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Die ökonomische Bewertung ökologischer Schäden in der Umwelthaftung Anmerkungen zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission auf der Grundlage der US-Erfahrungen Von Axel Klaphake, Volkmar Hartje, Jürgen Meyerhoff 005/2002 WORKING PAPER ON MANAGEMENT IN ENVIRONMENTAL PLANNING

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Die ökonomische Bewertungökologischer Schäden inder UmwelthaftungAnmerkungen zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommissionauf der Grundlage der US-Erfahrungen

Von

Axel Klaphake, Volkmar Hart je, Jürgen Meyerhoff

005 /2002

WORKING PAPER ON MANAGEMENTIN ENVIRONMENTAL PLANNING

Working Paper on Management in Environmental Planning 05/2002Arbeitspapiere zum Management in der Umweltplanung 05/2002

Contact: Dr. Axel [email protected] for Landscape and Environmental PlanningTechnical University of BerlinFranklinstraße 28/29D- 10587 Berlin

AbstractExisting environmental liability regimes in Europe deal with traditional types of damage, suchas personal injury or property damage that are are caused via the environment, rather thanwith environmental damage (e.g. damages to biodiversity) as such. Therefore, the publicinterest in the preservation of ecologically valuable natural resources is taken into accountincompletely by existing environmental liability law. In order to fill this gap, the EuropeanCommission has recently adopted a proposal for a EU Directive on Environmental Liability.One crucial aspect of the consideration of the public interest in natural resources in a liabilityregime is the assessment of the damage and the regulations providing for compensation.Only if damages are quantifiable liability parties can be forced to pay for compensation. Inthis case, the European Commission proposes an approach which is similar to the regula-tions in the US environmental liability law, namely the provisions for natural resource damageassessment (NRDA) based on the Oil Pollution Act (OPA).The main objective of our paper is to analyse the theoretical aspects of and the practical ex-periences with NRDA in the USA. In particular, we will analyse why the new OPA regulationfrom 1996 has abandoned the concept of monetary compensation that has dominated NRDAin the 1980’s and early 1990’s. Instead, the current approach in the OPA regulations reliesheavily on a resource-based compensation and a balancing between the benefits obtainedfrom restoration and the losses due to the injury. The measure of damage is no longer themonetary value of the natural resources lost but the cost of compensatory restoration actionsproviding full compensation to make the public whole for interim losses. Interestingly, re-source-based compensation is not viewed as a purely technical issue but economic valuationmethods might be used to undertake an explicit balancing of restoration and losses.Although we find that this approach does not meet all welfare criteria for NRDA that are dis-cussed in economic theory, the OPA regulation might serve as a model for correspondingregulations in the frame of the future EU Directive. The main reason is that the approachevidently reduces transaction costs in NRDA and deflects some of the public controversyabout economic valuation methods. However, positive impacts of a respective EU regulationwill depend on the willingness in the EU member states to apply economic valuation meth-ods.

Inhalt

1. Fragestellung 1

2. Generelle Defizite bestehender Regelungen zur Umwelthaftung 2

3. Der Vorschlag der Europäischen Kommission 3

3.1. Genereller Regelungsansatz 33.2. Vorschläge zur Bewertung von Umweltschäden 5

4. Regelungsansätze zur Umweltbewertung imUS-amerikanischen Haftungsrecht 7

4.1. Mögliche Bewertungsansätze und gesetzliche Grundlagen 74.2. Erfahrungen mit der kombinierten naturalen und monetären

Kompensation nach den Vorgaben des CERCLA 114.3. Naturale Kompensation als neues Paradigma bei Ölschäden nach

dem Oil Pollution Act (OPA) seit 1996 164.4. Zusammenfassende Einschätzung zur Schadensbewertung im

US-amerkanischen Umwelthaftungsrecht 30

5. Einschätzung des Kommissionsvorschlags und ein Ausblick aufdie Rolle der Ökonomik bei der Schadensbewertung 31

6. Literatur 35

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1. Fragestellung

Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Richtlinienvorschlag zur Umwelthaftung vor-gelegt, mit dem sie beabsichtigt, neue Haftungsregeln bei bestimmten Umweltschäden zuetablieren. Dieser Vorschlag ist äußerst bemerkenswert, da hier der Versuch unternommenwird, eine Haftung bei reinen Umweltschäden (sog. ökologische Schäden) zu etablieren, diein den EU-Mitgliedstaaten bis dato kaum geregelt ist.

Ein grundsätzliches Problem bei der Anlastung ökologischer Schäden ist deren ökonomi-sche Bewertung und damit die Kalkulation der Schadenssumme. Da viele natürliche Res-sourcen nicht auf Märkten gehandelt werden und deshalb keine oder nur unzureichend aus-sagekräftige Marktpreise zur Verfügung stehen, müssen gesellschaftlich akzeptierte Regelnüber geeignete Methoden zur Ermittlung des Wertes natürlicher Ressourcen gefunden wer-den. Allerdings erwies sich die „richtige“ Bewertung ökologischer Schäden in der Vergan-genheit als ein sehr kontroverser Regelungsgegenstand, zu dem in den meisten europäi-schen Staaten darüber hinaus wenig praktische Erfahrungen vorliegen (Brans 2001).

Im Kern dreht sich die Diskussion der Bewertung von Umweltschäden um die Frage, wes-sen Urteil bei der Ermittlung eines adäquaten Kompensationsumfangs entscheidend seinsoll. Dabei plädieren Ökonomen dafür, dass die Ermittlung einer gleichwertigen (naturalenoder monetären) Kompensation auf den Präferenzen der Bevölkerung basieren und mittelsökonomischer Bewertungsmethoden bestimmt werden sollte. Umweltschäden stellen ausökonomischer Sicht eine Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Wohlfahrt dar, über derenAusgleich die betroffene Bevölkerung entscheiden sollte. Nur unter dieser Voraussetzungkönne erreicht werden, dass sich die Individuen nach Durchführung von Wiederherstel-lungsmaßnahmen oder einer monetären Kompensation wieder auf dem selben Nutzenni-veau befinden wie vor dem Eintritt des Schadens. Dem steht jedoch ein häufig in der Praxisdominierendes Modell gegenüber, bei dem der Kompensationsumfang von naturschutzfach-lichen Experten bzw. Fachbehörden festgelegt wird, ohne dabei individuelle Nutzenbewer-tungen zu berücksichtigen. Aus ökonomischer Perspektive ist deshalb vor allem interessant,dass nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission in bestimmten Fällen ökonomi-sche Bewertungsverfahren bei der Ermittlung des Schadensumfangs genutzt werden sollen.Angelehnt an das US-amerikanische Haftungsrecht würden damit in Europa die empirischermittelten individuellen Präferenzen für natürliche Ressourcen eine bedeutende Rolle in derUmwelthaftung einnehmen.

Dieser Beitrag diskutiert, welche Erfahrungen mit der Bewertung von Umweltschäden aufder Basis individueller Präferenzen in den USA gemacht wurden, und warum und in welchenFällen ökonomische Bewertungsmethoden auch bei der Umwelthaftung in Europa eine Rollespielen sollten. Hierzu wird – aufbauend auf einer kurzen Diskussion der Lücken des derzei-tigen Umwelthaftungsrechts (Kapitel 2) – der Richtlinienvorschlag der Kommission darge-stellt (Kapitel 3). Anschließend werden in Kapitel 4 die Erfahrungen mit der ökonomischen

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Umweltbewertung im US-amerikanischen Haftungsrecht erörtert. In Kapitel 5 werden dieVoraussetzungen ähnlicher Bewertungsmethoden in Deutschland skizziert und vorläufigeKriterien für die Anwendung ökonomischer Verfahren bei der Schadensbewertung entwickelt.

2. Generelle Defizite bestehender Regelungenzur Umwelthaftung

In der wissenschaftlichen Diskussion ist unstrittig, dass der Haftung bei Umweltschäden einewichtige Rolle in einer auf dem Verursacherprinzip basierendenden und auf Prävention ab-zielenden Umwelt- und Naturschutzpolitik zukommt (vgl. Endres et al. 1992, Schäfer & Ott1995). Die grundsätzliche Wirkungslogik einer Umwelthaftung ist denkbar einfach: WennSchäden an natürlichen Ressourcen dem Verursacher in Form von Schadensersatzzahlun-gen angelastet werden, steigen für potenzielle Umweltbelaster die Anreize für vorbeugendeMaßnahmen zur Schadensverhütung. Im Falle eines Schadens stehen mit der eingeforder-ten Schadenssumme zudem finanzielle Mittel für dessen Behebung und die Kompensationder Betroffenen zur Verfügung.

So überzeugend die Logik der Umwelthaftung aus umweltpolitischer Perspektive damit ist,so schwierig hat es sich in der Vergangenheit erwiesen, ein effektives Umwelthaftungsre-gime in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten zu etablieren. Neben politischenGründen sind hierfür einige grundlegende Schwierigkeiten verantwortlich, die teils rechts-systematischer Natur sind, teils auf die spezifischen Eigenschaften von Umweltschäden zu-rückzuführen sind (Schäfer & Ott 1995). Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem 1991 inKraft getretenen Umwelthaftungsgesetz (UHG) für einen begrenzten zivilrechtlichen Rege-lungsansatz entschieden, der die Durchsetzung berechtigter Schadensersatzansprüchedurch die Einführung eines Gefährdungshaftung erleichtert. Die Wirksamkeit des UHG wirdin der Literatur kontrovers diskutiert (Schwarze 1998, Rat von Sachverständigen für Umwelt-fragen (SRU) 1996). Unabhängig von Detailfragen der Ausgestaltung des UHG ist aber of-fensichtlich, dass die Rechtsentwicklung im Bereich der Umwelthaftung noch nicht abge-schlossen ist.

Eine wesentliche Lücke im nationalen, wie weitgehend auch im internationalen Umwelt-haftungsrecht (vgl. Wolfrum & Langenfeld 1988) besteht darin, dass Schäden an der Naturselbst, die nicht die Beeinträchtigung bestimmter Rechtsgüter Dritter betreffen, nicht oder nursehr lückenhaft berücksichtigt werden (Godt 2001). Diese, auch als ökologische Schädenbezeichneten Umweltschäden (Brans & Uilhoorn 1997), werden in den geltenden Haftungs-regeln weitgehend nur reflexartig erfasst, wenn messbare Personen- oder Sachschäden ent-standen sind. Auch das UHG regelt nicht im eigentlichen Sinne Schäden an der Natur. Viel-mehr geht es darum, spezielle Regelungen (u.a. Gefährdungshaftung, Beweiserleichterung)für solche individualrechtlich zugeordneten Schäden zu normieren, die über Umweltmedien

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als Schädigungspfad entstehen. Nach dem deutschen UHG sind demnach bei Umweltschä-den, die gleichzeitig Personen- oder Sachschäden sind, die Verursacher zur Wiederherstel-lung des geschädigten Naturgutes in natura bzw. zur Übernahme der Kosten der Wiederher-stellungsmaßnahmen verpflichtet. Ist jedoch kein individuell zurechenbarer oder ein nichtunmittelbar monetär bewertbarer Schaden entstanden, löst dies auf der Grundlage der der-zeitigen Rechtssituation in Deutschland und den meisten europäischen Staaten keine Ver-pflichtung zum Schadensersatz aus (McKenna & Co. 1996, Clarke 2001).1

Gerade aus naturschutzpolitischer Perspektive ist dieser Regelungsstand sehr unbefriedi-gend, da bei Schäden an wertvollen Lebensräumen, Tier- oder Pflanzenarten oder Schädendurch Veränderung der Struktur und Funktion von Ökosystemen regelmäßig keine oder nureine partielle Verletzung individueller Rechtspositionen vorliegt und folglich das Verursa-cherprinzip nicht greift. Im europäischen Kontext ist dieses Defizit u.a. bei der Havarie desTankers Sea Empress vor der britischen Küste im Jahr 1996 (Environment Agency 1998),bei der Schädigung des spanischen Doñana-Nationalparks durch freigesetzte Bergwerksab-wässer im Jahr 1998 (MEP/EFTEC 2001), beim Unglück des Tankers Erika vor der bretoni-schen Küste (1999) sowie bei der Zyanidbelastung der Theiß und der Donau durch Abwäs-ser aus dem Goldbergwerk Baia Mare in Rumänien (2000) deutlich geworden.

Aus ökonomischer Perspektive erfüllt die Umwelthaftung in ihrer heutigen Form nicht dieFunktion, eine vollständige Kompensation der Betroffenen zu bewirken. Hiermit zusammen-hängend gehen von den derzeitigen Regelungen ebenso suboptimale Präventionsanreizeaus, da nur ein Teilausschnitt der gesamten Umweltschäden für potenzielle Umweltbelasterentscheidungsrelevant ist.

3. Der Vorschlag der Europäischen Kommission

3.1. Genereller Regelungsansatz

Vor dem geschilderten Hintergrund sind die jüngeren Initiativen der Europäischen Kommissi-on zur Regelung der Haftung bei ökologischen Schäden von erheblichem umwelt- und natur-schutzpolitischen Interesse. Nachdem die Kommission bereits seit Mitte der 80er Jahremehrfach Richtlinienvorschläge angekündigt hatte, diese Initiativen aufgrund erheblichenpolitischen Widerstandes aber jeweils zurückstellte, sind nach der Veröffentlichung des EU-Weißbuchs zur Umwelthaftung (Europäische Kommission 2000), eines Arbeitspapiers derEuropäischen Kommission (European Commission 2001) sowie vor allem mit dem im Januar

1 Darüber hinaus liegen zwar im deutschen öffentlichen Umweltrecht (u a. Naturschutz-, Wasser-, Ab-fallrecht) eine Reihe weiterer Regelungen für den Ausgleich bei ökologischen Schäden vor, aber auchdiese Regelungen normieren keinen umfassenden Haftungsanspruch.

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2002 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie zur Umwelthaftung (EG-Kommission 2002)mittlerweile mögliche Konturen eines EU-Umwelthaftungsrechts erkennbar.

