Die Rolle der Verbände bei der Entwicklung eines IOIS in der deutschen Pharma-Industrie
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REFERAT
im Rahmen des Seminars zur allgemeinen BWL im WS 09/10 „Ausgewählte Fragestellungen im Bereich des Electronic Business“
Die Rolle der Verbände bei der Entwicklung eines IOIS in der deutschen Pharma-Industrie
Betreuer:
Beratungsassistent:
Prof. Dr. rer. oec. Kai Reimers
Dipl.-Kfm. Thomas Wagner
vorgelegt an der
Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
- Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschaftsinformatik –
Von: Julian Krenge XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX
Thomas Scholl XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX
Abgabetermin: 29.01.2010
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ............................................................................................................ 4
1.1 Motivation ....................................................................................................... 4
1.2 Definition eines IOIS....................................................................................... 4
1.3 Aufbau der Seminararbeit .............................................................................. 5
2 Akteure ................................................................................................................ 6
2.1 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) .......................... 6
2.2 Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ......................................... 6
2.3 Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) .................................. 6
2.4 Deutscher Generikaverband e.V. ................................................................... 7
2.5 Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. (PHAGRO) ......... 7
2.6 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) .......................... 7
2.7 Verband der privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV) ............................. 7
2.8 Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) ................ 7
2.9 Informationsstelle für Arzneispezalitäten GmbH (IFA).................................... 8
2.10 Datenfernübertragungsgeräte-Gesellschaft mbH (DATEG) ........................ 8
2.11 Rote Liste Service GmbH (ROTE LISTE) ................................................... 8
3 Ausgewählte IOIS ............................................................................................... 9
3.1 Pharmazentralnummer ................................................................................... 9
3.1.1 Funktion und Bedeutung .......................................................................... 9
3.1.2 Kommunikationsstrukturen .................................................................... 10
3.1.3 Bedeutung der Verbände ....................................................................... 11
3.2 ROTE LISTE® Arzneimittelverzeichnis ........................................................ 12
3.2.1 Funktion und Bedeutung ........................................................................ 12
3.2.2 Kommunikationsstrukturen .................................................................... 14
3.2.3 Bedeutung der Verbände ....................................................................... 14
3.3 Bestellsysteme ............................................................................................. 15
3.3.1 Funktion und Bedeutung ........................................................................ 15
3.3.2 Hersteller – Großhandel ........................................................................ 16
3.3.3 Großhandel – Apotheken ....................................................................... 18
3.3.4 Healthcare-Portale ................................................................................. 19
3.4 Elektronische Gesundheitskarte ................................................................... 20
3
3.4.1 Funktion und Bedeutung ........................................................................ 20
3.4.2 Kommunikationsstrukturen .................................................................... 21
3.4.3 Bedeutung der Verbände ....................................................................... 21
4 Schlussfolgerung ............................................................................................. 22
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 23
Eidesstattliche Versicherung ................................................................................. 27
4
1 Einleitung
1.1 Motivation
Wir leben nicht im Zeitalter der Stände, sondern der Verbände.
Das sagte schon Arnold Bergsträsser (1896-1964), deutscher Kulturhistoriker und
Politikwissenschaftler. Verbände in Deutschland verfügen im Allgemeinen über viel
politische Macht, besonders in der Pharma-Industrie (Grill 2007, Breitenbach et al.
2010a). Zu untersuchen ist, ob die Verbände ihre Macht auch im strategischen
Geschäft ihrer Mitgliedsunternehmen etablieren. Konkret wird die Etablierung
verschiedener Interorganisationaler Informationssysteme betrachtet und auf die
Einwirkung durch Verbände überprüft. Dafür muss der Begriff des
Interorganisationales Informationssystems zunächst definiert werden.
1.2 Definition eines IOIS
Für Interorganisationales Informationssysteme (IOIS) gibt es verschiedene
Definitionen. In dieser Seminararbeit werden folgende zwei Definitionen verwendet.
Interorganisationale Informationssysteme sind
„zwischenbetriebliche Anwendungen, durch die zwei oder mehrere unabhängige
Organisationen strukturierte Daten zwischen Rechnern austauschen.
Interorganisationale Systeme verbinden eine organisatorische und technische
Perspektive“ (Krcmar 2001), oder IOIS sind
„zwischenbetrieblich genutzte Informationssysteme, welche die Abwicklung von
Geschäftstransaktionen zwischen Unternehmen durch die gemeinsame Nutzung von
Informationen sowie dem Austausch von geschäftsbezogenen Nachrichten
unterstützen“. (Klein 1996)
“
5
1.3 Aufbau der Seminararbeit
Die Arbeit beginnt mit der Auflistung der im Folgenden genannten Akteure, so dass
alle Verbände und relevanten Tochterfirmen oder sonstigen Organisationen bekannt
sind.
Im Folgenden werden vier verschiedene in Deutschland etablierte IOIS beleuchtet
und auf die Einflussnahme von Verbänden untersucht. Zunächst wird die
Pharmazentralnnummer (PZN), zentrales Werkzeug zur Identifikation von
Arzneimitteln, untersucht. Anschließend wird die Rote Liste® betrachtet, ein
Verzeichnis mit zusätzlichen Hintergrund- Wirkungsinformationen von
Pharmazeutika. Darauf folgt eine Sicht auf die Bestellsysteme in der
Pharmaindustrie, also die Kommunikationswege der einzelnen Stufe der
Wertschöpfungskette: Hersteller, Großhändler und Apotheken. Zuletzt wird das
aktuelle Thema der Elektronischen Gesundheitskarte in den Fokus genommen.
