Die linien-und stichbandkeramische Siedlung von Dresden ... · teren Mittelfeld. Das...

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24 Archäol. Nachr .bl. 17 (2012) 1 Dissertation Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Betreuer Prof. Dr. J. Maran, Ab- schlussprüfung 18.6.2010 Die linien- und stichbandkeramische Siedlung von Dresden- Prohlis. Eine Fallstudie zum Kulturwandel in der Region der oberen EIbe um 5000 v. ehr. THOMAS LINK Die Bandkeramik gilt gemeinhin als eine der am besten erforschten Kultur der Ur- geschichte. Der angeblich so hervorragen- de Forschungsstand basiert jedoch vor al- lem auf einigen wenigen gut untersuchten Regionen West- und Süddeutschlands so- wie Böhmens. Ost- und Mitteldeutschland, obgleich eines der Kerngebiete der frühen Forschungen zur Bandkeramik, fiel in den letzten Jahrzehnten dagegen immer mehr zurück. Gerade hier wurden zwar in den letzten 20 Jahren groß angelegte Grabungs- projekte durchgeführt, ihr immenses wis- senschaftliches Potential konnte allerdings bislang erst ansatzweise durch entsprechen- de Auswertungen erschlossen werden. Die vorgelegte Studie über die Siedlung Dres- den-Prohlis soll nicht zuletzt einen Beitrag zur Ausfüllung dieser Forschungslücke lie- fern. Ihre wichtigsten inhaltlichen Schwer- punkte liegen auf der Rekonstruktion der Siedlungsstruktur und diachronen Sied- lungsentwicklung sowie der typochrono- logischen Untersuchung des Übergangs von der Linienbandkeramik (LBK) zur Stichbandkeramik (SBK) und der kulturge- schichtlichen Interpretation dieses Kultur- wandels. Die Dresdener Elbtalweitung stellt im Ver- gleich zu den angrenzenden Landschaften einen klimatischen Gunstraum dar und spielt eine wichtige Rolle als natürliches verkehrsgeographisches Verbindungsglied zwischen den Regionen nördlich und süd- lich des Erzgebirges. Bandkeramische Fundorte befinden sich aufgrund der nur dort vorherrschenden Lössböden aus- schließlich in der südwestlichen Hälfte des Elbtals und konzentrieren sich dort auf den mittleren Talabschnitt. Hier reihen sich 7-8 Siedlungen in geringen Abständen von teils nur wenigen hundert Metern aneinander, unter ihnen auch Dresden-Prohlis. 1993- 1994 wurde in Prohlis unter großem zeitli- chem Druck eine Fläche von ca. 2 ha im südlichen Randbereich des heute größten- teils durch Lehmabbau zerstörten ehemali- gen Siedlungsareals ausgegraben. Einer der wesentlichen Bestandteile der Studie ist die Auswertung der teils außer- gewöhnlich gut erhaltenen Gebäudegrund- risse. In diesem Zusammenhang werden zunächst einige terminologische und klas- sifikatorische Probleme diskutiert. Insbe- sondere stellt es sich als Problem dar, die Kriterien für die Dreiteilung der Häuser und die Definitionen der einzelnen Bautei- le auf die östlichen Regionen und die jün- geren Phasen der Bandkeramik zu übertra- gen, da hier Bauformen vorliegen, die von denjenigen der rheinischen LBK in ent- scheidenden Punkten abweichen. Die Häu- ser werden einer statistischen Auswertung hinsichtlich ihrer Maße, der Eigenschaften Grundrissform, Innengerüst, Wände und Orientierung sowie der Merkmale der ein- zelnen Bauteile (Nord-, Mittel-, und Süd- teile) unterzogen. Kurz behandelt werden außerdem hausbegleitende Gruben sowie potentielle Hinweise auf Bauphasen bzw.

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24 Archaumlol Nachrbl 17 (2012) 1

Dissertation Ruprecht-Karls-Universitaumlt Heidelberg Betreuer Prof Dr J Maran Abshyschlusspruumlfung 1862010

Die linien- und stichbandkeramische Siedlung von DresdenshyProhlis Eine Fallstudie zum Kulturwandel in der Region der oberen EIbe um 5000 v ehr

THOMAS LINK

Die Bandkeramik gilt gemeinhin als eine der am besten erforschten Kultur der Urshygeschichte Der angeblich so hervorragenshyde Forschungsstand basiert jedoch vor alshylem auf einigen wenigen gut untersuchten Regionen West- und Suumlddeutschlands soshywie Boumlhmens Ost- und Mitteldeutschland obgleich eines der Kerngebiete der fruumlhen Forschungen zur Bandkeramik fiel in den letzten Jahrzehnten dagegen immer mehr zuruumlck Gerade hier wurden zwar in den letzten 20 Jahren groszligangelegte Grabungsshyprojekte durchgefuumlhrt ihr immenses wisshysenschaftliches Potential konnte allerdings bislang erst ansatzweise durch entsprechenshyde Auswertungen erschlossen werden Die vorgelegte Studie uumlber die Siedlung Dresshyden-Prohlis soll nicht zuletzt einen Beitrag zur Ausfuumlllung dieser Forschungsluumlcke lieshyfern Ihre wichtigsten inhaltlichen Schwershypunkte liegen auf der Rekonstruktion der Siedlungsstruktur und diachronen Siedshylungsentwicklung sowie der typochronoshylogischen Untersuchung des Uumlbergangs von der Linienbandkeramik (LBK) zur Stichbandkeramik (SBK) und der kulturgeshyschichtlichen Interpretation dieses Kulturshywandels