Die Europäische Kommission schlägt einen öffentlich-rechtlichen Regelungsansatz beibestimmten Umweltschäden vor. Hierunter fallen drei Schadenskategorien (Art. 2, Abs. 1(18.)):

• Schäden an der biologischen Vielfalt: Dies sind Schäden an Natura-2000 Schutzgebie-ten, also Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG) und der Vogelschutz-richtlinie (79/409/EWG), oder Schäden an Lebensräumen und Arten, für die nach demNaturschutzrecht der Mitgliedsstaaten Schutz- oder Erhaltungsgebiete ausgewiesenwurden,

• Gewässerschäden, sofern hierdurch die Einhaltung der in der EU-Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) formulierten Gütekategorien betroffen ist,

• ernsthafte Gesundheitsschäden, sofern diese durch eine der ersten beiden Kategorienoder durch die Kontamination von Böden verursacht wurden.

Der Vorschlag sieht eine Gefährdungshaftung vor, sofern der Schaden durch eine gefährli-che Tätigkeit (z. B. Umgang mit Gefahrstoffen) verursacht wurde, die bereits durch das EU-Umweltrecht geregelt wird. Hierunter fallen auch diejenigen signifikanten Umweltschäden,die durch die intendierte oder nicht intendierte Freisetzung gentechnisch veränderter Orga-nismen entstehen. Für Schäden an der biologischen Vielfalt soll darüber hinaus bei unge-fährlichen Aktivitäten, worunter z.B. weitgehend der Agrarsektor fällt, abhängig vom konkre-ten Verschulden gehaftet werden (Art. 8). Die zuständige Behörde in den Mitgliedstaatenkann die Durchführung erforderlicher Sanierungsmaßnahmen entweder vom Betreiber ver-langen oder entsprechende Maßnahmen selbst ergreifen (Art. 5). Die Kosten der Sanie-rungsmaßnahmen sollen vollständig vom Verursacher getragen werden. Details zur Scha-densbewertung und die vorgesehene Rolle ökonomischer Bewertungsmethoden enthält derAnhang II des Richtlinienentwurfs (siehe 3.2).

Eine direkte Klagebefugnis für betroffene Personen oder Umweltverbände ist nicht vorge-sehen, wohl aber Informationsrechte und eine Klagebefugnis gegen die zuständigen Behör-den in den Mitgliedstaaten, etwa bei deren Untätigkeit. Es wird eine weit gefasste Einstands-pflicht der Mitgliedstaaten vorgeschlagen (Art. 6 Abs. 1). So sollen die Mitgliedstaaten dieDurchführung von Sanierungsmaßnahmen z.B. in solchen Fällen sicherstellen, in denen keinVerursacher ausgemacht werden kann oder der Verursacher nicht über ausreichende finan-zielle Mittel verfügt. Hinzu kommt eine Reihe zusätzlicher Regelungen: u.a. Zweckbindungdes Schadensersatzes, grenzüberschreitende Schäden, Verzicht auf eine obligatorischeDeckungsvorsorge.

Auffällig ist damit sowohl bei der Definition des Schutzobjektes als auch des Haftungs-maßstabes die enge Verknüpfung mit bereits verabschiedeten EU-Umweltregelungen. Dies

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hat aus der Perspektive der Kommission den Vorteil einer Kompetenzableitung aus ohnehinEU-rechtlich verankerten Umweltnormen, gleichwohl zeigt dies auch den Kompromisscha-rakter des Kommissionsvorschlags auf. Dabei ist die durch die Bindung an die Natura-2000Gebiete recht eng gefasste Schadenskategorie „biologische Vielfalt“ ebenso wie der Umfangder Gefährdungshaftung als ein Mindeststandard zu verstehen, der nationale Umsetzungs-spielräume lässt (Godt 2001). So kann die Haftung beispielsweise auf Schutzgebiete nachnationalem Recht ausgeweitet werden. Abweichend zu den Vorschlägen des Weißbuchs zurUmwelthaftung zielt der Richtlinienentwurf nun nicht mehr auf eine Überformung der zivil-rechtlichen Umwelthaftung in den Mitgliedstaaten ab, wodurch aufgrund der EU-Initiativekeine Impulse für eine Weiterentwicklung oder Verschärfung der entsprechenden mitglied-staatlichen Regelungen zu erwarten sind. Ebenso werden beispielsweise Schäden in Folgevon Tankerunfällen nicht vom Richtlinienvorschlag erfasst, sofern sie unter bestehende in-ternationale Abkommen fallen.2 Im Verhältnis zum Weißbuch und einigen früheren Positio-nen hat die Kommission nun auch in einer Reihe weiterer Punkte den Richtlinienvorschlagabgeschwächt. Dies gilt z.B. für die nun enthaltene legitimierende Wirkung der Einhaltungvon Genehmigungsvoraussetzungen (Art. 9). Dementsprechend greift die Umwelthaftungnicht, wenn der Schaden durch Emissionen oder Ereignisse entstanden ist, für die der Ver-ursacher über eine Zulassung oder Genehmigung verfügt.

3.2. Vorschläge zur Bewertung von Umweltschäden

Die Vorstellungen der Europäischen Kommission zum Haftungsumfang, die in Anhang II desRichtlinienvorschlags formuliert sind, orientieren sich an dem Grundsatz der naturalen Res-titution. Dementsprechend soll der Verursacher auf die Sanierung des Schadens verpflichtetwerden bzw. die Kosten der von behördlicher Seite durchgeführten Sanierungsmaßnahmenübernehmen. Der Begriff der Sanierung ist weit gefasst und beinhaltet Tätigkeiten mit demZiel, geschädigte natürliche Ressourcen und/oder deren Funktionen zu sanieren, zu restau-rieren, zu ersetzen oder ein Äquivalent zu schaffen. Die Ziele der Sanierung sind dann er-reicht, wenn die geschädigten Lebensräume oder das verschmutzte Wasser wieder ihrenAusgangszustand vor Schadenseintritt erreicht haben. Bei Bodenverschmutzungen mussdurch die Sanierung sichergestellt werden, dass keine ernsten (potenziellen) Gefahren fürdie menschliche Gesundheit bei der jetzigen oder zukünftig plausiblen Nutzung der Flächebestehen. Zu den Zielen der Wiederherstellung gehört ferner, dass „... auch eine Wiederher-stellung im Sinne einer Kompensierung zwischenzeitlicher Verluste vom Zeitpunkt des 2 Die diesbezüglichen internationalen Regelungen sind das internationale Übereinkommen über diezivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden aus dem Jahre 1969 und das Übereinkommenüber den Internationalen Entschädigungsfonds für Ölverschmutzungsschäden (IOPC) aus dem Jahre1971, beide geändert durch die Protokolle von 1992. Die Europäische Kommission beabsichtigt der-

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Schadenseintritts bis der Ausgangszustand wiederhergestellt ist, erforderlich... [ist]“ (AnhangII, Abs. 2.4).

Zur Bestimmung adäquater Maßnahmen soll die zuständige Behörde eine Anzahl ange-messener Sanierungsmöglichkeiten für den geschädigten Standort festlegen. Hierzu gehö-ren sowohl natürliche Formen der Sanierung, bei denen ohne direktes Eingreifen nach einergewissen Zeitspanne das Ausgangsniveau wieder erreicht wird, als auch Maßnahmen inForm von direkten Eingriffen, die das Erreichen des Ausgangsniveaus beschleunigen. DieseMaßnahmen, die auf das Erreichen des Ausgangsniveaus abzielen, werden als primäre Sa-nierungsoptionen bezeichnet. Für jede dieser primären Optionen soll ein zusätzlicher Aus-gleich der zwischenzeitlichen Verluste in Form von sog. Ausgleichssanierungsmaßnahmen,also in natura, vorgesehen werden. Prioritär soll diese naturale Kompensation durch Maß-nahmen erfolgen, die dieselbe Art und Qualität sowie einen vergleichbaren Wert wie die ge-schädigte Ressource und/oder Funktion aufweisen. Zur praktischen Durchführung soll einScaling-Konzept zur Anwendung kommen, um eine maßstäbliche Gegenüberstellung derRessourcen oder Funktionen zu erreichen.

Sind jedoch keine Sanierungsmaßnahmen durchführbar, die in Bezug auf Qualität und Artidentisch und von vergleichbarem Wert wären, können ökonomische Bewertungsmethodenzur Bestimmung des Geldwertes des ökologischen Schadens eingesetzt werden, um Aus-gleichssanierungsmaßnahmen festzulegen. Generell werden dem Schädiger aber nach Art.7 des Richtlinienvorschlags die Kosten der Wiederherstellungsmaßnahmen angelastet, nichtaber der direkt mittels ökonomischer Methoden in Geldeinheiten gemessene Wohlfahrtsver-lust. Von dieser Regel soll nur dann abgewichen werden, wenn die ökonomische Bewertungspezifischer Wiederherstellungsmaßnahmen nicht möglich ist, wohl aber Daten zur Ein-schätzung des monetären Wertes der geschädigten Ressource vorliegen.

Die Auswahl der zu ergreifenden Sanierungsoption erfolgt anhand verschiedener Kriteriender Projektbewertung (u.a. Erfolgswahrscheinlichkeit, Kosten und Nutzen der Maßnahmen,Schadensprävention). In der Regel soll eine vollständige Wiederherstellung der natürlichenRessource und/oder Funktionen im Sinne des Wiederreichens des Ausgangsniveaus ange-strebt werden. Sofern dies jedoch entweder nicht möglich oder auf der Basis einer Einschät-zung anhand der genannten Kriterien nicht sinnvoll ist, kann eine Sanierungsoption gewähltwerden, durch die eine Rückführung des geschädigten Naturguts auf das Ausgangsniveaudauerhaft unterbleibt. In diesem Fall muss jedoch ebenso wie bei zwischenzeitlichen Schä-den eine kompensatorische Wiederherstellung durch eine Ausgleichssanierung erfolgen, sodass zumindest ein ähnlicher Zustand wie der vor dem Schadenseintritt erreicht wird.Schließlich soll die Auswahl der endgültigen Sanierungsoption auf einer Analyse der Kosten-

zeit, einen Europäischen Entschädigungsfonds (COPE-Fonds) zur Ergänzung der internationalenRegelung für die Haftung bei Ölunfällen zu schaffen.

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Wirksamkeit basieren, wobei bei gleicher Wirkung die Option mit den geringsten Kosten zuwählen ist.

Die Europäische Kommission hat sich bei ihrem Vorschlag, der im Wesentlichen auf einenaturale Kompensation setzt, stark an entsprechenden Erfahrungen und Entwicklungen imUS-amerikanischen Umwelthaftungsrecht orientiert. Diese enge Anlehnung ist insofern nichtüberraschend, da in den USA bereits detaillierte und in der Praxis erprobte Regelungen zurBewertung ökologischer Schäden im Kontext eines Haftungsregimes bestehen (Penn 2001,Leonhard 1996).

4. Regelungsansätze zur Umweltbewertung imUS-amerikanischen Haftungsrecht

Die Regelungen im US-amerikanischen Haftungsrecht zur Bewertung von Umweltschädenhaben wesentlich den vorliegenden Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zurUmwelthaftung geprägt. Konkret orientiert sich das im Anhang II des Richtlinienentwurfs vor-geschlagene Verfahren zur Ermittlung von Sanierungsmaßnahmen an entsprechenden Re-gelungen im US-amerikanischen Oil Pollution Act (OPA), die 1996 verabschiedet wurden.Diesen Regelungen von 1996 gingen allerdings andere Bewertungsansätze im Kontext desComprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) vor-aus, die zu erheblichen Kontroversen über geeignete Bewertungsansätze bei Umweltschä-den geführt hatten. Die Regelungen des OPA können als Reaktion auf diese Kontroverseninterpretiert werden.

Vor diesem Hintergrund soll die Analyse der Erfahrungen mit der Umweltbewertung imUS-Umwelthaftungsrecht dazu dienen, die Praktikabilität und ökonomischen Vor- undNachteile des Kommissionsvorschlags zu illustrieren. Zu diesem Zweck werden zunächstmögliche Konzepte zur Bewertung von Umweltschäden in einem Umwelthaftungsregimedargestellt und die entsprechenden US-Regelungen den grundsätzlichen Konzepten zuge-ordnet. Des Weiteren werden diejenigen Kontroversen um die Bewertung von Umweltschä-den verdeutlicht, die sich an den entsprechenden Bestimmungen vor Verabschiedung derOPA-Regelungen entzündeten. Anschließend werden die Vorgaben des OPA zur Scha-densbewertung erläutert, die Bedeutung verschiedener Bewertungsverfahren in der Praxisdargelegt sowie Vor- und Nachteile des Regelungsansatzes aus ökonomischer Perspektiveanalysiert.

4.1. Mögliche Bewertungsansätze und gesetzliche Grundlagen

Zur Interpretation der US-Regelungen zur Umweltbewertung ist der grundsätzliche Kompen-sationsgedanke im dortigen Umwelthaftungsrecht von Bedeutung. Nach der sog. public trust

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doctrine handeln die zuständigen Behörden im Interesse der Bevölkerung und ihrer Wert-schätzung der Leistungen natürlicher Ressourcen, nicht aber im Interesse oder Auftrag derRessource selbst (Mazzotta et al. 1994). Damit ist in jedem Fall die Wahl der Kompensationbei ökologischen Schäden (auch) über Aussagen zur Wertschätzung der Bevölkerung abzu-sichern, damit das generelle Ziel des „make the public whole“ erreicht werden kann. Zusätz-lich ist zum Verständnis der US-Regelungen von Bedeutung, dass ihnen – abweichend zuvielen gesetzlichen Regelungen in Europa – stets ein ökosystemares Verständnis von Leis-tungen zugrunde liegt. Dieser Ansatz, der mit der ökonomischen Interpretation natürlicherRessourcen übereinstimmt, interpretiert Naturgüter als natürliches Kapital, das die Bereit-stellung von Leistungen mit direktem oder indirektem gesellschaftlichen Wert erlaubt (Boyd2001).

Wird mit der Bewertung von Umweltschäden und der Anlastung der Schadenssumme dasZiel verfolgt, eine Kompensation des Wohlfahrtsverlustes der Bevölkerung zu bewirken, kön-nen hierfür drei Ansätze unterschieden werden:

Konzept 1: Der Nutzenverlust der Bevölkerung aufgrund des ökologischen Schadens wirdmittels ökonomischer Bewertungsmethoden monetär geschätzt und dem Verur-sacher als Schadensersatzzahlung direkt angelastet.

