Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden ... dem Begriff der ‚Gouvernementalité’ führte...

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9 Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden. Gouvernementalität als Perspektive für die Erziehungswissenschaft Susanne Maurer/ Susanne Maria Weber „Die Menschen regieren: das war sie an die Hand nehmen, sie zu ihrem Heil geleiten – mithilfe einer detaillierten Führungstechnik, die eine Menge Wissen implizierte: Wissen über das Indi- viduum, das man führte; Wissen über die Wahrheit, zu der man führte...“ (Foucault 1992: 50) Die Foucaultsche Perspektive auf Macht und Wissen ist erziehungswissenschaft- lich hochrelevant – das stellte Klaus Mollenhauer bereits Ende der 1970er Jahre fest (vgl. Krüger 1999: 164). Die Erziehungswissenschaft schien allerdings über lange Zeit ein recht ambivalentes Verhältnis zu diesem hochkreativen, kritischen politischen Philosophen zu haben. So bemerkte Ludwig Pongratz (1989), dass Rezeption wie Nicht-Rezeption eher von Ablehnung und Skepsis geprägt seien, man auf die „Wucht seiner Analysen“ nicht annähernd eingehe und jene für die kritische Analyse pädagogischen Wissens insgesamt viel zu wenig nutze. Das scheint sich derzeit zu ändern. Das Thema ‚Macht’ wird nicht nur ganz explizit im Rahmen eines Kongresses der DGfE (2006) aufgegriffen, es sind in den letzten Jahren auch etliche Publikationen erschienen, die Foucault für die Erziehungswissenschaft fruchtbar machen. 1 So wie Axel Honneth (2003) dies für die Sozialwissenschaften konstatiert, so stellt auch Nicole Balzer (2004) für die Erziehungswissenschaft fest, dass die Auseinandersetzung insgesamt produktiver wird. Mit dem Begriff der ‚Gouvernementalité’ führte Michel Foucault noch „ei- ne neue Dimension in seine Machtanalyse ein, die es ermöglicht, Machtbezie- hungen unter dem Blickwinkel von ‚Führung’ zu untersuchen, um sich gleicher- maßen vom Modell des Rechts wie vom Modell des Krieges abzusetzen“ (Lem- ke et al. 2000: 8). Thomas Lemke, Ulrich Bröckling und Susanne Krasmann sehen die innovative Kraft des Begriffs vor allem in seiner „Scharnierfunktion“: Regierung wird damit als „Bindeglied zwischen strategischen Machtbeziehungen 1 Gabriella Schmitz legte 2004 eine Bibliographie zu erziehungswissenschaftlichen Arbeiten mit Foucault-Bezug vor. Mit den dort zusammengestellten Beiträgen wird eine diskursanalytisch orientierte Erziehungswissenschaft sowohl als Forschungslinie wie auch als Diskussionszu- sammenhang erkennbar. – Vgl. auch die beiden hochinteressanten Sammelbände von Pongratz et al. (2004) und Ricken/Rieger-Ladich (2004).

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Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden.

Gouvernementalität als Perspektive für die Erziehungswissenschaft

Susanne Maurer/ Susanne Maria Weber

„Die Menschen regieren: das war sie an die Hand nehmen, sie zu ihrem Heil geleiten – mithilfe einer detaillierten Führungstechnik, die eine Menge Wissen implizierte: Wissen über das Indi-viduum, das man führte; Wissen über die Wahrheit, zu der man führte...“ (Foucault 1992: 50)

Die Foucaultsche Perspektive auf Macht und Wissen ist erziehungswissenschaft-lich hochrelevant – das stellte Klaus Mollenhauer bereits Ende der 1970er Jahre fest (vgl. Krüger 1999: 164). Die Erziehungswissenschaft schien allerdings über lange Zeit ein recht ambivalentes Verhältnis zu diesem hochkreativen, kritischen politischen Philosophen zu haben. So bemerkte Ludwig Pongratz (1989), dass Rezeption wie Nicht-Rezeption eher von Ablehnung und Skepsis geprägt seien, man auf die „Wucht seiner Analysen“ nicht annähernd eingehe und jene für die kritische Analyse pädagogischen Wissens insgesamt viel zu wenig nutze.

Das scheint sich derzeit zu ändern. Das Thema ‚Macht’ wird nicht nur ganz explizit im Rahmen eines Kongresses der DGfE (2006) aufgegriffen, es sind in den letzten Jahren auch etliche Publikationen erschienen, die Foucault für die Erziehungswissenschaft fruchtbar machen.1 So wie Axel Honneth (2003) dies für die Sozialwissenschaften konstatiert, so stellt auch Nicole Balzer (2004) für die Erziehungswissenschaft fest, dass die Auseinandersetzung insgesamt produktiver wird.

Mit dem Begriff der ‚Gouvernementalité’ führte Michel Foucault noch „ei-ne neue Dimension in seine Machtanalyse ein, die es ermöglicht, Machtbezie-hungen unter dem Blickwinkel von ‚Führung’ zu untersuchen, um sich gleicher-maßen vom Modell des Rechts wie vom Modell des Krieges abzusetzen“ (Lem-ke et al. 2000: 8). Thomas Lemke, Ulrich Bröckling und Susanne Krasmann sehen die innovative Kraft des Begriffs vor allem in seiner „Scharnierfunktion“: Regierung wird damit als „Bindeglied zwischen strategischen Machtbeziehungen

1 Gabriella Schmitz legte 2004 eine Bibliographie zu erziehungswissenschaftlichen Arbeiten mit

Foucault-Bezug vor. Mit den dort zusammengestellten Beiträgen wird eine diskursanalytisch orientierte Erziehungswissenschaft sowohl als Forschungslinie wie auch als Diskussionszu-sammenhang erkennbar. – Vgl. auch die beiden hochinteressanten Sammelbände von Pongratz et al. (2004) und Ricken/Rieger-Ladich (2004).

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und Herrschaftszuständen“ (ebd.) beschreibbar; Foucault differenziere somit auch deutlicher als früher zwischen Herrschaft und Macht. Der Regierungsbeg-riff vermittle zudem zwischen Macht und Subjektivität und biete nicht zuletzt „ein wichtiges Analyse-Instrument zur Untersuchung der von Foucault immer wieder herausgestellten Macht-Wissen-Komplexe“ (Lemke et al. 2000: 8).

In seinen Arbeiten zur Gouvernementalität (2004a, 2004b) untersucht Fou-cault MachtWissen im Kontext von Regierung, Normalisierung und Subjektivie-rung2, indem er die Regierungskunst fokussiert.3 Der Begriff der ‚Regierung’ bezieht sich bei Foucault jedoch nicht auf die staatliche Regierungsmacht, son-dern auf die Führung von Menschen im Sinne ihrer Lenkung, Kontrolle und Leitung. Dies beinhaltet Selbstführung ebenso wie Fremdführung:

„Der Kontaktpunkt, an dem die Form der Lenkung der Individuen durch andere mit der Weise ihrer Selbstführung verknüpft ist, kann nach meiner Auffassung Regierung genannt werden. In der weiten Bedeutung des Wortes ist Regierung nicht eine Weise, Menschen zu zwingen, das zu tun, was der Regierende will; vielmehr ist sie immer ein bewegliches Gleichgewicht mit Er-gänzungen und Konflikten zwischen Techniken, die Zwang sicherstellen, und Prozessen, durch die das Selbst durch sich selbst konstruiert und modifiziert wird“ (Foucault 1993 zit. nach Lemke et al. 2000: 29).

Regierung bezieht sich also auf die „(Selbst)Produktion“ der Subjektivität, auf die „Erfindung und Förderung von Selbsttechnologien, die an Regierungsziele gekoppelt werden können“ (ebd.). Die Gouvernementalitätsanalyse unterscheidet zwischen Selbst- und Fremdkonstitution von Technologien und will die Wech-selwirkung zwischen den beiden Technikformen – Herrschaftstechniken und Selbsttechniken – untersuchen.

Im Konzept der ‚Gouvernementalité’ werden Politik und Wissen einander nicht gegenübergestellt, vielmehr wird hier ein ‚politisches Wissen’ artikuliert. Bestimmte Formen der Problematisierung definieren demnach einen politisch-

2 Thomas Lemke machte 1997 mit dem bei Argument erschienenen Band „Kritik der politischen

Vernunft“ die Foucaultschen Arbeiten zur Gouvernementalität erstmals im deutschsprachigen Raum zugänglich. Im Jahr 2000 schlossen Lemke, Bröckling und Krasmann mit dem bei Suhr-kamp erschienenen Band „Gouvernementalität der Gegenwart“ an, und schließlich erschienen im Jahre 2004 die Foucaultschen Schriften zur „Geschichte der Gouvernementalität“ selbst in deutscher Übersetzung (vgl. Foucault 2004a und 2004b).

3 Agnieszka Dzierzbicka (vgl. ihren Beitrag i. d. B.) macht uns mit Bezug auf Sennelart darauf aufmerksam, dass sich der Begriff Gouvernementalité auf die Regierungstätigkeit bezieht und nicht etwa ein Neologismus sei, der sich einfach auf eine semantische Verbindung von ‚gou-verner’ und ‚mentalité’ zurückführen lasse (siehe dazu in der deutschsprachigen Rezeption Lemke et al. 2000: 8; Pieper 2003: 137; Dzierzbicka/Sattler 2004: 120). Sennelart lehnt solche Lesarten als Fehldeutungen ab und verweist auf die Ableitung der Gouvernementalité von dem Wort gouvernemental, das wiederum die spezifischen Merkmale der Regierungstätigkeit be-zeichnet (vgl. Sennelart 2004: 482, Fußnote 125). Foucault geht es demnach um eine spezifi-sche Regierungstätigkeit, die gouvernementale Verwaltung (vgl. Foucault 2004b: 161), die ei-ne neue Qualität, eine neue Form strategischen Denkens und Handelns beinhaltet.

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epistemologischen Raum oder ein „Möglichkeitsfeld“ (Foucault 1987: 255, zit. nach Lemke et al. 2000: 20): Das Interesse richte sich somit auf das den Prakti-ken immanente Wissen, die Systematisierung und ‚Rationalisierung’ einer Prag-matik der Führung. Der hier verwendete Rationalitätsbegriff bezieht sich auf „historische Praktiken, in deren Kontext Wahrnehmungs- und Beurteilungsstra-tegien generiert werden. Er impliziert also keine normative Wertung, sondern besitzt vor allem relationale Bedeutung“ (ebd.).

