Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

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Materialien zur LPM-Forbildung vom 26.11.2012: Pädagogische Innovation im Geschichtsunterricht am Beispiel der Saarfrage 1918 – 1935 Die Saarfrage (1918 – 1935) Methodenvielfalt als Motivation für ein regionalgeschichtliches Thema in Klasse 9

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Materialien zur LPM-Forbildung vom 26.11.2012:

Pädagogische Innovation im Geschichtsunterricht

am Beispiel der Saarfrage 1918 – 1935

Grundlage:

Unterrichtsreihe im Rahmen der pädagogischen Staatsexamensarbeit (02/2011)

Carmen Stopp

Die Saarfrage (1918 – 1935)Methodenvielfalt als Motivation für ein

regionalgeschichtliches Thema in Klasse 9

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Konzeption der Unterrichtsreihe

Stunde Thema Inhalte, Medien

1. StundeDas Saargebiet in der

Besatzungszeit1918 – 1920

- wechselhafte politische Zugehörigkeit der Saargegend am Beispiel von Hermann Röchling (Foto)

- französische Besatzungsmächte an der Saar- erstmalige Analyse und Interpretation eines

politischen Plakates (methodischer Leitfaden)

2. StundeVölkerbundszeit:

eigenständige Entwicklung des Saargebietes

- Saargebiet als eigenständige, politische Einheit

- wirtschaftliche Angliederung an Frankreich- Interpretation von Quellen aus dem

Privatbesitz sowie Auszug aus dem Saarstatut

3. StundeKulturelle Entwicklung unter der Völkerbunds-

verwaltung

- deutsch-französische Beziehungen am Beispiel der Domanialschulen (Quellentext)

Zuspitzung: „Schulkampf“- Aktualitätsbezug: Händedruck Kohl –

Mitterand (Foto)

4. Stunde

Abstimmungskampf1933 – 1935

- Rheinische Jahrtausendfeier als nationales Ereignis an der Saar

- Propagandamaßnahmen im Abstimmungskampf; unter anderem „Deutsch ist die Saar“ (historisches Lied)

- Analyse und Interpretation von zwei prototypischen Plakaten des Abstimmungskampfes

- Vorbereitung des Zeitzeugen-Interviews: Erstellung eines Fragenkataloges

5. Stunde- Abstimmungsergebnis- eigene Erstellung von politischen Plakaten für

die Volksabstimmung

6. Stunde Saarabstimmung 1935 – Ergebnisse und Bewertung

- Gründe für das eindeutige Votum- Bedeutung der Volksabstimmung für die

Saarbevölkerung (Foto)- Präsentation der selbst erstellten Plakate- Interview mit einem Zeitzeugen (Audio-CD)

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Übergeordnete Ziele der Unterrichtsreihe

Kognitive Lernziele

Die Schüler…

LZ 1: … können die Situation an der Saar während der Besatzungszeit von 1918 bis 1920

beschreiben und erklären.

LZ 2: … kennen in Grundzügen die wesentlichen Regelungen des Saarstatutes.

LZ 3: … kennen die vom Deutschen Reich losgelöste politische Entwicklung an der Saar.

LZ 4: … erkennen, inwiefern Frankreich im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen

Bereich auf das Saargebiet Einfluss genommen hat.

LZ 5: …reflektieren die Vorurteile und Ressentiments der Saarbevölkerung gegenüber

Frankreich kritisch.

LZ 6: … gewinnen einen Einblick in die Propagandamaßnahmen im Abstimmungskampf.

LZ 7: … vergleichen und charakterisieren die zentralen Argumentationen der

unterschiedlichen Gruppierungen im Abstimmungskampf.

LZ 8: … nehmen Stellung zu dem Ergebnis der Volksabstimmung von 1935.

Methodische Lernziele

Die Schüler…

LZ 1: … festigen ihre Methodenkompetenz im Umgang mit schriftlichen Quellen und

interpretieren handschriftliche Dokumente der untersuchten Zeit.

LZ 2: … analysieren und interpretieren politische Plakate.

LZ 3: … entwickeln eigenständig politische Plakate.

LZ 4: … analysieren die Wirkungsmechanismen von Propagandaliedern anhand ihrer

textlichen und musikalischen Gestaltung.

LZ 5: … bewerten und hinterfragen die Aussagen eines Zeitzeugen kritisch.

Affektive Lernziele

Die Schüler…

LZ 1: … können die schwierige Situation der Saarbewohner während der französischen

Besatzungszeit nachempfinden.

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LZ 2: … können sich in die Lage der Saarbevölkerung im Abstimmungszeitraum

hineinversetzen.

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Sachinformationen

Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 Das Saargebiet stellte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weder eine geographische Einheit

noch einen eigenen politisch-historischen Raum dar. Lediglich aus wirtschaftlichen Gründen

entstanden mit dem Aufschwung der Schwerindustrie seit dem 19. Jahrhundert an der Saar

raumbildende Impulse. Der Prozess der Industrialisierung führte schließlich dazu, dass die

Saarregion zu einem der wachstumsintensivsten Wirtschaftsgebiete des gesamten Deutschen

Reiches wurde.1 Politisch bildete das Saargebiet bis zum Ende der Französischen Revolution

ein Territorialmosaik, dem eine Vormacht fehlte. Während der erste Pariser Frieden 1814 das

heutige Saarland in der Mitte teilte, wurde durch den zweiten Pariser Frieden 1815 eine Grenze

gezogen, die noch heute Gültigkeit hat. Ein Großteil des Saargebietes fiel nun an Preußen und

nur ein kleiner Teil im Südosten an Bayern. Daneben existierten kleinere Besitztümer wie das

Fürstentum Lichtenberg um St. Wendel, die an andere Herrschaftsterritorien angegliedert

wurden, welche in der vorliegenden Arbeit keine Rolle spielen. Als Vormacht lenkte Preußen

die Geschicke in der Saarregion und unterstellte sie administrativ dem Regierungsbezirk Trier

innerhalb der Rheinprovinz.2 Diese territoriale Zuordnung galt zunächst bis zum Ende des

Ersten Weltkrieges beziehungsweise bis zum Abschluss der für das Saargebiet relevanten

Friedensverhandlungen. Vom 22. November 1918 bis zum Inkrafttreten des Versailler

Vertrages am 10. Januar 1920 wurde Saarbrücken von französischen Truppen besetzt und die

preußischen Landkreise einer besonderen Militärverwaltung unterstellt. Für fast alle

Saarbewohner war die militärische Besetzung ihrer Heimat durch französische Truppen sowie

die Abtrennung ihrer Region vom Deutschen Reich die einschneidende politische Erfahrung.3

Der Kommandeur der französischen Besatzungstruppen beschloss bereits am 24. November

1918 die Auflösung der auch an der Saar entstandenen Soldaten- und Arbeiterräte. Sowohl

wirtschaftlich als auch sozialpolitisch wurden wieder die Zustände hergestellt, die vor

Kriegsbeginn geherrscht hatten. Dabei blieben die alten Behörden und ihre Repräsentanten die

Gesprächs- und Verhandlungspartner der Besatzungsmacht. Die Einführung demokratischer

Strukturen war vorerst undenkbar geworden.4

Das Verhältnis zur französischen Besatzungsmacht war von Anfang an gespannt. Das

Saargebiet wurde in den ersten Tagen der Besatzung von Bekanntmachungen der deutschen 1 Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992, S.18f2 Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Die Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972, S.263 Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984; S.264 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.19

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Kommunalbehörden sowie der französischen Streitkräfte regelrecht überflutetet. Insbesondere

die Auseinandersetzungen zwischen der Arbeiterschaft und den französischen

Besatzungstruppen verschärften sich in dieser Phase zunehmend. Die Androhung militärischer

Gewalt sowie die Einrichtung militärischer Kontrolldienste konnten schließlich nicht

verhindern, dass die Arbeiter an der Saar in Streik traten. In der Folge verhängte General

Andlauer den Belagerungszustand und verbot jede Form der Versammlung. Die Streikenden

wurden zum Teil mit militärischer Gewalt zu ihren Arbeitsplätzen gebracht. Ferner ließen

zahlreiche Ausweisungen, aber auch die bestehende Nahrungsmittelknappheit und Hungersnot

den Unmut der Saarbewohner in dieser Situation weiter ansteigen. Vor diesem Hintergrund

verfestigten sich die aus der deutsch-französischen Spannungslage erwachsenen Vorurteile und

Ressentiments immer stärker in der gesamten Saarbevölkerung.5

Die kritische Lage an der Saar spitzte sich schließlich zu, als die Beschäftigten der Eisenbahn

und einiger Metallbetriebe am 7. Oktober 1919 zum Generalstreik aufriefen. In den Saarstädten

wurden spontane Hungerdemonstrationen durchgeführt und große Warenhäuser geplündert.

Die Unruhen und Tumulte breiteten sich in kürzester Zeit immer weiter aus. Daraufhin

verhängte General Andlauer erneut den Belagerungszustand und installierte Kriegsgerichte, um

gegen die Plünderer und Streikenden vorzugehen. Panzer und Maschinengewehrtruppen

besetzten alle strategisch wichtigen Plätze und Kreuzungen, um wieder Ruhe und Ordnung an

der Saar herzustellen. Durch öffentliche Aushänge und Plakate wurde die Bevölkerung immer

wieder über die jeweiligen Maßnahmen informiert.6

Neben den auch im gesamten Deutschen Reich verbreiteten Arbeiterunruhen im Kampf um

bessere Arbeitsbedingungen sowie gegen wirtschaftliche Belastungen wurde im Saarrevier

nach Kriegsende gegen die Besetzung durch französische Truppen sowie eine befürchtete

Annexion protestiert. Die drohende Abtrennung des Saargebietes erregte schon früh auch

außerhalb der Saargrenzen im Deutschen Reich Aufmerksamkeit, vor allem aus

wirtschaftlichen Gründen und nicht zuletzt wegen der dort lebenden Saarländer. So wurden in

Berlin im Jahre 1919 nicht nur verschiedene Protest-Veranstaltungen organisiert, sondern auch

ein „Saar-Verein“ gegründet. Ein ehemaliger Beamter der Saargrubenverwaltung versuchte auf

diese Weise das Interesse an der Saarfrage in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten sowie die

im Reich lebenden, ehemaligen Saarbewohner zu organisieren. Der Verein stand ferner in

regelmäßigem Kontakt zu den für die Saarfrage verantwortlichen Dienststellen im Deutschen

Reich und führte Vorträge zu dieser Thematik an Universitäten und Schulen durch. Er initiierte

einen Reiseaustausch zwischen reichsdeutschen und regionalen Vereinen an der Saar, gab mit

5 Ebd, S.226 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32

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dem „Saar-Freund“ eine eigene Zeitung heraus und organisierte verschiedene

Veranstaltungen.7

In diesem Kontext ist auch der bekannte Plakatgraphiker Alexander M. Kaiser alias Alexander

M. Cay8 zu nennen, der bereits 1919 im Auftrag des „Werbedienstes der sozialistischen

Republik“ – einer Vorläuferorganisation der „Reichszentrale für Heimatdienst“ –

Protestplakate gegen die Abtrennung des Saargebietes entwarf. Das Medium des Plakates

spielte bereits zu diesem Zeitpunkt als Wahl- und Protestplakat eine bedeutende Rolle in der

kulturellen und politischen Propaganda für das von Deutschland isolierte Saargebiet. Der

Graphiker Cay sprach mit seinem Plakat „Protest gegen den Raub des deutschen Saargebietes“ 9 noch eine weitere zentrale Thematik an, die den Alltag der Saarbewohner während der

Besatzungszeit bestimmte. So wurde allein der Umstand der permanenten militärischen

Präsenz nicht nur als störend, sondern vielerorts auch als Bedrohung wahrgenommen. Dabei

wirkten insbesondere die von Frankreich im Saargebiet eingesetzten farbigen Soldaten aus den

französischen Kolonialgebieten für viele Saarbewohner gefährlich und Furcht erregend. Die

meisten von ihnen waren zuvor noch nie einem Menschen mit dunkler Hautfarbe begegnet, so

dass allein die Fremdartigkeit diesen bedrohenden Effekt auslöste. Dies führte ebenfalls dazu,

dass sich die negative Haltung gegenüber Frankreich immer weiter verstärkte.10

Die Völkerbundszeit ab 1920

Das Saargebiet als neue politische Einheit

Bereits während des Ersten Weltkrieges wurde von Seiten Frankreichs die Annexion des

Saarindustriereviers aus strategischen und ökonomischen Motiven als eines der Kriegsziele

hervorgehoben. Auch der Gedanke, die Saargruben als Reparation für Kriegszerstörungen an

der nordfranzösischen Industrie zu fordern, tauchte in diesem Kontext bereits auf.11

Die Friedensverhandlungen der Alliierten führten schließlich in der Saarfrage zu einem

Kompromiss, da Frankreich seine weitreichenden Annexionsforderungen gegen den

Widerstand des amerikanischen Präsidenten Wilson nicht durchsetzen konnte: Dabei wurde

einerseits vermieden, die Saarregion einer französischen Verwaltung zu unterstellen.

Andererseits galt das für die Dauer von fünfzehn Jahren übertragene Eigentumsrecht an den

Kohlengruben im Saarbecken als Wiedergutmachung für die von deutschen Truppen

7 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.328 Zeichner, Grafiker, Karikaturist, Bühnenbildner und Architekt; Lebensdaten: 20.09.1887 – 22.06.19719 siehe Anhang 310 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.3211 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.28

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angerichteten Kriegsschäden sowie als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in

Nordfrankreich.12 Ferner einigten sich amerikanische und britische Sachverständige im Februar

1919 darauf, dass das Saargebiet ein besonderes politisches Regime erhalten sollte. Der

Abschluss der Verhandlungen im April 1919 wurde im so genannten Statut für das

Saarindustrierevier festgehalten und bildete einen Teil des Versailler Vertrages13. Der

Saarbevölkerung wurden die zentralen Bestimmungen des Versailler Vertrages in Zeitungen

sowie auf Plakaten bekannt gegeben.14 Das Saarstatut, das am 10. Januar 1920 in Kraft trat,

konstituierte erstmals das Saargebiet als eigenständige politische Region. Deutschland

verzichtete zugunsten des so genannten Völkerbundes auf die Regierung des Saargebietes und

somit auf seine Souveränitätsrechte. Frankreich war demgegenüber mit dem

Selbstbestimmungsrecht der Saarbevölkerung einverstanden, wonach diese nach Ablauf von

fünfzehn Jahren in einer Volksabstimmung über ihre weitere politische Zugehörigkeit

entscheiden sollte: entweder für die Beibehaltung der Völkerbundsverwaltung (Status quo), die

Rückkehr zu Deutschland oder die Vereinigung mit Frankreich. Diese Abstimmung sollte frei,

geheim und unbeeinflusst stattfinden.15

Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der im Friedensvertrag vorgesehenen Regelung erhob

sich heftiger Widerspruch in der Saarbevölkerung, allein schon gegen die Begründung, dass es

sich bei den Bewohnern an der Saar um eine Bevölkerung handele, die einen nicht

unerheblichen französischen Anteil umfasse. Die letzte Volkszählung vor dem Krieg ergab

hingegen bei 651.984 Einwohnern im preußischen Teil des Saargebietes lediglich einen Anteil

von 339 Personen, die Französisch als Muttersprache angegeben hatten. Die Loslösung vom

Deutschen Reich wurde daher trotz der Garantie von Rechten und Freiheiten sowie des

Zugeständnisses einer freien Volksabstimmung nach fünfzehn Jahren als Unrecht empfunden.

Schon frühzeitig entstand eine Front der politischen Parteien, der Gewerkschaften sowie

weiterer Verbände und der freien Presse gegen die Völkerbundsidee.16

Durch die Bestimmungen des Saarstatutes war in der Saarregion zwar eine eigenständige

politische Einheit entstanden, allerdings war diese sehr stark durch andere Staaten

fremdbestimmt. So wurde die Regierung des Gebietes einer Kommission von fünf Mitgliedern

übertragen, die der Völkerbundsrat ernannte: ein Franzose, ein aus dem Saargebiet stammender

und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Vertreter anderer Länder. Die Kommission besaß

alle Befugnisse, die früher dem Deutschen Reich zugestanden hatten. Gesetze und

12 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.2313Teil III, Abschnitt 4 (Artikel 45 – 50), vgl. Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff14 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.2315 Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009, S.9416 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.32ff

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Verordnungen blieben zunächst weiterhin in Kraft mit Ausnahme einzelner notwendiger

Änderungen wie etwa im Bereich von Zöllen. Sämtliche Macht war bei dieser Kommission

gebündelt, die allerdings die Saarbevölkerung nur zum Teil repräsentierte. Am 26. Februar

1920 nahm sie ihre Amtsgeschäfte unter dem Vorsitz von Victor Rault auf. Dieser kündigte

zwar an, vorrangig die Situation der Industrie und Arbeiterschaft im Saargebiet verbessern zu

wollen, tatsächlich verfolgte er hingegen eher die französischen Eigeninteressen.17 Erst 1922

wurde das Recht zur Bildung einer Landesregierung aus gewählten Vertretern eingeräumt.

Dieser Landesrat ermöglichte dennoch keine echte Teilhabe der Parteien an der

Regierungsverantwortung, da er lediglich beratende Kompetenz hatte. Die Saarbewohner

blieben daher von politischer Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen.18

Dabei wurde dem französischen Staat durch die neuen Bestimmungen für das Saargebiet

ohnehin bereits großer Einfluss eingeräumt. Nicht nur, dass mit Victor Rault ein Franzose von

dem Völkerbundsrat zum Präsidenten der ersten Regierungskommission gewählt wurde, auch

die Mitgliedschaft eines Dänen und eines Belgiers in der Regierung konnte als

Interessenvertretung Frankreichs betrachtet werden. Die Unabhängigkeit und Objektivität der

Kommission wurde von der Saarbevölkerung sehr stark angezweifelt, weshalb ihr von

vornherein Ablehnung entgegen schlug. Neben den wirtschaftlichen Vorrechten Frankreichs,

die im nächsten Unterkapitel noch näher erläutert werden, wurde der französische Einfluss

durch weitere Maßnahmen verstärkt: die Vertretung der Saarländer im Ausland durch

Frankreich sowie die Berufung von Franzosen in leitende Beamtenstellen.19 Insbesondere

während der Ära Rault von 1920 bis 1925 waren die französischen Interessen an einer

Annexion des Saargebietes offenkundig. Raults Politik, die darauf ausgerichtet war, im

verwaltungs- und kulturpolitischen Bereich die Bindungen der Saarbewohner zum Deutschen

Bereich so weit als möglich zu lockern, schadete damit nicht nur dem Ansehen der

Regierungskommission, sondern auch dem des gesamten Völkerbundes. Darüber hinaus

versuchte Präsident Rault, innenpolitisch kritische Stimmen der Saarbevölkerung mit den

Mitteln des Polizeistaates20 zu unterdrücken. Nach seiner Abberufung und dem damit

verbundenen Ende der „profranzösischen“ Mehrheit nahm die Völkerbundsregierung ab etwa

1926 eine deutlich liberalere Haltung ein und bemühte sich, deutsche und französische

Interessen an der Saar auszugleichen. Das Misstrauen der Saarbewohner gegenüber der

17 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.2318 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.9519 Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.25f20 zum Beispiel: Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Presseverbote und Ausweisungen

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internationalen Regierung war jedoch bereits so groß, dass selbst kleinere politische Krisen

beinahe automatisch in Vertrauenskrisen mündeten.21

Das parteipolitische Leben wurde an der Saar von den gleichen Gruppierungen wie im

Deutschen Reich bestimmt. Der Versuch, eine französisch orientierte Partei aufzustellen,

scheiterte bei den Landesratswahlen 1924 mit einem Stimmenanteil von nur 2,7% eindeutig. So

hatten nur solche Parteien eine nennenswerte Wählerschaft, die eine deutsche „Mutterpartei“

vorweisen konnten, mit der die organisatorischen Verbindungen bestehen blieben.22 Die

Größenverhältnisse zwischen den Parteien unterschieden sich hingegen von denen des Reiches.

Die parteipolitische Führungsstellung des Zentrums ist dabei auf den katholischen

Bevölkerungsanteil von über 72% an der Saar zurückzuführen.23 Diese Position konnten die

Linksparteien, die nach der Novemberrevolution einen enormen Zuwachs verzeichneten, nur

vorübergehend in Frage stellen und zusammen genommen zwischen 1924 und 1932 nur etwa

ein Drittel der Wähler für sich gewinnen. Dabei verschoben sich zunehmend die Gewichte von

der Sozialdemokratischen Partei (SPD) zur Kommunistischen Partei (KPD). Insgesamt

repräsentierten diese drei Parteien etwa Dreiviertel der Wählerschaft in der Saarregion.

