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Spätestens mit dem „Gesetz zur Siche-rung der Einheit von Staat und Par-tei“ vom 1. Dezember 1933 sollte kein Gegensatz zwischen NSDAP und öf-fentlichem Leben in Deutschland mehr bestehen. Die führende Rolle der NSDAP sollte ferner die Unzertrennlichkeit von Partei und Exekutive garantieren. Wie so oft im „Dritten Reich“ sah der Alltag allerdings anders aus. Während der ge-samten zwölf Jahre der Nazi-Herrschaft war eine ständige Plänkelei zwischen den Gauleitern der Partei und dem Verwal-tungsapparat an der Tagesordnung. Die Partei spielte, insbesondere nach der Ausschaltung der SA 1934, zunehmend eine nur noch zeremonielle und agitie-rende Rolle.

Das Regime verlangte in den immer wiederkehrenden Volksumfragen ständi-ge Bestätigung durch die Bevölkerung. In der Mobilisierung und Einschüchterung der Wähler spielten die NS-Formationen die Hauptrolle. Wichtige Repräsentanten der Partei zeigten sich regelmäßig einer breiten Öffentlichkeit und hielten moti-

vierende Reden vor einer Kulisse von Ha-kenkreuzen, Flaggen und Parolen. Dieses Spektakel erreichte seinen jährlichen Höhepunkt auf den Reichsparteitagen in Nürnberg – einer sorgfältig inszenierten Explosion von Farben, marschierenden Parteigliederungen, mystischem Nationa-lismus und Führerbekenntnissen. Hinter den Kulissen war jedoch die Realität meist roh und gewalttätig.

Die Propaganda kehrte indessen unermüdlich die positiven Bezüge zum Regime hervor: Hitler, der im Septem-ber 1933 den ersten Spatenstich auf der Autobahn von Hamburg nach Basel setzte, Amtspersonen, die „arische“ Mütter einer außergewöhnlichen Anzahl von Kindern mit dem „Mutterkreuz“ auszeichneten, sogar Kampagnen für die gute Behandlung von Tieren wurden für Propagandazwecke öffentlich hervorge-hoben. Doch zeitgleich wurden die an-geblichen Feinde des „Reiches“ und die „schädlichen Elemente für das deutsche Volk“ in den von der SS geleiteten Kon-zentrationslagern gefoltert und ermordet.

Die NSDAP im öffentlichen Leben

Seit 1933 wurden von der NSDAP gezielt Feiertage national umgedeutet. So war auch der 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ zum propagandistischen Groß ereignis geworden und von Feierlichkeiten begleitet, wie hier in Berlin 1938.

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Das Erntedankfest am 1. Oktober 1933 auf dem

Bückeberg bei Hameln. Bis 1937 wurde hier der

zentrale Staatsakt zum Ern-tedank mit Wehrmachtsvor-führungen und politischen

Reden abgehalten. Zu diesem Spektakel versam-melten sich mehr als eine

Million Besucher.

Das Motiv der Zuschlagsmarke zu 12 + 38 Pfennig zum 49. Geburts-tag Hitlers vom 13. April 1938 kam noch mehrfach zum Einsatz. Am 1. September des Jahres zierte es eine Briefmarke zu 6 + 19 Pfen-nig anlässlich des Reichsparteitags. Außerdem fand das Porträt aus der Feder Professor Kleins Verwendung auf mehreren Ganzsachen-postkarten, beispielsweise am 20. September 1938 zum „Reichsern-tedanktag“, der allerdings wegen des Einmarschs im Sudetenland kurzfristig abgesagt wurde.

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Muttertagsfeier im Mai 1942 in Berlin. Im Rahmen dieser Feiern wird das von der NSDAP gestiftete „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ verliehen. Ab vier lebend geborenen Kindern erhielten Frauen das bron-zene, ab sechs das silberne und ab acht Kindern das goldene Mutterkreuz.

