Die Sonnenstrahlung im System Erde - Atmosphäre

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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ALBRECHT KESSLER Die Sonnenstrahlung im System Erde - Atmosphäre Originalbeitrag erschienen in: Freiburger Universitätsblätter 66 (1979), S. 47-53

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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

ALBRECHT KESSLER Die Sonnenstrahlung im System Erde - Atmosphäre Originalbeitrag erschienen in: Freiburger Universitätsblätter 66 (1979), S. 47-53

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ALBRECHT KESSLER

Die Sonnenstrahlung im System Erde - Atmosphäre

Das Klima oder — allgemeiner formuliert — die Energieverteilung im GesamtsystemErde-Atmosphäre wird dadurch bestimmt, wann, d. h. zu welcher Tageszeit oderJahreszeit etc., wo, d. h. an welchem Ort und in welcher Sphäre (Atmosphäre,Hydrosphäre, Lithosphäre, Kryosphäre), welche Menge an solarer Strahlungs-energie in welche andere Energieformen umgewandelt wird. Energieformen, diein diesem Zusammenhang zu nennen wären, sind unter anderen die thermischeEnergie der einzelnen Sphären, die latente Energie des Wasserdampfes in derAtmosphäre, die bei der Verdunstung an der Erdoberfläche aufgebracht werdenmuß und die bei der Kondensation während der Wolkenbildung an die Atmo-sphäre abgegeben wird, die potentielle Energie der Luftmassen im Schwerefeldder Erde, die wiederum teilweise in kinetische Energie der Luftbewegung unddiese schließlich teilweise in kinetische Energie der Meeresströme transformiertwird.Im folgenden soll an verschiedenen Beispielen gezeigt werden, welche quantita-tiven Vorstellungen heute über die solaren Strahlungsumsätze bestehen:a) Zunächst wird der Strahlungshaushalt des Planeten Erde anhand von mehr-jährigen Satellitenmessungen (ELLIS et al. 1978) betrachtet. Um den Sachverhaltmit wenigen Werten darstellen zu können, werden zeitliche Mittelwerte über meh-rere Jahre und Flächenmittelwerte über den gesamten Globus herangezogen.b) Der Verbleib der Sonnenstrahlung innerhalb des Systems Erde-Atmosphäreläßt sich zur Zeit noch nicht vollständig aus direkten Messungen ableiten. Diemitgeteilten Daten — wieder zeitliche und räumliche Mittelwerte — sind das Er-gebnis von Modellrechnungen (HOYT 1976). Dabei wird ein Bezug zur augen-blicklichen Klimaepoche insofern hergestellt, als gewisse empirische Daten indie Rechnungen eingehen. Hier wäre vor allem der mittlere Bedeckungsgrad derErde mit verschiedenen Wolkenarten und die mittlere stoffliche Zusammen-setzung der Atmosphäre und deren Trübung zu erwähnen.c) Der Hauptteil der vom System Erde-Atmosphäre absorbierten Sonnenstrah-lung wird an der Erdoberfläche umgesetzt. Das Ergebnis dieser Transformationhängt vor allem vom Oberflächentyp und von der geographischen Lage ab, dadie Intensität der Strahlungsabsorption und die Reflexionseigenschaften der ver-schiedenen Oberflächen eine Funktion des Einfallswinkels der Strahlung sind. Diedirekte Messung der Energieumsätze an der Erdoberfläche ist besonders aufwen-dig. Langfristige Messungen, die auch einen Einblick in die Variabilitätseigen-schaften der Energieströme geben könnten, sind daher bisher nur an wenigenStellen der Erde durchgeführt worden. Das Meteorologische Institut der Universi-tät Freiburg unterhält unter Leitung des Verfassers seit einigen Jahren eine Wär-mehaushaltstation in der Oberrheinebene ( JAEGER 1978), an der die Beziehun-gen zwischen den Energieumsätzen und den sich wandelnden Eigenschaften derErdoberfläche in Abhängigkeit von deren Wasserhaushalt und von besonderenWetterverhältnissen studiert werden. Hier werden die Meßergebnisse für dasJahr 1975 diskutiert (nach noch unveröffentlichten Daten und nach SCHOTT

47 1978).