Darüber hinaus ist nur noch die liberale Deutsch-Saarländische Volkspartei (DSVP) zu nennen,

die durchgängig im Landesrat Sitz und Stimme besaß. Während ihr Wähleranteil von

ursprünglich 15% im Laufe der Zwanziger Jahre bis auf etwa 7% sank, gelang der

konservativen Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1928 der Einzug ins Parlament.24 Der

auffälligste Unterschied der politischen Landschaft an der Saar im Vergleich zu den deutschen

Parteien bestand allerdings im Fehlen des Rechtsradikalismus. Die Anfänge der

Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) reichen zwar auch im Saargebiet

bis in das Jahr 1923 zurück, jedoch blieb die Partei jahrelang ohne Bedeutung. Bei den

Kommunalwahlen 1929 stellte sie erstmals in einigen Orten einen Kandidaten auf, der Erfolg

blieb hingegen aus. Bei den Landesratswahlen 1932 erhielt sie ebenfalls nur 6,7% der

Stimmen, die bei der DNVP zugleich verloren gingen. Trotzdem blieb der Durchbruch der

Nationalsozialisten im Deutschen Reich für die Parteien an der Saar nicht folgenlos, sondern

führte zu einer Krise des gemeinsamen politischen Bewusstseins. Die Auseinandersetzung mit

dem Nationalsozialismus fiel dabei mit dem ab 1933 beginnenden Abstimmungskampf an der

Saar zusammen.25

21 Linsmayer: Politische Kultur, S.2022 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.36f23 Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundzeit, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.14324 Linsmayer: Politische Kultur, S.20ff25 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.37

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Die wirtschaftliche Entwicklung in der Völkerbundszeit

In wirtschaftlicher Hinsicht musste das Saargebiet in der Völkerbundszeit wie andere

europäische Regionen die schwierige Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft sowie die

Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929/30 bewältigen. Darüber hinaus mussten neue

Absatzmärkte gewonnen werden. Das Saargebiet erhielt zwischen 1920 und 1925 den

Sonderstatus einer Freihandelszone. Sowohl die Kohle und Eisenerzeugnisse, die nach

Deutschland exportiert wurden als auch deutsche Produkte, die importiert wurden, waren

zollfrei. Mit dem Anschluss an das französische System bestand fortan gegenüber deutschen

Einfuhren eine Zollschranke. Dies verursachte ähnlich wie der Währungsdualismus von Mark

und Franc großen Unmut bei der Saarbevölkerung.26 Die schrittweise Einführung des

französischen Franc als Zahlungsmittel, das zunächst nur von der Grubenverwaltung genutzt

wurde, war ein Beleg für den immer stärkeren Einfluss Frankreichs, der auch den

Wirtschaftssektor betraf. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sowohl die

Währungs- als auch die Zollunion mit Frankreich dem Saargebiet die gallopierende Inflation

wie im Deutschen Reich ersparte. So verbesserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse an der

Saar, als der Franc ab 1. Juni 1923 alleiniges Zahlungsmittel wurde. Dennoch änderte dies

nichts daran, dass sich die Saarbewohner im eigenen Land von fremden Machthabern

bevormundet sahen.27

Das Saarstatut hatte Frankreich im Wirtschaftsbereich darüber hinaus ein weiteres, großes

Einflussgebiet zugestanden. Mit dem Eigentumsrecht an den Kohlengruben im Saarbecken

hatte Deutschland auch das alleinige Ausbeutungsrecht an Frankreich abgetreten. Durch den

Übergang der Saargruben in französischen Staatsbesitz gerieten die Bergarbeiter in

unmittelbare Abhängigkeit vom französischen Staat und von französischen Grubenbeamten.28

Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs sowie die Wirtschaftsstruktur an der Saar bildeten

die Grundlage der Grenzziehung. Dabei wurde ein Gebiet von 1900 km² so abgegrenzt, dass es

alle Kohlengruben, die Industriewerke sowie das Wohngebiet der Industrie- und Bergarbeiter

einschloss.29 Darüber hinaus entstanden zahlreiche französische Banken und Versicherungen

sowie eine französische Handelskammer an der Saar. Vor diesem Hintergrund wurde auch das

Wirtschaftsressort der Regierungskommission stets von einem Franzosen geleitet.30

26 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f27 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.26f28 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.95f29 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.2930 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.33

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Während bereits die politische Konstellation, insbesondere die französisch-geprägte

Regierungskommission, von der Saarbevölkerung abgelehnt wurde, stießen die

wirtschaftlichen Regelungen auf noch größeren Widerstand. Die Situation verschärfte sich

schließlich durch den hunderttägigen Bergarbeiterstreik, der am 5. Februar 1923 mit

Lohnforderungen der Bergleute begann und der von der französischen Grubenverwaltung mit

Entlassungen und Wohnungskündigungen beendet wurde. Dadurch wurde die ohnehin

bestehende sozial- und nationalpolitische Solidarität der Bergarbeiter gegen den französischen

Staat als Arbeitgeber gefestigt. Das Bestreben, im Grenzland nicht mehr zwischen die

Erbfeindschaft Deutschlands und Frankreichs zu geraten, war damit gescheitert. Der Streik

führte ferner alle politischen Kräfte an der Saar zusammen, die im Widerstand gegen die

Regierungskommission entstanden waren. Ein auf Verständigung angelegter

Internationalismus hatte spätestens jetzt keine Chance mehr.31

Die kulturelle Entwicklung unter der Völkerbundsverwaltung

Die Voraussetzungen für eine kulturelle Selbstbehauptung waren im Saargebiet besonders

günstig, da ihm als eigenständige politische Region die kulturelle Autonomie durch den

Versailler Vertrag ausdrücklich zuerkannt wurde. Der Bevölkerung an der Saar wurden ihre

religiösen Freiheiten, ihre Schulen und ihre Sprache garantiert. Sowohl kommunale

Bildungseinrichtungen als auch die unterschiedlichen Vereine waren somit dem

reglementierenden Eingriff der Völkerbundsregierung weitestgehend entzogen.32

Dennoch wurde die kulturelle Situation im Saargebiet zum Teil sehr stark von Frankreich

bestimmt. Dabei verbanden die Saarbewohner aufgrund der Besatzungszeit vor allem negative

Erfahrungen mit ihrem Nachbarland. Auch den Landesherren in Paris war daher früh klar, dass

sie mit Gewaltmaßnahmen und militärischem Zwang die Saarbevölkerung nicht für sich

gewinnen konnten. So gastierten schon vor der Völkerbundszeit französische Musiktheater an

der Saar und erste französische Schulen wurden errichtet, um die Saarbewohner kulturell zu

beeinflussen.33 Auch die Regierungskommission gab mit Hilfe der Bergwerksverwaltung nach

kurzer Zeit die Neutralität auf und unterstützte die französische Kulturpropaganda. Die Kultus-

und Schulabteilung unterstand dabei nie einem Mitglied aus der Saarbevölkerung, sondern in

der Regel „profranzösischen“ Beamten. In einer Anlage zum Saarstatut wurden in diesem

Zusammenhang verschiedene Einzelheiten geregelt: unter anderem das Recht Frankreichs,

31 Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.10332 Linsmayer: Politische Kultur, S.30633 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.22

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jederzeit Schulen für das Grubenpersonal und deren Kinder zu gründen sowie darin den

Unterricht erteilen zu lassen. Dabei konnte der französische Staat Lehrer einstellen und den

Lehrplan festlegen. Darüber hinaus konnten durch eine Verordnung der

Regierungskommission von 10. Juli 1920 auch die Kinder des deutschen Grubenpersonals und

sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörenden Saareinwohner ihre gesetzliche

Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen erfüllen. Auf Widerstand

sowohl bei der Lehrerschaft als auch bei der Bevölkerung stießen jedoch nicht nur diese

Bergwerksschulen, sondern auch der fakultative französische Sprachunterricht an den

Volksschulen. Diese Entwicklungen wurden als Gefährdung des deutschen Charakters des

Schulwesens erachtet. Der Schulkampf spitzte sich zu, als die französische Grubenverwaltung

die Bergleute dazu zwang, ihre Kinder in die französischen Schulen zu schicken.34

Im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung und der damit verbundenen deutsch-

französischen Rivalität war daher klar, dass sich das kulturelle Leben an der Saar nicht in

einem politikfreien Raum abspielte. Insbesondere die ausgeprägte Festkultur stand sehr stark

im Zeichen der Politik. So hatten in den Zwanziger Jahren viele große, in der „Masse“ erlebte

Fest- und Feierstunden einen politischen Kultcharakter und waren mit politischen Zielen und

Werten verknüpft. Ferner galten sie auch als politische Aktionsform, die insbesondere an der

Saar die politische Teilhabebereitschaft der Menschen zum Ausdruck brachte.35

In diesem Kontext sind vor allem die kulturnationalen Feiern herauszustellen. Dass diese in

den frühen Zwanziger Jahren an der Saar an Bedeutung zu verlieren schienen, lag primär an

der Verbotspraxis der Regierungskommission, die alle öffentlichen Prozessionen und

Veranstaltungen konsequent untersagte, die offen an das Nationalgefühl appellierten. Vor

diesem Hintergrund wurde das erste große, öffentlichkeitswirksame Fest mit einer nationalen

Ausrichtung, welches das Saargebiet in dieser Zeit erlebte, auf kirchlich-katholischem Boden

gefeiert, der vor staatlichen Übergriffen weitgehend geschützt war. Der erste Katholikentag an

der Saar entwickelte sich 1923 mit einer Teilnahme von etwa 70.000 Katholiken de facto zu

einer Demonstration des bedrohten Deutschtums im abgetrennten Grenzgebiet und damit auch

zum symbolischen Protest gegen die herrschende staatlich-politische Ordnung. Gleichzeitig

bildete er das erste bedeutende, regionale Fest, das seit dem Weltkrieg außerhalb der

sozialistischen Arbeiterbewegung zustande kam.36

Da nationalpolitische Feiern am besten realisierbar waren, wenn sie verdeckt als kulturelle und

nicht als politische Veranstaltungen ausgewiesen wurden, waren neben kirchlich-nationalen

34 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.31ff35 Linsmayer: Politische Kultur, S.86f36 Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.273ff

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Festen auch solche Feste beliebt, in denen das deutsche Liedgut, alte deutsche Sitten und

Bräuche oder auch ein Anlass der deutschen Geschichte gefeiert wurden. Letzteres war bei der

Rheinischen Jahrtausendfeier im Jahr 1925 der Fall, die als herausragendes Ereignis an der

Saar – wie im ganzen Rheinland – ein eindrucksvolles Bekenntnis für Deutschland darstellte.

Die Feierlichkeiten nahmen Bezug auf das Jahr 925, als der deutsche König Heinrich I. das

selbständige Herzogtum Lotharingen, zu dem auch große Teile der späteren Rheinprovinz und

somit das Land an der Saar gehörten, mit dem ostfränkischen, deutschen Reich

wiedervereinigte. Der Anlass war dabei eher willkürlich gewählt und trat in dem geschickt

inszenierten Massenspektakel auch in den Hintergrund. Die Jahrtausendfeier bot vielmehr die

Gelegenheit, in einem großen Fest einerseits den nationalen Zusammengehörigkeitswillen der

Bevölkerung aufzuzeigen und andererseits gegen die französischen Annexionsinteressen zu

demonstrieren.37 Der Massenzuspruch, den die Jahrtausendfeier erfuhr, war nicht zuletzt im

Verhalten der Regierungskommission begründet, die das Fest zwar nicht gänzlich untersagte,

aber zahlreiche begrenzte Verbote aussprach. So wurden beispielsweise das Schmücken

öffentlicher Gebäude, die Mitwirkung von Beamten und Schulen an der Feier sowie das

Flaggen der alten schwarz-weiß-roten Reichsfarben nicht erlaubt. Dies führte jedoch nicht zu

dem beabsichtigten Effekt, sondern geradewegs zum Gegenteil: Die Vorbereitungen wurden

mit einer regelrechten Euphorie von immer mehr freiwilligen Helfern vorangetrieben und fast

alle größeren Orte an der Saar versanken an den Festtagen in den schwarz-weiß-roten Fahnen.

Diese Form des nationalen Protestes der Masse der Festteilnehmer war nicht überraschend. Er

war letztlich ein Ausdruck gegen die aufgezwungene Fremdregierung und Fremdbesatzung

sowie gegen die bereits beschriebene Regierungspraxis des Präsidenten Rault.38 Darüber hinaus

spiegelt dieses – wenn auch nur einmalige – Ereignis der Jahrtausendfeier das Nationalgefühl

an der Saar wider, das fortan bei allen öffentlichen Festen eine Rolle spielte, zum Beispiel auch

bei schulischen und kirchlichen Jubiläums- und Einweihungsfeierlichkeiten. Kennzeichnend

hierfür waren nicht nur der Volksfestcharakter sowie die kirchliche und vereinspolitische

Unterstützung, sondern auch eine Klassen-, Religions- und Altersgrenzen überschreitende

Massenmobilisation neben der Politisierung des Alltags.39 Ferner war dieser Nationalismus

anfällig für politische Instrumentalisierungen. Daher sollte die Verbindungslinie nicht gänzlich

außer Acht gelassen werden, die offensichtlich von dem nationalen Festkultcharakter der

37 Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.11338 Linsmayer: Politische Kultur, S.138ff39 Paul: Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925, S.113

13

Page 15: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Jahrtausendfeier zur nationalsozialistisch beeinflussten Abstimmungspropaganda von 1933 bis

1935 führte.40

Der Abstimmungskampf 1933 – 1935

Deutsche Front und Einheitsfront

Infolge der Machtergreifung am 30. Januar 1933 verstärkten sich die Aktivitäten der NSDAP

und ihrer Anhänger auch an der Saar. Überall wurde die Saarbevölkerung mit den

nationalsozialistischen Symbolen, Parolen und Appellen konfrontiert, die Straßen, Plätze,

Behörden, Geschäfte oder Wohnhäuser in Form von Giebelinschriften dekorierten. Die

Propaganda der Nationalsozialisten bezog sich dabei insbesondere auf die regionalspezifische

Thematik der anstehenden Volksabstimmung und erweckte zuweilen den Eindruck, als sei die

Abstimmung bereits zugunsten Hitler-Deutschlands gelaufen.41

Darüber hinaus leitete die NSDAP die Gleichschaltung aller Verbände und Organisationen im

Saargebiet ein. So wechselten bereits im April 1933 Mitglieder der bürgerlichen Parteien in die

NSDAP über, wobei die Parteien an der Saar nur allmählich ihre Politik den neuen

Verhältnissen im Reich anpassten. Dennoch schlossen sich die NSDAP Saar, die liberale

DSVP, die DNVP, die bürgerliche Mitte und – trotz großer Kritik am Nationalsozialismus –

auch das katholische Zentrum im Juli 1933 zur gemeinsamen Vorbereitung des

Abstimmungskampfes in dem national-bürgerlichen Parteienbündnis der Deutschen Front

zusammen.42 Die einzelnen Parteien behielten zwar zunächst ihre Selbstständigkeit innerhalb

des Bündnisses bei, jedoch erfolgte parallel zu den Entwicklungen im Reich noch im gleichen

Jahr die Auflösung der bürgerlichen Parteien. Der Gauleiter Alois Spaniol hatte es allerdings

versäumt, die NSDAP Saar ebenfalls zur Festigung der Deutschen Front aufzulösen. Daraufhin

übernahm Joseph Bürckel, der Gauleiter der Pfalz, die Verhandlungen mit der Deutschen Front

und wurde damit auf deutscher Seite zur entscheidenden Gestalt im Abstimmungskampf. Als

Nachfolger von Vizekanzler Franz von Papen wurde er am 10. August 1934 zum

Saarbevollmächtigten des Reichskanzlers ernannt.43

40 Linsmayer: Politische Kultur, S.14841 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.10242 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.4043 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.101

14

Page 16: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Auf der anderen Seite nahm die SPD unmittelbar nach der Machtübernahme den Kampf gegen

die neue Reichsregierung auf. Sie trat allerdings erst im Oktober 1933 mit einem

entsprechenden Saarprogramm in der Öffentlichkeit auf. Die ersten Bemühungen des

Parteivorsitzenden Max Braun richteten sich dahingehend, den Abstimmungstermin um fünf

bis zehn Jahre zu verschieben, bis wieder eine freie Wahl an der Saar möglich wäre. Der

Völkerbundsrat, der sich immer sehr genau an das Versailler Saarstatut hielt, sowie die

französische Regierung berücksichtigten diese Vorschläge nicht. Die KPD kämpfte bis zum

Sommer 1934 unabhängig von den Sozialdemokraten gegen den Nationalsozialismus im Reich

und griff gleichsam Völkerbund, Regierungskommission und Frankreich an. Sogar die

Ausfälle gegen die Sozialdemokratie wurden zunächst beibehalten. Erst als der Völkerbundsrat

am 4. Juni 1934 endgültig den Termin für die Volksabstimmung auf den 15. Januar 1935

festlegte, bildete sich am 4. Juli 1934 die so genannte Einheitsfront der Kommunisten und

Sozialdemokraten an der Saar. Sie forderte zur Beibehaltung der bestehenden Verhältnisse an

der Saar auf, für den so genannten Status quo, und hoffte dabei, nach einem Sturz der

Nationalsozialisten im Reich, in einer zweiten Abstimmung über den endgültigen Status des

Saargebietes entscheiden zu können.44

Ablauf des Abstimmungskampfes und Propagandamaßnahmen

Nach der Terminfestlegung für die Saarabstimmung setzte zugleich die intensive

Wahlkampfphase ein. In allen Dörfern und Städten entlang von Saar und Blies begann ein

regelrechter Plakat-, Transparenten- und Fahnenkrieg. Dabei konnte die Deutsche Front durch

die Unterstützung der NSDAP auf das umfangreiche nationalsozialistische Instrumentarium

zurückgreifen, so dass der Saarkampf die erste große Propagandaschlacht des Ministeriums für

„Volks-aufklärung und Propaganda“ von Joseph Goebbels darstellte.45 Da das

nationalsozialistische System hoffte, im Saargebiet seinen ersten großen außenpolitischen

Erfolg zu feiern, stellte es große Geldsummen zur Stärkung der nationalen

Rückgliederungspropaganda zur Verfügung.46

An der Saar, im Reich und selbst in Übersee wurden die dort lebenden

Abstimmungsberechtigten47 zur Zielgruppe der nationalsozialistischen Propaganda. Auf

riesigen Großkundgebungen warb Hitler zum Teil höchstpersönlich für die Rückgliederung zu

Deutschland. Die überall gegründeten Saar-Vereine erschienen zwar als Träger dieser

Kundgebungen, tatsächlich aber waren die Veranstaltungen detailliert im

44 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.270ff45 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.6146 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.1547 Stimmberechtigt waren alle Menschen, die zum Zeitpunkt des Versailler Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz im Saargebiet hatten.

15

Page 17: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Propagandaministerium geplant worden.48 Höhepunkt bildete die von Goebbels veranstaltete

Saargroßkundgebung am Niederwalddenkmal in Rüdesheim. Zehntausende Saarbewohner

versammelten sich hier, um Hitler zuzujubeln.49

Die zahlreichen eingesetzten Wahlplakate bildeten ein weiteres zentrales Propagandamittel, bei

dem die Deutsche Front geschickt die werbepsychologischen Erkenntnisse der modernen

Massenbeeinflussung nutzte. Dabei ging es in erster Linie um emotionale Aspekte. So

appellierten die drei Hauptplakate an das Gefühl, die Wünsche und Sehnsüchte, aber auch an

das Gewissen und den Handlungswillen des Betrachters. Beispielsweise wurde in dem von

Hans Herbert Schweitzer50 entworfenen Plakat „Deutsche Mutter – heim zur Dir“51 die

Rückgliederung des Saargebietes als Heimkehr des Sohnes in die Arme seiner deutschen

Mutter dargestellt. Die Deutsche Front verzichtete weitgehend auf den Einsatz

nationalsozialistischer Symbolik und Terminologie, um die Rückgliederung als Angelegenheit

der Saarbewohner und nicht als parteipolitische Aufgabe erscheinen zu lassen.52

Die antifaschistische Einheitsfront war diesem gewaltigen Propagandaaufwand der Deutschen

Front hoffnungslos unterlegen.53 Allein in den letzten Monaten des Saarkampfes wurden mit

Unterstützung des Propagandaministeriums etwa 80.000 Plakate im Saargebiet aufgehängt.