In allen Bereichen wird zunächst die konkrete Funktion und Bedeutung des
jeweiligen IOIS dargelegt, anschließend werden die Kommunikationsstrukturen
beschrieben. Zuletzt wird das Augenmerk auf die Rolle der Verbände im System
gerichtet. Dabei stehen Einflussnahmen wie –möglichkeiten im Mittelpunkt.
Zuletzt wird ein Fazit gezogen, in dem ein Verhaltensmuster der Verbände bei der
Entwicklung von IOIS zu erkennen versucht werden soll.
6
2 Akteure
2.1 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
Der 1951 gegründete BPI vertritt 260 Unternehmen der pharmazeutischen Industrie,
die insgesamt 72.000 Menschen beschäftigen. Es handelt sich bei den Mitgliedern
vorrangig um mittelständische Unternehmen. Außerdem bietet der BPI verschiedene
Dienstleistungen für seine Mitglieder und die Öffentlichkeit. „Ziel des BPI ist es, das
Gesundheitswesen zukunftsweisend weiterzuentwickeln. So beteiligt er sich intensiv
an der gesundheitspolitischen Reformdiskussion. Um sicher zu stellen, dass
Patienten die für sie notwendigen Medikamente und Therapien erhalten, [...] befindet
sich der BPI im kontinuierlichen Dialog mit den anderen Partnern des
Gesundheitswesens und der Öffentlichkeit.“ (BPI 2010)
2.2 Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA)
1993 haben sich die größeren Pharmaproduzenten aus dem BPI abgespalten und
den VFA gegründet. Der VFA hat 47 - meist multinationale - Mitgliedsunternehmen,
also bedeutend weniger als der BPI. Doch mit insgesamt 90.000 Mitarbeitern und
zwei Dritteln des Marktvolumens ist er weitaus einflussreicher. (Grill 2007) Er
konzentriert sich auf Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit. Auch der VFA setzt sich dafür
ein, „[...] dass therapeutischer Fortschritt dauerhaft für alle Patienten in Deutschland
zur Verfügung steht, [und] dass ein leistungsfähiges und finanzierbares
Gesundheitswesen in unserem Lande allen Bürgern zugute kommt [...]“. (VFA 2010)
2.3 Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)
Der BAH umfasst sowohl Erzeuger von pharmazeutischen Produkten als auch
andere Mitglieder aus dem Gesundheitsbereich wie Verlage oder
Meinungsforschungsinstitute. Er verbindet die Institutionen der Gesundheitspolitik mit
der gewerblichen Seite. Außerdem betreibt er Öffentlichkeitsarbeit wie Studien,
Publikationen und Weiterbildungsangebote. (BAH 2010)
7
2.4 Deutscher Generikaverband e.V.
Der Deutsche Generikaverband setzt sich vor allem für einen intensiven Wettbewerb
durch viele kleine und mittlere Anbieter im Markt der Generika ein. Dies soll eine
kundenfreundliche, also niedrige, Preissetzung bewirken. Zu seinem Aufgabenfeld
zählt der Verband politische Einflussnahme als auch Öffentlichkeitsarbeit. (Generika
2010)
2.5 Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. (PHAGRO)
Im 1904 gegründeten PHAGRO sind alle Großhändler vereint, die den deutschen
Markt bedienen. Alle Mitglieder befolgen „konsequent die Prinzipien des
Vollsortiments, der Lieferfähigkeit und der Lieferbereitschaft.“ (PHAGRO 2010) Es
werden also alle Arzneimittel vorgehalten, sodass die Bevölkerung zu jedem
Zeitpunkt ausreichend versorgt ist. Außerdem ist die Herstellerneutralität in der
Satzung verankert. (Wagner 2005)
2.6 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)
In der ABDA sind 17 Apothekerkammern (Bundesapothekenkammer) und 17
Apothekervereine und –verbände (Deutscher Apothekerverband e.V. (DAV))
versammelt. „Sie berät [...] über alle Vorgänge auf dem Gebiet des
Gesundheitswesens und des Arzneimittelwesens. In allen Angelegenheiten von
bundesweiter Bedeutung verhandelt die ABDA mit den Institutionen (Behörden,
Körperschaften, usw.), die mit Fragen der Arzneimittelversorgung zu tun haben.“
(ABDA 2010)
2.7 Verband der privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV)
Der PKV vereint unter seinem Dach 47 private Unternehmen, die Krankenvoll- oder
Zusatzversicherungen anbieten. Er berät seine Mitglieder und vertritt deren
Interessen in der nationalen und internationalen Politik. (PKV 2010)
2.8 Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)
Der GKV-Spitzenverband löste Ende 2008 die bisherigen Bundesverbände der
öffentlichen Krankenkassen ab und und vertritt seitdem alle Gesetzlichen
8
Krankenkassen. Sein Aufgabenbereich umfasst die Vergütungsvereinbarungen mit
Ärzten und Krankenhäusern, führt das Hilfsmittelverzeichnis und legt die Festbeträge
fest und vertritt die Krankenkassen politisch. Als zentraler Akteur im deutschen
Gesundheitswesen „gestaltet er die Rahmenbedingungen für die gesundheitliche
Versorgung in Deutschland. Die Gesundheit der 70 Millionen Versicherten steht
dabei im Mittelpunkt des Handelns.“ (GKV 2009)
2.9 Informationsstelle für Arzneispezalitäten GmbH (IFA)
Gesellschafter der IFA sind der BPI, der PHAGRO und die ABDA. Zentrale Aufgabe
ist die Vergabe der Pharmazentralnummer (PZN), der anerkannten bundesweit
Identifikation für Arzneimittel. (IFA 2010)
2.10 Datenfernübertragungsgeräte-Gesellschaft mbH (DATEG)
Die DATEG ist eine Tochter des PHAGRO und übernimmt die technische
Ausgestaltung der DATEG-Norm, einem Übertragungsstandard für die
Bestellübermittlung von Apothekern an Großhändler. Sie entwickelt den Standard
ebenfalls weiter. Gesellschafter sind die Mitglieder des Verbands.