Konzept 2: Kombinierte naturale und monetäre Kompensation: Der Schaden wird, soweitmöglich und verhältnismäßig, natural kompensiert und zusätzlich die temporäroder dauerhaft nicht wiederhergestellten Schäden monetär bewertet und eben-falls dem Verursacher angelastet.

Konzept 3: Der ökologische Schaden wird durch die Aufwertung bestehender natürlicherRessourcen und ihrer ökologischen Funktionen oder durch Einbringung neuerBiotope, also durch Schadensersatz in natura, kompensiert und die Kosten derMaßnahmen dem Verursacher angelastet. Solche Wiederherstellungsmaßnah-men können am Ort des Schadens, aber auch an anderen Standorten erfolgenund auch darauf abzielen, zwischenzeitliche Verluste bis zum Erreichen desAusgangsniveaus abzudecken.

Eine Grundsatzentscheidung bei der Ausgestaltung des Haftungsumfangs ist damit, welcheRolle der monetären Kompensation bei der Schadensschätzung zukommen soll. Dabei hatdas Konzept 1 der reinen ökonomischen Bewertung und Anlastung der Schadenssummebeim Verursacher in realen Haftungsregimen meist keine Bedeutung, da diese in der einoder anderen Form das Ziel einer naturalen Wiederherstellung normieren (Brans 2001, Wolf-rum & Langenfeld 1988). Zwar spielte dieses Konzept in den USA bis 1989 eine gewisseRolle, da in dieser Zeit bei der Bewertung von Umweltschäden die Möglichkeit bestand, inbestimmten Fällen auf eine Berücksichtigung tatsächlicher Wiederherstellungskosten völligzu verzichten und ausschließlich eine monetäre Bewertung vorzusehen. Mit der 1989 ergan-

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genen, sogenannten Ohio -Entscheidung3 wurde aber von gerichtlicher Seite klargestellt,dass die Bewertung des Schadens vornehmlich auf den Wiederherstellungskosten basierensoll.4

Im Anschluss an diesen Gerichtsentscheid hatten die US-Regelungen dann stärker aufeine kombinierte naturale und monetäre Kompensation gesetzt (Konzept 2). Die diesemVerfahren zugrunde liegende ökonomische Logik ist, für Schäden, die nicht oder nicht voll-ständig natural kompensierbar sind, eine monetäre Entschädigung zu verlangen, durch dieprinzipiell die von den Schäden Betroffenen derart kompensiert werden können, dass siesich auf dem gleichen Nutzenniveau wie vor dem Schadenseintritt befinden (vgl. Mazzotta etal. 1994). Hierfür ist grundsätzlich die Wertschätzung der Bevölkerung für die geschädigtenatürliche Ressource in Geldeinheiten zu ermitteln (siehe 4.2). Die gesamte Schadenssum-me setzt sich damit aus den Wiederherstellungskosten für den natural kompensierbarenSchadensanteil sowie einer monetären Kompensation zusammen.

Seit Mitte der 90er Jahre dominiert in der Praxis jedoch stärker das Modell der naturalenKompensation (Konzept 3), wobei hier das Ziel der Kompensation zwischenzeitlicher oderdauerhafter Verluste durch eine Ausweitung des naturalen Kompensationsumfangs erreichtwerden soll. Allerdings wird hier nicht auf die ökonomische Bewertung verzichtet, sonderndiese in bestimmten Fällen zur Identifizierung des adäquaten naturalen Kompensationsum-fangs eingesetzt. Dieses Verfahren basiert ebenfalls auf dem ökonomischen Konzept, dassdie von dem Schaden Betroffenen vollständig kompensiert werden und sich dadurch wiederauf ihrem Nutzenniveau vor Schadenseintritt befinden. Hier erfolgt die Kompensation jedochnicht monetär, sondern durch naturale Kompensationsmaßnahmen in Form der Bereitstel-lung neuer oder zusätzlicher Leistungen natürlicher Ressourcen, deren Wertschätzung mitdem entgangenen Nutzen aufgrund des Schadensfalls übereinstimmt (Flores & Thacher2001). Die Europäische Kommission hat sich mit ihrem Vorschlag diese ökonomische Kom-pensationslogik zu Eigen gemacht.

Das US-amerikanische Haftungsrecht wird auf bundesstaatlicher Ebene im wesentlichendurch zwei zentrale Rechtsnormen geprägt (Wolfrum/Langenfeld 1998): den ComprehensiveEnvironmental Response, Compensation and Liability Act von 1980 (CERCLA) und den OilPollution Act von 1990 (OPA).5 Die Regelungen von CERCLA betreffen die Sanierung von 3 State of Ohio v. Department of Interior, 880 F.2d 432 (D.C. 1989)4 Darüber hinaus wurde als zweiter Leitsatz für die Bewertung von Umweltschäden formuliert, dassauch nutzungsunabhängige Schäden zu kompensieren sind und die Kontingente Bewertung nachAnsicht des Gerichts eine zulässige Methode für die Erfassung dieser Schäden ist (vgl. Kopp & Pease1997: 14ff.).5 Daneben existieren eine Reihe weiterer bundesrechtlicher Umwelthaftungsregelungen: Der Trans-Alaska-Pipeline Authorization Act von 1974 (TAPAA) betrifft die verschuldensunabhängige Haftung fürSchäden, die in Zusammenhang mit der Pipeline stehen. Das Gesetz erfasst auch Ölverschmutzun-gen durch Schiffe, die Öl aus der Alaska-Pipeline bunkern. Mit dem Marine Protection, Research and

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Altlasten und die Haftung bei ökologischen Schäden, die durch Gefahrstoffe (hazardoussubstances) entstanden sind. OPA wurde 1990 als Reaktion auf den Exxon Valdez Unfall vorder Küste Alaskas erlassen und stellt die spezielle Regelung für Haftungsfragen bei Ölunfäl-len dar. Die rechtlichen Vorgaben zur Schadensbewertung wurden für CERCLA und OPA inForm zweier Verwaltungsverordnungen zu Natural Resource Damage Assessments (im fol-genden CERCLA-RULES und OPA-RULES) erlassen (Leonhard 1996, S. 295/ (Penn 2001).Zur Analyse der Praxis der Schadensbewertung und der Unterschiede der CERCLA-RULESund der OPA-RULES können die Reaktionen auf einen Schadensfall in drei Schritte unterteiltwerden (vgl. Penn 2001, MEP/EFTEC 2001, Boyd 2001, Desvousges & Lutz 2000).6

• Als unmittelbare Reaktion auf einen Schadensfall wird die Schadensursache beseitigtund eine Reinigung (z. B. Beseitigung eines Schadstoffes) durchgeführt (remediati-on). Diese Kosten werden stets dem Verursacher angelastet, gehören aber nicht zureigentlichen Schadensbewertung im Rahmen der CERCLA-RULES oder OPA-RULES.

• Die primäre Wiederherstellung (primary restoration) der geschädigten Umweltres-source zielt darauf ab, die geschädigte Ressource und die von ihr ausgehendenLeistungen (natural resources services) vollständig auf dem Niveau vor dem Scha-denseintritt (baseline) wiederherzustellen. Dabei ist der Begriff der Wiederherstellungrecht weit gefasst, denn darunter können auch Maßnahmen fallen, die nicht einegleichartige Wiederherstellung der geschädigten Ressource bedeuten, sondern aufdie Schaffung eines Äquivalentes für entgangene Leistungen abzielen. Solche Leis-tungen können dabei sowohl der Natur an sich zukommen (physical and biologicalfunctions) als auch die menschliche Nutzung solcher Funktionen betreffen. Die primä-re Wiederherstellung wird stets durchgeführt und die Kosten dem Verursacher ange-lastet. Ausnahmen sind hier lediglich bei erheblicher Unverhältnismäßigkeit der Maß-nahmen möglich, deren Nachweis ggf. vom Verursacher zu führen ist (MEP/EFTEC2001).

Sanctuaries Act von 1988 (MPRSA) wurde eine Haftung für tätigkeitsunabhängige Schädigungennationaler Meeresschutzgebiete etabliert. Der Deep Water Port Act von 1974 regelt Haftungsfragenfür Ölverschmutzungen durch außerhalb der Küstengewässer der Vereinigten Staaten gelegene Tief-wasserhäfen und Schiffe, die Öl von und zu Tiefwasserhäfen transportieren. Darüber hinaus findensich weitere Vorgaben zur Umwelthaftung im Recht der US-Einzelstaaten sowie im Common Law.6 In diesem Beitrag werden keine vereinfachten Verfahren zur Schadensbemessung diskutiert, die beider Bewertung kleinerer Umweltschäden im US-Haftungsrecht eine Rolle spielen. So existiert nebenden hier im Vordergrund stehenden, einzelfallbezogenen Bewertungsverfahren bei größeren Schäden(sog. Type B Verfahren) z.B. ein Computermodel, welches bei kleineren Freisetzungen von Gefahr-stoffen in Gewässer und in bestimmten Naturräumen (z.B. Great Lakes) angewendet werden kann(sog. Type A Verfahren). Darüber hinaus liegen in einigen US-Bundesstaaten (z.B. Florida, Washing-ton) Risiko- und Schadenstabellen vor, bei denen ebenfalls auf eine einzelfallbezogene Bewertungverzichtet wird (vgl. Brans 2001, S. 162).

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• Als dritter Schritt ist die Kompensation der zwischenzeitlichen Wertverluste bis zur Er-reichung des Ausgangsniveaus zu nennen. Solche „zwischenzeitlichen“ Verlustekönnen bei unvollständiger primärer Wiederherstellung auch zeitlich unbegrenzt sein.

Die Maßnahmen zur Wiederherstellung umfassen damit sowohl die primäre Wiederstellungals auch eine Kompensation zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste. Im Kern unterschei-den sich die CERCLA-RULES (Konzept 2) und die OPA-RULES (Konzept 3) darin, dass beiersteren diese zwischenzeitlichen Verluste ökonomisch bewertet (sog. compensable value)und monetär dem Verursacher angelastet werden. Bei den OPA-RULES werden hingegenzusätzliche Wiederherstellungsmaßnahmen (sog. compensatory restoration) durchgeführt,die die zwischenzeitlichen Verluste ausgleichen sollen und deren Kosten dem Verursacherangelastet werden.

4.2. Erfahrungen mit der kombinierten naturalen und monetären Kompensationnach den Vorgaben des CERCLA

Bis Mitte der 90er Jahre dominierte der Ansatz des CERCLA-RULES, der bis zum Erlass derOPA-RULES (1996) auch auf Ölunfälle angewandt wurde. Der zwischenzeitliche Wertverlustwird hier als ausgleichbarer Wert (compensable value) bezeichnet und umfasst sowohl nut-zungsabhängige als auch nutzungsunabhängige Werte der geschädigten Ressource. DieSchadensbewertung soll folglich im Hinblick auf den gesamten ökonomischen Wert der ge-schädigten Ressource basieren.

Typische nutzungsabhängige Werte (use values) sind Leistungen des Naturguts für Pro-duktions- oder Konsumzwecke. Hierunter fällt auch der Erlebniswert der Natur, der sich z.B.in einer entsprechenden touristischen Attraktivität niederschlägt. NutzungsunabhängigeWerte (nonuse values) liegen vor, wenn auch ohne Nutzung eine individuelle Wertschätzungder bloßen Existenz eines Naturguts oder seiner Bewahrung für zukünftige Generationenvorliegt (Freeman III 1993, Schneider 2001).

Die Relevanz nutzungsabhängiger Werte bei der Schadensbewertung ist unstrittig(Phillips & Zeckhauser 1995). Hierfür wird häufig auf vorhandene oder verhältnismäßig leichtzu ermittelnde ökonomische Daten zurückgegriffen. Da die Ermittlung nutzungsabhängigerWerte auf tatsächlichem und beobachtbarem Verhalten der Bevölkerung basieren kann, istderen Erhebung trotz vieler methodischer Probleme im Detail weniger kontrovers und vonGerichten üblicherweise akzeptiert. So können beispielsweise Marktdaten über die Ermitt-lung bestimmter Aufwendungen mittelbar als Bewertungsindikator herangezogen werden(vgl. Montesinos 1999). Der nutzungsabhängige Wert kann aber nicht nur mit solchen indi-rekten Bewertungsmethoden, sondern auch durch direkte Bewertungsansätze (Befragungen)erhoben werden. Dabei wird mit den indirekten Bewertungsansätzen häufig nur eine Unter-grenze für den tatsächlichen ökonomischen Wert ermittelt.

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Hingegen ist die Ermittlung der nutzungsunabhängigen Wertschätzung nur mittels direkterBewertungsverfahren möglich. Da kein Zusammenhang zwischen einem beobachtbarenVerhalten und der nutzungsunabhängigen Wertschätzung vorliegt, können diese Werte nurauf hypothetischen Märkten ermittelt werden (Carson et al. 1999). Die hypothetischen Märktewerden mithilfe umfragebasierter Verfahren wie der Kontingenten Bewertung errichtet. Zielder Kontingenten Bewertung (Contingent Valuation) ist es, die Zahlungsbereitschaft derjeni-

Prüfung der Ver-hältnismäßigkeit

Es sollen nur Maß-nahmen durchgeführtwerden, die nicht„grossly disproportio-nate“ sind. D.h., Kos-ten dürfen den Nutzennicht in besonderemMaße überschreiten.

Durchführung derprimären Wieder-herstellung

Restoration, rehabili-tation, replacementand/or acquisition ofequivalent resource

ZwischenzeitlicheVerluste

Trustee entscheidet, obzwischenzeitliche Verluste(entgangene Leistungender natürlichen Ressourcebis zum Erreichen desAusgangsniveaus) aus-geglichen werden sollen

Monetäre Kompen-sation zwischenzeit-licher Verluste

Zweckgebundene Ver-wendung der Einnah-men durch den Trustee;"only to restore, re-place, or acquire theequivalent of the sub-ject natural resources”.