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Die Strahlungsbilanz des Planeten ErdeDas System Erde-Atmosphäre tauscht nur durch Strahlungsvorgänge Energie mitdem Weltraum aus. Dabei ist die elektromagnetische Strahlung der Sonne diewichtigste Energiequelle. Andere kosmische Strahler können bei energetischenBetrachtungen unberücksichtigt bleiben. Ein Teil der Sonnenstrahlung wird ohneÄnderung der Wellenlänge wieder in den Weltraum reflektiert oder zurückge-streut, der restliche Teil vom System absorbiert. Da die Erde und ihre Atmosphäredurch diesen Energieinput Temperaturen oberhalb des absoluten Nullpunkts be-sitzen, emittieren sie langwellige Wärmestrahlung. Die Grenze zwischen der kurz-welligen »solaren« und der langwelligen »terrestrischen« Strahlung liegt, soweitman nur die energetisch wichtigen Bereiche berücksichtigt, im Wellenlängenbereichum 4 itrn.Zählt man die einkommende Strahlung positiv und die ausgehende negativ, sogilt folgende einfache Gleichung der Strahlungsbilanz R „ des Planeten am»Außenrand der Atmosphäre«:

R oo = — K ot — L ot AE

K jo ist die solare Einstrahlung. Sie kann aus der Geometrie der Erdbahn um dieSonne, aus dem Erddurchmesser und aus der Solarkonstanten J berechnet werden.K ist der vom System Erde-Atmosphäre reflektierte oder zurückgestreute An-teil der solaren Strahlung. Den Quotienten K / K = u man dieplanetarische Albedo. L „'‘ bedeutet die emittierte langwellige Strahlung. A Eist die Energiewertänderung des Gesamtsystems Atmosphäre-Lithosphäre-Hy-drosphäre-Kryosphäre. R 00 kann heute bestimmt werden, indem K ot, und Ldurch Satelliten gemessen und K jo mit einem als konstant angesehenen Wert vonJ berechnet werden.Die Strahlungsbilanz des Gesamtsystems R „ spielt eine wichtige Rolle in derDiskussion über Ursachen von Klimaschwankungen. Ist der Flächenmittelwertüber den gesamten Planeten von R „ über eine gewisse Zeit größer oder kleinerals Null, etwa durch Änderung der Solarkonstanten J oder der planetarischen.Albedo c40 , dann muß sich notwendigerweise auch der Energiewert des Ge-samtsystems verändern. Von Klimaänderungen muß man allerdings auch dannsprechen, wenn bei R„ -=- 0 nur eine örtliche Umverteilung der Energiemengenoder ein veränderter, kompensatorischer Energieaustausch zwischen den einzel-nen Sphären, beispielsweise zwischen Ozean und Atmosphäre, stattgefunden hat.Solche Vorgänge gehören in den Fragenkreis, den wir in den beiden letzten Kapi-teln kurz ansprechen wollen. Diese wenigen Bemerkungen über Klimaschwankun-gen sollen andeuten, mit welchen Problemen man bei der Beurteilung der heutigenKlimasituation zu rechnen hat.Bei der Bestimmung der Strahlungsbilanz R„ des Planeten mit Hilfe der Satel-litentechnik haben sich folgende drei wichtige Tatsachen ergeben:1. Die Satellitenmessungen deuteten bisher an, daß in unserer augenblicklichenKlimasituation im Jahresmittel zwischen Planet Erde und Weltraum Strahlungs-ausgleich herrscht, R 00 also gleich Null ist, gemittelt über den gesamten Planeten..Eine Aussage darüber, wie groß mögliche interannuelle oder längerfristige Ab-weichungen von diesem Zustand tatsächlich sind, wird man allerdings erst dannmachen können, wenn die Solarkonstante J von Satelliten aus laufend hinreichendgenau gemessen wird, was im Augenblick noch Schwierigkeiten bereitet.2. Für einzelne Monate oder Jahreszeiten ist R„ ungleich Null, und zwar wirdin den Monaten Januar bis März und September bis Dezember (vergl. die Abbil-dung), also während des Winterhalbjahres der Nordhemisphäre, Energie vom

