschaftsgewalt über palästinensische Ge- biete ausübt, ist es berechtigt und verpflichtet, im Rahmen des Besatzungs- rechts die Sicherheit der Palästinenser und der Israelis zu gewährleisten. Dabei kommt dem Schutz vor terroristischen Verbrechen besondere Be- deutung zu, der etwa im Fall unmittelbarer Gefahrenabwehr auch gewalt- sam durchzusetzen ist. An dieser Beschränkung umfangreicher militä- rischer Gewaltausübung ist auch im Hinblick auf den Gaza-Streifen fest- zuhalten, den Israel 2005 zwar einseitig geräumt hat, der jedoch letztlich vor allem angesichts der vorbehaltenen Kontrolle des Seeweges und des Luftraums weiterhin faktisch von Israel kontrolliert wird. Zu massiven Militäraktionen war Israel im Gaza-Streifen daher nicht berechtigt. Es durfte jedoch die Fertigung und den Abschuss von Raketen auf Städte im Süden des Landes - auch gewaltsam - unterbinden und den Versuch unter- nehmen, den entführten Soldaten im Rahmen einer polizeilichen Aktion des Militärs zu befreien. Die Zerstörung des einzigen größeren Elektri- zitätswerks im Gaza-Streifen kann Israel jedoch weder mit dem andau- ernden Raketenbeschuss oder der Entführung rechtfertigen, noch findet die Vernichtung wesentlicher Infrastruktureinrichtungen anderweitig eine völkerrechtliche Grundlage.

Unabhängig von der Frage, ob im Falle militärischer Maßnahmen im Gaza-Streifen inzwischen ein internationaler bewaffneter Konflikt anzu- nehmen ist, da der Gaza-Streifen nun einmal nicht israelisches Territorium darstellt43, oder von einer Wiederaufnahme von Kampfhandlungen im Sinne des Besatzungsrechts auszugehen ist44, bleibt Israel in jedem Fall an die Kampfführungsregeln des humanitären Völkerrechts gebunden. Zivil- personen stehen demnach unter dem unbedingten Schutz der IV. Genfer Konvention. Vorgehen darf Israel gegen Waffen führende und einsetzende Terroristen, quasi-militärische Stützpunkte, Operationseinrichtungen und Waffenlager.45

42 Vgl. D. Kretzmer (Anm. 23), S. 206; ausführlich S. Sina (Anm. 21), S. 105 ff. 43 So etwa C. Tomuschat (Anm. 11), S. 186; anders D. Kretzmer (Anm. 23), S. 208 ff. 44 Vgl. insoweit M. J. Dennis (Anm. 37), S. 132 ff. 45 Vgl. M. Bothe (Anm. 18), Rn.65ff.; S. Vöneky, Die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts auf terroristische Akte und ihre Bekämpfung, in: D. Fleck (Hrsg.), Rechtsfra- gen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 147 (164).

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C. Wer durchbricht die Spirale der Gewalt?

Israel standen demnach in erheblichem Umfang Verteidigungsrechte zur Seite. Selbstverständlich hat Israel auch die Pflicht, seine Bevölkerung vor bewaffneten Angriffen und Terrorakten zu schützen.46 Israel hat einen Anspruch darauf, das der Libanon die Sicherheit der Grenze gewährleistet und unterbindet, dass bewaffnete Milizen Teile des Staatsgebietes kontrol- lieren oder gar in die Lage kommen, erneut einen Angriff auf Israel zu un- ternehmen. Hierzu gehört auch eine wirksame Kontrolle des Warenver- kehrs zu Lande, auf See und in der Luft, um weitere Waffenlieferungen an die Hizbullah zu verhindern.

Von der palästinensischen Führung kann Israel verlangen, dass diese im Rahmen der ihr durch die Osloer Verträge übertragenen Kompetenzen ge- gen Terroristen vorgeht. Auch die sog. Road Map47 des Nahost-Quartetts, bestehend aus den USA, Russland, der Europäischen Union und den Ver- einten Nationen, setzt entschiedene Maßnahmen der palästinensischen Behörden zur Bekämpfung des Terrorismus voraus. Insoweit steht auch das durch die Selbstverwaltungsbehörde repräsentierte palästinensische Volk in der Pflicht. Kann dagegen die palästinensische Regierung Terro- rismusprävention und effektive Strafverfolgung nicht gewährleisten oder lehnt sie diese sogar ab, muss sie polizeiliche und in engen Grenzen auch militärische Maßnahmen dulden.

Es ist ein Allgemeinplatz, dass letztendlich eine Befriedung des Nahen Ostens nur durch Verhandlungen und friedliche Mittel der Konfliktlösung zu erreichen ist. Terroristische Anschläge stellen eine massive Gefährdung der Bevölkerung, aber auch der politischen Einigungsbereitschaft Israels, dar. Sie sind als Mittel der Konfliktaustragung vollkommen unzulässig und dienen dem Interesse des palästinensischen Volkes, das sein Selbstbe- stimmungsrecht endlich in einem eigenen Staat verwirklichen möchte, in keiner Weise. Militärische Maßnahmen zur Bekämpfung terroristischer Organisationen mögen bisweilen unerlässlich sein, zumal dann, wenn an- dere Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, um die Sicherheit der Zi- vilbevölkerung zu gewährleisten. Sie bergen jedoch immer auch die Gefahr einer weiteren Radikalisierung des Konfliktes. Der Tod unschuldiger Zi- vilisten, insbesondere von Kindern, der bei Luftangriffen nie auszuschlie- ßen ist, führt berechtigterweise zu Aufruhr und Zorn.