Seit 1934 kümmerte sich das „Hilfswerk Mutter und Kind“ im Auftrag des Hauptamtes für Volks-wohlfahrt um Schwangere und junge Mütter. Weiter betrieb das Hilfswerk Kindergärten und or-ganisierte Kinder- und Mütterverschickungen. Zum 10. Jubiläum kamen am 2. März 1944 vier Zuschlags-marken an die Postschalter. Sie waren von der

Wiener Staatsdruckerei im Rastertiefdruck produ-ziert worden. Das Bild der sorgenden Mutter wurde aber auch im übertragenen Sinne verwendet, etwa anlässlich des „IV. Internationalen Gemeindekon-gresses“ in Berlin und München. Diese vier Sonder-marken vom 3. Juni 1936 sind im Rastertiefdruck auf gestrichenem Papier produziert worden.

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Diese vier Geburtstagsmarken erschienen am 13. April 1939, 10. April 1940, 17. April 1941 sowie am 13. April 1942. Auffällig ist, dass Hitler im Gegensatz zu den früheren Ausgaben auf allen vier Briefmarken mit Uniformmütze gezeigt wird. Das Markenmotiv von 1939 zeigt im Hinter-

grund die Stadtpfarrkirche St. Stephan in Hitlers Geburts-stadt Braunau am Inn. Das Bild mit dem kleinen Mädchen auf der Briefmarke von 1940 wurde bereits im Vorjahr auf einer Sonderpostkarte zu Hitlers 50. Geburtstag verwen-det. Es basierte auf einer Fotografie Heinrich Hoffmanns.

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Die erste Briefmarkenausgabe zu Hitlers Geburtstag erschien am 5. April 1937 in Form eines Viererblocks. Verantwortlich dafür war der am 2. Februar eingesetzte neue Reichspostminister, Wilhelm Ohnesorge, ein glü-hender Verehrer Adolf Hitlers. Die Markengestaltung übernahm Professor Richard Klein. Dieser vom Regime als „Gottbegnadeter“ besonders geschützte Künstler war ganz auf das Kunstverständnis der Nationalsozia-listen eingeschworen, und sein Stil harmonierte mit den

fotografischen Bildvorlagen Heinrich Hoffmanns. Der im Rastertiefdruck auf gestrichenem Papier gedruckte Block verkaufte sich so gut, dass das Format für drei weitere Ausgaben verwendet wurde. Die Zuschlagserlöse gingen an den 1937 gegründeten „Kulturfonds des Führers“, aus dem Hitler seine privaten Kunstkäufe und Bauprojekte finanzierte. Propagandaminister Goebbels notierte dazu in seinem Tagebuch: „Ohnesorge bringt die neue Führer-marke. Sie ist sehr nett und soll viel Geld einbringen.“

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Der „Führergeburtstag“ am 20. April wurde im gesamten Deutschen Reich mit Reden und Festveran-staltungen begangen. In Berlin dominierten dabei die militärischen Paraden, wie die Vorbeifahrt von Panzertruppen an der Eh-rentribüne auf der heutigen Straße des 17. Juni in Berlin im Jahr 1934 zeigt.

Diese Ausgabe mit sechs Sondermarken zu Hitlers 54. Geburtstag stammt vom 13. April 1943. Die im Rastertiefdruck der Staatsdruckerei Wien produ-zierten Zuschlagsmarken weichen im Stil deutlich von den vorherigen Geburtstagsausgaben ab. In detailreicher Pracht zeigen sie Adolf Hitler im Lor-

beerkranz, sekundiert von Siegesfackel, Feder und Schwert als Insignien des „größten Feldherren aller Zeiten“ und des Schriftstellers. Der verantwortli-che Grafiker war Gottfried Klein, der Bruder des an den bisherigen Briefmarken-Ausgaben beteiligten Professors Richard Klein.