48 Gesamtsystem gespeichert, die in der übrigen Jahreszeit wieder abgegeben wird.

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Wie ELLIS et al. (1978) zeigen konnten, wird der Energieüberschuß zum über-wiegenden Teil in den Ozeanen gestaut. Paradoxerweise ist der Energieinhalt derAtmosphäre dann am höchsten, wenn R 00 = A E <0 ist, wenn das Gesamt-system also Energie verliert. Das ist nur zu verstehen, wenn man die Energie-.umsätze an der Erdoberfläche zur Erklärung mit heranzieht. Die Gesamtatmo-sphäre ist während des Sommers der Nordhalbkugel am wärmsten, weil die Land-massen der Erde auf der Nordhalbkugel konzentriert sind und weil im Sommer-halbjahr die direkte Erwärmung der Atmosphäre von der festen Erdoberflächeher durch den turbulenten Strom fühlbarer Wärme am stärksten ist.Die wichtigste Komponente, die zu einem Jahresgang der Strahlungsbilanz desPlaneten Erde beiträgt, ist die solare Einstrahlung K o's,j, , deren Stärke mit derEntfernung Sonne-Erde variiert. Der Unterschied der Strahlungsintensität zwi-schen Peri- und Aphelposition beträgt ca. 7 %. Die planetarische Albedo a o„weist ebenfalls einen Jahresgang auf, der von der jahreszeitlich unterschiedlichenGesamtbewölkung, von der alternierenden Schnee- und Eisverteilung, von dersaisonalen Vegetationsveränderung und von der Einstrahlungsrichtung abhängt.Das Maximum der planetarischen Albedo a 0,0 im Monat Dezember (vergl. dieAbbildung) kommt unter anderem dadurch zustande, daß die Sonne zu dieser

Mittlerer Jahresgang der solarenEinstrahlung K ot , der planeta-rischen Albedo up° , der absorbier-ten solaren Strahlung (K 01, —K 0'2; ), der langwelligen Strah-lungsemission L cst und der Strah-lungsbilanz R „ des Planeten Erde(Mittelwert der Jahre 1964-1971).

Zeit in der schnee- und eisbedeckten Antarktis mit hohen Albedozahlen täglich24 Stunden über dem Horizont steht und daß sich gleichzeitig die hochreflektie-rende winterliche Schneedecke auf der Nordhalbkugel weit nach Süden ausgebrei-tet hat, und zwar über das Nordpolargebiet hinaus, das zu jener Zeit im Schat-ten liegt. Wegen der unterschiedlichen Land-Meer-Verteilung auf beiden Halb-kugeln wiederholt sich diese Situation im Nordsommer nicht in gleicher Weise.

49 Schließlich ergaben die Messungen auch einen Jahresgang der langwelligen Aus-

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strahlung L •,+; mit hohen Werten in den Monaten April bis Juli und niedrigenin den Monaten September bis März (vergl. die Abbildung). Diese Kurve zeigteine gewisse Ähnlichkeit mit dem Jahresgang des globalen Mittelwertes der Tem-peratur der Erdoberfläche bzw. der bodennahen Luftschicht. Eine größere Über-einstimmung zwischen diesen Kurven ist nicht zu erwarten, da die Strahlungs-emission auch von den in verschiedenen Höhen liegenden und daher unterschied-lich temperierten Wolkenobergrenzen ausgeht. Der globale Flächenanteil der ver-schiedenen Wolkenarten unterliegt wegen der Verschiebung der Zirkulationsgürtelund wegen des Einflusses der ungleichmäßigen Land-Meer-Verteilung auf dieWolkenbildung auch wiederum einem Jahresgang.3. Über die flächenmäßige Verteilung der Strahlungsbilanz R „ ist folgendesfestzustellen. Durch die Satellitenmessungen wurden frühere theoretische Über-legungen bestätigt, daß die Tropenzone zwischen 35 Grad nördlicher und süd-licher Breite im Jahresdurchschnitt einen Energieüberschuß erhält und die pol-wärtigen Gebiete ein gleichgroßes Defizit aufweisen. Da sich die niederen Breitennicht ständig erwärmen bzw. sich die höheren Breiten nicht ständig abkühlen, mußim Jahresmittel ein Energieausgleich herbeigeführt werden, der durch die beidenbeweglichen Medien Atmosphäre und Ozean besorgt wird.