Gegen die mitreißende Welle des Nationalgefühls versuchten sich die Status quo-Befürworter

mit nüchternen und rationalen Argumenten zu erheben, um jedem Abstimmungsberechtigen

darzulegen, welches Unglück durch die nationalsozialistische Herrschaft der Saar drohen

werde, und gleichzeitig die Vorteile politischer Freiheit zu betonen. Dabei verunsicherte bereits

das Fremdwort „Status quo“ viele Menschen, da sie es gar nicht verstanden. Es erweckte bei

ihnen das Gefühl, ein Sieg der Befürworter würde die Franzosen wieder ins Land bringen. Vor

diesem Hintergrund waren umständliche Erklärungen erforderlich, weshalb in der

Plakatpropaganda der Einheitsfront die Textplakate54 dominierten. Inhaltlich wurden dabei

immer wieder die gleichen Schwerpunkte gesetzt: die Selbstbestimmung und Selbstverwaltung

der Region, die Möglichkeit einer zweiten Abstimmung nach dem Ende der

nationalsozialistischen Diktatur, die Beteiligung der Saar am Besitz der Gruben und die

Beibehaltung des französischen Währungssystems. Insbesondere die wirtschaftlichen

Argumente wurden immer wieder aufgegriffen. Unter anderem führten die Anhänger des

Status quo in diesem Zusammenhang an, dass eine sofortige Rückgliederung den Bergbau

48 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.6149 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.10150 bekannter nationalsozialistischer Grafiker, Pseudonym: Mjölnir; Lebensdaten: 25.07.1901 – 15.09.198151 siehe Anhang 2352 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.61ff53 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.10154 siehe auch Anhang 24

16

Page 18: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

sowie die Hüttenindustrie stark belasten und Massenentlastungen nach sich ziehen würde.55

Auch graphisch und inhaltlich konnten sowohl die Bild- als auch die Liedproduktionen der

Einheitsfront mit denen der Deutschen Front nicht konkurrieren. Ihnen fehlten nicht nur Farben

oder identifizierbare Symbole, sondern vor allem eine zündende Parole.56 Außerdem verfügte

die Status quo-Bewegung über keinen eigenständigen Fundus an Erinnerungen und konnte

daher keine politischen Traditionen anführen, die ihre politischen Zielvorstellungen hätten

legitimieren können.57 Aufgrund dieser Defensivstellung der Einheitsfront hatten sich viele

Anhänger der KPD und SPD im Laufe des Abstimmungskampfes von den beiden Parteien

abgewandt. Ferner wurden ganze Bevölkerungsgruppen von der Propaganda der Einheitsfront

gar nicht erfasst. So tauchten Frauen weder als Subjekt noch als Adressaten des Wahlkampfes

auf. Die geschilderten Schwachpunkte in der Propaganda zählten zu den Ursachen, die letztlich

zum Scheitern der Status quo-Bewegung führten. Die Einheitsfront traf dabei allerdings nicht

nur eine Reihe von Fehlentscheidungen im Laufe des Wahlkampfes, sondern war tatsächlich

benachteiligt gegenüber der allein schon finanziell wesentlich besser aufgestellten Deutschen

Front.58

Die Atmosphäre während des Abstimmungskampfes war äußerst angespannt, da die Methoden

des politischen Kampfes in erster Linie von der NSDAP bestimmt wurden, obwohl diese

offiziell in der Deutschen Front aufgegangen war. Die Nationalsozialisten scheuten dabei auch

vor Einschüchterung, Boykott und Terror gegen Andersdenkende nicht zurück.59 Insbesondere

in den letzten Tagen vor der Abstimmung spitzte sich die Lage an der Saar immer weiter zu.

Plakat- und Anschlagflächen der Einheitsfront wurden umgestürzt und zerschlagen, so dass bis

zum Morgen des Wahltages die Status quo-Lösung im öffentlichen Erscheinungsbild schon

kaum mehr präsent war.60 Der Völkerbundskommission fiel es in dieser erhitzten Stimmung

zunehmend schwerer, Recht und Ordnung im Alltag sicher zu stellen. Auch der Versuch, die

Ausschreitungen mit Notverordnungen einzudämmen, blieb erfolglos. Vor diesem Hintergrund

entsandte der Völkerbund im Dezember 1934 britische, italienische, niederländische und

schwedische Schutztruppen mit einer Stärke von etwa 4000 Mann in die Saarregion. Diese

sollten am 13. Januar 1935 den Wahlvorgang überwachen, um eine korrekte Durchführung zu

gewährleisten. Entgegen einheimischer Befürchtungen erwies sich ihre Präsenz als voller

Erfolg, da sie durch ihre Bewachung eine demokratische Wahl erst ermöglichten. Aufgrund

55 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64f56 Paul: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!”, S.297f57 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.4658 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.64ff59 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.3960 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.67

17

Page 19: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

ihres freundlichen und korrekten Auftretens fanden sie auch viele Sympathien in der

Bevölkerung.61

Ergebnis und Auswertung der Saarabstimmung

Der Ausgang der Volksabstimmung hing aufgrund des bestehenden Kräfteverhältnisses

zwischen den Parteien in besonderem Maße von der Haltung der bisherigen Wählerschaft des

Zentrums ab. Die katholische Zentrumspartei hatte sich zwar im Oktober 1933 zugunsten der

Deutschen Front aufgelöst, jedoch legten einige Mitglieder ihre Ablehnung gegenüber dem

nationalsozialistischen Regime nicht ab. In diesem Kontext ist vor allem Johannes Hoffmann,

damaliger Redakteur der Saarländischen Landeszeitung zu nennen, der die

nationalsozialistischen Ziele und Methoden öffentlich immer wieder anklagte, weshalb er im

Februar 1934 als Chefredakteur entlassen wurde. Er konnte insbesondere innerhalb der

katholischen Bevölkerung und der Geistlichkeit Anhänger gewinnen, die ebenfalls die

Rückkehr des Saargebietes in ein nationalsozialistisches Deutschland ablehnten.62 Nachdem

jedoch der Trierer Bischof Bornewasser ausdrücklich zur Stimmabgabe für die Rückkehr zu

Deutschland aufforderte, waren die Hoffnungen Hoffmanns, einen größeren Teil der

Saarbevölkerung für eine Status quo-Lösung zu gewinnen, zerstört.63 Der Versuch des

Katholizismus an der Saar, sowohl Kritik und Protest gegenüber der nationalsozialistischen

Herrschaft auszuüben als auch das Angebot zur nationalen Zusammenarbeit zu verwirklichen,

führte daher letztlich in eine nationale Solidarisierung für die Volksabstimmung.64

Insgesamt entschieden sich am 13. Januar 1935 90,76% der Abstimmungsberechtigten für die

Rückgliederung zum Deutschen Reich.65 Während sich die reichsdeutsche Bevölkerung in

freien Wahlen nie mehrheitlich für den Nationalsozialismus aussprach, könnte bei diesem

Ergebnis der Eindruck entstehen, dass bei dem vom Völkerbund überwachten Plebiszit mehr

als 90% zugleich für die nationalsozialistische Diktatur gestimmt hätten. So könnte

geschlussfolgert werden, dass die Saarbevölkerung besonders anfällig gegenüber der

nationalsozialistischen Propaganda und wenig demokratisch gesinnt war. Dies widerspricht

jedoch den Ergebnissen der Regionalwahlen, bei denen die sich zur Weimarer Republik

bekennenden Parteien (Zentrum und Sozialdemokratie) immer die Mehrheit auf sich vereinen

konnten, während die NSDAP noch 1932 nur einen sehr geringen Stimmenanteil erzielte.66

Auch wenn die Anhänger der Nationalsozialisten eine sehr aktive Wählergruppe bei der

61 Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13.  Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.17662 Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.145ff63 Behringer: Geschichte des Saarlandes, S.10164 Zenner: Saarländischer Katholizismus, S.14665 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.3966 Linsmayer: Politische Kultur, S.164

18

Page 20: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Abstimmung 1935 waren, so lag das Hauptanliegen der Wähler vielmehr darin, ihre Stimme

für die Vereinigung mit dem angestammten Vaterland unabhängig von der dort herrschenden

Partei und Staatsform abzugeben.67

Der Völkerbundsrat beschloss am 18. Januar 1935 die Vereinigung des gesamten Saargebietes

mit dem Deutschen Reich zum 1. März 1935. Die Saarregion wurde unter der Bezeichnung

„Saarland“ einem Reichskommissar unterstellt, wodurch endgültig die Zugehörigkeit zu

Preußen und Bayern, die seit 1920 lediglich geruht hatte, beendet wurde. Reichskommissar

wurde der Gauleiter Bürckel.68 Bereits wenige Monate nach dem Plebiszit erinnerte kaum noch

etwas im öffentlichen Leben daran, dass zuvor ein anderes politisches System existiert hatte.

Hunderte von Straßen wurden nach namhaften Nationalsozialisten umbenannt. Kurz vor dem

ersten Jahrestag der Saarabstimmung gab Bürckel bekannt, dass in allen saarländischen

Gemeinden eine Straße künftig „Straße des 13. Januar“69 heißen sollte. Zusätzlich gab es in

vielen Orten einen „Platz der Deutschen Front“ oder einen „Befreiungsplatz“. Höhepunkt

dieses nationalsozialistischen Erinnerungskultes bildete im Oktober 1938 die pompös

inszenierte Einweihung des neuen „Grenzlandtheaters Saarbrücken“70, welches als Geschenk

Hitlers für die nationale Treue der Saarbewohner galt.71

Didaktische Reduktion

Die vorliegende Unterrichtsreihe ist chronologisch aufgebaut, so dass ein erster thematischer

Schwerpunkt auf der französischen Besatzungszeit von 1918 bis 1920 liegt. Dabei sollen

hauptsächlich die belastenden Faktoren durch die militärische Präsenz sowie die unklare

politische Situation und die damit verbundene Angst der Annexion durch Frankreich im

Vordergrund stehen. Die verschiedenen Belagerungszustände oder Streiks, die in dieser Zeit

bestanden beziehungsweise durchgeführt wurden, spielen eine untergeordnete Rolle und

werden nur kurz angesprochen. Auch die Gründung des „Saar-Vereins“ in Berlin wird in

diesem Kontext allenfalls in Bezug auf die im Deutschen Reich lebenden Saarländer kurz

erwähnt, da sich diese zum Teil sehr rege im Abstimmungskampf engagierten und 1935 auch

mitstimmen durften.

Im Zusammenhang mit der französischen Besatzungszeit sollen die Gründe für die

antifranzösischen Ressentiments der Saarbevölkerung herausgearbeitet werden. Die negative

67 Herrmann: Die Geschichte des Saarlandes, S.3968 Ebd, S.40f69 Heute sind noch immer drei saarländische Straßen nach dem 13. Januar benannt, unter anderem in Saarbrücken (siehe auch Anhang 27).70 heute: Saarländisches Staatstheater in Saarbrücken71 Linsmayer: Die Macht der Erinnerung, S.16ff

19

Page 21: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Haltung gegenüber Frankreich wird darüber hinaus im Laufe der Unterrichtsreihe immer

wieder aufgegriffen, insbesondere im Kontext der verstärkten Einflussnahme Frankreichs

während der Völkerbundszeit in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Gerade

in Bezug auf die kulturelle Entwicklung des Saargebietes wird exemplarisch die Bildung der

französischen Domanialschulen an der Saar intensiv thematisiert sowie auch auf die nationale

Festkultur am Beispiel der Rheinischen Jahrtausendfeier eingegangen. Auch bei der

wirtschaftlichen Situation zur Zeit des Völkerbundes wird der französische Einfluss durch den

Besitz der Saargruben sowie die Währung in groben Zügen behandelt.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Saargebietes zu einer eigenständigen politischen

Einheit während der Völkerbundszeit wird anhand der Regelung im Saarstatut lediglich das

Organ der Regierungskommission betrachtet. Die 1922 entstandene Landesregierung spielt im

Rahmen der Unterrichtsreihe keine Rolle, da die Regierungsverantwortung weiterhin bei der

dem Völkerbund unterstellten Kommission lag. Auch die politische Parteienlandschaft wird

lediglich im Zusammenhang mit der Deutschen Front und der Einheitsfront angesprochen.

Der Abstimmungskampf von 1933 bis 1935 wird anhand verschiedener

Propagandamaßnahmen thematisiert. Exemplarisch werden dabei mit dem Saarlied „Deutsch

ist die Saar“ sowie mit Wahlplakaten sehr bekannte und typische Medien herausgegriffen, um

diese Sonder- aber auch Ausnahmesituation an der Saar zu veranschaulichen.

Im Kontext des Abstimmungskampfes sowie bezüglich der Auswertung des

Abstimmungsergebnisses kann die Bedeutung der Nationalsozialisten lediglich angesprochen

werden, da die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erst in der zehnten

Klassenstufe erfolgt. Der Gedanke, dass das eindeutige Votum der Saarabstimmung nicht nur

als nationale Entscheidung interpretiert werden kann, sondern dass dadurch auch Hitler und das

nationalsozialistische Deutschland bestärkt wurden, wird zum Abschluss der Unterrichtsreihe

zumindest aufgegriffen. Ein vertieftes Verständnis kann jedoch erst dann einsetzen, wenn die

Saarfrage in Hitlers Konzept zur Revision des Versailler Vertrages eingeordnet werden kann.

20

Page 22: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Literaturverzeichnis

Sekundärliteratur

Behringer, Wolfgang / Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009

Burgard, Paul: Die Sprache der Bilder, in: Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): Der 13. Januar. Die

Saar im Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.111-217

Hannig, Jürgen: „Deutsch ist die Saar“. Das Saarlied von Hanns Maria Lux, in: Klimmt,

Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 –

1955, Berlin 1987, S.117-122

Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Geschichte des Saarlandes, Würzburg 1972

Linsmayer, Ludwig: Die Macht der Erinnerung, in: Ders. (Hrsg.): Der 13. Januar. Die Saar im

Brennpunkt der Geschichte, Merzig 2004, S.13-109

Linsmayer, Ludwig: Kulturnationale Feiern, in: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard

(Hrsg.): Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S.173-283

Linsmayer, Ludwig: Politische Kultur im Saargebiet 1920 – 1932. Symbolische Politik,

verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region,

St. Ingbert 1992

Mallmann, Klaus-Michael: Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in:

Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins

Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.103-108

Paul, Gerhard: “Deutsche Mutter – heim zu Dir!” Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu

schlagen. Der Saarkampf 1933 – 1935, Köln 1984

Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987

Paul, Gerhard: “Schwarz-weiß-rot am Hundeschwanz”. Die Rheinische Jahrtausendfeier

1925, in: Klimmt, Reinhard u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins

Saarrevier 1815 – 1955, Berlin 1987, S.113-116

Zenner, Maria: Saarländischer Katholizismus in der Völkerbundszeit, in: Klimmt, Reinhard

u.a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 – 1955,

Berlin 1987, S.143-147

21

Page 23: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Quellensammlung

Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001

Didaktikliteratur

Bauer, Volker u.a.: Methodenarbeit im Geschichtsunterricht, Berlin 1998

Gautschi, Peter: Geschichte lehren. Lernwege und Lernsituationen für Jugendliche, Mühlheim

an der Ruhr 2005

Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik,

Seelze-Velber 2008

Schneider, Gerhard: Das Plakat, in: Pandel, Hans-Jürgen / Schneider, Gerhard (Hrsg.):

Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S.277-338

Werner, Johannes: Geschichte. Grundlagen, Arbeitstechniken und Methoden, Freising 2007

Lehrplan und Lehrwerk

Saarland – Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft: Lehrplan Geschichte für die

Klassenstufe 9 (achtjährigen Gymnasium), Saarbrücken 2005

Geschichte und Geschehen Bd. 4, hrsg. vom Ernst Klett-Schulbuchverlag, Leipzig 2007

Internetquellen 72

http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg

http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif

http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352

http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf

http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg

http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg

Musikquelle

72 Alle Internetseiten wurden zuletzt am 28.01.2011 gesichtet.

22

Page 24: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Arbeit und Kultur Saarland GmbH (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Saarländischen

Rundfunk und der Universität des Saarlandes: Für und wider. Lieder und Chöre zur

Saarabstimmung 1935. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1999

23

Page 25: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang

Verzeichnis

Erste Stunde: Das Saargebiet in der Besatzungszeit 1918 – 1920 61

Anhang 1: Folie 1 – Foto: Hermann Röchling 62

Anhang 2: Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches 63

Anhang 3: Folie 3 – Plakat „Raub des Saargebiets“ 64

Anhang 4: Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden 65

Anhang 5: Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont) 66

Anhang 6: Hausaufgabe (Erwartungshorizont) 67

Zweite Stunde: Eigenständige Entwicklung der Saarregion unter dem Völkerbund 68

Anhang 7: Quelle 1 / Folie – Personalausweis 69

Anhang 8: Quelle 2 / Folie – Notiz 70

Anhang 9: Quelle 3 / Folie – Schulzeugnis 71

Anhang 10: Tafelbild 72

Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut 73

Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut 74

Dritte Stunde: Kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund 75

Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck 76

Anhang 14: Tafelbild 77

Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen 78

Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen 79

Vierte Stunde: Gruppierungen im Abstimmungskampf 1933 – 1935 80

Anhang 17: Folie – Liedtext 81

Anhang 18: Tafelbild 82

Anhang 19: Arbeitsblatt 1 83

Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1 84

Anhang 21: Arbeitsblatt 2 85

Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2 86

Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“ 87

Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“ 88

24

Page 26: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Fünfte Stunde: Abstimmungskampf – Erstellung eigener Plakate 89

Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis 90

Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap 91

Sechste Stunde: Saarabstimmung 1935 – Ergebnisse und Bewertung 92

Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar 93

Anhang 28: Schüler-Plakat 1 94

Anhang 29: Schüler-Plakat 2 95

Anhang 30: Schüler-Plakat 3 96

Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf 97

Anhang 32: Folie 2 – Foto: Anton Schmidt 98

Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen 99

Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste) 100

Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD 101

Anhang 36: Feedbackbogen – Formular 106

Anhang 37: Feedbackbogen 1 107

Anhang 38: Feedbackbogen 2 108

Anhang 39: Feedbackbogen 3 109

25

Page 27: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Erste Stunde:

Das Saargebiet in der Besatzungszeit

1918 – 1920

Schwerpunktsetzung

Die erste Stunde soll sowohl die Relevanz des Reihenthemas verdeutlichen als auch Interesse

und Motivation für die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte wecken. Dabei steht nicht

nur die inhaltliche Betrachtung der französischen Besatzungszeit im Saargebiet im

Blickpunkt. Den Schülern soll auch die allgegenwärtige, militärische Präsenz durch die

fremden Besatzungsmächte bewusst werden sowie die Bedrohung, die davon für die

Saarbewohner auszugehen schien. Neben dem inhaltlichen und emotionalen Aspekt wird ein

methodischer Schwerpunkt gesetzt. Die Schüler beschäftigen sich erstmalig systematisch mit

dem Medium des politischen Plakates, das im Laufe der Unterrichtsreihe noch einige Male

zum Einsatz kommt.

Stundenlernziel:

Die Schüler können die territorialen und politischen Bedingungen, die das Leben an der Saar

in den ersten beiden Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bestimmt haben, erläutern und kennen

Gründe für die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner. Ferner kennen sie eine

methodische Vorgehensweise zur Analyse und Interpretation von Plakaten.