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Das von 1933 bis 1937 auf dem Bücke-berg bei Hameln inszenierte Reich-serntedankfest zählte zu den drei gro-ßen Massenveranstaltungen des Dritten Reichs – neben den Feiern zum 1.  Mai und dem Reichsparteitag in Nürnberg. Das Erntedankfest zielte auf die länd-liche Bevölkerung ab und sollte ihr Hitlers Vorstellung der „NS-Volksge-meinschaft“ vermitteln. Die bäuerliche Landwirtschaft wurde zum „Reichs-nährstand“ erhoben und im Rahmen der Feierlichkeiten geehrt.

Die Organisation der Veranstaltung ob-lag Propagandaminister Joseph Goebbels. Für die Gestaltung des Festplatzes war Albert Speer verantwortlich. Zuerst galt es einen geeigneten Ort zu finden. Dieser sollte in Niedersachsen liegen, weil in der nationalsozialistischen Vorstellung dort das Germanentum besonders verwurzelt war. Weiter benötigte man eine Eisen-bahnanbindung, um die zahlreichen Zu-schauer hin- und wieder zurück zu trans-portieren. Der Bückeberg bei Hameln erfüllte diese Anorderungen.

Das Reichserntedankfest

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Im Gegensatz zu anderen Massenaufmärschen be-fand sich auf dem Bücke-berg auch viel weibliches Publikum.

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Albert Speer ließ den sich sanft zur We-ser neigenden Hang planieren und um-gab den Festplatz mit einem Fahnenring. Oben am Berg errichtete er eine Ehrentri-büne für bis zu 3000  ausgesuchte Gäste. Für den Höhepunkt der Feierlichkeiten aber entstand am Fuße des Berges die Red-nerkanzel, von der aus der „Führer“ sich an sein Volk wenden würde. Die beiden Punkte verband ein schnurgerader Weg, auf dem Hitler einen doppelten Marsch durch die Menge vollziehen konnte. Der Symbolcharakter dieser Prozession er-klärte sich laut Propagandaministerium so, dass Hitler „vom Fuße des Berges aus den Volksmassen empor zur Bergeshöhe steige. Denn aus dem Volk sei er auch zur Spitze der Nation emporgestiegen. Gleich wie er aber von der Höhe des Bückeber-ges wieder zurückschreiten und im Volke untertauchen werde, so suche und finde er auch als Führer und Reichskanzler im-mer wieder die Verbindung mit seinem Volk.“ Augenzeugen berichteten von der unglaublichen Wirkung, die diese simp-le Anordnung erzielte. Hitler wurde von den Zuschauern regelrecht als Messias gefeiert.

Nachdem das erste Reichserntedank-fest am 1.  Oktober 1933 aufgrund des unerwarteten Besucherandrangs beina-he im Chaos geendet hatte, wurden das

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Gelände und der Ablaufplan jedes Jahr perfektioniert. Gewaltige Lautsprecher-anlagen, Kamerapodeste und ein eigenes Rundfunkstudio kamen zum Einsatz. Es gab sogar Filmaufnahmen aus einem Zeppelin heraus.

Ab 1935 fanden im Rahmen der Mas-senveranstaltung Wehrschauen statt, um die Bevölkerung auf den künftigen „Exis-tenzkampf “ einzuschwören. ■

Das zweite Reichsernte-dankfest am 30. Sep-tember 1934 besuchten 700.000 Menschen aus ganz Deutschland. Auf diesem Foto steigt Hitler die Treppe zur Rednertri-büne empor.

Am 4. Oktober 1936 präsentierte die Luftwaffe ihre gerade im Entstehen begriffene Luftlandetruppe den staunenden Massen.

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Franz Ritter von Epp spricht 1937 als Bundesführer des Reichskolonialbundes vor

Funktionären in Berlin. Der Bund wurde trotz Widerstand innerhalb der NSDAP als par-teiunabhängige Organisation

toleriert.