Der globale solare Strahlungshaushalt der Atmosphäre und der ErdoberflächeVon der planetarischen Albedo .2( „ hängt es ab, wie groß der Anteil der Sonnen-strahlung ist, der von der Atmosphäre und von der Erdoberfläche absorbiert wird.Ihr Wert war vor dem Satellitenzeitalter indirekt bestimmt worden aus der Hellig-keit des nicht direkt von der Sonne beleuchteten Teils der Mondscheibe, die ihr Lichtvon der sichtbaren, von Erde und Atmosphäre reflektierten Sonnenstrahlung er-hält. Aus den Satellitenmessungen ergab sich ein Wert für a „ von ca. 30 %, derwesentlich niedriger liegt als die älteren Schätzungen. Die klassischen Vorstellun-gen über den Strahlungshaushalt der Atmosphäre mußten daher neuerdings er-heblich revidiert werden. Die in der Tabelle genannten Zahlen sind einer Modell-rechnung von HOYT entnommen, die folgende Eingangsgrößen benutzt: Solar-konstante J = 1.95 cal/cm 2min ,--- 1360.7 W/m2 ; planetarische Albedo a „ =29.5 °/o.Um eine quantitative Vorstellung über den globalen, kurzwelligen Strahlungs-haushalt der Atmosphäre zu bekommen, muß man sich bisher noch des Hilfsmit-tels von Modellrechnungen bedienen, da Messungen, die auch Angaben über dieVertikalverteilung von Absorption und Streuung der Strahlung zu liefern hätten,höchstens kurzfristig und nur an wenigen Stellen bei aufwendigen Forschungs-kampagnen vorgenommen werden können.Die solare Strahlung unterliegt beim Durchgang durch die Atmosphäre der Streu-ung und Absorption, die unter anderem abhängig sind von der Luftmasse undvon der stofflichen Zusammensetzung der Atmosphäre. Die Wolken spielen we-gen ihrer zahllosen Erscheinungsformen, wegen ihrer dauernden Veränderungund wegen der starken Beeinträchtigung des Strahlungsfeldes eine wichtige Son-derrolle. Da sich der größte Teil der Wolken durch aufsteigende Luftbewegungbildet und da aus Kontinuitätsgründen eine etwa gleichgroße wolkenauflösendeAbwärtsbewegung existiert, muß man mit ungefähr 50 Wo Bewölkung auf derErde rechnen. Während früher der Bedeckungsgrad mühsam aus Einzelbeobach-tungen ermittelt werden mußte, liefern die Wettersatelliten heute flächendecken-des Material über die ganze Erde. Das Modell von HOYT benutzt einen mittlerenjährlichen Wolkenbedeckungsgrad von 44.1 °/o für den Globus, mit Werten von

5 0 40.9 °/o bzw. 47.2 °/o für die Nord- bzw. Südhalbkugel.

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Jahresmittelwerte des solaren Strahlungshaushalts W/m2 Prozentvon Atmosphäre und Erdoberfläche.

Einstrahlung am Außenrand derAtmosphäre (KZ, ) 341 100Reflexion am Außenrand derAtmosphäre (K ot )

von bewölkten Gebieten 75 22,0von wolkenfreien Gebieten 25 7,5

Absorption in der Atmosphäredurch Wolken und Wasserdampf 56 16,5durch Ozon 12 3,5durch Sauerstoff 6 1,5durch Kohlendioxid 3 1,0durch Aerosole und Staub 2 0,5

Absorption an der Erdoberfläche (1‹.;!' — K 04' )von direkter Sonnenstrahlung 96 28,0von gestreuter Sonnenstrahlung (Himmels-strahlung) 66 19,5