GesamteSchadenssumme:

Kosten der primärenWiederherstellung

+

monetäre Kompensa-tion zwischenzeitlicherVerluste

+

Kosten der Schadens-schätzung

PrimäreWiederherstellung

Ziel: Erreichen des Aus-gangsniveaus der Leis-tungen der natürlichenRessource vor demSchaden

Compensable Value

Ökonomische Bewertungder zwischenzeitlichenVerluste (Nutzungs- undNichtnutzungswerte)

Abbildung 1: Bewertung der Umweltschäden nach den Vorgaben desComprehensive Environmental Response, Compensation and LiabilityAct (CERCLA)

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gen, die von einer Umweltveränderungen betroffenen sind, dafür zu ermitteln, dass eine Ver-schlechterung abgewendet oder eine Verbesserung der Umweltqualität herbeigeführt wird.Der ermittelte Geldbetrag wird als Ausdruck des ökonomischen Wertes der natürlichen Res-source interpretiert.

Nach dem CERCLA-RULES liegt es im Ermessen der zuständigen Behörde, ob diese denPosten der compensable value liquidiert. Sofern dies aber möglich und verhältnismäßig ist,wird der zu kompensierende Nutzenverlust mittels ökonomischer Bewertungsmethoden ge-schätzt und die so ermittelte Geldsumme dem Verursacher einschließlich der Kosten derSchadensschätzung angelastet. Diese Einnahmen sind zweckgebunden für die Durchfüh-rung von Wiederherstellungsmaßnahmen zu verwenden, die von behördlicher Seite in einemRestoration and Compensation Determination Plan aufgestellt werden.

Die CERCLA-RULES listet mögliche ökonomische Bewertungsmethoden (u.a. Markt-preisansatz, Faktoreinkommen, Reisekosten, hedonischer Preisansatz, Kontingente Bewer-tung) zur Ermittlung des compensable value auf, wobei keine Rangfolge zwischen den ver-schiedenen methodischen Ansätzen vorgegeben wird.7 Gleichwohl ist auch nach der letztenVersion der CERCLA-RULES von 1994 der Einsatz der Kontingenten Bewertung zur Ermitt-lung von nutzungsunabhängigen Werten nur dann vorgesehen, wenn keine Beeinträchtigungvon Nutzungswerten vorliegt. Dadurch soll die umstrittene Erhebung der nutzungsunabhän-gigen Werte auf solche Fälle zu beschränken, in denen keine andere Möglichkeit besteht, zueiner Schadenersatzzahlung zu gelangen. In der CERCLA-RULES werden keine konkretenStandards zur Durchführung ökonomischer Bewertungsmethoden vorgegeben, wohl aberenthält die Regelung einen Hinweis darauf, dass die gewählten Methoden in Bezug auf ihreKosten-Wirksamkeit einzuschätzen sind (Thompson 2001).

Das Besondere der CERCLA-RULES ist folglich, dass die Höhe des monetär bewertetenSchadens unabhängig von den Wiederherstellungskosten ist. Die juristischen und ökonomi-schen Kontroversen über adäquate Methoden zur Schadensberechnung konzentrierten sichin der Folge stark auf die Frage, welche ökonomischen Methoden im Einzelnen anwendbarsind und vor allem, ob und in welcher Form die Kontingente Bewertung ein geeignetes In-strument zur Ermittlung verringerter nutzungsunabhängiger Werte darstellt.

Von wissenschaftlicher Seite wurde diese Frage letztlich nicht eindeutig beantwortet:Nach dem Tankerunglück der Exxon Valdez vor der Küste Alaskas 1989, bei dem der Ver-lust erheblicher nutzungsunabhängiger Werte ermittelt wurde (Carson et al. 1992), kam einvom Verursacher Exxon einberufenes Expertengremium zu der Einschätzung, dass aufgrunddes hypothetischen Charakters der Zahlungsbereitschaftsanalyse und einer Reihe weiterer 7 In diesem Beitrag wird auf eine ausführliche Diskussion der ökonomischen Bewertungsmethoden

und ihrer relativen Vor- und Nachteile verzichtet, vgl. hierzu Freeman III (1993); Garrod & Willis (1999)oder Endres & Holm-Müller (1998). Speziell zur Kontingenten Bewertung und dem Stand der Anwen-dung in Deutschland siehe Elsasser & Meyerhoff (2001).

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methodischer Schwierigkeiten diese nicht für die Schadensbewertung einsetzbar wäre (vgl.Hausman 1993). Ein von NOAA8 einberufenes Wissenschaftler-Panel kam jedoch zu demErgebnis, dass bei Einhaltung entsprechender Qualitätsstandards die Methode zuverlässigeErgebnisse zur Bewertung von nutzungsunabhängigen Werten liefere (Arrow et al. 1993).

Jedoch war die Diskussion um die Zuverlässigkeit der Kontingenten Bewertung auch nachVeröffentlichung der Ergebnisse des NOAA-Panels nicht beendet. Während die Befürworterder Kontingenten Bewertung die hohen Kosten, die durch die Einhaltung der vom Panel vor-gegebenen Standards verursacht werden, als problematisch ansehen, sind etliche Kritikernach wie vor nicht davon überzeugt, dass mithilfe der Kontingenten Bewertung überhauptökonomische Werte ermittelt werden können. „Since answers to CVM surveys do not meas-ures preferences, they are not a source of information on values suitable for inclusion in cost-benefit analysis. In addition, CVM surveys cannot be used as an estimate of the loss thatpeople have suffered and, therefore, are not suitable to measure compensatory damages”(Diamond & Hausman 1995: 82).

Sollen aber die nutzungsunabhängigen Werte, deren Existenz selbst von Kritikern derKontingenten Bewertung anerkannt wird, monetär bewertet werden, dann gibt es bisherkaum Alternativen zur Kontingenten Bewertung (Carson et al. 1999). Aus heutiger Sichtkönnten einzig die Choice Experiments eine Alternative hierzu darstellen (vgl. Adamowicz etal. 1998). Auf den Einsatz der Kontingenten Bewertung vollständig zu verzichten würde da-mit auch bedeuten, auf die Erfassung nutzungsunabhängiger Werte als Bestandteil des ent-standenen Schadens zu verzichten.

In der Praxis wurde in den 80er und 90er Jahren mit verschiedenen ökonomischen Be-wertungsverfahren experimentiert. Dabei zeigt sich, dass Methoden, die auf beobachtbareDaten zurückgreifen (z.B. Marktpreisansatz, Schadensvermeidungskosten, Faktoreinkom-men, Reisekosten) auf eine höhere Akzeptanz bei den als Treuhänder zur Schadensermitt-lung eingesetzten Behörden (sog. Trustees) stoßen als umfragebasierte Verfahren. Vor die-sem Hintergrund kann eingeschätzt werden, dass die CERCLA-RULES zwar vom Grundsatzher auf die Ermittlung sämtlicher Wertkomponenten abzielen, die Praxis der Trustees abereher zu einer Unterschätzung des vollständigen ökonomischen Wertes der geschädigtenRessourcen tendiert, da selten solche Methoden angewandt werden, mit denen nutzungsu-nabhängige Werte ermittelbar wären.

In einer Reihe von Fällen wurde aber auch die Kontingente Bewertung zur Schadens-schätzung eingesetzt, wobei es allerdings bis auf zwei Ausnahmen stets zu einer außerge-richtlichen Einigung kam. Diese in Vergleichsverfahren ermittelten Schadenssummen lagenjeweils erheblich unter den mittels des Umfrageverfahrens ermittelten Wertverlusten (Kopp & 8 NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) ist eine beim US-Wirtschaftsministeriumangesiedelte Bundesbehörde, in deren Aufgabenbereich auch die Bewertung von Umweltschäden bei

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Pease 1997). Die faktische Bedeutung der Methode bei der Festlegung der exakten Scha-densersatzzahlungen ist damit gering. Jedoch dürften die mithilfe der Kontingenten Bewer-tung ermittelten Schäden nicht ohne Einfluss auf das Ergebnis des Vergleichs gewesen sein,da durch sie quasi ein Extrempunkt der Schadenshöhe festgelegt wird.

Zusammenfassend können folgende Probleme bei der Anwendung der CERCLA-RULESausgemacht werden:

• Es konnte bislang kein Konsens über die Relevanz von nutzungsunabhängigen Wertenbei der Schadensbewertung erzielt werden (vgl. Boudreaux et al.1999). Zwar ist unstrit-tig, dass Individuen eine Wertschätzung für die bloße Existenz eines Naturguts habenkönnen, gleichwohl wird von einem erheblichen Teil der Wirtschaftswissenschaftler undder betroffenen Unternehmen moniert, dass die Kontingente Bewertung als Methode zuwenig präzise für ein Haftungsregime sei.

• Sollen belastbare Ergebnisse durch eine Kontingente Bewertung erzielt werden, dannerfordert dies die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen an das Design der Um-frage, so z.B. ausführlicher Test des Fragebogens oder der Auswahl einer Zufallsstich-probe. In der Praxis dürften diese Standards aufgrund eines häufig engen Zeitrahmenssowie begrenzter personeller und finanzieller Kapazitäten nicht immer umzusetzen sein.

• Vor allem bei der Ermittlung von nutzungsunabhängigen Werten steht die KontingenteBewertung zudem vor dem Problem, den relevanten Markt für das betreffender Naturgutexakt abzugrenzen (vgl. Rommel 2001). Dies ist häufig kaum exakt möglich, da poten-ziell bei einer großen Zahl an Betroffenen und auch in weiter Entfernung vom Standortdes Naturguts nutzungsunabhängige Werte auftreten können. Umso größer der Bevöl-kerungsanteil ist, der bei der Anwendung der KBM für relevant gehalten wird, desto eherwird aber selbst bei individuell geringen Zahlungsbereitschaften die gesamte ökonomi-sche Wertschätzung eine beachtliche Größenordnung erreichen und die Schadens-summe entsprechend hoch ausfallen. In der Praxis der Kontingenten Bewertung kanndieses Problem zwar durch geeignete Vorstudien angegangen werden, jedoch ist eineeindeutige Abgrenzung der für die Schadensschätzung relevanten Bevölkerung schwer-lich möglich.

• Vor diesem Hintergrund wurde von Seiten der potenziellen Verursacher vor allem be-fürchtet, dass der Einsatz der Kontingenten Bewertung aufgrund der potenziell großenZahl der Zahlungsbereiten zu sehr hohen und unkalkulierbaren Schadenssummen füh-ren könnte und deshalb eine Versicherbarkeit ökologischer Schäden nicht möglich sei(Kopp & Pease 1997: S. 40).

• Der Effekt der Kontingenten Bewertung, verglichen zu anderen Bewertungsmethoden zurelativ hohen Schadenssummen zu führen, hat dazu beigetragen, dass ihre Einsatz als

Ölunfällen und die Veranlassung entsprechender Wiederherstellungsmaßnahmen fällt.

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Bewertungsmethode bei vielen Schadensfällen zu einer Konfrontation der beteiligtenAkteure und in der Folge zu langwierigen juristischen Auseinandersetzungen führte. Diefür einen raschen Schadensausgleich eigentlich notwendige Kooperation und Bereit-stellung von Finanzmitteln wurde dadurch behindert.

• Aufgrund der Entkopplung von Wiederherstellungsmaßnahmen und der monetärenSchadensbewertung war die Finanzierbarkeit angestrebter Ersatzmaßnahmen häufignicht gesichert. Zudem liefert die ökonomische Bewertung des compensable value keineInformationen darüber, wie die Schadensersatzsumme effizient für den Ausgleich desökologischen Schadens auf der Ebene der natürlichen Ressourcen und ihrer Leistungenverwendet werden sollte (Mazzotta et al. 1994, Flores & Thacher 2001). Ein Verfahren,welches simultan sowohl eine vollständige Anlastung des gesamten ökologischenSchadens als auch eine effiziente Wiederherstellung bewirkt, konnte damit nicht etab-liert werden (vgl. Phillips & Zeckhauser 1995).

Auch wenn die praktischen Erfahrungen mit dem Einsatz der Zahlungsbereitschaftsanalysedamit nicht in jedem Fall gegen ihren Einsatz sprechen, und sich auch verschiedene gericht-liche Entscheidungen zu den CERCLA-RULES und einzelnen Schadensfällen nicht gegendie generelle Eignung der Methode richteten (Thompson 2001), wurde Mitte der 90er Jahreein klarer Reformbedarf gesehen, die Anwendung umstrittener ökonomischer Bewertungs-methoden zu reduzieren. „In less than a decade environmental economists have observedthe rise and fall of non-market valuation as a dominant consideration in litigation associatedwith natural resource damage cases. Today, current federal rules require trustees to deter-mine the scale of restoration necessary to return injured natural resources (as a result ofreleases of hazardous substances or oil) to their baseline levels and to compensate for in-terim losses” (Smith 1999: 3).

Diese rückläufige Akzeptanz ökonomischer Bewertungsmethoden hat in der Folge dazugeführt, dass ein neuer Regelungsansatz, der deren Einsatz wesentlich begrenzt, eine höhe-re Akzeptanz gefunden hat. Dies sind die entsprechenden Vorgaben zur Schadensbewer-tung bei Umweltschäden, die unter den Oil Pollution Act (OPA) fallen.

4.3. Naturale Kompensation als neues Paradigma bei Ölschäden nach dem OilPollution Act (OPA) seit 1996

Die Praxis der Schadensbewertung wird seit Mitte der 90er Jahre mit der Verabschiedungder OPA-RULES (1996) primär von der Absicht geprägt, den ökologischen Schaden voll-ständig wiederherzustellen und juristische Auseinandersetzungen über umstrittene Bewer-tungsmethoden zu vermeiden (Penn 2001). Demnach ist es nun nicht mehr das Ziel, zwi-schenzeitliche Wertverluste monetär zu kompensieren, sondern kompensatorische Wieder-herstellungsmaßnahmen so zu dimensionieren, dass der gesamte Schaden - einschließlich

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der interim losses – natural ausgeglichen wird. Die Schadenssumme wird folglich nicht mehrauf der Basis des Nutzenverlustes (compensable value) als monetäre Größe berechnet,sondern der Schadensumfang ergibt sich in der Regel aus den Kosten jener zusätzlichenWiederherstellungsmaßnahmen, die den Schaden einschließlich zwischenzeitlicher Verlusteausgleichen (vgl. Konzept 3 sowie Abbildung 2).

