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Die Orientierung und Zielsetzung des »Yoga aus der Reinheit der Seele« Eine exoterische Arbeitsgrundlage Heinz Grill

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Die Orientierungund Zielsetzung des»Yoga aus der Reinheitder Seele«Eine exoterische Arbeitsgrundlage

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ISBN 3-9805742-8-8

Das Ziel des Yoga ist nicht, wie es allgemeinin verschiedenen Schulen noch angestrebt wird,ein Erlöschen der Individualität und ein Auf-gehen in den Erfahrungen der kosmischen Ein-heiten mit ihrer schweigenden Ruhe, sondern einBewußtwerden im Denken, Fühlen und letztenEndes in der Identität des Handelns gegenübereiner sich offenbarenden geistigen Wirklichkeit,die selbst die metaphysische Welt übersteigt.

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Inhalt

Die Orientierung und Zielsetzung des 5»Yoga aus der Reinheit der Seele«

Die Ordnung des Bewußtseins spiegelt sich 25innerlich im Menschen und äußerlich in derAdministration der Einrichtung

Über die Problematik von Hierarchie und 33Gehorsam

Inspirative Quellen auf dem Geistschulungsweg 37

Zu der Anthroposophie Rudolf Steiners

Zu dem »Yoga aus der Reinheit der Seele«

Zu der Synthese des Yoga von Sri Aurobindo

Empfohlene Literatur zu konkreten Studienaufgaben

Eine stufenweise Einordnung und 42Selbstbestimmung eines Suchendennach geistiger Individuation

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Anschrift in Deutschland:Kirchreit 1

D-83564 Soyen

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

Copyright 1998 beiLammers-Koll Verlag e.K.Leopoldstraße 1D-75223 Niefern-Öschelbronnwww.lammers-koll-verlag.deAlle Rechte vorbehalten

ISBN 3-935925-77-8

Druck: Vochezer-Druck, D-83301 Traunreut

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Die Orientierung und Zielsetzung des »Yoga aus der Reinheit der Seele«

Eine exoterische Arbeitsgrundlage

Der Begriff »exoterisch« beschreibt nach der üblichen Definition einereligiöse Grundlage, die für alle Menschen und allgemein für dieÖffentlichkeit bestimmt ist. Es ist der Begriff, der eine natürliche Wei-te beschreibt. In einem gewissen Gegensatz liegt hier der Begriff»esoterisch«, der für eine religiöse Disziplin gebraucht wird, die nurfür bestimmte vorbereitete Menschen gültig ist. Es ist der Weg derEinweihung in eine ganz andersartige Wirklichkeitsform.

Der Begriff »esoterisch« hat in den letzten Jahrzehnten eine sehr viel-seitige profane Bedeutung erhalten und wurde mit einer breitenSchicht von Methoden, Übungen, Bewegungen, Ritualen, Gebräu-chen und Techniken so in das herkömmliche Leben der Allgemein-heit hineingeführt, wie es dem Wesen des initiatorischen Lebenswiderspricht. Mit dem Begriff »esoterisch« ist in der folgenden Dar-stellung nicht die profane Bedeutung gemeint, sondern tatsächlichdie klassische Form von Einweihung in die Erfahrungen und Gedan-ken der geistigen Welten. In der Disziplin des Yoga wird aber einesehr deutliche Trennung zwischen den Anteilen vorgenommen, dieexoterisch sind, zu jenen, die esoterischen Charakter besitzen.

Ganz allgemein und um der Einfachheit willen kann am Anfanggesagt werden, daß jene originalen Schriften, die der »Yoga aus derReinheit der Seele« besitzt, esoterischen und damit initiatorischenCharakter haben, während jedoch alle daraus gebildeten Unterrichts-formen und die Wege der Annäherung und Auseinandersetzung einetypisch exoterische Grundlage in ihrer Gestaltung besitzen. Ein Un-terricht in diesem Yoga beinhaltet deshalb keine besonderen geheim-nisvollen und mystischen Elemente, sondern einen natürlichen päd-agogischen und wissenschaftlichen Grundton.

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Gesetze des Lebens ein. Die wissenschaftliche Sicht unserer moder-nen Kultur geht von der Sinneswahrnehmung und von der erforsch-baren Wirklichkeit aus. Die geistige Sichtweise jedoch geht von derWirklichkeit eines kosmischen und ewigen Bewußtseins aus, in diesich die Seele erst nach dem Tode ganz hineingliedert. Dieses Reichnach dem Tode unterliegt einem anderen Wirklichkeitssinn und eineranderen Bewegungsrichtung des Denkens als es das diesseitige kon-ventionelle Auffassen und Wahrnehmen erlebt.

Die exoterische Lehrgrundlage trennt ganz gezielt die wissenschaftli-chen Fundamente, die ganz den Gesetzen der Kultur der Zeit, derPädagogik, der verständlichen Darstellung und anschaulichen Lehr-übermittelung entsprechen, von den Schriften, Erkenntnissen undLehren, die aus der anderen Wirklichkeit hervortreten und damiteine geheimnisvolle, initiatorische und ungreifbare Wirkungsenergiebesitzen.

Der übergeordnete Begriff »Yoga aus der Reinheit der Seele« verkün-det aber nicht eine neue religiöse Bewegung, einen neuen Yoga mitalternativen Übungen und Maßstäben oder eine Glaubensgruppe,die sich auf ein Credo oder eine ideologisierte Welt der Zukunft aus-richtet, sondern die Bezeichnung will vielmehr jene innere Übungs-disziplin direkt im Worte beschreiben, die aus einem unterscheiden-den Verständnis der verschiedenen Zusammenhänge von Leib undSeele entsteht. Aus dieser unterscheidenden Sichtweise ist nicht derphysische Leib der primäre Ansatzpunkt, von dem ausgehend dieEntwicklung in die höheren Erkenntnisse und Bewußtseinsebenenbeginnt, es ist das Bewußtsein, das durch rechte Stimmungen, Ge-danken und Übungsansätze zu einem höheren Niveau trainiert wirdund das sich schließlich über den Körper, über die Sprache, dieGesten und Handlungen mit Weite, Schönheit oder Weisheit aus-drückt. Der Yoga betont die künstlerische und ästhetische Wesens-seite und richtet sich mit all seinen verschiedenen Übungen mehr andie Entwicklung der sogenannten Seelenkräfte, namentlich an das

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Die originalen Schriften und Inhalte, die zu dem Yoga niedergelegtsind, sind Meditationsschriften und können von der gegenwärtigenWissenschaftsanalyse nicht erfaßt werden, denn sie sind größtenteilsBeschreibungen einer anderen und höheren Wirklichkeit. Diesehöhere Wirklichkeit ist nur durch eine sehr langsame Annäherungmit der Entwicklung einer ganzheitlichen und geisterfüllten Logikverständlich. Der ganz andere Anspruch der Inhalte, die in sich einegeschlossene Gedankenführung bilden, bedeutet jedoch nicht, daßsie deshalb falsch oder gar irrational wären, sie sind nur innerhalbder derzeitigen wissenschaftlichen Wege mit der intellektuell-analy-tischen Methode noch nicht nachvollziehbar.

Der Leser muß sich wohl gerade deshalb die Frage stellen, wel-chen Sinn dann die Schriften mit diesem nichtwissenschaftlichenund nichtanalytischen Charakter erfüllen. An einem kleinen Beispielkann diese Bedeutung eine Erklärung erhalten. In den Ausführungenwerden Seelenerlebnisse und verschiedene Hinweise auf die Exi-stenz eines Seelenmysteriums gegeben. Der ganz andere Sinn derAngaben liegt in der Art und Weise, wie sie geschildert werden. Inder Regel ist das konventionelle Wahrnehmen ganz an die Sinne undihre Ausströmungen vom Leibe nach außen zu den verschiedenenObjekten gebunden. Diese Bewegungsrichtung der Sinne ermöglichtdie bekannte wissenschaftliche Methode, die eine Beurteilungs-fähigkeit im entsprechenden Maße nach der Fähigkeit der Analyseund der nachfolgend angestellten Schlußfolgerungen bringt. In denSchriften des »Yoga aus der Reinheit der Seele« kehrt sich aber dieZielrichtung des Denkens um und richtet sich etwa wie von einemÄußeren zu einem Inneren, von einem Objekt ausgehend zu dempersönlichen Bewußtsein. Es befindet sich in den Darstellungen dieAtmosphäre einer geistigen Schau, die der leibfreien Seele entspricht.Das ist eine andere Realität, die den Stufen der Reinheit in den Him-melsregionen nahekommt und somit mit jener Logik auf das irdischeGeschehen blickt, die gewöhnlich erst nach dem Tode frei wird. Werdie Schriften des Yoga studiert, übt sich in die jenseitigen ewigen

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Grunde wird er, äußerlich gesehen, noch wenig ergriffen und in dieTat umgesetzt.

Eine der wichtigen Voraussetzungen für den Beginn einer Yoga-Akti-vität – sei sie mehr einfacher Art wie dies in Volkshochschulkursender Fall ist, oder sei sie mehr im Sinne einer fachlichen Schulung mitinspirativen Schriften, wie sie in Bad Häring stattfindet – ist der geeb-nete Boden möglichst reiner und seriöser Bedingungen. Die reinenBedingungen erscheinen wie eine Straße ohne Furchen und Gräben.So wie sich ein Fahrzeug leichter auf einer geebneten Straße bewegenkann, so kann sich der individuelle Sucher mit seinen Wahrnehmun-gen und Gefühlen innerhalb reiner Grundbedingungen und Grund-motive leichter zurechtfinden. Das Maß eines freien und für die Ent-wicklung verfügbaren Willens, die individuelle Natur des Gemütesund die möglichst wache Verstandesgegenwart werden durch dieumliegenden Verhältnisse des Unterrichtsfeldes gefördert. Der Yogasieht in seinem Anliegen eine Zielsetzung in der Reinheit des Be-wußtseins, dessen Entwicklung jedoch nicht zu Lasten der individu-ellen Freiheit gehen soll, sondern sich auf einer geisteswissenschaft-lichen Ebene von rechten und weiten Sichtweisen entfaltet.