2.11 Rote Liste Service GmbH (ROTE LISTE)
„Die Rote Liste® Service GmbH ist Herausgeber der gleichnamigen Liste. Zweck der
ROTE LISTE® ist es, Fachkreise über die in Klinik und Praxis zur Anwendung und
Verordnung in Betracht kommenden Fertigarzneimittel und bestimmte
Medizinprodukte zu informieren und zur Überschaubarkeit des Arzneimittelangebotes
beizutragen.“ (BPI 2010, http://www.bpi.de/Default.aspx?tabindex=0&tabid=230)
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3 Ausgewählte IOIS
3.1 Pharmazentralnummer
3.1.1 Funktion und Bedeutung
Was ist die Pharmazentralnummer?
Die Pharmazentralnummer (PZN) ist ein bundeseinheitlicher Identifikationsschlüssel
für apothekenübliche Fertigarzneimittel. Sie dient dazu, den Warenverkehr mit
Apotheken zu organisieren, d.h. die fehlerfreie (elektronische) Abwicklung von
Bestellungen, Lieferungen und Abrechnung zu ermöglichen. Des Weiteren verknüpft
die PZN die zentralen Arzneimitteldatenbanken (ABDATA, Rote Liste, Gelbe Liste) in
der Anwendung DIMDI PHARMASEARCH als Key-Code.
Entstehung
Das Gesundheitsreformgesetz vom 01.01.1989, § 131 SGB V, Abs. 5 verpflichtete
die pharmazeutischen Unternehmen „auf den äußeren Umhüllungen der Arzneimittel
das Arzneimittelkennzeichen nach § 300 Abs. 1, Nr. 1 in einer für Apotheken
maschinell erfassbaren bundeseinheitlichen Form anzugeben. Das Nähere regeln
die Spitzenverbände der Krankenkassen sowie und die für die Wahrnehmung der
wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der
pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene in Verträgen.“ Im Rahmenvertrag
zu § 131 SGB V wurde die Pharmazentralnummer als bundeseinheitliches
Arzneimittelkennzeichen festgelegt (Hähn 2004)
Aufbau
Die PZN wird als Code 391 - Strichcode auf den Artikelverpackungen aufgebracht.
Sie ist eine 7-stellige Zahl, die fortlaufend vergeben wird und somit als solche keine
Informationen über den jeweiligen Artikel enthält. Die 7. Ziffer ist eine Prüfziffer,
welche nach einer festgelegten Verfahrensregel berechnet wird (IFA 2009a)
1 Der Code 39 ist ein alphanumerischer Strichcode, in dem die Zahlen 0 bis 9, 26 Buchstaben und 7
Sonderzeichen codiert werden können.
10
Vergabeverfahren
Die Zuteilung / Vergabe der PZN erfolgt durch die IFA – Informationsstelle für
Arzneispezialitäten GmbH in Frankfurt am Main. Zuteilungsberechtigt sind alle
Arzneimittel sowie „Apothekenübliche Waren“2 . Die PZN wird nur auf Antrag
vergeben / zugeteilt. Die IFA prüft das Produkt anhand eines bestimmten
Kriterienkatalogs, vergibt nach erfolgreicher Prüfung die PZN und nimmt die
Produktdaten in die IFA-Datenbank auf.
In Zweifelsfällen und Fällen, „die eine besondere pharmazeutische Sachkenntnis
erfordern“, werden die Daten der ABDATA Pharma-Daten-Service zur Begutachtung
vorgelegt. Diese fordert ggf. weitere Stellungnahmen des Herstellers oder Unterlagen
der zuständigen Überwachungsbehörde ein.
Die Kosten für die Aufnahme belaufen sich auf 50,00 € Jahresgebühr und 6,00 € pro
Neuausbietung / PZN.
3.1.2 Kommunikationsstrukturen
Der Kreis der Nutzer der PZN ist klar zu
fassen. Hierzu zählen
Apotheken
Ärzte
Arzneimittel-Großhandel
Arzneimittel-Hersteller und
Krankenkassen.
Nach Ablauf eines Erfassungsintervalls
übermittelt die IFA die erfassten Rohdaten in
Form sog. Informationsdienste an die
Datenempfänger. Die Daten werden von den
Empfängern ggf. technisch weiterverarbeitet,
ergänzt, selektiert und an technische
Rahmenbedingungen angepasst. Eine
2 Apothekenübliche Waren nach § 25 Apothekenbetriebsordnung: „[…] Mittel sowie Gegenstände und
Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern, […] Mittel zur Aufzucht von Tieren […].“
Abbildung 1 – Nutzerkreis Pharmazentralnummer
11
inhaltliche Veränderung der Daten ist nicht gestattet (IFA 2009b)
Eine exklusive Rolle spielt die PZN für die Abrechnung der Apotheken mit den
gesetzlichen Krankenkassen. Die betroffenen Spitzenverbände der Apotheken und
Krankenkassen haben sich gemäß § 300 SGB Fünftes Buch vertraglich geeinigt, bei
der Arzneimittelabrechnung die PZN als Identifikationsschlüssel zu verwenden. Zu
diesem Zweck übertragen die Apotheken die PZN der zu Lasten der GKV
abgegebenen Arzneimittel maschinenlesbar auf die Verordnungsblätter.
