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Die Ökonomie neu denken Eine kritische Analyse einiger Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Die Analyse der Ursachen für die seit 25 Jahren ungelösten Probleme Ansätze für eine systematische Lösung der Probleme Vorschläge für konkrete Lösungsschritte von Franz Groll, Gechingen, Mai 2006 Autor des Buches „Wie das Kapital die Wirtschaft ruiniert – Der Weg zu einer ökologisch-sozialen Gesellschaft“ Seit einem Vierteljahrhundert haben wir in der Wirtschaftspolitik die gleichen Probleme: Arbeitslosigkeit, Staatsverschul- dung und Überforderung der Ökosysteme. Zusätzlich müssen wir uns auf die Bewältigung des demographischen Wandels vorbereiten. Von der Lösung dieser Probleme sind unsere Politiker und die Wirtschaftswissenschaften weit entfernt; im Ge- genteil, die Probleme werden von Jahr zu Jahr größer. In diesem Aufsatz werden wichtige Schritte zur Bewältigung der Probleme aufgezeigt. Um die Lösungsvorschläge besser zu verstehen, werden zuerst wichtige volkswirtschaftliche Grundlagen erörtert. Dabei wird auch klar, weshalb die neolibe- rale Politik mit Steuersenkungen, Privatisierungen, Sozialabbau und grenzenloser Globalisierung erfolglos war und erfolglos bleiben wird.

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Die Ökonomie neu denkenEine kritische Analyse einiger Grundlagen der Volkswirtschaftslehre

Die Analyse der Ursachen für die seit 25 Jahren ungelösten Probleme

Ansätze für eine systematische Lösung der Probleme

Vorschläge für konkrete Lösungsschritte

von Franz Groll, Gechingen, Mai 2006Autor des Buches

„Wie das Kapital die Wirtschaft ruiniert – Der Weg zu einer ökologisch-sozialen Gesellschaft“

Seit einem Vierteljahrhundert haben wir in der Wirtschaftspolitik die gleichen Probleme: Arbeitslosigkeit, Staatsverschul-dung und Überforderung der Ökosysteme. Zusätzlich müssen wir uns auf die Bewältigung des demographischen Wandels vorbereiten. Von der Lösung dieser Probleme sind unsere Politiker und die Wirtschaftswissenschaften weit entfernt; im Ge-genteil, die Probleme werden von Jahr zu Jahr größer.

In diesem Aufsatz werden wichtige Schritte zur Bewältigung der Probleme aufgezeigt. Um die Lösungsvorschläge besser zu verstehen, werden zuerst wichtige volkswirtschaftliche Grundlagen erörtert. Dabei wird auch klar, weshalb die neolibe-rale Politik mit Steuersenkungen, Privatisierungen, Sozialabbau und grenzenloser Globalisierung erfolglos war und erfolglos bleiben wird.

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� DieÖkonomieneuDenken

Inhaltsübersicht� Seite

1.�Die�kritische�Analyse�einiger�Grundlagen�����der�Volkswirtschaftslehre

• DiefalschverstandenenLehrmeister 3

• AuchMeisterkönnensichirren 4• BildungundnatürlicheRessourcen,dieGrundlagen

desWohlstandesderMenschen

• ErforderlichesGleichgewichtvonSparenundKonsumieren 6• NeoliberaleUmverteilung• KaputtsparenfürdieAltersvorsorge• KapitalgehtwegenÜberliquiditätansAuslandverloren

• WelcheFunktionhatGeld? 7• Tauschen,aufbewahren,überbrücken• GrenzenderAufbewahrungsfunktion

• Zukunftsinvestitionensindnotwendig 8• WassindZukunftsinvestitionen• DieSpeicherungvonLeistung• FinanzierungderInvestitionenmitStaatsschulden

–eineMogelpackung• WirmüssenmehrindieZukunftinvestieren• AuswirkungenderFinanzierungderInvestitionen

aufdiewirtschaftlicheEntwicklung

• DiegrenzenloseGlobalisierungführtzuLohndumping undAusbeutung 10

• Fazit 11

2.�Die�systematische�Lösung�der�Probleme• DiezulösendenProbleme 1�

• DieStaatsverschuldung

• ZukunftsinvestitionenzurÜberwindungderArbeitslosigkeit

• DieBewältigungdesdemographischenWandels

• IstderdemographischeWandelwirklicheinProblem?

• DieökologischeVerantwortung

• DasLösungskonzept

• DieerforderlichenVeränderungen 14 • DenRohstoffeinsatzstattdieArbeitrationalisieren • OrdnungspolitischeMaßnahmen • MitSteuernsteuern • DasKonzeptderRessourcensteuer • DiegerechteWeltwirtschaftsordnung • Die„kleineGlobalisierung“innerhalbderEU • StagnationtrotzÜberliquidität–UmverteilungtutNot • AuchArbeitszeitverkürzungisterforderlich • ZukunftsinvestitioneninMenschenandererLänder

• EineandereWeltistmöglich �0 • Wasnochfehlt:AuswegeausderspätkapitalistischenKrise

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DiefalschverstandenenLehrmeister

Adam Smith ist wohl der wichtigste Lehrmeisterder kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Ökono-mie. Auf ihn geht die Überzeugung zurück, dassdas freie Spiel der Marktkräfte, also das Wirkendieser„unsichtbarenHand“,wieesSmithnannte,ambestenundschnellstendenNationenzuWohl-standverhelfenwird.

AuchfürdieheuteallgemeinanerkannteÜber-zeugung,dassdasKapitaldort eingesetztwerdenmuss,woderhöchsteGewinnerzieltwird–undseiesinderSpekulation–beruftmansichaufSmith.Wer aber Smiths Buch „Der Wohlstand der Nati-onen“ liest, wird feststellen, dass Smith das garnicht gesagt hat. Ich zitiere die dazu wichtigstenPassagen: „Dereinzelneiststetsdaraufbedacht,her-

auszufinden,woerseinKapital,überdaserverfügt,sovorteilhaftwienurirgendmöglicheinsetzenkann.UndtatsächlichhaterdabeideneigenenVorteilimAugeundnichtetwadenderVolkswirtschaft.AbergeradedasStrebennachseinemeigenenVorteilistes,dasihnganzvonselbstodervielmehrnotwendigerweisedazuführt,seinKapitaldorteinzusetzen,woesauchdemganzenLanddengrößtenNutzenbringt.Erstensisteinjederbestrebt,vielvonseinemKapitalmöglichstindernächstenUm-gebungundfolglichzurUnterstützungdesein-heimischenGewerbeszuinvestieren,natürlichimmervorausgesetzt,erkanndamitdieüblicheKapitalverzinsung,zumindestnichtvielweni-geralsdiese,erzielen.[…]Wieichaberbereitsdargelegthabe,führteinKapitaleinsatzimBinnenhandelzueinerstärkerenWirtschafts-belebungimLandeunderhöhtEinkommenundBeschäftigungfürweitausmehrMenschen,alsdiesbeigleichhoherInvestitionimAußenhan-delderFallwäre.[…]Zweitenswirdjeder,derseinKapitalzurUnterstützungdereigenenVolkswirtschaftinvestiert,notwendigerweisebestrebtsein,diewirtschaftlicheAktivitätsozulenken,dassihrErtragdengrößtmöglichenWerterzielenkann.“

AdamSmithbefürwortetalsoprimärInvestitionen im eigenen Land. Erfährtfort: „DerErtrageinerjedenErwerbstätigkeitistder

zusätzlicheWert,deneinGegenstandodereinRohstoffdurchsieerlangt.Jenachdem,obnunderWertdiesesErtragesgrößeroderkleinerausfällt,istauchderGewinndesUnternehmershöheroderniedriger.DaaberjederMenschKa-pitalzurUnterstützungeinesErwerbsstrebensnurmitAussichtaufGewinneinsetzt,wirderstetsbestrebtsein,eszurHilfefürsolcheEr-werbeanzulegen,derenErtragvoraussichtlichdenhöchstenWerthabenwirdoderfürdenerdasmeisteGeldoderdiemeistenanderenWarenbekommenkann.[…]Wenndaherje-dereinzelnesovielwienurmöglichdanach

trachtet,seinKapitalzurUnterstützungdereinheimischenErwerbstätigkeiteinzusetzen,unddadurchdiesesolenkt,dassihrErtragdenhöchstenWertzuwachserwartenlässt,dannbe-mühtsichauchjedereinzelneganzzwangsläu-fig,dassdasVolkseinkommenimJahrsogroßwiemöglichwerdenwird.TatsächlichförderterinderRegelnichtbewusstdasAllgemeinwohl,nochweißer,wiehochdereigeneBeitragist.Wenneresvorzieht,dienationaleWirtschaftanstattdieausländischezuunterstützen,denktereigentlichnurandieeigeneSicherheit,undwennerdadurchdieErwerbstätigkeitsoför-dert,dassihrErtragdenhöchstenWerterzielenkann,strebterlediglichnacheigenemGewinn.Underwirdindiesemwieauchinvielenande-renFällenvoneinerunsichtbaren Hand gelei-tet,umeinenZweckzufördern,denzuerfüllenerinkeinerWeisebeabsichtigthat.“

Adam Smith geht also davon aus, dass stets dortder höchste Gewinn erwirtschaftet wird, wo diehöchste Wertschöpfung erreicht wird. Dies istaber nie in der Spekulation der Fall, hier werdennämlich überhaupt keine zusätzlichen Werte ge-schaffen,eswirdnurBesitzvoneinerodervielen„Taschen“ in eine andere „Tasche“ verschoben.Meistens werden dabei Gewinne privatisiert undVerluste sozialisiert, also der gesamten Gesell-schaft aufgebürdet. Diese Verwendung des Kapi-talswarfürSmithnochundenkbar.DerderzeitigeSpätkapitalismus ist auf dem besten Weg, sichselbstzuzerstören,dasfürchtetinzwischenselbstGeorge Soros, der erfolgreichste Spekulant derNachkriegszeit und Autor des Buches: „Die KrisedesglobalenKapitalismus“.

David Ricardo ist ebenfalls ein bedeutenderLehrmeisterderÖkonomie.ErwirkteAnfangdes19. Jahrhunderts. Von ihm stammt das Theoremvonder Nutzung des komparativen Kostenvorteils, mitdemheutediegrenzenloseGlobalisierungbe-gründetwird.Ricardohattesichüberlegt,wiemanmit den begrenzt vorhanden Produktionsfaktoren–imherkömmlichenSinnealsoKapital,ArbeitundBoden-,mannenntsieauchdieknappenGüter,ein�Maximum�an�Wertschöpfung�erreichenkann.

Die im jeweiligen Zeitabschnitt maximal mög-licheWertschöpfungkannnurdannerreichtwer-den, wenn die vorhandenen Produktionsfaktorenbestmöglichgenutztwerden.FürdenProduktions-faktor Arbeit bedeutet das, dass keine Arbeitslo-sigkeitherrscht.FürdiesenFallhattesichRicardoüberlegt, könne man im internationalen Verbunddie Wertschöpfung noch steigern, wenn man diekomparativen Kostenvorteile, besser ausgedrückt:die komparativen Produktivitätsvorteile des je-weiligenLandes,nutzt.

Ricardo meinte damit nicht, dass ein Produktdort herzustellen ist, wo das niedrigste Lohnni-veau herrscht, (zu seiner Zeit waren die Löhneüberallniedrig), sonderndort,woesmitdemge-ringstenEinsatzanProduktionsfaktoren,alsomitderhöchstenProduktivität,möglichist.DieWert-schöpfung wird dann maximiert, wenn sich jeder

1. Die kritische Analyse einiger Grundlagen der Volkswirtschaftslehre

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aufdasspezialisiert,woerimVergleich(kompara-tiv)mitanderenseinepersönliche–nichtnotwen-digerweisedieabsolute–Bestleistungerzielt.

IchwilldasaneinemBeispielerklären:Nehmen wir an, in einer Schlosserei arbeiten

zweiMitarbeiter.EinerdavonistinallenArbeitenspitze.DerZweiteistinallenTätigkeitenweitun-terlegen,beimSchweißenerbringteraberakzep-tableLeistungen.

WennsovielAufträgevorliegen,dassfürbeideMitarbeiter genügend Arbeit da ist, also Voll-beschäftigung herrscht, dann wird der Meisternicht beide Mitarbeiter alle Arbeiten verrichtenlassen,sonderndenschwächerenMitarbeiterbeimSchweißeneinsetzen,undfürdieübrigenArbeitendenLeistungsträger,dannerzieltereinMaximumanAusbringung.

IndiesemKontextistRicardosTheoremzuver-stehen.

Ricardos Theorem wird heute völlig falsch an-gewandt,weilnirgendsVollbeschäftigungherrschtund durch die Verlagerung von Arbeitsplätzenhäufig nicht mehr produziert wird, sondern nurbilliger,weil eine teurereArbeitskraftdurcheinebilligerearbeitsloseArbeitskraftersetztwirdunddie teurere Arbeitskraft arbeitslos wird. Das ZielvonRicardosTheorem,nämlichdieWertschöpfungzu steigern–unddamitdenWohlstand–wird sonichterreicht.

Sowohl Adam Smith, wie auch David Ricardowerden – bewusst oder unbewusst – falsch inter-pretiert und so verfälscht für die Durchsetzungeiner verhängnisvollen Wirtschaftsordnung als„Zeugen“missbraucht.Wirdürfenunsdahernichtwundern,dassdiegrenzenloseGlobalisierungdieversprochenenVerheißungennichterfüllthatundauchweiterhinnichterfüllenwird.

John Maynard Keynes wirkte von 19�6 bis zuseinem Tod 1946. Er war ein sehr einflussreicherÖkonom und der Keynesianismus war bis in die70er Jahre die prägende Volkswirtschaftslehre.1936 veröffentlichte er sein Hauptwerk, das BuchAllgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Darin widerspricht er unter an-deremderbisdahinvonderklassischen,liberalenVolkswirtschaftslehreundvonderNeoklassikvor-getragenenÜberzeugung,dassdas freieSpielvonAngebot und Nachfrage alle Marktsegmente op-timal steuere. Der Kapitalmarkt würde über denZins, der Arbeitsmarkt über die Löhne und derGütermarktüberdiePreisestetsimGleichgewichtgehalten.

DieserGlaubeandieSelbstregelungskräftedesMarktes kam nach der Weltwirtschaftskrise von19�9 und der anschließenden lang anhaltendenDepressioninsWanken.Keyneszeigteauf,dassesfalschist,wennbeiArbeitslosigkeitdieLöhnesin-ken, weil das die Nachfrage zusätzlich schwächt,und die Gefahr besteht, dass aus einer RezessioneineDepressionwird.ErempfahlfürsolcheSitu-ationen,inderdieKonjunkturdurchinterneoderexterne Störungen und Irritationen ins Stockengerät,einaktivesEingreifendesStaates,biswiedereine normale Entwicklung erreicht ist. Der Staatmüsse in diesen Situationen antizyklisch durch„deficitspending“,alsodurcheinevorübergehendestaatliche Verschuldung, den Konjunktureinbruchausgleichen.

Esistäußerstbedauerlich,dassKeynesmeistenssointerpretiertwird,alswärediesseineEmpfeh-

lung für alle Konjunkturschwächephasen. Endedes �. Weltkrieges wurde Keynes in eine Berater-kommissionberufen,diederenglischenRegierungEmpfehlungenfürdieNachkriegsökonomieausar-beitenmusste.IndieserAufgabesagteKeyneseineEntwicklungin3Phasenvoraus:1.StürmischerAufbaumitvielInvestitionenund

hohenWachstumsraten.�.EineÜbergangsphase,inderesimmerwieder

zuKonjunktureinbrüchenkommenkann.FürdiesePhaseempfahlerdieStabilisierungdurcheinestaatliche,antizyklischeFiskalpolitik.