In der Perspektive der Gouvernementalität geht es, wie gesagt, um die Ver-bindungen zwischen Regierungspraktiken, Normalisierung und Subjektivierung: Regierungspraktiken können an Körper, Organismus und Disziplin ebenso anset-zen wie an den Wünschen, dem Wollen der Subjekte. Sie können als normalisie-rendes Wissen von der Gesamtheit der Bevölkerung her wirken und das ‚Norma-le’ und seine ‚Abweichungen’ entlang der Normalitätsgrade regulieren. Das hier wirksam werdende Regierungswissen prallt nicht an den Subjekten ab, sondern wird als subjektivierende Praxis wirksam – die „Machtverhältnisse durchziehen das Körperinnere“ (Foucault 1978).

Foucault ersetzt einfache Gegenüberstellungen von Zwang und Freiheit o-der Konsens und Gewalt durch einen „reflexiven Modus von Regierung als ‚Füh-ren der Führungen’“ (Lemke et al. 2000: 27):

„Vielleicht eignet sich ein Begriff wie ‚Führung’ gerade Kraft seines Doppelsinns gut dazu, das Spezifische an den Machtverhältnissen zu erfassen. ‚Führung’ ist zugleich die Tätigkeit des ‚Anführens’ anderer (…) und die Weise des Sich Verhaltens in einem mehr oder weniger offe-nen Feld von Möglichkeiten“ (Foucault 1987, zit. nach Lemke et al. 2000: 27f.).

Beide Aspekte des Begriffs haben starke Bezüge zu pädagogischen Fragestellun-gen und Praktiken, wie die Beiträge des vorliegenden Bandes exemplarisch zei-gen können. Mit dem Konzept der ‚Gouvernementalité’ sucht Foucault die spezi-fischen Rationalitäten der Regierung zu identifizieren, die es ermöglichen, „ihre verschiedenen Gegenstandsbereiche zu ordnen, und sie an verschiedenen Zweckbestimmungen auszurichten“ (Lemke et al. 2004: 12). Mit seiner „Ge-schichte der ‚Gouvernementalität’“ hat Foucault insbesondere drei Formen von Regierung untersucht: die Staatsräson, die „Policey“ und den Liberalismus (vgl. zu letzterem insbesondere Peters i. d. B.). Im Mittelpunkt seiner Untersuchung stehen dabei die Differenz und Diskontinuität unterschiedlicher Technologien der Macht: Recht, Disziplin und Sicherheitstechniken (vgl. Lemke et al. 2004: 13).

„Mir scheint in der Tat, dass sich hinter der gegenwärtigen ökonomischen Krise und den gro-ßen Gegensätzen und Konflikten, die zwischen reichen und armen Nationen (...) absehbar wer-den, eine Krise der Regierung abzeichnet. Unter Regierung verstehe ich die Gesamtheit der In-stitutionen und Praktiken, mittels deren man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis zur Erziehung. Diese Gesamtheit von Prozeduren, Techniken, Methoden, welche die Lenkung der Menschen untereinander gewährleisten, scheint mir heute in die Krise gekommen zu sein (...).

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Wir stehen vielleicht am Beginn einer großen krisenhaften Neueinschätzung des Problems der Regierung“ (Foucault 1996: 118-120).

In den Sozialwissenschaften haben Lemke et al. (2000) das Denken der Gouver-nementalität gegenwartsdiagnostisch nutzbar gemacht – für die Analyse von Macht-Wissens-Komplexen im Kontext neuer Modelle der Lebensführung, als ‚totale Mobilmachung’ der Subjekte für institutionelle Strategien. Sie untersu-chen das Verhältnis zwischen Subjektivierungsprozessen, Technologien des Selbst und der Ausbildung möglicher Herrschaftsformen.

Einem solchen Anliegen sieht sich auch der vorliegende Band verpflichtet. Er ist entstanden aus dem Interesse heraus, Problematisierungen, die sich aus einer Gouvernementalitätsperspektive im Anschluss an Michel Foucault ergeben, auf erziehungswissenschaftliches Denken und Forschen zu beziehen, das uns veranlasst hat, WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Ländern und unter-schiedlichen ‚Generationen’ in einem ‚Marburger Workshop’ (2005) zusammen-zuführen. Die gemeinsamen Diskussionen haben die weitere Ausarbeitung der Beiträge inspiriert.

Gemeinsamer Hintergrund und Horizont für alle Beiträge in diesem Band ist ein Interesse an Möglichkeiten der Kritik gegenwärtiger gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen. Doch welchen Beitrag zur Ausbildung einer Kritikkultur kann Wissenschaft, und explizit auch erziehungswissenschaftliches Fragen leisten?

‚Was ist Kritik?’

Die Foucaultschen Arbeiten stehen im Kontext von Perspektiven, die die Macht-frage in pädagogischen Handlungsfeldern mitführen und damit der Machtverges-senheit der Erziehungswissenschaft entgegenwirken. Jene sehen sich einem kriti-schen Wissenschaftsverständnis verpflichtet (vgl. Masschelein et al. 2004).

In der Foucaultschen Perspektive ist das Potential von Kritik, „dass sie sich unablässig formiert, sich fortsetzt und immer wieder von neuem entsteht“ (Fou-cault 1992: 8). Foucault kennzeichnet Kritik als Haltung, als „eine bestimmte Art zu denken, zu sagen, zu handeln auch, ein bestimmtes Verhältnis zu dem, was existiert, zu dem, was man weiß, zu dem, was man macht, ein Verhältnis zur Gesellschaft, zur Kultur, ein Verhältnis zu den anderen auch – etwas, was man die Haltung der Kritik nennen könnte“ (ebd.).

Einen Weg zur Geschichte der Kritik markiert er übrigens ausgehend von der christlichen Pastoral und der Vervielfältigung der Regierungskunst und der Regierungseinrichtungen. „Alle Auseinandersetzungen um die Pastoral in der zweiten Hälfte des Mittelalters haben die Reformation vorbereitet und waren sozusagen die geschichtliche Schwelle, auf der sich jene kritische Haltung ent-wickelt hat“ (ebd.: 44).

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Die kritische Haltung ist Gegenstück zu den Regierungskünsten, „gleichzei-tig ihre Partnerin und ihre Widersacherin“ – die Kulturform einer moralischen und politischen Haltung, einer Denkungsart, einer „Kunst, nicht dermaßen re-giert zu werden“ (ebd.: 12). Der Entstehungsherd der Kritik ist demnach im We-sentlichen „das Bündel der Beziehungen zwischen der Macht, der Wahrheit und dem Subjekt“. Foucault kennzeichnet als Kritik die Bewegung, in der sich das Subjekt das Recht herausnimmt, „die Wahrheit auf ihre Machteffekte hin zu befragen und die Macht auf ihre Wahrheitseffekte hin“.

Kritik als Kunst der „reflektierten Unfügsamkeit“ und der „freiwilligen Un-knechtschaft“ in den Spielen der Wahrheitspolitiken hat also die Funktion der Entunterwerfung (ebd.: 15). Sie knüpft an das Verständnis der Aufklärung an, die gegen Unmündigkeit, einen Mangel an Entschlossenheit und Mut antritt. „Sapere aude“ ist demnach die kritische Haltung. Direkt und an der Oberfläche sichtbarer Transformationen gilt es die „Beziehungen zwischen Macht, Wahrheit und Subjekt zu analysieren“. Damit ist für Foucault die Frage nach „Was ist Kritik“ – eine Frage, die in „Was ist Aufklärung“ mündet (vgl. insgesamt Fou-cault 1992).

Foucault stellt sich damit durchaus in die kritische Denktradition der Auf-klärung. Das Hauptmoment der kritischen Haltung müsse „gerade die Befragung der Erkenntnis über ihre eigenen Grenzen oder Sackgassen sein, auf die sie in ihrem anfänglichen und konkreten Vollzug stößt“ (ebd.: 43). Im Unterschied zu Kant betont er allerdings, dass es bei Kritik nicht um „Legitimitätsprüfung“, sondern um das Auffinden von Verschränkungen zwischen Zwangs- und Er-kenntniselementen gehe (vgl. Schäfer 2004: 162): „Der erste Mut, den man fas-sen muss, wenn es um Wissen und Erkennen geht, besteht darin, zu erkennen, was man erkennen kann. Das ist die Radikalität, und für Kant übrigens die Uni-versalität seines Unternehmens“ (Foucault 1992: 59).

Gehen nun ideologiekritisch orientierte sozialwissenschaftliche Perspekti-ven quasi ‚materialistisch’ von institutionellen und personellen Herrschaftsstruk-turen aus, deren Ideologieförmigkeit ‚entlarvt’ werden muss, so geht die Dis-kursanalyse nach Foucault von Macht als MachtWissen aus. Hegemoniale End-formen sind demnach nicht vorgängig, sondern sich permanent aktualisierendes Ergebnis und Prozess einer spezifischen Rationalisierungspraxis. Dies ist mögli-cherweise einer der Gründe, warum die deutsche Rezeption sich nicht ohne wei-teres auf das Foucaultsche Denken einlassen konnte.

Kritische Erziehungswissenschaft

Das durchaus plurale Kritikfeld einer ‚kritischen Erziehungswissenschaft’ lässt sich entlang der Kernbegriffe ‚Emanzipation’ und ‚Mündigkeit’ ausmachen (vgl. hierzu auch Maurer 2001). Heinz-Hermann Krüger (1999) verdeutlicht das An-

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liegen einer kritischen Erziehungswissenschaft am Beispiel von Autoren wie Herwig Blankertz, Wolfgang Klafki und Klaus Mollenhauer, die gesellschafts-theoretische Perspektiven für die vordem noch vor allem geisteswissenschaftlich orientierte Pädagogik einforderten (vgl. Krüger 1999: 163). So vertrat Mollen-hauer 1968 die Position, Erziehung und Bildung müssten ihren Zweck in der Mündigkeit des Subjekts haben. Dementsprechend sei das erkenntnisleitende Interesse der Erziehungswissenschaft das Interesse an Emanzipation (vgl. ebd.: 164).