Auch die Daten des ABDA-Artikelstamms der ABDATA, eines Tochterunternehmens
der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), basieren auf den
Anbieter-Meldungen gegenüber der IFA. Der ABDA-Artikelstamm ist die Basis für
Warenwirtschafts- und Arzneimittel-Informationssystem für öffentliche und
Krankenhaus-Apotheken, Arzneimittel-Datenbank in Praxiscomputern für Ärzte,
Pharmazeutische Informationssysteme für das allgemeine Gesundheitswesen, die
Pharma-Industrie und Hochschulinstitute, Informationssysteme für Krankenkassen
und Arzneimittel-Informationen für Gesundheits-Portale und Web-Shops im Internet.
(WuV 2009)
3.1.3 Bedeutung der Verbände
Die Einführung einer einheitlichen Artikelnummer (PZN) und die gemeinschaftliche
Gründung der IFA durch die am Arzneimittelmarkt beteiligten Verbände (ABDA, BPI,
PHAGRO) gelten als bestes Beispiel für eine gelungene Kooperation in der
Pharmabranche. Die Verbände übernahmen hierbei nicht nur die Organisation und
Koordination, sondern stellten auch die Finanzierung über die Mitglieder der
beteiligten Verbände sicher. (Ballnus 2000)
Als privatrechtlich konstituierte Clearingstelle ist die IFA aber auch für die Vergabe
dieser Nummer zuständig und spielt somit faktisch die Rolle einer Quasi-
Zulassungsinstanz für Arzneimittel.
Hierzu heißt es in einem Artikel der pharmazeutischen Zeitung (Boden et al. 2010):
„ABDATA führt im Auftrag der IFA GmbH die sogenannte pharmazeutische Prüfung
durch. Dabei werden alle neu aufgenommenen Artikel hinsichtlich der arznei- und
sozialrechtlichen Angaben sowie auf die Apothekenüblichkeit gemäß §25
12
Apothekenbetriebsordnung geprüft. Die gegenwärtigen Diskussionen um die
Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln oder
Medizinprodukten verdeutlichen, daß diese pharmazeutische Prüfung keine leichte
Aufgabe ist, da sie zudem dem Spannungsfeld verschiedener Interessen und
wettbewerbsrechtlichen Aspekten ausgesetzt ist.“
Zwar gibt es keine Quellen darüber, ob und wie vielen Medikamenten oder
Arzneimitteln die Zuteilung einer PZN verwehrt wird, jedoch stellt sich die Frage, ob
die Prüfung durch eine Tochterfirma der am Vergabeverfahren beteiligten Verbände
(ABDA) objektiv verläuft. Medikamente oder Arzneimittel ohne eine PZN gelangen
nicht in den Apotheken-Warenverkehr und somit nicht bis zum Patienten. So könnten
Medikamente oder Arzneimittel die nachweislich Heilung oder Linderung
versprechen gänzlich vom Markt ferngehalten werden. Dies spielt gerade bei
chronischen Erkrankungen eine große Rolle, da diese Krankheiten die Patienten
über Jahre an Medikamente binden und somit äußerst lukrativ für den
Arzneimittelmarkt sind. Medikamente, die in solchen Fällen eine Heilung
versprechen, würden andere Medikamente überflüssig machen und so zu großen
finanziellen Einbußen bei den genannten Verkehrskreisen führen.
3.2 ROTE LISTE® Arzneimittelverzeichnis
3.2.1 Funktion und Bedeutung
Was ist die ROTE LISTE®?
"Die ROTE LISTE ist ein Verzeichnis von Arzneimitteln für Deutschland
(einschließlich EU-Zulassungen) und wird von der ROTE LISTE Service GmbH
herausgegeben und verlegt. Sie enthält Kurzinformationen zu Humanarzneimitteln
und bestimmten Medizinprodukten, die aus Fach-, Gebrauchs- und
Produktinformationen erstellt werden. Sie richtet sich an medizinisch-
pharmazeutische Fachkreise (Ärzte, Apotheker, Kliniken) mit dem Zweck, diese über
im Handel befindliche Präparate zu informieren.“ (Wikibooks 2010)
Die ROTE LISTE 2009 beinhaltet 8.778 Präparateinträge mit 10.901
Darreichungsformen und 35.577 Preisangaben von 480 pharmazeutischen
Unternehmen. Sie ist als gedruckte Ausgabe, Online-Ausgabe (für Fachkreise nach
13
Registrierung), CD-ROM-Ausgabe, DVD-Ausgabe, Ausgabe für mobile Endgeräte,
als XML-Datei oder ACCESS Datenbank erhältlich. (ROTE LISTE 2009)
Die Buchausgabe der Roten Liste ist das auflagenstärkste Arzneimittelverzeichnis in
Deutschland (Auflage 2009: 285.000) und wird den genannten Fachkreisen
kostenlos zur Verfügung gestellt.