3.EinePhasederSättigung.FürdiesePhasegabKeynes,außereinerkräftigenArbeitszeitver-kürzung,keineEmpfehlungab.ErwarderMei-nung,dassdieRegierungengutberatensind,wennsieindieserPhaseaufdenSachverstandderÖkonomenhören,diebisdahingenügendErkenntnissegesammelthabenwerden,ummitdieserSituationfertigzuwerden.

Leider hat sich Keynes an dieser Stelle gehöriggetäuscht,dennwirbefindenunsseit�5Jahrenindieser3.PhaseunddieÖkonomenhabennochim-mernichtdieadäquateLösungvorgeschlagen.Dieneoliberalen Marktfundamentalisten – das ist diegroßeMehrheitderÖkonomen–setzenwiederwieim18.und19.JahrhundertaufdasfreieSpielderMarktkräfte, und einige wenige, die nach meinerMeinung Keynes falsch interpretieren, singen dashoheLiedderStaatsverschuldung,invölligerVer-kennungderTatsache,dassdieseMethodenurfürdenAusgleicheineskurzenSchockseintauglichesMittel ist,undnur indiesemZusammenhangvonKeynesempfohlenwurde,nichtaberals einDau-erzustandineinerSättigungsphaseinderwirunsheutebefinden.

Auchmeisterkönnensichirren

Bildung�und�natürliche�Ressourcen,��die�Grundlagen�des�Wohlstandes�der��Menschen

Wieeingangsschonerwähnt,hatAdamSmithdasKapital, die Arbeitskräfte und den Boden als dieProduktionsfaktoren definiert, von deren Verfüg-barkeitdasVolkseinkommenunddamitderWohl-standderMenschenabhängigist.DieseDefinitionhatimWesentlichenbisheuteGültigkeit,nurdassderBodenmeistensnichtmehralsProduktionsfak-torgenanntwird,dafürwirdaberder technischeFortschrittalsdritterProduktionsfaktorbetrach-tet. Interessant ist, dass Smith ursprünglich auchdie Zugtiere als einen vierten Produktionsfaktoransah, dann aber bemerkte, dass diese mit denProduktionsfaktorenArbeit,fürdieAufzucht,undBoden, für die Weide, hinreichend definiert sindunddaherkeineneigenständigenProduktionsfak-tor darstellen. Viel gravierender ist nach meinerMeinung, dass er, neben Arbeit und Boden, dasKapital als Produktionsfaktor, also als knappesGut definiert hat und diese Definition bis heuteunangetastetblieb.

MeineTheselautet:Alles was geschaffen und produziert wird, be-

steht aus natürlichen Ressourcen, die von Men-schenmitWissenundpraktischenFähigkeitenzueinemProduktgeformtwerden.

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Ein Haus, eine Maschine, ein Spielzeug, alleswird von Menschen aus Rohstoffen hergestellt.AuchfürDienstleistungensinddiesebeiden»Pro-duktionsfaktoren« Arbeit (oder der Mensch) unddienatürlichenRessourcenerforderlich.

In jedem Produkt sind diese Produktionsfak-toren gebunden, sie können nicht wieder zurück-gegebenwerden.MancheeingesetztenMaterialiensind zwar wieder verwertbar. Wenn sie für etwasanderes verwendet werden, dann ist aber das ur-sprünglicheProduktnichtmehrvorhanden.

Diese beiden Produktionsfaktoren werden alsofür die Bereitstellung eines Produktes verbrauchtundkönnendeshalbtatsächlichknappwerden.

Kapital(fürInvestitionenverfügbaresGeld)da-gegenistnichtBestandteildesProduktes.Eswirdsamtdem„Ausleihlohn“,alsodemZins,ganzdemBesitzerwiederzurückgegeben.Eswirdalsonicht�verbraucht, im Gegenteil, es wird bei seiner Nut-zungsogarvermehrt;

und� was� nicht� verbraucht� wird,� kann� auch� gar�nicht�knapp�werden!

Wenn die Produktion oder die BereitstellungvonDienstleistungenausgeweitetwerden,alsodasBruttoinlandsprodukt (BIP) steigt und deshalbmehrKapitalbenötigtwird,dannwirdesvonderNotenbankausdemNICHTSgeschaffen.

EsistkeinknappesGut,keinProduktionsfaktor,esübtnureineÜberbrückungsfunktionaus,damitdie Produktionsfaktoren Arbeit und natürlicheRessourcenoptimaleingesetztwerdenkönnen.

Auch das Realkapital (also Maschinen etc.) be-steht aus den Produktionsfaktoren Arbeit undnatürlicheRessourcen(wiedieZugtiereausArbeitundBoden).Investitionensindalsonichtsanderesals der vorweggenommene Einsatz der Produkti-onsfaktorenArbeitundnatürlicheRessourcen.ImRealkapitalistLeistung,diebereitserbrachtwur-de,gespeichert.

IchnennedasRealkapitalaucheinenSekundär-Produktionsfaktor.

IndiesemZusammenhangmöchteichnochdar-aufhinweisen,dassauchInvestitionenindieInfra-struktur und die politische und soziale StabilitäteinesLandesSekundär-Produktionsfaktorensind;essindwichtigeVoraussetzungenfürdieProsperi-tätderWirtschaft.

Kapital spieltbeiderEntstehungdesVolksein-kommens eigentlich nur eine zweitrangige Rolle.Daskönnenwirunsgarnichtmehrvorstellen,weilwirdasKapitalalsden Machtfaktorerleben.DieseMachthatesabernur,weilwirmeinen,esstündeihm zu und weil uns mit Erfolg eingeredet wird,dassesderwichtigsteProduktionsfaktorsei,jaeswirdsogargesagtundgeglaubt,dassderProduk-tionsfaktor Arbeit durch den ProduktionsfaktorKapitalersetztwerdenkönne,waseinganzgroßerFehlerist.Arbeit�kann�nicht�durch�Kapital�ersetzt�werden,� wir� können� nur� die� Arbeit� durch� unsere�Intelligenz�produktiver�machen.�Dazu�müssen�wir�die� Produktionsfaktoren� Arbeit� und� natürliche�Ressourcen� in� Investitionen,� in� Realkapital� „spei-chern“�und�dafür�benötigen�wir�Kapital�als�Über-brückungshilfe.

Von wo das Kapital kommt, ist für den wirt-schaftlichen Ablauf gar nicht entscheidend. Eskann zeitgleich gespart, oder bei Wachstumsin-vestitionen von der Notenbank aus dem NichtsgeschöpftundzurVerfügunggestelltwerden.FürdenwirtschaftlichenAblaufistesvölliggleichbe-

deutend,obKapitalvonausländischen Investorenoder von der Notenbank kommt. Oft ist es sogarso,dassdie (häufigausländischen) Investorengarkein eigenes Kapital investieren, sondern Krediteaufnehmen(dieauchgeschöpftesGeldvonderNo-tenbankseinkönnen),unddanndiesezusätzlicheKostenbelastungvonderBelegschaftdurchzusätz-licheLeistungabarbeitenlassen.

Der einzige (aber erhebliche) Unterschied zwi-schenderKapitalbereitstellungdurchausländischeInvestorenundderFinanzierungvonInvestitionendurch Kapital der eigenen Zentralbank bestehtdarin, dass die Zinsen im 1. Fall an die privatenInvestorengehen, indiesemFallalso insAuslandundim�.FallüberdieZentralbankandenStaat(sofern die Zentralbank nicht auch schon privati-siert ist). Die Kaufkraft bleibt also im �. Fall imInland.

Für das Funktionieren dieser Selbstfinanzie-rung der Investitionen mit geschöpftem KapitalmüssendreiBedingungenerfülltwerden:1.MitdemzusätzlichenKapitaleinsatzmussein

entsprechenderGegenwert(Realkapital)ge-schaffenwerden.

�.DieInvestitionmusszueinerzusätzlichenWertschöpfungführen,diedemWertdesneuinUmlaufgebrachtenGeldesentspricht.

3.DasdurchdieInvestitioninUmlaufgebrachteGeldmusssolangedurcheineangemesseneSparrate„geparkt“werden,bisdiezusätzlichenProdukteoderDienstleistungenverfügbarsind,andernfallshättedieAusweitungdesGeldum-laufseineinflationäreWirkung.

Interessant ist, dass Südkorea genau mit dieserMethode seine Entwicklung bis 1993 selbst fi-nanziert und innerhalb von 30 Jahren sein Pro-Kopf-Einkommen um über 800 % gesteigert hat.DieSparratederprivatenHaushaltebetruginderAufbauphasebiszu30%.

Mit diesen Erkenntnissen wird klar, dass derWohlstandderMenschennichtvonhohenGewin-nen und der Kapitalakkumulation abhängig ist,undschongarnichtvonderAkkumulationindenHändenwenigerKapitalbesitzer,sondern:Der�Wohlstand�ist�allein�abhängig�von:• Der�bestmöglichen�Ausbildung�der�Menschen,• dem�kontinuierlichen�Erhalt,�also�der�Regenera-

tion�der�Arbeitskräfte�und�• der�vollständigen�und�bestmöglichen�Nutzung�

der�angebotenen�menschlichen�Arbeitskraft,�so-wievon

• der�Sicherstellung�der�dauerhaften�Verfügbar-keit�der�natürlichen�Ressourcen.DiessinddieFundamentefürdenWohlstandder

Menschen,ohnediesebeidenProduktionsfaktorenkannnichtsproduziertwerden.

EsgibtdaherkeinenGrundsichvondenKapi-talbesitzernunterDrucksetzenzulassen.

SirWilliamPetty,einenglischerArztundÖko-nom,lebte100JahrevorAdamSmith.SeineTheselautet:„DieArbeit istderVaterunddieNatur istdie Mutter des Wohlstandes der Menschen.“ Die-se Aussage deckt sich zu 100 Prozent mit meinerThese,dassnur die Arbeit und die natürlichen Res-sourcen Produktionsfaktoren sind. Ich bin über-zeugt, dass diese Erkenntnis, wenn sie in unserDenken Eingang gefunden hat, unser politischesHandelngrundlegendverändernwird.

Eswäreinteressantzuwissen,welcheEntwick-lungen die Wirtschaft und die Gesellschaft ge-

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nommenhätten,wennsichdieThesenvonWilliamPettydurchgesetzthättenundnichtdievonAdamSmith.

erforderlichesGleichgewichtvonSparenundkonsumieren

Arbeitskräfte können entweder dazu eingesetztwerden, um ein Konsumprodukt beziehungsweiseeine Konsum-Dienstleistung zur Verfügung zustellen, sie können aber auch dazu dienen, dievorhandenen Kapazitäten des Realkapitals aus-zuweiten, um dadurch die Produktivität der Pro-duktionsfaktoren zu steigern oder neue ProdukteundVerfahrenzuentwickeln.ImerstenFalldientihrEinsatzderdirektenBefriedigungvonBedürf-nissen,imzweitenFallsindesVorleistungen,alsoInvestitionen, um den Wohlstand in der Zukunftzusteigern.

InvestitionenkönnenvondenUnternehmennurinderHöhegetätigtwerden,wiesiesichdurchspä-tere Verkäufe amortisieren lassen. Wird eine ent-sprechende Nachfrage nicht erwartet, unterbleibtdieInvestition.

Eine� Volkswirtschaft� kann� sich� nur� dann� opti-mal� entwickeln,� wenn� sich� Konsumtion� und� Er-sparnisbildung�so�im�Gleichgewicht�befinden,�dass�das�Sparvolumen� (einschließlich�der�Kreditschöp-fung)� den� geplanten� Investitionen� entspricht,� und�die�Nachfrage�nach�Konsumprodukten�die�vorhan-denen�Kapazitäten�auslastet.�

NachderherrschendenLehrmeinungderVolks-wirtschaft wird dieses Gleichgewicht durch dieZinshöhe erreicht. Dies ist jedoch ein Irrtum, aufdenschonKeyneshingewiesenhat.Wersovielver-dient,dassergarnichtallessinnvollverbrauchenkann, wird unabhängig vom Zins sparen; umge-kehrtkönnenMenschenmitgeringemEinkommenbeimbestenWillennichtsparen,dakannderZinsnoch so hoch sein, sie brauchen alles für den Le-bensunterhalt.

WegendieserEinkommensunterschiedeundderunterschiedlichen Spar- und KonsumpräferenzenderWirtschaftsakteure (ArbeitgeberundKapital-besitzer verwenden das Einkommen überwiegendfürdasSparenbzw. für Investitionen,Arbeitneh-merfürdenKonsum)kanndaserforder-liche Gleichgewicht nur dann erreichtwerden,wenndieAkteuregleichgewich-tigentlohntwerden.Dasheißt:Beizuge-ringerKonsumneigung,wiediesz.Z.derFallist,müssendieunterenundmittlerenNettoeinkommen(zuLastenderKapital-besitzer,UnternehmenundBesserverdie-nenden)angehobenwerden.Zusätzlichistdafür zu sorgen, dass kein „Notsparen“(zum Beispiel zur privaten Altersvorsor-ge)erforderlichist.

Wenn sich dieses Gleichgewicht nichtdurchdieMarktkräfteeinpendelt,istderStaat in der Verantwortung, durch eineangemessene Steuer- und Gesellschafts-politikdiesesGleichgewichtherzustellen.Dies ist in den letzten Jahren nicht er-folgt – imGegenteil!Heute sindwirvoneiner gleichgewichtigen Entlohnung weit

entfernt, und dieses Ungleichgewicht wird durchstaatlicheMaßnahmennochverstärkt.

Neoliberale�Umverteilung

DasUngleichgewichtvonKonsumierenundInves-tieren wird erstens durch die staatlich geförderteUmverteilungvonuntennachoben,alsodurchdieÖffnung der Einkommensschere, gefördert. DiesistdasZielderneoliberalenPolitik,siewirdauchals die angebotsorientierte Politik bezeichnet, imGegensatz zur nachfrageorientierten Politik vonKeynes.DasKonzeptderneoliberalenIdeologieistsimpel,aberfalsch.Eslautet:

Die Politik muss dafür sorgen, dass die Unter-nehmen und Kapitalbesitzer große Gewinne ma-chen und sie müssen steuerlich entlastet werden,dannkönnensieviel investieren,sosteigtdieBe-schäftigung,somitdieNachfrageunddadurchgehtesallenbesser.

DieRealitätsiehtandersaus:DerersteSchrittwurdelehrbuchmäßigverwirk-

licht.DieGewinnesindindenletzten�5Jahrenrealumüber1�0Prozentgestiegen,gleichzeitighatsichderAnteilderGewinnsteuernamgesamtenSteu-eraufkommenhalbiert.DieLöhnedagegensindindenletzten8Jahrenrealum0,9Prozentgesunken,dennochistihrAnteilamSteueraufkommensogargestiegen,undeswurdenSozialleistungengekürzt.EshateinegewaltigeUmverteilungvonuntennachobenstattgefunden.

DieFolgen:Die sinkenden Reallöhne, die geforderte pri-

vate Altersvorsorge und die zunehmende Hand-lungsunfähigkeitdesStaates,miteinerHalbierungder öffentlichen Investitionen von �,8 Prozent desBruttoinlandsprodukts auf 1,4 Prozent und diezurückgehendeöffentlicheBeschäftigung,führtenzu einer Inlandsrezession. Dadurch können dieUnternehmen die Steuergeschenke nicht mehr in-vestieren,weildieNachfragefehlt,dieWirtschaftstagniert.