Am 30. Juni 1934 gedachten vier Sondermarken mit Porträts bedeutender Kolonialforscher der verlorenen deutschen Schutzgebiete. Unter den Porträtierten spielte Carl Peters, der Begründer Deutsch-Ostafrikas, eine besondere Bedeutung. Zu Lebzeiten wegen seiner Grausamkeit verurteilt, war er 1937 von Hitler persönlich postum rehabili-

tiert worden. Peters, der von dem Wunsch beseelt gewesen war, „einem Herrenvolk anzugehören“, galt den Nationalsozialisten als Vorreiter ihrer Be-wegung. Die Kolonialgedenkfeier 1934 bezog sich auf die Gründung der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ von 1884 durch Carl Peters und Graf Behr-Bandelin.

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Die Trauerfeier für den SA-Sturmführer Hans Maikowski und den Polizisten Josef Zauritz im Februar 1933 wurde von der NSDAP als propagandistische Massenveranstaltung inszeniert. Der SA-Mann war am 30. Januar 1933 bei einem Handgemenge in Moabit erschossen worden, was dem Regime die Gelegenheit gab, ihn ähnlich wie Horst Wessel zum „Blutzeugen der Bewegung“ zu stilisieren. Die Ehrung solcher „Blutzeugen“ diente den Nationalsozi-alisten zur Begründung und Festigung ihrer Macht.

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Im Alltag prägten die Braunhemden der SA, der sogenannten „Sturmabteilung“, das Erscheinungsbild der NSDAP. In den Anfangstagen der Partei hatten die zu-sammengewürfelten Truppen aus Arbeits-losen und ehemaligen Soldaten offiziell als Saalschutz gedient. Häufig stürmten sie die Veranstaltungen linker Organisatio-nen und verprügelten deren Teilnehmer. Nach kurzzeitigem Verbot in Folge des gescheiterten Putsches von 1923 gründete sich die SA neu und wurde von Hitler ziel-gerichtet zur Einschüchterung politischer Gegner eingesetzt. Die straff organisierte Truppe wuchs bis 1932 auf über 400.000 Mitglieder an. Diese waren maßgeblich an der Gewaltwelle vor den Reichstagswah-len im Juli 1932 beteiligt.

Nach der Machtergreifung traten die SA-Männer in der Öffentlichkeit noch selbstbewusster auf, so auch beim ersten großen Judenboykott im April 1933. Der zum preußischen Innenminister ernannte Hermann Göring bildete aus ihren Rän-

gen die neue preußische Hilfspolizei und verlieh den Schlägertruppen damit ho-heitliche Autorität. Mit dieser Maßnahme brachte Göring auch die reguläre Polizei auf Parteikurs, da sie sich der SA nicht in den Weg zu stellen wagte. Gleichzeitig war dies der Versuch, den Tatendrang der SA-Männer in geordnete Bahnen zu len-ken. Die Bevölkerung sollte den Eindruck gewinnen, durch Hitler sei die öffentliche

Die braune Bürgerwehr

Die SA besetzt die Berliner Arbeiterbank. Am 2. Mai 1933 wurden zahlreiche Gewerkschaftseinrichtungen gestürmt, Vermögenswerte beschlagnahmt und die leitenden Funkti-onäre in „Schutzhaft“ genommen.

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Ein SA-Rollkommando auf ihrem Transporter. An der Seite ist folgender Spruch angebracht: „Juden und Jesuiten, die können uns nicht beschieten.“

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Ordnung wieder hergestellt worden. Au-ßerdem benötigte die neue Regierung für ihre zukünftigen Pläne die Akzeptanz der Reichswehrführung. Dem widersprach der Ehrgeiz des SA-Chefs Ernst Röhm, aus seinen nun mehr vier Millionen Män-nern ein NS-Volksheer zu bilden. 1934 inszenierte Hitler daher den sogenannten „Röhm-Putsch“, in dessen Zuge er Röhm und zahlreiche Mitglieder der SA-Füh-rung verhaften und erschießen ließ. Dabei wurden auch manche alte Rechnungen

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beglichen und ehemalige Konkurrenten – oder Mitwisser – umgebracht.