Die für die Berechnungen notwendigen Basisdaten über die räumliche Verteilungder verschiedenen Gase, des Aerosols, der Staubpartikel und Wolkenarten müssenKartenwerken entnommen werden, die leider selten aus Beobachtungsmaterialaus gleichen Zeitperioden erarbeitet worden sind. Daher eignen sich solche Be-rechnungen des Strahlungshaushalts nicht für die Beurteilung einer konkretenKlimasituation. Vergleiche zwischen dem globalen Strahlungshaushalt der Jahr-hundertmitte, in der die globale Atmosphäre ein Temperaturmaximum aufwies,mit den entsprechenden Verhältnissen in unseren Tagen sind nicht möglich, sowichtig solche Informationen auch für die Beurteilung einer möglichen anthropo-genen Klimaänderung wären.Rechnet man die immer nur einer Halbkugel zugestrahlte Sonnenenergie auf dieGesamtfläche des Planeten um, so ergibt sich eine mittlere extraterrestrische Be-strahlungsstärke von 341 W/m2 . Die das System wieder verlassende solare Strah-lung von 100 W/m 2 wird zu drei Vierteln von den bewölkten Gebieten reflektiert.Aus diesen Zahlen geht hervor, wie stark der globale Strahlungshaushalt mit demglobalen Wasserhaushalt der Atmosphäre gekoppelt ist. Natürliche Schwankungenund künstliche Eingriffe in den globalen Wasserhaushalt wirken sich unmittelbarauf den solaren Energieinput aus. Die in den Weltraum reflektierte Strahlun4 ausden wolkenfreien Gebieten stammt hauptsächlich von der Erdoberfläche her.Von dem restlichen, im System Erde-Atmosphäre verbleibenden Teil an solarerStrahlungsenergie mit einer Bestrahlungsstärke von 241 W/m2 werden zweiDrittel an der Erdoberfläche und nur ein Drittel von der Atmosphäre absorbiert.Die Erdoberfläche wird somit zur wichtigsten Heiz- und Energieumsatzfläche desPlaneten. Die Sonnenstrahlung erreicht die Erdoberfläche mit einer Intensität von96 W/m2 auf direktem Wege. Die Bestrahlungsstärke der gestreuten, aus allenRichtungen des Himmelsgewölbes zur Erdoberfläche gelangenden Sonnenstrah-lung beträgt 66 W/m2 . Die Unterschiede im bodennahen Mikroklima zwischenbeschatteten und unbeschatteten Stellen wird durch den hohen Anteil der diffusenStrahlung gemildert; ein Effekt, der beispielsweise auf der Mondoberfläche wegender fehlenden Atmosphäre nicht vorhanden ist. Weitere Einzelheiten über denVerbleib der Sonnenstrahlung kann man der Tabelle entnehmen.5 1

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Strahlungs- und Energieumsätze an der Erdoberfläche in der südlichen Oberrhein-ebeneSeit einigen Jahren werden an der Meßstation des Meteorologischen Instituts dieEnergieströme direkt über einem 10jährigen, etwa 5 m hohen Kiefernbestandlaufend gemessen. Da unter den verschiedenen Wärmeströmen auch die für dieVerdunstung aufzuwendende Energie bestimmt wird, erhält man gleichzeitigeinen Einblick in den Wasserhaushalt des Standorts.Die Strahlungsbilanz Ro (78) der Bestandsoberfläche als wichtigste Ausgangsgrößefür alle Energieumsätze setzt sich zusammen aus der solaren, direkten und indirek-ten, durch die Atmosphäre gestreuten, kurzwelligen Strahlung K7 (119), aus demreflektierten Anteil dieser Strahlung K 04 (13), aus der langwelligen, zur Be-standsoberfläche gerichteten Strahlung der Atmosphäre I: (330) und aus derlangwelligen nach oben gerichteten Wärmestrahlung des Bestandes Lid+' (358).Die Werte in Klammern geben die mittleren jährlichen Flüsse in W/m 2 an. DieGleichung für die Strahlungsbilanz an der Bestandsoberfläche lautet:

R. = Kf — K 04' + L — 1, 04,

Wie aus den kurzwelligen Strahlungsströmen abzuleiten ist, werden 89 % dereinfallenden solaren Strahlung vom Kiefernbestand absorbiert und in andereEnergieformen überführt. Rasenoberflächen absorbieren beispielsweise nur ca.80 %. Da die langwellige Emission der Bestandsoberfläche, die als grauer Strahlerzu betrachten ist, im Mittel größer ist als die langwellige atmosphärische Gegen-strahlung, die bei wolkenlosem Himmel nur eine Bandenstrahlung ist, außerdemdie Bestandsoberfläche im Mittel wärmer als die bodennahe Atmosphäre ist,resultiert ein Verlust von langwelliger Strahlungsenergie an der Bestandsober-fläche von 28 W/m2 .Was geschah mit dem an der Kiefernbestandsoberfläche verbleibenden Restbetragder Strahlungsbilanz R o von 78 W/m2 im Jahre 1975? Der größte Teil, nämlich62 W/m2 , wurde für die Verdunstung von Wasser verbraucht. Mit dem Wasser-dampfstrom ist ein Energietransport zur Atmosphäre verbunden, den man alslatenten Wärmestrom bezeichnet. Da die Erd- bzw. Bestandsoberfläche im Jahres-durchschnitt wärmer als die Atmosphäre ist, wird durch die turbulente Strömungder bodennahen Luftschicht Wärme an die Atmosphäre abgegeben. Dieser so-genannte Strom fühlbarer Wärme machte den Restbetrag von 16 W/m 2 aus.Der Jahreswert der Verdunstung des Kiefernbestandes (auch Evapotranspirationgenannt) betrug ca. 80 cm Wassersäule. Etwa gleichgroß war die Niederschlags-menge, die im langjährigen Mittel im Hartheimer Wald allerdings nur ca. 65 cmbeträgt. Daraus folgt, daß der Strahlungsinput eines Kiefernbestandes in dersüdlichen Oberrheinebene selbst in einem feuchten Jahr groß genug ist, um dieSidwrwasserbildung bzw. Grundwasserneubildung weitgehend zu verhindern.Die Kulturlandschaft der Oberrheinebene enthält keine natürliche Vegetations-decke mehr. Es erhebt sich die Frage, wie groß die Auswirkungen des anthropoge-nen Eingriffs auf die Energieumsätze waren. Eine Abschätzung mit den Zahlenvon 1975 für den Fall, daß der Kiefernbestand in einen Rasen umgewandeltwird, ergibt folgendes Bild. Die Rasenoberfläche möge eine Albedo ct o von 20 %besitzen, die gleiche Niederschlagsmenge erhalten und die gleiche Menge verdun-sten wie der Kiefernbestand. Die Folge ist, daß der Strom fühlbarer Wärme, mitdem die untere Atmosphäre erwärmt wird, zurückgeht. Verteilt man die aus demfühlbaren Wärmestrom bereitgestellte Energie auf eine 500 m mächtige Luft-säule, so wird diese im Jahresdurchschnitt über einer Rasenoberfläche um ca. 2 °C

5Z weniger erwärmt als über dem Kiefernbestand.

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Die Auswirkungen solcher Veränderungen der Vegetationsdecke in der Ober-rheinebene auf die weinrebenbestockte Vorbergzone des westlichen Schwarzwald-randes liegen auf der Hand. Da die Entwicklung der Kulturlandschaft in Mittel-europa mit der Rodung von ausgedehnten Waldflächen verbunden war, wurdenauch die Reflexionseigenschaften der Erdoberfläche für solare, kurzwellige Strah-lung gravierend verändert, was wiederum eine Klimaänderung zur Folge gehabthaben muß, über die allerdings bisher wenig bekannt ist.

LiteraturEllis, J. S., T. H. Vonder Haar, S. Levitus and A. H. Oort, 1978: The annual variation in the

global heat balance of the earth. Journ. Geophys. Res., 83, 1958-1962.Hoyt, D. V., 1976: The radiation and energy budgets of the earth using both ground-based

and satellite-derived values of total cloud cover. U. S. Department ofCommerce, NOAA Techn. Rep. ERL 362—ARL 4, 125 pp.

Jaeger, L., 1978:

Die klimatologische Meßstation/Hartheim des Meteorologischen Institutsder Universität Freiburg. Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 68, 47-73.

Kessler, A., L. Jaeger und R. Schott, 1979: Die Auswirkungen der Sonnenfinsternis vom 29. April 1976auf die Energieströme an der Erdoberfläche. Meteorol. Rdsdl., 32, 109-115.

Schott, R., 1978: Untersuchungen über die Energiehaushaltskomponenten in der atmosphä-rischen Grenzschicht am Beispiel eines Kiefernbestandes in der Oberrhein-ebene. Diss. Geowiss. Fakult. Freiburg, 138 pp.

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