Die Dresdener Elbtalweitung stellt im Vershygleich zu den angrenzenden Landschaften einen klimatischen Gunstraum dar und spielt eine wichtige Rolle als natuumlrliches verkehrsgeographisches Verbindungsglied zwischen den Regionen noumlrdlich und suumldshylich des Erzgebirges Bandkeramische

Fundorte befinden sich aufgrund der nur dort vorherrschenden Loumlssboumlden ausshyschlieszliglich in der suumldwestlichen Haumllfte des Elbtals und konzentrieren sich dort auf den mittleren Talabschnitt Hier reihen sich 7-8 Siedlungen in geringen Abstaumlnden von teils nur wenigen hundert Metern aneinander unter ihnen auch Dresden-Prohlis 1993shy1994 wurde in Prohlis unter groszligem zeitlishychem Druck eine Flaumlche von ca 2 ha im suumldlichen Randbereich des heute groumlszligtenshyteils durch Lehmabbau zerstoumlrten ehemalishygen Siedlungsareals ausgegraben

Einer der wesentlichen Bestandteile der Studie ist die Auswertung der teils auszligershygewoumlhnlich gut erhaltenen Gebaumludegrundshyrisse In diesem Zusammenhang werden zunaumlchst einige terminologische und klasshysifikatorische Probleme diskutiert Insbeshysondere stellt es sich als Problem dar die Kriterien fuumlr die Dreiteilung der Haumluser und die Definitionen der einzelnen Bauteishyle auf die oumlstlichen Regionen und die juumlnshygeren Phasen der Bandkeramik zu uumlbertrashygen da hier Bauformen vorliegen die von denjenigen der rheinischen LBK in entshyscheidenden Punkten abweichen Die Haumlushyser werden einer statistischen Auswertung hinsichtlich ihrer Maszlige der Eigenschaften Grundrissform Innengeruumlst Waumlnde und Orientierung sowie der Merkmale der einshyzelnen Bauteile (Nord- Mittel- und Suumldshyteile) unterzogen Kurz behandelt werden auszligerdem hausbegleitende Gruben sowie potentielle Hinweise auf Bauphasen bzw

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Umbau- und Reparaturtaumltigkeiten Schlieszligshylich werden die Ergebnisse zusammenfasshysend bewertet und die Hausbefunde von Dresden-Prohlis in einen uumlberregionalen und chronologisch uumlbergreifenden Kontext eingeordnet sowie Rekonstruktions- und Interpretationsansaumltze diskutiert Als chashyrakteristische Merkmale fuumlr die Architekshytur von Dresden-Prohlis zu nennen sind besonders ein hoher Anteil nicht rechteckishyger Grundrissformen eine aufgelockerte vergleichsweise schwach strukturierte Inshynengliederung mit relativ weiten und regelshymaumlszligigen Querreihenabstaumlnden kurze Nordteile kaum abgesetzte Suumldteile und damit verbunden ein geringer Anteil klar ausgepraumlgter Groszligbauten Doppelpfostenshywaumlnde und Anten Die besten und zahlshyreichsten Vergleiche auszligerhalb der Dresshydener Elbtalweitung finden sich in zeitshygleichen spaumltlinien- und fruumlhstichbandkeshyramischen Siedlungen Mitteldeutschlands Nordboumlhmens sowie Niederbayerns Die Haumluser von Dresden-Prohlis stellen in vershyschiedenen Aspekten ein chronologisches Bindeglied zwischen linien- und stichbandshykeramischer Architektur dar Die weitere Entwicklung fuumlhrt zu einer staumlrkeren Ausshypraumlgung der gebauchten Grundrisse und eishyner weiter gehenden Auflockerung des Innengeruumlsts die Gliederung des Jochshyrhythmus verschwindet zusehends Haumluser wie jene aus Dresden-Prohlis stehen dabei erst am Anfang einer Entwicklung die in der spaumlten SBK und zeitgleichen Gruppen (z B der Roumlssener Kultur) zu Bauformen fuumlhrt die mit dem Aufbau des klassishyschen LBK-Hauses kaum noch etwas geshymeinsam haben Als eines der wichtigsten Ergebnisse der Auswertung ist zu betonen dass die Entwicklung der Architektur uumlber den Uumlbergang von der LBK zur SBK hinshyweg vollkommen bruchlos und uumlberreshygional bis weit in die Zeit der postlinienshybandkeramischen Kulturgruppen hinein kontinuierlich verlaumluft Der oft postulierte kulturelle Bruch am Ende der LBK findet in der Architektur keinerlei Niederschlag

Mit 2580 Silices kann Prohlis zu den silexshyreichsten bandkeramischen Siedlungen geshyrechnet werden Der Anteil modifizierter Artefakte liegt mit 131 aber nur im unshyteren Mittelfeld Das Geraumltespektrum ist mit demjenigen anderer Fundorte im Weshysentlichen gut vergleichbar zeigt aber in der anteilsmaumlszligigen Zusammensetzung eishynige Besonderheiten Es ist vor allem chashyrakterisiert durch einen sehr hohen Anteil von Lateralretuschen wogegen Bohrer ebenso wie unmodifizierte Stuumlcke mit Lackglanz selten sind und Pfeilspitzen fehshylen Der Vergleich mit dem sehr aumlhnlich strukturierten Inventar von Dresden-Cotta legt nahe dass hier keine orts- sondern reshygionalspezifische Charakteristika vorliegen Der geringe Anteil modifizierter Artefakte die relativ hohe Zahl von Kernen und Kernteilen sowie die insgesamt sehr hohe absolute Menge der Silices aus DresdenshyProhlis spiegeln eine nicht bis an die Grenshyzen gehende Ausnutzungseffizienz und eine hohe Verfuumlgbarkeit des Rohstoffs in der Siedlung wider was in Anbetracht des lokalen Vorkommens von baltischem Geshyschiebefeuerstein in der Dresdener Elbtalshyweitung nicht uumlberrascht Geschiebefeuershystein dominiert das Rohmaterialspektrum folglich auch sehr stark (ca 99 ) Nur knapp 1 stellen Suumlszligwasserquarzite die sich uumlberwiegend nordboumlhmischen Quelshylen zuweisen lassen (Tusimice Skrsin u a) Ein Einzelstuumlck ist eine Klinge aus Radioshylarit der mit groszliger Wahrscheinlichkeit aus dem westungarischen Vorkommen bei Szentgal stammt