Die untenstehende Graphik zeigt, dass im Jahr�004 die Kapitalgesellschaften erstmals mehr Fi-nanzierungsmittel hatten als sie investierten. DieSteuerreformhatalsonichtzueinerErhöhungderInvestitionengeführt,sondernzueinerAbsenkung,trotzdesdramatischgewachsenenExports.

Die Folgen der letzten großen Steuerreformbeweisen, dass der neoliberale Ansatz von Grund

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auf falsch ist, weil er nicht berücksichtigt,dass ein Unternehmen nur dann investierenkann,wennesfürdieMehrproduktionauchAbnehmerhat.

Die steuerliche Entlastung der Besserver-dienendenundKapitalbesitzerhatauchdazugeführt,dassdieseprivatmehrsparen.DiesverstärktdieInlandsrezession,weildadurchdie aufgrund der Steuersenkung zurückge-hende Kaufkraft des Staates nicht ausgegli-chenwird.(Abbildungnebenan)

�Kaputtsparen�für�die�AltersvorsorgeDer zweite Grund für das Ungleichgewichtvon Konsumieren und Investieren ist diestaatlich geforderte und geförderte privateAltersvorsorge zurKompensationderdemo-graphischenEntwicklung.Deutschlandhattewie die meisten europäischen Staaten inden 50er und 60er Jahren einen Geburten-überschuss. Nach 1964 ist die Geburtenrateinnerhalb von acht Jahren um 40 Prozentzurückgegangen. Für die Erhaltung der Be-völkerungwären50ProzentmehrGeburtenerforderlichalswirheuteverzeichnen.DiesegeringereRegenerationsleistungführtzuge-ringeren Ausgaben (Zukunftsinvestitionen)inHöhevonetwa70Mrd.€proJahr.DieserBetragfehltbeiderInlandsnachfrage.

Die Folge ist, dass sich in Zukunft dasVerhältnisderAnzahlanErwerbstätigenzuRentnern in kurzer Zeit deutlich verändert.Um die Belastung der geburtenschwachenJahrgängeinGrenzenzuhalten,werdenwiraufgefordert,privatfürsAltervorzusorgen.

Die oben beschriebenen Effekte der aktuellenWirtschafts- und Steuerpolitik der etabliertenParteienwerdendurchdasSparenderaktivenBe-völkerung für die private Altersvorsorge und dasAngstsparen, verursacht durch den SozialabbauunddieAngstumdenArbeitsplatz,zusätzlichver-stärkt.WirsparenunsereWirtschaftkaputt.

Kapital�geht�wegen�Überliquidität�ans�Ausland�verloren

Die Folge der Gewinnüberschüsse der großenUnternehmen, die Steuerentlastungen für Ka-pitaleinkommen und Besserverdienende, sowiedas Sparen für die private Altersvorsorge ist,dassdieBankenfürdieEinlagenihrerKundenimInlandnichtgenügendAnlagemöglichkeitenfindenunddeshalbgroßeMengenanKapitalalsKredite ins Ausland transferieren müssen, dasKreditsaldo ist negativ. (Abbildung Wachstumvs.Kreditsaldo)

SeitderSteuerreform imJahr�000sindaufdieseWeiseinnerhalbvonvierJahreninsgesamt375 Milliarden Euro ins Ausland abgeflossen.Diesisteinweiterer,ganzwesentlicherGrund,weshalb wir heute zu wenig Nachfrage habenunddamitArbeitslosigkeit.

NacheinerSimulationderBundesbankwirdsich diese Situation augrund des demogra-phischenWandelsinderzweitenDekadediesesJahrhunderts noch wesentlich verschlimmern.WirkönnenalsonichtnurfürdieZukunftspa-ren,wirmüssenindieZukunftinvestieren.NurdannerreichenwireineEntlastungdergebur-tenschwachenJahrgänge.

Die Bundesbank hat im Juni-Bericht �001, indem sie diese Problematik behandelte, keine Lö-sungsvorschläge aufgezeigt. Sie hat es auch nurals ein Problem in Deutschland dargestellt. InWirklichkeit ist dies ein europäisches Problem,denn nahezu alle EU-Staaten, mit Ausnahme vonFrankreichundIrland,stehenvoreinemBevölke-rungsrückgang.

DieseSituationmachteserforderlich,dieFunk-tion des Geldes und die Notwendigkeit von Zu-kunftsinvestitionenzuerörtern.

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WelcheFunktionhatGeld?Tauschen,�aufbewahren,�überbrücken�

Geld hat verschiedene Funktionen die für uns sogeläufigundselbstverständlichsind,dasswirgarnichtmehrdarübernachdenken.

Geld istein�Tauschmittel,klar,undeinAufbe-wahrungsmittel,auchklar–oder?Vielleichtistdasdochnichtsoganzklar.JedenfallshatdieAufbe-wahrungsfunktiondesGeldesGrenzen,dieichimnächstenAbschnittaufzeigenwerde.

UndGeldübteineÜberbrückungsfunktionaus.–DieseFunktiondesGeldesistnichtgeläufig.Wieweiter oben bereits dargestellt, ist Geld (Kapital)nichtwiedieArbeitskraftunddienatürlichenRes-sourcen ein Produktionsfaktor der zur Bereitstel-lungeinesProduktesverbrauchtwird, sonderneswirdnurvorübergehendgebrauchtundgehtnacheinigerZeitumdenZinsvermehrtandenKapital-geberzurück.EsübteineÜberbrückungsfunktionaus,umdenEinsatzderProduktionsfaktorenAr-beit und natürlichen Ressourcen zu ermöglichen,bis die Erlöse aus den mit Produktionsfaktorenbereitgestellten Gütern und Dienstleistungen zu-rückströmen.

Die Überbrückungsfunktion des Geldes ist dieaktiveKehrseitederAufbewahrungsfunktion.�

Der Besitz von Geld� kann� auch� als� Anrecht�auf� Leistung definiert werden. Ich erbringe eineLeistung,erhaltedafüreinenangemessenenGeld-betrag, für den ich wieder eine andere Leistunganfordernkann.Wenn ich jetztnichtmitmeinemgesamten,laufendenEinkommenandereLeistun-gen anfordern will, dann müssen das andere fürmich tun. Ich benötige also einen Kreditnehmer,deranmeinerStattdieLeistungenandererWirt-schaftsteilnehmer nachfragt. Findet sich dieserKreditnehmer nicht, oder wird das Geld gehortetoder spekulativ in „Finanzprodukte investiert“,dannmussdieszuArbeitslosigkeitführen,weilmitdiesemEinkommenkeineentsprechendeLeistungnachgefragtwird,unddeshalbauchkeineentspre-chende Wertschöpfung entstehen kann, denn jedeDienstleistung und auf die Dauer jedes Produktkann nur dann bereitgestellt werden, wenn sie/esvonjemandemangefordertwird.

Grenzen�der�Aufbewahrungsfunktion

Damit werden die Grenzen der Aufbewahrungs-funktionklar.Eskannnursovielgespartwerden,wie sich Kreditnehmer finden, die das Geld derSparer in die Wirtschaft zurückgeben. Jede Hor-tungundjedespekulativeVerwendungdesGeldesführt zwangsläufig zu einer Verringerung derWertschöpfung,alsodesgeschaffenenMehrwertesvon Gütern und Dienstleistungen. Und da derWohlstand abhängig ist von der Höhe der Wert-schöpfung,führtdieHortungunddie„Investition“von Kapital in spekulative „Finanzprodukte“ zueinemgeringerenWohlstand,denneswirddadurchseine Investition in die reale, Werte schaffendeWirtschaft verhindert. In der Spekulation dage-gen werden keine Werte geschaffen, es wird nurGeldvermögen von einer oder vielen Taschen ineineandereTascheverschoben,undeswirddurchplatzende Spekulationsblasen die Wirtschaft de-

stabilisiert.DassinddieAuswirkungendesKasi-nokapitalismus.

Die� neoliberale,� angebotsorientierte� Politik,� die�davon� ausgeht,� dass� Gewinnsteigerungen� der� Un-ternehmen�und�Kapitalakkumulation�per�se�immer�gut� sind,� und� die� deshalb� dafür� gesorgt� hat� und�weiterhin� dafür� sorgt,� dass� dieses� Ziel� erreicht�wird,� ist� ein� wesentlicher� Grund,� weshalb� wir�wirtschaftlich�in�die�Sackgasse�geraten�sind.�Denn�inzwischen�werden�diese�Gewinne�immer�mehr�au-ßerhalb�der�realen�Wirtschaft�„investiert“.

Die� Schlussfolgerung� daraus� ist,� dass� wir� in�dem� Maße,� in� dem� wir� glauben� sparen� zu� sollen,�auch�Investitionen�in�der�realen�Wirtschaft�tätigen�müssen;�andernfalls� sparen�wir�unsere�Wirtschaft�kaputt.

Zukunftsinvestitionensindnotwendig

Was�sind�Zukunftsinvestitionen

DieForderungnach (mehr)Zukunftsinvestitionenhörtmanimmeröfters.AberwassindZukunftsin-vestitionen?

Wennz.B.eineSpeditioneinenneuenLKWan-schafft, – ist das eine Zukunftsinvestition? NachmeinerMeinungnicht.DerLKWwird sofort ein-gesetzt, wird buchhalterisch abgeschrieben, trägtunmittelbarzurErzielungdesBetriebsergebnissesbei und wird nach einigen Jahren wieder ausge-mustert.

Ist die Reparatur der Kanalisation einer Kom-mune eine Zukunftsinvestition? Auch nicht, sieist einenotwendige Erhaltungsinvestition, umdieEntwässerungsicherzustellenundumdieGrund-wasserverschmutzungzuvermeiden.

Von einer Zukunftsinvestition kann man nurdannsprechen,wennwirjetztinetwasinvestieren,wovonwirjedocherstspätereinenVorteilerzielen.DazuzählenganztypischInvestitioneninBildungund Forschung. Volkswirtschaftlich betrachtet istauch die Regenerationsleistung eine „Zukunftsin-vestition“. In unsere Kinder investieren wir vielZeit und Geld, verzichten auf Einkommen undbezahlenSteuern,damitderStaatfürihreBildungSchulen und Universitäten unterhalten kann underst �0 bis �5 Jahre nach der Geburt der Kindersind sie selbst inderLageWerte zu schaffenundaktiveinenBeitragfürdieGesellschaftzuleisten.(Ich bitte zu entschuldigen, dass ich an dieser Stelle die Kinder als volkswirtschaftliche Objekte darstelle. Natürlich haben meine Frau und ich, wie alle Eltern, unsere Kin-der uns nicht aus wirtschaftlichem Kalkül gewünscht. Um aber die Auswirkungen des demographischen Wandels klar zu machen, muss ich dies so technisch darstellen.)

Auch Investitionen in die Rationalisierung� des�Verbrauchs�an�natürlichen Ressourcenunddadurchdie Sicherstellung ihrer dauerhaften Nutzbarkeit,sindZukunftsinvestitionen.EshätteeineVielzahlpositiverAuswirkungenaufunsereWirtschaftssi-tuation, wenn ökologische Technologien noch vielmehr entwickelt werden würden, als dies heuteder Fall ist. Derartige Investitionen zum Beispielin die Bautechnik, Fertigungsverfahren, Kraft-fahrzeugindustrie und Energiegewinnung habenzwarnochkeinendirekten,wohlstandsmehrenden

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Nutzen,undauchnichtdenunmittelbarenNutzenderVerhinderungeinesWohlstandsverlustes,dennfürunssindjanochgenügendRohstoffevorhandenund die Klimaveränderung ist auch noch nichtunmittelbar lebensbedrohlich. Unterbleiben aberdiese Investitionen, dann wird unser Raubbau anderNatur inZukunftzuerheblichenWohlstands-verlustenführen.

Man könnte zwar einwenden, dass wir unsereArbeitskräfte ohne diese Zukunftsinvestition fürdie Bereitstellung von noch mehr Konsumgüternverwenden könnten und so unseren Lebensstan-dartnochmehrsteigernkönnten.WirhabenabernichtgenügendAbnehmerfürzusätzlicheKonsum-güter, vielmehr sehr viele Arbeitslose ohne großeKaufkraft.

WirwärenalsoheuteinderLagenochwesent-lichmehrZukunftsinvestitionenzuerbringenundzwarganzohneWohlstandsverlust,denndieMilli-onenvonArbeitslosenkönnenauchkeineKonsum-güter oder Dienstleistungen schaffen und damitnichtszurWohlstandssteigerungbeitragen.

Die�Speicherung�von�Leistung

Wir Menschen sind nur etwa die Hälfte unsererLebenszeitvollerwerbsfähig;deshalbmüssenwirin der Zeit der Erwerbsfähigkeit nahezu doppeltso viel leisten, wie wir in dieser Zeit selbst ver-brauchen.JedeErwerbsgenerationsorgtselbstver-ständlich für den Lebensunterhalt der „Eltern“,früherinderGroßfamilie,jetztüberdieSozialver-sicherungen,undmitderRegenerationsleistungin-vestiertsieindieZukunft.DieErwerbsgeneration„speichert“quasiüberschüssigeLeistungenindenKindern und sorgt damit dafür, ob bewusst oderunbewusst,dassauch für sie imAlterdieVersor-gunggesichertist.

Die Erbringung dieser „Überschussleistung“während dem aktiven Erwerbsleben ist zwingenderforderlich.DaderFamilien-undGenerationen-(lasten)ausgleich immer stärker über den StaatundnichtmehrüberdieGroßfamiliegeht,gibtesüberhauptkeinenGrundüberdiehoheStaatsquotezujammern.Sieisterforderlichundgerecht,sieisteine Voraussetzung für eine funktionierende soli-darische Gesellschaft. In diesem Licht betrachtetwar auch der so genannte Halbteilungsgrundsatzvom ehemaligen Verfassungsrichter Kirchhof, derbesagt,dassniemandmitmehrals50%besteuertwerdendarf,kritischzuhinterfragen;erwurdejaauchinzwischenvomBVGaufgehoben.Kurzzusammengefasst:• ZukunftsinvestitionensindsolcheInvestitionen,

dieerstspäterzueinerWohlstandsmehrungbzw.zurErhaltungdesWohlstandesführt,oftprofitierterstdienächsteGenerationvondieserInvestition.

• ZukunftsinvestitionenführenalsozueinerEntlastungderkommendenGeneration,unter-lasseneZukunftsinvestitionenmüssenvondernachfolgendenGenerationkompensiertwerden,deshalbmussjedeErwerbsgenerationZukunft-sinvestitionenerbringen.

Finanzierung�der�Investitionen�mit��Staatsschulden�–�eine�Mogelpackung

Sehr langlebige Investitionen, zum Beispiel inöffentliche Infrastruktureinrichtungen, können

ebenfalls als Zukunftsinvestitionen betrachtetwerden. Diese Zukunftsinvestitionen führen abernur dann zu einer Entlastung der kommendenGeneration, wenn sie mit Steuern und nicht mitStaatsschuldenfinanziertsind,dennimFalleeinerFinanzierungmitStaatsschuldenmussdienachfol-gende Generation zusätzliche Leistungen erbrin-gen,umdieGläubigerbefriedigenzukönnen.

Ich möchte das an einem Beispiel erklären:Wenn ich von meinen Eltern ein Haus erbe, dasmiteinerGrundschuldbelastetist,diedemvollenVerkehrswertdesHausesentspricht,dannhabeichvonmeinenElternimGrundegarnichtsgeerbt.Ichmuss dieselbe Leistung erbringen, als würde ichdasHausselbstkaufen.