Entstehung
Die erste ROTE LISTE wurde 1933 von der Reichsfachschaft der Pharmazeutischen
Industrie (Reipha) herausgegeben. Zwischen 1935 und 1939 erschienen zwei
weitere Ausgaben. Diesmal herausgegeben durch die „Fachgruppe Pharmazeutische
Erzeugnisse der Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie“. Die ROTE LISTE® 1949 –
die erste nach dem Krieg – erscheint erst im März 1950 und trägt den Untertitel
„Verzeichnis pharmazeutischer Spezialpräparate“. Allerdings führt sie nur
Erzeugnisse aus den so genannten Westzonen und aus Westberlin auf. Im Vorwort
der ROTE LISTE® 1949 steht: „Bei Beginn der Drucklegung waren normale
Wirtschaftsbeziehungen mit der sowjetischen Zone noch nicht wieder
aufgenommen.“ Es sollte viele Jahre so bleiben. Herausgeber war die
Arbeitsgemeinschaft Pharmazeutische Industrie mit Sitz in Frankfurt am Main (später
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie – BPI). 1971 werden erstmals
rezeptpflichtige Arznei- und Betäubungsmittel gekennzeichnet. 1974 erfolgt zum
ersten Mal eine Einteilung nach Indikations- und Wirkstoffgruppen.1990 erscheint die
erste elektronische Version der Roten Liste. Ab 1992 werden zusätzlich auch
Hilfsstoffe in die ROTE LISTE aufgenommen. Seit 1998 gibt es die ROTE LISTE
Online. Seit 2006 wird das Verzeichnis durch die ROTE LISTE Service GmbH, einer
Tochter des BPI und des VFA herausgegeben.
Aufbau
Die ROTE LISTE gliedert sich in die Kapitel „Alphabetisches Verzeichnis“,
„Stichwortverzeichnis“, „Wirkstoffverzeichnis“, „Präparateverzeichnis“ nach
Wirkstoffgruppen, „Signaturverzeichnis“ (Anwendungsbeschränkungen, Neben- und
Wechselwirkungen) sowie „Firmenverzeichnis“. Zu den einzelnen Präparaten werden
u.a. Arzneimittelname, Hersteller, Zusammensetzung, Packungsgrößen,
14
Anwendungsgebiete etc. angegeben. Die elektronischen Publikationen bieten zudem
eine Suchfunktion an.
Aufnahmeverfahren
Die Aufnahme in die ROTE LISTE erfolgt durch einen schriftlichen Antrag
(Antragsformular in Papierform) an die ROTE LISTE Service GmbH. Die ROTE
LISTE Service GmbH prüft das Formular auf Vollständigkeit und fordert ggf. fehlende
Informationen nach. Die Kosten für die Aufnahme richten sich nach Zeilenanzahl des
abgedruckten Textes für ein Präparat.
Über die endgültige Aufnahme des Präparates in die ROTE LISTE entscheidet eine
Kommission.
3.2.2 Kommunikationsstrukturen
Zum Kreis der Nutzer der Roten Liste zählen hauptsächlich Ärzte, Kliniken und
Apotheken.
Neben diesem sog. Fachkreis kann die ROTE LISTE öffentlich von jedermann
käuflich erworben werden. Bestimmte Käufergruppen erhalten eine Ermäßigung (z.B.
Heilpraktiker).
3.2.3 Bedeutung der Verbände
Als Tochterunternehmen der Verbände BPI, VFA, Bundesverband der
Arzneimittelhersteller und Deutscher Generika Verband stellt die ROTE LISTE
Service GmbH den Fachkreisen jährlich (Buchausgabe) bzw. halbjährlich (Online) ein
aktuelles Arzneimittelverzeichnis (kostenlos) zur Verfügung.
Allerdings stellt die ROTE LISTE kein vollständiges Verzeichnis aller verfügbaren
Arzneimittel dar. Neben den in der Roten Liste geführten ca. 9000 Arzneimitteln gibt
das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seinen Webseiten eine
Zahl von 55317 zugelassenen Arzneimitteln an, wovon 17.143 apothekenpflichtig
und 35305 verschreibungspflichtig sind (BfArM 2009). Dies liegt zum einen daran,
dass es keine Pflicht zur Veröffentlichung eines Präparates in der Roten Liste gibt.
Die Hersteller können frei entscheiden, welche Präparate sie in die ROTE LISTE
aufnehmen. Ein weiterer Grund für die Unvollständigkeit könnte darin liegen, dass
die Aufnahme in das Verzeichnis der Kontrolle einer Kommission unterliegt (Rote-
15
Liste-Kommission)(RL 2010a). Diese Kommission wird gemäß §4 Grundsätze für die
ROTE LISTE von den Gesellschaftern der ROTE LISTE Service GmbH, nämlich den
genannten 4 Verbänden, berufen. In §3 (9) Geschäfts-und Verfahrensordnung der
Rote-Liste-Kommission wird festgelegt, dass diese Kommission endgültig darüber
entscheidet, „ob und in welcher Form das angemeldete Fertigarzneimittel in die
ROTE LISTE� aufzunehmen ist.“(RL 2010b).
Hierbei stellt sich die Frage, ob die ROTE LISTE als „Arzneimittelwerbung“ eingestuft
werden kann und möglicherweise die Fachkreise bei der Arzneimittelauswahl in
„ungeeigneter Weise“ beeinflusst. Durch die hohe Akzeptanz, den großen
Verbreitungsgrad und die kostenlose Überlassung ist es denkbar, dass die
Fachkreise die ROTE LISTE als alleinige Quelle bei der Arzneimittelauswahl nutzen
und somit die den Verbänden angehörigen Hersteller unterstützen.
3.3 Bestellsysteme
3.3.1 Funktion und Bedeutung
Wie bereits definiert, ist ein interorganisationales Informationssystem offensichtlich
ein technisches System zur Verteilung und Sammlung von Informationen. Konkret
kommunizieren verschiedene Organisationen miteinander, im Kontext dieser Arbeit
die Hersteller, Händler und Verkaufsstellen (Apotheken) pharmazeutischer Produkte.