Im Gegensatz zum Silexreichtum ist Dresshyden-Prohlis mit nur 18 Exemplaren sehr arm an Felsgesteinbeilen Pro Haus ergeshyben sich im Mittel weniger als 05 Geraumlte womit Prohlis im Vergleich mit anderen Siedlungen am unteren Ende des Spektrums angesiedelt ist Eine fuumlr das Rohmaterialshyspektrum repraumlsentative Auswahl von acht Stuumlcken wurde von B Ramminger (Hamshyburg) petrographisch und geochemisch

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analysiert Fuumlr mindestens 40 der Beilshyklingen aus Dresden-Prohlis ist demnach eine Herkunft aus dem Isergebirge anzushynehmen welches in den letzten Jahren als wahrscheinlichstes Herkunftsgebiet des in der Bandkeramik uumlberregional verbreiteten Amphibolit-Rohmaterials in den Vordershygrund tritt Allerdings wurden in Prohlis daneben offenbar auch noch andere bislang nicht identifizierte Amphibolit-Vorkomshymen genutzt Der vergleichsweise geringe Anteil des Materials aus dem Isergebirge koumlnnte auf eine bereits nachlassende Beshydeutung des Rohmaterialaustauschnetzes in der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK hindeushyten

Die Keramikaufnahme basiert auf einer Sortierung nach Gefaumlszligeinheiten Im Gegenshysatz zur gaumlngigen selektiv-extrahierenden Praxis wird hier eine Gliederung angeshywandt bei der nicht einzelne (verzierte) Einheiten aus der groszligen ungegliederten Masse herausgehoben sondern durch sukshyzessive Unterteilung eine Mindestzahl der im Scherbenmaterial repraumlsentierten Gefaumlshyszlige ermittelt wird Fuumlr dieses Vorgehen ist nicht der Nachweis der Zusammengehoumlshyrigkeit ausschlaggebend sondern der Beleg der Unterschiedlichkeit vergleichbar dem Konzept der Mindestindividuenzahl in der Osteologie Auf diese Weise wird die Geshyfahr der mehrfachen Aufnahme desselben Gefaumlszliges deutlich reduziert Auch das fuumlr LBK-Verzierungen gaumlngige Aufnahmeshysystem weist einige klassifikatorische Probshyleme auf insbesondere die inhaltliche Verschmelzung von Bandaufbau Verzieshyrungstechnik und Motivik in derselben Merkmalsebene Fuumlr die Keramik aus Dresshyden-Prohlis wurde daher eine eigenstaumlndishyge Systematik entwickelt in der diese Ebeshynen strikt voneinander getrennt werden Gerade fuumlr die SBK werden erst dadurch Ansatzpunkte fuumlr eine Differenzierung des Materials geschaffen In der Korresponshydenzanalyse werden LBK und SBK stark voneinander getrennt was die grundsaumltzli-

Archaumlol Nachrbl 17 (2012) 1

che Unaumlhnlichkeit der beiden Ziersysteme widerspiegelt Verbunden werden sie aber durch parallelen Doppelstich sowie Winshykelmotive als typochronologische Bindeshyglieder Neben der Auswertung auf Beshyfundebene werden kombinierte Hausinshyventare seruumlert Diese enthalten das zusamshymengefasste Material aus Befunden die zu gleichen Haumlusern zuweisbar sind Hiershydurch kann gerade bei einer schwachen Materialbasis eine Stabilisierung und inhaltshyliche Verbesserung des Analyseergebnisses erreicht werden

Dresden-Prohlis umfasst einen relativ enshygen zeitlichen Rahmen der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK (LnK IVa bis StK II nach boumlhmischer Terminologie) Die stilistishyschen Beziehungen nach Boumlhmen sind ausshygesprochen eng Absolutchronologisch ist der Uumlbergang von der LBK zur SBK derzeit noch nicht gut zu fassen duumlrfte aber Mitte bis Ende des 51 Jahrhunderts v Chr anzusetzen sein

In Dresden-Prohlis wird der Uumlbergang von der LBK zur SBK erstmals in einem detailshylierten siedlungsgeschichtlichen Kontext fassbar Anhand chronologischer Informashytionen und raumlumlicher Uumlberlegungen sind mindestens sieben Siedlungsphasen anzushynehmen Chronologisch bedeutsame Ershygebnisse erbringt die Betrachtung einer Zeishyle dreier LBK-Gebaumlude Die deutlichen Differenzen im Anteil der Verzierungs moshytive in den verschiedenen Hausinventaren legen die Hypothese nahe dass im Verlauf der juumlngeren LBK die Anteile der Bogenshymotive sinken waumlhrend Winkel und vertishykale Trennbaumlnder bereits jetzt haumlufiger wershyden Offenbar gewinnt eine spezifische Zierweise die zunaumlchst parallel zu anderen Varianten existiert im Laufe der juumlngeren LBK immer mehr an Beliebtheit und entshywickelt sich schlieszliglich zum neuen stark standardisierten Stil der SBK der andere Merkmale nahezu vollstaumlndig verdraumlngt Die Genese der SBK laumlsst sich somit am