Das Emanzipationspostulat von Mollenhauer und Klafki, so Krüger weiter, sei in den 1970er Jahren mit Jürgen Habermas zunehmend diskurstheoretisch begründet worden. Die Zielperspektive eines vernunftgemäßen Konsenses sei demnach an der regulativen Idee der herrschaftsfreien Kommunikation orientiert gewesen. Krüger sieht kritische Erziehungswissenschaft „auf gegenstandstheore-tischer Ebene bemüht, pädagogisches Handeln als historisch vermittelte gesell-schaftliche Praxis zu fassen und die Interdependenz zwischen dem jeweiligen Erziehungssystem und der Struktur der Gesellschaft herauszuarbeiten“ (ebd: 165). Erziehung und Gesellschaft wurden dabei dialektisch aufeinander bezogen und in den 1970er und 1980er Jahren methodisch insbesondere ideologiekritisch angelegt. Der programmatische Charakter, den ‚Kritik’ damit gewinnt, wirft allerdings sogleich die Frage auf, wie weit die Aufklärung sich über sich selbst aufzuklären vermag. Unterliegen die Kritiker nicht auch selbst dem Kritisierten?4

Auf die Problematik des Kritikanspruchs, wie er sich im Emanzipationspos-tulat ausdrückt, verweist Christiane Thompson (2004). Demnach liegen die Wi-dersprüche der kritischen Erziehungswissenschaft der 1980er Jahre vor allem darin, auf einen emphatischen Begriff der Emanzipation zu vertrauen. Eine ‚kri-tische Pädagogik’, die mit der Unterscheidung von ‚Ideologie’ vs. ‚Wahrheit’ und der Annahme machtfreier Erkenntnis arbeitet, blendet aber aus, dass mit dem Emanzipationsdiskurs selbst bereits ein machtvolles Geschehen verbunden ist. ‚Bekenntniszwänge’ können hier den Spielraum des Nachdenkens einschrän-ken, ‚Emanzipation’ und ‚Mündigkeit’ als idealistische und idealisierte Pro-grammatiken dann womöglich nicht mehr auf ihren Ort im Diskurs und ihre subjektivierende Praxis hin befragt werden. ‚Eigenverantwortung’ kann dann auch nicht als Praxis der Menschenführung (vgl. Weber 1998; Liesner 2003) in den Blick geraten.

In einer Foucaultschen Perspektive müssen Entgegensetzungen von Mün-digkeit und Unmündigkeit, Autonomie und Heteronomie, die Kontrastierung von Selbst- und Fremdbestimmung, von Freiheit und Macht als Engführungen begrif-fen werden. Das ‚innige Wechselverhältnis’ von Wissen und Macht ist vielmehr 4 Vgl. hierzu mit Bezug auf die Kritische Theorie bspw. auch Gerhard Gamm (1985) oder Seyla

Benhabib (1992).

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genealogisch-archäologisch zu erschließen, eher in Gestalt von ‚Konstellatio-nen’. Kritik rekurriert dann nicht auf die Unterscheidung von „Legitimität“ und „Illegitimität“, bzw. von „Wahrheit“ und „Ideologie“ (vgl. Thompson 2004: 47f.), sondern auf die „Bruchlinien“ im Auftauchen eines akzeptierten Systems von MachtWissen. Gerade die Brüche und Kontingenzen in den Ensembles von MachtWissen markieren hier das Feld möglicher Umkehr oder Veränderung.

In diesem beweglichen Feld der Auseinandersetzungen und diskursiven Kämpfe wird auch Kritik zu einer Strategie, die ihre Stützpunkte hat und am Spiel von Wahrheit und Macht teilnimmt (vgl. Thompson 2004: 51f.). Hier geht es weniger darum, gleichsam als UrheberIn Gesellschaft zu verändern, sondern kritische Veränderungen und Verschiebungen als Erfahrungsprozess möglich werden zu lassen, als „Grenzerfahrung, die das Subjekt von sich selbst losreißt (...)“ (Foucault 1996: 27, zit. nach Thompson 2004: 53).

Kritik ist dann in der Tat nicht mehr reines Erkenntnismodell, sondern kriti-sche Haltung und Kunst, „nicht auf diese Weise und um diesen Preis regiert zu werden“ (Foucault 1992: 12).

Erziehungswissenschaft zwischen Affirmation und Kritik

Jürgen Oelkers und Heinz Tenorth fordern 1991 im Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik, das Pädagogische Wissen selbst der Analyse und Untersuchung zu-gänglich zu machen.5 Die Orte und Systeme der Entstehung und Nutzung Päda-gogischen Wissens, die Funktionen Pädagogischen Wissens, die Muster und Instanzen der Beglaubigung, die Merkmale, die die Struktur Pädagogischen Wissens definieren, die Themen, die den Gegenstand unterscheidbar machen und die Arten des Wissens sollten analysiert werden, so ihr Plädoyer.

Jochen Kade (1989, 1997, 2003) nimmt diesen Ball auf, wenn er nach der Art und Weise und den Bedingungen pädagogischen Handelns und seiner Re-konstruktion, nach der Gestalt des Pädagogischen in einer reflexiven Moderne fragt. Mit der Perspektive der „Ungewissheit“ (Helsper et al. 2003) werden die Felder uneindeutig. In neuen pädagogischen Arrangements lassen sich „dynami-sche Gemengelagen von Gewissheit und Ungewissheit, von Wissen und Nicht-wissen, von Sicherheit und Unsicherheit“ auffinden, die hier charakteristischer 5 Oelkers und Tenorth kennzeichnen Pädagogisches Wissen hier als „jene nach Themen und

Fokus von anderem Wissen unterscheidbaren, symbolisch repräsentierbaren Sinnstrukturen, die Erziehungs- und Bildungsverhältnisse jeder Art implizit oder explizit organisieren, dabei eine zeitliche, sachliche und soziale Schematisierung einer Praxis erzeugen, die als ‚pädago-gisch’ selbst bezeichnet wird und so auch durch Beobachter beschreibbar ist. Über pädagogi-sches Wissen lässt sich der Sinn dieser Praxis gemäß der ihr eigenen Rationalität verstehen und auch im Blick auf Funktionen und Effekte analysieren; das Ergebnis solcher Anstrengungen lässt sich sogleich von dieser Praxis ablösen, als Text kodifizieren und selbständig tradieren und erörtern“ (Oelkers/Tenorth 1991: 29).

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seien als „eindeutige Orientierungen und stabile Handlungsmuster“ (Helsper et al. 2003: 18).

Das Pädagogische leidet also unter Eindeutigkeitsverlust und steht damit in vielerlei Hinsicht auf schwankendem Boden. Abgrenzungen werden unscharf, und es zeichnen sich sowohl neue Durchdringungen als auch Grenzziehungen ab. Das Pädagogische wäre demnach in widersprüchlich strukturierten Feldern zu untersuchen, die zu „Problemvorgabe und Kennzeichen pädagogisch-orientieren-der Gestaltung und erziehungswissenschaftlicher Reflexion“ (Helsper et al. 2003: 8) werden. Wird nun erziehungswissenschaftliche Reflexivität zum Kö-nigsweg, den Stellenwert des Pädagogischen heute in kritischer Absicht zu un-tersuchen?

Die ‚Universalisierung des Pädagogischen’ – die Umstellung also von ei-nem je bereichsspezifischen Aufgaben-, Funktions- und Handlungsverständnis professioneller PädagogInnen zu einer allgemeinen, alltäglichen und nicht mehr begründungspflichtigen Haltung – habe nicht nur die Selbstbeschreibungen der Sozial- und Erziehungsberufe delegitimiert, sondern auch im Reflexionssystem der Pädagogik, in der Erziehungswissenschaft, ihre Spuren hinterlassen – so Michael Wimmer (1996). Im Zuge der Entdifferenzierung und Durchdringung vieler gesellschaftlicher Bereiche codiere der pädagogische Habitus als Selbst-verständlichkeit nunmehr Denk-, Erfahrungs- und Verhaltensweisen. Dies erzeu-ge spezifische Spaltungen im erziehungswissenschaftlichen Diskurs (vgl. Wim-mer 1996: 419f.).

Michael Winkler (1999) vertritt in diesem Zusammenhang die These, dass Pädagogik, schon immer reflexiv verfasst, in modernen Gesellschaften einen zentralen Stellenwert gewinnt, „indem sie ihre institutionelle und praktisch-operative Dimension verliert, statt dessen auf Reflexivität beschränkt wird. Pä-dagogik tritt heute primär als reflexive Pädagogik auf und kann auch nur noch reflexive Pädagogik sein“ (Winkler 1999: 272; Herv. i. O.). Reflexivität führe allerdings keineswegs zu einem Zuwachs kritischer Vergewisserung. „Im Gegen-teil: die Pädagogik gewinnt als reflexive nur um den Preis gesellschaftlicher Affirmativität, der die möglichen Restbestände kritischer Potentiale offensicht-lich aufzehrt“ (ebd.). Winkler weist darauf hin, dass eine reflexive Erziehungs-wissenschaft mitten im „Feld sozialer Verfügung“ steht – und den in die Refle-xion hineinreichenden Prozessen sozialer Verfügung ist nicht gerade leicht zu entkommen (vgl. Winkler 1999: 297).

Mitten im Feld sozialer Verfügung stehen also die pädagogischen Praxen und das pädagogische Wissen, das sich auch und gerade einem emanzipatori-schen Diskurs verpflichtet fühlt. In ihnen wird Ungewissheit zur Ressource (vgl. Weber i. d. B.) und das Prinzip der forschenden Praxis, des hypothetischen und experimentellen, lernenden Umgangs mit Informationen in der Gesellschaft wird

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darin zum allgemeinen Handlungsmodus (vgl. Weingart 2001: 337). Solche produktiven Ungewissheitspraxen werden eingebunden in Prozesse „kommuni-kativer Rationalisierung“ (Ulrich 1990). Deleuze sieht hier die Kontrollgesell-schaft am Werke, die eben nicht mehr mit der Disziplinierung und Einschließung arbeitet, sondern durch unablässige Kontrolle und unmittelbare Kommunikation geprägt ist (vgl. Deleuze 1993a: 250). In Kontrollgesellschaften werden ultra-schnelle Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen eingeführt, die „den härtes-ten Einschließungen in nichts nachstehen“. Das „Schul-Regime“ (Deleuze 1993b: 261) verlange die Formen kontinuierlicher Kontrolle in offenen Milieus und die Einwirkung der permanenten Weiterbildung, die Einführung des „Unter-nehmens“ auf allen Ebenen des Bildungs- und Ausbildungswesens. In der „freien Assoziierung freier Individuen“ am Markt der Kommunikationsgesellschaft kann Deleuze daher kein utopisches Potential mehr erkennen. „Im Kapitalismus gibt es nur eine einzige universelle Sprache, das ist der Markt“ (ebd.: 247). Aller-dings bestehe weder zur Furcht noch zur Hoffnung Grund, „sondern nur dazu, neue Waffen zu suchen“ (ebd.: 256). Die Suche nach „neuen Waffen“ gestaltet sich also in der Tradition, das polyphone Ensemble der Kritik zur Sprache zu bringen.

Kritik als ‚polyphones Ensemble’ – Lesarten und Rezeptionen mit Bezug

auf Foucault

Kritik orientiert sich nicht an Disziplingrenzen. Sowohl sozial- wie erziehungs-wissenschaftliche Rezeptionslinien sind plural. Sie bieten damit vielfältige Anre-gungspotentiale und auch Anschlussstellen für kritisches Denken. In diesem Sinne ist es unser Anliegen, mit den folgenden Einblicken in unterschiedliche Rezeptionen wenigstens skizzenhaft Möglichkeiten des Anschließens an Fou-caults Kritikperspektive aufzuzeigen. Wir haben dabei keineswegs die Absicht, ‚richtige’ gegen ‚falsche’ Rezeptionsweisen auszuspielen, sondern verfolgen – mit Foucault – das Anliegen, Kritik als ‚polyphonem Ensemble’ Gehör zu ver-schaffen.