Das methodische Bewertungsproblem der OPA-RULES ist folglich, ein naturales Äquiva-lent in Art und Umfang zu ermitteln, welches den gesamten Schaden durch eine kompensa-torische Wiederherstellung ausgleicht. Hierfür sind drei mögliche Bewertungsansätze vorge-

Prüfung der Ver-hältnismäßigkeit:

Es sollen nur Maß-nahmen durchge-führt werden, dienicht „grosslydisproportionate“sind. D.h., Kostendürfen den Nutzeni ht i b d

Durchführungder primärenWiederherstel-lung:

Restoration, reha-bilitation, replace-ment and/or acqui-sition of equivalentresource

ZwischenzeitlicheVerluste

Trustee muss Maß-nahmen für eine natu-rale KompensationzwischenzeitlicherVerluste entwickeln

Prüfung derVerhältnismä-ßigkeit

„Grossly Dispropo-tionate“ Standard

Gesamte Scha-denssumme:

Kosten der primä-ren Wiederherstel-lung

+

Kosten der kom-pensatorischenWiederherstellung

+

Kosten der Scha

Primäre Wiederher-stellung:

Ziel: Erreichen desAusgangsniveaus derLeistungen der natürli-chen Ressource vordem Schaden

KompensatorischeWiederherstellungs-maßnahmenMit naturschutzfachli-chen oder ökonomi-schen Bewertungsver-fahren werden Maß-nahmen identifiziert,deren Leistungen bzw.d ök i h

Abbildung 2: Bewertung der Umweltschäden nach den Vorgabendes Oil Pollution Act (OPA)

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sehen: der Service-to-Service Approach, der Value-to-Value Approach und der Value-to-Cost Approach.

4.3.1. Die Bewertungsverfahren zur Ermittlung der kompensatorischen Wiederher-stellung im Oil Pollution Act (OPA)

Nach den Vorgaben des OPA von 1996 sind drei Bewertungsverfahren zu Ermittlung desUmfangs kompensatorischer Wiederherstellungsmaßnahmen zum Ausgleich zwischenzeitli-cher Verluste vorgesehen (NOAA 1997). Dies sind der Service-to-Service Approach, bei demauf eine explizite ökonomische Bewertung völlig verzichtet wird und der das präferierte Ver-fahren darstellt, sowie zwei Bewertungsansätze, bei denen ökonomische Bewertungsverfah-ren weiterhin eingesetzt werden (Value-to-Value Approach und Value-to-Cost Approach).

Service-to-Service Approach

Der Grundgedanke des Service-to-Service Approach ist, die entgangenen ökologischenLeistungen des geschädigten Naturguts durch die Leistungen neu eingebrachter natürlicherRessourcen auszugleichen. Dieses, auf Expertenurteilen basierende Verfahren setzt voraus,dass die Leistungen geschädigter Habitate überhaupt zu denen neu eingebrachter in Bezie-hung gesetzt werden können. Anwendbar ist die Methode nach den OPA-RULES folglichnur, wenn die geschädigten und die neu eingebrachten Ressourcen und Leistungen vongleichem Typ und gleicher Qualität sind sowie einen vergleichbaren Wert aufweisen. Dabeiist explizit kein gleichartiger Ausgleich des geschädigten Naturguts notwendig, sondern eingleichartiger Ersatz auf der Ebene der geschädigten Funktionen. Um angesichts der Kom-plexität ökologischer Dienstleistungen zu einem handhabbaren Verfahren zu kommen, ist dieEntwicklung einer Metrik bzw. eines Indikators notwendig, der die Bewertung des ökologi-schen Schadens mit den Wiederherstellungsmaßnahmen verknüpfbar macht und alle signifi-kanten Differenzen der jeweiligen ökologischen Leistungen einfängt. Dabei sind Vereinfa-chungen unvermeidlich, wenn die praktische Anwendbarkeit des Verfahrens gewährleistetwerden soll. Die Vorgaben des OPA-RULES sehen hierfür die Orientierung an bestimmtenVorrangleistungen (key services) vor. Weiterhin stehen diese Methoden vor dem Problem,bei unterschiedlichen Zeitverläufen von Schaden und Wiederherstellungsmaßnahmen diejeweiligen ökologischen Leistungen verrechenbar zu machen. Entsprechende Regelungenim Kontext des OPA-RULES sehen sowohl eine Berücksichtigung von Unsicherheiten überdie Entwicklung eingebrachter Biotope als auch eine Diskontierung der zukünftig anfallendenökologischen Leistungen auf ihren Gegenwartswert vor (NOAA 1999).

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob der Wert der Wiederherstellungsmaßnahmen mitdem des ökologischen Schadens übereinstimmt (NOAA 2000, Unsworth & Bishop 1994).Dies kann z.B. dann nicht zutreffen, wenn Ersatzmaßnahmen in weiterer Entfernung desgeschädigten Standorts durchgeführt werden und hierdurch nicht mehr der eigentlich ge-schädigten Bevölkerung zugute kommen. Auch bei starker Variation des Wertes der ökologi-

19

schen Leistungen im Zeitablauf ist möglicherweise das Postulat der Gleichwertigkeit nichterfüllt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn durch eine Wiederherstellungsmaßnahme neueErholungsmöglichkeiten an Stränden geschaffen werden, zu dem Zeitpunkt des Wirksam-werdens der Maßnahmen aber keine Knappheit an Erholungsflächen mehr besteht (vgl. Flo-res & Thacher 2001). Letztlich liegt dem Service-to-Service Ansatz damit auch die Idee derKompensation auf der Ebene des Nutzens der betroffenen Bevölkerung zugrunde (Unsworth& Bishop 1994). Hier wird die Gleichwertigkeit jedoch basierend auf Plausibilitätsüberlegun-gen von Experten postuliert und nicht mittels ökonomischer Bewertungsmethoden ermittelt.In ökonomischen Termini gesprochen, wird hier von der zuständigen Behörde eingeschätzt,ob es sich bei der geschädigten und der wiederhergestellten Ressource in Bezug auf alleAttribute um perfekte oder sehr enge Substitute handelt (vgl. Kontoleon et al. 2001).

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Zur Durchführung dieses Bewertungsansatzes wurde das sogenannte Habitat-Äquivalenz-Verfahren entwickelt, welches die Schritte zur Bestimmung der Ersatzmaßnah-men in Art und Umfang sowie zur Kostenkalkulation vorgibt (vgl. NOAA 2000). Bei diesemVerfahren soll anhand der biophysikalischen Charakteristika (z.B. Wasserhaushalt, Boden)und des landschaftsräumlichen Kontextes auch das Potenzial der in Frage kommenden Ö-kosysteme berücksichtigt werden, im Vergleich zum Schaden tatsächlich äquivalente Leis-tungen zu erbringen (King 1997). Der erste größere Schadensfall, bei dem dieses Verfahrenin der Praxis angewandt wurde, war die Belastung des Wassereinzugsgebiets des FlussesPanther Creek durch die Freisetzung kontaminierter Bergwerksabwässer (Chapman et al.1998). Der hier eingesetzte Indikator war das Vorkommen des Chinook-Lachses. Sowohl derangerichtete Schaden als auch potenzielle Ersatzmaßnahmen wurden im Hinblick auf dasLachsvorkommen als Indikator für die Gewässergüte bewertet und neben primären auchkompensatorische Wiederherstellungsmaßnahmen zum Ausgleich der zwischenzeitlicheVerluste (z. B. Wiedereinsetzung des Lachses, Anlage von Fischtreppen, Renaturierung vonFlussabschnitten) bestimmt. Der Einsatz der Habitat-Äquivalenz-Analyse ist jedoch nicht aufökologische Leistungen beschränkt, sondern kann prinzipiell z.B. auch bei Erholungsfunktio-nen natürlicher Ressourcen angewandt werden.

Value-to-Value Approach

Liegen die Voraussetzungen des Service-to-Service Ansatzes nicht vor, z.B. wenn keinegleichwertigen Ersatzmaßnahmen mangels Flächen identifiziert werden können, sehen dieOPA-RULES eine ökonomische Bewertung in Form des Value-to-Value Ansatzes vor. Hierwird die Wertgleichheit der kompensatorischen Wiederherstellung und des Schadens mittelsökonomischer Bewertungsmethoden ermittelt, wobei keine detaillierten Vorgaben über denEinsatz der jeweiligen Methoden gemacht werden (NOAA 1997). Wohl aber existieren gene-relle Vorgaben zur Auswahl der Methode (§ 930 OPA-RULES). Danach muss das gewählteVerfahren auf den konkreten Schadensfall anwendbar, die zusätzlichen Kosten bei der Wahlkomplexer Bewertungsverfahren verhältnismäßig sowie die Reliabilität und Validität der Er-gebnisse gegeben sein.

Die Aufgabe bei diesem Bewertungsansatz ist, sowohl den Nutzenverlust durch den öko-logischen Schaden als auch den Nutzen potenzieller Wiederherstellungsmaßnahmen öko-nomisch zu bewerten. Ziel ist, eine naturale Kompensation durch die Identifizierung solcherMaßnahmen herbeizuführen, deren auf den Gegenwartswert abdiskontierter Nutzen denGegenwartswert der geschädigten natürlichen Ressource gerade ausgleicht. Im Grunde liegtdiesem Verfahren eine einfache Logik zugrunde: Wenn auf der Ebene der ökologischenLeistungen kein einfaches Äquivalent identifiziert werden kann, was z.B. der Fall sein kann,wenn eine natürliche Ressource in erster Linie für Erholungszwecke genutzt wird und keinenatürliche Ressource mit vergleichbaren Erholungsfunktionen in der näheren Umgebungeingebracht oder aufgewertet werden kann, sollen die Präferenzen der Geschädigten (z.B.

22

der Ausflügler, lokale Bevölkerung) darüber entscheiden, welche Maßnahmen den Schadenausgleichen können. Ähnlich wie bei den CERCLA-RULES ist auch hier der Wertbegriff rechtweit gefasst und beinhaltet sowohl nutzungsabhängige als auch nutzungsunabhängigeWerte (§ 990.30 der OPA-RULES). Auch im Falle des Value-to-Value Ansatzes werden demVerursacher aber die Kosten der als wertgleich ermittelten Wiederherstellungsmaßnahmenangelastet, nicht aber der in Geldeinheiten bewertete Schaden.

Value-to-Cost Approach.

Für den Fall, dass zwar die Bewertung des Schadens möglich ist, eine gesonderte und mög-licherweise aufwändige Bewertung konkreter Wiederherstellungsmaßnahmen aber nichtmöglich oder verhältnismäßig erscheint, sehen die OPA-RULES als letzte Möglichkeit dieAnwendung des Value-to-Cost Ansatzes vor. Die Schadenssumme wird hier auf der Basisdes Wertes der geschädigten Ressource berechnet und zur Durchführung von Wiederher-stellungsmaßnahmen verwendet. Die Gleichwertigkeit der Kompensation auf der Ebene dernatürlichen Ressourcen wird aber nicht gesondert untersucht. In der Praxis wird dieses Ver-fahren häufig bei kleineren Schäden angewandt, wenn für deren Bewertung bereits Datenvorliegen oder die Ergebnisse anderer Studien übertragen werden können (Penn 2001).9

Sofern dies möglich ist, muss die zuständige Behörde Wiederherstellungsmaßnahmenauswählen, die Leistungen in gleicher (same) Art und Qualität wie die geschädigte Ressour-ce erbringen sowie von vergleichbarem Wert sind (NOAA 1997). Damit ist zunächst immerzu prüfen, ob der Service-to-Service Approach anwendbar ist, bei dem auf eine ökonomischeBewertung aufgrund eines engen räumlichen und funktionalen Zusammenhangs von Wie-derherstellungsmaßnahmen und Schaden verzichtet werden kann. Der Maßstab der Wie-derherstellungsmaßnahmen, der den Schaden quantitativ ausgleicht, wird dann in diesenFällen z.B. mit der Habitat-Äquivalenz Methode berechnet. Liegen die Voraussetzungenhierfür nicht vor, sollen Wiederherstellungsleistungen identifiziert werden, die im Vergleichzur geschädigten Ressource zumindest Leistungen von vergleichbarem (comparable) Wertaufweisen. Hier muss für die Bestimmung des adäquaten Umfangs eine ökonomische Be-wertung durchgeführt werden (value-to-value oder value-to-cost). Generell bestimmt folglichdie faktische Verfügbarkeit von Wiederherstellungsmaßnahmen über die Form der anzuwen-denden Bewertungsmethode. Die möglichen Formen der Wiederherstellbarkeit werden vonder Behörde festgestellt, und die Wahl der Bewertungsmethode ist zu begründen.

9 Bei diesem Ansatz handelt es sich um den sogenannten Benefit Transfer. Dies ist ein Verfahren, beidem die Ergebnisse früherer Bewertungsstudien (Primärstudien) auf die aktuelle Bewertung einesUmweltschadens (Sekundärstudie) übertragen werden. Vorteile dieses Verfahrens liegen in der Kos-ten- und Zeitersparnis, während aus theoretischer Perspektive etliche Probleme bestehen. Siehe zumBenefit Transfer und den methodischen Aspekten im Einzelnen u.a. Desvousges et al (1998), Bate-man et al. (2000) oder Ahlheim & Lehr (2000).

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Offenkundig findet damit bei der Bewertung nach den OPA-RULES eine Abwägung zwi-schen einer empirischen Absicherung der Wertgleichheit von Wiederherstellungsmaßnah-men und ökologischem Schaden mittels ökonomischer Methoden einerseits und den damitverbundenen Kosten andererseits statt. Pragmatisch wird hier vorgegeben, dass bei Wieder-herstellungsmaßnahmen, die anhand der genannten Kriterien bewertet weitgehend demSchaden entsprechen, eine ökonomische Bewertung unterbleiben soll. Nach strengen öko-nomischen Kriterien wird zwar selbst bei solchen, weitgehend übereinstimmenden natürli-chen Ressourcen oder Leistungen eine wertmäßige Äquivalenz nur unter sehr restriktivenVoraussetzungen erreicht, die in der Praxis kaum gegeben sein dürften (vgl. Unsworth &Bishop 1994). Bei in starkem Maße homogenen Naturgütern soll aus Gründen der Kosten-und Zeitersparnis aber die explizite ökonomische Bewertung vermieden werden. Bei zuneh-mender Heterogenität ist dann die Frage, ob eine Metrik ausgemacht werden kann, die qua-litative Variationen einfängt und somit zumindest näherungsweise sichergestellt wird, dassdurch die Wiederherstellungsmaßnahmen die geschädigten Leistungen tatsächlich kompen-siert werden (vgl. King 1997). Erst wenn eine solche Verrechnung durch die zuständige Be-hörde auf der Ebene der Ressourcen bzw. ihrer Leistungen nicht möglich ist, wird zu auf-wändigeren ökonomischen Bewertungsverfahren gegriffen.