Danach spielte die SA als Ordnungs-macht keine große Rolle mehr. Sie be-trieb Wehrsport, kümmerte sich um die paramilitärische Ausbildung und war bei Spendensammlungen oder lokalen Ver-anstaltungen im Einsatz. In der Pogrom-nacht des 9. November 1938 wurden die Braunhemden noch einmal auf die Stra-ße geschickt. Sie zerstörten landesweit Synagogen und jüdische Geschäfte. ■

Am 28. Februar 1933 wurden zahlreiche SS- und SA-Männer zu Hilfspoli-zisten ernannt und mit Schusswaffen ausgestattet.

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Der 1. Mai, 1933 in „Tag der nationa-len Arbeit“ umbenannt, wurde stets als propagandistisches Großereignis gefeiert. Ab 1934 hieß er „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“. Die Zuschlagsmarke vom 30. April 1940 zeigt ein volkstümliches Motiv: einen Ritter, der über einen pflügenden Bau-ern wacht. Die Runen sollen für Sieg und Fruchtbarkeit stehen. Der natio-nalsozialistische Runenkult basierte allerdings nicht auf historischen Er-kenntnissen, sondern auf den fantas-tischen Lehren völkischer Esoteriker wie Guido von List oder Karl Maria Wiligut. 1943 gab die Reichspost eine sogenannte Sonderstempelmarke he-raus, auf der sich Briefmarkensamm-ler besondere Poststempel abschlagen lassen konnten. Natürlich war auch diese philatelistische Kuriosität vom 26. Januar des Jahres mit Hakenkreuz und Reichsadler versehen.

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Dt. Reich 830

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Die Sichtbarkeit der NSDAP im öffentlichen Leben wurde auch durch Zeremonien wie Vereidigungen sichergestellt. Hier wird der Stahlhelm des

Saargebietes 1933 auf Hitler vereidigt.

Staatsbegräbnis für den Gauleiter Hans Schemm in Bayreuth im März 1935. Schemm war auch kommissarischer Kultusminister Bayerns. Joseph

Goebbels und Rudolf Heß führen den Trauerzug in der ersten Reihe an.

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SA-Leute schleppen kranke Wähler zur Volksabstimmung im August 1934. Mit einer Zustimmung der Wähler von über 90 Prozent ließ sich Adolf Hitler nachträglich die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf seine Person legitimieren.

Grüßende Menschen begleiten die Wagenkolonne Hitlers auf der Rück-fahrt zur Reichskanzlei von einer Radioansprache im April 1939.

Wahldemonstration im Vor-feld der Reichstagswahlen im November 1933 in Berlin. Nachdem die NSDAP ihre politischen Gegner im Jahr 1933 weitgehend aus-schalten konnte, brachte die Reichstagswahl die erwartete breite Zustim-mung der Bevölkerung zum politischen Kurs der Partei.

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Die bis 1938 in Nürnberg abgehaltenen Reichspar-teitage wurden in der Regel mit eigenen Sonder-markenausgaben gefeiert, am 1. September 1934 mit zwei Abbildungen der Nürnberger Burg und am 30. August 1935 mit einem Reichsadler über der Stadt. 1937 verwendete die Reichspost den Hitler-Block als Vorlage für eine großformatige Parteitagsausga-be. Jeweils links und rechts vom Porträt prangt der Schriftzug „Reichsparteitag Nürnberg 1937“, wäh-

rend auf dem Blockrand – wie schon beim Vorgän-gerblock zugunsten der „Kulturförderung“ – der Vermerk „25 Pfennig einschließlich Kulturspende“ zu lesen ist. Die insgesamt 76 Pfennig Zuschlag wurden wie folgt aufgeteilt: 1 Pfennig bekam die Reichspost als Herstellungszuschlag und 75 Pfennig wanderten in Hitlers „Kulturfonds“. Hinzu kamen noch Tantie-men für Hitlers Rechte am eigenen Bild, eine Idee von Hitlers Vermögensverwalter Martin Bormann.