‘A figure of discursivity’

Michael Peters (2004: 196ff.) macht darauf aufmerksam, dass es keinen Text ohne LeserIn gibt – dass der Leser bzw. die Leserin den Text also beim Lesen aktiv konstruiert. Wie gelesen und was rezipiert wird, hängt dabei von histori-schen Konstellationen, kulturellen Diskursen und Akzeptabilitäten ab. Manche LeserInnenkreise stehen poststrukturalistischem Denken kritisch, andere positiv gegenüber, mancherorts wird Foucault stärker in der Literaturwissenschaft als in der Philosophie rezipiert. Peters fordert von daher, eher die kulturellen Kontexte

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der Rezeption in den Blick zu nehmen, als sich ideologisch (oder ideologiekri-tisch!) an ‚Wahrheiten’ abzuarbeiten. Er grenzt sich dennoch von einer ‚anything goes’- Haltung im Umgang mit Foucault ab: Auch wenn es nicht ‚die einzige’ Foucault-Rezeption geben könne, so könnten Interpretationen doch auch schlecht, falsch oder verzerrend sein. Gegenüber dem ‚bitteren Antagonismus der 1980er’ plädiert er insgesamt für einen kreativeren, theoretisch differenzier-teren und reflexiveren Stil kritischen Nachdenkens. Foucault und sein Werk sollten also für multiple Interpretationen geöffnet werden. Allerdings werde Foucault, so Peters, oftmals auch ‚sehr zugerichtet’ und als „Mr. Elastic Man“ vernutzt – gerade weil er auch eingeladen habe, seine ‚Werkzeugkiste der Kritik’ vielfältig in kritischer Absicht zu verwenden.

Für Peters ist Foucault eine ‚figure of discursivity’ – indem er auch das ei-gene (Erkenntnis-)Projekt immer wieder reformuliert und diskursiv weiterentwi-ckelt. In Bezug auf die anglophone Foucault-Rezeption macht Peters auf ver-schiedene Lesarten aufmerksam. So kann Foucault als kritischer Ethno-Soziologe (bei Stephen Ball) oder Nietzsche´scher Genealoge (bei Tina Besley) gelesen und für entsprechende Arbeiten fruchtbar gemacht werden. Er wird als Historiker der Denksysteme (bei Bernadette Baker) rezipiert oder als historischer Materialist und Demokrat (bei Mark Olssen). Auch wird er als Sozialepistemo-loge (von Tom Popkewitz & Marie Brennan) oder als Kryptofeminist (von Sue Middleton) verstanden und genutzt. Michael Peters verortet seine eigene Heran-gehensweise als poststrukturalistisch.

Die Rezeption Foucaults unterscheidet sich also nach nationalen und kultu-rellen Kontexten, nach LeserInnenschaften, Generationen und Geschlecht. Auch die Kategorisierungen und Überschriften, die in den jeweiligen disziplinären wie interdisziplinären Diskursräumen gefunden werden, unterscheiden sich und sind immer auch ein Widerhall des jeweiligen kulturellen und auch wissenschaftli-chen Kontextes. Daher müsste, so Peters (2004), die Rezeption für die jeweiligen Länder, Orte und Disziplinen unterschiedlich geschrieben werden. Die Rückbin-dung der Rezeption an kulturelle Kontexte beinhalte auch die Chance, ideologi-schen Verhärtungen zu entgehen.

Jenseits von Hagiographie und Verklärung – erziehungswissenschaftliche Lesarten im deutschen Sprachraum

Auch innerhalb der deutschsprachigen erziehungswissenschaftlichen Rezeption ist die ‚Foucaultsche Werkzeugkiste’ in sehr unterschiedlicher Weise genutzt worden: Norbert Ricken und Markus Rieger-Ladich (2004: 9) teilen die Ein-schätzung, dass unterschiedliche pädagogische Foucault-Lektüren ein Anre-gungspotential zu erproben suchen und damit ‚jenseits von Hagiographie und Verklärung’ liegen.

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Nicole Balzer (2004) sieht bisherige Linien der Foucault-Rezeption in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft noch in oppositionalen Bestimmun-gen wie Freiheit vs. Macht, Autonomie vs. Heteronomie, Selbst- vs. Fremdbe-stimmung befangen (vgl. ebd.: 16). Allerdings erweitere sich die Rezeption in-zwischen und untersuche zunehmend – jenseits dichotomer Denkfiguren – auch Zwischenräume, Übergänge und Verflechtungen. Das Phänomen ‚Macht’ werde nun weniger repressiv oder deskriptiv verstanden, und die zentralen Foucault-schen Begriffe Macht, Wissen und Subjektivität würden immer weniger als von-einander getrennte Kategorien diskutiert, sondern vielmehr in ihrem wechselsei-tigen Zusammenhang in den Blick genommen.

Um Rezeptionslinien angemessen rekonstruieren zu können, bedürfte es si-cherlich einer weitergehenden Forschungsarbeit. Als Markierungslinien lassen sich allerdings drei Rezeptionsachsen anlegen. So lassen sich auf einer instituti-onsanalytisch orientierten Rezeptionslinie meso- und makrotheoretisch argumen-tierende Arbeiten verorten, die institutionen- und repressionskritisch ansetzen oder an staats- und ideologiekritisch angelegten Makroanalysen die ‚Durchstaat-lichung der Gesellschaft’ oder ‚Sozialpolitik als soziale Kontrolle’ rekonstruie-ren. Eine weitere Rezeptionslinie lässt sich ausmachen zwischen ‚Genealogie’ und ‚Bildungshoffnung’, zwischen dem ‚Pathos des Bildungsdiskurses’ und einer „Archäologie des pädagogischen Blicks“, wie sie Käte Meyer-Drawe(1996) gefordert hat. Die Pathosformel eines ‚authentischen Selbst’ und der Anspruch der Subjektbildung wird relativiert in ‚Selbstkonstituierung’ oder auch gänzlich in Frage gestellt. Die ‚Illusionen der Autonomie’ kritisch zu beleuchten und ‚das Pädagogische’ nicht außerhalb des Diskurses zu stellen, ist in der Ver-gangenheit eine große Herausforderung gewesen, der sich die erziehungswissen-schaftliche Diskussion zunehmend aussetzt.

Reinhard Hörster (1993) fordert, Foucault methologisch für ‚regionale ma-teriale Analysen fruchtbar zu machen, und Helmut Forneck und Daniel Wrana (2005), die ‚subjektivierende Macht’ in Macht-Wissens-Komplexen zu untersu-chen. Damit liegt eine dritte Rezeptionslinie zwischen einer Wissenssoziologie pädagogischer Verhältnisse und materialen, methodisch angelegten diskursanaly-tischen Analysen (vgl. Hörster 2003).

Insgesamt verschiebt sich der Fokus erziehungswissenschaftlicher Theorie-debatten von der Programmatik hin zur Reflexivität (durchaus auch zu ‚kritischer Reflexivität’), von ‚Emphase’ und ‚Pathos’ hin zu einem analytisch geprägten Selbstverhältnis, von einer einfachen disziplinären Ausrichtung hin zur Frage nach den Macht-Wissens-Beziehungen, von der Statik institutioneller Verortung hin zur Dynamik diskursiver Felder, von der Subjekt- und Interaktionszentrie-rung hin zur Komplexität nicht-subjektiver, aber intentionaler Diskurse und den Mehrebenenanalysen realer, reflexiver und diskursiver Beziehungen.

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Dabei gibt es zahlreiche Anschlussstellen, Verbindungslinien und diskursi-ve Verknüpfungen pädagogischen MachtWissens mit anderen Wissensformen. Waren es in den Foucaultschen Analysen Medizin, Justiz, Psychiatrie und Se-xualität, so werden heute auch die Rationalisierungen untersucht, die an anderen ‚Oberflächen’ auftauchen – z.B. der der Ökonomie, der Gen- u. Reproduktions-technologien, der Medien etc.. Immer geht es aber darum, in kritischer Absicht ‚das zu sagen, was ist’ und den Modus oder das ‚Wie’ des Zustandekommens von Wahrheitsgeltungen zu analysieren.

Kritische Erkenntnispotentiale zwischen sozialem und diskursivem Konstruktivismus

Auf die Unterschiede zwischen einem sozialen und einem diskursiven Konstruk-tivismus macht Reinhard Hörster (1993) aufmerksam. Wir nehmen seine Unter-scheidung hier auf, weil die Beiträge dieses Bandes im Denkhorizont zwischen sozialem und diskursivem Konstruktivismus zu verorten sind.

Im Gegensatz zu einem sozialwissenschaftlichen – also am Bezugspunkt ‚Gesellschaft’ orientierten – Zugang ist ein diskursiver Konstruktivismus an einer epistemologischen Perspektive im Sinne politischer Philosophie ausgerich-tet. Ein Forschungszugang, der die diskursanalytische Methodologie methodisch fruchtbar mache, sei von daher, so Hörster, nicht gesellschaftstheoretisch oder herrschaftssoziologisch angeleitet. Wie Hörster ausführt, geht es bei einer dis-kursanalytischen Untersuchung nicht einfach um kognitive Strategien der Sozial-integration. Eine solche Untersuchung schlägt auch nicht die Richtung ein, Kon-zepte und ihre Implementierung zu analysieren oder normativ zu bewerten. Ebensowenig geht es einer diskursanalytischen Herangehensweise um ‚symboli-sches Handeln’ oder eine Institutionenkritik. Stattdessen untersucht ein diskurs-analytischer Zugang ein MachtWissen, und nicht etwa die ‚nebensächliche Ein-heit’ Institution:

„Die Kritik der auf Geisteskranke oder Verrückte ausgeübten Macht kann nicht auf die psychi-atrischen Institutionen beschränkt bleiben: auch können sich jene, die die Strafmacht in Frage stellen, nicht mit der Denunziation der Gefängnisse als totaler Institution begnügen. Die Frage lautet: Wie werden solche Machtbeziehungen rationalisiert? Danach zu fragen ist der einzige Wege, der andere Institutionen daran hindert, mit denselben Zielen und denselben Wirkungen an ihre Stelle zu treten“ (Foucault 1988: 66).