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treffendsten als eine stilistische Kanonisieshyrung verstehen

Wie die Architektur laumlsst somit auch die Entwicklung der Keramik keinen Bruch sondern vielmehr eine kontinuierliche Entshywicklung am Uumlbergang von der LBK zur SBK erkennen Am deutlichsten wird die Kontinuitaumlt jedoch durch die vollkommen bruchlose Siedlungsentwicklung die sich selbst innerhalb einzelner Hofplaumltze nachshyvollziehen laumlsst Vor diesem Hintergrund ist auch das gaumlngige Szenario einer Krise am Ende der LBK kritisch zu hinterfragen Dennoch stellen die stilistische Kanonisieshyrung sowie die Schnelligkeit der Entwickshylung und der uumlberregionalen Ausbreitung der SBK einen bemerkenswerten Wandel dar als dessen kulturgeschichtliche Intershypretation hier die Hypothese vertreten wershyden soll dass durch die neue Ornamentik bewusst eine Abkehr vom traditionellen Zierstil zum Ausdruck gebracht und eine neue Identitaumlt geschaffen wurde Die Ershygebnisse aus Dresden-Prohlis lassen auszligershydem naheliegend erscheinen dass die SBK im nordboumlhmisch-suumldsaumlchsischen EIbegeshybiet entstand Es ist jedoch keineswegs ausshyzuschlieszligen dass bei verbessertem Forshyschungsstand auch in anderen Gebieten reshygionale Uumlbergangsphasen von der LBK zur SBK identifiziert werden koumlnnen Ein vershystaumlrktes Auftreten von Winkelverzierungen und Doppelstichen ist jedenfalls in weiten

Teilen des Verbreitungsgebiets der juumlngeshyren LBK zu beobachten Gerade das rasche Auftreten der SBK in verschiedenen Regioshynen laumlsst sich statt durch die Annahme eishynes einzelnen Entstehungszentrums und eishyner Diffusion mit zeitlichem Gefaumllle besser durch ein polyfokales Modell erklaumlren bei dem nicht eine Region die Impulse zur kulshyturellen Entwicklung anderer liefert sonshydern sich die verschiedenen regionalen Gruppen auf verwandten kulturellen Grundlagen und in enger Wechselwirkung parallel entwickeln Die hierfuumlr vorauszushysetzenden uumlberregionalen Kommunikatishyonsnetzwerke existierten in der juumlngeren LBK zweifellos Es mussten sich lediglich neue Sub netze etablierten die neue Ideen transportierten und gleichzeitig durch dieshyse definiert zunehmend intensiviert und damit perpetuiert wurden DiesemiddotNetzwershyke praumlgten grundlegend die Selbstwahrnehshymung ihrer Partizipanten sind also nicht nur Resultat sondern ebenso sehr konstishytuierender Bestandteil der neuen kulturelshylen Identitaumlt die in der Keramik ihren arshychaumlologisch fassbaren Niederschlag findet

Thomas Link M A Institut fuumlr Altertumswissenshyschalten Lehrstuhl fuumlr Vor- und Fruumlhgeschichtlishyche Archaumlologie Julius-Maximilians-Universitaumlt Wuumlrzburg Residenzplatz 2 Tor A 97070 Wuumlrzshyburg thomaslinkuni-wuerzburgde

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Umbau- und Reparaturtaumltigkeiten Schlieszligshylich werden die Ergebnisse zusammenfasshysend bewertet und die Hausbefunde von Dresden-Prohlis in einen uumlberregionalen und chronologisch uumlbergreifenden Kontext eingeordnet sowie Rekonstruktions- und Interpretationsansaumltze diskutiert Als chashyrakteristische Merkmale fuumlr die Architekshytur von Dresden-Prohlis zu nennen sind besonders ein hoher Anteil nicht rechteckishyger Grundrissformen eine aufgelockerte vergleichsweise schwach strukturierte Inshynengliederung mit relativ weiten und regelshymaumlszligigen Querreihenabstaumlnden kurze Nordteile kaum abgesetzte Suumldteile und damit verbunden ein geringer Anteil klar ausgepraumlgter Groszligbauten Doppelpfostenshywaumlnde und Anten Die besten und zahlshyreichsten Vergleiche auszligerhalb der Dresshydener Elbtalweitung finden sich in zeitshygleichen spaumltlinien- und fruumlhstichbandkeshyramischen Siedlungen Mitteldeutschlands Nordboumlhmens sowie Niederbayerns Die Haumluser von Dresden-Prohlis stellen in vershyschiedenen Aspekten ein chronologisches Bindeglied zwischen linien- und stichbandshykeramischer Architektur dar Die weitere Entwicklung fuumlhrt zu einer staumlrkeren Ausshypraumlgung der gebauchten Grundrisse und eishyner weiter gehenden Auflockerung des Innengeruumlsts die Gliederung des Jochshyrhythmus verschwindet zusehends Haumluser wie jene aus Dresden-Prohlis stehen dabei erst am Anfang einer Entwicklung die in der spaumlten SBK und zeitgleichen Gruppen (z B der Roumlssener Kultur) zu Bauformen fuumlhrt die mit dem Aufbau des klassishyschen LBK-Hauses kaum noch etwas geshymeinsam haben Als eines der wichtigsten Ergebnisse der Auswertung ist zu betonen dass die Entwicklung der Architektur uumlber den Uumlbergang von der LBK zur SBK hinshyweg vollkommen bruchlos und uumlberreshygional bis weit in die Zeit der postlinienshybandkeramischen Kulturgruppen hinein kontinuierlich verlaumluft Der oft postulierte kulturelle Bruch am Ende der LBK findet in der Architektur keinerlei Niederschlag