26

Page 28: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit LZ Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF Medien

5 min

1

Einstieg: stummer Impuls L legt Folie mit Foto von Hermann Röchling (1872-1955) als berühmte

saarländische Persönlichkeit auf S entdecken Thematik der neuen Unterrichtsreihe: regionale Geschichte

kurze Information zur Person Hermann Röchling durch L Schaut euch die Lebensdaten von Herrn Röchling an. Er hat im Laufe

seines Lebens fünf verschiedene Personalausweise besessen (– ohne ein Gauner zu sein, der verschiedene Namen annimmt)!? S äußern Vermutungen: unter anderem verschiedene Staatsangehörigkeiten

S wiederholen die politischen Systeme im vorgegebenen Zeitraum und erkennen drei große politische „Brüche“, die an der Saar relevant waren

L stellt knapp das Thema der Unterrichtsreihe vor: Saarfrage im Zeitraum von 1918 bis 1935

LV

feUG

Folie 1 / Anhang 1

6 min

7 min

8 min

18 min

2

3

46

758

Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Situation an der Saar nach Kriegsende – Methodik: Umgang mit PlakatenÜberleitung: Um die Entwicklungen und Veränderungen auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes nachvollziehen zu können, schauen wir uns zunächst das Deutsche Reich zur Geburt von Hermann Röchling an. Folie mit Karte zum Deutschen Reich (1871-1918) S kommt nach

vorne und kreist das heutige Saarland auf dieser Karte ein. Begriffsklärung: Saargebiet – Saargegend – Saarland Beschreibt mit Hilfe der Karte die territoriale u. politische Besonderheit

für das Saargebiet zur Zeit des Deutschen Reiches. [größter Teil preußisch (Rheinprovinz); östlicher Teil bayerisch] Schüler kommt nach vorne

Erläutert die territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages nach dem Ersten Weltkrieg, die für die Saarregion von besonderer Bedeutung waren. [Abtretung von Elsass-Lothringen an Frankreich] Markierung

Beschreibt die dadurch entstandene Veränderung der geographisch-politischen Lage des Saargebietes. [Saargebiet als Grenzregion]

Lehrervortrag zur Situation an der Saar nach dem Ersten Weltkrieg: unter anderem Übernahme der Regierungsgewalt durch radikale Arbeiter und Soldaten im November 1918 in Saarstädten; Rückzug deutscher Truppen durch das Saargebiet, …

fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch zur Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen und Militärverwaltung

Plakatanalyse: Folie mit Plakat aus Besatzungszeit L deckt zunächst nur die beiden Personen auf ( Overlay-Methode) Arbeitsauftrag: Beschreibt die Abbildung (in Stichworten)!, Zeitvorgabe:

3 Minuten anschließend Besprechung der Ergebnisse im Plenum und Klärung der für die Personen verwendeten Attribute

Worum könnte es sich bei dieser Abbildung handeln? [Foto, Gemälde, …] Aufdecken der restlichen Folie Plakat Erläutert die Botschaft des Plakates! [Protest gegen die Besatzung des

Saargebietes durch französische Truppen und eine befürchtete Annexion]

L informiert kurz über den Urheber und Plakatgrafiker Alexander M. Cay sowie historischen Kontext, in dem das Plakat entstanden ist

Erstellen eines Leitfadens zum Umgang mit Plakaten Arbeitsauftrag: Formuliert sinnvolle Fragen zu den einzelnen Aspekten! Sammeln der Ergebnisse auf Folie (mit Bezug auf das vorliegende Plakat)

LEK: kurze mündliche Interpretation des Plakates durch S

EAfeUG

EA

LV

feUG

EA

feUG

LV

PAfeUG

SV

Folie 2 / Anhang 2Folienstift

Folienstift

Folie 3 /Anhang 3

AB / Folie 4 /

Anhang 4 u. 5

1 minStellen der Hausaufgabe: ausführliche schriftliche Analyse und Interpretation des vorliegenden Wahlplakates mit Hilfe des erstellten Leitfadens!

27

Page 29: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Didaktisch-methodischer Kommentar

Die Unterrichtsreihe „Die Saarfrage 1918 – 1935“ startet in der ersten Stunde chronologisch

mit der französischen Besatzungszeit nach Kriegsende.

Als Stundeneinstieg habe ich mich für einen stummen Impuls mit einem Foto des

Industriellen Hermann Röchling entschieden, der die Schüler zur regionalgeschichtlichen

Unterrichtsreihe führen soll. Es ist zwar davon auszugehen, dass den Schülern Hermann

Röchling nicht bekannt ist, aber zumindest den Namen „Röchling“ sollte ein Teil der Klasse

mit dem Saarland in Verbindung bringen. Nach einer knappen Information über den

Saarindustriellen wird in einem zweiten Schritt der Blick auf dessen Lebensdaten gelenkt und

gleichzeitig die These bezüglich seiner vielen Personalausweise aufgestellt. Die Schüler

entdecken selbständig den Zusammenhang zu den wechselnden politischen Systemen, die mit

unterschiedlichen Staatszugehörigkeiten des Saargebietes verbunden waren. Durch diesen

rätselhaften Unterrichtseinstieg soll zum einen die Neugier der Schüler sowie die Motivation

für die Beschäftigung mit der Saargeschichte geweckt werden.

Zu Beginn der Erarbeitungsphase findet mit Hilfe einer auf Folie projizierten Geschichtskarte

des Deutschen Reiches zunächst eine geographische Einordnung statt. Ich habe mich dabei für

den Einsatz einer Karte entschieden, da ich zum einen die Schüler stärker einbeziehen will

und ich zum anderen davon ausgehe, dass aufgrund der farblichen Gestaltung der Karte die

unterschiedliche politische Zugehörigkeit des Saargebietes zügig wiederholt werden kann.

Durch die auf der Folie markierte, neue Grenzlinie nach dem Ersten Weltkrieg erkennen die

Schüler darüber hinaus auch die territoriale und politische Sonderrolle des Saargebietes als

neue Grenzregion. In diesem Kontext muss ferner auf die richtige Terminologie geachtet

werden, da der Begriff des Saarlandes erst nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet wird.

Da in dieser Stunde die methodische Arbeit im Vordergrund stehen soll, habe ich aus

zeitökonomischen Gründen beschlossen, die Situation nach Kriegsende mit ihren

regionalgeschichtlichen Besonderheiten lediglich in einem kurzen Vortrag zu erläutern. In

einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch zur französischen Besatzung und der

allgegenwärtigen militärischen Präsenz im Saargebiet erfolgt schließlich die Überleitung zu

dem politischen Plakat von Alexander M. Kaiser alias Alexander M. Cay, welches ebenfalls

als Overheadfolie projiziert wird. Um die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Bildelemente

zu fokussieren, wird die Overlay-Methode angewandt und zunächst nur die Abbildung der

beiden Personen sichtbar gemacht. Durch das Abdecken des Schriftzuges bleibt darüber

hinaus zunächst unklar, um welche Art von Medium es sich überhaupt handelt und die

Schüler können am Ende dieses Unterrichtsschrittes entsprechende Vermutungen anstellen.

28

Page 30: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Zuvor scheint mir jedoch ein Wechsel der Sozialform sinnvoll, da bis zu diesem Zeitpunkt der

Unterricht überwiegend fragend-entwickelnd verläuft. Daher soll sich zunächst jeder Schüler

selbst mit der Abbildung auseinandersetzen und diese in einer kurzen Einzelarbeit

stichwortartig beschreiben. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Plenum vorgestellt,

wobei insbesondere die jeweiligen Attribute der abgebildeten Personen thematisiert werden.

Die entsprechend ergänzten Notizen dienen letztendlich auch als Unterstützung für die

Hausaufgabe.

Nachdem die Folie vollständig aufgedeckt und damit das Medium „entschlüsselt“ wurde,

erfolgt ein kurzes Unterrichtsgespräch über die Botschaft des Plakates. In einem knappen

Lehrervortrag wird daraufhin der Plakatgrafiker sowie der historische Kontext erläutert, in

dem das Plakat entstanden ist.

In einem nächsten Unterrichtsschritt sollen sich die Schüler intensiv mit dem Plakat

beschäftigen. Dazu wird ihnen mit einem vorbereiteten Leitfaden eine Struktur für die

detaillierte Auseinandersetzung mit Plakaten an die Hand gegeben. Diesen sollen sie im

nächsten Unterrichtsschritt um geeignete Fragestellungen zu den vorgegebenen Aspekten

ergänzen, um sich dadurch ein geeignetes Hilfsmittel für die künftige Analyse und

Interpretation dieses Mediums zu erstellen. An dieser Stelle ist die Sozialform der

Partnerarbeit sehr sinnvoll, um möglichst viele Ideen zu sammeln und auch einen Austausch

mit dem Banknachbarn zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden anschließend im Plenum

verglichen und auf einer Folie am Overheadprojektor zusammengetragen. Auf diese Weise

hat jeder Schüler die Möglichkeit, fehlende Aspekte in seinem Leitfaden zu ergänzen. Ferner

wird zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis der vorgetragenen Punkte immer

wieder Bezug auf das vorliegende Plakat genommen.

In einer abschließenden Betrachtung sollen die Schüler nicht nur eine erste Interpretation des

Plakates mündlich formulieren, sondern dabei auch die Haltung der Saarbewohner zu den

französischen Besatzungsmächten bewerten. Aufgrund der erworbenen Kenntnisse über die

Besatzungszeit von 1918 bis 1920 finden die Schüler ferner Erklärungsansätze für die

antifranzösischen Ressentiments an der Saar.

Medien

Das beim Stundeneinstieg verwendete Foto des Saarindustriellen Hermann Röchling dient in

erster Linie der Illustration, um dem Namen „ein Gesicht zu geben“ und damit auch

Authentizität zu verleihen. Auf das Foto selbst wird jedoch nicht weiter eingegangen.

Im Mittelpunkt der Stunde steht vielmehr das Medium des Plakates. Grundsätzlich werden

Textplakate von Bildplakaten unterschieden, wobei die Mischform aus beiden sicherlich am

29

Page 31: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

häufigsten vorkommt, so auch bei dem vorliegenden Plakat, einem Protestplakat gegen die

Abtrennung der Saarregion mit dem Titel „Raub des deutschen Saargebiets“. In dem Plakat

des bekannten Graphikers Alexander M. Cay wird Frankreich als aggressiv wirkender

farbiger Besatzungssoldat dargestellt, der den saarländischen Bergarbeiter zu erwürgen droht.

Auf diese Weise knüpft der Plakatgestalter nicht zuletzt an das traumatische Erlebnis vieler

Saarbewohner an, die im November 1918 aufgrund der französischen Besetzung des

Saargebietes zum ersten Mal in ihrem Leben Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen haben.

Sowohl in Erzählungen als auch in der Bildpublizistik wurde die Bedrohung durch farbige

französische Besatzungssoldaten immer wieder aufgegriffen und nahm später oftmals auch

rassistische Züge an. Insbesondere von der deutschnationalen Propaganda wurde die Angst

vor den Andersfarbigen immer wieder mobilisiert, unter anderem im Abstimmungskampf von

1935.

Ich habe gerade dieses Plakat ausgewählt, da seine Text- und graphischen Elemente den

Schülern den Zugang zu diesem für sie neuen Medium erleichtern sollen. So enthält es

beispielsweise keine Fachbegriffe und auch die verwendete Metapher („Raub des deutschen

Saargebietes“) ist für Schüler verständlich. Ferner sollte das Bergbau-Symbol zumindest

einem Teil der Klasse bekannt sein. Bei dieser erstmaligen Konfrontation mit einem

politischen Plakat geht es vorrangig darum, die Lerngruppe systematisch an die Analyse und

Interpretation solcher Plakate heranzuführen. Daher wird in diesem Zusammenhang ein

Leitfaden zum Umgang mit Plakaten erstellt, der künftig immer wieder als Hilfsmittel

verwendet werden kann.

Hausaufgabe

Die Schüler sollen mit Hilfe des erarbeiteten Leitfadens eine ausführliche schriftliche Analyse

und Interpretation des politischen Plakates erstellen, das bereits mündlich im Unterricht

besprochen wurde. Auf diese Weise können sowohl die inhaltlichen als auch die

methodischen Aspekte der Stunde noch einmal gefestigt werden.

30

Page 32: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 1: Folie 1 – Foto: Hermann Röchling73

Hermann Röchling

(* 1872, 1955)

73 http://forum.axishistory.com/files/hermann_roechling_157.jpg

31

Page 33: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 2: Folie 2 – Karte des Deutschen Reiches74

74 http://www.deuframat.de/deuframat/images/6/6_3/bredow/kap1-3b.gif

32

Page 34: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 3: Folie 3 – Plakat „Raub des deutschen Saargebiets“75

75 Paul: Saargeschichte im Plakat, S.34. Der rot eingerahmte Bereich entspricht dem Teil des Plakates, der zu Be-ginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war.

33

Page 35: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 4: Arbeitsblatt / Folie 4 – methodischer Leitfaden

Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden)1. Erster Eindruck______________________________________________________________________________________

2. AnalyseÄußere Merkmale____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Bildmotiv_____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Bildgestaltung__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Ikonographie (Symbolik)__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Farbgestaltung__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Text und Schrift________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

3. Interpretation und abschließende Beurteilung______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

34

Page 36: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

______________________________________________________________________

35

Page 37: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 5: Arbeitsblatt – methodischer Leitfaden (Erwartungshorizont)

Umgang mit Plakaten (methodischer Leitfaden)1. Erster EindruckWas springt ins Auge? Was ist der Blickfang des PlakatesWelche Gefühle werden geweckt?

2. AnalyseÄußere MerkmaleWer ist der Gestalter / Auftraggeber des Plakates?In welchem historischen Zusammenhang ist das Plakatentstanden? Wann wurde es produziert?Welches Thema hat das Plakat?Wer ist der Adressat des Plakates? An welchen Orten wurde

es aufgehängt? Wie stark war es verbreitet?

BildmotivWelche Personen, Figuren oder Gegenstände sind dargestellt(Anzahl; Gegner, Opfer; Feindbilder oder Heldenfiguren)?Wie sind die Personen dargestellt (als Karikatur; Gestik, Gesichtszüge, Größenverhältnisse usw.)BildgestaltungWie verhalten sich Größe und Proportionen der Bildelemente? Welche Perspektive wird gewählt?Welche Haltung nehmen die Personen ein? Werden sie dynamisch dargestellt?Ikonographie (Symbolik)Werden allgemeine, zeittypische oder für eine politische Richtung typische Symbole verwendet?FarbgestaltungWelche Farben sind dominierend? Werden Farben symbolhaft gebraucht?Wie werden Farbkontraste eingesetzt?Herrscht ein bestimmter Stil, eine bestimmte Technik vor (z.B. Collage)?

Text und SchriftWie lang ist der Text? Welche Schriftgröße und welche Schriftart werden verwendet?Werden besondere Stilmittel und sprachliche Figuren verwendet (Metapher, Ausruf, Abkürzungen)?Welcher Texttyp wird verwendet (Appell, Argument, These, Information, usw.)?Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen Text und Bild (u.a. Größenverhältnis)?

3. Interpretation und abschließende BeurteilungWelches sind Botschaft, Aussage und Intention des Plakates?Welche politischen und gesellschaftlichen Einstellungen gibt das Plakat wieder?Welche Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten angesprochen werden?Wie tragen Bildaufbau und Gestaltung dazu bei, die Absicht des Plakatherstellers zu erreichen?Wie ist der Gesamtcharakter des Plakats zu beurteilen (aggressiv, dynamisch, argumentierend,karikierend usw.)?

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Page 38: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 6: Hausaufgabe (Erwartungshorizont)

Aufgabe:

Erstelle eine schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates „Raub des deutschen

Saargebiets“. Benutze dabei den erstellten methodischen Leitfaden!

Analyse

Äußere Merkmale- Plakatgestalter: Alexander M. Cay; Adressat: gesamte deutsche Bevölkerung- Thema: befürchtete Annexion des Saargebietes durch Frankreich, entstanden im Jahr 1919

Bildmotiv- zwei männliche Personen: Arbeiter und Soldat in Kampfhaltung- Arbeiter: mit schwarzer Arbeitskleidung; aus dem Bergbau (Bergbausymbolik),

erschreckter Gesichtsausdruck, blonde Haarfarbe typisch „germanisch“- Soldat: blaue Uniform, mit Helm, bewaffnet; dunkle Hautfarbe aus dem französischen

Kolonialgebiet stammend- Soldat scheint Arbeiter erwürgen zu wollen; Arbeiter lediglich in Verteidigungsposition

Bildgestaltung- die beiden dargestellten Personen sind etwa gleich groß- feindliche Haltung der Personen: Kampf (Erwürgen)- frontale Perspektive

Ikonographie (Symbolik)- Symbole des Bergbaus: Schlägel und Eisen, „schwarzer Kittel“- Symbole des Militärs: Helm, Waffen

Farbgestaltung- schwarz als dominierende Farbe im Vordergrund Ausdruck einer gefährlichen, düsteren

Stimmung- Hintergrundfarbe: orange; Farbe des Soldaten: blau insgesamt: starker Farbkontrast- schwarz : symbolisch für Steinkohlebergbau im Saargebiet

Text und Schrift- wenig Text: „Protestiert gegen den Raub des deutschen Saargebiets“- in zwei verschiedenen Schriftgrößen, fett und groß: „Protestiert…Raub…Saargebiets“- Texttyp: Appell- Bildelemente entsprechen etwa Dreiviertel des Plakates

Interpretation und abschließende Beurteilung- Darstellung der drohenden Annexion des Saargebietes: Frankreich als aggressiver

farbiger Besatzungssoldat personalisiert, der den saardeutschen Bergmann (Personalisierung des Saargebietes) zu erwürgen droht

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Page 39: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

- Protest gegen die Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen und eine befürchtete Annexion

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Page 40: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Zweite Stunde:

Eigenständige Entwicklung der

Saarregion unter dem Völkerbund

Schwerpunktsetzung

Inhaltlich wird die vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes nach dem

Saarstatut von 1920 herausgearbeitet: sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher

Perspektive. Dabei werden die zentralen Erkenntnisse zum einen aus einem Auszug des

Statutes gewonnen, zum anderen aus drei Quellen aus meinem Privatbesitz. Auf diese Weise

soll in der zweiten Stunde der Unterrichtsreihe erneut die Neugier für das aus Schülersicht

eher unnahbare regionalgeschichtliche Thema geweckt werden sowie die Motivation an der

Auseinandersetzung mit Schriftquellen – darüber hinaus gegebenenfalls auch die Suche nach

entsprechenden Dokumenten und Sachquellen im eigenen Familienkreis – gefördert werden.

Stundenlernziel:

Die Schüler kennen die wesentlichen Inhalte des Saarstatutes sowie deren politische und

wirtschaftliche Auswirkungen auf das Saargebiet. Darüber hinaus wird der methodische

Umgang mit Dokumenten aus dem untersuchten Zeitraum geschult.

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Page 41: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit LZ Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF Medien

5 minEinstieg: Protestplakat „Raub des Saargebiets“kurze Wiederholung sowie Besprechung der Hausaufgabe Schüler tragen ihre Analyse und Interpretation des Plakates vor

feUGSV

Folie 3 der letzten

Stunde4 min

7 min78

Erarbeitung 1: Entwicklung des Saargebiets zur Zeit des Völkerbundes Überleitung: Beschreibt die Folgen, die sich durch die französische Besetzung der Grenzregion für die Saarbevölkerung ergaben. [große Unsicherheit in der Bevölkerung, Angst vor einer Annexion, durch Frankreich] Abkopplung von der Entwicklung im Reich

Beginn des Tafelbildes knappe Vorstellung der drei mitgebrachten Dokumente durch L:

- Personalausweis eines Verwandten, Johann Stopp (1922)- Notizbuch mit einer Notiz (1927) eines weitere Verwandten - Schulzeugnis der Ehefrau von Johann Stopp (1919)

Arbeitsauftrag: Versucht zunächst den Text (u.a. Entstehungszeitpunkt) zu entschlüsseln und untersucht dann die Quelle im Hinblick auf weitere Informationen zur vom Reich losgelösten Entwicklung an der Saar!

Teilung der Klasse in drei Gruppen: jede Gruppe setzt sich mit einer Quelle auseinander; S. erhalten hierfür sowohl die originale Quelle als auch Kopien der jeweiligen Quelle

LV

GA

Tafel / Anhang

10

AusweisZeugnis

Notizbuch+ Kopien

9 min134

Ergebnissicherung 1: S. stellen Quelle der Klasse vor und erläutern ihre gewonnenen

Erkenntnisse zur Entwicklung an der Saar, nach jeder Präsentation kurze Diskussion im Plenum

Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild

SV

UG

3 Folien / Anhang

7 – 9

Tafel8 min

9 min

2

4

35

Erarbeitung 2 mit integrierter Ergebnissicherung: Saarstatut als Bestandteil des Versailler VertragesÜberleitung: Wo könnten die näheren Bestimmungen zum Saargebiet festgehalten sein? [Versailler Vertrag vom 28.06.1919] Ergänzung durch L: sog. Saarstatut Austeilen des Arbeitsblattes: gemeinsames Lesen von Artikel 45 und

Artikel 49 Bearbeitung des 1. Arbeitsauftrag

Ergänzung des Tafelbildes, auch der Überschrift arbeitsteilige Vorgehensweise: jeweils eine Hälfte der Klasse: Lesen des

Abschnittes zur Regierung bzw. zur Volksabstimmung und Bearbeitung von Arbeitsauftrag 2 bzw. 3 (in Stichworten)

S. stellen Ergebnisse vor der Klasse vor

Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild

EA

feUG

PA

SV

AB / Anhang 11 u. 12

2 min

6 Schlussvertiefung: Welche Einstellung hatte die Saarbevölkerung zu den Bestimmungen des

Saarstatuts? Begründet eure Meinung! [Ablehnung wegen wirtschaftlicher Ausbeutung durch Frankreich, keine eigene Landesvertretung, sondern internationale Regierungskommission]

Erläutert die Auswirkungen des Saarstatutes auf die Haltung der Saarbevölkerung gegenüber Frankreich. [negative Haltung aufgrund immer größerer Einflussnahme Frankreichs]

feUG

1 min Stellen der Hausaufgabe: schriftliche Bearbeitung der Arbeitsaufträge 2 bis 4 des Arbeitsblattes AB

40

Page 42: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Didaktisch-methodischer Kommentar

Zum Einstieg in die Stunde findet eine kurze Wiederholung der französischen Besatzungszeit

sowie die Besprechung der Hausaufgabe statt. Mehrere Schüler tragen ihre Analyse und

Interpretation des Plakates „Raub des Saargebiets“ vor der Klasse vor. Im Anschluss daran

erhält die Klasse jeweils die Gelegenheit, die Arbeit der Mitschüler auf der Basis des

erstellten Leitfadens zu beurteilen. Auf diese Weise können die erworbenen Kenntnisse im

Umgang mit Plakaten gefestigt sowie die methodische Vorgehensweise der letzten Stunde

noch einmal rekapituliert werden.