Das Ziel im Yoga ist ganz allgemein gesprochen eine vollkommeneFreiheit. Diese Freiheit, von der die Rede ist, könnte jedoch sehr leichtmißverständliche Formen annehmen und eine Art gefühlshafte Vita-lität mit einem ekstatischen Lebensgefühl bedeuten, oder sie könnteeine heimliche Ich-Identität sein, die ausschließlich auf intellektuel-len Wertmaßstäben und Wissensvergleichen beruht. Der Yoga suchtjedoch nicht diese äußeren Formen und Gefühle des sich Freifühlens,sondern eine Freiheit in dem sogenannten Selbst, im Yoga bezeichnetals der höchste purus.a, in manas, dem Denken, in buddhi, dem Fühlen,in a-tman, dem Willen. Jene Freiheit, die auf dem Wege entsteht undam Ende dominieren soll, ist von einer ganz anderen Leuchtkraft alsjene, die am Anfang besteht. Der Übende bleibt in seinen Lebens-verrichtungen, Arbeiten und Pflichten der gleiche, er bleibt unter

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Denken, Fühlen und an den Willen, die in ihrer Kapazität erweitert,verfeinert und von Geistigkeit durchlichtet werden sollen. Wenn dieSeelenkräfte primär angesprochen werden und nicht der Leib dasTransportmittel zur Vervollkommnung ist, so ist dies im Yoga eineunmittelbare Ausdrucksart der Entwicklung und des Lernens. Dieseprimäre Betonung des Seelischen, der Wahrung und Achtung gegen-über einer geistigen Wirklichkeit und der Entwicklung der Seelen-kräfte ist bezeichnend für den »Yoga aus der Reinheit der Seele«.

Dieser Übungsansatz unterscheidet sich sehr wesentlich von einemmystischen Weg und von jenen Yoga-Formen, die unter den meistetwas undeutlichen Begriffen »Hatha-Yoga« und »Kundalini-Yoga«zusammengefaßt werden. Ganz einfach, ohne fachterminale Zuord-nung gesprochen, will der »Yoga aus der Reinheit der Seele« mehr diegeistigen Anteile in der globalen Wesensnatur des Menschen stärken.Die geistigen und damit auch die neu zu individualisierenden Antei-le sollen sich auf dem Entfaltungsweg immer mehr zu einer reiferen,stabileren und gleichzeitig geeinten Persönlichkeit erheben, so daßder Körper in seiner Dominanz mit seinen Ängsten und Beschwer-nissen zurückweicht und ein Licht des Individualisierten und gleich-zeitig Unendlichen die Führung übernimmt.

Der Yoga ist nicht auf eine Gruppe von Menschen, die einen hohenAnspruch bewältigen wollen, ausgerichtet, sondern kann für alleZielgruppen, Wege, Berufe und Entwicklungsdisziplinen angewen-det werden. Die Disziplin ist nur ungeeignet für jene, die eine Selbst-vervollkommnung als Entwicklungsnotwendigkeit leugnen und dieeigene Ich-Identität nie in Frage stellen. Durch den allgemeinenbewußtseinshygienischen Charakter ist er nicht eine neue religiöseBewegung oder eine Sparte innerhalb des vielseitigen und breitenAngebots von Yoga-Übungsweisen. Es erscheint aber dennoch er-wähnenswert, daß der Weg des direkten Trainings der Seelenkräftefür die gegenwärtige Kultur und für den religiösen Geist der Zeiteher fremd und daher unfaßbar und schwierig erscheint. Aus diesem

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strahlung errichtet ist, gewährt in der exoterischen Grundhaltungeine lichten Transparenz und fördert die Freiheit und die Möglichkei-ten der Bewußtseinsbildung des individuellen Suchers in vielerleiHinsicht.

Es dürfte in der von der Psychologie geprägten modernen Kultureine bekannte Analogie sein, daß ein Lehrer seinen Interessentenund Schülern nur dasjenige Maß an individuellem Bewußtseinsraumund damit an individueller Freiheit gewähren kann, das er selbst beisich errungen hat. Wo liegt die Berechtigung für das Lehren von dersogenannten Wahrheit? Ein Yoga-Lehrer kann nicht die Wahrheit,die allgemeinhin als die absolute Wirklichkeit gilt, lehren, denn erwürde doch nur einen Teilaspekt eines Ganzen, der sicherlich unterbestimmten Bedingungen seine Gültigkeit besitzt, aber unter ande-ren Voraussetzungen nicht zutreffen kann, sehr bestimmend unter-richten. Ein kleines Beispiel vermag die Situation eines freien undweiten Lehrens im Vergleich zu einem gebundenen und engenUmgang mit dem Begriff eines Lehrpunktes aufzeigen: Der Yoga ver-tritt in der Regel eine vegetarische Lebensweise als einen Beitrag zuder Verwirklichung eines Ideals, in dem sich die menschliche Natureiner gewaltlosen Einordnung der Schöpfung hingibt und das Tötenvon Tieren vermeidet. Die Schule könnte nun fälschlicherweise denVegetarismus als zwingende Voraussetzung gleich einem Dogma leh-ren und diesen als eine selbständige Wahrheit verkünden. DieseLehranweisung wäre aber nahezu eine zwingende, die wie eine Vor-schrift klingt oder moralisierenden Charakter erhält und mehr dasBewußtsein gefangen nimmt. Aus diesem Grunde werden durch denLehrer des Yoga keine Dogmen und zwingenden Vorstellungengelehrt, sondern es wird vielmehr der Hintergrund in Zusammen-hängen mit dem Menschsein und der menschlichen Entwicklungbeleuchtet. Dem Interessenten bleibt nach dem Besuch einer Veran-staltung deshalb die freie Entscheidungswahl, ob er, im Beispiel blei-bend, Vegetarier wird oder nicht, ganz selbständig überlassen. Indemder Zuhörer eine sehr weit gefaßte Interpretation und eine im Kon-

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Umständen in seinen Gewohnheiten zuhause und verändert seinLeben nicht nach alternativen Grundsätzen, die einen östlichen oderweltanschaulichen Akzent tragen. Er wird nur einmal stärker undstabiler in seinem Seelenleben, das ihm in der Begegnung nach außengrößere Freiheiten gewährt. Der Übende wird auch sich selbst gegen-über freier und kann kleinliche Sorgen, Ängste und Abhängigkeitenmehr als relative Begebenheiten des Daseins erkennen. Die Freiheit,die auf dem Entwicklungspfad entsteht, ist deshalb nicht von eineräußeren Natur, sie beruht auf der Beweglichkeit und Dynamik desDenkens, Fühlens und des Willens, die zu objektiven Seeleninstru-menten werden und von einem lichthaften Geist durchdrungen undbereichert werden. Ein neues und größeres Bewußtsein kommt zudem bisherigen hinzu. Die Seele weitet sich über die herkömmlichengenetischen Grenzen zu einem größeren Umfassungsvermögen. Sosteht am Anfang jener Mensch, der im karma oder im Fleisch geborenist, und am Ende jener, der im Geist oder in purus.a geboren ist. DerWeg muß aber um des Gelingens willen vom Anfang bis zum Endevon sehr reinen Bedingungen geebnet und mit freien Entscheidungenund Schritten begangen werden.

Da diese individuelle Freiheit für die Entfaltung der Seelenkräfte inmanas, buddhi und a-tman von zentraler Bedeutung ist, wird sie inder personalen Begegnung mit einem Lehrer und in der gesamtenSystematik eines Seminars, Lehrsystems oder einer Institution mitbesonderer Sorgfalt berücksichtigt. Würden Bedrängnisse, Gruppen-zwänge, psychologische Affektionen auf das Unterbewußte, mora-lisierende Mittel oder organisatorische Dominanzen bestehen, sowürden sie in einer gewissen Weise die Freiheit der menschlichenSeele einschränken. So wie es ein Ziel im Yoga ist, daß der Mensch inseiner Verwirklichung nicht in der fleischlichen und äußeren Persön-lichkeitsgröße strahlt, so wird auch der Organismus für spirituelleSeminare so gestaltet, daß dieser nicht vor einer geistigen Quelle miteinem mächtigen Körper stehen kann. Das Umfeld, das notwendi-gerweise um eine spirituelle Persönlichkeit, ihr Werk und ihre Aus-

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Es stellt sich sodann noch einmal die essentielle Frage nach demWesen der Spiritualität, nach der Würde ihres geheimnisvollen Cha-rakters, nach ihrem verborgenen Leben und ihrem lokalen Standortim System. Diese Frage stellt sich vor allem deshalb, da der Unter-richt mit Übungen, Meditationen und Lehranweisungen nicht mehrdas Prädikat »Spiritualität« erhält, sondern nur einer der Bausteinein einem Seminar ist. Wo befindet sich das Mysterium der Spiritua-lität?

Die Spiritualität ist im »Yoga aus der Reinheit der Seele« ganz vonder Quelle des Begründers getragen. Sie ist personal. Sie ist nichtabsolut auf eine Person und dies auch nicht auf die Physis der Personbezogen. Sie drückt sich beispielsweise durch den Geist der Schriftenaus, die für sich, wie erwähnt, Meditationsschriften sind, die einelängere Betrachtung erfordern. Sie drückt sich weiterhin in den Bil-dern der a-sana aus, aber sie ist nicht die Perfektion der a-sana. Sie ver-strömt sich in die Herzen all jener, die in personaler Form auf dieoriginalen Inhalte des Yoga zugehen und die personale Begegnungsuchen. Aus diesen Gründen lebt sie auch teilweise in den Herzenderjenigen, die in einem Organisationsteam für die Gestaltung einesSeminars mitwirken und auf die Quelle zugehen. Dennoch ist aberdie Arbeit auf den unterschiedlichen Feldern, ob mehr administrati-ver oder pädagogischer Art, von den inneren tiefen und ungreifbarenRegionen des personalen Seins unterschieden.

Das Licht scheint auf die verschiedenen Einzelkörper, aber die Ein-zelkörper, die eine praktische Bausteinfunktion erfüllen, sind dochvon einer anderen Art und Festigkeit als das Licht. Das Licht scheintfür alle und ist das Bleibende, während die Körper im Laufe der Ent-wicklung verschiedene Ausmaße annehmen. Das Licht aber ist auchdie Freiheit, es ist unendlich und unmanifestiert und steht jedem glei-chermaßen zur Verfügung. Wenn nun aber durch falsche Identifikati-on eine Verwechslung eintreten würde, die das Manifestierte sogleichzu einem Anspruch an ein Selbstbewußtsein werden ließe, so stört

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text gehaltene Darstellung erhält, gewinnt er die Einsicht in vieleWahrheiten, die unter verschiedenen Voraussetzungen ihre angemes-sene Gültigkeit erhalten und doch innerhalb eines gesamten Bezie-hungsfeldes immer nur eine relative Gültigkeit aufweisen.