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Einer der Höhepunkte der nationalsozialistischen Propaganda war der Reichsparteitag, der im September jeden Jahres in Nürnberg abgehalten wurde. Die Massenveranstaltung sollte die Verbundenheit der NSDAP und des Führers mit dem Volk demonstrieren. Zu diesem Zweck wurden auch Paraden und Aufmärsche in der Nürnberger Innenstadt veranstaltet, wie hier 1933.

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Zwei Jahre nach der letzten Wahl in Danzig 1935 waren

die demokratischen Partei-en verboten, Oppositionelle vertrieben und die Mehrzahl

der Juden zur Ausreise gezwungen worden. Joseph

Goebbels bot sich beim Besuch der Stadt im Mai

1937 dann das Bild der Zu-stimmung der Bevölkerung zum nationalsozialistischen

Kurs.

Wahlkampf in Danzig zur Volkstagswahl im April

1935. Trotz der Unterdrü-ckung der Opposition sowie

Wahlfälschungen konnte die NSDAP „nur“ rund

60 Prozent der Stimmen erringen.

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Auch in Österreich wurde durch den „Anschluss“ im März 1938 der Hitler-gruß gezeigt; hier bei der Verlesung der Proklamation des „Führers“ zum Einmarsch der deutschen Truppen über alle Rundfunksender, März 1938.

Die Wiedereingliederung des Saargebietes 1935 war ein wichtiger politischer Anfangserfolg Hitlers. Die massive Propaganda der „Deutschen Front“ dafür, das vom Völkerbund für 15 Jahre unter französische Verwaltung gestellte Saarland wieder mit dem Reich zu vereinen, rannte indes offene Türen ein. Am 13. Januar 1935 stimmten über 90 Prozent der betroffenen Bevölkerung für die Vereinigung mit

Deutschland, die am 1. März vollzogen wurde. Für die ins Saargebiet geflohenen Oppositionellen be-deutete das Ergebnis der Saarabstimmung erneute Flucht vor Hitler. Bereits am 26. August 1934 hatten zwei Sondermarken für die Volksabstimmung ge-worben. Nur drei Tage nach der Wahl, am 16. Januar 1935, folgten vier Briefmarken mit der Inschrift „Die Saar kehrt heim!“

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Das Dritte Reich setzte wie kaum ein ande-res Regime auf Symbole. Das Hakenkreuz und die sogenannte „Siegrune“ waren die wichtigsten Zeichen, die in zahlreichen Kombinationen und Varianten zum Ein-satz kamen. Die Herkunft dieser Symbole ist nicht eindeutig. Sie sind in sehr unter-schiedlichen Kulturen zu allen Zeiten und in allen Weltteilen nachweisbar. Die Um-deutung zu Kampfsymbolen nationalisti-scher und antisemitischer Gruppen fand Ende des 19. Jahrhunderts statt. Ausge-hend von historischen Spekulationen zeit-genössischer Wissenschaftler, erklärten deutschnationale Sektierer in München und Wien sie zu „Heilszeichen“ im Kampf der Arier um die Weltherrschaft.

Diese Leute waren Vertreter einer Okkul-tismus- und Esoterikwelle, in der zahllose pseudowissenschaftliche Thesen mit gera-dezu religiösem Eifer verfochten wurden. Unter den Mystikern und selbsternannten

Erlösern gab es klinisch attestierte Geis-teskranke, wie Karl Maria Wiligut, der als persönlicher Okkultismus-Berater Hein-rich Himmlers das Archiv des Rasse- und

NS-Symbole und ihre Herkunft

Der Historiker Friedrich Rausch, der zahlreiche Arbeiten über die europäische Frühgeschichte veröffentlicht hatte, verfasste auch dieses Standardwerk über das Hakenkreuz als NS-Symbol.

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Fahnenweihe der DAF im Rahmen der Sonnen-wendfeiern 1936. Dieses germanische Ritual gehör-te fest zur nationalsozi-alistischen Inszenierung. Auf Wunsch stellte die Propagandaleitung der NSDAP Musterablaufpläne mit vorformulierten Reden zur Verfügung.