Oft hört man das Argument, dass der nachfol-genden Generation auch entsprechende Guthabenvererbt werden. DiesesArgument muss näher be-leuchtet werden; folgende Feststellungen sind da-beientscheidend:1.DieStaatsschuldenwerdenanallevererbt,

dieGuthabenabernurandieKindervonEl-ternmitKapitalbesitz.DadurchverstärktdieStaatsverschuldungdasVerteilungsproblemundschreibtesüberJahrzehntefest.Esistso,umimBeispielvonobenzubleiben,alswennmeineElternaußerdemHausauchnocheinGuthabenzuvererbenhatten,dasHausmitderHypothekunddasGuthabenabernichtanalleKinderzugleichenTeilenvererbenwürden,sonderneinemKinddasgesamteGuthabenunddaszu100%verschuldeteHausanbeideKin-der.DannmusseinKindüberJahrzehntedemanderenZins-undTilgungsleistungenentrich-ten.

�.DieStaatsverschuldungistinsteigendemMaßeineAuslandsverschuldung,siebetrugimJahr�00440%.Dasheißt,40%unsererZins-undTilgungszahlungengehennichtanunserenach-folgendeGeneration,sondernanausländischeKapitalgeber.

Dazuwirdargumentiert,dassdieseAuslands-schuldendurchAuslandsguthabenundeinementsprechendenKapitalrückflussmehralskompensiertwerde.Diesistzwarimgesamtengesehenrichtig,nurnutztdiesdenetwa4�%derBevölkerung,diekeineKapitaleinkommenhaben,garnichts–imGegenteil!DurchdenKapitaltransferinsAuslandgingimInlanddieNachfragezurück,dieArbeitslosigkeitwur-dedadurchverstärktunddieEinkommenderNichtkapitalbesitzerzusätzlichgesenkt.

AuchdieAusbildungunsererKinderistkeinevonuns erbrachte Zukunftsinvestition, wenn wir vonihnen verlangen, dass sie zur Finanzierung ihrerAusbildung bei der Erwerbsgeneration Krediteaufnehmen, die sie dann später wieder abarbei-ten müssen. Diese Politik ist ein ExtrembeispielderneoliberalenIdeologie,nachder jederfürsichselbst sorgen muss, sogar schon die Jugendlichen,dienochkeineigenesEinkommenhaben.EsistdieAusgeburtdesneoliberalenGeizes.

Dasselbe ist zutreffend, wenn die Ausbildungder Kinder über Staatsschulden finanziert wird.Auch in diesem Fall müssen sie selbst für die er-haltene Leistung später eine zusätzliche Leistungerbringen,umdieAusbildungskostenunddiean-fallendenZinsenzumindestteilweisezuerstatten.

Vor etwa �0 Jahren hat man begonnen, dieStaatsverschuldung damit zu rechtfertigen, dass

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esgerechtsei,wennlangfristigeInvestitionenauchvondenspäterenNutznießernüberdenSchulden-dienst mitfinanziert werden. Meine Generation(ich bin Jahrgang 43) hat von unseren Eltern einwiederaufgebautesLandpraktischohneSchulden„geschenkt“ bekommen. Und für mein Ingenieur-studiummussteichselbstverständlichkeineStudi-engebührenbezahlen.AußerdemerbrachteunsereElterngenerationmitdemGeburtenüberschussei-neenormezusätzlicheZukunftsinvestition.

Wir haben die Investitionen unserer Eltern oh-ne Staatsverschuldung gerne angenommen, sindselbst abernicht bereit, es ebenso zu tun. IchbingespanntaufwelcheIdeenunsderneoliberaleGeiznochbringt.

Die größte Enttäuschung ist für mich, dassauchsozialeingestelltePersönlichkeitenderWirt-schaftswissenschaft,PolitikerausdemlinkenPar-teienspektrum und Gewerkschaftsführer für dieAusweitungderStaatsverschuldungeintreten.

Wir�müssen�mehr�in�die�Zukunft��investieren

Sind unsere heutigen Zukunftsinvestitionen aus-reichend?DieAntwortaufdieseFrageisteindeu-tig NEIN; unsere Zukunftsinvestitionen sind seitJahrzehntenzugering,unddas istaucheinerderGründe für die Arbeitslosigkeit. Angefangen hates inden70er Jahren.DieErwerbsgeneration der50erund60erJahrehatteeinenÜberschussanZu-kunftsinvestitionen erbracht. Als ihre Kinder insErwerbsalterkamen,hättemanmitdiesemgroßenPotential an gut ausgebildeten jungen MenschenweitereZukunftsinvestitionentätigenkönnenundmüssen. Diese Chance wurde vertan. Stattdessenwurden immer mehr Menschen arbeitslos undkonntensokeineWertschöpfungmehrerbringen.

Die Zukunftsinvestitionen wurden auch durchdie rapide sinkendeGeburtenrate starkreduziert,und anstatt diese sinkende Zukunftsinvestitionanderweitig zu kompensieren, wurden sogar nochverstärkt staatliche Investitionen über Schuldenfinanziert.Unddasobwohlinden80erJahrendieAufwendungen für die Versorgung der Rentner-generation stark sanken, weil ab dieser Zeit dieJahrgänge der Kriegsteilnehmer ins Rentenalterkamen,vondenenvieleimKrieggefallenwaren.

Die in den 80er Jahren beginnende Steuersen-kungsmanie hat die Verschuldung verstärkt undführte zu einer Halbierung der staatlichen Inves-titionen.DiesewenigenInvestitionenwurdenweit-gehendund inmanchenJahrenkomplettüberdieNeuverschuldungfinanziert.

DiePolitikderletzten30Jahreistinallerhöchs-tem Maße selbstsüchtig und verantwortungslos.DiesePolitikhatzudenProblemengeführt,inde-nenwirjetztstecken.

Auswirkungen�der�Finanzierung�der��Investitionen�auf�die�wirtschaftliche��Entwicklung

DieArtderFinanzierungvonInvestitionenhatei-negroßeAuswirkungaufdieweitereEntwicklungunserer Volkswirtschaft. Die Kosten, die für dieBereitstellung von Produkten und Dienstleistun-genanfallen,könneninfolgendeKostenartenein-geteilt werden: Kosten für importierte Rohstoffe,fürPersonal,fürKapitalundGewinne;zusätzlich

sindGebührenundSteuernzuentrichten.KostenfürdieRohstoffe,dieimInlandgefördertwerden,können in die Kategorien Personal- und Kapital-kosten,GewinneundGebühren/Steuernaufgeteiltwerden.

KostenfaktorensindabergleichzeitigauchNach-frager nach Leistungen, jedoch mit unterschied-lichenZielsetzungen.DieArbeitnehmerverwendenden größten Teil ihres Lohnes für den Konsum;Lieferanten von Rohstoffen sind Nachfrager nachKonsum- und Investitionsgüter; und Kapitalge-berundUnternehmenverwendenihreKapitalein-kommenundGewinne in ersterLinie fürweitereInvestitionen.Banal ist,dassEinnahmenausdemVerkauf von Produkten und Dienstleistungen nureinmal ausgegeben, bzw. verteilt werden können.UnddadieVerwendungspräferenzenbeidenver-schiedenen Kostenfaktoren sehr unterschiedlichsind,istdieVerteilungderEinnahmenaufdieKos-tenfaktoren (an anderer Stelle nenne ich sie auchdie Akteure der Wirtschaft) für die EntwicklungderWirtschaftentscheidend.

ImAbschnitt„ErforderlichesGleichgewichtvonSparenundKonsumieren“habeichbereitsdaraufhingewiesen, dass sich eine Volkswirtschaft nurdannoptimalentwickelnkann,wennsichKonsu-mierenundSparensoimGleichgewichtbefinden,dassdasSparvolumendengeplantenInvestitionenentspricht. Von diesem Gleichgewicht sind wirschonheuteweitentfernt,wirhabenÜberliquiditätund zu wenig Inlandsnachfrage. Wenn die Unter-nehmen weiter vor allem in die RationalisierungderArbeitinvestierenunddieseInvestitionenwei-terhin überwiegend mit den Gewinnen und Kre-ditengroßerKapitalgeberfinanziertwerden,dannsteigendieEinkommenausKapitalindenHändenvonwenigenzuLastenderEntlohnungderArbeitweiteranunddamitdasUngleichgewichtzwischenKonsumierenundSparen.

Dieses Verhältnis von Kapital- und Arbeitsein-kommen wird mit der Lohnquote dargestellt. Sieistindenletzten�5Jahrenvon76%auf67%ge-sunken.Dasheißt:Vor�5JahrenlagderAnteilausLohneinkommennochbei76%,heutenurnochbei67%.WährenddamitEinkommenausKapitalzu-nehmenundsomitdasSparvolumen,sinkendannEinkommenausArbeitunddamitderKonsum.

Diese Entwicklung muss ganz zwangsläufig ineineRezessionführen,wennnichtmindestenseineder drei nachfolgenden Veränderungen eintreten,odereineKombinationdaraus:

1.�Breite�Streuung�des�Vermögens�auf�die�gesamte�Bevölkerung.Heutesind50%desBesitzesindenHändenvon10%derBevölkerungund4�%derBevölkerunghabenkeinenKapitalbesitz.

2.�Sinkende�Kapitalrendite(dasheißt,sinkendeGewinneausEigenkapitalundsinkendeZinsenfürKapitalanlagen)oderihresteuerlicheAb-schöpfung

3.�Finanzierung�von�Investitionen�über�Steuern,dievorallemausKapitaleinkommenzuerhebensind.InvestitionenwürdenbeidiesemVorschlagverstärktüberdenStaatfinanziert,sodassbeidenUnternehmendieKapitalkostenniedrigerbleibenwürdenunddadurchmehrGeldfürdieEntlohnungderArbeitsleistungzurVerfügungstünde.

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DiegrenzenloseGlobalisierungführtzuLohndumpingundAusbeutung

InmeinemBucherkläre ichmiteinerParabeldieWirkungen der Globalisierung, ich will sie hierverkürztwiedergeben.

In einem weit abgelegenen Dorf, das sich selbst versorgt, sind alle Preise so berechnet, dass alle Arbeitskräfte gleich viel verdienen, auch die bei-den Schneider Anton und Berthold. Durch einen Unglücksfall muss sich Anton bei Herrn Schmidt verschulden und da er die hohen Zinsen und die Tilgung nicht regelmäßig bezahlen kann, muss er seine Schneiderei an Herrn Schmidt abtreten. Anton wäre mit seiner Familie ohne Einkommen, wenn nicht Herr Schmidt ein Einsehen hätte und ihn und seine ganze Familie als Tagelöhner ar-beiten ließe. Allerdings bezahlt er ihnen nur 10 % des ortsüblichen Lohnes! Er kann daher die Anzüge und Kleider, die der Anton und seine Fa-milie herstellen, konkurrenzlos günstig anbieten. Im Schaufenster steht: „auf alle Kleidungsstücke 20% Rabatt“. Die Geschäfte laufen super und die Schneiderfamilie Anton arbeitet Tag und Nacht. Beim Schneider Berthold bricht der Umsatz ein. Er ist gezwungen, seine Kleider auch um 20 % billiger zu verkaufen, auch er und seine Familie müssen sich mit einem geringeren Verdienst zufrieden geben.

Wir wollen die Folgen dieser Veränderungenkurzanalysieren.

Der Herr Schmidt, der jetzt auch Kleidungstü-cke verkauft, deren Herstellkosten vielleicht aufdieHälftegesunkensind,macht riesigeGewinne.ErlebtinSausundBraus.Undallediejenigen,dienicht unter der Billigkonkurrenz leiden, sparenbeim Kleiderkauf �0 %. Sie können sich dafürandere Produkte zusätzlich kaufen, für die ihnenbisherdasGeldfehlte,odersiekönnenGeldanspa-ren.DieserWohlstandsgewinnbesondersfürHerrnSchmidt, aber auch für die anderen kleinerenNutznießer, geht zuLastenderbeidenSchneider-familienBertholdundAnton.BertholdundseineFamilie müssen sich einschränken, sie verdienenweniger und müssen dafür auf einen Teil desbisherigen Konsums verzichten, für sie sinkt derWohlstand. Noch schlimmer ist es für Anton undseineFamilie.SiekönnensichnurnocheinzehnteldesbisherigenKonsumsleisten,siesindbitterarm.All das, auf das diese beiden Familien verzichtenmüssen,könnendieanderenzusätzlichkonsumie-ren,denneswirdjanochgleichvielproduziert,imGegenteil,AntonundseineFamiliearbeitengernelänger, um sich ihren kargen Lohn etwas aufzu-bessern.

Mit dieser kurzen Parabel und deren AnalysesinddasWesenunddieAuswirkungenderGloba-lisierung erläutert, und es beweistdie Richtigkeitdes Satzes: „Wär ich nicht arm, wärst du nichtreich“;denndadurch,dassvieleaufgrundvonge-ringerEntlohnungaufKonsumverzichtenmüssen,haben andere mehr, einige haben viel mehr undwerdensteinreich.

DasGleichgewichtvonKonsumierenundSparenwird also auch durch die Globalisierung gestört.

Die Unternehmen nutzen die Arbeitslosigkeit unddieLohnkonkurrenzausdenNiedriglohnländern,um damit die Arbeitnehmer und die Gewerk-schaften für Lohnkürzungen und Arbeitszeitver-längerungen gefügig zu machen, und wegen derArbeitsplatzverlagerungen in Niedriglohnländerund der Billigimporte steigt die Arbeitslosigkeitbeiuns.

Dadurch sinkt die Kaufkraft im Inland weiterund somit die Inlandsnachfrage, was das ökono-mischeUngleichgewichtweiterverstärkt.

DieindenNiedriglohnländerngeschaffenenAr-beitsplätzenutzendiesenLändernnursehrwenig,da die Arbeitskräfte so gering entlohnt werden,dass sie ihre eigenen Produkte gar nicht kaufenkönnen; sie werden um den Genuss ihrer eigenenWertschöpfung beraubt.Was sieproduzieren abernichtkaufenkönnen,kommtalsBilligproduktezuuns und ermöglicht vielen von uns einen höherenKonsum. Es handelt sich um modernes Sklaven-tum.Diesführtabergleichzeitigdazu,dassbeiunsfür die Besserverdienenden die Sättigung frühereintritt.DieserhöhtnochmalsdieArbeitslosigkeit.

Die Globalisierung der Wirtschaft führt auchzu einem Wettrennen der Staaten um die nied-rigsten Unternehmens- und Kapitalsteuern, umso das Kapital anzulocken. Dieses Wettrennen istfürdieStaaten ruinös,viele sindhochgradigver-schuldet. Diese Politik verhilft den internationalagierendenUnternehmenzuexorbitantenGewinn-steigerungen, gleichzeitig steigen in den meistenIndustriestaaten die Arbeitslosigkeit und die Ver-unsicherung der Menschen. Die Regierungen ver-suchen durch verstärkte staatliche Verschuldung,durch Sozialabbau, mit Notverkäufen und durchdie Verpfändung zukünftiger Gewinne über dieRunden zu kommen. Sie treiben den Staat in denRuin,MillionenvonArbeitslosenindieArmutundgleichzeitigwerdendieReichenimmerreicher.