Es geht hier also um produktive Machtwirkungen auf der Ebene einer Analyse diskursiver Äußerungsmodalitäten. Eine solche Analyse liegt auf einer anderen Ebene als die Analyse ‚sozialer Wirklichkeiten’ mit Hilfe sozialwissenschaftli-cher Konzepte – sie analysiert das Zustandekommen von Wahrheitsgeltungen im Prozess. In einem solchen Zugang sind die Begriffe von daher auch nicht vor-gängig, quasi präexistent. Die diskursive Praxis wiederum ist allerdings sozial-

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wissenschaftlich relevant, da sie mit dem gesellschaftlichen Regulierungsprob-lem umgeht (vgl. Hörster 1993).

Die hier betonte epistemologische Perspektive untersucht Wissen als MachtWissen – und zwar innerhalb eines Dispositivs, innerhalb eines ‚verfügen-den und Platz anweisenden Wissens’, das im gesellschaftlichen Diskursraum auf spezifische Rationalisierungsweisen zurückgreifen kann.

Im Anschluss an Reinhard Hörster (1993) können hier lediglich die hin-sichtlich methodischer Vorgehensweisen relevanten Dimensionen aufgegriffen werden, um zu verdeutlichen, welche Fragen mit einem diskursanalytischen Konstruktivismus, und welche mit einem sozialwissenschaftlichen Konstrukti-vismus in den Blick kommen. Klaus Mollenhauer (1979) empfahl der Erzie-hungswissenschaft bereits früh, Foucault auf seine Methode hin zu lesen. Diese Empfehlung kann heute noch ebenso gelten, wie Hans-Christoph Koller und Jenny Lüders (2004: 57f.) deutlich machen: Foucault werde bislang erheblich stärker inhalts- und begriffsbezogen als methodenbezogen wahrgenommen und rezipiert. Letzteres geschehe stärker in anderen Disziplinen – wie etwa in den Literaturwissenschaften, in der Geschichte, der Soziologie und auch der Politik-wissenschaft. Der Begriff der Diskursanalyse werde insgesamt allerdings un-scharf verwendet und es lägen ihm auch unterschiedliche theoretische und me-thodologische Überzeugungen zugrunde.6

Epistemologie oder Sozialkritik?

Foucaults diskursanalytische Vorgehensweise zielt auf die Untersuchung von Wissensordnungen und Machtdispositiven. Sein Diskursbegriff bezieht sich auf die „diskursive Praxis“ einer geregelten Produktion von Aussagen sowie das durch diese Regeln charakterisierte Ordnungssystem selbst (vgl. Koller/Lüders 2004: 60). Der Foucaultsche Wissensbegriff wiederum bezeichnet „alle Erkennt-nisverfahren und –wirkungen“, die „in einem bestimmten Moment und in einem bestimmten Gebiet akzeptabel sind. Und zweitens wird der Begriff Macht ge-braucht, der viele einzelne, definierbare und definierte Mechanismen abdeckt, die in der Lage scheinen, Verhalten oder Diskurse zu induzieren“ (Foucault 1992: 32ff).

6 Praxis und Verortungen sozialwissenschaftlicher Diskursforschung sind in der Tat mittlerweile

heterogen und vielgestaltig geworden (vgl. Keller et al. 2003a, 2003b). Gemeinsam ist allen Ansätzen jedoch, dass sie eine konstruktivistische Ausgangsposition einnehmen, die den per-formativen, Welt konstituierenden Charakter der Sprache mittels diskursiver Praktiken bzw. im Medium von Diskursen betont. Die diskursanalytische Diskursforschung bezieht sich dabei mehr oder weniger auf Foucault, einige Ansätze greifen auch auf den Diskursbegriff in Ha-bermas´scher Tradition zurück oder haben ein konversationsanalytisch orientiertes Verständnis von Diskurs.

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Jenseits von Legitimierung oder Hierarchisierung von Werten haben die Begriffe Wissen und Macht hier eine methodologische Funktion – sie sind „nur ein Analyseraster“ (ebd.: 33), das zusammengehört, „denn nichts kann als Wis-senselement auftreten, wenn es nicht mit einem System spezifischer Regeln und Zwänge konform geht“, und nichts als Machtmechanismus funktionieren, wenn es sich nicht in Prozeduren und Mittel-Zweck-Beziehungen entfaltet, welche in Wissenssystemen fundiert sind“. Es geht also um den „Nexus von Macht-Wissen“, mit dem sich die „Akzeptabilität eines Systems“ erfassen lässt (ebd.).

Wissenssoziologische Analysen beschäftigen sich demgegenüber mit der gesellschaftlichen Produktion von Wissen auf den Bezugspunkt der Gesellschaft hin. Sowohl der sozialwissenschaftlichen wie der diskursanalytischen Perspekti-ve liegt eine (de-)konstruktivistische Grundposition zugrunde, indem von Ord-nungen ausgegangen wird, die durch Diskurse hergestellt werden. Einer sozial-wissenschaftlichen Diskursanalyse „geht es darum, Prozesse der sozialen Konsti-tution, Objektivation, Kommunikation und Legitimation von Sinnstrukturen auf der Ebene von Institutionen, Organisationen beziehungsweise kollektiven Akteu-ren zu rekonstruieren und die gesellschaftlichen Wirkungen dieser Prozesse zu analysieren“ (Keller 1997: 319ff). Eine soziologisch gelesene Diskursanalyse hat deshalb auch ihren Ort im „Rahmen eines Paradigmas hermeneutisch orientierter Sozialwissenschaft“ als „wissenssoziologisch-konstruktivistisch orientierter Ansatz der Analyse objektivierter Bedeutungssysteme, ihrer historisch bestimm-baren Genese, ihrer diskursinternen und externen Funktionen im gesellschaftli-chen Kontext“ (ebd.: 329).7

Foucault geht es dagegen um Diskurswissen als epistemologisches Wissen, das – wie mit Bezug auf Hörster bereits deutlich wurde – allerdings sozial-wissenschaftlich relevant wird. Foucault versteht sich deshalb auch nicht als Soziologe (anders als bspw. Pierre Bourdieu), sondern als ‚Philosoph der Ge-genwart’: „Ich versuche zu sagen, was wir heute sind und was es jetzt bedeutet, das zu sagen, was wir sagen. Dieses Graben unter unseren Füßen charakterisiert seit Nietzsche das gegenwärtige Denken, und in diesem Sinne kann ich mich als Philosophen bezeichnen“ (Foucault 1992: 33).

Aus diskursanalytischer Perspektive unterscheidet Foucault die Ebenen der realen, der reflexiven und der diskursiven Beziehungen, die miteinander in loser Verkopplung stehen und sich aber auch voneinander loshaken können. Die Be-zugnahme auf MachtWissen im epistemologischen Sinne fragt damit nach ‚Kon-struktionen dritter Ordnung’. Mit dem diskursanalytischen Verfahren im Sinne

7 Im symbolischen Interaktionismus rücke dagegen das Handeln kollektiver AkteurInnen in den

Blick, ihre Prozesse der Wirklichkeitskonstruktion, die symbolischen Kämpfe um Durchset-zungen von Deutungen, von Problemformulierungen, Definitionen, Verantwortlichkeiten, Handlungsnotwendigkeiten.

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der „Archäologie des Wissens“ (vgl. Foucault 1981) sind die Diskursgegenstän-de, die Formationsregeln für die Äußerungsmodalitäten eines Diskurses, die Begriffe und die Strategien eines Diskurses zu untersuchen (vgl. Koller/ Lüders 2004: 60ff.).

Die Untersuchung von Diskursen kann sich nun genealogisch oder kritisch ausrichten. Die kritische Richtung verfolgt das Prinzip der „Umkehrung“ (vgl. ebd.: 65) und ‚entlarvt’ kontingente Resultate historischer Prozesse. Demgegen-über untersucht die genealogische Richtung, wie sich ein Wissen konstituiert hat. Die Genealogie ist ein Graben in den Archiven wie auch parodistische Zerstö-rung, sie ist eine Art „Anti-Wissenschaft“ mit analytischer Wirksamkeit (vgl. Foucault 2001: 23).

Die sozialwissenschaftliche Diskursanalyse greift ebenfalls auf ein prozes-suales Verständnis der Konstitution von Wissen in Zeit und Raum zurück. Wis-sen wird hier ebenfalls nicht als ‚außerhalb der Macht’ rekonstruiert. Eine sozi-alwissenschaftliche Diskursanalyse sieht – mit Bezug auf Foucault´s Zugang – bspw. die Emergenz institutioneller Strukturierungen und Machtwirkungen, die ihnen zugrundeliegenden Aussageformen und formativen Regeln und daran gekoppelte soziale Praktiken (vgl. Keller 2003b: 204). Allerdings bleibt ihr Aus-gangs- und ihr Bezugspunkt ‚Gesellschaft’ und nicht ‚politische Philosophie’, ‚das Soziale’ und nicht die Epistemologie.

Werden die vielfältigen Möglichkeiten der Foucaultschen ‚Werkzeugkiste’ in kritischer Absicht genutzt, so können sicherlich unterschiedliche Vorgehens- und Reflexionsweisen fruchtbar gemacht werden, um dem ‚Pädagogischen Wis-sen’ etwas mehr auf diejenige Spur zu kommen, die es hinterlässt – und die es generiert. Foucaults Kritikverständnis ist nicht juridisch, sondern generativ aus-gerichtet und dies stärkt eine analytische, transformative Position.

„Ich kann nicht umhin, an eine Kritik zu denken, die nicht versuchte zu richten, sondern die ei-nem Werk, einem Buch, einem Satz, einer Idee zur Wirklichkeit verhilft; sie würde Fackeln anzünden, das Gras wachsen sehen, dem Winde zuhören und den Schaum im Fluge auffangen und wirbeln lassen. Sie häuft nicht Urteil auf Urteil, sondern sie sammelt möglichst viele Exis-tenzzeichen.“ (Michel Foucault)

Die inhaltliche Umsetzung des Gouvernementalitätskonzeptes Foucaults in der Erziehungswissenschaft wie auch die methodische Anwendung der Diskursana-lyse für die Analyse des pädagogischen MachtWissens steht sicherlich noch am Anfang – einem der vielen Anfänge, die gemacht werden müssen, wenn das kritische Denken weiterbefördert werden soll. Wir reihen uns hiermit in die Linie derjenigen ein, die versuchen „herauszufinden, ob es möglich ist, eine neue Poli-tik der Wahrheit zu konstitutieren“ (Foucault 1978: 54).

In den einzelnen Beiträgen des vorliegenden Bandes werden denn auch un-terschiedliche pädagogische Felder und Anschlüsse auf den darin jeweils thema-

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tisierten Modus des (Selbst- und Fremd-)Regierens, die darin erkennbar werden-de Disziplinar- und Normalisierungspraxis sowie auf die damit jeweils verbun-denen Subjektivierungsweisen hin untersucht. Die ‚Gegenstände’ treten dabei an den unterschiedlichsten Oberflächen auf und können von dort aus auch genauer untersucht werden. Anhand welcher Unterscheidungen die Gegenstände gebildet werden, welche Äußerungsmodalitäten sie finden (wie sich etwa die Begriffe formieren und in welchem Verhältnis sie zu den Strategien des Diskurses stehen, welcher Techniken sich die Strategien bedienen und welche Subjektivierungs-muster und Subjektpositionen dabei generiert werden, bietet ein weites Feld der Erprobung und der Anwendung der Foucaultschen ‚Werkzeugkiste’).