Ein solches System muss entwickelt, betrieben und gewartet werden. Außerdem sind
Schnittstellen zu definieren, über die die Beteiligten kommunizieren können. Dies
betrifft konkret die Protokolle für zu übermittelnde Nachrichten, als auch die
technische Ebene der Übertragung, also Standards und Dienste. Auch eine
gemeinsame Datenbank oder zumindest ein Datenabgleich ist notwendig. (Österle
2002; Krcmar 2001, S. 249 f.; Schwartz et al. 1995)
Im Folgenden werden die verschiedenen Märkte innerhalb der Wertschöpfungskette
betrachtet. Zunächst wird die Verbindung vom Hersteller zum Großhandel,
anschließend weiter zum Einzelhandel (Apotheken) vorgestellt. Zuletzt wird kurz die
aktuellste Entwicklung beleuchtet, sogenannte Healthcare-Portale oder eHealth-
Portale. Diese bieten die Möglichkeit eines branchenübergreifenden IOIS.
16
3.3.2 Hersteller – Großhandel
Kommunikationsstrukturen
In der deutschen Pharmabranche wurde 1989 ein System entwickelt, das den
Großhändlern und Herstellern die elektronische Auftragsabwicklung gewährleisten
sollte: das PHOENIX-System3. Initiatoren des Systems waren zwei Großhändler,
Gehe AG (heute Celesio AG, es existiert aber die Tochter Gehe Pharma Handel
GmbH) und Otto Stumpf AG (heute Teil der PHOENIX Pharmahandel GmbH & Co
AG), vier Hersteller, Hoechst AG (heute Teil der Sanofi-Aventis S. A.), Knoll AG
(heute Teil der Abbott Laboratories), Boehringer Ingelheim AG & Co KG und
Johnson & Johnson, die Verbände Bundesverband des pharmazeutischen
Großhandels e.V. (PHAGRO) und Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
e.V. (BPI) und der technische Dienstleister General Electrics Information Services.
(Wagner 2005)
Das PHOENIX-System hat sich als zuverlässig und ausfallsicher erwiesen. Alle
Großhändler in Deutschland verwenden es inzwischen. Von den Herstellern ist ein
Großteil ebenfalls an das System angeschlossen, vor allem die großen Hersteller
nutzen es. Unter einer gewissen Produktionsmenge ist die Investition in das System
nicht sinnvoll; damit ist die geringere Durchdringungsquote zu erklären. (Wagner
2005)
Zentraler Faktor des IOIS ist die Schnittstelle über die die Beteiligten kommunizieren.
Während im Folgenden auf die technische Umsetzung der Übertragung
vernachlässigt werden soll, wird das gewählte Format für Nachrichten detaillierter
beleuchtet. Das initiale System mit nur einem Nachrichtentyp wurde vom PHOENIX-
Arbeitskreis weiterentwickelt, doch dieser ist trotz seiner Existenz seit langem nicht
aktiv. Er reichte zwei weitere Nachrichtenformate nach, so dass insgesamt drei
Nachrichtentypen existieren (Wagner 2005), wie im Folgenden beschrieben:
Bestellung: Dieser einfache Nachrichtentyp besteht seit der Implementierung
des Systems und war anfänglich der einzige. Bemerkenswert ist, dass er nicht
3 Der Name PHOENIX steht nicht in Beziehung zu der erst 1994 gegründeten PHOENIX
Pharmahandel GmbH & Co KG. Allerdings entstand diese durch Zukaufaktivitäten von Adolf Merckle, die auch eines der Initiatorenunternehmen des PHOENIX-Systems trafen, namentlich die Otto Stumpf GmbH.
17
EDIFACT-konform ist. Er wird bis heute der meist angewendete Typ und hat
jeden anderen Bestellmechanismus nahezu verdrängt.
Rechnung: Ein weiterer einfacher Nachrichtentyp, der nachträglich
hinzugefügt wurde und EDIFACT-konform ist. Er findet aber nur selten
Anwendung.
Überweisungsgeschäft: Ein komplexeres Geschäft mit einem EDIFACT-
konformen Format, das nur selten verwendet wird und daher an dieser Stelle
nicht weiter erörtert.
Bedeutung der Verbände
Einer der zwei Großhändler ist Mitglied des PHAGRO, ebenfalls ist ein Hersteller im
BPI organisiert. (BPI 2009; PHAGRO 2009) General Electrics Information Systems
ist reiner Dienstleister und in diesem Zusammenhang nur als Umsetzer der Vorgaben
zu sehen. Es wird deutlich, dass die beiden Verbände großen Einfluss auf die
Entwicklung des Systems nehmen konnten.
Die Tatsache, dass die technische Umsetzung von einem externen Dienstleister
ohne Beziehung zur Hersteller- oder Großhändlerseite vorgenommen wurde, ist
vermutlich Ergebnis beiderseitiger Überlegungen. Da bei diesem System zwei Seiten
aufeinander treffen, ist es sinnvoll, die direkte Gewalt an einen unparteiischen Dritten
zu übertragen. Diese Entscheidung ist daher wahrscheinlich Ergebnis von
Verhandlungen der beiden Verbände als Vertreter der Kooperationspartner.
Bemerkenswert ist, dass der ursprüngliche Datentyp Bestellung nicht EDIFACT-
konform ist, obwohl letzterer bereits vorher entwickelt wurde. Doch erst 1993 wurde
dieser in Europa flächendeckend eingeführt und war daher bei Entwicklung des
Systems nicht präsent.