FazitDie seit �5 Jahren herrschende neoliberale Volks-wirtschaftslehrekonntediegrößtenProblemederWirtschaftspolitik, nämlich steigende Arbeitslo-sigkeit� und Staatsverschuldung, nicht lösen, imGegenteil,dieArbeitslosigkeit stieg indieserZeitumdas4-facheundderSchuldenstandderöffent-lichen Haushalte um das 5,5-fache. Dies ist auchnichtverwunderlich,denndiesePolitikbasiertauffalsch interpretierten Überzeugungen und Theo-remenderGründerväterderkapitalistisch-markt-wirtschaftlichen Ökonomie, sie fördert die Spe-kulation, mit der das Kapital nicht für die Wert-schöpfung eingesetzt, sondern für unproduktiveFinanzmarkt-„Investitionen“missbrauchtwird.

Der Glaube, dass mehr Kapitalakkumulationauch zu mehr Wohlstand führt, trübt den Blickfür das Wesentliche: Es werden zu wenig Inves-titionen für die Zukunft getätigt, die Wirtschaftwird kaputt gespart und das Gleichgewicht vonSparvolumen und geplanten Investitionen wirdweitverfehlt.

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1� DieÖkonomieneuDenken

Seit rund drei Jahrzehnten sind die Wirtschafts-wissenschaftunddiePolitiknichtinderLage,dieviergrößtenpolitischenProblemezulösen.• Seit35JahrenhabenwireinesteigendeStaats-

verschuldung,• seit30Jahrenverzeichnenwireinesteigende

Arbeitslosigkeit,• seit�5Jahrenwissenwir,dassderdemogra-

phischeWandel,verursachtdurchdenGebur-tenüberschussinden50erund60erJahrenunddemdanachfolgenEinbruchderGeburten-zahlen,eineKompensationerfordert.

• Undebenfallsseit�5Jahrenwissenwir,dassderCO�-AusstoßdasKlimaverändert,undwirdeshalbgezwungenwerden,unsereWirt-schaftsweisezuverändern.

FüralldieseProblemegibtesbisheutekeinebzw.keinehinreichendenLösungsansätze.

ZusätzlichwurdedurchdenSozialabbau– ins-besonderedurchHartzIV–fürvieleMenschendieLageweiterverschlimmert.

Die�Staatsverschuldung

Seit 1969 gab es kein einziges Jahr, in dem derStaat keine zusätzlichen Schulden gemacht hat.Wiederholt war die Neuverschuldung höher alsdie Investitionen, was verfassungswidrig ist. DieNeuverschuldungistseitderSteuerreformimJahr�000 wieder angestiegen, sie liegt seit 3 JahrendichtunterderHöchstmarkevon1996.Die�Steuer-reform�war�ein�gewaltiger�Fehlschlag.�

Einige Aspekte und Auswirkungen der Staats-verschuldung wurden weiter oben schon erörtert.In diesem Abschnitt fasse ich die wichtigstenpolitischen und gesellschaftlichen Auswirkungenzusammen.Staatsverschuldung:• isteinePrivatisierungdurchdieHintertürmit

garantiertemGewinn,denndieZinszahlungerfolgtauchdannnoch,wenndieInvestitionschonverschrottetist.SosindzumBeispieldieComputer,dieinden70erJahrenmitKre-ditenbeschafftwurdenmitSicherheitlängstverschrottet,derSchuldendienstmussaberimmernocherbrachtwerden,dadieSchuldnichtwirklichgetilgt,sondernnurdurcheineneueSchuldaufnahmeersetztwurde.DeshalbstimmtauchdasArgument,dassjaingleicherHöhewiedieSchuldenauchWertehinterlassenwerden,nureingeschränkt,insbesondereauchdann,wenngeschaffeneGüterimRahmenderPrivatisierungenverkauft,dieSchuldenabernichtgetilgtwerden.

• isteineUmverteilungvonuntennachoben;sieerhöhtdasEinkommenderKapitalgeber,undbelastetalldieSteuerzahlermitgeringem–oderohneGeldvermögen.WerkeineSteuernbezahlt,weilseinEinkommenzuniedrigist,bezahltdieseUmverteilungdurchsinkendeSo-zialleistungen.

• erfordertzusätzlicheLeistungen,umdieZinsenundirgendwannauchdieTilgungbezahlenzukönnen.DiemitSchuldenfinanziertenInvesti-tionensindalsokeineEntlastung,sonderneine

zusätzlicheBelastungfürdienachfolgenden,geburtenschwachenJahrgänge.

• isteineFreiheitsberaubung,denndienachfol-gendenJahrgängekönnensichnichtfreifürodergegeneineAusgabeentscheiden,siesindunausweichlichgebunden.HeutebeträgtdieZinslastbereits15%desSteueraufkommens,vor30Jahren,alsonachAbschlussderBesei-tigungderKriegsschädenwarenesnur3%.HeutewandertdieHälftederLohnsteuerndi-rektindieTaschenderKreditgeber,ohnefürdieGemeinschafteinenNutzenzuerzielen.

• fixiertdieungerechteVerteilungbisweitindieZukunftundprovoziertgesellschaftlicheVer-teilungskämpfe.Siewirddadurchzumzweifa-chenGenerationenproblem:DieVerteilungsun-gerechtigkeitistzementiertundmitsteigenderVerschuldungnimmtdieBelastungderNicht-kapitalbesitzerweiterzu.

• zwingtwegenderNeuverschuldungoderbeisteigendemZinssatzzuwirtschaftlichemWachstum,denndiezusätzlichenKostenwür-denandernfallszuweiterenfinanziellenBelas-tungenführen.

Weil die erwerbsfähige Bevölkerung in zehn Jah-ren beginnen wird abzunehmen, und dadurch dieBelastung pro Person ansteigen wird, ist die Lö-sungdesProblemsdringend.

Zukunftsinvestitionen�zur�Überwindung�der�Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit hat Anfang �005 nach deroffiziellen Statistik die 5-Millionengrenze über-schritten. In Wirklichkeit kann man aber von ei-nerwesentlichhöhereneffektivenArbeitslosigkeitausgehen,dennbeideroffiziellenArbeitslosenzahlwerdendie1Euro-unddieMinijobber,dieArbeits-loseninUmschulungs-undABM-Maßnahmen,dieArbeitslosendiesichnichtbeimArbeitsamtmeldenweil siekeine Leistungen erhaltenund diewegenArbeitslosigkeit früh verrenteten Personen nichtmitgezählt. Wir verzichten so jedes Jahr auf diepotentielle Wertschöpfung von etwa 8 MillionenMenschen.DieseWertschöpfungkönntezurSteige-rungdesWohlstandes füralle verwendetwerden,wasnichtunbedingtmehrKonsumbedeutenmuss;mehrWohlstandfürallekönnteauchdurchmehrFreizeit für alle erreicht werden. Die� zusätzliche�Wertschöpfung�der�8�Millionen�erwerbslosen�Men-schen�könnte�aber�auch�zur�Lösung�der�anstehen-den�Probleme�genutzt�werden.

DiezusätzlichenLeistungendiezurLösungderzukünftigenProblemewiedieVermeidungdesKli-mawandelsundderRessourcenknappheiterbrachtwerden, gehen nicht zu Lasten des Wohlstandes,solangewirArbeitslosigkeithaben,imGegenteil,denndiemeistendervonderArbeitslosigkeitbe-troffenenPersonenleidenunterderfehlendenAn-erkennungundSelbstverwirklichungimBerufsle-ben,dergeraubtenEigenständigkeitundvomAus-schluss der Mitgestaltung des gesellschaftlichenLebens.DieErbringungvonZukunftsinvestitionenbedeutet daher auch deshalb eine Wohlstandsför-derung, weil sie zum Abbau der Arbeitslosigkeitbeiträgt.

2. Die systematische Lösung der Probleme

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DieÖkonomieneuDenken 13

Die�Bewältigung�des�demographischen�Wandels

Seit Ende der 70er Jahre ist klar, dass der Ge-burtenrückgang nicht nur eine vorübergehendeErscheinungist.(SieheGraphikAltersverteilung�001-30) Durch ihn kommen auf die geburten-schwachen Jahrgänge bei der Versorgung derSeniorengeneration zusätzliche Belastungen zu,denn die Versorgung der vielen SeniorInnen dergeburtenstarkenJahrgängemussvonimmerwe-niger Erwerbsfähigen geschultert werden. DiePolitiker haben �0 Jahre lang dieses Problemvor sich her geschoben, ohne dafür eine Lösungzuerarbeiten.UndjetztlautetdieLösung:Jedermussfürsichselbstvorsorgen,indemerfürdasAlter spart. Das ist so ziemlich das Falschestewasmantunkann,wenndaszusätzlichgesparteGeldnichtvonderWirtschaftsinnvollinvestiertwerden kann. Und in dieser Situation sind wir.Wir sparen unsere Wirtschaft kaputt und sägendamitdenAstab,aufdenwirunssetzenwollten,dennwenndasgesparteGeldnichtfürInvestiti-onenimInlandgenutztwird,sondernalsKreditinsAuslandgehtunddiesesGeldnicht invollerHöhealsExportnachfragewiederzurückkommt,dannmussdieszueinerRezessionführen,weilzuwenig Leistung nachgefragt wird. Die geringereNachfrageführtzwangsläufigzumehrArbeitslo-sigkeit,zuweitersinkenderKaufkraft,sinkendenSteuereinnahmen und steigender Staatsverschul-dung.

Bei weniger wirtschaftlicher Aktivität kanndannauchnurwenigergespartwerden.NachdenHochrechnungen der Bundesbank verschlimmertsich die Situation kontinuierlich bis etwa �0�0.Dies führt zu der paradoxen Situation, dass fürdievielenMenschendergeburtenstarkenJahrgän-ge,die jetztallenoch imErwerbslebenstehen,zuwenig Arbeit da ist und den geburtenschwachenJahrgängeneineÜberforderungdroht,denndannkommt das jetzt gesparte Geld als „verspätete“Nachfrage wieder zurück. Aller Voraussicht nachverbundenmitinflationärenTendenzen.BesondersprekärwirddieSituationfüralldiejenigen,derenEinkommenjetztsoniedrigsind,dasssienichtfürdieAltersvorsorgesparenkönnen.

Ist�der�demographische�Wandel�wirklich�ein�Problem?

VonKritikernderaktuellenRegierungspolitikzurBewältigung des demographischen Wandels wirdangeführt, dass die prognostizierten Folgen weitüberzogenseien, inWirklichkeitseiderdemogra-phische Wandel garkeinProblem. HierzuwerdendreiArgumentegenannt:1.DurchdiezuerwartendeanhaltendenProduk-

tivitätssteigerungvonetwa1,8%proJahrwür-dedieHöherbelastung,bedingtdurchsteigendeRentenbeiträge,kompensiert.

�.DurchdenzuerwartendenRückgangderArbeitslosigkeit,bedingtdurchdiedemogra-phischeVerschiebung,fälltdiesozialeGesamt-belastunggeringeraus,alssievondenRegie-rungenundihrenBeraternprognostiziertwird.

3.DurchdenRückgangderGeburtenratewirddasVerhältnisvonerwerbsfähigerzunicht-erwerbsfähigerBevölkerungentlastet,danunwenigerKindervondenErwerbstätigenmitversorgtwerdenmüssen.

Darauswird gefolgert, dass garkeine besonderenMaßnahmenzurBewältigungdesdemographischenWandelserforderlichseien.

DaszweiteunddritteArgumentdürfteimvollenUmfangzutreffen.IndenJahrenvon�015bis�033gehen etwa 8 Millionen Erwerbstätige mehr inRente als junge Menschen ins Erwerbsleben ein-treten. Außerdem werden dann im Pflegebereichwesentlich mehr Arbeitskräfte gebraucht. Einedeutliche Senkung der Arbeitslosigkeit ist daherzuerwarten,esdürftedannsogarwiederArbeits-kräftemangelentstehen.

DasersteArgumentkannjedochnichtunwider-sprochenbleiben,denn:1.EinekonstanteProduktivitätssteigerung

kannnichtangenommenwerden.SiehatseitJahrzehnteneinenfallendenTrend,weildieProduktivitätssteigerungimverarbeitendenGewerbebesondershochist,unddieserWirt-schaftsbereicheinensinkendenAnteilamVolkseinkommenhat.Seit3JahrenwurdederWertvon1,8%nichtmehrerreicht.

�.WegendesKlimawandelssindschoninnaherZukunftInvestitionenindieÖkologisierungderWirtschaftunabwendbar.DieProduktivitäts-steigerungderArbeitwirddannrapidesinken,siekannsogarnegativwerden.EinEinbruchderProduktivitätssteigerungwarvon1980bis198�schoneinmalzuverzeichnen,alsderÖl-preisseinenrealenHöchststanderreichte.IndieserZeitwurdemehrindieEnergieeinspa-runginvestiert.

3.WenndiezukünftigeProduktivitätssteigerungzurKompensationvonzusätzlichenSozialkos-teneingeplantwird,dannmussdieseProduk-tivitätssteigerunginvollemUmfangzuWachs-tum,verbundenmitsteigendemRessourcenver-brauch,verwendetwerden.

4.EineProduktivitätssteigerungvon1,8%führtnichtzueinemhöherenLohneinkommenvon1,8%,dafürdieProduktivitätssteigerungzu-

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14 DieÖkonomieneuDenken

sätzlicheKapitalkostenentstehen,dieausdie-semProduktivitätsgewinnmitfinanziertwerdenmüssen.

5.Von�0�5bis�033steigtdieRentenbelastungummehrals1,8%.

Wirtundahergutdaran,dieFolgendesdemogra-phischenWandelsnichtaufdieleichteSchulterzunehmen,aberdieProblemesindlösbar.

Die�ökologische�Verantwortung

EinweiteresProblemderZukunftistunserhoherVerbrauchannatürlichenRessourcen,imBesonde-renderderfossilenEnergierohstoffe.UnsereWirt-schaftsweise ist nicht zukunftsfähig. Die Klima-veränderungunddieVerknappungvonRohstoffenerzwingen eine Rationalisierung des Verbrauchsan natürlichen Ressourcen, also einer Ökologisie-rung unserer Wirtschaftsweise. Erste Schritte indierichtigeRichtungwurdenmitderEinführungder „Ökosteuer“ und der Förderung erneuerbarerEnergien gemacht. Diese Maßnahmen reichen je-doch bei weitem nicht aus. Trotz dieser Maßnah-menstieginDeutschlandderCO�-AusstoßindenletztenJahrenwiederleichtan.WirbenötigeneinedeutlicheAbsenkungdesRohstoffverbrauches.

Zur Lösung des ökologischen Problems benö-tigen wir Investitionen zur Entwicklung neuerTechnologienundProdukte,mitdenenwirimmerweniger natürliche Ressourcen verbrauchen. Die-se Investitionen sind echte Zukunftsinvestitionen,die eine Entlastung der kommenden, geburten-schwachenJahrgängedarstellt,denndieLeistun-gen, die die jetzige Erwerbsgeneration erbringt,müssenvondernachkommendenGenerationnichtmehrerbrachtwerden.

Ich�fasse�zusammen:1.WirhabenheutefürdievielenMenschender

geburtenstarkenJahrgängezuwenigArbeit.�.DiehoheArbeitslosigkeitunddieSteuersen-

kungenverursachtendiesteigendeStaatsver-schuldung,denndadurchsinddieSteuerein-nahmengeringerunddieSozialausgabendesStaateshöher.

3.DerdemographischeWandelkannnichtnurdurchzusätzlichesSparengelöstwerden,ererfordertjetztundheutezusätzlicheInvestiti-onen,mitdenendiekommendenGenerationenentlastetwerden.

4.DerdrohendeökologischeKollapsunddieKnappheitderRohstoffeerfordernInvestitionenzurSenkungdesRohstoffverbrauchs.