Mit der Werkzeugkiste Foucaults ‚unter unseren Füßen graben’: Ein

Streifzug durch die Beiträge dieses Bandes

Die Beiträge des vorliegenden Bandes gliedern sich nach Kernbegriffen des Foucaultschen Denkens, ohne den Anspruch erheben zu können, dieses hier systematisch erschließen oder abbilden zu können. Zudem können in den hier vorgenommenen Zuordnungen der Beiträge unter die Überschriften immer ledig-lich Akzentsetzungen deutlich werden. Dies liegt teilweise in der Natur des Ge-genstandes selbst: Die Gouvernementalitätsperspektive untersucht ja gerade den Zusammenhang von Regieren, den Strategien und Taktiken der Normalisierung und Disziplinierung in Verbindung mit der Dimension der Subjektivierung. Alle Beiträge verstehen sich als dieser mehrdimensionalen Untersuchung verpflichtet. Eine mehrdimensionale Untersuchungsperspektive lässt aber dennoch – durch die Herausgeberinnen zu erbringende – Strukturierungsleistungen nicht überflüs-sig werden. Als eine sinnvolle ‚Ordnung’ des Bandes sehen wir daher eine Grup-pierung der Beiträge entlang der Foucaultschen Kernbegriffe methodisch ange-legter Analysen an. Hier sind zunächst die „Rationalitäten“ zu untersuchen ebenso wie im zweiten Abschnitt die sie realisierenden „Strategien“ sowie drit-tens die ihnen zugehörige „Taktiken“ und Techniken des Regierens. Im vierten Abschnitt geht es dann um die mit pädagogischem MachtWissen einhergehenden „Subjektivierungsmuster“. Damit werden verschiedene Analyseebenen (vgl. Foucault 1981: 9) sichtbar, die in einem Sammelband naturgemäß kein geschlos-senes Bild ergeben können und wollen, sondern die Polyphonie kritischen Den-kens mit der Gouvernementalitätsperspektive für die Erziehungswissenschaft fruchtbar machen wollen.

Die Rationalitäten und Typen des Regierens

Das Auffinden neuer Rationalitätstypen und seiner vielfältigen Wirkungen (vgl. Foucault 1981: 11) ist das Anliegen, das Foucault in seiner „Archäologie des

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Wissens“ formuliert. In der Gouvernementalitätsperspektive geht es hierbei im Besonderen um die Rationalitäten des Regierens. Diese sollen im ersten Ab-schnitt auf die wissensbasierten Ökonomien, den Kontext der Bildungspolitik sowie der Sozialen Arbeit bezogen werden. Abschließend wird im ersten Teil die ‚demokratische Rationalität’ im sich gesellschaftlich verallgemeinernden ‚Schul-gemeindedispositiv’ genealogisch in der Transformation nachgezeichnet.

Den Anfang macht Michael Peters (Illinois) zur Kontroverse zwischen Konzeptionen neoliberaler und ordoliberaler Rationalität. In seinem Beitrag Neoliberal Governmentality: Foucault on the Birth of Biopolitics bezieht Peters sich auf die entsprechenden Vorlesungen Foucaults am Collège de France. Dem-nach unterscheiden sich liberale Konzeptionen des Regierens in der Weise, wie sie die Fähigkeiten der freien Subjekte fruchtbar und nutzbar werden lassen, sowie in den ihnen zugrunde liegenden Regierungsrationalitäten und Freiheits-konzeptionen. Peters arbeitet heraus, welchen Stellenwert in diesem Zusammen-hang die Freiheits- und Wissenskonzeption des österreichischen Wirtschaftstheo-retikers Hayek einnimmt und kennzeichnet ihre Bedeutung für die neoliberale Rationalität eines Regierens durch den Markt in heutigen wissensbasierten Öko-nomien.

Während Peters den Ausgangspunkt der ökonomischen neoliberalen Ratio-nalität zum Gegenstand seines Beitrages macht, widmet sich Robert Doherty(Glasgow) im zweiten Beitrag dem Anliegen, die Gouvernementalitätsperspekti-ve für eine Kritik heutiger bildungspolitischer Programmatiken unter den Bedin-gungen des „neuen Kapitalismus“ (Jessop 2000) fruchtbar zu machen. In To-wards a Governmentality Analysis of Education Policy leuchtet er die komple-xen Verbindungen, Einbettungen und Aktivierungsstrategien im globalen, nationalen und regionalen Maßstab aus und setzt „Policy“ als Formen der Macht mit ‚platzanweisender’ Funktion. Doherty zielt dabei aber nicht auf kritische Policy-Analyse im Kontext staatskritischer Perspektiven, sondern macht deut-lich, dass eine Gouvernementalitätsperspektive vor diesen ‚Endformen’ ansetzt und die Operationsweisen der Regierungsrationalität untersucht. Er kennzeichnet damit eingehend den Zugang einer Gouvernementalitätsperspektive für die Un-tersuchung von Bildungspolitik – als eine Untersuchung, die an den institutionell erkennbaren Oberflächen ihres Auftauchens und Implementierungspraxen eben-so ansetzt wie an den ihr zugrunde liegenden Rationalitäten in ihren historischen Verschiebungen. Er macht deutlich, wie Freiheit zur Ressource des Staates und der Selbstregierung wird und wie sich die Figur des ‚Bürgers’ in der neoliberalen Gouvernementalität in einem „reengineering of the citizen“ ‚modernisiert’.

Nachdem das Potential der Gouvernementalitätsperspektive und der Ratio-nalitätsanalyse pädagogischen MachtWissens für die Felder der wissensbasierten Ökonomie und der Bildungspolitik aufgezeigt wurde, widmet sich der dritte

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Beitrag dem Ertrag einer Gouvernementalitätsperspektive für das Feld Sozialer Arbeit. Fabian Kessl (Bielefeld) plädiert dafür, die weitgehende Zurückhaltung und Ablehnung Foucaults im Feld Sozialer Arbeit aufzugeben und die Gouver-nementalitätsperspektive auch hier fruchtbar zu machen. Kessl fordert, Soziale Arbeit als Regierung zu untersuchen, um so ertragreiche kritische Perspektiven für die neo-sozialen Transformationen des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements des Sozialen zu erschließen. Der Beitrag fordert eine machtkritische Forschungs-rationalität ein, die das Feld nicht ‚dualistisch’ rekonstruiert. Fabian Kessl mar-kiert als Ertrag einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive, dass so So-ziale Arbeit als aktive Akteurin innerhalb der Regierungsstrategien des Sozialen begriffen und analysiert werden kann. Strategien der Aktivierung und Selbstre-gierung kommen damit systematisch als Regierungsweisen in den Blick, ebenso wie die Ansatzpunkte für Verschiebungen, Irritationen und Subversion.

Die Forderung nach ‚materialen Analysen’ aufgreifend werden im folgen-den Beitrag die Transformationen und Deplatzierungen von Rationalitätstypen anhand des Demokratiedispositivs material untersucht. Der Beitrag Gouverne-mentalität der „Schulgemeinde“: Zwischen experimenteller Demokratie und Improvisationstechnologie von Susanne Maria Weber (Marburg; Fulda) nimmt die aktuelle erziehungswissenschaftliche Debatte um Ungewissheit und Trans-formation zum Ausgangspunkt einer genealogischen Analyse. Die heute im Kon-text erziehungswissenschaftlicher Didaktik propagierten Methoden interaktiven Lernens und der Partizipation lassen sich demnach auf die ihnen zugrunde lie-gende Rationalität des Demokratie-Dispositivs hin untersuchen. Im Rückgriff und im Anschluss an Hörster (1992, 1993, 1997) wird die experimentelle und alternative reformpädagogische Praxis der „Schulgemeinde“ als Dispositiv einer normalisierenden Rationalität eingeführt. Die „Utopie“ der Suche nach einem anderen „sozialen Ort“ in der demokratischen Erfahrungsgemeinschaft kann diskursanalytisch nur als „Heterotopie“ (Foucault 2005) gelesen werden – die Rationalität des demokratischen Prozesses der „Schulgemeinde“ transformiert sich in eine verallgemeinerte, lehrbare und methodisierte Variante und tritt in dem in Großgruppenverfahren als „Improvisationstechnologie“ und Transforma-tionsritual (vgl. Weber 2005a) wirksam werdenden Wissen zu Tage.

Die Strategien des Regierens

Der zweite Abschnitt des Bandes widmet sich den ‚Strategien’, anhand derer die Rationalitäten sich innerhalb eines MachtWissens-Apparates realisieren können. Diskurse geben „bestimmten Begriffsorganisationen, bestimmten Umgruppie-rungen von Gegenständen, bestimmten Aussagetypen Raum“, „man wird kon-ventionell diese Themen und Theorien als »Strategien« bezeichnen. Das Problem bleibt zu wissen, wie sie sich in der Geschichte verteilen“ (Foucault 1981: 94ff).

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Dabei unterscheiden sich diskursive Formationen und begriffliche Systeme, die Menge der Gegenstände und die Formation der Objekte. Foucault schlägt vor, die „Bruchpunkte des Diskurses“ zu bestimmen, die „spezifischen Entschei-dungsinstanzen“, die „Ökonomie der diskursiven Konstellation“ und das Forma-tionssystem der strategischen Wahl, die die diskursive Formation besetzt.

Hier werden in den ersten beiden – zusammenhängenden – Beiträgen zu-nächst die gouvernementalen Strategien entlang der Kernbegriffe ‚Territorium’ und ‚Bevölkerung’ sowie der ‚Sicherheit’ aufgegriffen. Im dritten Beitrag wer-den pädagogische Strategien der Steigerung der Leistungsfähigkeit am Kreu-zungspunkt von Ökonomie und Bevölkerung untersucht und im vierten Beitrag die Strategien der die Ressourcen aktivierenden und zusammenführenden ‚Go-vernance’ in der Gouvernementalitätsperspektive als Strategie des Regierens eingeordnet.