Obwohl der »Yoga aus der Reinheit der Seele« keine feststehende Kir-che, religiöse Institution, kein Orden und keine Art Dachverband ist,benötigt er zur Umsetzung seiner Ideen verschiedene Bildungsstät-ten. Diese Bildungsstätten sind jedoch sehr freie Einrichtungen, die,wofür die Stiftungsstätte in Bad Häring beispielshaft ist, vergleichbareinem Körper mit verschiedenen kleinen Einzelkörpern sind. JederKörper bildet für sich eine eigene Einheit mit eigener individuellerVerantwortung, die sich aber im Gefüge des Hauses wieder zu einemGanzen eingliedert. Zu einem spirituellen Seminar gehört beispiels-weise der Körper einer Organisation, der über die notwendige admi-nistrative Gestaltung verfügt, berät und einlädt. Weiterhin benötigtdas Seminar ein entsprechendes funktionstüchtiges Gebäude, dasmit Unterkunft und Verpflegung den geeigneten und wünschens-werten Rahmen zum Unterricht bildet. Schließlich bildet die zentraleTätigkeit des Seminars die direkte Lehrtätigkeit und Bildung, dieswieder als eigener Körper, der verschiedene Glieder besitzt, diein verschiedenen Formen wie beispielsweise in der Anleitung vonYoga-Übungen und Gesprächseinheiten bestehen. In der exoteri-schen Ausrichtung der verschiedenen Aufgabenfelder wird nun ne-ben dieser Gliederung in einzelne Verantwortungsbereiche jene ganzgezielte große Trennung zwischen allen administrativen Bereichen,der Unterrichtstätigkeit und der Übungsweise zu der Quelle derSpiritualität vorgenommen. Diese Trennung ist wie ein klärenderOrganismus, der das Licht von der Festigkeit oder das Ungreifbarevon allem Greifbaren scheidet. Die Spiritualität ist kein eigener Kör-per im Gebäude des Ganzen. Die angeleiteten Übungen für Konzen-tration oder für die ästhetische Gestaltung fallen unter die manifesteund greifbare Dimension und werden innerhalb des Organismus derKörper des Lehrgebäudes von der Spiritualität unterschieden.

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Die Spiritualität beruht auf einem Denken, das einer körperfreienDimension unterliegt und sich einem ganz anderen übersinnlichenWahrnehmungsfeld eingliedert. Wenn diese Art des Denkens mit ei-nem konventionellen und organgebundenen Denken verwoben wird,entsteht eine ungesehene Bindung, die sich in einer sich täuschendenWahrnehmung gegenüber von Wirklichkeiten ausdrückt. Das Ergeb-nis dieser Täuschungen führt zu Imitationen dem Lehrer gegenüber,zu Hierarchiespielen im Glauben und Symbiosen mit der Heiligkeit,zu heimlichen Weltfluchten mit unkonkreten Wunschvorstellungenund falschen Frömmigkeitsanwandlungen mit einer meist mehr oderweniger deutlichen Selbstaufgabe. Der Schüler neigt im besonderenMaße entweder zu einem gefühlshaften Sich-Hineinleben in die Spi-ritualität oder zu einem intellektuellen Disputieren, das an die Stelleeiner wirklichkeitsgemäßen, unterscheidenden Sicht der subtilenund doch großen Gegensätze eintritt.

Die Spiritualität mit ihren Gedanken und ausströmenden Empfin-dungen ist immer wie ein stilles Feuer, das in seiner Transzendenznicht mit den brennenden Fackeln der eigenen Wünsche, Gefühleund Gedanken ergriffen werden kann. Sie ist eine Welt, die nicht vondieser Welt ist und doch mit den erfüllten Worten und Ausstrahlun-gen als ein Beispiel zur Verehrung und Anerkennung in dieser die-nen kann.

Ein Yoga-Unterricht mit verschiedenen Körper-, Atem- und Seelen-übungen bewegt sich auf natürliche Weise in seinen konkreten Infor-mationen, Bildern und Anleitungen. Die Perfektion, die darin erzieltwird, unterliegt den jeweiligen Verhältnissen und dem Ehrgeiz desLehrers. Allgemein wird von der Ausbildung im »Yoga aus der Rein-heit der Seele« eine sehr hohe Qualität vorausgesetzt. Eine Interpre-tation einer Übung oder eine noch so genau erwogene Anleitung füreine Meditation ist aber noch nicht eine spirituelle Disziplin. DieSpiritualität eines Yoga-Unterrichtes darf deshalb nicht verwechseltwerden mit Worten, treffsicheren Anleitungen, pädagogischem Fin-

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dieser Anspruch die natürliche Ordnung und nimmt die Freiheit desIndividuums gefangen. Diese Ansprüche, die Wahrheitsansprüchedarstellen, nehmen das Licht gefangen und bringen es in eine un-glückliche Manifestation, die die geistige Freiheit raubt und zu einerTäuschung der Wahrnehmungen führt. So, im Vergleich gesehen,funktionieren die meisten religiösen Systeme, Yoga-Einrichtungenund spirituellen Stätten, in jener Verlagerung der freien Dimensiondes Lichtes, das sich ausdrückt in einem Denken der vollkommenenBewußtheit der geistigen Gegenwart, das aber durch den Irrtum desinstitutionellen Ergreifens gefangen wird und in die Benützung derweltlichen Identifikationen stürzt. Diesen Irrtum sucht das exoteri-sche Bausteinsystem mit sehr klar getrennten Einzelbereichen derVerantwortung zu vermeiden.

Für den »Yoga aus der Reinheit der Seele« dienen neben den Begrün-dungspublikationen die Werke von Sri Aurobindo und Rudolf Steiner.Sie werden in ihrem Sinne als Quellenschriften oder als inspirativeLiteratur betrachtet. In den Worten drückt sich Seele und Geist aus,die mit ihrer Fülle oder ganz andersartigen Wirklichkeit das Wort ausder üblichen Intellektualität oder Emotionalität entheben und eineEmpfindung oder bildhafte Vorstellung einer geistigen Wahrheit, diemit dem Fachbegriff »Imagination« genannt wird, naherücken. Eswäre tatsächlich eine falsche Schlußfolgerung oder Logik, wenn je-mand sagen würde: »Ich bin anderer Meinung als Sri Aurobindo.«Er würde das konventionelle Denken mit einem spirituellen Denkenverwechseln und einen Beurteilungsmaßstab ansetzen, der den in-spirativen Schriften nicht entspricht. Richtig gesehen kann man diespirituellen Quellenschriften nur auf arbeitsreiche und konkrete Wei-se verstehen lernen, indem man sich dem Denken im Sinne desAutors annähert und die Hoheit des Gedankens ergründet. Der Wegdes Studiums ist ein mühevoller, aktiver, der die Fähigkeit voraus-setzt, den eigenen Standpunkt des Denkens zu verlassen und inhöchster Konzentration in den Gedanken des Autors einzudringen.Die Lernschritte sind von einer objektiven Art.

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henbleibt, sondern verschiedene Komponenten berücksichtigt unddie ganzheitliche Wesensnatur des Menschen zu erschauen sucht.Dieser Yoga-Unterricht meidet jedoch ein zu theoretisches Diskutie-ren und hält sich weiterhin vom gefühlsmäßigen und mystischenErleben fern. Das Anliegen ist ein Training der Seelenkräfte, die inihrem Zusammenspiel stärker werden sollen und dadurch mehr dieGesundheit wie auch die Bewußtseinsklarheit fördern. So ist derUnterricht nicht moralisierend, nicht personengebunden, frei vonKonfessionen und dadurch auch für jeden geeignet. Bei Bildungsein-richtungen kann jedoch die Spiritualität als freiwilliges Angebot zurVerfügung gestellt werden, indem auf einen Buchtitel wie »Harmo-nie im Atmen« hingewiesen wird. Das Buch ist aber bei öffentlichenEinrichtungen keine zwingende Arbeitsgrundlage. Öffentliche Yoga-Kurse in Bildungseinrichtungen sind nicht personenzentriert.

Anders ist es bei den Seminaren, die in der unmittelbaren Gegenwartdes spirituellen Lehrers und Begründers stattfinden. Die Vorausset-zungen, Bedingungen und Ordnungsregeln nehmen zum Schutzedes Arbeitsklimas mehr die Rolle der Vorbereitung auf das Seminaran. Gewisse Lehrbücher und der Besuch einer vorbereitenden Infor-mationsveranstaltung ist eine Voraussetzung, damit das Arbeitenleichter begonnen werden kann. Die Organisation und die vorberei-tende Information werden aber als ein ganz konkreter und prakti-scher Arbeitsbereich genommen, der selbst dann, wenn er in direkterVermittelung zu dem spirituellen Lehrer fungiert, ein eigener undvorbereitender sozialer Betrieb ist. Würden heimliche Wahrheitsan-sprüche in eine administrative Seminararbeit hineingleiten, könntensehr unangenehme Nebenerscheinungen für außenstehende Interes-senten entstehen. Eine administrative Tätigkeit mit einem heimlichenWahrheitsanspruch an die Spiritualität würde beispielsweise einenAnrufer, der sich nach einem Seminar erkundigen möchte, nicht freigewähren lassen. Vielleicht würden aus naivem Sinne unsachlicheLobpreisungen am Telefon ausgesprochen werden. Es wäre aber stö-rend und für den Ablauf eines Seminars hinderlich, wenn ein ergrei-

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gerspitzengefühl oder energetisierenden Mantren, denn die Spiritua-lität würde sonst an Leistungen des äußeren Menschseins gebundensein. Die Spiritualität ist das Ehrgefühl der inneren Reinheit und stil-len Geistbeziehung. Die Perfektion in der Technik, Ausführung undAnleitung ist das Ehrgefühl der äußeren Haltung. Ein Yoga-Unter-richt kann deshalb sehr spirituell werden, wenn der Lehrer, derunterrichtet, eine tiefe Beziehung, ein Wissen und eine Wahrneh-mung zu den geistigen Quellen ausprägt. Die Spiritualität ist jedochein sehr stiller Beitrag, der mehr in der Seele des einzelnen lebt undder sich den Worten und Interpretationen weitgehendst entzieht.