In der ersten Erarbeitungsphase werden den Schülern zunächst die mitgebrachten Dokumente

meiner Familie kurz vorgestellt und in einen Kontext eingebettet, ohne dadurch bereits zu

viele Informationen preis zu geben. Nachdem der allgemeine Arbeitsauftrag erteilt ist und

sich die Klasse – ohne große Umbauphase – in den drei Gruppen zusammengefunden hat,

werden die einzelnen Materialien zur Verfügung gestellt. Dabei erhalten die Schüler neben

dem originalen Dokument auch Kopien der Quelle, um sich in der Gruppe besser austauschen

zu können. Die selbständige Erarbeitung historischer Sachverhalte anhand der vorliegenden

Schriftquellen wird aus mehreren Gründen durchgeführt. In der Regel erhalten die Schüler im

Geschichtsunterricht nur edierte Texte, also didaktisierte Quellen. Diese werden allein schon

aufgrund der besseren Lesbarkeit, aber auch zum leichteren Verständnis vereinfacht oder

zumindest verkürzt. Daher soll anhand der vorliegenden Dokumente exemplarisch der

methodische Umgang mit handschriftlichen Quellen gefördert werden. Während der

Gruppenarbeitsphase werde ich den einzelnen Gruppen bei Bedarf verschiedene

Hilfestellungen zum methodischen Vorgehen geben. In einem ersten Schritt sollen die Schüler

zunächst die Sütterlinschrift entziffern, um auf diese Weise Schlüsselbegriffe zu entdecken,

die ihnen Rückschlüsse über die weitere Entwicklung des Saargebietes ermöglichen. In der

anschließenden Ergebnissicherung erläutern zwei Schüler aus jeder Gruppe die jeweilige, auf

Folie projizierte Quelle vor der Klasse. Sie fassen ihre Ergebnisse zusammen und stellen ihre

Interpretationsansätze zur Diskussion. Nach jeder Präsentation findet daher ein kurzer

Meinungsaustausch im Plenum statt. Nicht zuletzt soll durch diese handlungsorientierte

Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Originalquellen aus dem Saargebiet erneut die

Motivation an dem regionalgeschichtlichen Thema gefördert werden.

In der zweiten Erarbeitungsphase werden mit Hilfe des Textauszuges zum Saarstatut die

gewonnenen Erkenntnisse um die rechtlichen Bestimmungen ergänzt. Nach einer kurzen

Einzelarbeit zu der wirtschaftlichen Regelung im Saarstatut wird Artikel 49 im fragend-

entwickelnden Unterrichtsgespräch erarbeitet, da dieser aufgrund seiner schwierigen

41

Page 43: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Fachbegriffe wie „Treuhänder“ oder „Souveränität“ nicht einfach zu verstehen ist. Hier

müssen bei Bedarf zusätzliche Erläuterungen gegeben werden. Der Rest des Vertrages wird

im Anschluss arbeitsteilig untersucht. Dabei beschäftigt sich die eine Hälfte der Klasse mit

der Regierung und die andere mit der Volksabstimmung sowie dem jeweils dazugehörigen

Arbeitsauftrag. Die Schüler arbeiten hierfür mit ihrem Banknachbarn zusammen, um aus

Zeitgründen gemeinsam möglichst schnell die zentralen Aussagen herauszufinden. Die

einzelnen Ergebnisse der Stunde werden sukzessive nach den jeweiligen Unterrichtsschritten

im Tafelbild festgehalten, wobei die Überschrift aufgrund des zunächst unbekannten Begriffes

des Völkerbundes erst am Ende der zweiten Erarbeitungsphase ergänzt wird.

In einer Schlussvertiefung vermuten die Schüler, welche Reaktionen die Bestimmungen des

Saarstatutes in der Saarbevölkerung hervorriefen. Auf diese Weise wird eine Brücke zur

letzten Stunde geschlagen, in der bereits die antifranzösische Haltung vieler Saarbewohner

während der Besatzungszeit thematisiert wurde. Sie stellen fest, dass sich die Ressentiments

gegenüber Frankreich aufgrund einer immer stärkeren Einflussnahme weiter verfestigt haben.

Medien

Im Zentrum der Stunde stehen drei Dokumente aus dem für die Unterrichtsreihe relevanten

Zeitraum, auf die ich in meinem familiären Umfeld gestoßen bin.

Bei der ersten Quelle handelt sich um einen Personalausweis eines Verwandten aus dem Jahre

1922. Johann Stopp hatte im Laufe seines Lebens wie der Saarindustrielle Hermann Röchling

aufgrund der wechselnden Staatszugehörigkeit des Saargebietes mehrere Ausweise. Er war

von Beruf – für das Saargebiet typisch – Bergmann und hatte die bayerische

Staatsangehörigkeit, da er in Ballweiler76 und damit im östlichen Teil des Saargebietes

geboren war und wohnte. Die Schüler müssen zunächst diese Daten aus dem handschriftlich

geschriebenen und dadurch schwer lesbaren Ausweis entschlüsseln und können daraus erste

Rückschlüsse auf die Entwicklung des Saargebietes in den Zwanziger Jahren ziehen: unter

anderem die offensichtlich noch aus der Kaiserzeit unveränderte Staatsangehörigkeit trotz

augenscheinlicher politischer Veränderungen im Saargebiet. Letztere können durch die

weitere Untersuchung der Quelle geschlussfolgert werden. So verrät beispielsweise die

Aufschrift „Regierungs-Kommission des Saargebiets“ auf dem Personalausweis, dass an der

Saar ein vom Deutschen Reich losgelöstes politisches System entstanden sein muss. Der

starke französische Einfluss kommt dabei nicht zuletzt durch die französische Übersetzung

auf dem Papier zum Ausdruck.

76 heute: Stadtteil von Blieskastel im Saar-Pfalz-Kreis

42

Page 44: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Auch die zweite Quelle, ein kleines Notizbuch, bietet Informationen zur Völkerbundszeit. Es

handelt sich dabei nicht um ein Tagebuch, sondern lediglich um ein kleines Buch mit

unterschiedlichsten Bemerkungen von einem weiteren Verwandten aus meiner Familie. Da es

leider sehr beschädigt ist, wird es zwar den Schülern gezeigt, jedoch wird für die

Gruppenarbeit nur ein Auszug aus dem Notizbuch als Kopie zur Verfügung gestellt. Diese

Notiz aus dem Jahre 1927 ist eine kurze Bemerkung zu den Kosten für künstliche Zähne.

Dabei geht es in erster Linie darum, zu erkennen, dass die gültige Währung zu diesem

Zeitpunkt der französische Franc war. Darüber hinaus stellt auch hier die schwer zu

entziffernde Handschrift eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit

dieser Art von Quellen soll den Schülern daher nicht nur einen Eindruck der Arbeit von

Historikern vermitteln, sondern auch den Spaß am Rätselraten und Knobeln zur

Entschlüsselung der Quellen hervorrufen.

Die dritte Quelle, ein Schulzeugnis der Ehefrau des oben genannten Johann Stopp, die bereits

mit ihrem Mädchennamen Stopp hieß, stammt aus dem Jahr 1919 und steht damit nicht in

direkter Verbindung zur Völkerbundszeit. Dennoch können dem Entlassungszeugnis aus der

Volksfortbildungsschule weitere, insbesondere mentalitätsgeschichtliche Informationen der

Zeit entnommen werden: unter anderem Art und Bedeutung der Schulfächer,

Leistungserwartung und Benotung, besondere Zielsetzungen des Unterrichts, aber auch die

Ästhetik, mit der das Zeugnis überhaupt gestaltet wurde. Ferner sollen die Schüler durch die

Arbeit mit diesen Quellen auch mit dem Vokabular der Zeit vertraut gemacht werden.

Zuletzt kommt ein Auszug aus dem Saarstatut zum Einsatz, der weitere Hinweise zum

politischen System in der Völkerbundsverwaltung und den wirtschaftlichen Bestimmungen

der Friedensvereinbarung liefert. Dabei wird auch der Begriff des Völkerbundes erarbeitet.

Darüber hinaus kann mit Hilfe der Textquelle die Regelung zur geplanten Abstimmung und

damit zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes erschlossen werden.

Hausaufgabe

Die Schüler sollen den zweiten bis vierten Arbeitsauftrag auf dem in der Stunde ausgeteilten

Arbeitsblatt zum Saarstatut schriftlich bearbeiten. Dadurch können einerseits die zum Ende

der Stunde nur noch kurz besprochenen Unterrichtsinhalte zur Regierungsorganisation und

zur Volksabstimmung wiederholt und gefestigt werden. Andererseits dient eine solche

Hausaufgabe der kontinuierlichen Verbesserung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit der

Schüler. Im letzten Arbeitsauftrag können die Ergebnisse der Stunde noch einmal

zusammengefasst werden, um dann in einer Transferleistung diese erstmalige, vertragliche

Regelung für die Saarregion als „Geburtsstunde des Saarlandes“ zu interpretieren.

43

Page 45: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

44

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Anhang 7: Quelle 1 / Folie – Personalausweis

45

Page 47: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 8: Quelle 2 / Folie – Notiz

Eintrag aus einem privaten Notizbuch von 1927

Übersetzung:

Am 16.4.192710.000 ffr77 auf dieZähne anbezahlt.

Rest 14.000Den Rest von 14.000bezahlt am 10.5.19 7.

77 ffr: französische Franc

46

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47

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Anhang 9: Quelle 3 /Folie – Schulzeugnis

48

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Anhang 10: Tafelbild

Das Saargebiet zur Zeit des Völkerbundes (1920 – 1935)

49

internationale Regierungskommissiondes Saargebietes

französische Währung Kohlengruben im Besitz

Frankreichs

Saargebiet für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt

danach: Volksabstimmung und Entscheidung über die weitere politische Zugehörigkeit

Saargebiet erstmals als politische Einheit wirtschaftliche Angliederung an Frankreich

nach dem Ersten Weltkrieg: Besetzung des Saargebietes durch französische Truppen

eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung:Saarstatut vom 10.01.1920

(Teil des Versailler Vertrages)

Page 51: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 11: Arbeitsblatt – Saarstatut

Das Saarstatut als Bestandteil des Versailler Vertrages (in Kraft getreten am 10.01.1920)

Schon kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges hatte Frankreich aufgrund der engen Verflechtung zwischen saarländischer und lothringischer Wirtschaft das Saarindustrierevier für sich beansprucht. Ziel war daher die Annexion dieser Region, welche jedoch in den Versailler Friedensverhandlungen hauptsächlich am Einspruch des amerikanischen Präsidenten Wilson scheiterte. Der schließlich zwischen den Siegermächten gefundene Kompromiss ist in Teil III, Abschnitt 4 des Versailler Vertrages, im so genannten „Saarstatut“, festgeschrieben.

Artikel 45:Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich und als Anzahlung auf die von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung der Kriegsschäden tritt Deutschland das völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den Kohlegruben im Saarbecken, wie es im Artikel 48 abgegrenzt ist, mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich ab.

Artikel 49:Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbundes, der insoweit als Treuhänder gilt, auf die Regierung des oben bezeichneten Gebietes. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Bevölkerung dieses Gebietes zu einer Äußerung darüber berufen, unter welche Souveränität sie zu treten wünscht.

Anlage zum Vertrag:Kapitel II: Regierung des Saarbeckengebiets§ 16. Die Regierung des Saarbeckengebiets wird einem den Völkerbund vertretenden Ausschuss übertragen.§ 17. Der im § 16 vorgesehene Regierungsausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, die vom Rate des Völkerbunds ernannt werden. Ihm gehören an ein Franzose, ein aus dem Saarbeckengebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose und 3 Mitglieder, die drei anderen Ländern als Frankreich und Deutschland angehören. Die Mitglieder des Regierungsausschusses werden auf ein Jahr ernannt; ihr Auftrag kann erneuert werden. […]

Kapitel III: Volksabstimmung§ 34. Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Bevölkerung des Saarbeckengebiets berufen, ihren Willen wie folgt zu äußern:Eine Abstimmung findet gemeinde- oder bezirksweise über folgende drei Fragen statt:

a) Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen Rechtsordnung,

b) Vereinigung mit Frankreich,c) Vereinigung mit Deutschland.

aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.356ff

Arbeitsaufträge:1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung.2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes.3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes

getroffen wurde.

50

Page 52: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“ bezeichnet. Erläutere diese Aussage.

51

Page 53: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 12: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Saarstatut

Arbeitsaufträge:

1. Erläutere die wirtschaftliche Bestimmung im Saarstatut sowie deren Rechtfertigung.

- Kohlengruben gehen in den Besitz Frankreichs über, inklusive dem Ausbeutungsrecht

- Rechtfertigung: Wiedergutmachung der Kriegsschäden, die von Deutschland

verschuldet wurden

2. Beschreibe die Organisation der Regierung des Saargebietes.

- Regierung durch einen internationalen Ausschuss, der den Völkerbund vertritt

- Regierungsausschuss aus fünf Mitgliedern bestehend: ein Franzose, ein aus dem

Saargebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose sowie drei Mitglieder aus

anderen Ländern (als Deutschland oder Frankreich)

- Ernennung der Mitglieder durch den Rat des Völkerbundes auf ein Jahr

3. Beschreibe die Regelung, die zum weiteren politischen Verbleib des Saargebietes

getroffen wurde.

- Volksabstimmung nach einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des

Saarstatutes (10.01.1920), die über den weiteren politischen Verbleib der Saarregion

entscheidet

- drei Optionen: Angliederung an Frankreich, Rückgliederung an Deutschland oder

Beibehaltung der durch das Saarstatut festgelegten Regelung

4. Das Inkrafttreten des Saarstatuts wird auch als „Geburtsstunde des Saarlandes“

bezeichnet.

- eigenständige, vom Deutschen Reich losgelöste Entwicklung des Saargebietes:

erstmals Saarregion als politische Einheit

- Saarstatut als erste, schriftliche Vertragsregelung der Bestimmungen, die das Gebiet

betreffen, das etwa dem heutigen Saarland entspricht daher Bezeichnung des

Inkrafttretens dieser Regelung als „Geburtsstunde des Saarlandes“

52

Page 54: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Dritte Stunde:

Kulturelle Entwicklung unter dem

Völkerbund

Stundenlernziel

Die Schüler kennen die Domanialschulen als Beispiel für die französische Einflussnahme auf

die kulturelle Entwicklung des Saargebietes während der Völkerbundszeit und bewerten diese

als weiteren Grund für die antifranzösische Haltung der Saarbewohner.

53

Page 55: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF Medien

6 min

Einstieg: Das Saarstatut – die „Geburtsstunde“ des Saarlandes!? Impuls wird im Vorfeld als Diskussionsgrundlage für ein Wechselgespräch der S an die Tafel geschrieben damit Besprechung der Hausaufgabe (Arbeitsauftrag 4) S tragen restliche Hausaufgaben (Arbeitsaufträge 2 und 3) vor der

Klasse vor

UG

SV

Tafel

11 min

Erarbeitung: Domanialschulen L fasst Ergebnisse zur negativen Haltung der Saarbevölkerung

gegenüber Frankreich (vor allem durch politische und wirtschaftliche Einflussnahme) zusammen und leitet zu kulturellen Auswirkungen über

Austeilen des Arbeitsblattes zu den Domanialschulen lautes Vorlesen des Info- und Quellentextes sowie Begriffsklärung S bearbeiten schriftlich die beiden Arbeitsaufträge

LV

EA

AB / Anhang 15 u. 16

20 min

Ergebnissicherung: Besprechung der Ergebnisse der Einzelarbeit: Kritik und

Forderungen

Vertiefung zur Einstellung der Saarbevölkerung gegenüber Franzosen und Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen [bisher Erbfeindschaft, v.a. durch Kriege: 1870/71, 1.Weltkrieg; jetzt weitere Verschlechterung der Beziehungen]

Welches Ziel hat Frankreich mit der sog. „Französisierungspolitik“ im Saargebiet verfolgt? [„profranzösische“ Entscheidung bei der Volksabstimmung]

Welche Reaktion könnte diese verstärkte Einflussnahme Frankreichs bei der Saarbevölkerung hervorgerufen haben? [ablehnende Haltung; immer stärkere Verbreitung eines antifranzösischen Nationalismus an der Saar]

Ergänzung durch L: Höhepunkt dieser nationalen Erhebung an der Saar: Jahrtausendfeier 1925 Stellen der Hausaufgabe

sukzessives Festhalten der Ergebnisse im Tafelbild

SV

feUG

Tafel / Anhang

14

8 min

Schlussvertiefung: Foto vom Händedruck (1984) Aufdecken eines Bildausschnittes ( Overlay-Methode) sowie kurze Information

durch L: berühmtes Foto, das für die deutsch-französische Beziehung steht Wer sind die Personen auf dem Foto? [Francois Mitterand, (ehemaliger frz.

Staatspräsident) und Helmut Kohl (ehemaliger Bundeskanzler)] Nehmt Stellung zu diesem Foto!

Zu welchem Anlass und wo könnte das Foto entstanden sein? Aufdecken des kompletten Fotos S vermuten

L informiert über das Foto: bereits ein Jahr nach Amtsübernahme (22.09.1984) Treffen von Helmut Kohl mit dem französischen Staatspräsident François Mitterrand am Ort der Schlacht um Verdun; erster deutscher Bundeskanzler, der an der Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege teilnahm; Händedruck, der minutenlang andauerte, als das Symbol der deutsch-französischen. Aussöhnung

Vergleich zur heutigen deutsch-französischen Beziehung S ziehen Fazit zu deutsch-französischen Beziehungen [Beziehungen verändern sich,

nicht statisch] solche Veränderungen besonders gut im Grenzraum beobachtbar

feUG

LV

SV

Folie / Anhang

13

Hausaufgabe: Internetrecherche zur rheinischen Jahrtausendfeier 192578

78 Hinweis auf mögliche Internetquelle an Schüler: http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=352

54

Page 56: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 13: Folie – Foto: Händedruck79

79 http://www.spiegel.de/img/0,1020,41493,00.jpg. Der rot eingerahmte Ausschnitt entspricht dem Teil des Fo-tos, der zu Beginn des Unterrichtsschrittes sichtbar war.