Der Abschnitt „Strategien“ beginnt mit der Genealogie eines Raumes der Regierung. Agnieszka Dzierzbicka (Wien) untersucht in ihrem Beitrag Neolibe-ralismus light? Die Kunst des Regierens in wissensbasierten Wirtschaftsräumen den programmatischen Entwurf der Europäischen Union. Welche Möglichkeiten und welche Grenzen wirft der Regierungsbegriff im Hinblick auf die bildungspo-litischen Maßnahmen der „Lissabon-Strategie“ auf? Wie lassen sich die Grund-begriffe einer Gouvernementalitätsperspektive ‚Territorium’, ‚Bevölkerung’ und ‚Sicherheit’ darauf beziehen? Und welche Perspektiven eröffnen sich der Bil-dungswissenschaft, wenn der Imperativ lebenslangen Lernens ebenso wie seine Institutionalisierungsversuche innerhalb der Europäischen Union einer gouver-nementalitätstheoretischen Analyse unterzogen werden?

Indem die Kategorien des Raumes und der Bevölkerung angelegt und sys-tematisch die Strategien der Regierungstätigkeit untersucht werden, wird der Frage nach der hier zur Geltung kommenden Regierungsrationalität nachgegan-gen. Anhand der Frage des ‚Raummonopols’, der Steuerung des Wettbewerbs als ‚konforme Handlungen’ und der Investition in Humankapital als ‚konforme Handlungen und Sozialpolitik’ wird gefragt, ob und inwiefern hier eine neue Form des Regierens erkennbar wird. Im Spannungsfeld von Mobilität und Zirku-lation ist guter Rat offenbar teuer – wie im Folgenden Andrea Liesner (Ham-burg) aufzeigt.

In Andrea Liesners Beitrag Kontrolliert autonom – zur Architektur des Eu-ropäischen Hochschulraums wird nach der Bedeutung des Themas der Sicher-heit gefragt. Wie verhalten sich die politischen Diskurse über Raum, Bevölke-rung und Sicherheit zueinander? Wo verschränken sie sich, wo gibt es Reibun-gen, wo Inkonsistenzen oder auch Bruchstellen? Wie deutlich wird, spielt Zeit hier eine bedeutsame Rolle: Das Jahr 2010 markiert einen Zielpunkt der Integra-tion und der Begrenzung, um aus der EU den „wettbewerbsfähigsten und dyna-

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mischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Andrea Lies-ner nimmt die Sicherungsstrategien in den Blick, die die Errichtung neuer Räu-me an die gesetzte Zeit koppeln und identifiziert mehrdimensionale Strategien, die den planmäßigen Verlauf garantieren sollen. Diese Strategien haben mit der strukturellen Ebene ebenso zu tun wie mit individuellen und kollektiven Sub-jektbezügen, auch mit den Inhalten dessen, was gelehrt und gelernt werden soll. Anhand des Bologna-Prozesses werden die Architektur des entworfenen Rau-mes, seine ‚Bevölkerung’ und seine Inhalte einer genaueren Untersuchung zuge-führt.

Auch im folgenden Beitrag werden die Strategien pädagogischer Gouver-nementalität entlang der im gesellschaftlichen Diskursraum auffindbarer „Ober-flächen des Auftauchens“ untersucht. Im Beitrag Der ‚Intrapreneur’ und die ‚Mutter’. Pädagogische Gouvernementalität am Kreuzungspunkt von Ökonomie und Bevölkerung zeigt Susanne Maria Weber (Marburg, Fulda) genealogisch die Deplatzierung eines Diskurswissens von einer politischen zu einer ökonomi-schen Rationalität auf. Die Wissensfiguren „Autonomie“, „Gruppe“ und „Ent-wicklung des Selbst“ folgen einer spezifischen pädagogischen Rationalität, die sich von der des ‚Befehlens’ und des ‚Ratschlages’ deutlich unterscheiden lässt. Statt der Gouvernementalität der Souveränitätsmacht oder der „Policey“ haben wir es hier mit der pädagogischen Gouvernementalität des „Förderns und Entwi-ckelns“ zu tun, die sich auf die „Steigerung der Leistungsfähigkeit“ hin ausrich-ten lässt und damit in ein ökonomisches MachtWissen eingebunden wird. Dabei wird deutlich, dass das identische MachtWissen in der Lage ist, zwei unter-schiedliche Subjektpositionen anzuweisen: es sind der „Intrapreneur“ als „Un-ternehmer seiner Selbst“ und die „Mutter“ als Unternehmerin der Familie. Päda-gogische Gouvernementalität liegt damit – wie Foucault es genannt hat – am „Kreuzungspunkt von Ökonomie und Bevölkerung“.

Die Strategien des Regierens im Hinblick auf Vernetzung und Netzwerkeder Politikgestaltung im Sozial- und Bildungssektor untersucht Eberhard Raithelhuber (Dresden). Netzwerke werden als alternative Formen der Hand-lungskoordination diskutiert. Moderne Ansätze eines aktivierenden Staates und eines Regierens als „governance“ avancieren, so Raithelhuber, zu vielfach ge-priesenen Lösungen, ohne allerdings die Machtaspekte ausreichend zu reflektie-ren. Eberhard Raithelhuber plädiert daher für eine gouvernementalitätstheoreti-sche Betrachtung der Netzwerkstrategien. Er schlägt vor, Netzwerke als Regie-rungstechnologie zu rekonstruieren, in der sich Macht- und Herrschaftstechniken mit Techniken der Selbstführung verbinden. Aus dieser Sicht lassen sich soziale, pädagogische und Politiknetzwerke als Elemente und Strategien einer neolibera-len Programmgestaltung des Regierens verstehen. „Governance“ muss daher als „Gouvernementalität“ untersucht werden.

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Die Praktiken und Taktiken des Regierens und des Sich-Nicht-Regieren-Lassens

Der dritte Hauptabschnitt des Bandes widmet sich der Perspektive materialer Praktiken und Taktiken des Regierens, die die Strategien stützen und aktualisie-ren, ihre Existenz weiter tragen, variieren und realisieren. Sie stehen also in ei-nem wechselseitigen Bedingungszusammenhang mit den Strategien. Die Prakti-ken des Diskurses folgen einer spezifischen Rationalität, sie betten sich in einen regelhaft geordneten Diskursraum ein, der spezifische Muster nahe legt und privilegiert gegenüber anderen Mustern.

„Die Archäologie ist nicht nach der souveränen Gestalt des Werkes geordnet; sie sucht nicht den Moment zu erfassen, wo dieses sich dem anonymen Horizont entrissen hat. Sie will nicht den rätselhaften Punkt wieder finden, wo das Individuelle und das Soziale sich eines ins andere umkehren. Sie ist weder Psychologie noch Soziologie, noch allgemein Anthropologie der Schöpfung. Das Werk ist für sie kein pertinenter Ausschnitt, selbst wenn es sich darum han-deln sollte, es in seinem globalen Kontext oder in dem Raster der Kausalitäten, die es unter-stützen, erneut anzuordnen. Sie definiert Typen und Regeln von diskursiven Praktiken, die in-dividuelle Werke durchqueren, ohne dass ihnen etwas entgeht, mitunter aber nur einen Teil da-von beherrschen, Die Instanz eines schöpferischen Subjektes als raison d´être eines Werkes und Prinzip seiner Einheit ist ihr fremd“ (Foucault 1981: 199).

In den hier versammelten Beiträgen geht es also um diejenigen Praktiken und Taktiken des Regierens, die sich in die Strategien einbetten, diese aktualisieren und ihren spezifischen Beitrag für Prozesserhaltung und Prozessumformung des Diskurses leisten. Beratung, Evaluation und Qualitätssicherung werden als Re-gierungspraktiken diskutiert – um dann Regierung ‚von unten her’ anhand der widerständigen und widerspenstigen Praktiken aufzurollen.

Der erste Beitrag dieses Abschnittes wird von Tina Besley (Illinois) einge-bracht und beschäftigt sich unter dem Titel Governmentality, Neoliberalism and the Professionalisation of School Counselling aus einer gouvernementalitätstheo-retischen Perspektive wiederum mit dem Zusammenhang zwischen Regierung und Selbstregierung. Mit diesem Bezugspunkt bettet Besley Professionalisie-rungsstrategien im neuseeländischen Beratungs- und Schulberatungskontext soziopolitisch in die neoliberalen Strategien ein, wie sie seit Mitte der 1980er Jahre in vielen Ländern, darunter Großbritannien, USA, Australien, Kanada und Neuseeland einsetzten und wie sie auch weiterhin andauern. Sie zeigt exempla-risch die Professionalisierung der Beratung und die Herausbildung von speziali-sierten und zertifizierten Beratungsorganisationen am Beispiel einer entspre-chenden neuseeländischen Organisation, der New Zealand Association of Coun-sellors (NZAC).

Als Pendant zu beratenden Regierungspraktiken sind sicherlich die kontrol-lierenden Praktiken einer weitergehenden Analyse zugänglich zu machen. So untersucht Thomas Höhne (Giessen) die Regierungspraktik der Evaluation. In seinem Beitrag Evaluation als Medium der Exklusion. Eine Kritik an disziplinä-

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rer Standardisierung im Neoliberalismus untersucht er Evaluation als eines der zentralen Mittel zur Verbesserung bzw. Optimierung von Prozessen in Gruppen oder Organisationen. Der Evaluationsbegriff als neutrales und objektives Mittel zur Qualitätsverbesserung folgt dem Ziel, qua rationaler und objektiver Kriterien das Bessere vom Schlechteren zu unterscheiden, knappe Ressourcen effizienter einzusetzen, Leistungen zu messen und zu vergleichen. Thomas Höhne fragt daher wissenstheoretisch grundsätzlicher danach, von welcher Art dieses ‚Evalu-ationswissen’ eigentlich ist, auf welches Wissen zurückgegriffen wird, auf wel-che Prämissen und welches vorausgesetzte Wissen also Bezug genommen wird. Die Untersuchung der Rationalität von Evaluation aus einer gouvernementali-tätstheoretischen Perspektive fokussiert für Höhne den Zusammenhang von Wis-sen, Staat und Macht sowie die Effekte für die Subjektkonstitution, die auf der Ebene der Praktiken damit einhergehen.

An diese Perspektive der Analyse von evaluativen Kontrollpraktiken schließt der Beitrag von Hermann Forneck und Julia Franz (Gießen) an. In ih-rem Text Der marginalisierte Diskurs. Qualitätssicherung in der Weiterbildung untersuchen die beiden AutorInnen ausgehend von der neoliberalen Konstruktion von Marktsubjekten in der Weiterbildung, dem ‚Verschwinden der Opfer-Figur’ und der Analyse der Widerstandsstrategien die Kampflinien des Feldes. Mit Qualitätssicherung, so argumentieren Hermann Forneck und Julia Franz, geht die Marginalisierung des erwachsenenbildnerischen (pädagogischen) Diskurses einher. Responsibilisierungs- und Subjektivierungsmechanismen dehnen das Ausmaß der Heterotropie des Weiterbildungssystems so aus, dass das System selbst keine eigenständige Bedeutsamkeit mehr erlangen kann. Zentrale und eigenständige Begriffe werden marginalisiert zugunsten dominant werdender „fremddiskursiver“ Begriffe in zentralen Bereichen des Feldes. Forneck und Franz zeigen das Ineinanderspielen der Prozesse der Heterotropie, Restandardi-sierung und Wiederherstellung der gesellschaftlichen Funktionalität des Feldes im Kontext neoliberaler Steuerungsmechanismen auf.