Wie sieht ein Yoga-Unterricht im Sinne dieser sogenannten exoteri-schen Einordnung des Unterrichtens aus? Einer der ersten und wich-tigen Grundsätze ist es, daß in einem allgemeinen Kurs dem Inter-essenten nicht ein geistiger Inhalt aufgedrängt wird, der nicht ge-wünscht wird. Die Mehrheit aller Yoga-Interessierten sucht mit ihremKursbesuch weniger einen spirituellen Inhalt als Ziel, sondern mehrein einfaches Harmoniegefühl im Körper. Es erscheint heute einUnterricht in den verschiedenen Bildungswerken deshalb problema-tisch, da er durch die Hinzunahme eines Arbeitsbuches eine sehr per-sonenzentrierte Zugehörigkeit einnimmt. In öffentlichen Bildungs-stätten kann deshalb diese Form des Yoga nur in ersten Schritteneiner natürlichen Auseinandersetzung mit Körper-, Atem- und men-talen Übungen stattfinden. Die gesamte Unterrichtstätigkeit erfolgtjedoch nicht nach psychologischen Wertigkeiten und nach körper-lichen Erfahrungen, sondern sucht eine lebendige Auseinanderset-zung sowohl in abstrakter, begrifflicher Weise als auch in praktischerWahrnehmung gegenüber den Übungen und den daraus resultieren-den Ergebnissen. Im Hinblick auf die im Yoga so vielschichtig gelehr-ten Entspannungsmethoden sollte deshalb nicht nur die Methode zurAnwendung gelangen, sondern auch die Grundsätze eines entspann-ten Körpers und seine Gesetze sollten zum Inhalt werden. Dabeiachtet der Lehrer auf die Entwicklung eines möglichst zusammen-hängenden Denkens, das nicht sofort bei einer ersten Definition ste-

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Die exoterische Grundordnung einer Lehrveranstaltung hält weit-gehend jene Gefühle fern, die sich mit heimlichen Zugriffen der Seelebemächtigen wollen. Diese konkreten Verhältnisse sind sehr wichtig,denn mit den Yoga-Übungen suchen viele Personen ein besseresGesundheitsgefühl oder ein stabileres Selbstwertgefühl oder ganzallgemein ein psychologisches Harmonieempfinden von Körper,Seele und Geist. Die Erlebnisse führen aber im Verlauf meist in sehrschwer identifizierbare gefühlsmäßige Energien, die das Bewußtseinin eine unerwünschte Richtung drängen können. Die wenigstenMenschen können heute ein organisch-psychologisches Gefühl voneiner spirituellen Erfahrung unterscheiden. Harmoniebefinden imKörper und gesteigerte energetische Aufladung durch eine Übungoder Meditation werden heute fälschlicherweise als spirituelle Erfah-rung und manchmal sogar als Gotterfahrung bewertet. Der »Yogaaus der Reinheit der Seele« wird mit diesen Erfahrungen, die aufspürbaren Affektionen beruhen, sehr vorsichtig umgehen und erwird sie aus dem Lehrgebäude eher fernhalten. Dies hat einen ausder Erfahrung geprägten Hintergrund: Wer eine Erfahrung durchÜbungen oder entsprechende Meditation gewinnt, neigt gerne zueiner Identifikation mit der Erfahrung, er erhebt sein Selbstwertge-fühl und fühlt sich vielleicht, wie man sagt, »himmlisch« oder »in derGnade« oder »auserwählt«; wenigstens fühlt er sich doch ein Stückvon der Erde und von allen anderen enthoben. Welche Folge nehmendiese Erfahrungen, die in ihrer Art sehr unterschiedlich sein könnenund doch aber fast immer auf einer organischen Stimulation beruhen,für das weitere zukünftige Leben ein? Wenn man diese Erfahrungenuntersucht, so läßt sich eine sehr charakteristische Gemeinsamkeit inden meisten Fällen feststellen. Dasjenige, was die Lebenskraft imKörper darstellt (Fachsprache: Ätherleib), das pulsierende, zentrifu-gale und immerfort dynamische Energieprinzip, löst sich aus denVerankerungen im Leibe und levitiert zu weit nach oben oder ausdem Körper heraus. Die Folge ist ein Hochgefühl und gleichzeitigeine Schwächung, wobei letztere meist unbemerkt bleibt und aufDauer viele Störungen bis hin zu Erschöpfung und Krankheit bringt.

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fendes Wesen, das den Anrufer nicht in der Sache des Seminars infor-miert, sondern diesen für das Seminar und die darin gegenwärtigeSpiritualität gewinnen möchte, am Telefon erscheint. Dieses Wesen inder Auskunft würde den Anrufer bereits unfrei machen. Der Anruferwürde keine angemessene Information erhalten und würde durchdas inneliegende Wesen des Übergriffes in seiner Mentalität beein-flußt werden. Die Administration im Sinne des »Yoga aus der Rein-heit der Seele« hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, jene sachlicheQualität einer neutralen Information und beschreibenden Auskunftzu gewährleisten.

Der hohe Anspruch der Sachlichkeit, der klaren Vorstellung und nichtüberzeugender, sondern beschreibender Information und Vermitt-lungstätigkeit hilft allen Anwesenden zu einer natürlichen Einord-nung und zu einer guten Atmosphäre bei einer Veranstaltung. DerOrganismus einer exoterischen Grundordnung trägt ein sehr konkre-tes und reines Motiv, das auf der einen Seite transparent für eine höhe-re Wirklichkeit und auf der anderen Seite vermittelnd und klärendwirkt. Die geistige Quelle ist im »Yoga aus der Reinheit der Seele« ingewisser Weise vollständig passiv. Sie belehrt nicht, sie moralisiertnicht, sie sucht nicht zu gewinnen, sondern zeigt auf, bietet sich anund läßt jeden so weit gewähren, wie er ihrer anderen Wirklichkeitentgegenkommen möchte. Die geistige Quelle ist aber kein Unterneh-men, das selbst Veranstaltungen organisieren würde und Beschäftigteetwa wie verlängerte Arme nach außen senden würde. Wäre die Spi-ritualität das, so wäre sie ein eigenes weltliches Zentrum. Die exoteri-sche Administration stellt vor, beschreibt, vermittelt und bildet somiteine natürliche Brücke von der geistigen Ebene zur Welt. Als Brückeist sie somit für beide Richtungen nach oben und nach unten offen. Sieist aber auch ein Unternehmen, das zur Verwaltung finanzielle Kostenveranschlagt und zum Schutze aller eine natürliche Hausordnung,auf die sie nicht verzichten kann, bewahrt. Die Administration im»Yoga aus der Reinheit der Seele« ist ein eigenes soziales Organ, dassich unabhängig von der Spiritualität selbständig verwaltet.

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Tage einen mehr erdachten, aber doch so gemeinten mystischen Cha-rakter und nimmt innerhalb der Transsubstantiation mehr oder weni-ger magische Kräfte zu Hilfe. In Yoga-Einrichtungen werden eben-falls die inneren Energien von einem Lehrer auf den Nachfolger über-tragen, der sie wieder auf die Schüler überträgt. Gleichzeitig nehmenviele Übungen einen esoterischen Charakter an, da sie das psycholo-gische Ergebnis in der Gefühlserfahrung betonen und nicht eineprimäre Stärkung der Seelenkräfte anstreben. Meist besitzen Medita-tionen und Yoga-Übungen auch einen energetisch aufladenden undteils mystischen Charakter. Die Begriffe »Mystik« und »Esoterik«sind in der Umgangssprache und theologischen Grundlegung von-einander zu unterscheiden. Für diese Darstellung des exoterischenLeitsystems besitzen aber beide Richtungen, die mystischen Wegedes Christentums und die esoterischen Wege des Yoga, einen ge-meinsamen inneren Charakter. Sie bewegen sich nahezu immer ineiner verborgenen Region von Bewußtseinsschichten und Bewußt-seinsverlagerungen. Die Lehrer, die Ansätze und Teile aus dem »Yogaaus der Reinheit der Seele« unterrichten, arbeiten ganz nach eigenen,individuellen Erkenntnissen. Sie sind nicht stellvertretend für diespirituelle Quelle, sie sind nicht Funktionäre eines Systems, das einerobersten Direktionsstelle gehorcht und in der Verlängerung eineshöheren Willens funktioniert. Sie sind vielmehr Personen, die sichauf dem Weg der Stärkung der Seelenkräfte bereits geschult habenund nach ihren Möglichkeiten das erlangte Wissen mehr erzählendoder beschreibend zur Anschauung weitergeben.

Der Unterricht ist im allgemeinen mehr anschaulich und beschrei-bend, mehr darstellend und aufzeigend. Wenn es von den Teilneh-mern erwünscht ist, richtet sich die Anschauung in Achtsamkeit undkonkreter Bewußtheit an die spirituelle Quelle und auf die Inspira-tionen, die wie Meditation zur weiteren spirituellen Bereicherungdes Unterrichtes hinzugenommen werden. Der Lehrer weist jedochdie Schüler auf die Unterschiedlichkeit des Denkens, das bei derspirituellen Quelle vorherrscht und dem konventionellen, wissen-

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Das ungünstige Herauslösen der Lebenskräfte führt in der Folge fastimmer zu unendlichen Himmelssehnsüchten, die aber nur eine unbe-wußte Suche nach Geborgenheit und Sicherheit darstellen. Es isttatsächlich eine Versuchung, die sich heute mit vielen verschiedenenorganisch gebundenen Erfahrungen in das Menscheninnere gibt unddas Leben nicht wirklich im Leibe organisiert, sondern es aus derüblichen Festigkeit enthebt. Jene Personen, die dieser Versuchungunterliegen, lösen auf ihrem Weg ganz unbewußt familiäre und part-nerschaftliche Konflikte aus. Sie fühlen sich von der Familie nichtmehr verstanden und verlagern ihre Aufmerksamkeit allzuleicht aufeine spirituelle Gruppenzugehörigkeit oder auf einen Anschluß aufdem spirituellen Weg. Das Lehrgebäude in exoterischer Form wirktdiesen Versuchungen sehr weit vorbeugend entgegen, wenn auchdiese nicht ganz aufzuhalten sind. Seminare, die in einer klaren, sach-lichen Beziehung organisiert sind und keine Gruppenzugehörig-keitsmöglichkeit auf Dauer gewähren, eine spirituelle Quelle, dienicht in der Welt als eine eigene Partei steht, sondern nur der Mög-lichkeit zur Inspiration dient, ein Lehrer, der in seiner Funktionnur Übungen zur klaren Bewußtseinsformung vermittelt und die zukonsumierende Erfahrung außer Acht läßt, können einen wesent-lichen Beitrag zur rechten Seelenformung leisten. Die exoterischeEinordnung und die Trennung der spirituellen Quelle von allen tech-nischen Begleithintergründen beugt den Versuchungen, die durchfalsche Identifikationen und Gruppenzugehörigkeitsgefühle entste-hen, vor.