55

Page 57: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 14: Tafelbild

Kulturelle Entwicklung in der Völkerbundszeit

56

verstärkte Einflussnahme auf politischem, wirtschaftlichem, aber auch kulturellem Gebiet durch Frankreich (Gründung von Domanialschulen) „Französisierungspolitik“ (Ziel: „profranzösische“ Entscheidung bei der Volksabstimmung 1935)

aber: immer stärkerer antifranzösischer Nationalismus an der SaarBeispiel: Rheinische Jahrtausendfeier1925 in Saarbrücken

weitere Verschlechterung der ohnehin spannungsgeladenen deutsch-französischen

Beziehungen im Saargebiet

Page 58: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 15: Arbeitsblatt – Domanialschulen

Die französischen Domanialschulen1

5

10

Das Saarstatut im Versailler Friedensvertrag erlaubte dem französischen Staat die Gründung von Schulen für die Kinder des französischen Grubenpersonals, in denen Unterricht in französischer Sprache erteilt werden sollte. Darüber hinaus ermöglichte die Regierungskommission durch Verordnung vom 10. Juli 1920, dass auch Kinder des deutschen Grubenpersonals und sogar Kinder der nicht zum Grubenpersonal gehörigen Saareinwohner ihrer gesetzlichen Schulpflicht durch den Besuch dieser so genannten Domanialschulen genügen konnten.Die Diskussion über die Domanialschulen entwickelte sich in den Folgejahren zu einem der brisantesten Themen der Saarpolitik. Viele deutsche Lehrer und Lehrerinnen empfanden die französischen Kollegen zunehmend als Konkurrenz und sahen sich als Speerspitzen im Kampf gegen eine erzwungene „Französisierung“ der Kinder. Als deutsche Beamte wollten sie daher für die deutsche Sprache und Kultur eintreten.80

Stellungnahme der Lehrerschaft des Saargebietes zu den Domanialschulen der französischen Grubenverwaltung1

5

10

15

20

Mit steigender Entrüstung muss die gesamte Lehrerschaft des Saargebietes weiterhin erfahren, dass ausländische und einige abtrünnige einheimische Elemente fortfahren, für die Domanialschule der französischen Grubenverwaltung mit Mitteln zu werben, die den einfachsten Menschenrechten Hohn sprechen. In aller Öffentlichkeit sei festgestellt, dass Gruben- und Domanialschulangestellte nach wie vor die unmoralischsten Lock- und Druckmaßnahmen gegen die bergmännische Bevölkerung anwenden, die ohnedies zunehmender wirtschaftlicher Not ausgesetzt ist. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass die land- und volksfremden Domanialschulen keine Stätte der Bildung und Erziehung für deutsche Kinder sein können, dass sie sogar der im Friedensvertrag gewährleisteten deutschen Volksschule und Sprache Schaden zufügen. Sie sind nach eigenem Urteil der Franzosen lediglich ein Mittel, für französische Gesinnung im Saargebiet bedenkenlos zu werben.Die Versammlung legt schärfste Verwahrung ein: 1. gegen jede Einschulung deutscher Kinder in die Domanialschulen, (…) gegen die wahllos von der Regierung erteilten Genehmigungen zu Übertritten von Nichtbergmannskindern; 2. gegen die Werbemethoden zur Füllung der Domanialschulen, die durch Versprechungen und Drohungen in unverantwortlicher Weise die Not der Bevölkerung missbrauchen. (…) Die Versammlung bittet mit aller Dringlichkeit den Völkerbund, seinen Zielen und Weisungen hier Geltung zu verschaffen und weist mit Bedauern darauf hin, dass nichts mehr der Völkerbundidee schaden muss als die skandalösen Zustände in den Domanialschulen. Jeder Edelgesinnte, jeder Friedens- und Menschenfreund wird um Beistand gegen die Vergewaltigung gedrückter Eltern und Kinder gebeten.Die Versammlung dankt den bergmännischen Volksgenossen für ihr treues Ausharren, (…); sie ruft alle Eltern auf, sich nicht verführen oder schrecken zu lassen, sondern ihre Kinder, ihr teuerstes Gut, vor dauerndem Schaden zu bewahren.Die Lehrerschaft am 14. März 1930

aus: Labouvie, Eva (Hrsg.): Saarländische Geschichte. Ein Quellenlesebuch, Blieskastel 2001, S.390

Arbeitsaufträge: 1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen.

80 vergleiche Aufsatz „Domanialschulen im Saargebiet (1920-1935)“ von Gerhild Krebs, einsehbar unter: http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/domanialschulen.pdf

57

Page 59: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund.

58

Page 60: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 16: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt – Domanialschulen

1. Erläutere die Kritik der deutschen Lehrerschaft an den französischen Domanialschulen.

- menschenverachtende Vorgehensweise von Domanialschulen zum Anwerben von

Schülern, insbesondere Zwangsmaßnahmen

- Anpassung der Domanialschulen an das französische Volksschulsystem

- Umerziehung deutscher Schüler: französische Sprache und Kultur

- schlechte Zustände in den Domanialschulen, Unterdrückung von Kindern und Eltern

- Missbrauch der Notsituation vieler Arbeiter Abhängigkeit der Bergarbeiter von

dem Monopolarbeitgeber

2. Nenne die Forderungen der deutschen Lehrer und Lehrerinnen an den Völkerbund.

- keine Einschulung deutscher Kinder in die Domanialschulen

- keine wahllos von der Regierung erteilten Genehmigung zum Besuch der

Domanialschulen durch Nichtbergarbeiterkinder

- Verbot der von den Domanialschulen praktizierten Werbemethoden

59

Page 61: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Vierte Stunde:

Gruppierungen im

Abstimmungskampf 1933 – 1935

Schwerpunktsetzung

Inhaltlicher Schwerpunkt der Stunde bildet die Auseinandersetzung mit den beiden im

Abstimmungskampf entstandenen politischen Organisationen Deutsche Front und

Einheitsfront sowie deren jeweiligen Wahlkampfinhalten.

Methodisch soll sowohl der Umgang mit Propagandaliedern geschult als auch die Analyse

und Interpretation von politischen Plakaten vertieft werden.

Stundenlernziel:

Die Schüler kennen die Deutsche Front sowie die Einheitsfront als zwei zentrale

Organisationen, die im Kontext der Saarabstimmung von 1935 gegeneinander angetreten sind,

und deren jeweilige Argumentationsgrundlage.

60

Page 62: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit LZ Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF Medien

12 min

6

2

Einstieg: Saarlied: „Deutsch ist die Saar“ L bettet Saarlied in den historischen Kontext ein: Lied auf einer

Klassenfahrt entstanden, von einem Lehrer (Hanns Maria Lux) auf bekannte Melodie des Steigerliedes verfasst

Abspielen der ersten beiden Strophen, parallel: Text auf Folie Hörauftrag: Achtet auf besondere textliche und musikalische

Gestaltungselemente. S machen sich Notizen

Schildert euren Eindruck! / Nennt besondere Gestaltungsmittel! Begründet, warum in diesem Lied die Zugehörigkeit des Saargebietes zu

Deutschland so hervorgehoben wird! [antifranzösische Haltung aufgrund verstärkter Einflussnahme Frankreichs auf polit., wirtschaftl. und kulturellem Gebiet Verschlechterung der deutsch-französischen Beziehungen]

L informiert über den Einsatz von Saarliedern als nationales Bekenntnis

L liest Zitat aus der Zeitung (Erlebnisschilderung eines Schulkindes) vor: „Bei de Johrdausendfeier wolle mer de Franzose emol weise, daß mer deitsch sinn unn noch zu Deitschland geheere.“ Besprechung der Hausaufgaben: rheinische Jahrtausendfeier 1925

Herausarbeitung des Kultcharakters, auch in Saarbrücken

LV

EA

feUG

LV

SVfeUG

CD, Folie /

Anhang 17

12 min

13 min

1

562

3

2

7

4

Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Propaganda im AbstimmungskampfÜberleitung: Eine der im Saarstatut festgelegten Optionen können wir bei der Volksabstimmung 1935 inzwischen ausschließen. [Angliederung an Frankreich] L erläutert kurz die Entstehung überparteilicher Gruppen im

Abstimmungskampf: Deutsche Front und Einheitsfront Aufbau des Tafelbildes

Begriffsklärung: Propaganda Identifizierung des gehörten Saarliedes „Deutsch ist die Saar“ als Propagandamittel der Deutschen Front

Fortsetzung Saarlied (Abspielen: 3. und 4. Strophe), parallel: Folie Hörauftrag: Findet heraus, welche Wirkung die Deutsche Front mit dieser

Art von Liedern erzielen wollte. [mobilisierend; Formierung des eigenen Lagers und Waffe im Kampf gegen Gegner, Aufforderung zum Handeln]

S entdecken (mit ihrem Banknachbarn) metaphorische Begriffe wie „Mutter“ (3.Strophe) oder „Knechte“ (4.Strophe)

Problematisierung im Plenum Markierung der Begriffe auf Folie

Erarbeitung weiterer Propagandamittel: unter anderem Flugblätter, PlakateLEK: Zuklappen der Tafel zwei Plakate werden sichtbar Schaut euch die Plakate zunächst kurz an und versucht sie der jeweiligen

Gruppe bzw. Option zuzuordnen. Begründe!Analyse der Wahlplakate (arbeitsteilige Vorgehensweise) (jeweils Hälfte der Klasse ein Plakat) Austeilen der Arbeitsblätter und

Hinweis zur stichwortartigen Bearbeitung der Arbeitsaufträge mit Hilfe des Leitfadens

S stellen Ergebnisse vor der Klasse vor

Vergleicht die beiden Plakate miteinander. Welches spricht euch mehr an? Begründe! [Status quo: sehr textlastig, umständliche Erklärungen genaues Durchlesen erforderlich, um die Botschaft zu verstehen; Rückgliederung: auffallendes Bild, viele Symbole, Parole in großer Schrift daher schnell zu verstehen, auch im Vorbeigehen]

Charakterisiert die Art der Argumentation, die verwendet wird! [Status quo: sachliche, rationale Argumente, schlichte Fakten, Appell an die Vernunft; Rückgliederung: emotional, patriotisch, nationalistisch]

Festhalten eines Fazits im Tafelbild

feUGLV

feUG

PA

feUG

PA

SV

feUG

Tafel / Anhang

18

CD, Folie /

Anhang 17

Plakate / Anhang 23 u. 24

AB 1 und 2 / Anhang 19 – 22

1 min Stellen der Hausaufgabe: schriftliche Analyse und Interpretation des Plakates7 min Abschluss: Vorbereitung des Interviews mit Zeitzeugen

S formulieren mit dem Banknachbar Fragen, die dem Zeitzeugen gestellt PA Anhang

61

Page 63: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

werden sollen Entwicklung eines Fragenkataloges 33

Didaktisch-methodischer Kommentar

Durch das Saarlied „Deutsch ist die Saar“ zum Stundeneinstieg erhoffe ich mir nicht nur

einen erneuten Motivationsschub bei den Schülern, sondern aufgrund der besonderen

Wirkung dieses Mediums sollen auch bewusst die Gefühle der Schüler angesprochen werden.

Gerade am Beispiel dieses Propagandaliedes der Deutschen Front kann das Verständnis der

Schüler für den sehr emotionsgeladenen Abstimmungskampf besonders gefördert werden.

Durch den erteilten Hörauftrag vor dem Abspielen der ersten beiden Strophen soll die

Aufmerksamkeit der Schüler auf einzelne zentrale Gestaltungsmittel des Liedes konzentriert

werden, um anschließend eine sowohl musikalische als auch textliche Kurzanalyse zu

ermöglichen. Als zusätzliche Hilfestellung und zum besseren Verständnis wird der Text

parallel auf einer Folie visualisiert.

Das kurze Zitat aus der Saarbrücker Zeitung81 unterstreicht das bereits festgestellte

Nationalbewusstsein der Saarbewohner und leitet gleichzeitig zur Hausaufgabe und damit zur

Rheinischen Jahrtausendfeier über, die als Höhepunkt dieser nationalen Bewegung an der

Saar gilt. Die Schüler erhalten dadurch nicht nur einen ersten Eindruck vom Charakter des

Abstimmungskampfes, sondern erkennen auch die tief greifende Verwurzelung der

Saarbevölkerung in Deutschland. Dadurch sollte es ihnen im nächsten Schritt nicht schwer

fallen, die Angliederung an Frankreich als aussichtslose Option der Volksabstimmung

auszuschließen.

Aus Gründen der Zeitökonomie wird im folgenden Unterrichtsschritt das reine Faktenwissen

zu den beiden verbleibenden Abstimmungsalternativen und den in diesem Zusammenhang

entstandenen Gruppierungen durch einen Lehrervortrag kurz und prägnant dargestellt. Das

Hauptaugenmerk soll vielmehr auf der intensiven Auseinandersetzung mit den Begründungen

der Deutschen Front und der Einheitsfront sowie deren eingesetzten Propagandamitteln

liegen. Darüber hinaus ist es in dieser Stunde wichtig, im Sinne einer kontinuierlichen

Förderung der Begriffsbildung auch zentrale Begriffe wie „Propaganda“ oder „Status quo“

einzuführen.

Zur detaillierten Erarbeitung der unterschiedlichen Argumentationen und derer

Wirkungsweise werden sowohl die beiden weiteren Strophen des Saarliedes als auch das

bereits bekannte Medium des Plakates eingesetzt. Bei letzterem kann dabei auf die im

Rahmen der Unterrichtsreihe erarbeitete Vorgehensweise zurückgegriffen werden. Der

vorhandene Leitfaden für Plakate soll bewusst noch einmal eingesetzt werden, auch um den

Schülern noch einmal die erforderliche Systematik bei der Analyse und Interpretation solcher 81 siehe Stundenverlauf; Linsmayer: Politische Kultur, S.139

62

Page 64: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Medien bewusst zu machen. Da die Schüler jedoch lediglich zu Beginn der Unterrichtsreihe

erste Erfahrungen im Umgang mit Plakaten gesammelt haben, erachte ich an dieser Stelle die

Sozialform der Partnerarbeit für sehr sinnvoll. Gerade bei der ersten Auseinandersetzung mit

einem neuen Plakat profitieren die Schüler von dem gemeinsamen Austausch und können

produktiver die einzelnen Gestaltungsmittel zusammentragen. Aus zeitökonomischen

Gründen beschäftigt sich jeweils die Hälfte der Klasse mit einem typischen Plakat der

Deutschen Front für die Rückgliederung an Deutschland beziehungsweise mit einem der

Einheitsfront für die Beibehaltung des Status quo. Nachdem die Schüler ihre Ergebnisse vor

der Klasse präsentiert haben, kann auf dieser Basis im fragend-entwickelnden

Unterrichtsgespräch ein Vergleich der beiden Plakate gezogen und die unterschiedliche

Wirkungsweise charakterisiert werden. Vor diesem Hintergrund habe ich mich auch dazu

entschieden, das jeweilige Abbild den Schülern nicht nur in Miniatur auf dem Arbeitsblatt zur

Verfügung zu stellen, sondern zusätzlich DIN A3-Ausdrucke an der Tafel zu befestigen. Auf

diese Weise ist ein authentischerer Blick auf die Wahlplakate möglich und ihre jeweilige

Wirkung auf Adressaten deutlicher zu erkennen.

Zum Ende dieser Stunde soll das geplante Interview mit dem Zeitzeugen Anton Schmidt

vorbereitet werden. Wie bereits erwähnt hat er nicht nur die Geschehnisse an der Saar, die im

Rahmen der Unterrichtsreihe untersucht werden, hautnah miterlebt, sondern er ist auch ein

politisch interessierter Mensch, der sich vor allem im Vereinsleben (insbesondere im örtlichen

Turnverein) immer sehr stark engagiert hat. Trotz seines hohen Alters82 ist er geistig noch voll

und ganz auf der Höhe. In einem Vorgespräch konnte ich sowohl einige wichtige

Informationen zu seiner Person83 erfahren, aber auch feststellen, wie weit seine Erinnerungen

im untersuchten Zeitraum der Saargeschichte reichen. Schnell war klar, dass er auch über

diese frühen Jahre seines Lebens noch detailliert berichten kann. Leider hat Herr Schmidt eine

sehr starke Sehschwäche, weshalb ein Transport an das Gymnasium am Rotenbühl nicht

möglich ist. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dazu entschlossen, das eigentliche

Interview mit Herrn Schmidt alleine in seiner gewohnten Umgebung bei ihm zu Hause

durchzuführen.

Um die Schüler dennoch möglichst stark einzubinden und auf ihre Interessen einzugehen,

sollten die entsprechenden Fragen an den Zeitzeugen von ihnen selbst erstellt werden. Da zum

Ende der vierten Stunde die Reihe inhaltlich größtenteils behandelt ist, verfügen die Schüler

bereits über ausreichende Vorkenntnisse, um themenbezogene Fragestellungen formulieren zu

können. In Partnerarbeit sollen dabei mindestens vier Fragen notiert werden. Diese werden

eingesammelt und von mir zusammengefasst. Auf dieser Grundlage erstelle ich einen 82 Zum Zeitpunkt des Interviews war Anton Schmidt 96 Jahre alt.83 siehe Anhang 31

63

Page 65: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Interviewleitfaden, um das Gespräch mit dem Zeitzeugen zu strukturieren und sicherzustellen,

dass alle Fragen der Schüler Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse des Interviews werden

den Schülern dann in der sechsten und letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgestellt.

Medien

Das sowohl zum Einstieg als auch in der Erarbeitungsphase eingesetzte Propagandalied

„Deutsch ist die Saar“ gilt als bekanntestes unter den Saarliedern, die gerade in dieser Zeit, als

sich die Saarbevölkerung sehr stark auf ihre deutschen Wurzeln besann, in großer Anzahl

entstanden sind. Das vorliegende Lied gilt bis heute als eine Art Nationalhymne der

Saarländer, die als bergmännisches Steigerlied mit dem Titel „Glück auf“ auch aktuell im

Saarland vielfach im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen gespielt und gesungen wird.

Der zur damaligen Zeit verwendete Text stammt aus der Feder des Lehrers Hanns Maria Lux,

der diesen auf einer Klassenfahrt 1920 auf die damals bereits bekannte Melodie des

Steigerliedes verfasst hatte. In der Folge wurde es nicht nur in Schulen gesungen, sondern

auch von Gesangsvereinen auf Kundgebungen und Konzertveranstaltungen verbreitet. In den

Dreißiger Jahren war es regelrecht ein Ritual auf nahezu jeder Feierlichkeit, gemeinsam

dieses Lied zu singen. Es galt als das nationale Bekenntnis zu Deutschland.84

Das Saarlied nimmt im Laufe dieser Stunde einen großen Raum ein, da an ihm exemplarisch

nicht nur der Geist der Zeit nachempfunden werden kann, sondern auch weitere inhaltliche

Aspekte wie die von der Deutschen Front verwendeten Argumente erarbeitet werden können.

In diesem Kontext lassen sich die prägnanten musikalischen Gestaltungsmittel wie der

marschmäßige Rhythmus oder die kraftvolle Bläserinstrumentation auch als Laie zügig

herausarbeiten. Ferner bietet auch der Text – aufgrund zahlreicher Signalwörter und

Wortwiederholungen – trotz der für Schüler eher ungewohnten Sprache einen Zugang, um

entsprechende Interpretationsansätze aufzustellen.

Weiterhin wird erneut die Auseinandersetzung mit dem Medium Plakat genutzt, um tiefere

Einblicke in die Argumentationsgrundlagen der beiden Parteiorganisationen zu gewinnen.

Dieser Einsatz ist allein schon deshalb im Geschichtsunterricht unabdingbar, da sich der

Abstimmungskampf an der Saar zu einem regelrechten „Plakatkrieg“ entwickelt hatte.

Mit den beiden vorliegenden, auch als Hauptplakate der jeweiligen Gruppierungen

bezeichneten Wahlplakaten wurden solche ausgewählt, die eine Typisierung des Mediums

ermöglichen. Der unterschiedliche Charakter beider Plakate war nicht zuletzt für den Erfolg

beziehungsweise Misserfolg der entsprechenden Abstimmungsalternative verantwortlich.

84 Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117f

64

Page 66: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Während vor dem Zweiten Weltkrieg das reine Textplakat grundsätzlich noch dominierte,

nutzte die Deutsche Front bereits die besondere Wirkungskraft von Bildplakaten. Das Plakat

„Deutsche Mutter“ der Deutschen Front ist prototypisch für die Art ihrer Propaganda, bei der

die Wahlkampfinhalte vorwiegend auf einer emotionalen Ebene ausgetragen wurden.

Das Wahlplakat der Status quo-Anhänger ist dagegen ein reines Textplakat, das auf der

sachlichen Ebene argumentiert, dessen Botschaft das vorbeilaufende Publikum aber kaum

wahrnehmen kann. Zudem wirkte gerade das Fremdwort Status quo auf viele Saarbewohner

abschreckend, da sie es häufig gar nicht verstanden.

Hausaufgabe

Die Schüler analysieren und interpretieren schriftlich das Wahlplakat, mit dem sie sich bereits

in der Stunde intensiv beschäftigt haben. Sie orientieren sich dabei an den Arbeitsaufträgen

des Arbeitsblattes und ihren eigenen Notizen sowie an dem Leitfaden für Plakate. Zusätzlich

sollen auch die erworbenen Kenntnisse bezüglich der verschiedenen Plakattypen sowie deren

jeweilige Wirkung auf den Adressaten integriert werden. Dadurch wird auf der einen Seite die

Methodenkompetenz im Umgang mit diesem Medium gefestigt und auf der anderen Seite die

schriftliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler weiter geschult, was ein übergeordnetes Lernziel

bis hin zum Abitur darstellt.