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Siedlungshauptamtes leitete, bevor er als Scharlatan entlarvt wurde. Dennoch prägte er viele NS-Rituale und lieferte eine welt-anschauliche Basis für den Massenmord als Erfüllung einer historischen Mission. SS-Führer Heinrich Himmler stellte ganz pragmatisch fest, es sei ihm gleich, welche Theorie über die Vorgeschichte der Germa-nen wahr sei. Da Forscherhypothesen stän-dig wechselten, könne die NSDAP auch eine These aufstellen, die der Forschung widerspreche. Wichtig sei nur, dass die Forscher den Stolz des deutschen Volkes stärkten; dazu würden sie bezahlt.

Ein Vorbild Wiliguts war der selbst-ernannte Magier Guido von List. Er be-gründete die Runen-Esoterik, deren Be-deutung ihm im Traum erschienen sei.

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Eine solche gänzlich intuitive Erkennt-nis hatte bereits 1913 Hanns Hörbiger zu seiner Welteistheorie bewogen. Diese widersprach zwar ebenfalls dem wissen-schaftlichen Stand, wurde aber dennoch von Himmler und Hitler in das NS-Welt-bild aufgenommen. Von Hörbiger stammt auch die Aussage: „Entweder Sie lernen, an mich zu glauben, oder ich muss Sie als Feind behandeln.“ Die „Siegrunen“ der SS waren in ihrer neuen Bedeutung ein Fan-tasieprodukt völkischer Esoteriker. Was das NS-Hakenkreuz angeht, hatte Hitler in „Mein Kampf “ sich selbst die Urheber-schaft zugeschrieben, auch wenn er ein-räumte, dass „ein Zahnarzt aus Starnberg auch einen gar nicht schlechten Entwurf geliefert“ habe. ■

Das Hakenkreuz war allgegenwärtig, hier auf einer Neujahrskarte. Das Kreuz wurde bereits vom Thule-Orden verwendet, dem viele NS-Größen angehörten, von Hess und Rosenberg über Himmler und Göring bis zu Hitler.

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Am 10. April 1938 wurde der „Anschluss“ Österreichs nachträglich in einer Volks-abstimmung legitimiert. Die

umfangreiche Wahlpropa-ganda verfehlte ihre Wirkung

nicht – 99 Prozent der Wähler stimmten mit Ja.

Neben der Zustimmung der österreichischen Bevöl-kerung zum „Anschluss“

war die Kontrolle über die Sicherheitskräfte eine der

wichtigsten und ersten Maßnahmen der neuen

Regierung. Die am 15. März auf Hitler vereidigte ös-

terreichische Polizei sorgte sogleich für die reibungslo-se Umsetzung der Annexion

sowie für die Verfolgung von Oppositionellen und Juden, die aus dem Land

flüchten wollten.

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Auf den Anschluss Österreichs folgte Hitlers di-plomatische Meisterleistung, den Alliierten im Münchner Abkommen die Annexion der Sude-tengebiete abzupressen. Doch auf die Kriegs-drohungen folgte bald der Krieg. Der für 1939 geplante „Reichsparteitag des Friedens“ fiel kurzerhand aus. Die dazu aufgelegte Briefmar-ke vom 25. August 1939 kam dennoch in Um-

lauf. Sie ist motivgleich mit einer Sondermarke zum „Tag der Arbeit“ vom 28. April des Jahres und zeigt lediglich eine ergänzende Inschrift „Reichsparteitag 1939“ im Markenbild. Die im Rastertiefdruck produzierten Zuschlagsmarken zeigen Hitler als Kämpfer in Uniform und mit Hakenkreuzbinde. Die Inszenierung als Feldherr hatte begonnen.

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Umbenennung der Heili-genstädter Straße in Wien in Berliner Straße. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde als persönlicher Erfolg Hit-lers angesehen. Neben der politischen Gleichschaltung war auch das Alltagsleben schnell dem Nationalsozi-alismus angepasst. Im Juli 1938 schließlich wurden die Österreicher auch offiziell zu Staatsbürgern des Deut-schen Reiches.