Die Lösung dieser vier dominanten Probleme istalsogarnichtsoschwierig,wennwirdieneolibe-ralen und gesellschaftspolitischen Scheuklappenabnehmen und beherzt das tun, was wirklich zurLösungderProblemebeiträgt.

Das�Lösungskonzept

Ein Lösungsweg kann nur dann erfolgreich sein,wennerbeiderVerbesserungeinerSituationnichtgleichzeitig ein anderes Problem verstärkt. Bei-spiel:UmdieArbeitslosigkeitzusenkenwirdmehrwirtschaftlichesWachstumgefordert.Undifferen-ziertesWachstumführtaberzumehrRohstoffver-brauch, verstärkt also die ökologischen Probleme.Eine Politik die nur Wachstum zum Ziel hat, istalsonichtgeeignetdieProblemezulösen.Optimalsind solche Lösungsansätze, mit denen mehrere

Problemegleichzeitiggelöstoderzumindestredu-ziertwerden.

Obenhabeichdargelegt,dassjedeErwerbsgene-rationZukunftsinvestitionentätigenmuss,dassindInvestitionen, die erst nach Jahren einen Vorteilerzielen,also späterzueinerWohlstandsmehrungoderzurErhaltungdesWohlstandesbeitragen.

Wegen der Trilogie Arbeitslosigkeit, demogra-phischem Wandel und ökologische Problematikmüssen wir jetzt, solange die geburtenstarkenJahrgängeder50erund60erJahrenochimaktivenErwerbsleben stehen, die notwendigen Investiti-onenindieZukunfttätigenunddieProblemederZukunft jetzt lösen,damitentlastenwirdiekom-menden, geburtenschwachen Jahrgänge und min-dernsodieFolgendesdemographischenWandels,und schaffen dadurch die Arbeitsplätze, die wirjetztdringendbrauchen.

Wir können nicht Politik gegen die Wirtschaftbetreiben.AberdiePolitikkannundmussdiewirt-schaftlichen Rahmenbedingungen so setzen, dassdie Unternehmen aus ganz rationalen, betriebs-wirtschaftlichenGründen,oderz.T.auchaufgrundvon Vorschriften, jetzt die Investitionen zur Ra-tionalisierung des Ressourcenverbrauchs tätigen,damit gelingt es uns hoffentlich noch rechtzeitigdenökologischenKollapsabzuwenden.MitdiesenZukunftsinvestitionen mindern wir die Belastungder geburtenschwachen Jahrgänge durch ökolo-gischeProbleme.WirschaffendamitdiedringendbenötigtenzusätzlichenArbeitsplätze.Damitwirddie Konjunktur angeregt, die Steuereinnahmennehmenzu,dieStaatsverschuldungsinkt,dieBei-trägeandieSozialversicherungensteigen,dieAus-gaben der Sozialversicherungen werden weniger,waseineSenkungderBeitragssätzeerlaubt.Damitwerden die viel diskutierten Lohnnebenkostenohne die Erhöhung der Mehrwertsteuer und ohneSozialabbau reduziert, im Gegenteil, der Sozial-abbau kann wieder rückgängig gemacht werden.AußerdemwirdmitdieserMaßnahmedasKapitalwiederderrealenWirtschaftzugeführt,anstattdieSpekulationanzuheizen.

Zusätzlich muss die Politik für eine gleichge-wichtige Entlohnung der Akteure der Wirtschaftsorgen,damitsichdasVerhältnisvonKonsumierenund Sparen so einpendelt, dass das Sparvolumenden geplanten Investitionen entspricht. Dazu isteine Rücknahme der Steuerentlastungen für Ver-mögendeunumgänglich.

Neben der Lösung der sozialen Probleme imeigenenLandbedarfesaberauchderLösungderArmuts-, besser ausgedrückt der Elendsproblemein der Welt, sie können und dürfen uns nichtgleichgültig sein. Mit einer Änderung der PolitikderWTOundmiteinerganzanderenStrategieinder Entwicklungszusammenarbeit können wir ei-nenBeitragzurLösungderProblemederärmstenLänderleistenundgleichzeitigdieLösungunserereigenenProblemezusätzlichunterstützen.

DieerforderlichenVeränderungen

Aus dem oben dargestellten systematischen An-satz zur Lösung der bestehenden Probleme, istdie Richtung für die konkreten Lösungsschrittevorgegeben.

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Den�Rohstoffeinsatz�statt�die�Arbeit��rationalisieren�

Die Unternehmen rationalisieren den Arbeitsein-satz,weildieLöhnedengrößtenKostenblockdar-stellen. Kostensenkungspotentiale durch Rationa-lisierung des Rohstoffverbrauchs werden deshalbzuweniggenutzt.

Oft wird behauptet, dass z.B. in einem PKWdie Personalkosten nur �0 % betragen würden.Dasistirreführend,dennzugekaufteTeile,diealsMaterialkostenbezeichnetwerden,bestehenselbstzu über 50 % aus Personalkosten, und Entwick-lungs-undVertriebskostensindebenfallszueinemhohen Anteil Personalkosten. Aus der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnung kann man ableiten,wiehochderKostenanteilderLöhneundGehälter,einschließlich der Lohnnebenkosten, im Durch-schnittallerUnternehmenist.ImJahr�000betruger54%derGesamtkosten.

ÜberdenKostenanteildernatürlichenRessour-cen gibt es keine Angaben. Nach eigenen Berech-nungenliegterbeietwa10,5%derGesamtkosten.Aus diesem Grund rationalisieren Unternehmenvorwiegend den Arbeitseinsatz. Um dies zu ver-ändern, sind folgende Veränderungen erforderlichundnationalumsetzbar:

Ordnungspolitische�Maßnahmen

OrdnungspolitischeMaßnahmen,alsoVorschriftenwirken schnell, sindabernur inbegrenztemUm-fangmöglich, siemüssenklardefinierbarund siemüssen ohne großen Aufwand überprüfbar sein.Dazu zählen Vorschriften über die Isolation derGebäude, der maximal zulässige Kraftstoffver-brauch bei Kraftfahrzeugen oder der Schadstoff-ausstoßbeiHeizungenundMotoren.

Vorschriften über Herstellverfahren von Pro-dukten, mit dem Ziel den Ressourcenumsatz zureduzieren, sind nicht praktikabel. Dies würdevoraussetzen, dass die Regierungsstelle, die dieVorschriftenerlässt, inallenFertigungsverfahreneinentechnologischenVorsprungvorderIndustriehat, und das ist mit Sicherheit nicht möglich. EsmüsstezusätzlichdieÜberprüfungderEinhaltungderVorschriftengewährleistetwerden.Diesistnurmöglich, wenn es sich um wenige, nachprüfbareVorschriftenhandelt.

UmdasZielderDrosselungdesRessourcenver-brauchsinallendenkbarenBereichenzuerzielen,müssen zusätzlich zu praktikablen ordnungspoli-tischenMaßnahmenMarktmechanismenzumTra-genkommen.

Mit�Steuern�steuern

Damit die Unternehmen aus rationalen, betriebs-wirtschaftlichen Gründen in erster Linie in dieRationalisierung des Rohstoff- und Energiever-brauchs investieren (müssen), und unsere Wirt-schaftsweise dadurch zukunftsfähig machen, istes erforderlich, dass die Kosten für die beidenProduktionsfaktoren Arbeit und natürliche Res-sourcen„umgesteuert“werden.

Heute wird die Arbeit mit Sozialabgaben undhohenSteuern(einDritteldesgesamtenSteuerauf-kommenssindLohnsteuern)umüber50%direktkünstlich verteuert und damit ihre Verwendungunattraktiv gemacht. Rohstoffe werden dagegengar nicht besteuert, nur einzelne Erzeugnisse aus

dem Rohöl und Strom werden mit der Mineralöl-undderÖkosteuerbelastet.DurchdieseeinseitigeVerteuerung der Arbeit werden die Betriebe zuvolkswirtschaftlichenFehlinvestitionengetrieben,sierationalisierenweiterdieArbeitobwohlsiegarnichtknappistunddieRationalisierungdesRoh-stoffverbrauchsunterbleibt,obwohlgenaudasfürdieZukunftdringendnotwendigwäre.

Um diesen systematischen Fehler zu beheben,wurdedieÖkosteueralsEnergiesteuervorgeschla-gen und in Deutschland ab 1999 bis Januar �003stufenweiseeingeführt,allerdingsmitvielenAus-nahmeregelungen fürdie Industrie.DerErlösausder Ökosteuer beträgt z.Z. etwa �1 Mrd. €; dieseEinnahmenwerdenüberwiegendzurSenkungderRentenbeiträge verwendet, dies führte zu einerSenkungdesBeitragssatzesum1,7%.ZusammenmitderMineralölsteuerbeträgtdasSteueraufkom-men für den Energieverbrauch z.Z. etwa 61 Mrd.€/Jahr.DagegensinddieSteuernundAbgabenaufLöhneundGehältermehralsachtmalsohoch.

Ziel der Ökosteuer war, durch die Erhöhungder Energiepreise, den gesamten Rohstoffumsatzzudrosseln.Dieserschienalsmöglich,dabeidergesamten Materialerzeugung, Verarbeitung undbeimTransportEnergienötigist,undsodurchdieBesteuerung der Energie alle Materialien teurerwerdenunddeshalbeinEinsparungseffekterwar-tet wurde. In der Realität hat sich diese Wirkungjedochkaummerkbareingestellt.Wegendesgerin-genKostenanteilsderEnergieamgesamtenMate-rialumsatzwürdesichdergewünschteEffekterstbei einer sehr hohen Energiebesteuerung erzielenlassen, dies ist aber politisch nicht durchsetzbar.Dazukommt,dassdieÖkosteuerseitJanuar�003wegen der steigenden Rohölpreise nicht mehr er-höhtwurde,undsomitkeineweitere,nennenswerteSenkungderBruttolohnkostenmöglichwar.

Auch mit der Art wie die Ökosteuer erhobenwird,hatsiedreiprinzipielleNachteile.1.SieführtbeienergieintensivenBranchenzu

Wettbewerbsnachteilen,deshalbwurdesiege-radedort,wosieamwirksamstenwäre,nichteingeführt.

�.Nuretwa40%desSteueraufkommenswerdenvondenUnternehmenaufgebracht;danurmitdiesemTeildieWirtschaftsweisederUnterneh-menbeeinflusstwerdenkann,hatdieÖkosteuerzuwenigAnreizwirkungfürrohstoffsparendeTechnologien.

3.Dadurch,dassnichtdieRohstoffe,sonderndasProduktStrombesteuertwird(undeinigePro-duktedesErdölsundGas),wirdauchderStromausSonne-,Wind-undWasserkraftwerkenbe-steuert,wasaberausökologischerSichtunsin-nigist.

Um dem erklärten Ziel, das mit der Einführungder Ökosteuer erreicht werden sollte, näher zukommen, muss eine ökologisch wirksame Steuerneu konzipiert werden. Folgende Kriterien sindentscheidend:1.SiemusseinehoheAnreizwirkungfürressour-

censparendeTechnologienausüben.�.SiemussfürdieWirtschaftkalkulierbarsein.3.SiedarfnichtzuWettbewerbsverzerrungenmit

imAuslandproduziertenWarenführen.4.SiemusseinedeutlicheSenkungderBrutto-

lohnkostenohneSozialabbauermöglichen.5.SiemussdasKonsumverhaltenbeeinflussen.

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Das�Konzept�der�RessourcensteuerDamit die oben genannten Ziele erreicht werden,müsseninZukunft,nebendenordnungspolitischenMaßnahmen, die Preise für alle Rohstoffe durchein Nutzungsentgelt, ich nenne es Ressourcen-steuer,Schritt fürSchritt,aberzügigundfürdieWirtschaft kalkulierbar, erhöht werden. DadurchkönnenundwerdendieBetriebedieProduktions-kostenwenigerdurchArbeitsrationalisierungson-dern durch Ressourcenrationalisierung zu senkenversuchen.Dasheißt:

Sie investieren in neue Verfahren, MaterialienundProdukte,ummit immerwenigerRessourcenauszukommen! Dafür werden zusätzliche Arbeit-kräftegebraucht.

RohproduktezurErzeugungvonNahrungsmit-telnsindselbstverständlichvondieserMaßnahmeausgenommen,essindkeineRohstoffeimhierver-standenenSinn.

Waren,dieimAuslandproduziertwerden,müs-sen bei der Einfuhr mit einer entsprechenden,anteiligen„Ressourcen-Umsatzsteuer“belegtwer-den, sonst würden die Betriebe, die im Auslandproduzieren, begünstigt. Diese Steuer wird zu-sammen mit der Einfuhrumsatzsteuer erhobenund erfordert daher wenig zusätzlichen Verwal-tungsaufwand.BeimExportvonWarenwirddieseSteuer ebenfalls zusammen mit der Umsatzsteuerzurückerstattet. Unsere Betriebe werden also mitder Erhebung einer Ressourcensteuer weder beimExport,nochdurchdenImportbenachteiligt.Wiewirspäternochfeststellenwerden,werdensieda-mitsogarbegünstigt.

Die Erhebung einer zusätzlichen Steuer, dieausschließlichvondenUnternehmenzuentrichtenist, würde eine allgemeine Teuerung hervorru-fen. Da diese Steuer aber nicht zum Stopfen vonHaushaltslöchernerfolgt,sondernumunsereWirt-schaftsweise in die richtige Richtung zu steuern,müssendieEinnahmeningeeigneterFormwiederzurückerstattetwerden.DazubietensichzweiVa-riantenan,diebeidederErhaltungbzw.Wiederge-winnungdessozialenGleichgewichtsdienen:a)VerwendungderSteuereinnahmenzurMitfi-

nanzierungderSozialversicherungskostenb)DirekteAuszahlunganalleBürgerInnenund

–entsprechendderAnzahlderBeschäftigten–andieUnternehmenZua)Bei dieser Variante werden die Einnahmen aus

der Ressourcensteuer zur Absenkung der Sozi-albeiträge benutzt. Dies führt zu einer SenkungdersogenanntenLohnnebenkostenundsomitdergesamten Lohnkosten, jedoch ohne eine Senkungder Sozialleistungen, was ganz entscheidend ist.Um vor allem die Arbeitsplätze zu entlasten, dievon der Rationalisierung und den Verlagerungenin Niedriglohnländer betroffen sind, schlage ichvor, dass nicht der Beitragssatz gesenkt, sonderneinFreibetrageingeführtwird.DamitwerdendieKostenfürjedenArbeitsplatzingleicherHöhere-duziert,prozentualabersinkendieKostenfürdiegeringerentlohntenTätigkeitenstärker.Nachmei-nenErhebungenkönntenfür10%Ressourcensteu-erdieersten�00€anmonatlichenLohnzahlungenfürdenArbeitgebersozialbeitragsfreibleiben.Dasbedeutet bei einem Sozialbeitragssatz von �0 %für jeden sozialbeitragspflichtigen ArbeitsplatzeineEntlastungum480€proJahrunabhängigvonder Lohnhöhe. Da die Ressourcensteuer jährlich

nach einem festen Plan angehoben werden muss,umdengewünschtenSteuerungseffektzuerzielenund um den Unternehmen Kalkulationssicherheitzu geben, wären bei einer jährlichen Anhebungder Ressourcensteuer um 6 % nach 7 Jahren dieersten1000€freivonSozialabgaben,diesbedeuteteine Entlastung jedes Arbeitsplatzes um � 400 €proJahr,wohlgemerktohneeineReduzierungderSozialleistungen.