Dieses exoterische Lehrgebäude ist von der Gesamtkonstituierung,Idee und Praxis neu entwickelt. Es findet sich innerhalb des Yoga undder christlich-religiösen Einrichtungen sehr wenig. Bei der katho-lischen Kirche lebt oder sollte zumindest die andere Wirklichkeitdurch die sogenannte Sukzession leben, durch die Priesterweihe, diedie Kraft des Amtes und die Kraft zur sakramentalen und die Spiri-tualität stellvertretenden Amtsausübung gewährt. Das Spenden derSakramente hat in der katholischen Kirche deshalb bis zum heutigen

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Leibzusammenhanges und der, wenn vorhanden, hinzugenomme-nen Inspiration zu der Übung.

Auf diese Weise nähert sich der Übende in einer sehr weiten Ausein-andersetzung und Unterscheidungsbildung einer spirituellen Quellean, die er im Verlauf seiner Entwicklung in einer Gegenüberstellungzu seinem Ich erlebt. Es ist ein größeres Ich, das einem kleinerengegenübersteht. Im »Yoga aus der Reinheit der Seele« geschieht einegeistige Individuation, in der eine schrittweise Annäherung undAuseinandersetzung mit einer unbekannten und fremden Wirklich-keit erfolgt. Es ist nicht ein mystischer Pfad und kann auch nicht alseiner der modernen und typischen esoterischen Pfade bezeichnetwerden. Es ist ein Pfad, der auf der Bildekraft von Anschauung undBewußtsein beruht.

Die Gedanken zu der beschriebenen Grundordnung eines exoteri-schen Unterrichts sind durch praktische Erfahrungen und durch gei-stige Erkenntnisforschung entstanden. Sie beschreiben nicht nur einOrdnungssystem im Irdischen und der sozialen Religion, sonderngeben ein Bild aus einer übersinnlichen Wirklichkeit, das in Harmo-nie und Analogie zum Menschsein existiert. Das Ziel des Yoga istnicht, wie es allgemein in verschiedenen Schulen noch angestrebtwird, ein Erlöschen der Individualität und ein Aufgehen in den Er-fahrungen der kosmischen Einheiten mit ihrer schweigenden Ruhe,sondern ein Bewußtwerden im Denken, Fühlen und letzten Endes inder Identität des Handelns gegenüber einer sich offenbarenden gei-stigen Wirklichkeit, die selbst die metaphysische Welt übersteigt. DasDenken und Fühlen erlischt nicht in einem asketischen Schweigen,und das Leben zieht sich nicht in klösterliche Einsamkeiten zurück.Das Denken wird zu einem immer größer und brauchbarer werden-den geistigen Instrument erzogen, das mit den weltenschöpferischenGedanken eins wird. Die Gefühle bleiben natürlich und integrativ, sieerhalten aber ebenfalls eine Veredelung und eine aus dem Geistigenentwickelte Kreativität, die sie zu einem schöpferischen Wahrheits-

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schaftlichen Denken, hin. Mit diesen klaren Hinweisen entsteht eineweitere konkrete Anschauung und gleichzeitig eine Gegenüberstel-lung, die zur persönlichen Bereicherung führt. Durch die Anwei-sungen des Lehrers im Unterricht entstehen wichtige und stabilisie-rende Eindrücke zur Unterscheidung der verschiedenen Arten vonEnergien. Ein frühzeitiges Sich-Hineinleben in die spirituelle Quelleoder gar ein pseudoartiges Hineinverschmelzen in diese wird ver-mieden.

Das exoterische System einer Seminarordnung wird in der Regel vonTeilnehmern sehr angenehm, befreiend und reinigend erlebt. ManchePersonen aber, und das sind vorwiegend jene, die von Anfang anihre »Gotterfahrung« betonen und von sich aus wissen lassen, daß siesich »erleuchtet« oder »begnadet« fühlen, bekommen gerne für eini-ge Tage Probleme in der Annahme des ganzen. Die Erfahrung zeigte,daß die exoterische Ordnung ordnend und reinigend auf das Gemütdes einzelnen wirkt. Die Ordnung wirkt vor allem stabilisierend aufdie individuelle Struktur und auf die Kraft des Bewußtseins. Deranschauliche Unterricht ist vergleichbar mit einem Bergsteiger, dererst längere Zeit den Berg anblicken muß und Überlegungen zu derRoute anstellt, bevor er direkt die Hand an den Felsen legt. Mankönnte meinen, daß der exoterische Unterricht niemals wirklich indie Praxis schreitet und so erscheint wie ein Bergsteiger, der aus derLehnstuhlperspektive sein Ideal anblickt. Das ist aber nicht der Fall,denn im »Yoga aus der Reinheit der Seele« werden Übungen und Stu-dienschritte in der direkten Praxis vollzogen. Der Unterschied ist nurderjenige einer viel umfassenderen individuellen Stellung, die wieeine gesamtheitliche Übersicht von einem Ich zu einem Du bewahrtbleibt. So geht der einzelne Interessent nur so weit in die Übungs-weise hinein, wie er auch den beschauenden Überblick und dasnatürliche Verstehen bewahren kann. Der Yoga-Übende sucht nichtwie ein Bergsteiger den Durchbruch in einer Wand zum ersehntenGipfelpunkt eines hohen Gefühls, er sucht vielmehr ein objektivesErleben der verschiedenen Umstände der eigenen Seele und ihres

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Die Ordnung des Bewußtseins spiegeltsich innerlich im Menschen und äußerlich

in der Administration der Einrichtung

Die gesamte Organisation des exoterischen Systems entwickelt sichan einer geistigen Beobachtung der innerleiblichen Bewußtseins-strukturen. Die äußere Arbeit ist gewissermaßen ein direktes Spiegel-bild des inneren Verständnisses der religiösen Einordnung und Be-wußtseinsverfassung. Die rechte Erkenntnis der äußeren Strukturenund ihrer Beziehungsverhältnisse zueinander und untereinander ge-ben aber darüber hinaus wieder einen Anhaltspunkt über die innereAusrichtung des seelischen Lebens zu dem, was wir Gott nennen.Eine systematische Gliederung von Fachbereichen in einzelne Indivi-duationsbereiche führt nicht zu hierarchischen Verhältnissen undauch nicht zu einer in sich geschlossenen Kommune, sie führt viel-mehr zu einer klaren Kompetenzbestimmung und zu einer rationa-len individuellen Einordnung der Aufgabenbereiche. Die Aufgabensind, obwohl von unterschiedlichem Charakter und Ausmaß, voneiner gemeinsamen Idee getragen: das ist die Umsetzung und langsa-me Gestaltung von tiefen Imaginationen und Inspirationen innerhalbder jeweiligen fachlichen Stellung und sozialen Einordnung, damitein transzendentes Licht des Geistes leuchten kann und weiterhinmit diesem Licht eine praktische Bereicherung und Durchdringungder Lebensgestaltungen einsetzen kann. Das Ziel des gesamten Ar-beitens ist eine Synthese von Geist, Bewußtsein, Leben und Materie.

Betrachten wir einmal auf mehr technische Art den gesamten in-nerleiblichen Organismus des Menschseins. Das höchste Glied desMenschseins ist dasjenige, das so sehr landläufig mit »Ich« benanntwird. Dieses Ich als das höchste Glied ist aber bei genauer Betrach-tung nicht eine psychologische Komponente oder eine metaphysi-sche Wirklichkeit, es ist vielmehr eine reine Offenbarung und reineTranszendenz, das sich allen feinstofflichen Zugriffen und ethischen

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gefühl machen. Das Ziel der gesamten Bemühungen führt zu einerSynthese des Geistes in der Welt, die sich ausdrückt im Menschenund seiner Individuation, die stufenweise in einer Verwandlungsteht.

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sind aber in ihrer Eigenart weitaus schwieriger erfahrbar als dieerstgenannten. Es sind diese das sogenannte Leben, (Ätherleib), dassprießende Prinzip der zentrifugalen Energien und weiterhin derphysische Leib mit seiner sichtbaren Gestalt. Diese beiden Gliederexistieren jedoch nur aus dem einfachen Grunde, da das menschlicheWesen über ein Ich und über ein Bewußtsein verfügt. Aus diesemGrunde bemerkt die menschliche Wahrnehmung die Lebensverhält-nisse und die physischen Bedingungen.

Bei der geistigen Entwicklung richtet sich die Aufmerksamkeitauf das höchste Wesensglied, auf das Ich oder auf das Selbst, den para-tman, wie er in Sanskrit genannt wird. Dieses Ich ist aber eingroßartiges und doch immer unbegreifbares Mysterium, das mit ver-schiedenen heiligen Namen besetzt werden kann und sich aber dochjeden Möglichkeiten des Zugriffes entzieht. Es ist Wahrheit, Liebeoder Einzigartigkeit. Es ist universal und zeitlos. Die Aufmerksam-keit und die verehrenden Gefühle, die anerkennenden Gedankenund Lobpreisungen richten sich an dieses Höchste, das im allgemei-nen mit dem Begriff »Gott« benannt ist. Wenn wir in den Ausführun-gen die Frage stellen, wer dieses Ich tatsächlich für sich besitzenkann, so werden wir deutlich die Antwort erhalten: Das höchsteMysterium ist gegeben und es existiert in seiner eigenen Gnaden-wahl frei von allen Zugriffen, Ansprüchen, Machtspielen und Besitz-tümern.

Da diese ewige Einzigartigkeit des höchsten Selbst vollständig freiist und frei bleiben wird, hat sich der »Yoga aus der Reinheit derSeele« die Aufgabe vorgenommen, es in seinen Ausdrucksformenund Offenbarungen zu verehren, ihm zu dienen und es als das höch-ste Ziel im Sinngehalt einmal zu erkennen. Die Disziplin der geisti-gen Übungen richtet sich deshalb ganz gezielt für eine gewisse Zeitim aktiven Studium an jene Schriften, in denen es am deutlichstenzum Ausdruck gelangt. Das sind die erwähnten Schriften, die alleaus der Authentizität und Originalität der Autoren kommen müssen,

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Wertmaßstäben entzieht. Als eine transzendente Wirklichkeit wur-zelt dieses Ich nicht wirklich in einem Leib, weder in einem grob-stofflichen noch in einem feinstofflichen. Dennoch ist es in seinemMysterium auf einen Körper ausgerichtet und erfüllt diesen mit einerEinzigartigkeit, mit einem Geheimnis des Höchsten, mit dem, wasGeist ist und den Menschen über das Tierreich hinaus zu einemeigenständigen Bürger der Selbstverantwortung und Selbstbewußt-heit macht.