Die konkrete Ausgestaltung der Nachrichtentypen wird an dieser Stelle nicht weiter
erläutert, da sie eine direkte Umsetzung der bis dahin üblichen Bestellinformationen
ist, die lediglich digitalisiert wurde.
An der hohen Beteiligung des Großhandels am System ist nur bedingt Einfluss der
Verbände abzulesen. Es ist bezeichnend, dass alle in Deutschland tätigen
Großhändler an das System angebunden sind. Doch die Machtstruktur in diesem
18
Markt ist seit jeher durch die führende Rolle der Hersteller geprägt. Diese bestimmten
stets die Bestellzeitpunkte und konnten so einfach durch Anreize die Großhändler
zur Teilnahme am System bewegen. (Wagner 2005)
Es lässt sich zusammenfassen, dass die Verbände bei der Entwicklung eines IOIS
zwischen Herstellern und Großhändlern eine Rolle spielten. Doch durch die wenigen
streitigen Punkte ist die Einflussnahme der Verbände als moderat anzunehmen.
3.3.3 Großhandel – Apotheken
Kommunikationsstrukturen
Die Strukturen in diesem Markt sind ähnlich derer im Markt Hersteller – Großhandel.
Doch sind auf Seiten der Apotheker wesentlich mehr, kleinere und geographisch
verteiltere Handelspartner. Dies schafft andere Voraussetzungen, auch für das
Machtgefüge.
Da es sich bei den Abnehmern, also den Apotheken, aufgrund des
Apothekengesetzes weitgehend um Kleinunternehmen handelt, wird der
Bestellmechanismus von der Seite der Großhändler diktiert. Der Mechanismus
entwickelte sich mit dem technischen Fortschritt von einfacher Bestellung per Fax
oder Telefon zu einer ersten digitalen Übertragung der Bestellung durch dedizierte
Geräte und Lochkarten bis hin zu computergestützter Bestellung. Während der
Bestellvorgang in der Vergangenheit stark von den Großhändlern diktiert wurde,
bieten unabhängige Apothekensoftwarehäuser inzwischen Lösungen an, die zur
Bestellung bei einem beliebigen Großhändler verwendet werden können. Das
Protokoll zur Übertragung, dass auch diese Softwarepakete nutzen, wird von der
Datenfernübertragungsgeräte-Gesellschaft mbH (DATEG) entwickelt und als
DATEG-Norm bezeichnet.
Mindestens 90% aller Bestellungen durch Apotheken werden zurzeit elektronisch
getätigt. Andere Bestellformen werden weitgehend nicht mehr verwendet.
(Puschmann et al. 2002; Wagner 2005; Kaapke et al. 2008)
Bedeutung der Verbände
Zentrale Position kommt bei diesem IOIS der DATEG zu, da sie das Protokoll der
Übertragung bestimmt. Die DATEG ist eine hundertprozentige Tochter des
19
PHAGRO. Es zeigt sich also, dass die Großhändler die Art der Bestellung
bestimmen, auch ist der ABDA als Vertreter der Apotheker nicht involviert. Bei diesen
Machtverhältnissen ist der stärkere Partner, also die Großhändler, in der Lage, die
Investitionsaufwendungen unverhältnismäßig auf den schwächeren Partner zu
übertragen. (Schober 1999) Doch auch wenn die DATEG-Norm vermutlich an das
interne Format der Großhändler angepasst ist, ist sie die Umsetzung und
Weiterentwicklung der seit jeher üblichen Bestellprozedur. Das Protokoll ist
einsehbar, sodass unabhängige Softwareentwickler die Apotheken mit Lösung
versorgen können.
Die DATEG arbeitet nach wie vor an der Weiterentwicklung des Bestellprotokolls. Da
die ursprüngliche DATEG-Norm auf dem technischen Stand der frühen 1990er Jahre
entwickelt wurde, beschränken sich die übermittelten Informationen auf ein Minimum.
Pläne für die Weiterentwicklung umfassen die direkte Einbettung der Informationen
der IFA.
Zusammenfassend zeigt sich, dass der PHAGRO eine starke Machtposition in der
technischen Umsetzung des IOIS zwischen Großhändlern und Apotheken innehat.
Er missbraucht diese jedoch nicht, sondern bietet den Apotheken eine einfache und
sinnvolle Möglichkeit, Bestellungen zu tätigen.
3.3.4 Healthcare-Portale
Kommunikationsstrukturen
Healthcare-Portale sind eine aktuelle Entwicklung im Bereich der Pharmaindustrie.
Portale dienen mehreren, verschiedenen Nutzern als Einstiegspunkt zu einem
Informations- und Angebotsraum. (Stelzer 2004) Es dient beispielsweise dem
Endkunden, also den Haushalten, als Informationsquelle, kann aber auch Aoptheken
mit aktuellen Nachrichten und zusätzlichen Beratungsinformationen unterstützen.
Dies birgt auch enorme Marketingpotenziale. (Breitenbach et al. 2010b)
Allgemein dienen Portale zur Reduzierung von Bearbeitungszeiten und –kosten,
indem Zugriffe auf verschiedene Backend-Systeme gebündelt werden. Die Qualität
der Daten kann erhöht werden, wodurch die nachgelagerten Prozesse verbessert
werden können. (Stelzer 2004, Breitenbach et al. 2010b)
20
Allerdings können sie die bestehende Distributionsform über Pharmareferenten
bedrohen, da der Pharmahersteller einen direkten und einfachen Zugang zu den
Abnehmern und Endkunden etablieren kann. (Puschmann et al. 2002)
Bedeutung der Verbände
Auf dem deutschen Markt für Healthcare-Portale sind viele Anbieter vertreten:
Hersteller wie Sanofi-Aventis S. A.4, Großhändler wie die PHOENIX Pharmahandel
GmbH & Co AG mit dem Portal MyPIN5, aber auch unabhängige Anbieter.
