Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang ... · Hafis = Chadsche Shams ad-Din...

47
Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016) Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe

Transcript of Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang ... · Hafis = Chadsche Shams ad-Din...

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)Die Literatur des 19. JahrhundertsIV. Johann Wolfgang Goethe

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Johann JosephSchmeller

    Goethe seinem SchreiberJohn diktierend

    1834Anna-Amalia-Bibliothek Weimar

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Goethes Wohnhaus am Frauenplan, Weimar

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Christian Daniel RauchGoethe im Hausrock (1828)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Johann Joseph Schmeller (1834)Goethe seinem Schreiber John diktierend

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Darf ich mich, mein Verehrtester, in altemZutrauen ausdrücken, so gesteh ich gern daßin meinen hohen Jahren mir alles mehr undmehr historisch wird: ob etwas in der vergan-genen Zeit, in fernen Reichen, oder mir ganznah räumlich im Augenblick vorgeht, ist ganzeins, ja ich erscheine mir selbst immer mehrund mehr geschichtlich [...].

    An Wilhelm von Humboldt1. 12. 1831

    Heinrich Christoph Kolbe 1828

    Darf ich mich, mein Verehrtester, in altemZutrauen ausdrücken, so gesteh ich gern daß inmeinen hohen Jahren mir alles mehr und mehrhistorisch wird: ob etwas in der vergangenen Zeit,in fernen Reichen, oder mir ganz nah räumlich imAugenblick vorgeht, ist ganz eins, ja ich erscheinemir selbst immer mehr und mehr geschichtlich …

    An Wilhelm von Humboldt, 1. 12. 1831

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Seit der großen Lücke, die durchSchillers Tod in mein Dasein gefallenist, bin ich lebhafter auf das Andenkender Vergangenheit hingewiesen, undempfinde gewissermaßen leidenschaft-lich, welche Pflicht es ist, das was fürewig verschwunden scheint, in derErinnerung aufzubewahren.

    An Philipp Hackert, 4. 4. 1806

    Louise Seidler 1811

    • Dichtung und Wahrheit (1811-33)• Campagne in Frankreich 1792 (1822)• Belagerung von Maynz (1822)• Italienische Reise (1816/17/29)• Tag- und Jahres-Hefte (1816-30)• Briefwechsel zwischen Schiller und

    Goethe (1828/29)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Der Mensch mag sich wenden wohiner will, er mag unternehmen was esauch sei, stets wird er auf jenen Wegwieder zurückkehren, den ihm dieNatur einmal vorgezeichnet hat.

    Gerhard von Kügelgen 1808/09

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    1790 1808 1833 (postum)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    1809

    1857

    1877/78

    1896

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Eduard war so liebenswürdig, so freundlich, so dringend; er bat sie,bei ihr bleiben zu dürfen, er forderte nicht, bald ernst bald scherzhaftsuchte er sie zu bereden, er dachte nicht daran, daß er Rechte habe,und löschte zuletzt mutwillig die Kerze aus.In der Lampendämmerung sogleich behauptete die innere Neigung,behauptete die Einbildungskraft ihre Rechte über das Wirkliche.Eduard hielt nur Ottilien in seinen Armen; Charlotte schwebte derHauptmann näher oder ferner vor der Seele, und so verwebten,wundersam genug, sich Abwesendes und Gegenwärtiges reizend undwonnevoll durcheinander.Und doch läßt sich die Gegenwart ihr ungeheures Recht nicht rauben.Sie brachten einen Teil der Nacht unter allerlei Gesprächen undScherzen zu, die um desto freier waren, als das Herz leider keinen Teildaran nahm. Aber als Eduard des andern Morgens an dem Busenseiner Frau erwachte, schien ihm der Tag ahndungsvoll herein-zublicken, die Sonne schien ihm ein Verbrechen zu beleuchten; erschlich sich leise von ihrer Seite, und sie fand sich, seltsam genug,allein als sie erwachte.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Sophie Reinhard (1810)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Und wie konnte G dieses Machwerk(denn etwas Gemachtes ist es freilich)einen Roman nennen, und erwarten,daß wir es für einen Roman, als fürein echtes Kunstwerk nehmenwürden?

    Christoph Martin Wieland

    Ich kann mich gar nicht gewöhnen ansgemeine Leben in der Poesie, weiteher an die Poesie im Leben, eskömmt mir Manches bloß wiegebohnt und nicht geschnitzt vor.