Mit 2580 Silices kann Prohlis zu den silexshyreichsten bandkeramischen Siedlungen geshyrechnet werden Der Anteil modifizierter Artefakte liegt mit 131 aber nur im unshyteren Mittelfeld Das Geraumltespektrum ist mit demjenigen anderer Fundorte im Weshysentlichen gut vergleichbar zeigt aber in der anteilsmaumlszligigen Zusammensetzung eishynige Besonderheiten Es ist vor allem chashyrakterisiert durch einen sehr hohen Anteil von Lateralretuschen wogegen Bohrer ebenso wie unmodifizierte Stuumlcke mit Lackglanz selten sind und Pfeilspitzen fehshylen Der Vergleich mit dem sehr aumlhnlich strukturierten Inventar von Dresden-Cotta legt nahe dass hier keine orts- sondern reshygionalspezifische Charakteristika vorliegen Der geringe Anteil modifizierter Artefakte die relativ hohe Zahl von Kernen und Kernteilen sowie die insgesamt sehr hohe absolute Menge der Silices aus DresdenshyProhlis spiegeln eine nicht bis an die Grenshyzen gehende Ausnutzungseffizienz und eine hohe Verfuumlgbarkeit des Rohstoffs in der Siedlung wider was in Anbetracht des lokalen Vorkommens von baltischem Geshyschiebefeuerstein in der Dresdener Elbtalshyweitung nicht uumlberrascht Geschiebefeuershystein dominiert das Rohmaterialspektrum folglich auch sehr stark (ca 99 ) Nur knapp 1 stellen Suumlszligwasserquarzite die sich uumlberwiegend nordboumlhmischen Quelshylen zuweisen lassen (Tusimice Skrsin u a) Ein Einzelstuumlck ist eine Klinge aus Radioshylarit der mit groszliger Wahrscheinlichkeit aus dem westungarischen Vorkommen bei Szentgal stammt

Im Gegensatz zum Silexreichtum ist Dresshyden-Prohlis mit nur 18 Exemplaren sehr arm an Felsgesteinbeilen Pro Haus ergeshyben sich im Mittel weniger als 05 Geraumlte womit Prohlis im Vergleich mit anderen Siedlungen am unteren Ende des Spektrums angesiedelt ist Eine fuumlr das Rohmaterialshyspektrum repraumlsentative Auswahl von acht Stuumlcken wurde von B Ramminger (Hamshyburg) petrographisch und geochemisch

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analysiert Fuumlr mindestens 40 der Beilshyklingen aus Dresden-Prohlis ist demnach eine Herkunft aus dem Isergebirge anzushynehmen welches in den letzten Jahren als wahrscheinlichstes Herkunftsgebiet des in der Bandkeramik uumlberregional verbreiteten Amphibolit-Rohmaterials in den Vordershygrund tritt Allerdings wurden in Prohlis daneben offenbar auch noch andere bislang nicht identifizierte Amphibolit-Vorkomshymen genutzt Der vergleichsweise geringe Anteil des Materials aus dem Isergebirge koumlnnte auf eine bereits nachlassende Beshydeutung des Rohmaterialaustauschnetzes in der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK hindeushyten

Die Keramikaufnahme basiert auf einer Sortierung nach Gefaumlszligeinheiten Im Gegenshysatz zur gaumlngigen selektiv-extrahierenden Praxis wird hier eine Gliederung angeshywandt bei der nicht einzelne (verzierte) Einheiten aus der groszligen ungegliederten Masse herausgehoben sondern durch sukshyzessive Unterteilung eine Mindestzahl der im Scherbenmaterial repraumlsentierten Gefaumlshyszlige ermittelt wird Fuumlr dieses Vorgehen ist nicht der Nachweis der Zusammengehoumlshyrigkeit ausschlaggebend sondern der Beleg der Unterschiedlichkeit vergleichbar dem Konzept der Mindestindividuenzahl in der Osteologie Auf diese Weise wird die Geshyfahr der mehrfachen Aufnahme desselben Gefaumlszliges deutlich reduziert Auch das fuumlr LBK-Verzierungen gaumlngige Aufnahmeshysystem weist einige klassifikatorische Probshyleme auf insbesondere die inhaltliche Verschmelzung von Bandaufbau Verzieshyrungstechnik und Motivik in derselben Merkmalsebene Fuumlr die Keramik aus Dresshyden-Prohlis wurde daher eine eigenstaumlndishyge Systematik entwickelt in der diese Ebeshynen strikt voneinander getrennt werden Gerade fuumlr die SBK werden erst dadurch Ansatzpunkte fuumlr eine Differenzierung des Materials geschaffen In der Korresponshydenzanalyse werden LBK und SBK stark voneinander getrennt was die grundsaumltzli-