Obwohl damit die ökonomische Bewertung im Vergleich zu den CERCLA-RULES zurück-gedrängt wurde, bleibt für diese dennoch ein beachtlicher Anwendungsbereich, vor allem beigroßen Schadensfälle erhalten. Im Kern geht es hierbei um die Frage, welche Leistungennatürlicher Ressourcen Individuen als gleichwertig ansehen. Im Unterschied zu den CERC-LA-RULES ist es bei der Anwendung des Value-to-Value Ansatzes auch notwendig, denNutzen der geschädigten natürlichen Ressource und denjenigen möglicher Wiederherstel-lungsmaßnahmen simultan zu ermitteln und auszugleichen. Dies kann sowohl durch die mo-netäre Bewertung geschehen als auch durch andere Bewertungsverfahren, bei denen aufeine explizite Monetarisierung verzichtet wird (NOAA 1997).

4.3.2. Angewandte Methoden in der Praxis der Schadensbewertung nach den OPA-RULES

Die Methodenentwicklung bei der Anwendung der OPA-RULES ist keineswegs abgeschlos-sen, wohl aber deuten sich einige Tendenzen und vorläufige Erfahrungen an: Die Habitat-Äquivalenz-Analyse als Skalierungsverfahren findet insbesondere bei der Bestimmunggleichwertiger ökologischer Leistungen (z.B. Habitate, biologische Funktionen) Anwendung,weniger bei direkten Leistungen für die Bevölkerung (z.B. Erholungsfunktionen). Insgesamtwerden nach vorliegenden Schätzungen bei 50 und 80 Prozent der Schadensfälle die Wie-derherstellungsmaßnahmen mit dieser naturschutzfachlichen Methode bestimmt (Brans2001: 144). Als problematisch kann sich neben der Beschaffung der erforderlichen Datenerweisen, dass die Parameter zur Bestimmung der formulierten Voraussetzung der Gleich-wertigkeit von Schaden und Wiederherstellungsmaßnahmen in der Praxis flexibler ange-

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wandt werden, und damit offen bleibt, ob tatsächlich eine vollständige Kompensation desSchadens erfolgt (Desvousges & Lutz 2000: 424).

Die Kontingente Bewertung, die nach den Vorgaben des OPA-RULES zur Ermittlung derGleichwertigkeit von Schaden und Wiederherstellungsmaßnahmen weiterhin einsetzbar wä-re, spielt hingegen in der praktischen Anwendung eine stark untergeordnete Rolle(Desvousges & Lutz 2000). Bislang wurde diese Methode nur in Fällen des value-to-costAnsatzes verwandt. Hier wurden aber keine aufwändigen Primärstudien erstellt, sondern eserfolgte bei kleineren Schadensfällen eine Übertragung der Ergebnisse bereits vorliegenderDaten, beispielsweise zur Wertschätzung von Stränden an anderen Küstenabschnitten(Penn 2001). Die Verwendung der Methode wurde aber auch hier in der Regel nicht zur Er-mittlung von nutzungsunabhängigen Werten eingesetzt.

Generell kann in der aktuellen Bewertungspraxis ein Trend ausgemacht werden, soweitwie möglich bei der Anwendung ökonomischer Methoden auf das Verfahren des BenefitTransfer zu setzen. Allerdings hat sich gezeigt, dass in den (wenigen) Fällen, bei denen eszu einer gerichtlichen Entscheidung zur Anwendbarkeit eines Benefit Transfer kam, die Ak-zeptanz höher ist, wenn die Originaldaten nicht auf einer Kontingenten Bewertung, sondernauf der Anwendung indirekter Bewertungsmethoden (z.B. Reisekostenansatz) basieren(Thompson 2001).

Im Bereich der umfragebasierten Verfahren wird stärker die Conjoint Analysis eingesetzt,bei der auf eine Bewertung in Geldeinheiten verzichtet werden kann. Die Wertgleichheit vonSchaden und Ersatzmaßnahmen wird direkt mittels Paarvergleichen abgefragt (Mathews etal. 1995). So kann eine von der Bevölkerung bevorzugte Ersatzmaßnahme oder eine Rang-ordnung verschieden möglicher Wiederherstellungspläne mit dieser Methode ermittelt wer-den. Ähnlich wie die Kontingente Bewertung können mit der Conjoint Analysis die relativeVorteilhaftigkeit potenzieller Maßnahmen und noch nicht existierender Detailausgestaltung(z.B. Bepflanzung) ermittelt werden. Die Conjoint Analysis wird in der Praxis vorrangig beider Ermittlung der Erholungsfunktionen natürlicher Ressourcen eingesetzt, weniger zur Be-stimmung von nutzungsunabhängigen Werten. Dies wurde zuletzt deutlich beim Fall derPCB-Kontamination des Lower Fox River/Green Bay. Obwohl in einer aufwändigen Vorstu-die zur ökonomischen Schadensbewertung Kompensationsmaßnahmen identifiziert wurden,die auch die nutzungsunabhängige Werte der Gewässerverunreinigung abdecken sollten(Bishop et al. 2000), basierte der vorgeschlagene Vergleich mit dem Verursacher aus-schließlich auf Wertverlusten durch entgangene Erholungsnutzung (hier Anglertage)(Department of Natural Resources 2000). Da die Fälle, bei denen die Conjoint Analysis bis-lang zum Tragen kam, zudem sämtlich außergerichtlich entschieden wurden, liegen nochkeine Erfahrungen über deren gerichtliche Akzeptanz vor (MEP/EFTEC 2001).

Auf der Random Utility Theory aufbauende Reisekostenansätze (McFadden 2000) wer-den aktuell eingesetzt, um entgangenen Erholungsnutzen aufgrund eines Schadens einzu-

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schätzen (Desvousges & Waters 1995). Dadurch können detaillierte Informationen über diekonkrete Ausgestaltung der Wiederherstellungsmaßnahmen, beispielsweise bezogen aufden Standort oder andere Attribute, gewonnen werden. Generell konzentriert sich die An-wendung ökonomischer Methoden nach den OPA-RULES bislang stark auf die Leistungennatürlicher Ressourcen für direkte menschliche Nutzungen (z.B. Trinkwasser, Erholungsflä-chen), während deren Anwendbarkeit bei der Bewertung ökologischer Funktionen wenigererprobt ist.

Eine weitere Funktion der ökonomischen Bewertung ist, Argumente für die Verhältnismä-ßigkeit der von der zuständigen Behörde vorgeschlagenen Wiederherstellungspläne zuerbringen. Eine solche Überprüfung kann vom Verursacher in bestimmten Fällen verlangtwerden. Nach den Vorgaben zur Schadensschätzung sollen nämlich keine Maßnahmendurchgeführt werden, deren Kosten im Verhältnis zum Nutzen in erheblichem Maße unver-hältnismäßig (grossly disproportionate) wären (MEP/EFTEC 2001). Bei der Beurteilung einersolchen erheblichen Unverhältnismäßigkeit muß aber auch die nutzungsunabhängige Wert-schätzung für die Ressource berücksichtigt werden (Mazzotta et al. 1994, Boyd 2001).

Zusammenfassend kann die Praxis der OPA-RULES im Vergleich zu den CERCLA-RULES als ein Zurückdrängen der ökonomischen Bewertungsverfahren interpretiert werden,da die OPA-RULES die Anwendung des service-to-service approach bevorzugen. Gleich-wohl werden ökonomische Bewertungsverfahren vor allem bei solchen natürlichen Ressour-cen eingesetzt, deren Wiederherstellung nur über sehr lange Zeiträume möglich ist, und fürdie von naturschutzfachlicher Seite, vor allem bezogen auf die betroffenen Erholungsleistun-gen, keine oder nur unvollständige Wiederherstellungsmaßnahmen identifiziert werden kön-nen.

4.3.3. Bewertung der Praxis der Schadensbewertung nach den OPA-RULES

Die Praxis der Schadensbewertung kann einerseits danach bewertet werden, inwiefern dieFestlegung auf eine naturale Kompensation aus Gründen der Praktikabilität und AkzeptanzVorzüge aufweist. Ökonomisch gesprochen würde dies bedeuten, dass die naturale Kom-pensation mit geringeren Transaktionskosten verbunden ist. Andererseits spielen hierbeiauch wohlfahrtsökonomische Überlegungen eine Rolle, da die Anwendung der OPA-RULESim Unterschied zu einer monetären Bewertung des Schadens möglicherweise zu gesamt-wirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten führt.

a) Praktikabilität und Akzeptanz der OPA-Rules

Die Vorzüge der Vorgaben der OPA-Rules werden von den zuständigen Behörden vor allemdarin gesehen, dass im Unterschied zu den CERCLA-Rules der gesamte Vorgang der Scha-densbewertung von Beginn an auf die vollständige Wiederherstellung der Leistung der ge-schädigten Ressource ausgerichtet ist (Jones & Pease 1997). Auch bestehen aufgrund der

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Identität von Schadenssumme und Wiederherstellungskosten keine Finanzierungsengpässemehr. Die Aufgabe der Trustees, Maßnahmen durchzuführen, die auf der Ebene der Res-sourcen den Schaden tatsächlich ausgleichen, wird durch die neue Regelung erheblich er-leichtert.

Von Seiten der Verursacher wird die Kalkulation auf der Basis der Wiederherstellungs-kosten vor allem wegen der größeren Vorhersehbarkeit der Schadenssummen geschätzt.Aufgrund der Bindung der Schadenssumme an die Herstellungskosten wird das Problem dergroßen Zahl bei der Anwendung der Kontingenten Bewertung gelöst, deren Anwendung invielen Fällen zu erheblich höheren Schadenssummen führen würde. Durch die Bindung derSchadenssumme an die tatsächlichen Kosten von Wiederherstellungsmaßnahmen findeteine faktische Begrenzung der Schadenssummen statt, die bei der Verwendung der Kontin-genten Bewertung zur direkten Ermittlung der Schadenssummen in der Form nicht gegebenwäre. Durch den weitgehenden Verzicht der Anwendung der Kontingenten Bewertungkonnte auch die sehr kontrovers geführte Diskussion um die Berücksichtigung von nutzung-sunabhängigen Werten bei der Schadensschätzung erheblich eingedämmt werden. Gleich-wohl bestehen bei einigen Industrievertretern weiterhin Bedenken bezüglich der grundsätz-lich Berücksichtigung von nutzungsunabhängigen Werten. Ebenso wurde von Seiten derVerursacher teils moniert, dass die Definition der erlaubten Wiederherstellungsmaßnahmenzu wenig präzise ausfalle (Boyd 2001). Vor dem Hintergrund der abgeschlossenen jüngerenSchadensfälle, bei denen die OPA-RULES im gesamten Bewertungsverfahren angewandtwurden, kann aber eingeschätzt werden, dass die Konflikte zwischen den Verursachern undden Trustees bei der Schadensschätzung deutlich reduziert wurden (Brans 2001).

Die Vorteile des nunmehr dominierend in Form der Habitat-Äquivalenz Verfahrens ange-wandten Service-to-Service Ansatzes werden in seiner für die Trustees hohen praktischenHandhabbarkeit gesehen. Hinzu kommt der im Vergleich zu ökonomischen Bewertungsme-thoden erheblich reduzierte Zeit- und Kostenaufwand. Zusätzlich erscheint die Akzeptanzdes Verfahrens vor Gericht höher als die der ökonomischen Bewertungsmethoden. Gleich-wohl sind bereits auch hier vor Gericht methodische Details bei der Verrechnung von ökolo-gischen Leistungen moniert worden (Thompson 2001).

Generell hat die Reform der Bewertungsverfahren durch die OPA-RULES von 1996 damitnicht zu einer entsprechend kontroversen fachlichen und politischen Diskussion geführt, wiedies bei den CERCLA-RULES der Fall war. Einerseits kann dies auf die Tatsache zurück-geführt werden, dass es bislang nicht zu der von manchen Industrievertretern befürchtetenExplosion der Schadensersatzansprüche gekommen ist und auch die Versicherungswirt-schaft Produkte zur Absicherung bei ökologischen Schäden für Unternehmen angeboten hat(Boyd 2001). Tatsächlich kommt eine jüngere Untersuchung von dreißig Ölunfällen im Zeit-raum von 1994-1997 zu dem Ergebnis, dass die aufgrund der dargestellten Schadensbe-wertung angelasteten Kosten im Durchschnitt nur 26 Prozent der (bekannten) Gesamtkosten

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bei Ölunfällen ausgemacht haben (Helton & Penn 1999). Auch erscheinen die in dieser Stu-die ermittelten Kosten der Schadensschätzung von durchschnittlich drei Prozent der be-kannten Gesamtkosten für die Verursacher eher moderat.10

Andererseits liegt die höhere Akzeptanz der neuen Bewertungsregeln offensichtlich auchan dem mittlerweile stärker kooperativen Stil bei der Festsetzung der kompensatorischenWiederherstellungsmaßnahmen. So wird die ökonomische Bewertung auch bei den OPA-RULES primär zum Abstecken von (Maximal-) Forderungen zu Beginn eines Aushandlungs-prozesses genutzt. Die in den meist angestrebten Vergleichsverfahren vereinbarten Scha-denssummen entsprechen aber nur sehr selten den in den Bewertungsstudien ermitteltenSummen. Die außergerichtliche Einigung ist im Verfahren der Schadensbewertung in jederPhase möglich, nach einer gerichtlichen Entscheidung jedoch nur dann zulässig, wenn hier-durch die breitere Zielsetzung des Gesetzes, nämlich eine vollständige Wiederherstellungder geschädigten Ressource zu erreichen, nicht gefährdet wird.11

b) Wohlfahrtsökonomische Aspekte der OPA-RULES

Das Prinzip, die monetäre Kompensation nach den CERCLA-RULES durch eine erweitertenaturale Kompensation zu ersetzen, wird von den meisten Ökonomen akzeptiert und stehtnicht im Widerspruch zu grundsätzlichen wohlfahrtsökonomischen Überlegungen (Mazzottaet al. 1994, Desvousges & Lutz 2000). Als problematisch kann jedoch eingeschätzt werden,dass einerseits nach der geltenden Praxis in der überwiegenden Zahl der Schadensfälle aufeine präferenzbasierte Ermittlung des Wiederherstellungsumfangs bzw. eine monetäre Be-wertung verzichtet wird. Hiermit zusammenhängend kann andererseits nicht ausgeschlossenwerden, dass die naturale Kompensation in einem wohlfahrtsökonomisch ineffizienten Um-fang erfolgt.