Weiterhin verfügt das menschliche Individuum über ein eigenständi-ges Wesensglied, und das ist das Bewußtsein, der Träger des Wissens,der Wahrnehmungen, der Empfindungen und der Aktionen undReaktionen. Dieses Bewußtsein ist von seiner Grundkonfigurationschon ganz anders als das transzendente und geheimnisvolle Ich,denn es besitzt eine Bewegungsrichtung von innen nach außen undvon außen nach innen. Im Bewußtsein finden die verschiedenstenBewegungen, Abläufe, Verwandlungen und Lernschritte statt. Ein-mal fluktuieren die Bewußtseinsinhalte, indem sie von innen nachaußen sich verteilen, und einmal strömen sie durch Anschauungenund Lernschritte von außen nach innen. Das Bewußtsein ist der gran-diose Träger des Lernens und Lehrens.

Die Eigenart dieses Bewußtseins ist die Eingebundenheit in die Dua-lität, die vor allem in den großen Weltenpolaritäten von Freude undLeid existiert. Während das Ich noch vollkommen frei, rein undunantastbar ist, ist das Bewußtsein in einer Art Berührung oder, bes-ser, Bewegung begriffen, die es immerfort im Spiel eines Wachsensund Werdens zu einer unendlichen Weite gewinnen möchte. DasBewußtsein möchte wachsen und so weit wie möglich gedeihen. Esist deshalb auch dasjenige, das in der Religion die sogenannte Versu-chung aufnehmen kann.

Die weiteren beiden Glieder erscheinen auf den ersten Blick sehrkonkret, leicht verständlich und nahezu damit selbstverständlich. Sie

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relativ. Das Wachstum des Ich ist jedoch eine sehr stille Entwicklung,die nahezu ungesehen bei diesen Lernschritten eintritt.

Wenn diese Entwicklung der Wesensglieder schematisch dargestelltwird, so kann sie mit folgender Skizze eine Verdeutlichung erhalten.

Die Weite und Einzigartigkeit führen über die bewußtseinsaktivenSchritte zu der Durchgestaltung der Lebenskräfte, und als Folgedieser Durchdringung entwickelt sich eine natürliche Harmonie,Gesundheit und Schönheit im Leibe. Das Besondere bei dieser Ent-wicklung ist dasjenige, daß der Mensch einen Zustrom aus derschöpferischen Welt der Gedanken erhält und dabei seine ganze Lei-besorganisation, die sich in physischer und ätherischer (Leben) Wei-se bildet, nach den Prinzipien der Schönheit und Gesundheit ordnet.Es gelangen neue Lebenskräfte in die Geburt und versorgen das bis-herige Dasein mit Gesundheit.

Wenn diese Entwicklung auf ein Lehrgebäude übertragen wird, sozeichnet sich diese durch eine sehr große Weite und Einordnung derPersonen, die darin arbeiten, aus. Sie verfügt ebenfalls über einegeordnete Aufgliederung, die heimliche Begierdewesen und Ich-Ansprüche der Individualitäten kaum aufkommen läßt. Schematisch

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denn wären sie Plagiate oder mediale Übermittelungen, so wäre dieOffenbarung und Liebe des Selbst in ihnen nicht mehr erfahrbar.

Wenn dieses Studium nach den Anleitungen unter Einhaltung derrechten Unterscheidungsgrundsätze absolviert wird, entwickelt sicheine seelische Grundkonfiguration der Weite im Bewußtsein und derzunehmenden Stärke in den Seelenkräften, die namentlich das Den-ken, Fühlen und der Wille sind. Der Aspirant lernt auf diesem Wegeganz neue Erfahrungsdimensionen mit konkreten Gedankeninhaltenkennen, die seine Empfindungswelt bereichern und die ihm wie eineneue Nahrung für das Leben und die Lebenskräfte zukommen. Ganzbesonders wird diese Neubelebung der Lebensschichten erfahren,wenn eine persönliche Ehrfurcht oder Verehrung das Studium beglei-ten und die Schritte mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit erfolgen.Indem aber auch das geheimnisvolle, verborgene Leben des Willenseine außerordentliche Stärkung erfährt, entwickelt sich jene Fähig-keit zu einer objektiveren Betrachtung und Beschaulichkeit. DerAspirant richtet seine Aufmerksamkeit auf eine ganz andere Welt derGedanken, die in dieser Form und Logik in ihm noch nicht existentsind. Er kann sie deshalb nicht einfach aufnehmen, konsumierenoder sich mit ihnen blindlings verbinden, sondern muß sie wie einfremdes Geheimnis zuerst einmal zur Kenntnis nehmen und sie dannin ihrem originalen, verborgenen Sinn nachvollziehen lernen. DieseGedanken-, Empfindungs- und Willensschulung führt zu einem stil-len Erkraften des Ich in seiner transzendenten Wirklichkeit. DieseStärke des Ich aber läßt den Menschen nicht aufdringlich oder garabsolut erscheinen, es gibt ihm vielmehr die Fähigkeit zu weiterenobjektiven Betrachtungen, die sowohl dem eigenen Leben wie auchdem Leben anderer gegenüber besteht. Diese Fähigkeit zu objektiver-en Beobachtungen führt zu einer tatsächlichen Freiheit und einemGefühl des Gewährenlassen-Könnens. Neben vielen verschiedenenAspekten des Freiseins schenkt es aber auch eine heilsame Klarheit,denn der Aspirant sieht diejenigen Verhältnisse wie Krankheiten,Unglück und Tod nicht mehr als bedrohlich und absolut, sondern als

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schweigende Stille praktiziert. Die Lebenskräfte und der physischeLeib mit seinem Erbe werden einmal hingenommen wie sie sind.

Ein kleiner Vergleich soll einmal als ergänzendes Beispiel aufzei-gen, wie in der Regel bei verschiedenen mystischen Wegen der Ver-senkung diese konkreten Beziehungsebenen immer schwierigerwerden: Bei einer mystischen Meditationspraxis wird in der Regeldas Bewußtsein zu einem Schweigen gebracht oder es wird miteinem speziellen esoterischen oder geistlichen Inhalt gepaart, mitdem es ein Gefühl des Einswerdens anstrebt. Dieses Gefühl des Eins-werdens wird aber meist auf einer noch viel zu frühen Ebene an-gestrebt, so daß es allzuleicht zu einem vorübergehenden Erlöschendes ganz konkreten Bewußtseins von Identität und Stellung in derWelt kommt. Es ist das Erfolgsgefühl eine Art Sich-Hinüberleben ineine andere Wirklichkeit, mit der die gesamte Gefühlsidentität ver-schmilzt und eine täuschende, doch meist als angenehme Harmonieempfundene Stimmung in sich vorfindet. Dieses Sich-Hinüberlebengeht aber zu Lasten des wachwerdenden und erkennenden Bewußt-seins wie auch des Gegenübertreten-Könnens in vollkommenerGegenwart zu der esoterischen oder andersartigen Wirklichkeit. Beidiesen Prozessen werden die Lebensprozesse aus dem physischenLeibe enthoben und mit anderen Energien, die jedoch schwer identi-fizierbaren Charakter besitzen, vermengt. Schematisch sieht der Vor-gang folgendermaßen aus:

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sieht dies folgendermaßen aus:

Das Leben wird durch die Bewußtseinsarbeit in ganz konkretenSchritten durchorganisiert, was sich in ästhetischen Bereicherungender gesamten Erscheinung bis hinein in die physische Leiblichkeitauswirken kann. Die Voraussetzung ist jedoch, daß die esoterischeEbene der inspirativen Quelle nicht ein Glied ist, das Schüler oderangestellte Lehrer durch ihre Bedürfnisse in einen emotionalen oderintellektuellen Anspruch nehmen könnten. Aus diesem Grunde er-gibt sich die obere Trennungslinie. Die untere Trennungslinie ergibtsich weiterhin, da der physische Leib wie auch die Lebenskräfte vonallen Techniken, Einflüssen, Manipulationen und Stimulierungen inRuhe gelassen werden müssen. Die Arbeit erfolgt immer auf der Ebe-ne des Bewußtseins, das sich in konkret geschaffenen Gedanken undwohlerwogenen Empfindungen in Beziehung nach oben und nachunten bringt. Im Yoga wird deshalb mit den Körperübungen nicht alsprimäre Absicht eine organische oder energetische Stimulation ver-sucht, in der Meditation wird nicht ein Sich-Hinüberleben in eine

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Über die Problematikvon Hierarchie und Gehorsam

Der Gehorsam gilt seit alters her als eine Kardinalstugend. In religiö-sen Systemen nahm und nimmt diese Tugend eine sehr wichtige Rol-le ein, dies sowohl in östlichen wie auch westlichen Traditionen.Innerhalb der exoterischen Systeme und Lehrgebäude des Yoga exi-stieren keine Hierarchiestrukturen, die eine zwingende persönlicheGehorsamsverpflichtung erfordern müßten. Die Tugend bezieht sichmehr auf die geistig-mentale Grundhaltung, die mehr in der Einheitder eigenen Individualität zum Tragen kommt.

Früher existierte eine sehr direkte und strenge Beziehung zwischeneinem Meister und einem Schüler. Im orientalischen Yoga gibt es dieTradition der Guru-Weihe, die für unsere Kultur sehr befremdenderscheint und oft mit sehr negativen Argumenten kritisiert wird. DerGuru gilt in Indien als die verkörperte Gestalt Gottes, als die Wahr-heit in der irdischen Form. Er ist für den Schüler das Absolute undstellvertretend für das unantastbare Selbst. So sah und sieht, teils biszum heutigen Tag, der Schüler in seinem Guru sein eigenes Ich unddas Ziel seiner Bemühungen. Eine vollständige und bedingungsloseUnterwerfung unter den Guru wurde in Yoga-Systemen früher umdes spirituellen Erfolges und Opfers willen gefordert.

Im Westen trat anstelle des Guru die Institution der Kirche, die einezwar säkularisierte, aber zwingende und für alle gültige Wahrheitdes Heiligen Geistes darstellt. Selbst nach dem Zweiten Vatikani-schen Konzil nimmt die Kirche noch die Rolle des Seligmachendenein und erwähnt, daß ohne Ausharren in ihr keine Erlösung möglichsei. Der Gehorsam gilt deshalb innerhalb der Kirche als eine Kardi-nalstugend.