Maßgeblich wird letztlich sein, wer als erster die Spirale der Gewalt durchbricht, wer eine Verletzung seiner Interessen und auch Tote hin- nimmt, ohne sofort zu einem Vergeltungsschlag auszuholen. Israel hat mit

46 IGH, Advisory Opinion (Anm. 3), Tz. 138 f. 47 Vgl. zur gegenwärtigen Lage auch R. Korobkin/J. Zasloff, Roadblocks to the Road

Map: A Negotiation Theory Perspective on the Israeli-Palestinian Conflict after Yasser Arafat, Yale Journal of International Law 30 (2005), S. 1 ff.

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Die israelischen Militäraktionen im Libanon 479

dem Rückzug aus dem Libanon 2000 und aus dem Gaza-Streifen 2005 zwei Schritte in Richtung einer Lösung unternommen. Die viel problema- tischere Situation im West-Jordanland und vor allem auch die Zukunft Je- rusalems dämpfen optimistische Erwartungen jedoch erheblich. Die ge- waltsame Eskalation im Sommer 2006 hat die Konfliktparteien um Jahre zurückgeworfen. Das Interesse Israels an sicheren Grenzen und einer ef- fektiven Terrorismusbekämpfung ist nur zu verständlich. Die palästinen- sische Führung ist gut beraten, wenn sie sichtbare Maßnahmen gegen ter- roristische Gruppen unternimmt und sich zu deren Bekämpfung gemein- sam mit Israel verpflichtet. Die Durchsetzung der bereits verabschiedeten UN-Sicherheitsratsresolutionen könnte den Weg ebnen, um beispielsweise auf der Basis der sog. Road Map oder auch der Genfer Initiative eine Lö- sung zu entwickeln, die den Interessen der Palästinenser ebenso gerecht wird wie denen Israels. Dass diese Lösung ein schmerzhafter Kompromiss für alle Beteiligten sein wird, liegt dabei auf der Hand.

Sebastian Weber Wiss. Mitarbeiter am Institut für Internationale Angelegenheiten, Universität Hamburg (Lehrstuhl Prof. Dr. Stefan Oeter)

Summary

The current essay refers to the anew forcible clashes in and with Israel in the summer of 2006. Israel reacts to the killings of eight and the hijacking of two more soldiers by Hez- bollah forces near the Northern border to Lebanon and the hijacking of another soldier by a militant Palestinian group in the Gaza strip with massive military action in Lebanon and the occupied Palestinian territories.

The military acts by Hezbollah can be classified as armed attacks by a non-State actor. In such a case, material criteria should be crucial to determine whether or not military ac- tion activates the right of self-defence. Israel was, therefore, entitled to defend itself within the limits of the inherent right of individual and collective self-defence (Art. 51 UN-Char- ter). Lebanon itself was, however, responsible for Hezbollah's attacks as well. Breaching its obligation to disarm Hezbollah - imposed by United Nations Security Council resolution 1559 (2004) - Lebanon lays down a conditio sine qua non for the armed attack of Hezbol- lah. Hence Lebanon was committed to tolerate Israel's necessary measures of self-defence. Accordingly, Israel was allowed within the limits of humanitarian law, in particular the rules of methods and means of combat, to defeat the operating forces of Hezbollah, to destroy their weapons and ways of supplies. Furthermore, Israel was permitted to try to liberate the hijacked soldiers. From the outset, the bombings of Beirut's airport and of the connecting paths to Syria as well as the blockage of sea routes did not exceed its right of self-defence. Such ways of supplies assumed, those measures were at least capable of achiev- ing a military advantage for the necessary self-defence against Hezbollah. But Israel ex- ceeded the limits of self-defence and the principle of proportionality. With the bombings of residential quarters of Beirut, small towns and villages, the disproportional deletion of infrastructure and community institutions, Israel breached the rules of humanitarian law, in particular the provisions dealing with protection of civilians. With the adoption of reso- lution 1701 (2006) the United Nations Security Council has taken the measures necessary

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to maintain international peace and security. After the implementation of the enlarged UNIFIL-forces in Lebanon, Israel is meanwhile no longer entitled to take actions of self- defence in Lebanon.

Israel's measures in the occupied Palestinian territories are governed by the law of bel- ligerent occupation. The occupying power is bound to assure the public security and order, insofar to prevent terrorist attacks. For this purpose, Israel must utilise its police forces and resort to measures of criminal prosecution. A recourse to the general right of self- defence is barred, because in this case, the laws of belligerent occupation are leges spéciales. As long as an occupying power exercises effective control over the occupied territory, com- prehensive measures of military forces are, therefore, prohibited. In view of the factual control over the Gaza strip, these limits are still in force for Israel - in spite of the with- drawal in 2005. Within these limits, Israel was entitled to secure its civil population by de- stroying missiles and combating terrorist groups. Furthermore, Israel was, of course, al- lowed to undertake actions aiming at liberating the hijacked soldier; however, outreaching military measures, in particular the destruction of infrastructure in Gaza, breach the law of belligerent occupation.

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