Grundsätzlich gilt, dass beim Service-to-Service Ansatz auf die Ermittlung der Präferen-zen der Bevölkerung verzichtet und die Gleichwertigkeit von Experten beurteilt wird. DieseGleichwertigkeit ist jedoch nur dann gegeben, wenn es sich bei Wiederherstellungsmaß- 10 Auch bei den nach den CERCLA-RULES bewertet Fällen ist der durchschnittliche Anteil der Kostenfür die naturale und/oder monetäre Kompensation eher gering. Eine ältere Studie vom General Ac-counting Office (GAO) schätzte den durchschnittlichen Anteil der Kompensation für ökologischeSchäden auf lediglich ein Prozent der gesamten Schadenssumme (GAO 1996). Offensichtlich wird dieHöhe der Schadensersatzforderungen ganz wesentlich von den Reinigungskosten beeinflusst. Beiden von GAO ausgewerteten 70 Schadensfälle ergaben sich insgesamt Kompensationsaufwendun-gen für die ökologischen Schäden in Höhe von 177 Millionen US-Dollar. Allerdings entfielen dabei ca.143 Millionen US-Dollar allein auf sechs Schadensfälle, so dass im Einzelfall die Summen eine erheb-liche Größenordnung erreicht haben. Die im Durchschnitt geringe Summe ergibt sich folglich daraus,dass in vielen Schadensfällen – nach durchgeführter Reinigung – kein messbarer ökologischer Scha-den verblieben ist.11 Vgl. die Gerichtsentscheidung Kennecott Utah Copper Corp. V. U.S. Department of Interior, 88 F.3d1191 (D.C. Cir 1996).

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nahmen und dem ökologischen Schaden aus Sicht der Bevölkerung tatsächlich um perfekteSubstitute handelt. Aus ökonomischer Perspektive ist aber die bei der Habitat-ÄquivalenzAnalyse a priori erfolgende Gleichsetzung der Leistungen natürlicher Ressourcen mit ihrerWertschätzung nur für den Fall plausibel, dass eine Reihe von strengen Kriterien, z.B. zurKonstanz des Grenznutzens ökologischer Leistungen im Zeitablauf, erfüllt sind.12 Da dieseAnforderungen an perfekte Substitute in der Realität jedoch selten erfüllt sind, werden beider Anwendung der Habitat-Äquivalenz Analyse, sofern strenge wohlfahrtsökonomischeMaßstäbe angelegt werden, stets Wohlfahrtsverluste verbleiben.

Aber auch für den Fall, dass der Nutzenzuwachs durch Wiederherstellungsmaßnahmeninsgesamt dem ökonomischen Verlust durch den Umweltschaden entspricht, entsteht dasProblem distributiver Effekte. Denn dieser Nutzenzuwachs wird sich sowohl räumlich alsauch zeitlich anders verteilen als der ökonomische Wert der geschädigten Ressource. Auf-grund solcher Effekte kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der trotz der Wieder-herstellungsmaßnahmen verbleibende Nutzenverlust bei einem Teil der Bevölkerung größerist als der Nutzenzuwachs bei anderen Bevölkerungsgruppen. Damit wird das Ziel der voll-ständigen Kompensation gemessen an ökonomischen (Wohlfahrts-) Kriterien tatsächlichaber verfehlt (Flores & Thacher 2001). Ohne Monetarisierung werden solche distributivenEffekte innerhalb der Gruppe der Ressourcennutzer nicht sichtbar und können auch nicht beiEntscheidungen berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl für die Anwendung der Habitat-Äquivalenz Analyse als auch für den Einsatz der Conjoint-Analysis, wenn bei dieser auf eineBewertung in Geldeinheiten verzichtet wird. Generell wird die Kompatibilität der Conjoint-Analysis mit den theoretischen Grundlagen der Wohlfahrtsökonomik und Random UtilityTheory von etlichen Wirtschaftswissenschaftlern verneint bzw. nur mit großen Einschränkun-gen bejaht (vgl. Louviere et al. 2000, Bennett & Blamey 2001).

Vor diesem Hintergrund ist die Durchführung einer monetären Bewertung zur Ermittlungdes Kompensationsumfangs vorzuziehen, wobei hierbei nutzungsabhängige und nutzungsu-nabhängige Werte abgeschätzt werden müssten. Die ökonomischen Bewertungsmethodenbei Anwendung der OPA-RULES werden derzeit jedoch faktisch nicht zur Ermittlung vonnutzungsunabhängigen Werten eingesetzt. Dies wird von einigen Autoren damit gerechtfer-tigt, dass auch für Wiederherstellungsmaßnahmen, die mit der Habitat-Äquivalenz Analyseberechnet werden, eine nutzungsunabhängige Wertschätzung besteht und damit – wenn-gleich nicht systematisch – nutzungsunabhängige Werte berücksichtigt würden (Mazzotta etal. 1994, Brans 2001, S. 175). Ob und in welchem Umfang aber tatsächlich eine naturaleKompensation nutzungsunabhängiger Werte erfolgt, bleibt eine empirisch offene Frage. Ge-nerell ist dies jedoch skeptisch zu beurteilen, da nach allgemeiner Einschätzung die nut-zungsunabhängige Wertschätzung der Bevölkerung für die mittels der Habitat-Äquivalenz 12 Desvousges et al. (1999) diskutieren fünf Kriterien, die aus wohlfahrtsökonomischer Perspektiveerfüllt sein müssten.

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Analyse ermittelten Wiederherstellungsmaßnahmen geringer ist als die für ungeschädigtenatürliche Ressourcen (Kopp 1999: 91). Vor diesem Hintergrund tendiert die Anwendung derOPA-RULES folglich zu einer Unterkompensation des Schadens.13

Schließlich können sich bei der Anwendung des Verfahrens der OPA-RULES weitere In-effizienzen ergeben, da generell Wiederherstellungskosten keine Aussagen über die Wert-schätzung der Ressource liefern. Aufgrund der Tatsache, dass nach den OPA-RULES demVerursacher in den meisten Fällen (Ausnahme value-to-cost approach) aber die Kosten derWiederherstellungsmaßnahmen angelastet werden, besteht kein systematischer Zusam-menhang mehr zwischen der ökonomischen Wertschätzung für die geschädigte Ressourceund der Schadenssumme. Abhängig von den Kosten der durchgeführten Maßnahmen kannsomit die Schadenssumme im Verhältnis zum ökonomischen Wert in Geldeinheiten sowohlhöher als auch niedriger liegen. Diese Abweichung ist aus der Perspektive der Kompensati-on des Schadens unerheblich, da – sofern die Entscheidung über Art und Umfang der Wie-derherstellung tatsächlich auf einer ökonomischen Bewertung der Wiederherstellungsmaß-nahmen und des Schadens einschließlich betroffener nutzungsunabhängiger Werte basiert –die Geschädigten vollständig (natural) kompensiert werden (Mazzotta et al. 1994). Jedoch istdabei nicht ausgeschlossen, dass der ökonomische Wert der Ressource deutlich unterhalbder Wiederherstellungskosten liegt und damit die Anlastung dieser Kosten als Schadens-summe aus rechtlicher Perspektive unverhältnismäßig14 und an ökonomischen Kriterien ge-messen ineffizient wäre, da eine (geringere) monetäre Kompensation ebenfalls einen voll-ständigen Schadensausgleich erbringen könnte (Unsworth & Bishop 1994). Da derzeit beider Schadensschätzung auf monetäre Maße weitgehend verzichtet wird, findet jedoch eineÜberprüfung des Verhältnis von Kosten und Nutzen der Wiederherstellungsmaßnahmen nurin sehr wenigen Fällen statt.

Aus Sicht einer optimalen Anreizwirkung zur Verhütung zukünftiger Schäden geht die ö-konomische Forschung zudem davon aus, dass eine solche am ehesten dann bewirkt wird,wenn der ex ante monetarisierte Wert der Ressource veranschlagt würde und damit das re- 13 Diese Einschätzung wird von den meisten Ökonomen geteilt, jedoch das Problem für unterschied-lich relevant gehalten. So ist z.B. für Stewart (1999) die naturale Kompensation nutzungsunabhängi-ger zwischenzeitlicher Verluste generell nicht durchführbar. Die Gründe hierfür sieht er darin, dasstemporäre nutzungsunabhängige Wertschätzungen kaum ermittelt werden können und zudem Wie-derherstellungsmaßnahmen ohnehin nie die gleiche nutzungsunabhängige Wertschätzung aufweisenwie die geschädigte Ressource. Da aber die Schadenssummen generell zweckgebunden für Wieder-herstellungsmaßnahmen einzusetzen sind, wird auf der Ebene der Ressourcen kein Ausgleich zwi-schenzeitlicher Nichtnutzungswerte möglich sein. Methoden wie die Conjoint Analysis hält Stewart fürnoch nicht entwickelt genug, um dieses Problem zu lösen.14 Dieses rechtliche Argument ist jedoch angesichts der Rechtsprechung zu den Umwelthaftungsre-gelungen in den USA (insb. das Ohio-Urteil) zu relativieren, da allein die Tatsache, dass die Wieder-herstellungskosten über dem ökonomischen Wert der Ressource liegen, noch kein ausreichenderGrund ist, von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen (vgl. Mazotta et al. 1994).

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levante Preissignal für potenzielle zukünftige Verursacher wäre. Das Verfahren der OPA-RULES wird damit an wohlfahrtsökonomischen Kriterien gemessen nicht nur zu einem häufigineffizienten Kompensationsumfang führen, sondern auch suboptimale Präventionsanreizefür potenzielle Umweltbelaster setzen. Dieser Umstand hängt jedoch auch mit generellenSchwierigkeiten zusammen, einen einheitlichen Bewertungsansatz zu finden, der sowohleine vollständige Kompensation des vorliegenden Schadens bewirkt als auch eine optimalePräventionswirkung impliziert (Phillips & Zeckhauser 1995).15

4.4. Zusammenfassende Einschätzung zur Schadensbewertung imUS-amerkanischen Umwelthaftungsrecht

Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass die OPA-RULES zwar große Vorzüge inder praktischen Anwendbarkeit aufweisen, diese allerdings mit gewissen, und im Einzelfallmöglicherweise erheblichen wohlfahrtsökonomischen Verlusten einhergehen. Ob die OPA-RULES damit per Saldo eine Verbesserung gegenüber einer stärker ökonomischen Bewer-tung und monetären Kompensation des Schadens darstellen, ist empirisch noch nicht geklärtund wird je nach Betrachtungsweise und Gewichtung einzelner Vor- und Nachteile andersbeurteilt. Die Mehrheitsmeinung der Ökonomen geht aber davon aus, dass mit den OPA-RULES eine akzeptable Balance zwischen ökonomischen Optimalitätsansprüchen und prak-tischen Erfordernissen gefunden wurde. Voraussetzung hierfür ist aber, dass präferenzba-sierte Bewertungsverfahren weiterhin eine Rolle bei der Ermittlung der naturalen Kompensa-tion spielen und zumindest solche Maßnahmen nicht durchgeführt werden, deren Kostenoffensichtlich deutlich deren Nutzen übersteigen. Die Praxis der Schadensbewertung gehtaber verstärkt in die Richtung, ökonomische Methoden in ihrer Anwendung zurückzudrängenund diese nur in wenigen Ausnahmefällen einzusetzen. Insbesondere der weitgehende Ver-zicht auf die Kontingente Bewertung als Bewertungsmethode führt dazu, dass ein mögli-cherweise erheblicher Teil des ökonomischen Schadens mittlerweile nicht mehr systema-tisch mit geeigneten Bewertungsverfahren abgedeckt wird.

Den theoretisch durchaus gegebenen Vorzügen einer verstärkten Monetarisierung ökolo-gischer Schäden, wie sie noch in den CERCLA-Rules vorgesehen ist, stehen die dargeleg-ten Nachteile in Bezug auf Akzeptanz und Praktikabilität gegenüber, die letztlich zu den Re-gelungen der OPA-Rules geführt hatten. Ein entscheidender Nachteil der CERLCA-Rulesauch aus ökonomischer Perspektive ist, dass hier keine Aussagen über die effiziente Ver- 15 Einige US-Ökonomen, für die die Präventionswirkung der Schadensberechnung stärker im Vorder-grund steht als eine vollständige Kompensation der Betroffenen, haben deshalb von den NRDA-OPAstark abweichende Vorschläge zur Schadensbewertung entwickelt. Sie basieren auf vereinfachtenund von potenziellen Verursachern besser kalkulierbaren Bewertungsmethoden, so z.B. abstrakteBewertungsmodelle, die an den Umweltrisiken bestimmter Tätigkeiten ansetzen (vgl. Rutherford et al.1998, Brans 2001: 172 ff.)

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wendung der Schadenssummen getroffen wurden. Aufgrund der Zweckbindung der Scha-denssummen, die auch bei den CERCLA-Rules nur für Wiederherstellungsmaßnahmen ein-gesetzt werden dürfen, ist es auch aus ökonomischer Perspektive plausibel, die Frage derKompensation der Betroffenen auf die Ebene der naturalen Kompensation zu verlagern, wiedies bei den OPA-RULES geschieht.