MitdieserMaßnahmebleibtderPreisallerPro-dukte und Dienstleistungen die im Inland herge-stelltwerdenimgesamtenDurchschnittgleichteu-er,denndieSummederSteuernundAbgabenfürdieBetriebebleibengleichhoch.EsverändertsichlediglichdasKostengefüge.DadieRohstoffpreisesteigenunddieArbeitskostensinken,werdenalleProdukte, deren Produktion mit viel Rohstoffver-brauchverbunden ist, teurer, solchemitgeringemRohstoffverbrauch werden dagegen billiger, allenvorandieDienstleistungen.Dieswirdnichtnurda-zu führen, dass die Unternehmen versuchen wer-denmitwenigerRohstoffenauszukommen–dazuwirdsiederWettbewerbzwingen.Eswirdauchzueiner Veränderung des Konsumverhaltens führen,hin zu Produkten mit geringerem Rohstoffver-brauch. Dies wird auch zu neuen Marketing- undServicestrategienführen.Esistzuerwarten,dasswesentlich langlebigere Produkte auf den Marktkommenwerden,verbundenmitdenerforderlichenService-undReparaturangeboten.

Zub)DiezweiteMöglichkeitist,dassdieEinnahmen

ausdieserBesteuerungderRohstoffeanallePer-sonen (alsovomKleinkindbiszumGreis)undandieBetriebefürjedenBeschäftigteningleicherHö-heausbezahltwerden.DieswirdimKantonBaselschon mit der Rückerstattung der Stromsteuer sopraktiziert.Betriebe,dieökologischbewusstwirt-schaften und mehr Mitarbeiter beschäftigen, sinddadurch im Vorteil. Und wer ökologisch bewusstkonsumiert, also Produkte mit geringem Roh-stoffverbrauchkauftoderDienstleistungeninAn-spruch nimmt,diekaumeinenRohstoffverbrauchverursachen, erhält dadurch einen „Ökobonus“,weilergleichvielzurückerstattetbekommtwiederökologischwenigerbewussteVerbraucherundalledie überdurchschnittlich viel verbrauchen. Diesewerdenhöherbelastet.EsistalsoeinesozialeundökologischeUmverteilungundgleichzeitigeinBei-tragzurErhaltungderLebensgrundlagen.

Bei diesem Verfahren steigt zwar nominal dasPreisniveau,eswirdaberdurchdieRückerstattungder Einnahmen aus der Ressourcensteuer wiederausgeglichen.

Aus der Sicht der sozialen Verträglichkeit istdie Variante b) günstiger, weil sie gleichzeitig zueinerUmverteilungvonobennachuntenbeiträgt.DieVariantea)istabereffektiver,daderArbeits-einsatzumdenFaktor3stärkerverbilligtwirdalsbeiderVarianteb).DadeshalbmitderVariantea)dieArbeitslosigkeitschnellerzurückgehenwirdalsmitderVarianteb),waseinganzwesentlicherso-zialerSekundäreffektdarstellt,istdieVariantea),verbunden mit zusätzlichen sozialen Maßnahmen,zubevorzugen. Erforderlich wären z.B. der Erhö-hungdesWohngeldes.

Die Variante a) könnte noch verstärkt werden,wenn die Sozialabgaben der Unternehmen nichtnurnachderLohnsummeberechnetwerden, son-dernauchnachderWertschöpfung.IndiesemFall

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würden die Bruttolöhne noch schneller sinken,unddieWertschöpfungsgewinnedurchdenImportbilliger Vorprodukte aus Niedriglohnländern unddes Einsatzes von Kapital zur Finanzierung derSozialkostenmitherangezogen.Außerdemkönntendann zusätzlich noch Sozialabgaben-FreibeträgefürdieArbeitnehmerInneneingeführtwerden.

Ich höre öfters den Einwand: Die Ressourcen-steuer sei eine indirekte Steuer, indirekte Steu-ern seien per se ungerecht, aus diesem Grund seidieRessourcensteuerabzulehnen.ObdiedirektenSteuerngenerellgerechtersindalsindirektemöchtehier nicht diskutieren. Ich bin aber der Meinung,dass die Ressourcensteuer die gerechteste Steuerüberhaupt ist, denn auf die Nutzung der natür-lichenRessourcenhabenalleMenschen,dieheutewie zukünftig lebenden, dasselbe Anrecht. IhreNutzungzumZweckederGewinnerwirtschaftungkanndahernichtfreisein,denndadurchwirdihreNutzungjedesEinzelneneingeschränkt.Es�ist�des-halb� sogar� ungerecht,� die� Ressourcensteuer� nicht�zu�erheben.

Außerdem ist die Ressourcensteuer gar keineindirekte,sondernwiedieLohnsteuereinedirekteSteuer. In beiden Fällen wird auf den Preis desProduktionsfaktorsdirekt einezusätzlicheSteuererhoben.

Wirtschafts- und sozialpolitisch wird diesegrundsätzliche Veränderung der Rahmenbedin-gungenfolgendeAuswirkungenhaben:• DieArbeitslosigkeitwirdsukzessiveabgebaut,

denneswerdenzusätzlichArbeitskräftebenöti-gtdieneue,ressourcensparendeVerfahrenundProdukteentwickelnundesverlierenwenigerMenschendurchdieRationalisierungderArbeitihrenArbeitsplatz.

• DerhöhereBeschäftigungsgradführtzueinerhöherenKaufkraft,belebtdadurchdieInlands-nachfrageundführtzueinerErhöhungderSteuereinnahmenundzueinerSenkungderStaatsausgaben.

• DamitwirddieMöglichkeitdesallmählichenAbbausderStaatsschuldeneröffnet.

• DurchdenAbbauderArbeitslosigkeitsinkenzusätzlichdiesogenanntenLohnnebenkosten,diesstärktweiterdieWettbewerbsfähigkeitderBetriebe.Diesewirdzusätzlichdadurchbegünstigt,dassdieLohnkostensinkenunddieRessourcensteueralsUmsatzsteuerbeimExporterlassenwird.

• DieseröffnetdenGewerkschaftenneueVerhandlungsspielräumefürbessereTarif-abschlüssebeiLohn-undArbeitszeitverhand-lungen.

• MitdieserPolitikwirdderVerbrauchanna-türlichenRessourcenreduziert,diesisteinewichtigeVoraussetzungfüreinePolitikderfriedlichenKooperationmitallenStaatenundeinBeitragzuSenkungderTerrorgefahr.

• DurchdiesePolitikwirdunsereIndustrieindieEntwicklungvonzukunftsfähigenTechnologiengeführt,dieserhöhtihreChancenaufdemEx-portmarkt.Diese Veränderungen führen zwar für einige

Jahre zu einer wirtschaftlichen Belebung, sprichWachstum,wasnichtdaseigentlicheZiel ist.Daswichtigste Ziel ist, den Ressourcenverbrauch zudrosseln, dazu sind mehr Arbeitskräfte erforder-lich. Je mehr Arbeitskräfte wir dazu einsetzen,destoschnellerkommenwirdiesemZielnäher.Wir

tun gut daran, dies jetzt zu tun, so lange die ge-burtenstarkenJahrgängenochimerwerbsfähigenAltersindunddiehoheArbeitslosigkeitherrscht.So lange nicht alle Arbeitskräfte genutzt sind,könnenwirdieseAufgabeohneWohlstandsverlusterreichen, imGegenteil,wirwerdenfürvielez.Z.ArbeitslosedenWohlstanderheblichsteigern.

Mit dieser Maßnahme werden die dringendnotwendigen Zukunftsinvestitionen initiiert, mitdenen die kommenden geburtenschwachen Jahr-gänge entlastet werden und wir erhalten für diekommenden Generationen die Lebensgrundlagen.So werden aus den Zukunftsängsten Zukunfts-hoffnungen.

WirreduzierendieProblemevonheute,nämlichdieArbeitslosigkeitunddieStaatsverschuldung,indemwirjetztdieProblemevonmorgenlösen.Wirkompensieren mit diesen ZukunftsinvestitioneneinenTeilderzugeringenRegenerationsleistung.

Diese Veränderung der wirtschaftspolitischenRahmenbedingungenwirdauchdazuführen,dassinsgesamt die Materialströme geringer werdenund weniger Arbeitsplätze in Niedriglohnländerverlagert werden. Beides zusammen ergibt einenRückgang des Transportvolumens. Anstatt in un-sinnigeStraßenbauprojekteinvestierenzumüssen,kannderStaatweitereMittel indieBildungundForschunginvestieren,umunsereWirtschaftswei-senochschnellerzukunftsfähigzumachen.

Die�gerechte�Weltwirtschaftsordnung

Im Abschnitt „Die grenzenlose GlobalisierungführtzuLohndumpingundAusbeutung“habeichdargestellt, weshalb die grenzenlose Globalisie-rungnichtzumehrWohlstandfürallegeführthat,sondernzueinerweiterenVerarmungderSchwä-cherenzuGunstenvonwenigenProfiteuren.

DieForderungen,diemandarausableitenkann,sind sehr vielfältig. Ich möchte mich auf eine be-schränken,diemeinesErachtensauchinunseremderzeitigenWirtschaftssystemumsetzbar,undwieichhoffe,auchdurchsetzbarist.

NatürlichbrauchenwirdenAustauschvonRoh-stoffen,WissenundWaren,umunserenWohlstandzumehrenunddieProblemezulösen–abernichtin der bisherigen ausbeuterischen Art der Globa-lisierung, sondern in fairer Partnerschaft, zumWohleallerMenschen.

Die Tatsache, dass z.Z. noch der letzte Winkelder Erde dazu gedrängt wird, das kapitalisti-sche Wirtschaftssystem zu übernehmen und alledie gleichen Materialienund Fertigungsmethodenverwenden, ist äußerst gefährlich. Noch nie inder Menschheitsgeschichte gab es die Situation,dass die gesamte Weltbevölkerung wirtschaftlichgleichgeschaltetwarundnochniehattesieindie-sem Umfang die technischen Möglichkeiten zumEingriffindienatürlichenAbläufewieheute.DiesbirgtriesengroßeGefahren.

AusdiesemGrund,aberauchwegenderkultu-rellen, klimatischen und religiösen Unterschiede,istesfalsch,alleMenschenindasselbeWirtschafts-systemzuzwingen.Undgenaudasgeschiehtheute,getriebenvonderWTO,denUSA,derEUundvonJapan. Es ist ein Mittelweg zwischen gleichge-schalteter Globalisierung und totaler Isolation zusuchen.EinWeg,derdenAustauschermöglichtunddie Eigenständigkeit bewahrt, und der vor allemdazu führt, dass die Produktivitätsfortschritte

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allen Menschen zugute kommen, denn erst undnur dann, wenn die gesamte Bevölkerung in denGenuss ihrer steigenden Wertschöpfung gelangenkann,trittfürallemehrWohlstandein.

Das heißt: Wenn unsere Unternehmen in Nied-riglohnländerninvestierenundproduzieren,dannmuss dies in erster Linie für den lokalen Marktgeschehen.

Damit Unternehmen mit dieser Zielsetzung inNiedriglohnländerninvestieren,müssendieBedin-gungengeschaffenwerden,dasssichdorteinaus-reichend großer Absatzmarkt bilden kann. ChinaistnichtumsonstderFavoritfürfremdeDirektin-vestitionen.EswirddergrößteeinheitlicheMarktderWeltundesherrschenverhältnismäßigstabilepolitischeVerhältnisse.

DamitalleStaatenindenGenusseinerpositivenEntwicklunginderVielfaltkommenkönnen,soll-tensichStaatenähnlicherKulturundZielsetzungin starken, gemeinsamen, wirtschaftlichen Ver-bänden zusammenschließen, mit folgenden Merk-malen:1. ImGebieteinesgemeinsamenMarktessollten

ähnlichearbeitsrechtlicheundsozialeBestim-mungengelten.

DieMindestlöhnesolltenaufeinevergleichbareHöhefestgesetztundsobemessensein,dasseinmenschenwürdigesLebenmöglichist.AuchdieUmweltschutzbestimmungensolltenangemes-senundmöglichsteinheitlichsein.

�.DieSteuergesetzemüssenähnlichsein. Beidesisterforderlich,damitsichdieMit-

gliedsstaatendesgemeinsamenMarktesnichtgegenseitigKonkurrenzbeiderAnsiedlungvonBetriebenmachen.

DieStaatensolltensichnurinderSchaffungdesstabilstenpolitischenundsozialenUmfeldesKonkurrenzmachen,sowieinderBereitstel-lunggutausgebildetenPersonalsundfunktio-nierendenInfrastrukturen.

3.WesentlichfürdieEffektivitätdergemein-samenMärktesindgemeinsameZollbestim-mungennachaußen,eswerdenEin-undAus-fuhrzölleerforderlichsein.

4.ZurErleichterungdesHandelsinnerhalbdesgemeinsamenMarktesmüssenBeschränkungenundHemmnissebeseitigtwerden.DieWäh-rungenmüssenuntereinanderhandelbarsein.Ausfuhrzölle sollen erhoben werden?? Ja, Sie

haben richtig gelesen, auch Ausfuhrzölle könnensinnvollunderforderlichsein.

Wennsich ineinemLandmitgeringerProduk-tivitätBetriebemitmodernenFertigungsmethodenund entsprechend hoher Produktivität ansiedeln,dannkönntedenBeschäftigtendieserBetriebewe-sentlichhöhereLöhnebezahltwerdenalsdenBe-schäftigtendertraditionellenBetriebe.DieswürdejedochdieGesellschaftspaltenundsozialeUnru-hen provozieren. Außerdem könnten die wenigerprivilegiertenBevölkerungskreiseamKonsumderneuen,imLandproduziertenWarenkaumteilneh-men. Es würde sich eine Zweiklassengesellschaftentwickeln.Dasmussverhindertwerden.Ausdie-semGrundwäreesbesser,wenndieLöhneauchindenneuenBetrieben dem LohnniveaudesLandesentsprechen würden, was heute auch meistensder Fall ist. Dies führt jedoch zu dem bekanntenErgebnis, dass die Waren nicht im Herstellerlandverkauft,sondernmitsehrhohenGewinnennahe-zuausnahmslosexportiertwerden.Damitwerden

dieMenschenimHerstellerlandderFrüchte ihrerArbeit beraubt. Um dies zu verhindern ist es an-gebracht, auf solche Waren einen Exportzoll zuerheben.Dadurchwirderreicht,dass einTeilderGewinneimLandbleibt.DieRegierungkannmitdiesen zusätzlichen Einnahmen zum Beispiel dasBildungs- und Gesundheitswesen verbessern, wasallenzugutekommt.AußerdemwirddadurchehereinTeilderProdukteauchimHerstellerlandzumVerkaufangeboten.SoführtdieeigeneWertschöp-fung auch zu mehr Wohlstand für alle – was dasZielist.

Es�ist�also�keine�grenzenlose�Globalisierung�er-forderlich,� sondern� eine� regionalisierte,� geregelte�Welthandelspolitik,� die� den� Austausch� ermöglicht�und�die�Vielfalt�erhält.�

Die�„kleine�Globalisierung“��innerhalb�der�EU

DiepolitischeErweiterungderEUnachMittel-undOsteuropawarrichtig.DieschnellewirtschaftlicheIntegrationwarjedocheingroßerFehler.DiePro-blematik,diedurchdieGrenzenlosigkeitentsteht,kommtwegenderhohenLohnunterschiedeundderkurzen Entfernungen in der erweiterten EU vollzum Tragen. Eine der steigenden ProduktivitätangemesseneEntlohnungderArbeitskräfteistabernichtkurzfristigmöglich,weildasEinkommenderBeschäftigten der einheimischen Betriebe, insbe-sonderederBauernwegenmangelnderProduktivi-tätnichtentsprechendangehobenwerdenkann,siewärenichtmehrkonkurrenzfähig.