65

Page 67: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 17: Folie – Liedtext85

„Deutsch ist die Saar“

Das Saarlied von Hanns Maria Lux

Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar!

Und deutsch ist unsres Flusses Strand

und ewig deutsch mein Heimatland,

mein Heimatland, mein Heimatland.

Deutsch schlägt das Herz – stets himmelwärts,

deutsch schlug`s, als uns das Glück gelacht,

deutsch schlägt es auch in Leid und Nacht,

in Leid und Nacht, in Leid und Nacht.

Reicht euch die Hand, schlinget ein Band,

um junges Volk, das deutsch sich nennt,

in dem die heiße Sehnsucht brennt nach dir,

o Mutter, nach dir, nach dir.

Ihr Himmel hört, ganz Saarvolk schwört,

lasset uns es in den Himmel schrei`n:

wir wollen niemals Knechte sein,

wir wollen ewig Deutsche sein!85 Hannig: „Deutsch ist die Saar“, S.117; verkürzt um die zweite Strophe, da bei der verwendeten Aufnahme lediglich vier Strophen gesungen wurden und diese für den geplanten Einsatz im Unterricht ausreichend waren.

66

Page 68: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 18: Tafelbild

Abstimmungskampf 1933 – 1935

aus linksgerichteten aus konservativen und Parteien: rechtsgerichteten Parteien: SPD, KPD Deutsch-Saarländische

Volkspartei (DSVP), DNVP, NSDAP und Zentrum

67

DEUTSCHE FRONTEINHEITSFRONT

- für die Beibehaltung des aktuellen Zustandes (Eigenständigkeit des Saargebietes unter dem Völkerbund): Status quo

- sachliche Argumentation

- für die Rückgliederung an Deutschland

- emotionale Argumentation

Die Bevölkerung an der Saar muss sich zwischen einer internationalen (Völkerbund) und einer nationaler Lösung

(Rückkehr zu den deutschen Wurzeln) entscheiden Spaltung der Gesellschaft

Page 69: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 19: Arbeitsblatt 1

ARBEITSBLATT: Gruppe 1

Der Abstimmungskampf 1933 – 1935

Wahlplakat der Deutschen Front

überparteilicher Zusammenschluss aus NSDAP,

Zentrum, Deutsch-Saarländische Volkspartei,

Deutschnationale Partei

Arbeitsaufträge:

1. Beschreibe und analysiere zunächst das

Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen

Bildelemente und deren Bedeutung)!

2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine

zusammenfassende Beurteilung (u.a.

Welche politische Einstellung gibt das

Plakat wieder?, Was sind Botschaft und

Intention?, Welche Ängste oder

Hoffnungen sollen beim Adressaten

geweckt werden?)!

68

Page 70: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 20: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 1

1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Bildaufbau, die einzelnen

Bildelemente und deren Bedeutung)!

- im Zentrum des Plakates: junger Mann, der in den Armen seiner Mutter liegt; Großteil der Plakatfläche wird durch diese Darstellung ausgefüllt

- ober- und unterhalb davon: Textbotschaft „Deutsche Mutter – heim zu Dir!“ in Sütterlin-Schrift, in großen Buchstaben

- Mann steht auf einem zerbrochenen Grenzpfahl mit der Aufschrift „Sarre“ und auf einer Kette

- links im Hintergrund: rauchende Schlote eines Hüttenwerkes- rechts im Hintergrund: Häuser und Kirche einer Stadt idyllische Kulisse als

Symbol für die Heimat (Kirche: Trierer Dom)- Mann in Arbeitskleidung als typischer Arbeiter an der Saar; wirkt erschöpft, da er

wohl im Hüttenwerk gearbeitet hat, das seit 1920 in französischem Besitz war- Mutter: mit Schürze und grauen Haaren dargestellt, vermittelt Wärme und

Geborgenheit und nimmt den Sohn liebevoll und voller Erleichterung in den Arm Symbol für die deutsche Heimat

- Kette: Symbol dafür, dass sich Arbeiter als Knecht fühlt- Grenzpfahl mit französischer Aufschrift: Zeichen dafür, dass das Saargebiet seit dem

Inkrafttreten des Saarstatutes unter französischem Einfluss steht- Grenzpfahl liegt am Boden: Ausdruck dafür, dass die Bestimmungen des Saarstatutes

nicht mehr Gültig sind- Mann macht außerdem einen Schritt über den Grenzpfahl hinweg und bewegt sich auf

seine Mutter und damit auf die Seite seiner Heimat zu

2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche

politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche

Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)!

- Saargebiet, versinnbildlicht durch den jungen Mann kehrt zu seiner Mutter, die Deutschland verkörpert zurück

- Mutter-Sohn-Verhältnis als naturgegebene Zugehörigkeit des Saargebietes zur deutschen Nation

- Saargebiet muss sich aus seiner französischen „Knechtschaft“ befreien, um dorthin zurückzukehren, wo es herkommt und auch hingehört Sprengung der nationalen und sozialen Fessel

- Trierer Dom im Hintergrund als Symbol dafür, dass der größte Teil des Saargebietes zur Diözese Trier gehörte großer Anteil an Katholiken im Saargebiet

- Deutsche Front tritt für eine bedingungslose Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland ein

69

Page 71: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 21: Arbeitsblatt 2

ARBEITSBLATT: Gruppe 2

Der Abstimmungskampf 1933 – 1935

Wahlplakat der Einheitsfront

überparteilicher Zusammenschluss aus SPD

und Kommunistischer Partei (KPD)

Arbeitsaufträge:

1. Beschreibe und analysiere zunächst das

Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen

Textelemente, auch fehlende Elemente)!

2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine

zusammenfassende Beurteilung (u.a.

Welche politische Einstellung gibt das

Plakat wieder?, Was sind Botschaft und

Intention?, Welche Ängste oder

Hoffnungen sollen beim Adressaten

geweckt werden?)!

70

Page 72: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 22: Erwartungshorizont zum Arbeitsblatt 2

1. Beschreibe und analysiere zunächst das Plakat (u.a. den Aufbau, die einzelnen

Textelemente, auch fehlende Elemente)!

- reines Textplakat- unterschiedliche Schriftgrößen- größte Textbotschaft am oberen Plakatrand: „Rückgliederung bedeutet:“, ergänzt

wird diese durch das Wort „Sofortige“ in kleinerer Schrift- größte Textbotschaft am unteren Plakatrand: „Status quo!“- unterhalb der Überschrift Auflistung von Aspekten, die bei einer Rückgliederung

eintreten würden: „Schließung der Gruben“, „Hüttenindustrie stirbt ab“, „Massenarbeitslosigkeit“, „Ruin des Mittelstandes“, „Der Bauer geht zugrunde“, „Marktinflation, Rentenverlust“ mittlere Schriftgröße

- zu jedem Aspekt: Erläuterungen in einer kleineren Schriftgröße- Aneinanderreihung von Fakten, und zwar von Gegenargumenten: ausschließlich

wirtschaftliche Argumente, die gegen eine Rückgliederung sprechen, aber keine Argumente für den Status quo

- größte Buchstaben bei dem Fremdwort „Status quo“- fehlende Elemente: Farben, identifizierbare Symbole, zündende Parole

2. Interpretiere das Plakat und erstelle eine zusammenfassende Beurteilung (u.a. Welche

politische Einstellung gibt das Plakat wieder?, Was sind Botschaft und Intention?, Welche

Ängste oder Hoffnungen sollen beim Adressaten geweckt werden?)!

- rein sachliche Argumentation, weshalb die Rückgliederung verhindert werden muss- Zusammenbruch des Wirtschafts- und Sozialsystem bei einer Rückkehr zu

Deutschland: sofortige Rückgliederung würde den Bergbau, die Eisenindustrie, aber auch die Landwirtschaft sehr stark treffen; Währung, Sozialversicherung

- nur durch die Beibehaltung des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems weiterhin positive Entwicklung des Saargebietes möglich

71

Page 73: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 23: Plakat 1 „Deutsche Mutter“86

86 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.69

72

Page 74: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 24: Plakat 2 „Status quo“87

87 Paul, Gerhard / Schock, Ralph: Saargeschichte im Plakat 1918 – 1957, Saarbrücken 1987, S.78

73

Page 75: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

74

Page 76: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Fünfte Stunde:

Abstimmungskampf –

Erstellung eigener Plakate

Stundenlernziel

Die Schüler entwickeln unter Beachtung der erarbeiteten Analyse- und Interpretationskriterien

für politische Plakate ein eigenes Plakat mit einer politischen Botschaft.

Darüber hinaus kennen sie typische Symbole sowie Schlüsselbegriffe, die im

Abstimmungskampf von 1933 bis 1935 von den jeweiligen Gruppierungen verwendet

wurden.

75

Page 77: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF MedienVorbereitungen vor der Stunde:

- Aufhängen der beiden Plakate für die Besprechung der Hausaufgabe- Umstellen der Tische und Stühle für die Gruppenarbeit

6 min

Einstieg: stummer Impuls Ergebnis Saarabstimmung S erkennen Kuchendiagramm als Ergebnis der Saarabstimmung und ordnen die

Wahloptionen den Prozentangaben zu Begründet eure Entscheidung!

Wiederholung und Besprechung der Hausaufgaben: Analyse und Interpretation der beiden Wahlplakate zur Volksabstimmung

Schüler stellen die beiden Plakate vor der Klasse vor

feUG

SV

Folie / Anhang

25

Plakate / Anhang 23 u. 24

6 min

32 min

Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Erstellung von eigenen PlakatenÜberleitung: Status quo-Anhänger hatten größte Schwierigkeiten gegen diese Welle des Nationalgefühls im Saargebiet anzukommen und versuchten mit der Stimme der Vernunft das Unglück sichtbar zu machen, das die Saarländer mit der Rückgliederung an das inzwischen nationalsozialistische Deutschland erwartete. Dabei hatte allein der Ausdruck Status quo eine negative Wirkung!? [Verunsicherung der Menschen aufgrund des Fremdwortes; viele verstanden es nicht einmal; Angst, Sieg des Status quo würde wieder die Franzosen ins Land bringen] Feststellung: Mängel in Plakatgestaltung als ein Grund für den Misserfolg der

Einheitsfront bei der Volksabstimmung eigene Erstellung von Plakaten für die Volksabstimmung

Brainstorming zur Vorbereitung der Plakaterstellung: Sammeln weiterer typischer Symbole und Schlagwörter für: Saargebiet, Rückgliederung zu Deutschland und Status quo

Sicherung der Ergebnisse an der Tafel (Mindmap: Saargebiet in der Mitte, links: Status quo, rechts: Rückgliederung zu Deutschland)

S erstellen in 5 Gruppen88 eigene Plakate: 2 beziehungsweise 3 Plakate pro Option im Abstimmungskampf (Status quo und Rückgliederung)

Hinweise zur Vorgehensweise: - erst Ideen sammeln- Konzept / Struktur erstellen- innerhalb der Gruppe klären, wer welchen Part bei der Präsentation

übernimmt und wer Plakat gegebenenfalls graphisch fertig gestaltet

LV

feUG

GA

Tafel / Anhang

26

u.a. Ton-papier,

Filzstifte, Kleber, Scheren

1 min Stellen der Hausaufgabe:Fertigstellung der Plakate und Vorbereitung der Präsentation der eigenen Plakate

88 In der Stunde waren aufgrund einer parallelen Schulveranstaltung von 22 Schülern nur dreizehn anwesend. Daher wurden lediglich drei Gruppen gebildet und damit insgesamt nur drei Plakate erstellt.

76

Page 78: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 25: Folie – Abstimmungsergebnis89

89 Die vorliegende Grafik wurde von mir selbst erstellt.

77

Page 79: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 26: erwartetes Tafelbild – Mindmap

78

SaargebietRück-

gliederung

Schlagwörter

Symbole

Status quo

Taubedurchge-strichenes

Hakenkreuz

international

Händedruck

HeimkehrHeimat

Saar

Unabhängigkeit des Saargebietes

Schutz des Völker-bundes

Reich

Hausfrau / Mutter

idyllisches Dorf / Stadt

Hakenkreuz

entfernter Grenzzaun

Befreiung

mehr Mitbestimmung

der Saarbe-völkerung

Hüttenwerk

Saarschleife

Fluss

Förderturm / Grube

starker Mann

Flagge

deutsch

Mutter

ArbeiterKohle

Frieden

Page 80: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Sechste Stunde:

Saarabstimmung 1935 –

Ergebnis und Bewertung

Schwerpunktsetzung

Basierend auf den Analysen der beiden für den Abstimmungskampf prototypischen Plakate

sowie auf den bisher erworbenen Kenntnissen interpretieren die Schüler die

Abstimmungsergebnisse. Im Zentrum der Stunde steht jedoch das Interview mit einem

Zeitzeugen. Dieses gibt einerseits tiefere Einblicke in weitere Propagandamaßnahmen

während des Abstimmungskampfes sowie in den Ablauf der Volksabstimmung. Andererseits

dient es am Ende der Unterrichtsreihe der Festigung sowie Ergänzung zum Teil bereits

behandelter Aspekte, um abschließend einen Gesamteindruck zur Saargeschichte von 1918

bis 1935 zu bekommen. Dabei muss beachtet werden, dass die subjektiven

Zeitzeugenaussagen nicht überbewertet, sondern gegebenenfalls in einzelnen Punkten

relativiert werden müssen.

Stundenlernziel:

Die Schüler kennen Gründe für den eindeutigen Ausgang der Volksabstimmung von 1935

und dessen Bedeutung für die Saarbewohner.

Ferner nehmen sie Stellung zu den Aussagen eines Zeitzeugen zur Saarfrage (1918 – 1935).

79

Page 81: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Stundenverlaufsplan

Zeit LZ Lehrerverhalten, wichtige Fragen AF/SF Medien

12 min

1

2

3

Einstieg: stummer Impuls L legt Folie mit Foto des Straßenschildes auf S vermuten

Zusammenhang zur Volksabstimmung: 13.01.1935 = Termin der Volksabstimmung

Erklärt, warum diese Saarbrücker Straße sowie weitere Straßen in anderen saarländischen Städten auf diese Weise umbenannt wurden. [große Bedeutung der Volksabstimmung für die Saarbewohner; mehr als 90% stimmten für eine Rückgliederung Erfolg, auch gegenüber dem verfeindeten Frankreich]

Erläutert Gründe dafür, dass die überwältigende Mehrheit der Saarbevölkerung im Januar 1935 für die Rückgliederung zu Deutschland stimmte! [unter anderem stärkere und erfolgreiche Propaganda der Deutschen Front, unterstützt durch die NSDAP; nationales Bewusstsein der Bewohner an der Saar, Zustimmung zu Hitler und der NSDAP]

Vorstellung und Präsentation der drei selbst erstellten Plakate (2x Rückgliederung und 1x Status quo) Klasse beurteilt die erstellten Plakate kritisch im Hinblick auf die

eingesetzte Symbolik sowie die Aussagekraft ihrer politischen Botschaft

feUG

SV

Folie 1 / Anhang

27

Plakate / Anhang 28 – 30

25 min

4

5

Erarbeitung mit integrierter Ergebnissicherung: Interview mit einem Zeitzeugen kurze Vorstellung des Zeitzeugen Anton Schmidt durch L;

zusätzlich Foto auf Folie- Geburtsdatum (unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg)- Wohnort mit Hinweis: direkt an der frz. Grenze (bei Sarreguemines)- berufliche Tätigkeit- familiäre Situation

Untersuchung ausgewählter Interview-Aussagen: L spielt ausgewählte Tracks der CD-Aufnahme ab: 1. – 9.

Track (Abspielzeit dieser Tracks: 9:22 min); zuvor jeweils Wiederholung der entsprechenden Fragestellung der S und Einbettung des Beitrages in den jeweiligen Kontext

Klärung möglicher Verständnisfragen ggf. wiederholtes Abspielen einzelner Tracks, wenn sie

akustisch nicht verstanden werden S beurteilen Aussagekraft der einzelnen Aussagen, ggf.

Richtigstellung falscher Aussagen

Rückmeldung der S zum Interview: Welche Aussagen des Zeitzeugen haben dich am meisten überrascht / interessiert / berührt?

LV

feUG

Folie 2 / Anhang 31 u. 32

Audio-CD(siehe auch

Anhang 34 und

35)

5 min

Schlussvertiefung:Formuliert ein Fazit für die Saargeschichte von 1918 bis 1935! [Teil der Saargeschichte, in dem die Bevölkerung von fremden Machthabern bestimmt wurde (Frieden ohne Freiheit), vor allem sehr starke Beeinflussung durch Frankreich auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet; dadurch starkes Nationalgefühl, Abstimmung im Januar 1935 als „Befreiung“ und Rückkehr zu den nationalen Wurzeln]

feUG

3 minAbschluss / VerabschiedungS füllen einen Feedbackbogen zur Unterrichtsreihe aus (Hinweis zur Auswertung der Rückmeldung im Rahmen der Pädagogischen Arbeit)

EAAB /

Anhang 36

80

Page 82: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Didaktisch-methodischer Kommentar

Als stummer Impuls wird das Foto des Straßenschildes genutzt, um die Schüler noch einmal

auf die Thematik der Volksabstimmung zu lenken. Motivationsfördernd wirkt sich dabei nicht

zuletzt der Umstand aus, dass einigen Schülern die „Straße des 13. Januar“ in Saarbrücken

sicherlich bekannt ist, sie aber nun deren Bedeutung erkennen und damit auch die Bedeutung

dieser Abstimmung vor über siebzig Jahren für die Saarbevölkerung. Auf diese Weise kann

auch die Erinnerungskultur zumindest kurz thematisiert werden.

Im Anschluss daran erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihre selbst erstellten Plakate zur

Volksabstimmung vor der Klasse vorzustellen, wodurch ihre Ausdrucks- und

Präsentationsfähigkeit geschult werden soll. Die Mitschüler werden im Anschluss

aufgefordert, diese kritisch zu bewerten und in Bezug auf ihre Symbolik und politische

Botschaft zu hinterfragen. Auf diese Weise wird einerseits die Arbeit der Plakathersteller

honoriert, andererseits wird die Klasse darin geschult, nach möglichst objektiven Kriterien

eine aussagekräftige und realistische Stellungnahme zu formulieren. Eine solche qualitative

Rückmeldung erfordert dabei auch die inhaltliche Durchdringung des Themas.

Kern der Stunde stellt die Vorstellung und Auseinandersetzung mit dem Zeitzeugen-Interview

dar. Während eine Folie90 mit einem Foto von Anton Schmidt aufgelegt wird, erhalten die

Schüler einige wichtige Informationen zur Person91 (unter anderem Familienstand, berufliche

Tätigkeit). Durch das Foto soll zum einen die Aufmerksamkeit der Schüler geweckt werden,

zum anderen bringt es eindrucksvoll die überaus sympathische und aufgeschlossene Art von

Herrn Schmidt zum Ausdruck. Mit den Beiträgen des Zeitzeugen können einzelne, bereits

behandelte Aspekte der Saargeschichte von 1918 bis 1935 noch mal aufgegriffen und vertieft,

aber auch einige ergänzende Informationen thematisiert werden. Dabei dürfen die einzelnen

Interviewausschnitte nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben, sondern nach jeder

Sequenz müssen die Aussagen des Zeitzeugen bewertet und kritisch hinterfragt werden.

Ferner muss im Vorfeld jeder Beitrag kurz situativ eingebettet werden, damit die Schüler den

jeweiligen Kontext verstehen können. Insgesamt habe ich für die Unterrichtsstunde neun

kurze Tracks92 vorgesehen. Die vorliegende Audio-CD habe ich hingegen bewusst um einige

Ausschnitte aus dem Interview ergänzt, damit ich im Unterricht flexibel reagieren und im

Falle eines Zeitpuffers oder bei besonderem Interesse zusätzliche Beiträge vorstellen kann.

In einer abschließenden Vertiefung sollen die Schüler ein eigenes Fazit zur Saargeschichte im

Zeitraum von 1918 bis 1935 ziehen. Dadurch müssen sie noch einmal die einzelnen 90 siehe Anhang 3291 siehe auch Anhang 3192 siehe Anhang 34

81

Page 83: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Unterrichtsinhalte reflektieren und in einen Gesamtzusammenhang bringen. Auf diese Weise

kann auch der Lernerfolg überprüft werden.