Im letzten Beitrag der Praktiken und Taktiken bringt Susanne Maurer (Mar-burg) die Perspektive der Widerstandspraktiken von Akteuren ein. In ihrem Bei-trag Gouvernementalität ‚von unten her’ denken – Soziale Arbeit und Soziale Bewegungen als (kollektive) Akteure ‚beweglicher Ordnungen’ untersucht sie, ausgehend von historischen sozialen Bewegungen, die Widerstandspraktiken, die neue und alternative Diskurspositionen eröffnen. Sie fragt auch nach dem Verbleib des ‚Materials’ ‚gesellschaftliche Erfahrung’ und diskutiert vor diesem Hintergrund die „Gedächtnisfunktion Sozialer Arbeit“. Maurer arbeitet an der (Re-)Konzeptualisierung einer Perspektive der Kritik, die das ‚offene Archiv gesellschaftlicher Konflikte’ weiteren Diskurs-Interventionen in ‚beweglichen

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Ordnungen’ zugänglich hält. Dieser Zugang entspricht der Vorstellung dynami-scher Diskurskonstellationen, wie sie Foucault der Analyse anheim stellt.

Generell geht Foucault von der Materialisierung von Diskursen in und als Praktiken aus (Foucault 1981: 74). Eine diskursive Formation spielt

„nicht die Rolle einer Figur, die die Zeit anhält und für Jahrzehnte oder Jahrhunderte einfriert; sie determiniert eine zeitlichen Prozessen eigene Regelmäßigkeit; sie setzt das Artikulations-prinzip zwischen einer Reihe von diskursiven Ereignissen und anderen Serien von Ereignissen, von Transformationen, von Veränderungen und Prozessen fest, Sie ist nicht zeitlose Form, sondern Entsprechungsschema zwischen mehreren zeitlichen Serien“ (Foucault 1981: 109).

Die Subjektkonstitutionen und Subjektivierungen

Die Gouvernementalitätsperspektive führt systematisch auch die Dimension der Subjektivierung mit. Im letzten Abschnitt dieses Bandes soll es daher um Analy-sen gehen, die Subjektkonstitution, Subjektivierung und Subjektpositionen unter-suchen. Hier existieren vielfältige Anschlussstellen in der Analyse diskursiver Formationen: Die

„Positionen des Subjekts werden ebenfalls durch die Situation definiert, die es seinen Möglich-keiten nach im Verhältnis zu verschiedenen Gebieten oder Gruppen von Gegenständen ein-nehmen kann: Es ist fragendes Subjekt mit einem bestimmten Raster von mehr oder weniger expliziten Fragestellungen und horchendes Subjekt gemäß einem bestimmten Informationspro-gramm; es ist betrachtendes Subjekt mit einer Tafel von charakteristischen Zügen und notie-rendes Subjekt gemäß einem deskriptiven Typ“ … „Zu diesen Wahrnehmungssituationen muss man auch noch die Positionen hinzufügen, die das Subjekt in dem Informationsnetz einnehmen kann (im theoretischen Unterricht oder in der Krankenhauspädagogik; im System mündlicher Kommunikation oder dem der geschriebenen Dokumentation; als Sender und Empfänger von Beobachtungen, von Berichten, von statistischen Gegebenheiten, von allgemeinen theoreti-schen Aussagen, von Plänen oder Entscheidungen)“ (Foucault 1981: 78f.).

Im vierten und letzten Abschnitt werden Subjektkonstitution und Subjektivie-rung quasi entlang der Stationen des Lebenslaufes von ‚Kindheit’ zu den ‚Jungen Erwachsenen’ zu den ‚Erwachsenen’ und den ‚Alten Menschen’ aufgerollt. Wie deutlich werden wird, haben wir es hier allerdings mit den unterschiedlichsten Formationen, historischen Epochen und pädagogischen Verhältnissen zu tun.

Im ersten Beitrag dieses Abschnittes widmet sich Thomas Coelen (Biele-feld, Rostock) der Frage nach pädagogischer Gouvernementalität mit dem Fokus der Selbstführung und der Selbstkonstituierung. Mit dem Thema der Pädagogik und Selbstsorge im antiken Meister-Schüler-Verhältnis. Ausweg aus Disziplinie-rungstechnik und Geständniszwang? geht Thomas Coelen den Foucaultschen Arbeiten zur Kunst, sich und andere zu führen und zu regieren, in der griechisch-römischen Antike nach. Mit der Ausarbeitung der Einheit von „Selbsterkenntnis“ und „Selbstsorge“ in der Antike kann er zeigen, dass es sich hier um zentrale pädagogische Themen handelt. Subjektpositionen und Subjektivierungsweisen werden zentral in der Meister-Schüler-Beziehung, aber auch in Bezug auf die

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pädagogische Ironie im sokratischen Gespräch und im Verhältnis zwischen Selbstsorge und Vergesellschaftung deutlich. Neben den archäologischen und genealogischen Arbeiten Foucaults berücksichtigt Thomas Coelen auch die Fou-caultschen Arbeiten zu Sexualität und Wahrheit, um der Frage nach dem ‚Jen-seits’ der Subjektivierung von ‚Disziplinierungstechnik’ und ‚Geständniszwang’ nachzugehen.

Der zweite Beitrag dieses Abschnittes lässt das ‚Knabenalter’ übergehen zum ‚Mannesalter’: In seiner Untersuchung widmet sich Thomas Hollerbach(Marburg) dem Turnvater Jahn und diskutiert die Gouvernementalität der Er-tüchtigung. In seinem Beitrag kann er zeigen, dass militärische Niederlage und militärischer Erfolg Preußens auf die unpatriotische Verfassung der kämpfenden Soldaten zurückgeführt wird und damit die ‚Ungewissheit des Gehorsams’ zum Problem wird. Er zeigt, wie insbesondere auch Johann Gottlieb Fichte die Not-wendigkeit einer neuen Erziehungskunst formuliert, die statt der Außenlenkung die ‚innere Selbsttätigkeit der Individuen’ anregt. Hier kann Friedrich Ludwig Jahn mit seinen Konzepten des Deutschen Volkstums und der Deutschen Turn-kunst ansetzen. Thomas Hollerbach analysiert die Jahn´sche Auffassung vom ‚idealen Punkt’ der Einschreibung legitimer Gouvernementalität in die Individu-en. Er kann dabei zeigen, wie es statt einer ‚inneren Juridifizierung’ der Subjekte zu unaufhörlichen wie unvorhersagbaren Transformationen und zur Eröffnung der Möglichkeit vielfältiger Streuungen kommt.

Nach diesen eher historisch angelegten Arbeiten zu Subjektivierung und Subjektpositionen widmen sich die beiden letzten Beiträge des Bandes den Sub-jektivierungsstrategien der Gegenwart. In ihrem Beitrag Die Verknappung des Selbst. Stellenanzeigen und ihre Transformation in steuerungsrelevantes Wissen greifen Antje Langer, Marion Ott und Daniel Wrana (Gießen und Frankfurt a. M.) aktuelle mediale Vermittlungen und Führungen der Subjektivierung auf. Für ihre Analyse pädagogischer Gouvernementalität und deren Subjektivierungs-muster nutzen sie das Material systematischer Untersuchungen von Stellenanzei-gen, die das Bundesinstitut für Berufsbildung zur „Früherkennung von Qualifi-kationsentwicklung“ heranzieht. Sie untersuchen Bedarfsanalyse und die in den Stellenanzeigen impliziten Praktiken der Subjektivierung als zwei verschiedene gouvernementale Praxen. Langer, Ott und Wrana rekonstruieren damit das, was dem potentiellen Arbeitnehmer zur Bearbeitung seines Selbst nahe gelegt wird, innerhalb marktlogischer Strukturen und rekonstruieren das „Selbst“ im Rahmen spezifischer Regierungsrationalitäten.

Im letzten Beitrag untersucht Ute Karl (Hildesheim) die Subjektivie-rungsstrategien, die sich an alte Menschen richten. Mit dem Titel Soziale Alten-arbeit und Altenbildungsarbeit – vom aktiven zum profilierten, unternehmeri-schen Selbst? nimmt sie eine gouvernementalitätstheoretische Analyse geronto-

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logischer Alter(n)sdiskurse vor. Hier tritt das ‚aktive’, ‚erfolgreiche’ und ‚pro-duktive Alter(n)’ als ambivalentes Subjektivierungsmuster auf, das Risiken des Alterns in individualisierender Weise mitführt. Sie zeigt auf, wie sich das ‚pro-duktive Alter(n)’ mit der Ökonomisierung des Sozialen verschränkt und wie in diesen Subjektivierungsstrategien eine utilitaristische Rationalität zum Zuge kommt, die an der ‚Mobilisierung von Kompetenzen’ und der ‚Nutzung von Ressourcen’ orientiert ist. In das Diskursfeld des ‚produktiven Alter(n)s’, der ‚Selbstentfaltung’ und der ‚Arbeit an sich selbst’ treten aber durchaus auch wi-derständige, individuelle und kollektive subjektivierende Praktiken ein, die für die weitere Transformation des Diskurses sorgen können.

Damit zeigen die Beiträge dieses Bandes das Potential exemplarisch auf, die Gouvernementalitätsperspektive für erziehungswissenschaftliche Analyse, Theo-riebildung und Kritik fruchtbar zu machen. Gerade in den aktuellen Ungewiss-heitskonstellationen, in denen sich ‚harte’ und ‚weiche’ Technologien miteinan-der verbinden, disziplinierendes wie normalisierendes MachtWissen ebenso wie generative und Kontrollstrategien zur Steigerung der Leistungsfähigkeit zusam-mengeführt werden, ist die „Generalisierung der ökonomischen Form“ (Lemke et al.) nicht ohne pädagogisches MachtWissen zu denken und zu analysieren. Eine kritisch sich verstehende Analyseperspektive ist sich der eigenen Verortet-heit im Diskurs bewusst – sie ist analytisch reflexiv in dem Sinne, sich der von Foucault benannten ‚schwankenden Böden’, auf denen wir stehen, bewusst zu sein, und politisch reflexiv in dem Sinne, den Mut zu haben, ‚unter diesen eige-nen Füßen zu graben’.

Marburg und Fuerteventura im Januar 2006

Susanne Maurer und Susanne Maria Weber

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