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che Unaumlhnlichkeit der beiden Ziersysteme widerspiegelt Verbunden werden sie aber durch parallelen Doppelstich sowie Winshykelmotive als typochronologische Bindeshyglieder Neben der Auswertung auf Beshyfundebene werden kombinierte Hausinshyventare seruumlert Diese enthalten das zusamshymengefasste Material aus Befunden die zu gleichen Haumlusern zuweisbar sind Hiershydurch kann gerade bei einer schwachen Materialbasis eine Stabilisierung und inhaltshyliche Verbesserung des Analyseergebnisses erreicht werden

Dresden-Prohlis umfasst einen relativ enshygen zeitlichen Rahmen der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK (LnK IVa bis StK II nach boumlhmischer Terminologie) Die stilistishyschen Beziehungen nach Boumlhmen sind ausshygesprochen eng Absolutchronologisch ist der Uumlbergang von der LBK zur SBK derzeit noch nicht gut zu fassen duumlrfte aber Mitte bis Ende des 51 Jahrhunderts v Chr anzusetzen sein

In Dresden-Prohlis wird der Uumlbergang von der LBK zur SBK erstmals in einem detailshylierten siedlungsgeschichtlichen Kontext fassbar Anhand chronologischer Informashytionen und raumlumlicher Uumlberlegungen sind mindestens sieben Siedlungsphasen anzushynehmen Chronologisch bedeutsame Ershygebnisse erbringt die Betrachtung einer Zeishyle dreier LBK-Gebaumlude Die deutlichen Differenzen im Anteil der Verzierungs moshytive in den verschiedenen Hausinventaren legen die Hypothese nahe dass im Verlauf der juumlngeren LBK die Anteile der Bogenshymotive sinken waumlhrend Winkel und vertishykale Trennbaumlnder bereits jetzt haumlufiger wershyden Offenbar gewinnt eine spezifische Zierweise die zunaumlchst parallel zu anderen Varianten existiert im Laufe der juumlngeren LBK immer mehr an Beliebtheit und entshywickelt sich schlieszliglich zum neuen stark standardisierten Stil der SBK der andere Merkmale nahezu vollstaumlndig verdraumlngt Die Genese der SBK laumlsst sich somit am

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treffendsten als eine stilistische Kanonisieshyrung verstehen

Wie die Architektur laumlsst somit auch die Entwicklung der Keramik keinen Bruch sondern vielmehr eine kontinuierliche Entshywicklung am Uumlbergang von der LBK zur SBK erkennen Am deutlichsten wird die Kontinuitaumlt jedoch durch die vollkommen bruchlose Siedlungsentwicklung die sich selbst innerhalb einzelner Hofplaumltze nachshyvollziehen laumlsst Vor diesem Hintergrund ist auch das gaumlngige Szenario einer Krise am Ende der LBK kritisch zu hinterfragen Dennoch stellen die stilistische Kanonisieshyrung sowie die Schnelligkeit der Entwickshylung und der uumlberregionalen Ausbreitung der SBK einen bemerkenswerten Wandel dar als dessen kulturgeschichtliche Intershypretation hier die Hypothese vertreten wershyden soll dass durch die neue Ornamentik bewusst eine Abkehr vom traditionellen Zierstil zum Ausdruck gebracht und eine neue Identitaumlt geschaffen wurde Die Ershygebnisse aus Dresden-Prohlis lassen auszligershydem naheliegend erscheinen dass die SBK im nordboumlhmisch-suumldsaumlchsischen EIbegeshybiet entstand Es ist jedoch keineswegs ausshyzuschlieszligen dass bei verbessertem Forshyschungsstand auch in anderen Gebieten reshygionale Uumlbergangsphasen von der LBK zur SBK identifiziert werden koumlnnen Ein vershystaumlrktes Auftreten von Winkelverzierungen und Doppelstichen ist jedenfalls in weiten

Teilen des Verbreitungsgebiets der juumlngeshyren LBK zu beobachten Gerade das rasche Auftreten der SBK in verschiedenen Regioshynen laumlsst sich statt durch die Annahme eishynes einzelnen Entstehungszentrums und eishyner Diffusion mit zeitlichem Gefaumllle besser durch ein polyfokales Modell erklaumlren bei dem nicht eine Region die Impulse zur kulshyturellen Entwicklung anderer liefert sonshydern sich die verschiedenen regionalen Gruppen auf verwandten kulturellen Grundlagen und in enger Wechselwirkung parallel entwickeln Die hierfuumlr vorauszushysetzenden uumlberregionalen Kommunikatishyonsnetzwerke existierten in der juumlngeren LBK zweifellos Es mussten sich lediglich neue Sub netze etablierten die neue Ideen transportierten und gleichzeitig durch dieshyse definiert zunehmend intensiviert und damit perpetuiert wurden DiesemiddotNetzwershyke praumlgten grundlegend die Selbstwahrnehshymung ihrer Partizipanten sind also nicht nur Resultat sondern ebenso sehr konstishytuierender Bestandteil der neuen kulturelshylen Identitaumlt die in der Keramik ihren arshychaumlologisch fassbaren Niederschlag findet

Thomas Link M A Institut fuumlr Altertumswissenshyschalten Lehrstuhl fuumlr Vor- und Fruumlhgeschichtlishyche Archaumlologie Julius-Maximilians-Universitaumlt Wuumlrzburg Residenzplatz 2 Tor A 97070 Wuumlrzshyburg thomaslinkuni-wuerzburgde