Medien

In der letzten Stunde der Unterrichtsreihe kommen neben den in der vorangegangenen Stunde

von den Schülern erstellten Plakaten zwei Fotos sowie die von mir erstellte Audio-CD mit

zentralen Inhalten des Interviews mit Anton Schmidt zum Einsatz.

Drei Schülergruppen haben in der letzten Stunde zwei Plakate zur Rückgliederung an

Deutschland und eines für die Status quo-Regelung angefertigt und zu Hause fertig gestellt.

Auf diese Weise können die Schüler zum Ende sowohl ihre erworbenen methodischen

Kenntnisse im Umgang mit Plakaten als auch inhaltliche Kenntnisse bezüglich der

unterschiedlichen Begründungen der gegenüberstehenden Fronten vertiefen.

Das Foto von Anton Schmidt wird lediglich zur Visualisierung während des Interviews

genutzt, damit die Schüler eine bessere Vorstellung von dem Zeitzeugen bekommen. Das

Foto des Straßenschildes soll dagegen sowohl die Bedeutung der Volksabstimmung an der

Saar veranschaulichen als auch einen Eindruck von der Erinnerungskultur zu diesem Ereignis

geben.

Um den Schülern Ausschnitte aus dem Interview mit Anton Schmidt vorstellen zu können,

habe ich – wie bereits erwähnt – eine Audio-CD erstellt. Dabei habe ich aus dem mehr als

vierstündigen Tonmaterial insgesamt dreizehn Tracks mit jeweils maximal etwa zwei

Minuten geschnitten, so dass im Unterricht problemlos einzelne Sequenzen ausgewählt und

im Anschluss besprochen werden können.

82

Page 84: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 27: Folie 1 – Foto: Straße des 13. Januar93

93 http://www.sarrelibre.de/wp-content/uploads/schild01mittel.jpg

83

Page 85: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 28: Schüler-Plakat 1

84

Page 86: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 29: Schüler-Plakat 2

85

Page 87: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 30: Schüler-Plakat 3

86

Page 88: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 31: Zeitzeuge Anton Schmidt – Lebenslauf94

Name Anton Schmidt

Eltern Jakob Schmidt (geboren in Schloßböckelheim bei Bad Kreuznach) und Agnes Schmidt (geboren in Auersmacher)

Geburtsdatum 02.12.1913

Geburtsort Auersmacher

Staatsangehörigkeit deutsch

Familienstand verwitwet; 1940 Heirat mit Maria Schmidt (geb. Brach) in Schloßböckelheim (Evakuierung), 3 Kinder: Gerd (1942), Manfred (1943, bereits verstorben), Doris (1951)

Konfession römisch-katholisch

Wohnort Schwarzwaldstraße 9, 66271 Auersmacher

Schul- und Berufsbildung 1920 – 1928 Volksschule Auersmacher1928 – 1931 Ausbildung als Maler bei Firma Maderin Saarbrücken

berufliche Tätigkeit 1931 – 1936mehrere Tätigkeiten als Maler und Bauarbeiter bei verschiedenen Arbeitgebern in Kleinblittersdorf, Saarbrücken und in Sarreguemines (Frankreich)

1936 – 1973Beschäftigung bei der Bundesbahn in Kleinblittersdorf und Saarbrücken als Gleisarbeiter, Rangierarbeiter, Betriebsassistent und Sekretär (vor der Pensionierung: Obersekretär)

Wehrdienst im 2. Weltkrieg 1943 – 1945Ausbildung in Koblenz und SpeyerEinsatz in Holland und Russland1946: Rückkehr nach Auersmacher

außerberufliches Engagement langjähriges Mitglied (seit 1919, aktiv bis 1993) und Ehrenmitglied im Turnverein Auersmacher, Teilnahme an zahlreichen Deutschen Turnfesten (u.a. Stuttgart, München, Frankfurt, Hamburg, Berlin)

94 Anton Schmidt hat mir die Zustimmung erteilt, diese persönlichen Daten, das nachfolgende Foto sowie die Informationen aus dem Interview zum Zwecke der Pädagogischen Arbeit nutzen zu dürfen.

87

Page 89: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 32: Folie – Foto: Anton Schmidt

Anton Schmidt

( 02.12.1913)

88

Page 90: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 33: Interviewleitfaden mit Schülerfragen95

Nachkriegszeit (nach dem Ersten Weltkrieg):

1. Haben Sie beziehungsweise Ihre Familie viele Verluste durch den Ersten Weltkrieg und

seine Folgen gemacht?

2. Hat Sie auch die Inflation betroffen?

Französische Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg:

3. Wie machte sich der Hass auf Frankreich im Alltag bemerkbar?

4. Wie haben die Franzosen Sie während der Besatzungszeit behandelt?

5. Welche Vor- und Nachteile bestanden für Sie als Saarländer während der Zeit des

Völkerbundes unter französischem Einfluss?

6. Wie haben die anderen Länder, insbesondere Frankreich, auf Wünsche Deutschlands / des

Saargebietes reagiert?

7. Welche Einstellung hatten Sie gegenüber den Franzosen? / Wie stehen Sie heute zu den

Franzosen?

Saarabstimmung:

8. Waren Sie für die Rückgliederung zu Deutschland oder dagegen? Warum?96

9. Wurde von den jeweiligen Parteien Druck auf die Bürger ausgeübt, damit sie für den

Status quo oder die Rückgliederung stimmen?

10. Wie stark konnten Sie die Propaganda spüren?

11. Welche Einstellung hatten die Menschen zu der Propaganda?

12. Wie liefen die Wahlen damals ab?

13. Gab es nach der Rückgliederung viele Vorteile für das Saargebiet?

14. Welche Rolle hat Hitler in der Zeit (der Abstimmung) gespielt?

95 Es handelt sich hierbei um eine Zusammenfassung der einzelnen Schülerfragen, die sich zum Teil sehr stark ähnelten. Sie wurden zwar alle mit Anton Schmidt besprochen, konnten jedoch nicht vollständig beziehungsweise nicht immer gewinnbringend für den Unterricht von ihm beantwortet werden.96 Dies war die am häufigsten gestellte Frage.

89

Page 91: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 34: Gliederung der Audio-CD (Trackliste)97

1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min)

2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min)

3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min)

4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min) Abschluss: Status quo

5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min)

6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min)

7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min)

8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min)

9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min)

10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min)

11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min)

12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min)

13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min)

97 Die kursiv geschriebenen Titel wurden in der letzten Stunde der Unterrichtsreihe vorgespielt. Die Beiträge wurden, basierend auf den von den Schülern gestellten Fragen, zusammen geschnitten. Darüber hinaus wurden einige interessante zusätzliche Aspekte ergänzt. So habe ich beispielsweise im Rahmen des Interviews erfahren, dass Herr Schmidt selbst als junger Mann an Propagandamaßnahmen der Deutschen Front beteiligt war. Als gelernter Maler zeichnete er in seinem Heimtatort großflächige Wandplakate an die Giebel von Wohnhäusern und berichtet noch heute ausführlich und mit großer Begeisterung von dieser verbotenen Aktion. Neben solchen besonderen Interviewausschnitten habe ich auch einen Track zu der am häufigsten von den Schülern gestellten Frage nach der persönlichen Einstellung und dem Abstimmungsverhalten in die Unterrichtsstunde integriert.

90

Page 92: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Anhang 35: Verschriftlichung der Audio-CD98

1. Kriegsende und Völkerbund (0:53 min)

Ja 18, 18 ist der Erste Weltkrieg herum gegangen und da haben wir – das Saargebiet war ja

abgetrennt – und da haben wir unter französischer Herrschaft Franken gehabt.

Das ist durch den Völkerbund, ist das geregelt worden: Das Gebiet ist abgetrennt worden,

unter Verwaltung von französischer Regierung.

Wir haben ja den Krieg verloren gehabt und die haben den Krieg so gesagt gewonnen. Wenn

es nach dem Kampf nach gegangen wäre, hätten wir ja gewonnen. Aber, das zählt ja nicht.

Der Schluss – die haben dann alle Hilfe: da ist – Ami hat müssen helfen, der Engländer hat

müssen helfen – und so, so ist das gegangen. Und da war für uns der Krieg dann verloren.

2. Verhältnis zu Frankreich (1:24 min)

Nach dem Ersten Weltkrieg – es war gar nicht so schlimm, dass man sagt – Todfeind – nichts.

Das war nicht der Fall. Es war nicht mehr das Normale, aber so, dass man sagt – Todfeind,

nein, das war nicht der Fall.

Also man konnte sich schon verständigen. Wir haben ja keinen – keinen Pass gebraucht für da

rüber nach Sarreguemines. Und das ist daher gekommen, weil das vorher war ja Deutsch.

Elsass und Lothringen war ja früher Deutsch. Und daher ist das auch gekommen, weil die

Familie da doch miteinander war – verheiratet und, und Kinder und alles. Was alles, wie –

wie sich das alles im, im Laufe der Zeit ergibt. Da hat man noch nicht an die Rückgliederung

gedacht. Da sind welche – hier, wo noch Familie oder die Frau, wo von drüben war, oder der

Mann, wo von drüben – wenn da irgendwie ein Fest war, die sind auf, ab, da rüber – Fest

gefeiert und – mit, mit denen – und so war es umgekehrt dasselbe.

Früher war es umgekehrt. Da ist alles nach Saarbrücken – und nachher sind die Saarbrücker

nach Sarreguemines gekommen: Einkaufen, einkaufen!

3. Behandlung durch französische Besatzungssoldaten (0:21 min)

Also – man kann sagen: menschlich. Sicher, Ausnahmen gibt es immer – überall. Auch im

eigenen Land. Da braucht man gar nicht ins Ausland zu gehen.

Da gilt das Sprichwort: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

98 Beim Verschriftlichen der Audio-CD wurden die überwiegend im Dialekt gesprochenen Interviewbeiträge von Anton Schmidt zum besseren Verständnis weitestgehend in die hochdeutsche Sprache umgewandelt. Allerdings wurden Satzbau, Grammatik oder auch Wortwiederholungen und Ähnliches nicht verändert, sondern an das Original angelehnt.

91

Page 93: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

4. Begründung für die Rückgliederung (1:28 min) Abschluss: Status quo

Jeder hat ja gesagt: „Das ist unser Heimatland – Deutschland. Und dort gehören wir hin.“ Das

war der Grundsatz! Wenn ich nur schon mal hole, mein Vater war ja auch nicht aus dem

Saarland und nicht von Auersmacher. Er war ein Rheinländer. Das ist schon mal ein Punkt. Ei

da gehöre ich doch hin.

Die Eltern und Großeltern, das waren alles deutsche Soldaten – unter der Führung von Kaiser

Wilhelm, dem „zwoten“. Und meines Erachtens hätte der brauchen gar nicht wegzugehen.

Wir haben damals – habe ich mir auch schon gesagt: „Warum, warum geht der weg?“

Auf jeden Fall haben sie ihm im Nacken gesessen. Nachher sind ja die Kommunisten – und

das ist ja da alles nachher gekommen, und die Monarchie, die soll weg, wir brauchen das

nicht. Das ist unnötiges Geld, wo bezahlt wird. – Sie wissen, wie das geht. – Und – meines

Erachtens hat der um sein Leben gebangt – von dieser Seite aus, aber im Allgemeinen war das

nicht der Fall.

Und wie gesagt, die zwei Prozent, wo dagegen waren, das war damals noch der – eine –

Status wo – Quo. Also die haben ja gar nicht gewusst, wohin.

5. Propaganda: Giebelschrift am Haus (1:20 min)

… Kundgebungen, da waren die Redner da – und an einem schönen Tag kommt einer. Der

war nachher auch, äh, Vorsteher: „Anton, wie wär es denn, wir könnten doch da Plakate auf –

auf die Häuser malen mit Schrift und so. Kannst du das machen?“

Und da war da unten – habe ich zwei so Dinger gemacht. Da war der ganze Giebel – war ein

Plakat! Der Rand drum herum: schwarz, weiß, rot. Und das Feld an sich war weiß – und die

Schrift war dann schwarz. Und da habe ich die Blockschrift gemacht. Das waren dann große

Buchstaben. Auf dem einen hat gestanden: „Deutscher, tue deine Pflicht – verrate 35 dein

Deutschland nicht!“

Ich habe die aber so gemacht, dass sie nicht so schnell ausgehen. Ich habe Kalk geholt, den

angerührt und zu gleicher Zeit direkt Leinöl drunter gerührt. Also der Kalk wird an sich ja

schon hart, und – geht nicht so schnell ab. Und wenn das Leinöl wird er noch viel stärker, ne.

Das sind ja so Sachen, wo – wo ich noch aus meinem, aus meinem Handwerk gehabt habe,

ne.

92

Page 94: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

6. Kreide-Technik zum Entfernen des „Hauswandplakates“ (0:33 min)

Die Kreide, das war die, wo normalerweise der Maler braucht, für wenn ein Zimmer tapeziert

wird, oder gestrichen wird. Da kommt aber Leim drunter. Und da habe ich die Kreide nur mit

Wasser angerührt, da kommt nichts drunter. Und – tatsächlich – es hat paar Mal darauf

geregnet – und die ist immer mehr – immer mehr durchgekommen – die Schrift! – Alles ist

immer klarer geworden, immer klarer. Zum Schluss war – war sie wieder ganz da, so wie ich

sie gemacht habe!

7. Entfernung mit Schlauch (0:15 min)

Da war da unten ein Mann – lebt wohl nicht mehr – und der eine von den Söhnen – und

damals hat er den Schlauch geholt – und hat angefangen zu spritzen! Haha – der hat gewusst,

dass es – dass alles herunter läuft. Dass unten drunter das wieder herauskommt!

8. Ablauf der Abstimmung (2:13 min)

Also jeder hat persönlich einen Bescheid gekriegt, also schriftlichen Bescheid. Eine

Abstimmungskarte. Und die hat er müssen bei sich haben. Und die ist auch dort geblieben

nachher.

Da haben die vom Ordnungsdienst, haben vor dem Wahllokal – auch schon gestanden. Einer

oder zwei. Und jeden aufmerksam gemacht, wenn er da rein geht: „Kein Wort sprechen! –

Still!“ – Kein Wort. Stumm rein – sein Kreuz gemacht – und wieder stumm heraus.

Und – ich weiß von einer Frau, die hat dort angefangen zu sprechen. Und dann wurde der

Stimmzettel geholt – weggeschmissen. Sie hat können gar nicht wählen. Und draußen hat die

dann geheult. Ja! – Und vorher ist sie aufmerksam gemacht worden. Und alles hat sich daran

gehalten. Und nachher wie die anderen – was alles nachher gekommen ist – da haben wir das

erwähnt. „Nicht dass es euch geht wie der Frau da!“

Da haben die vom Völkerbund – nur vom Völkerbund – an der Abstimmung gesessen. Das

waren Franzosen, Engländer, Schweden. Und die Italiener waren nicht dabei, denn äh –

wahrscheinlich haben sie bei denen nicht gewusst, wie die eingestellt sind. Denn die waren ja

zuerst auf unserer Seite, haben mit uns gekämpft, ne. Zum Schluss haben sie ja ihre Waffen

weggeworfen und haben – auf der anderen Seite mitgemacht. Dass sie die überhaupt noch bei

den Besatzungstruppen noch gehabt haben, das hat mich gewundert.

Saarländer auch nicht – und Deutsche auch nicht. – Also nur von fremden Mächten. Aber da

haben wir ja nicht drüber können bestimmen. Das hat ja der Völkerbund, hat das ja geregelt.

93

Page 95: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

9. Fußballspiel mit Besatzungssoldaten (0:55 min)

Wir haben ja Besatzung gehabt bei der Abstimmung. Das war schon vor der Abstimmung –

schon eine Zeit lang vor der Abstimmung, schon ein ganzes Jahr vorher.

Die Engländer waren hier, die Schweden waren hier, die Italiener waren hier – Besatzung,

dass wenn irgendwie Krawalle oder irgendwas – und was das Schönste war –: Wir haben mit

den Engländern Fußball gespielt, da oben, wo jetzt die Barbarahöhe steht! Da war der

Sportplatz. Haben wir mit den Engländern Fußball gespielt! So war – so war unsere

Feindschaft! Haha – umgekehrt, ne.

Hauptsächlich schon weil, weil wir wussten, England ist halt auch im Fußball gut, ne, und so.

Und, haben wir mit den Engländern auch gespielt – also die mit uns, so!

10. Kundgebungen am Kieselhumes und am Befreiungsfeld (1:23 min)

Die Kundgebungen – also, wir sagen mal – die haben ja meistens die Parteien gemacht. Die

SPD, die hat die große Kundgebung gemacht – für selbstständig zu machen – auf dem

Kieselhumes.

Und während dieser Zeit hat im Befreiungsfeld, unten an der Saar, da wo heute der

Schlachthof von Schröder – und alles, was sich da alles angesiedelt hat – das war ja ein

großes Feld. Da haben die CD – nicht CDU – wie hat die – die noch geheißen – die…?

Zentrum! Jo, jetzt sind wir da! Ah, und da hat es noch die deutsche – was deutsch gesinnt war

– die haben da auch noch mitgewirkt. Die haben dann gesagt: „Selbstständig? Wie wollen die

mit den Betrieben und, und mit der Wirtschaft? Das klappt doch gar nicht. Das kleine Land.“

Und die waren da unten an dem Befreiungsfeld – vor der Abstimmung. Und da waren

Himmel und Leute, also noch und noch.

Und da oben auf dem Kieselhumes, da war fast niemand. Das war ein Zeichen, dass die Leute

das nicht wollen – das Selbstständige oder zu Frankreich. Dass sie das nicht wollen.

11. Propaganda in Auersmacher (0:15 min)

Ei ja, das waren auch verschiedene Versammlungen und so. Wo das genau dasselbe war, nur

im kleineren Stil, wie da das im großen Stil war. Genau dasselbe!

12. Rolle Hitlers im Abstimmungskampf (0:15 min)

94

Page 96: Die Saarfrage 1918 - 1935 (Carmen Stopp)

Naaa – der Hitler der hat schon – aber er selbst konnte ja hier nicht persönlich irgendetwas

Propaganda machen, ne. Das Ausland hätte den ja direkt schon weg gemacht!

13. Vorteile nach der Rückgliederung (1:11 min)

Na sagen wir mal – von Kriegsschäden und so – ist ihnen schon geholfen worden. Also haben

sie schon, doch schon was gekriegt. Und was dann – da hat es ja auch Leute gegeben, wo gar

nichts gehabt haben. Die haben Kleider und alles gekriegt – also kostenlos – natürlich nicht äh

Berge – das haben die schon gekriegt von – vom Deutschen.

Und dann vor allen Dingen – äh wenn – ist den Betrieben ist dann mehr geholfen worden

noch, da sind schon mehr die Arbeitslose weggekommen. Und – wie der Tag war bis zur

Rückgliederung, wie der herum war, da sind massenweise, sind die Betriebe hochgegangen –

vom deutschen Staat natürlich unterstützt. Von der anderen Seite haben wir ja brauchen nichts

zu erhoffen, denn der Franzose – an für sich hat der nachher weniger noch gehabt wie wir,

trotzdem die bei den Gewinnern waren – und waren noch armseliger dran wie wir!

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Anhang 36: Feedbackbogen – Formular

Feedback zur Unterrichtsreihe

DAS „SAARGEBIET“ UNTER DER VERWALTUNG DES VÖLKERBUNDES Wir haben uns in den letzten 6 Stunden mit der saarländischen Geschichte in der Zeit von 1918 bis 1935 beschäftigt. Im Vordergrund standen die französische Besatzungszeit an der Saar, die politische und kulturelle Entwicklung unter dem Völkerbund, die Volksabstimmung im Jahr 1935 sowie der vorangegangene Abstimmungskampf. Nun hast du die Möglichkeit diese Unterrichtsreihe zu bewerten. Du brauchst keinen Namen anzugeben und darfst ehrlich schreiben, was du denkst!

Beziehe dich bei der Beantwortung der Fragen bitte nur auf die letzten 6 Stunden!

1. Was hat dir an der Reihe am besten gefallen? Gab es Themen, Materialien oder Methoden, die du besonders gut fandest?

2. Was hat dir in den letzten 6 Stunden weniger gut gefallen? Gab es Themen oder Methoden, die uninteressant, langweilig oder auch zu scher waren?

3. Hast du Tipps oder Ideen, wie man die Reihe eventuell noch besser, interessanter oder lehrreicher gestalten könnte?

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4. Welche Note würdest du der Reihe abschließend geben? Begründe bitte kurz!

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Anhang 37: Feedbackbogen 1

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Anhang 38: Feedbackbogen 2

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Anhang 39: Feedbackbogen 3

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