    Joseph Görres

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Torbern BergmanDe attractionibus electivis

    1775

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Ferdinand Jagemann 1806

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Ferdinand Jagemann 1806

    Es scheint, dass den Verfasser seinefortgesetzten physikalischen Arbeitenzu diesem seltsamen Titel veranlass-ten. Er mochte bemerkt haben, dassman in der Naturlehre sich sehr oftethischer Gleichnisse bedient, umetwas von dem Kreise menschlichenWissens weit Entferntes näher heran-zubringen; und so hat er auch wohl,in einem sittlichen Falle, einechemische Gleichnisrede zu ihremgeistigen Ursprunge zurückführenmögen, um so mehr, als doch überallnur eine Natur ist, und auch durch dasReich der heitern Vernunft-Freiheitdie Spuren trüber leidenschaftlicherNotwendigkeit sich unaufhaltsamhindurchziehen, die nur durch einehöhere Hand, und vielleicht auchnicht in diesem Leben, völlig aus-zulöschen sind.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Ja wohl! versetzte der Hauptmann: dieseFälle sind allerdings die bedeutendstenund merkwürdigsten, wo man das Anzie-hen, das Verwandtsein, dieses Verlassen,dieses Vereinigen gleichsam übersKreuz, wirklich darstellen kann; wo vier,bisher je zwei verbundene Wesen inBerührung gebracht, ihre bisherigeVereinigung verlassen und sich aufs neueverbinden. In diesem Fahrenlassen undErgreifen, in diesem Fliehen und Suchen,glaubt man wirklich eine höhere Bestimmung zu sehen; man trautsolchen Wesen eine Art von Wollen und Wählen zu, und hält dasKunstwort Wahlverwandtschaften vollkom-men gerechtfertigt.Beschreiben Sie mir einen solchen Fall, sagte Charlotte.Man sollte dergleichen, versetzte der Hauptmann, nicht mit Wortenabtun. Wie schon gesagt! sobald ich Ihnen die Versuche selbst zeigenkann, wird alles anschaulicher und angenehmer werden.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Eduard – so nennen wir einen reichenBaron im besten Mannesalter – Eduardhatte in seiner Baumschule die schönsteStunde eines Aprilnachmittags zugebracht,um frisch erhaltene Pfropfreiser auf jungeStämme zu bringen.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    An der Türe empfing Charlotte ihrenGemahl und ließ ihn dergestalt nieder-sitzen, daß er durch Türe und Fenster dieverschiedenen Bilder, welche die Land-schaft gleichsam im Rahmen zeigten, aufeinen Blick übersehen konnte. Er freutesich daran, in Hoffnung daß der Frühlingbald alles noch reichlicher beleben würde.Nur eines habe ich zu erinnern, setzte erhinzu: die Hütte scheint mir etwas zu eng.Für uns beide doch geräumig genug,versetzte Charlotte.Nun freilich, sagte Eduard, für einenDritten ist auch wohl noch Platz.Warum nicht? versetzte Charlotte, undauch für ein Viertes. Für größereGesellschaft wollen wir schon andereStellen bereiten.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Eduard – Ottilie: maßlosHauptmann – Charlotte: beherrscht

    Eduard[...] denn eigentlich sind die ver-wickelten Fälle die interessantesten. Erstbei diesen lernt man die Grade derVerwandtschaften, die nähern, stärkern,entferntern, geringern Beziehungenkennen; die Verwandtschaften werdenerst interessant, wenn sie Scheidungenbewirken.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Charlotte[...] aber ich würde hier niemals eineWahl, eher eine Naturnotwendigkeiterblicken, und diese kaum: denn es istam Ende vielleicht gar nur die Sache derGelegenheit. Gelegenheit macht Verhält-nisse, wie sie Diebe macht.

    Sie schrieb mit gewandter Feder gefälligund verbindlich, aber doch mit einer Artvon Hast, die ihr sonst nicht gewöhnlichwar; und was ihr nicht leicht begegnete,sie verunstaltete das Papier zuletzt miteinem Tintenfleck, der sie ärgerlichmachte und nur größer wurde, indem sieihn wegwischen wollte.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Sie schrieb mit gewandter Feder gefälligund verbindlich, aber doch mit einer Artvon Hast, die ihr sonst nicht gewöhnlichwar; und was ihr nicht leicht begegnete,sie verunstaltete das Papier zuletzt miteinem Tintenfleck, der sie ärgerlichmachte und nur größer wurde, indem sieihn wegwischen wollte.

