Die Osterweiterung der Europäischen Union · – SAPARD & ISPA • 03/1999 Berliner Gipfel –...

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Lisa Dörr & Attila Gerhäuser, Master European Studies Seminar: „Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union“ Dr. Anne Faber, Prof. Günter Verheugen Die Osterweiterung der Europäischen Union 30.05.2011

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Lisa Dörr & Attila Gerhäuser, Master European Studies

Seminar: „Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union“

Dr. Anne Faber, Prof. Günter Verheugen

Die Osterweiterung der Europäischen Union30.05.2011

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Gliederung• Chronologie der

Osterweiterung• Agenda 2000• Klassische

Erweiterungsmethode• Heranführungsstrategie• Pfadabhängigkeit

Handelt es sich bei der Osterweiterung um eine Erweiterung im klassischen Sinn, und wenn nein, wie

unterschied sich diese von den bisherigen Erweiterungsrunden?

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Die Erweiterung 2004/07

Luxemburg-Gruppe:• Polen• Tschechien• Ungarn• Slowenien• Estland• Zypern

Helsinki-Gruppe:• Lettland• Litauen• Slowakei• Malta• Bulgarien• Rumänien

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Chronologie

• 1991-1997 Abschluss der Europaabkommen= Assoziierungsverträge zwischen der EU und den MOEL mit dem Ziel der vollen Beteiligung am europäischen Integrationsprozess im politischen, wirtschaftlichen und handelspolitischen Bereich

• 1993 Kopenhagener Kriterien

• 1994 Gipfel von Korfu und Essen– Europaabkommen als Beitrittsbasis– PHARE-Programm

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Chronologie

• 06/1997 Gipfel von Amsterdam– Verkleinerung von Kommission und Parlament

• 12/1997 Gipfel von Luxemburg– Beschluss der Aufnahme von

Beitrittsverhandlungen mit der Luxemburg-Gruppe– Beginn 03/1998– SAPARD & ISPA

• 03/1999 Berliner Gipfel– Beschluss der Agenda 2000

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Chronologie

• 12/1999 Gipfel von Helsinki– Beschluss der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen

mit der Helsinki-Gruppe– Beginn 02/2000

• 12/2001 Gipfel von Nizza– Änderung der Sitze und Stimmengewichtung im EP– Stimmenverteilung im Rat– Ausweitung der qualifizierten Mehrheit– Einleitung des Post-Nizza-Prozesses� grundsätzlich institutionelle Hürden beseitigt

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Chronologie

• 10/2002 Kommission empfiehlt Aufnahme von 10 Beitrittskandidaten für das Jahr 2004– Pro: Acquis communautaire, administrative und

rechtliche Strukturen– Kontra: Zoll, Landwirtschaft, Regionalpolitik,

Finanzkontrolle

• 12/2002 Gipfel von Kopenhagen– Abschluss der Verhandlungen

• 2003 Referenden in den MOEL

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Ergebnisse der Referenda

Wahlbeteiligung Ja-Stimmen Nein-Stimmen

Estland 64,02 66,51 33,00

Lettland 72,53 66,96 32,33

Litauen 63,30 89,92 8,85

Malta 90,30 52,87 45,68

Polen 58,85 76,89 22,39

Slowakei 52,15 92,46 6,20

Slowenien 60,23 89,17 10,34

Tschechien 55,21 75,62 22,17

Ungarn 45,59 83,35 16,16

Zypern Kein Referendum; einstimmige Parlamentsentscheidung der griechisch-zypriotischen Abgeordneten für den Beitritt

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Chronologie

• 04/2003 Unterzeichnung des Beitrittsvertrages auf der Athener Akropolis

• 01/05/2004 1. Osterweiterung

• 01/01/2007 2. Osterweiterung

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Agenda 2000

= umfangreiches Aktions- und Reformprogramm der EU zur Stärkung der Gemeinschaftspolitik im Hinblick auf die EU-Erweiterung

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Agenda 2000

• Reform der GAP– Anteil der Beschäftigten im AgrarsektorEU15 4% MOEL 9,5% LT, LV, PL 20%- Heranführung durch begrenzte Direktzahlungen,

temporären Fonds etc. auf niedrigem Niveau– Preissenkungen, Direktbeihilfen,

Qualitätsförderung, Dezentralisierung der Verwaltung des EAGFL

– Ziel: weniger Überproduktionen, Effektivitätssteigerung, Verhinderung von Seuchen

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Agenda 2000

• Reform der Struktur- und Kohäsionsfonds– EFRE, ESF, FIAF, Kohäsionsfonds, tw. EAGFL– Stärkere geographische und thematische

Konzentration der Strukturhilfen– Verbesserte Verwaltung und Effizienz

• Finanzrahmen 2000-2006– Begrenzung der Zahlungen auf €213 Mrd.– davon €195 Mrd. für Strukturfonds und €18 Mrd.

auf Kohäsionsfonds

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KlassischeGemeinschaftsmethode

Klassische Gemeinschaftsmethode (Preston 1995)