Wie verhält es sich im »Yoga aus der Reinheit der Seele«? Das Lehr-gebäude besteht aus vielen Einzelkörpern, die in individueller Weise

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Wenn das Leben aus dem physischen Körper hinausgehoben wird,entstehen anfangs meist sehr ekstatische Gefühle, die jedoch einebeginnende Schwächung anzeigen und zu zahlreichen Komplikatio-nen führen. In der Fachsprache spricht man von »falscher Äthertren-nung«. Wenn diese Art der spirituellen Übung vorherrscht, entstehenmeist schnelle Erfolgserlebnisse bei den Schülern, es entstehenjedoch gleichzeitig eigenartige Verschleierungen des Bewußtseins,die zu einer allgemein leidlichen und unkonkreten Atmosphäre bei-tragen. Die Teilnehmer bei einem Kurs fühlen ihren schnellen Erfolgund identifizieren sich mit dem vom Leibe entrissenen Äther, deraber die Seele entweder zu weit von der Erde entrückt oder dieSeelenkräfte in ihrer Beschaffenheit dumpf eingliedert. Die Transzen-denz des Ich wird mit einer astralen Empfindung verwechselt. Inner-halb einer Organisation und Einrichtung läßt sich dann das Spiel derIdentifikationen mit der sogenannten »Wahrheit« nicht aufhaltenund man trifft dann beim Besuch von Veranstaltungen auf lauter»Mystiker«, »Erleuchtete« oder »Eingeweihte«. Sicherlich wird durchdiese knapp gehaltene Darstellung deutlich, daß diese Erscheinungs-bilder sowohl im Äußeren wie im Inneren für den einfühlsamen undästhetisch fühlenden Menschen eine sehr eigenartige Ausstrahlungbekunden.

Die Schulungsprojekte sind deshalb von der Grundlegung infolgedieser Beobachtungen auf einem exoterischen Boden errichtet. Der»Yoga aus der Reinheit der Seele« strebt sowohl eine rechte Gliede-rung der Seele im Leibinneren als auch eine rechte soziale undpädagogische Ordnung im Äußeren der Lehrveranstaltung an.

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nicht im Hinblick eines verpflichtenden Studiums. Der Schüler be-tritt mit dem Yoga-Studium nicht einen Orden, in dem er sich hier-archisch nach oben zu höheren Positionen arbeiten könnte oder inden er verpflichtend eintreten müßte um der Teilnahme willen.

Die Beziehungsverhältnisse, die in einer Lehrveranstaltung oder inStudienlehrgängen über längere Zeit hinweg existieren, schränkendie Individualität des Suchenden nicht ein. Die Bewußtseinsverfas-sung der orientalischen Yogins war so sehr anders, so daß die voll-ständige Aufgabe des Ich dennoch nicht zur Aufgabe der Indivi-dualität im Inneren führte. Es war mehr ein äußerer und weltlicherRückzug, der von dem Meister zum Schüler gefordert wurde, damiteine größere Reinheit und uneingeschränkte Zielsetzung zur Medita-tion gelebt werden konnte. Würde heute ein Schüler sich ganz einemLehrsystem oder einem Lehrer unterwerfen, so wäre die Gefahr derVerwechslung von inneren und äußeren Persönlichkeitsstrukturenwohl so groß, daß der Schüler ganz seine Individualität und Schöp-ferkraft einbüßen würde. Im »Yoga aus der Reinheit der Seele« wirddeshalb die Gehorsamstugend auf den individuellen Entwicklungs-weg übertragen und somit ganz aus den äußeren, systemorientiertenHierarchien herausgehoben. Das Ziel des Yoga ist auch nicht, wie esdas früher einmal war, eine Flucht aus der Welt, sondern ein bewuß-tes, geordnetes und lichtvolles Hineingehen in die Erscheinungswei-se der physischen Wirklichkeit. Die Individualität gilt im Yoga nichtals eine säkulare und globale Einheit, die sich nach menschlichenErscheinungsformen und Unterschieden definieren würde. Würdennur die äußeren Kriterien nach sichtbaren Persönlichkeitsmerkmalenund Eigenheiten die individuelle Wesensnatur des Menschen be-schreiben, so wäre der Mensch als Entität in der Schöpfung nurinnerhalb der physischen Verkörperung eine tatsächliche, eigenstän-dige Erscheinung. Der Mensch ist aber in seinem gesamten Wesens-bild eine physische, kosmische und höchste einzigartige Gestalt, diein einem unendlichen Werdeprozeß zum Geiste floriert und geradeaus diesem unerschöpflichen Werden zum Geiste seine Individualität

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die Verantwortung über ihre Arbeit tragen; es gibt keinen Direktor,kein Kontrollsystem, keine Revisoren, keine Ersten und Zweiten, kei-ne Beauftragten, keine Priester, keine Geweihten. Jeder besitzt in sei-ner Position seine eigene Prokura. Weiterhin gibt es auch keinenGuru oder eine ähnliche Funktion, die hierarchisch auf andere wir-ken würde. Aus diesem Grunde entfallen die ansonsten üblichenKulthandlungen, verehrenden Rituale, Anbetungen und Verneigun-gen. Der spirituelle Lehrer tritt nur in seiner Funktion in seinemFachgebiet auf, und das ist die Förderleistung in Unterricht und Me-ditation zu tieferen Erkenntnissen, geistigen Einsichten, Entwicklungvon künstlerischen, ästhetischen und spirituellen Empfindungen,Anleitung von Korrekturen und Demonstration von verschiedenenÜbungen, Belebung der schöpferischen Möglichkeiten durch Kon-zentration und Steigerung der Wahrnehmung und energetische Ent-wicklung von inneren Seelensubstanzen. Der spirituelle Lehrer istaber nicht ein Guru, der auf menschliche Weise und in persönlicherForm eine Unterwerfung von seinen Schülern fordern würde, und erist auch nicht ein Direktor über ein Lehrgebäude, in dem er Ange-stellte und Bedienstete für sich beanspruchen würde. Wenn auch vie-le Schüler eine Liebe zu ihrem Lehrer zum Ausdruck bringen, so istdiese Liebe nicht von einem begrenzten und ergreifenden Charakter,sondern mehr der Ausdruck einer gehobenen, inneren Verfassungder Seele, die gleichsam wie eine Antwort auf die verborgene Dimen-sion des Geistes entsteht und nicht von einem universalen Schimmerder Gnade unterschieden werden kann.

Der Schüler bringt dem Lehrer die natürliche Achtung und dennatürlichen Respekt und, wenn sie in der Seele entwickelt ist, dieinnere, aber still bekundete Verehrung für den Geist entgegen. DieAchtung wird in der Gegenseitigkeit des Miteinander-Arbeitens undKommunizierens als eine wesentliche Haltung und Tugend wertge-schätzt. Eine Gehorsamspflicht wird jedoch von einem Schüler aufdem Weg zu immer größer werdender Bewußtheit nicht gefordert,dies nicht im Hinblick auf den privaten Lebenswandel und dies auch

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Inspirative Quellenauf dem Geistschulungsweg

Zu der Anthroposophie Rudolf Steiners

Dieses umfassende Werk ist ein unendlicher Baum der Weisheit. DieGedanken von Rudolf Steiner wirken auf die Seele erhellend, klä-rend, das Licht an der exakt bemessenen Stelle bündelnd. Jene Aus-drücke und Beschreibungen, die Rudolf Steiner benützte, entspre-chen sehr feinfühlig der geistigen Wirklichkeit, sie kommen demübersinnlichen Erleben so nahe wie die Farbe dem Lichte. RudolfSteiners Aurafarbe ist noch belebter, noch erquickender und erfri-schender als diejenige von den ganz großen Heiligen der vergan-genen Zeiten, sie leuchtet aus erstrahlendem Goldgelb und lei-denschaftslosem Schimmer von Rot. Das Werk ist eine einzigartigePräzision und zugleich in aller Tiefe des zusammenhängenden Wis-sens wohlverwurzelte Gedankenschöpfung. Die Gedanken sind kei-nesfalls eine Phantasterei, sondern besitzen in den geistigen Hier-archien eine konkrete Existenz. Es sind Angaben zum Teil aus demAstralreich und teilweise aus dem Devachanreich. In Rudolf Steinerlebte und wirkte das Ich des Christus. Dieses Ich gibt dem verehren-den Aspiranten den Schlüssel für eine andere Welt, in die er bislangnicht eintreten durfte. Er schließt das Tor der schmerzlichen mysti-schen Askese und öffnet die Wirklichkeit des Gedankens. Wer in denSchriften der Anthroposophie studiert, nimmt die Fähigkeit des Den-kens in formender und bildender Weise auf, er wird sich mit neuenSinnesgaben für das Leben rüsten, die ihm nicht zum Hindernis fürdie Spiritualität werden, sondern seine eigene Integrität mit engels-gleicher Freiheit begleiten.

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bewahrt. Aus diesem Grunde geht der Schüler auf dem Weg desYoga nicht von einer passiven Erlösung durch Jesus Christus ausund er sucht nicht ein Credo, eine Kirchen- oder Gruppenzugehörig-keit, sondern mehr die Herausforderung des Lernens zu immer wie-der neuen Dimensionen der Einsichten in eine schöpferische Wirk-lichkeit. In diesem Drange des eigenen Wollens nach den hohenWahrheiten des Geistes entsteht die Belebung der individuellenFähigkeiten und inneren Seeleneigenschaften, die sich mit Licht neudurchdringen, ordnen und in unendlichen Variationen mehr durchden Körper, den äußeren Träger, zum Ausdruck gelangen. DerGehorsam verlagert sich deshalb von einem äußeren System hineinin die innere Individualität, die sich im eigenständigen Maße undWerdegang der Entwicklung mit den höheren Gedanken des Geistesaustauscht. Mancher wird nur zehn Prozent einer inspirativen Schriftannehmen können, ein anderer vielleicht zwanzig Prozent, und wie-der ein anderer wird einer Schrift vollständig zustimmen. DasjenigeGlied, das das Ich des Menschseins darstellt, das sich auch in gewis-ser Weise in einer gesunden Empfindung des Herzens widerspiegelt,erhält einen lebendigen Zustrom aus der inspirativen Wirklichkeitdes Geistes. Der Schüler erhält seine Einzigartigkeit von innen her-aus. Er sieht die Einzigartigkeit in den Gedanken und ihren freudi-gen Erscheinungsformen und belebt sie deshalb über das Lernen. DerYoga ist in diesem Sinne praktiziert ein Weg, der auf umfassendeWeise das Individuelle fördert und den Menschen vor dem Verfall indie Massensuggestionen der Zeit bewahrt.