Es wäre erforderlich gewesen, die neuen EU-Staaten in einer zeitlich befristeten Zollunion andas Produktivitäts- und Lohnniveau der altenEU-Staaten heranzuführen. Dann wären die In-vestitionenderKonzernederaltenEU-Staatenvielstärker den Menschen in den neuen EU-StaatenzugutegekommenunddieEntwicklunghättenichtzuden Verwerfungen geführt, mit denen wirnunzukämpfenhaben.

Dieswirdjetztpolitischwohlnichtmehrdurch-setzbar sein, es muss aber zumindest die „Bolke-stein-Richtlinie“ verhindert werden und weitereSchutzmaßnahmen,wiez.B.dieEinführungeinesMindestlohnes, müssen ergriffen werden. Außer-demwirdmitderEinführungderRessourcensteuerdasLohngefällereduziertunddieTransportkostenerhöht. Beides wird die Verlagerung von Arbeits-plätzenreduzieren.

Stagnation�trotz�Überliquidität�–��Umverteilung�tut�Not

Die angebotsorientierte, neoliberale Politik hatzum Ziel, die Gewinne der Unternehmen zu er-höhen,damitdiesemehr investierenkönnen.Dieskönnensieabernur,wenndieNachfragenachneu-en und/oder zusätzlichen Produkten besteht. ImAbschnitt„ErforderlichesGleichgewichtvonSpa-renundKonsumieren“habeichschondargestellt,dassmitderEinführungderletztengroßenSteuer-reformdieseVoraussetzungnichtmehrgegebenist,die Unternehmen investieren die Steuergeschenkewegen mangelnder Inlandsnachfrage nicht mehr.GeldgehtinsAuslandundindieSpekulation.DasmussganzzwangsläufigzuStagnationundWohl-standsverlustführen.

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DieÖkonomieneuDenken 19

Bei der Einführung der Maßnahmen für dieAgenda�010wurdeimmerwiederbetont,dassdasgetan werden muss, was aus sachlichen Gründenerforderlichist,auchdannwenneswehtut.DamitwurdederSozialabbaubegründet.

IchbinauchderMeinung,dassdasgetanwerdenmuss,wasnotwendigist.Notwendigistabernichtweiterer Sozialabbau und Lohndumping, sonderndieRückführungdesKapitalsinInlandsnachfrageund Inlandsinvestitionen und die Unterbindungder Spekulation. Um dies zu erreichen ist, nebendenobenbeschriebenenMaßnahmen,vorallemei-nehöhereBesteuerungderKapitaleinkommener-forderlich.Ja,dasistNOT-wendig,obdasmanchengefälltodernicht.Wenndaskapitalistisch-markt-wirtschaftlicheWirtschaftssystemüberlebenwill,dannistdiesunabdingbar,denndaskapitalistischeSystem muss im Gleichgewicht gehalten werden,weil„daskapitalistischeSystemkeinerleiTendenzzum Gleichgewicht aufweist.“ So schreibt GeorgeSoros, der erfolgreichste Spekulant der Nach-kriegszeitinseinemBuch„DieKrisedesglobalenKapitalismus“auf�7.

Miteinerwieder(höheren)BesteuerungderVer-mögenden,derKonzerne,derKapital-undSpeku-lationsgewinne, der Devisen- und Börsenumsätze,mit der Schließung der Steuerschlupflöcher undder Austrocknung der Steuerparadiese würde dieÜberliquiditätabgebaut,damitwäreweitwenigerGeld für die Spekulation verfügbar, mit den hö-heren Steuern wäre der Staat wieder handlungs-fähig, könnte wieder mehr investieren und mehrMenschenbeschäftigen,dieInlandsnachfragewür-de wieder steigen, die Arbeitslosigkeit und dieStaatsverschuldung abgebaut. Letzteres natürlichauchzumLeidwesenderKapitalbesitzer,denndasreduziert die Umverteilung von unten nach oben,wasnotwendigist.

Das wird zu mehr Steuerhinterziehung führen,sagendieeinen.Ichmeine:

Wer gegen Terroristen wehrhaft ist, kann sichauch gegen Steuerhinterziehung wehren (wenn erwill); oder? Und gibt es Anzeichen, dass mit derSteuersenkungdieSteuerhinterziehungenwenigergewordensind?

DaswirdzuKapitalfluchtführen,sagenandere(unddieeinenwohlauch).KönnteinmanchenFäl-lenpassieren.AberzumGlückgibtesdieEU.

Wenn� sich� die� Menschen� in� nicht� all� zu� ferner�Zukunft�nicht� länger�von�der�neoliberalen� Ideolo-gie� blenden� lassen� und� sich� die� oben� dargelegten�Erkenntnisse� und� Notwendigkeiten� durchsetzen,�beginnend�bei�den�WählerInnen,�und�die�Politiker�Machtverlust�befürchten�müssen,�dann�werden�sich�die� Politiker� der� EU� einigen� und� die� notwendige�Steuerharmonisierung�beschließen.�

Wo soll dann das Kapital noch hinflüchten? Indie todkrank-defizitären USA? Nach Russland?Argentinien? Ins überschuldete Japan? Nach Chi-na?Diebeidenletztgenanntenbrauchenkeinfrem-desGeld, siewerdensichdavorschützen,weil siesonsteinenTeilihresWohlstandsgewinnsalsZinsanausländische Investorenabgebenmüssten,wasvölligüberflüssigist.

DannwerdenbeiunskeineausländischenInves-toreninvestieren!–Kannmannochhören.

Das kann auch von Vorteil sein, dann werdenwirschonwenigerausgebeutet.Wirbrauchenkei-ne Heuschrecken, die die Betriebe zerlegen, denkurzfristigenGewinnsuchenundMitarbeiterent-

lassen.Der�Wohlstand�hängt�nicht�von� Investoren�ab,� sondern�ganz�allein�von�der�Verfügbarkeit�gut�ausgebildeter� Menschen� –� da� gehören� natürlich�Führungskräfte�dazu�-,�von�der�Verfügbarkeit�der�natürlichen� Ressourcen,� von� der� politischen� und�sozialen� Stabilität� des� Gemeinwesens� und� von� ei-ner�gleichgewichtigen�Entlohnung�der�Akteure�der�Wirtschaft, sodass die installierten Produktions-und Dienstleistungskapazitäten ausgelastet wer-den.EsgibtkeinenGrundsichvondenInvestorenunterDrucksetzenzu lassen;wirbrauchenkeineHeuschreckeninvestoren,siesindwirklichunnütz,jasogarschädlich.

Auch�Arbeitszeitverkürzung�ist��erforderlich�

DiebishierhergemachtenVorschlägewerdennichtausreichen,umsich ineinerakzeptablenZeitvonetwa4–5JahrenderVollbeschäftigungzunähern,da die Realisierung der Maßnahmen Zeit benö-tigen. Die Arbeitszeitverkürzung wird daher zu-mindest für eine kurzfristige Lösung erforderlichsein. Natürlich mit Lohnausgleich, jedoch nichtmit vollem Lohnausgleich, denn durch die höhereBeschäftigungsrate sinken die Sozialabgaben, einTeil, wenn auch ein kleinerer, wird also dadurchschonausgeglichen,derRestkannundmussüberdieProduktivitätssteigerungsgewinnevondenUn-ternehmenausgeglichenwerden.

Zukunftsinvestitionen�in�Menschen��anderer�Länder

Mit den ökologischen Zukunftsinvestitionen, denfinanzpolitischen Maßnahmen und der Arbeits-zeitverkürzung sind immer noch nicht alle Mög-lichkeiten zur Kompensation der zu geringen Re-generationsleistung und zur Wiedererlangung derVollbeschäftigungausgeschöpft.

In meinem Buch habe ich noch einen weiterenVorschlag dargestellt, den ich hier nur noch kurzerläuternmöchte.

Weiter oben habe ich erklärt, warum Zukunft-sinvestitionen erforderlich sind und dass die Re-generationsleistungdiewichtigsteZukunftsinves-tition ist. Die Erwerbsgeneration speichert mitder Erziehung und Ausbildung der Kinder ihreüberschüssigeLeistungskraft.DieKindersindun-sernatürlicher„Leistungsspeicher“.Dawegendergeringen Geburtenrate dieser Leistungsspeicherzukleinist(undindemwirnichtalleJugendlichenbestmöglich ausbilden, „füllen“ wir nicht einmaldiesenverkleinertenSpeichervollauf),könnenwiralsErsatzindieAusbildungvonMenschenandererLänderinvestieren.

In kleinerem Umfang können wir dies bei un-serenMigrantInnentun.Esistohnehinempörend,dass wir nur bestausgebildete Menschen als Zu-wandererakzeptieren.DiesisteinesehrsubtileArtderAusbeutungderLänderdesSüdens,dennwirwerdensodieNutznießerihrerZukunftsinvestiti-onen,ohneselbstinvestiertzuhaben.

In wesentlich größerem Umfang und ohne die„Verpflanzung“ der Menschen in einen fremdenKulturkreis, können wir in eine nachhaltige Ent-wicklungsunterstützung von Partnerländern in-vestieren. Dann werden diese Länder der „Leis-tungsspeicher“, in den wir jetzt überschüssigeLeistungabgeben,diewirdannin�0bis40Jahren,

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�0 DieÖkonomieneuDenken

wennunseregeburtenschwachenJahrgängeUnter-stützunggutgebrauchenkönnen,wiederzurückbe-kommen.

DieLeistungen,diewirjetztindieseLänderab-geben würden, können in Form von Personalhilfe(Wissenstransfer)oderdurchSachinvestitionener-folgen.InjedemFallwürdendieseLeistungenohne„Verzinsung“ an uns wieder zurück zu erstattensein,wirverlangenvonunserenKindern(bisjetzt)ja auch keine Verzinsung für die erbrachte Rege-nerationsleistung. (MitderEinführungderStudi-engebühren beginnt hier allerdings ein grundle-genderWandel.)

Dieser Vorschlag mag illusorisch klingen undnatürlichbirgterdieGefahrinsich,dassdaseineoderandereLandnichtinderLageseinwird,dieerhaltene Leistung wieder zurück zu erstatten,das stimmt. Aber sind wir sicher, dass die Le-bensversicherungen in �0 – 30 Jahren, wenn diegeburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, diezugesagten Zahlungen auch erbringen können?Die Versicherungen müssen dann einen Teil ihrerImmobilienundAktienverkaufen;–aberanwen?Bei zurückgehenden Bevölkerungszahlen werdendie ImmobiliendramatischanWertverlierenundwiesichdiePreisederAktienentwickelnwerden,könnenSieineinemAufsatzausdemJahr�001desChefökonomen der HypoVereinsbank nachlesen,erprognostiziertabetwa�015einenEinbruchderAktienkurse.

DiesinkendenPreisebeiImmobilienundAktienwerden sich zwangsläufig negativ auf die Zah-lungsfähigkeit der Lebensversicherungen auswir-ken.DurchdiesenPreisverfallwirddannKapital,daswirjetztsparen,vernichtet,eswirdganzein-fachwiederzuNICHTS.

eineandereWeltistmöglich

Ichhöreoft,dasswirunsvonderVorstellungvoneinerWiedererlangungderVollbeschäftigungver-abschiedenmüssen,undohneSozialabbau,Lohn-kürzungenundweitererStaatsverschuldungwürdeesauchnichtgehen,weilderdemographischeWan-delunddieGlobalisierungnunmalFaktseien.– Irrtum!!–GenaumitdiesenMaßnahmenlösen

wirdieProblemenicht!Dass Vollbeschäftigung wirklich unmöglich seinsoll,leuchtetmirnichtein!

Wenn wir durch die vorgeschlagenen Maßnah-mendieerforderlichenZukunftsinvestitionenein-geleitet haben und auf dem besten Weg sind, alleProblemezulösenundwennallesozialenDienstemitdemerforderlichenPersonalbesetztsind,unddann immer noch Arbeitslosigkeit herrscht, dannreduzierenwirweiterdieArbeitszeitundverteilensodie„Mühsal“unddieAnerkennung,diemitderArbeitverbundenist,aufalleErwerbsfähigen.

Die Diskussion über eine angemessene Grund-sicherung beschränkt sich dann auf die sozialeAbsicherung der Erwerbsunfähigen und auf dieUnterstützungvonMenschen,dieeinesolidarischeHilfebenötigen.

UnddieGlobalisierung,wiesieheutebesteht,istnicht „gottgewollt“ und nicht unabänderlich. Siewurde zur Bereicherung der Kapitalbesitzer, von

diesenundvonwilligenPolitikerInnenundWirt-schaftswissenschaftlerInnen, unter Zuhilfenahmeder Medien propagiert und durchgesetzt. Die In-doktrination der gesamten Bevölkerung gelang soperfekt,dassselbstdieLeidtragendendieserPoli-tikzuder„Einsicht“gelangten,dassesdazukeineAlternativegäbe.

Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, eine Visionfür eine andere Politik verständlich darzulegen,einePolitikmitdereineandereWeltmöglichwird,miteinerWirtschaftdieallen�Menschendient.

Was�noch�fehlt:��Auswege�aus�der�(möglichen)��spätkapitalistischen�Krise

Dem kapitalistischen Wirtschaftssystem steht inden nächsten Jahren die größte Herausforderungseiner Geschichte bevor, verursacht durch 3 Ent-wicklungen,nämlich:1.DieanhaltendeVerschuldungderUSA:dieha-

benseitJahreneinAußenhandelsdefizitvon500Mrd.$/Jahr.

�.DerdemographischeWandelinfastganzEuro-paundinJapan,derdazuführt,dasssicheineriesige,langfristigeSparwelleaufbaut,dieim-mermehrGeldindieSpekulationspült.

3. IneinigenJahrenwirddieSituationeintreten,dassdieErdöl-FörderkapazitätennichtmehrdemsteigendenBedarfangepasstwerdenkön-nen,weilderZuwachsanerschließbarenReser-vengeringerseinwirdalsdiejährlicheEntnah-me.DieswirdzuenormenPreissteigerungenaufdemEnergiemarktführen,verbundenmiteinemAbbruchdeswirtschaftlichenWachs-tums.Miteinervernünftigen,vorausschauendenPoli-

tik,etwasowieindiesemAufsatzvorgestellt,wä-rendieseProblemelösbar.Esistabernichtauszu-schließen,dasssichdieseVernunftweltweitvielzuspät durchsetzt, und es daher zu einer kolossalenWeltwirtschaftskrisekommenkann.

Wir tun gut daran, auch für die BewältigungdieserSituation,StrategienundLösungsansätzezuentwickeln,umeinerlanganhaltendenwirtschaft-lichen Depression, verbunden mitLeidundElendfür Milliarden von Menschen, wirkungsvoll zubegegnen. Diese zu erwartende Krise des Kapita-lismuswirdmöglicherweiseseinEndemarkieren.

IchbindaherabjetztaufderSuchenacheinempostkapitalistischenSystem.Wieesaussehenwirdweiß ich noch nicht. Die gröbsten Fehler des So-zialismus und des Kapitalismus möchte ich aberjetzt schon ausschließen: Es wird keinen Markt-fundamentalismus,keinePlanwirtschaftundkeineMöglichkeit der Spekulation mehr geben können,undEigentumdarfsichnichtmehrinderHandvonwenigenkonzentrieren,eswirdbreitgestreutsein.

Wer möchte ist herzlich eingeladen, an diesemProjektmitzuwirken.

31.5.�006

FranzGrollEichendorffstr.475391Gechingen,Tel/Fax07056�[email protected]