Fünf Schlüsselprinzipien:

a) Kandidat akzeptiert Acquis vollständig

• Keine permanenten opt-outs

• Übergangsfristen

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Klassische Gemeinschaftsmethodeb) Formale Beitrittsverhandlungen: • ausschließlich auf Acquis-Implementierung beschränkt

c) Antwort auf wirtschaftliche Heterogenität: Etablierung neuer Politikinstrumente (side-payments)

� Reformen GAP, Strukturfonds

d) Inkrementelle Adaption institutioneller Strukturen� Reformen nach Beitritt (Nizza, Lissabon)

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Klassische Gemeinschaftsmethode

e) EU bevorzugt Verhandlungen mit Staaten, die bereits enge Beziehungen zueinander haben

2. Heranführungsstrategien

• Europäischer Rat Essen 1994: Aktionsrahmen

• Vorbereitung/Hilfestellung zur Implementierung des Acquis

• Europäischer Rat LUX 1997: intensivierte Heranführungs-

strategie

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Heranführungsstrategie

Vier Instrumente:

1) Europa-Abkommen (Assoziationsabkommen)

2) Beitrittspartnerschaften

3) Vorbeitrittshilfe

- PHARE, ISPA, SAPARD

4) Öffnung der Europäischen Gemeinschaftsprogramme

- Bildung, Forschung, Kultur

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Heranführungsstrategie

PHARE (Pologne-Hongrie: assistance à la restructuration des économies)

• erste Priorität: institution-building

• accession-driven vs. demand-drive

TWINNING

• Zunächst vier Bereiche: Landwirtschaft, Umwelt, Finanzen,

Justizpolitik + ein Extrabereich je Kandidatenland

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Heranführungsstrategie

Kandidat bereitet Projektdossier vor � beinhaltet alle RL + VO,

benchmarking

� GD Erweiterung muss zustimmen

� Übersendung Dossier an „nationale Kontaktpunkte“

� Rekrutierung aus nationalen Ministerien

� Kandidat wählt Partner aus

� EU-Delegation vor Ort überwacht Umsetzung

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Heranführungsstrategie

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Heranführungsstrategie

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Heranführungsstrategie

These 1: Die intensivierte Heranführungsstrategie der Kommission (Benchmarking, Conditionality, Twinning) stellt

einen Paradigmenwechsel in der klassischen Erweiterungsmethode dar.

• Agenda 2000: regulative Rolle des Staates• bis 1998: PHARE als Instrument eines neoliberalen

Staatskonzepts

• Wichtigste Innovation: Suspendierungsklausel in allen EAs

• KOM besitzt zentrale Rolle (Twinning) � kann Finanzierung suspendieren + Kontrollfunktion; GD Erweiterung

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Pfadabhängigkeit

Pfadabhängigkeit• zentrales Argument des historischen Institutionalismus:

„[…] choices formed, when an institution is being formed, have a constraining effect into the future.“ (Greener 2005: 62)

• Jeder Schritt auf dem selben Pfad erhöht dessen Attraktivität� self-reinforcing activity � „lock-in“ Effekt

• Koordinierungseffekte

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Pfadabhängigkeit

3 Szenarien institutioneller Transformation:

a) Path stabilization : marginale Adaption

b) Path departure : graduelle Adaption

c) Path switching : Bildung einer neuen Institution

Wie kommt es zu Wandel?

� Nur möglich in „historical junctures“; exogener Modelteil

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Pfadabhängigkeit

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Pfadabhängigkeit

These 2: Es handelt sich bei der Osterweiterung um eine nachhaltige path departure Entwicklung, die bei zukünftigen

Erweiterungsrunden institutionalisiert wird.

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Fazit

• Die Osterweiterung unterscheidet sich in mehreren Punkten von den bisherigen Erweiterungen.

• Es handelt sich dabei um eine nachhaltigepath departure Entwicklung.

• Die Rolle der Kommission wurde gestärkt.

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Literatur• Beichelt, Timm. 2004. Die Europäische Union nach der Osterweiterung. Wiesbaden: VS Verlag für

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Paper (5) 2.• Europäische Kommission. 2011. Agenda 2000: Eine stärkere und erweiterte Union.

http://europa.eu/legislation_summaries/enlargement/2004_and_2007_enlargement/l60001_de.htm, Zugriff am 27.05.2011

• Greener, I. (2005), The Potential of Path Dependence in Political Studies, in: Politics (25) 1, 62-72.• Preston, C. (1995), Obstacles to EU Enlargement: The Classical Community Method and the

Prospect for a Wider Europe, in: JCMS (33) 3, 451-66.• Pierson, P. (2000), Increasing Returns, Path Dependence, and the Study of Politics, in: American

Political Science Review (94) 2, 251-67.• Schimmelfennig, F. (2001), The Community Trap: Liberal Norms, Rhetorical Action, and the

Eastern Enlargement of the European Union, in: IO (55), 47-80. • Ebd./Sendelmeier, U. (2004), Governance by Conditionality: EU rule transfer to the candidate

countries of Central and Eastern Europe, in: Journal of European Public Policy (11) 4, 669-87.• Weidenfeld, Werner. 2007. Europäische Einigung im historischen Überblick. In: Werner

Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hg.). Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.