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feine und doch kräftige, blaue Aurenstrahlung ist die Farbe des ver-wirklichten und reinen Selbst, die Farbe des Heiligen, der höchstenWillens-, Gedanken- und Empfindungskräfte der Seele. Sie ist dieFarbe von Sri Aurobindo. Das ehrfürchtig sich weitende Bewußtsein,das sich mit der Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Personund auf die Werke ergibt, ist ein Ergebnis des christlichen Astral-leibes, der wie ein übergeordnetes Sternenmeer, genau genommenwie die Rückseite des Kosmos, hereinstrahlt und in künstlerischenRhythmen wohlgehalten dem Leser wie eine leitende Himmelswei-sung entgegenblickt. Es ist kosmische Musik, rhythmische Melodie,gleichmütige Weite und Unberührtheit von der Sünde, ein sich im-mer wieder neu belebender und anders entfachender Blick auf dasSelbst, den Höchsten, der in keiner der Kompositionen aus dem Mit-telpunkt des Joches gerät. Das Lesen in Sri Aurobindos Werk inspiriertdas Feuer des Willens.

Die Inspirationen und persönlichen Ausstrahlungen dieser drei sehrumfangreichen Werke, die ganz unabhängig voneinander entstandensind und deshalb alle für sich selbst stehen, weisen eine innere geisti-ge Verbindung auf; der Integrale Yoga, die Anthroposophie und der»Yoga aus der Reinheit der Seele« suchen die Synthese in der Welt-schöpfung mit dem höchsten Prinzip, das allgemein mit »Gott« be-nannt wird. Das Werk des Integralen Yoga spricht primär den Wil-lensaspekt an, die Anthroposophie vorwiegend das Denken und der»Yoga aus der Reinheit der Seele« das Empfinden.

Da es im Laufe einer längeren Entwicklung mit einem Lebenswerkoft zu Stagnationen und einseitigen Lebensauffassungen kommenkann, erscheint die Ergänzung in dieser Dreiheit für ein solides spiri-tuelles Studium sehr sinnvoll. Die Schwerpunkte sollten aber beieinem Lebenswerk bleiben.

Diese Werke regen am meisten jenes erbauende, in Reinheit gegrün-dete Bewußtsein an, das heute zur Erhaltung der Individualität nötig

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Zu dem »Yoga aus der Reinheit der Seele«

Wer den Ätherleib oder Lebensleib erschauen kann, lernt die ur-sprüngliche, kraftvolle Dimension der Gedanken kennen, denn dieseentspringen aus dem Licht des Äthers. Der Ätherleib besitzt einevollkommen andersartige Dimension der Wirkung als die Materie.Die Erde ist gewissermaßen eine Konsequenz eines ätherischenLebensvorgangs. Das Leben ist vor der Erde. Der Christusleib imÄther ist eine schöpferische Wirklichkeit, die die Erde mit einerfreundlichen Fülle und Entzückung belebt. Der Christus im Ätherbewirkt fortwährend ein Streben nach dem Geistigen, das den Men-schen stets über die schwierigen Klippen weiterer Bindungen hin-überführt und ihn vor einem verhängnisvollen Abstieg in die Mate-rie errettet. Er ist tatsächlich im Äthergebilde des Ganzen der Errettervor der Sünde. Wenn man vergleichsweise die Bilder und Texte des»Yoga aus der Reinheit der Seele« betrachtet, so wird jene ähnlicheRegung deutlich, die den Betrachter in seinem Inneren mit einemfeinen Schimmer anspricht und ihn ebenfalls aus einer weiterenBewegung in die Festigkeit der Materie heraus enthebt. Diesem Ge-fühl kann sich selbst der unempfindlichste Betrachter nicht ganz ver-wehren. In diesem Sinne sind die Bilder und Texte über die a-sanaweniger technische Demonstrationen, sondern vielmehr ein Aus-druck der Liebe, die ganz aus der Aufnahme des christlichen Äther-leibes resultiert. Die Bilder und Texte sind Meditation und erhebendie Seele.

Zu der Synthese des Yoga von Sri Aurobindo

Das Lesen in den Werken von Sri Aurobindo führt das Bewußtsein ineine ehrfürchtige, aufblickende und von allen Anhaftungen sichbefreiende und weitende Stimmung. Das Werk ist wie der freie, un-berührte Atem. Eine bläuliche, beruhigende Aura entsteht bei jenem,der sich mit Aufmerksamkeit den Zeilen seines Werkes hingibt. Die

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Empfohlene Literaturzu konkreten Studienaufgaben:

1. Rudolf Steiner: Pfade der SeelenerlebnisseWie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?Wege der Übungund fachbezogene Themen nach Wahl

2. Heinz Grill:Yoga und ChristentumHarmonie im AtmenDie Vergeistigung des LeibesGeistige Individuation innerhalb der Polaritätenvon Gut und Böseund nach Wahl

3. Sri Aurobindo:Die Synthese des YogaBriefe über den Yogaund eventuell nach Wahl

Eine Bhagavad Gı-ta- und ein Neues Testament, eventuell andere inspi-rative Werke wie von Satya Sai Baba (Bhagavad Gı-ta-), Siva-nanda (BlissDivine), Murdo MacDonald-Bayne (Göttliche Heilung von Seele undLeib).

Die Betonung bei der Schriftenauswahl wird sehr sorgfältig auf dieimmanente Transzendenz, auf die inneliegende, reine Selbstdimensi-on des göttlichen Geistes, gelegt. Würde diese inneliegende Selbst-kraft fehlen, so könnten die Werke nicht die Gestaltungskraft zur Ver-geistigung und Verwandlung des Denkens, Fühlens und Willens füreinen suchenden Menschen abgeben.

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ist. In einer geistigen Schulung darf der Wille und seine einzigartigefreie Verfügung nicht aufgegeben, abgelegt oder hingeopfert werden,sondern muß sich in einem Zusammenhang mit der Gnadenwahl desvom Geiste kommenden inspirativen Bewußtseins durchdringen.Die genannten Schriften besitzen in ihrer verschlüsselten Aussagedie immanente Transzendenz, die zu einem lebendigen spirituellenGestaltungssinn im Denken, Fühlen und Willen beim Leser führt.

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sen und Unterbrechungen des sa-dhana. Der Interessent aber möchtedas Ideal der Liebe und Heiligkeit in der Synthese des empfangen-den Geistes einmal in seinem Leben erreichen. Ein Verständnis derSchriften und eine tiefere Unterscheidungsfähigkeit entwickeln sichauf langsame Weise heran. Noch aber bleiben viele Fragen offen.

3. Stufe

Der Interessent bemerkt, daß er durch ein Studium mit Lesen undAbsolvierung von Übungen nun keinen Fortschritt mehr macht undentschließt sich zusätzlich zu einer intensiveren Aufgabe, die er inlangwierigen und verantwortungsvollen Leistungen verwirklicht. Erbemüht sich um ein Fachgebiet und erstrebt innerhalb der vorgege-benen Gedanken eine Verwirklichung der Imaginationen. Das Lebenmuß jedoch noch nicht unbedingt beruflich verändert werden, jedochbemüht sich der Aspirant um die rechte gedankliche Umsetzung inWort und Tat und lernt die Imaginationen in seinem Leben auszu-drücken. Das Ziel liegt in einer geistigen Durchdringung einesLebensgebietes mit den Wahrheiten der Imaginationen. Fehlt dieAusprägung dieser 3. Stufe und die damit verbundene Opferlei-stung, kann die 4. Stufe im realistischen Vollzug nicht eintreten.

4. Stufe

Hier beginnt der Yoga der Synthese, in dem eine lebendige Spi-ritualität durch geistige schöpferische Forschung, verbunden mitden Quellen in die direkte Tat umgesetzt wird. Vielfach müssen dieLebensverhältnisse genau abgestimmt und eine rechte Askese mitAusschaltung aller schädlichen und hinderlichen Barrieren in dassa-dhana einbezogen werden. Das Bewußtsein muß entgegen vielergewohnheitsmäßiger Stimmungen und Ängste zu einem konkretenGedankeninhalt streben. Jener, der auf dieser Stufe angelangt ist,muß sich durch die Kraft seiner eigenen Entscheidungen auf einemhöheren energetischen Bewußtseinsniveau bewegen lernen.

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Eine stufenweise Einordnung undSelbstbestimmung eines Suchenden

nach geistiger Individuation

Ein Studium der Schriften aus der Anthroposophie, des IntegralenYoga oder des »Yoga aus der Reinheit der Seele«, jeweils in der Ori-ginalität der Autoren gehalten, erfordert Zeit und die Entwicklung vonUnterscheidungsbewußtsein. In einer Schulung sollte der Weg nicht zuschnell vorangetrieben werden, damit das Selbstbewußtsein auf dienotwendige reife und gelöste Stufe emporgehoben werden kann.

1. Stufe

Der Interessent beschäftigt sich mit den oben genannten Schriften. Erversteht die Inhalte noch nicht, hält aber die Texte für wertvoll undrespektiert sie als eine Wahrheit des Geistes. Das Studium ist nur inAnsätzen, das Lesen der Texte ungenau, die vorgegebenen Meditati-ons-, Konzentrations- oder Körperübungen werden gelegentlichpraktiziert. Das Leben bleibt, so wie es ist. Nach spontanen Bedürf-nissen entscheidet der Interessent sich hin und wieder zu einem Vor-tragsbesuch oder zu einer Teilnahme an einem Seminar oder einerMeditation. Eine Zielsetzung ist noch nicht konkret fixiert.

2. Stufe

Der Interessent beschäftigt sich eingehender mit den Schriften undpraktiziert öfters Übungen. Das Leben aber bleibt dennoch in dengleichen Verhältnissen, der Beruf wird nicht verändert. Es bestehtaber bereits eine konkrete Zielsetzung zur Spiritualität, die in jenerRichtung und Form liegt, die eine Synthese mit dem Geist Christianstrebt. Dieser Geist, der durch die Schriften und personale Hin-wendung auf das Denken, Fühlen und Wollen ausstrahlt, soll alsZielpunkt erreicht werden. Noch besteht eine Notwendigkeit zu Pau-

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Die Orientierungund Zielsetzung des»Yoga aus der Reinheitder Seele«Eine exoterische Arbeitsgrundlage

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Das Ziel des Yoga ist nicht, wie es allgemeinin verschiedenen Schulen noch angestrebt wird,ein Erlöschen der Individualität und ein Auf-gehen in den Erfahrungen der kosmischen Ein-heiten mit ihrer schweigenden Ruhe, sondern einBewußtwerden im Denken, Fühlen und letztenEndes in der Identität des Handelns gegenübereiner sich offenbarenden geistigen Wirklichkeit,die selbst die metaphysische Welt übersteigt.