    So ruhen die Liebenden neben einander.Friede schwebt über ihrer Stätte, heitereverwandte Engelsbilder schauen vomGewölbe auf sie herab, und welch einfreundlicher Augenblick wird es sein,wenn sie dereinst wieder zusammenerwachen.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Sophie Reinhard (1810)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Karl Josef Raabe 1814

    ... und wer spielt nicht gernmit Ähnlichkeiten?

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    ... und wer spielt nicht gernmit Ähnlichkeiten?

    Eduard (Otto) Charlotte

    Otto (Hauptmann) Ottilie

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Und so stand er auf der andern Seite, in jugendlicher Kraft und Anmut,auf sich selbst zurückgewiesen, starr, in sich gekehrt, mit nieder-gesenkten Armen, gefalteten, mitleidig gerungenen Händen, Hauptund Blick nach der Entseelten hingeneigt. Schon einmal hatte er so vorBelisar gestanden. Unwillkürlich geriet er jetzt in die gleiche Stellung;und wie natürlich war sie auch diesmal!

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    West = oestlicher Divan, von Goethe.Stuttgart 1819

    Christoph Heinrich Kolbe 1822

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Palermo: S. Giovanni degli Eremiti

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Palermo: La Zisa

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Marianne von Willemer1784-1860 Ferdinand Jagemann 1816

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    LOCKEN! haltet mich gefangenIn dem Kreise des Gesichts!Euch geliebten braunen SchlangenZu erwiedern hab’ ich nichts.Nur dies Herz es ist von Dauer,Schwillt in jugendlichstem Flor;Unter Schnee und NebelschauerRast ein Aetna dir hervor.Du beschämst wie MorgenrötheJener Gipfel ernste Wand,Und noch einmal fühlet HatemFrühlingshauch und Sommerbrand.Schenke her! Noch eine Flasche!Diesen Becher bring ich Ihr!Findet sie ein Häufchen Asche,Sagt sie: Der verbrannte mir.

    Hatem.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    LOCKEN! haltet mich gefangen aIn dem Kreise des Gesichts! bEuch geliebten braunen Schlangen aZu erwiedern hab’ ich nichts. bNur dies Herz es ist von Dauer, cSchwillt in jugendlichstem Flor; dUnter Schnee und Nebelschauer cRast ein Aetna dir hervor. dDu beschämst wie Morgenröthe eJener Gipfel ernste Wand, fUnd noch einmal fühlet Hatem xFrühlingshauch und Sommerbrand. fSchenke her! Noch eine Flasche! gDiesen Becher bring ich Ihr! hFindet sie ein Häufchen Asche, gSagt sie: Der verbrannte mir. h

    Hatem.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    LOCKEN! haltet mich gefangen aIn dem Kreise des Gesichts! bEuch geliebten braunen Schlangen aZu erwiedern hab’ ich nichts. bNur dies Herz es ist von Dauer, cSchwillt in jugendlichstem Flor; dUnter Schnee und Nebelschauer cRast ein Aetna dir hervor. dDu beschämst wie Morgenröthe eJener Gipfel ernste Wand, fUnd noch einmal fühlet Hatem xFrühlingshauch und Sommerbrand. fSchenke her! Noch eine Flasche! gDiesen Becher bring ich Ihr! hFindet sie ein Häufchen Asche, gSagt sie: Der verbrannte mir. h

    Hatem.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Mohammed Schemsed-dinHafis

    Der DiwanAus dem Persischen zum erstenmal

    ganz übersetzt vonJoseph von Hammer-Purgstall

    Stuttgart und Tübingen 1812

    Hafis = Chadsche Shams ad-Din Mohammad Hafez-e Schirazica. 1320 – ca. 1390

    خواجھ شمس الدین محمد حافظ شیرازی

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Ghasel: aa

    ba

    ca

    da

    ...