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analysiert Fuumlr mindestens 40 der Beilshyklingen aus Dresden-Prohlis ist demnach eine Herkunft aus dem Isergebirge anzushynehmen welches in den letzten Jahren als wahrscheinlichstes Herkunftsgebiet des in der Bandkeramik uumlberregional verbreiteten Amphibolit-Rohmaterials in den Vordershygrund tritt Allerdings wurden in Prohlis daneben offenbar auch noch andere bislang nicht identifizierte Amphibolit-Vorkomshymen genutzt Der vergleichsweise geringe Anteil des Materials aus dem Isergebirge koumlnnte auf eine bereits nachlassende Beshydeutung des Rohmaterialaustauschnetzes in der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK hindeushyten

Die Keramikaufnahme basiert auf einer Sortierung nach Gefaumlszligeinheiten Im Gegenshysatz zur gaumlngigen selektiv-extrahierenden Praxis wird hier eine Gliederung angeshywandt bei der nicht einzelne (verzierte) Einheiten aus der groszligen ungegliederten Masse herausgehoben sondern durch sukshyzessive Unterteilung eine Mindestzahl der im Scherbenmaterial repraumlsentierten Gefaumlshyszlige ermittelt wird Fuumlr dieses Vorgehen ist nicht der Nachweis der Zusammengehoumlshyrigkeit ausschlaggebend sondern der Beleg der Unterschiedlichkeit vergleichbar dem Konzept der Mindestindividuenzahl in der Osteologie Auf diese Weise wird die Geshyfahr der mehrfachen Aufnahme desselben Gefaumlszliges deutlich reduziert Auch das fuumlr LBK-Verzierungen gaumlngige Aufnahmeshysystem weist einige klassifikatorische Probshyleme auf insbesondere die inhaltliche Verschmelzung von Bandaufbau Verzieshyrungstechnik und Motivik in derselben Merkmalsebene Fuumlr die Keramik aus Dresshyden-Prohlis wurde daher eine eigenstaumlndishyge Systematik entwickelt in der diese Ebeshynen strikt voneinander getrennt werden Gerade fuumlr die SBK werden erst dadurch Ansatzpunkte fuumlr eine Differenzierung des Materials geschaffen In der Korresponshydenzanalyse werden LBK und SBK stark voneinander getrennt was die grundsaumltzli-

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che Unaumlhnlichkeit der beiden Ziersysteme widerspiegelt Verbunden werden sie aber durch parallelen Doppelstich sowie Winshykelmotive als typochronologische Bindeshyglieder Neben der Auswertung auf Beshyfundebene werden kombinierte Hausinshyventare seruumlert Diese enthalten das zusamshymengefasste Material aus Befunden die zu gleichen Haumlusern zuweisbar sind Hiershydurch kann gerade bei einer schwachen Materialbasis eine Stabilisierung und inhaltshyliche Verbesserung des Analyseergebnisses erreicht werden

Dresden-Prohlis umfasst einen relativ enshygen zeitlichen Rahmen der juumlngeren LBK und fruumlhen SBK (LnK IVa bis StK II nach boumlhmischer Terminologie) Die stilistishyschen Beziehungen nach Boumlhmen sind ausshygesprochen eng Absolutchronologisch ist der Uumlbergang von der LBK zur SBK derzeit noch nicht gut zu fassen duumlrfte aber Mitte bis Ende des 51 Jahrhunderts v Chr anzusetzen sein

In Dresden-Prohlis wird der Uumlbergang von der LBK zur SBK erstmals in einem detailshylierten siedlungsgeschichtlichen Kontext fassbar Anhand chronologischer Informashytionen und raumlumlicher Uumlberlegungen sind mindestens sieben Siedlungsphasen anzushynehmen Chronologisch bedeutsame Ershygebnisse erbringt die Betrachtung einer Zeishyle dreier LBK-Gebaumlude Die deutlichen Differenzen im Anteil der Verzierungs moshytive in den verschiedenen Hausinventaren legen die Hypothese nahe dass im Verlauf der juumlngeren LBK die Anteile der Bogenshymotive sinken waumlhrend Winkel und vertishykale Trennbaumlnder bereits jetzt haumlufiger wershyden Offenbar gewinnt eine spezifische Zierweise die zunaumlchst parallel zu anderen Varianten existiert im Laufe der juumlngeren LBK immer mehr an Beliebtheit und entshywickelt sich schlieszliglich zum neuen stark standardisierten Stil der SBK der andere Merkmale nahezu vollstaumlndig verdraumlngt Die Genese der SBK laumlsst sich somit am

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treffendsten als eine stilistische Kanonisieshyrung verstehen

Wie die Architektur laumlsst somit auch die Entwicklung der Keramik keinen Bruch sondern vielmehr eine kontinuierliche Entshywicklung am Uumlbergang von der LBK zur SBK erkennen Am deutlichsten wird die Kontinuitaumlt jedoch durch die vollkommen bruchlose Siedlungsentwicklung die sich selbst innerhalb einzelner Hofplaumltze nachshyvollziehen laumlsst Vor diesem Hintergrund ist auch das gaumlngige Szenario einer Krise am Ende der LBK kritisch zu hinterfragen Dennoch stellen die stilistische Kanonisieshyrung sowie die Schnelligkeit der Entwickshylung und der uumlberregionalen Ausbreitung der SBK einen bemerkenswerten Wandel dar als dessen kulturgeschichtliche Intershypretation hier die Hypothese vertreten wershyden soll dass durch die neue Ornamentik bewusst eine Abkehr vom traditionellen Zierstil zum Ausdruck gebracht und eine neue Identitaumlt geschaffen wurde Die Ershygebnisse aus Dresden-Prohlis lassen auszligershydem naheliegend erscheinen dass die SBK im nordboumlhmisch-suumldsaumlchsischen EIbegeshybiet entstand Es ist jedoch keineswegs ausshyzuschlieszligen dass bei verbessertem Forshyschungsstand auch in anderen Gebieten reshygionale Uumlbergangsphasen von der LBK zur SBK identifiziert werden koumlnnen Ein vershystaumlrktes Auftreten von Winkelverzierungen und Doppelstichen ist jedenfalls in weiten