5. Einschätzung des Vorschlags der EU-Kommission und einAusblick auf die Rolle der Ökonomik

Die dargestellten Vorgaben zur Schadensbewertung des Richtlinienvorschlags entsprechenweitgehend dem Ansatz der OPA-RULES, zum Teil sind sie sogar wortgleich.16 Dies ist u.a.auf Konsultationen der Europäischen Kommission mit den zuständigen US-Behörden zu-rückzuführen und auf eine die Richtlinie vorbereitende Studie, die sich bereits eng an die US-Regelungen angelehnt hatte (vgl. MEP/EFTEC 2001). Ein nennenswerter Unterschied be-steht jedoch im Folgenden: Während die US-Regelungen zur Umwelthaftung das Wiederrei-chen des Ausgangsniveaus vor Schadenseintritt durch die primäre Wiederherstellung alsweitgehend nicht verhandelbar ansehen, zeigt sich der Vorschlag der Europäischen Kom-mission hier offener, wenn stattdessen zusätzliche kompensatorische Wiederherstellungs-maßnahmen getroffen werden. Aus ökonomischer Perspektive kann dies befürwortet wer-den, da damit die Wahrscheinlichkeit geringer wird, dass Maßnahmen zur Wiederherstellungdes Ausgangsniveaus getroffen werden, deren Kosten den hiermit verbundenen Nutzendeutlich überschreiten (vgl. Phillips & Zeckhauser 1995).

Die Kommission hat mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf insgesamt einen Rege-lungsansatz vorgeschlagen, mit dem eine bestehende Lücke – die kaum verankerte Haftungbei überindividuellen Umweltschäden – für einen Teil der Umweltschäden geschlossen wer-den könnte. Dies sind neben den im Richtlinienvorschlag genannten gesundheitsrelevantenBodenverunreinigungen vor allem Gewässerschäden in Zusammenhang mit den Gütekrite-rien der Wasserrahmenrichtlinie sowie Schäden an Naturschutzgebieten, die nach europäi-schem Recht (FFH- und Vogelschutzrichtlinie) in den Mitgliedstaaten auszuweisen sind. DerRichtlinienvorschlag belässt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, bei der nationalen Umset-zung weitere Umweltschäden – beispielsweise Naturschutzgebiete nach nationalem Recht –in die Haftung einzubeziehen und die Regelungen zur Ermittlung eines adäquaten Wieder-herstellungsumfangs auch auf diese zu beziehen. Zum angestrebten Lückenschluss im Be-

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Dabei sind die vorgeschlagenen Vorgaben der Kommission im Anhang II des Richtlinienentwurfswesentlich knapper gefasst als die NRDA-OPA und enthalten nur deren wesentliche Punkte. Hierbeimuss aber berücksichtigt werden, dass die NRDA-OPA eine Verwaltungsverordnung darstellen undim Unterschied zu dem Richtlinienentwurf keinen Gesetzestext.

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reich der Umwelthaftung gehört bei der Schadensbewertung auch die Berücksichtigung zwi-schenzeitlicher Verluste. Im Unterschied zum US-amerikanischen Haftungsrecht, welcheszwischenzeitliche Verluste auch schon in älteren Regelungen berücksichtigt hatte, sind sol-che temporären Schäden bislang in den bestehenden internationalen und nationalen Um-welthaftungsregelungen weitgehend nicht erfasst. Deshalb würde auch diese Regelung fürzwischenzeitliche Verluste einen deutlichen Fortschritt gemessen am Ausgangsniveau derUmwelthaftung in Europa erbringen.

Angesichts widerstreitender Interessen und unterschiedlicher Einschätzungen zum Richt-linienvorschlag ist derzeit aber offen, ob und in welcher Form dieser verabschiedet werdenkönnte.17 Während Umweltverbände den Vorschlag als minimalistisch charakterisieren unddavon ausgehen, dass aufgrund des engen Schadensbegriffes und der vorgesehenen Aus-nahmetatbestände eine effektive Präventionswirkung kaum erreicht werden kann, geht derVorschlag nach Auffassung von Industrievertretern noch zu weit und enthält aus ihrer Sichtzu wenig Beschränkungen bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen. Aus der Reiheder letztlich im Ministerrat entscheidenden Regierungen der Mitgliedstaaten sind unter-schiedliche Einschätzungen getroffen worden. Generell scheint hier die vorgesehene weiteEinstandspflicht der Behörde bei Umweltschäden auf Skepsis zu stoßen, wobei hier erhebli-che finanzielle Belastungen der öffentlichen Haushalte befürchtet werden. Ebenso wird dieVerankerung der Haftung für zwischenzeitliche Verluste teils kritisch eingeschätzt, da dieseaus rechtssystematischen Gründen nicht mit dem bestehenden Haftungsrecht einiger EU-Staaten vereinbar wäre. Schließlich ist die Frage der obligatorischen Versicherung bzw. Ver-sicherbarkeit für Umweltschäden ein wichtiges Thema. Bislang verzichtet der Richtlinienvor-schlag auf eine obligatorische Deckungsvorsorge, was in der Praxis dazu führen würde, dassbei Insolvenz eines Verursachers der Staat für die Sanierung des Schadens aufkommenmüsste.

Der Vorschlag, in bestimmten Fällen ökonomische Bewertungsverfahren, die an individu-ellen Präferenzen ansetzen, als Methoden zur Ermittlung von Wiederherstellungsmaßnah-men bzw. der Schadenssumme zuzulassen, geht immer noch deutlich über die bislang inden EU-Mitgliedstaaten etablierten Verfahren der Umweltbewertung hinaus und ist daher zubegrüßen. Die EU würde dadurch eine rein technische Definition von Sanierungs- bzw. Wie-derherstellungsmaßnahmen überwinden und Vorgaben dazu formulieren, dass die Entschei-dungen über Art und Umfang der Wiederherstellung bei Umweltschäden an den Präferenzender Bevölkerung auszurichten sind. Welches Schicksal dieser Vorschlag im Zuge der weite-ren Beratungen in Brüssel erfahren wird, ist allerdings schwer zu prognostizieren. Angesichts

17 Eine Zusammenfassung der Positionen der Industrievertreter, der Umweltverbände sowie der Mit-gliedstaaten ist dem Richtlinienvorschlag vorangestellt. Darüber hinaus finden sich auf der Websiteder Europäischen Kommission weitere Positionspapiere einzelner Interessengruppen und Akteure.Siehe http://europa.eu.int/comm/environment/liability/consultation.htm

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der geringen Erfahrungen und teils auch reservierten Haltung in den EU-Staaten gegenüberder ökonomischen Umweltbewertung ist eine über den nun vorliegenden Richtlinienentwurfhinausgehende Rolle von ökonomischen Methoden der Monetarisierung aber wohl eher un-wahrscheinlich.

Gerade aus ökonomischer Sicht wäre Reformdruck auf die Umweltbewertung insbeson-dere in Deutschland zu begrüßen. Eine entscheidende Schwäche der bisher angewendetenVerfahren ist, dass bei der ex-ante Festlegung von Kompensationsmaßnahmen nach demNaturschutzrecht bislang lediglich naturschutzfachlich bzw. ökotechnisch argumentiert wird,ökonomische Kriterien aber kaum eine Rolle spielen. Bei bestimmten Schadensfällen ist da-von auszugehen, dass ohne die Berücksichtigung individueller Präferenzen bei der Scha-densermittlung nicht gewährleistet werden kann, dass tatsächlich ein Schadensausgleichstattfindet. Selbst vermeintlich gleichartige Ressourcen unterscheiden sich zumindest in ihrerzeitlichen, häufig aber auch räumlichen Verfügbarkeit oder bezogen auf andere Eigenschaf-ten (Qualität, nicht berücksichtigte Teilleistungen der Ressource etc.). Daher kann in vielenFällen allein auf Basis von naturschutzfachlichem Expertenurteil nicht abschließend beurteiltwerden, ob nicht trotz der Durchführung naturaler Kompensationsmaßnahmen erhebliche,unkompensierte Schäden bei Teilen der Bevölkerung zurückbleiben. Ebenso besteht ohneden Einsatz ökonomischer Methoden der Umweltbewertung keine Möglichkeit, ein effizientesMaß an naturaler Wiederherstellung – gemessen an Kosten und Nutzen der Maßnahmen –zu ermitteln.

Allerdings ist auch aus ökonomischer Sicht eine ökonomische Bewertung der Umwelt-schäden nicht in allen Fällen sinnvoll. Zum einen ist die Anwendung ökonomischer Bewer-tungsverfahren nicht kostenlos, sondern gerade im Fall der direkten Verfahren wie der Kon-tingenten Bewertung und den Choice Experiments mit hohen Kosten verbunden.18 Hierzugehören sowohl die eigentlichen Kosten der Schadensschätzung (Durchführung von Umfra-gen, Datenbeschaffung und -auswertung, Personalkosten etc.) als auch Verhandlungs- undmöglicherweise Prozesskosten, die sich bei der Anwendung umstrittener Bewertungsmetho-den ergeben können (vgl. MEP/EFTEC 2001). Zum anderen stoßen zumindest die umfrage-basierten Bewertungsmethoden an ihre Grenzen, wenn in erster Linie komplexe ökosyste-mare Leistungen zu bewerten sind.

18 Zu diesem Kostenargument in Bezug auf umfragebasierte ökonomische Verfahren ist jedoch anzu-merken, dass für diese Methoden durchaus Möglichkeiten der Kostensenkung bestehen (z.B. Tele-foninterviews, kleinere Stichproben etc.). Bislang ist allerdings kaum systematisch untersucht worden,ob und in welcher Form sich weniger teure Formen der Datenermittlung auf die Validität der Ergebnis-se einer Kontingenten Bewertung auswirken. Einzig Whitehead et al. (1998) haben einmal analysiert,ob sich die Anforderungen des NOAA-Panels auch mit kostengünstigeren Methoden, in diesem Falltelephonisch durchgeführten Interviews, erfüllen lassen.

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Im Fazit ist festzuhalten, dass der Einsatz der ökonomischen Bewertung, trotz einiger Be-schränkungen, im Rahmen der Umwelthaftung grundsätzlich möglich und in bestimmtenFällen auch sinnvoll ist. So kann die monetäre Bewertung von Umweltschäden einen wichti-gen Beitrag leisten, den andere Methoden nicht übernehmen können. Aus diesem Grundwird hier dafür plädiert, die Spielräume, die der Richtlinienentwurf der Europäischen Kom-mission für den Einsatz dieser Bewertungsmethoden lässt, stärker auszunutzen als dies inden USA zur Zeit der Fall ist. Als Leitlinien für die Anwendung ökonomischer Bewertungs-verfahren sind folgende Punkte zu nennen, deren detaillierte Ausformulierung einer interdis-ziplinären Arbeit von Ökonomen, Juristen, Ökologen sowie Landschaftsplanern bedarf.

• Eine Anwendung des Service-to-Service Ansatzes ist immer dann besonders problema-tisch, wenn es sich bei den wiederherzustellenden Leistungen um solche handelt, diesich einer „objektiven“ Beurteilung im Verwaltungshandeln in starkem Maße entziehen.In besonderem Maße gilt dies sicherlich für Funktionen natürlicher Ressourcen, die ihreästhetische Qualität oder das Naturerlebnis betreffen. Je stärker deshalb natürlicheRessourcen direkt von Menschen genutzt bzw. geschätzt werden, sollte daher umso e-her eine ökonomische Bewertung durchgeführt werden.

• Bei erheblichen Kosten der Wiederherstellung und gleichzeitig bestehenden Unsicher-heiten über die Wertschätzung für das geschädigte Naturgut sollte eine ökonomischeBewertung des Schadens durchgeführt werden, um eine in einem gesamtwirtschaftli-chen Sinne ineffiziente Überkompensation des Schadens zu verhindern.

• Eine ökonomische Bewertung wird zunehmend wichtiger, je bedeutsamer und seltenerdas geschädigte Naturgut ist, also keine vergleichbaren Substitute vorliegen Bei be-deutsamen Schäden, die sehr seltene oder einzigartige Ressourcen betreffen, solltenauch nutzungsunabhängige Werte für die Schadensschätzung ermittelt werden. Nachdem Stand der empirischen Forschung sind diese Werte bei derartigen Ressourcen amehesten zu erwarten. Auch wenn eine verlässliche Ermittlung dieser Werte mit einemerheblichen Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist, ist dies in derartigen Fällen ge-rechtfertigt, da ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Unterbewertung des Schadensentstünde.

• Umgekehrt gilt, dass ökonomische Bewertungsmethoden dann eher verzichtbar sind,wenn ein Tausch eins zu eins auf der Ebene der natürlichen Ressourcen möglich ist. Jeweniger ähnlich die möglichen Wiederherstellungsmaßnahmen sind und je weiter ent-fernt vom geschädigten Standort sie realisiert werden können, desto eher sollte jedochdie von Fachwissenschaftlern angenommene Gleichwertigkeit von Schaden und Wie-derherstellungsmaßnahmen durch eine ökonomische Bewertung abgesichert werden.

• Um entscheiden zu können, wann welche geschädigten Ressourcen mit welcher Me-thode bewertet werden sollten, wären von naturschutzfachlicher Seite eindeutigere Kri-

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terien zu liefern, wann eine Ressource als (sehr) bedeutend anzusehen ist bzw. keineaus naturschutzfachlicher Perspektive ausreichenden Wiederherstellungsmaßnahmenvorliegen. Fraglich ist z.B., ob alle nach der FFH-Richtlinie ausgewiesenen Flächenschon hinreichend bedeutend sind, um in jedem Fall einer ökonomischen Bewertungunterzogen zu werden, oder innerhalb dieser Flächen noch weiter differenziert werdensollte.

• Als kostengünstige Alternative zur primären ökonomischen Bewertung sind Verfahrenzum Benefit-Transfer zu erwägen. Allerdings wird um die Validität dieser Ansätze einebreite Diskussion geführt, die noch keine eindeutigen Ergebnisse hervorgebracht hat.Zudem wird der Einsatz dieser Verfahren in Deutschland durch die im internationalenVergleich geringe Anzahl an Primärstudien begrenzt. Aufgrund der möglichen Zeit- undKostenersparnis kann der Benefit-Transfer aber auch heute schon eine Option bei klei-neren Schadensfällen sein. Entsprechend sollten gerade zur Fortentwicklung diesesAnsatzes entsprechende Forschungen verstärkt auch in Deutschland durchgeführt wer-den.

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