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    DA DU NUN Suleika heißest aSollt ich auch benamset seyn, bWenn du deinen Geliebten preisest, aHatem! das soll der Name seyn. bNur dass man mich daran erkennet, cKeine Anmaßung soll es seyn. bWer sich St. Georgenritter nennet cDenkt nicht gleich Sanct Georg zu seyn. bNicht Hatem Thai, nicht der Alles Gebende dKann ich in meiner Armuth seyn, bHatem Zograi nicht, der reichlichst Lebende dVon allen Dichtern, möcht ich seyn. bAber beyde doch im Auge zu haben eEs wird nicht ganz verwerflich seyn: bZu nehmen, zu geben des Glückes Gaben eWird immer ein groß Vergnügen seyn. bSich liebend an einander zu laben eWird Paradieses Wonne seyn. b

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Besserem Verständnis

    Noten und Abhandlungen zu besseremVerständnis des West-östlichen Divans

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Moganni Nameh (Buch des Sängers)Hafis Nameh (Buch Hafis)Uschk Nameh (Buch der Liebe)Tefkir Nameh (Buch der Betrachtungen)Rendsch Nameh (Buch des Unmuts)Hikmet Nameh (Buch der Sprüche)Timur Nameh (Buch des Timur)Suleika Nameh (Buch Suleika)Saki Nameh (Das Schenkenbuch)Mathal Nameh (Buch der Parabeln)Parsi Nameh (Buch des Parsen)Chuld Nameh (Buch des Paradieses)

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    LIED UND GEBILDE

    Mag der Grieche seinen ThonZu Gestalten drücken,An der eignen Hände SohnSteigern sein Entzücken;

    Aber uns ist wonnereichIn den Euphrat greifen,Und im flüßgen ElementHin und wieder schweifen.

    Löscht ich so der Seele BrandLied es wird erschallen;Schöpft des Dichters reine HandWasser wird sich ballen.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    PHAENOMEN

    Wenn zu der RegenwandPhoebus sich gattet,Gleich steht ein BogenrandFarbig beschattet.

    Im Nebel gleichen KreisSeh ich gezogen,Zwar ist der Bogen weiß,Doch Himmelsbogen.

    So sollst du, muntrer Greis,Dich nicht betrüben,Sind gleich die Haare weiß,Doch wirst du lieben.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Ginkgo

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    GinkgoGINGO BILOBA

    Dieses Baum’s Blatt, der von OstenMeinem Garten anvertraut,Giebt geheimen Sinn zu kosten,Wie’s den Wissenden erbaut.Ist es Ein lebendig Wesen?Das sich in sich selbst getrennt,Sind es zwey? die sich erlesen,Daß man sie als Eines kennt.

    Solche Frage zu erwiedernFand ich wohl den rechten Sinn;Fühlst du nicht an meinen LiedernDaß ich Eins und doppelt bin?

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Es ist ein großer Unterschied, ob der Dichter zum Allgemeinendas Besondere sucht oder im Besondern das Allgemeine schaut.Aus jener Art entsteht Allegorie, wo das Besondere nur alsBeispiel, als Exempel des Allgemeinen gilt; die letztere aber isteigentlich die Natur der Poesie, sie spricht ein Besonderes aus,ohne ans Allgemeine zu denken oder darauf hinzuweisen. Wernun dieses Besondere lebendig faßt, erhält zugleich dasAllgemeine mit, ohne es gewahr zu werden, oder erst spät.

    Goethe: Maximen und Reflexionen

    Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, denBegriff in ein Bild, doch so daß der Begriff im Bilde immer nochbegrenzt und vollständig zu halten und an demselbenauszusprechen sei. Die Symbolik verwandelt die Erscheinung inIdee, die Idee in ein Bild, und so, daß die Idee im Bild immerunendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allenSprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    1808 1833

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen,Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,Bilde mir nicht ein ich könnte was lehrenDie Menschen zu bessern und zu bekehren[...]Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,Ob mir, durch Geistes Kraft und Mund,Nicht manch Geheimniß würde kund;Daß ich nicht mehr, mit sauerm Schweiß,Zu sagen brauche was ich nicht weiß;Daß ich erkenne was die WeltIm Innersten zusammenhält,[…] v. 366-383

  • Die Literatur des 19. Jahrhunderts IV. Johann Wolfgang Goethe (10. 5. 2016)

    Chorus Mysticus

    Alles VergänglicheIst nur ein Gleichniß;Das UnzulänglicheHier wird’s Ereigniß;Das UnbeschreiblicheHier ist es gethan;Das Ewig-WeiblicheZieht uns hinan.

    Finis v. 12104-12110