(Puschmann et al. 2002) Doch keiner der führenden Verbände etabliert ein eigenes
Portal, obwohl sich die Chance bietet, alle Mitglieder der Wertschöpfungskette zu
verbinden. Die Akzeptanz des Internetversandhandels für Medikamente ist in
Deutschland generell weniger stark ausgeprägt als beispielsweise in den USA
(Breitenbach et al. 2010b).
3.4 Elektronische Gesundheitskarte
3.4.1 Funktion und Bedeutung
Die Elektronische Gesundheitskarte ist die Weiterentwicklung der
Krankenversicherungskarte vorgeschrieben durch § 291 a SGB V, gültig ab dem
1.1.2006. Die Einführung ist bereits um 4 Jahre verzögert, nur der Testlauf konnte
bisher gestartet werden. Sie bietet die Möglichkeit zur Speicherung zusätzlicher
Informationen. So kann der Besitzer der Karte nicht nur identifiziert werden, es
können auch der aktuelle Versicherungsstatus und die Krankengeschichte
nachgehalten werden.
Mit der Umsetzung wurde die eigens dafür gegründete Gematik Gesellschaft für
Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH beauftragt, deren Gesellschafter
sich aus verschiedenen Verbänden zusammensetzen. Apotheker werden vertreten
durch den Deutschen Apothekerverband e.V. (DAV), seinerseits Mitglied der
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Neben vier
Ärzteverbänden und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. ist auch der
Verband der privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV) und der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) involviert.
4 http://mein.sanofi-aventis.de/
5 http://www.mypin.de/
21
3.4.2 Kommunikationsstrukturen
An der Elektronischen Gesundheitskarte sind maßgeblich drei Parteien außer den
Patienten beteiligt. Zum einen die Ärzte, zweitens die Apotheken und drittens die
Krankenkassen. Während die Krankenkassen die Gesundheitskarte ausgeben und
Informationen zum Versicherungsstatus eingeben, greifen Apotheken und Ärzte
darauf zu und tragen ihrerseits Medikamente und Befunde ein.
3.4.3 Bedeutung der Verbände
Die Initiative für die Elektronische Gesundheitskarte kann bei den Verbänden der
Krankenkassen vermutet werden, da diese den größten Nutzen an ihr haben. Sie
bietet enorme Einsparpotentiale durch Vermeidung von Doppelbehandlungen. Doch
weder Quellen noch sonstige Dokumente untermauern diese These.
Bemerkenswert ist, dass die gesetzlich forcierte Kooperation bei der Elektronischen
Gesundheitskarte vorrangig durch die Verbände der Beteiligten geprägt ist. Einzelne
Unternehmen treten nicht auf. Beispielhaft sei der PKV genannt, der aufgrund
unzureichender gesetzlicher Regelung und damit verbundener finanzieller Risiken
vom Basis-Rollout zurücktrat. (PKV 2009) Aber auch der VFA, zunächst nicht in den
Prozess eingebunden, hat ein Konzept für die Elektronische Gesundheitskarte
entwickelt. Von diesem verspricht er sich, dass „[...] die Belange und Wünsche der
Patienten dabei hinreichend berücksichtigt werden [...]“. (Götting 2003, Abschnitt
Patientenquittung und Gesundheitskarte) Auch die Bundesärztekammer äußert
Bedenken an der Elektronischen Gesundheitskarte. (BÄK 2007)
22
4 Schlussfolgerung
An den ausgewählten Beispielen konnten wir feststellen, dass Verbände besonders
in der Entwicklungsphase eines IOIS die Koordination und Organisation der Projekte
übernehmen. Sie fungieren als Vermittler zwischen den Akteuren und stellen damit
sowohl vertikale als auch horizontale Kooperationen zwischen Herstellern,
Großhändlern und Abnehmern her. Sogar außerhalb des Marktes wirken sie als
Interessensvertreter, wie das Beispiel der Elektronischen Gesundheitskarte zeigt.
Hier wurde politisch die Grundlage für ein IOIS gelegt.
In vielen Fällen bilden diese Kooperationen dann eigenständige Firmen in denen die
beteiligten Verbände als Gesellschafter auftreten und somit auch die
Anschubfinanzierung der Projekte sicherstellen. Ein direkter Eingriff in das operative
Geschäft dieser Firmen erfolgt zumeist nicht, allerdings zeigen die Beispiele der IFA
GmbH, der Rote Liste Service GmbH und der DATEG, dass eine gewisse
Kontrollfunktion in den Händen der Verbände verbleibt. Ob und in welchem Umfang
diese Kontrollfunktion wahrgenommen wird, kann aufgrund der restriktiven
Informationspolitik der behandelten Verbände nicht eindeutig bestimmt werden.
Allein die Tatsache, dass die Möglichkeiten für die Wahrnehmung einer solchen
Funktion in Form der angesprochenen Prüf- und Aufnahmeverfahren geschaffen
sind, lassen aber den Schluss zu, dass hiervon auch Gebrauch gemacht wird.
23
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__________________ __________________ Aachen, den 29.01.2010 Julian Krenge Thomas Scholl