Teilen des Verbreitungsgebiets der juumlngeshyren LBK zu beobachten Gerade das rasche Auftreten der SBK in verschiedenen Regioshynen laumlsst sich statt durch die Annahme eishynes einzelnen Entstehungszentrums und eishyner Diffusion mit zeitlichem Gefaumllle besser durch ein polyfokales Modell erklaumlren bei dem nicht eine Region die Impulse zur kulshyturellen Entwicklung anderer liefert sonshydern sich die verschiedenen regionalen Gruppen auf verwandten kulturellen Grundlagen und in enger Wechselwirkung parallel entwickeln Die hierfuumlr vorauszushysetzenden uumlberregionalen Kommunikatishyonsnetzwerke existierten in der juumlngeren LBK zweifellos Es mussten sich lediglich neue Sub netze etablierten die neue Ideen transportierten und gleichzeitig durch dieshyse definiert zunehmend intensiviert und damit perpetuiert wurden DiesemiddotNetzwershyke praumlgten grundlegend die Selbstwahrnehshymung ihrer Partizipanten sind also nicht nur Resultat sondern ebenso sehr konstishytuierender Bestandteil der neuen kulturelshylen Identitaumlt die in der Keramik ihren arshychaumlologisch fassbaren Niederschlag findet

Thomas Link M A Institut fuumlr Altertumswissenshyschalten Lehrstuhl fuumlr Vor- und Fruumlhgeschichtlishyche Archaumlologie Julius-Maximilians-Universitaumlt Wuumlrzburg Residenzplatz 2 Tor A 97070 Wuumlrzshyburg thomaslinkuni-wuerzburgde

Page 4: Die linien-und stichbandkeramische Siedlung von Dresden ... · teren Mittelfeld. Das Gerätespektrum ist mit demjenigen anderer Fundorte im We ...

27 Berichte - Universitaumlten

treffendsten als eine stilistische Kanonisieshyrung verstehen

Wie die Architektur laumlsst somit auch die Entwicklung der Keramik keinen Bruch sondern vielmehr eine kontinuierliche Entshywicklung am Uumlbergang von der LBK zur SBK erkennen Am deutlichsten wird die Kontinuitaumlt jedoch durch die vollkommen bruchlose Siedlungsentwicklung die sich selbst innerhalb einzelner Hofplaumltze nachshyvollziehen laumlsst Vor diesem Hintergrund ist auch das gaumlngige Szenario einer Krise am Ende der LBK kritisch zu hinterfragen Dennoch stellen die stilistische Kanonisieshyrung sowie die Schnelligkeit der Entwickshylung und der uumlberregionalen Ausbreitung der SBK einen bemerkenswerten Wandel dar als dessen kulturgeschichtliche Intershypretation hier die Hypothese vertreten wershyden soll dass durch die neue Ornamentik bewusst eine Abkehr vom traditionellen Zierstil zum Ausdruck gebracht und eine neue Identitaumlt geschaffen wurde Die Ershygebnisse aus Dresden-Prohlis lassen auszligershydem naheliegend erscheinen dass die SBK im nordboumlhmisch-suumldsaumlchsischen EIbegeshybiet entstand Es ist jedoch keineswegs ausshyzuschlieszligen dass bei verbessertem Forshyschungsstand auch in anderen Gebieten reshygionale Uumlbergangsphasen von der LBK zur SBK identifiziert werden koumlnnen Ein vershystaumlrktes Auftreten von Winkelverzierungen und Doppelstichen ist jedenfalls in weiten

Teilen des Verbreitungsgebiets der juumlngeshyren LBK zu beobachten Gerade das rasche Auftreten der SBK in verschiedenen Regioshynen laumlsst sich statt durch die Annahme eishynes einzelnen Entstehungszentrums und eishyner Diffusion mit zeitlichem Gefaumllle besser durch ein polyfokales Modell erklaumlren bei dem nicht eine Region die Impulse zur kulshyturellen Entwicklung anderer liefert sonshydern sich die verschiedenen regionalen Gruppen auf verwandten kulturellen Grundlagen und in enger Wechselwirkung parallel entwickeln Die hierfuumlr vorauszushysetzenden uumlberregionalen Kommunikatishyonsnetzwerke existierten in der juumlngeren LBK zweifellos Es mussten sich lediglich neue Sub netze etablierten die neue Ideen transportierten und gleichzeitig durch dieshyse definiert zunehmend intensiviert und damit perpetuiert wurden DiesemiddotNetzwershyke praumlgten grundlegend die Selbstwahrnehshymung ihrer Partizipanten sind also nicht nur Resultat sondern ebenso sehr konstishytuierender Bestandteil der neuen kulturelshylen Identitaumlt die in der Keramik ihren arshychaumlologisch fassbaren Niederschlag findet

Thomas Link M A Institut fuumlr Altertumswissenshyschalten Lehrstuhl fuumlr Vor- und Fruumlhgeschichtlishyche Archaumlologie Julius-Maximilians-Universitaumlt Wuumlrzburg Residenzplatz 2 Tor A 97070 Wuumlrzshyburg thomaslinkuni-wuerzburgde