Die österreichische Parlamentsbibliothek im Wandel der ...
Transcript of Die österreichische Parlamentsbibliothek im Wandel der ...
Nur was sich ändert, bleibt!
Die österreichische Parlamentsbibliothek
im Wandel der Zeit
1869 - 2002
Christian Pech Wien 2002
Impressum:
Medieninhaber (Verleger): Parlamentsdirektion, Dr. Karl Renner-Ring 3,
1017 Wien, www.parlament.gv.at
Lektorat/Redaktion Parlamentsbibliothek: Dr. Elisabeth Dietrich-Schulz
www.parlament.gv.at:3000 (Parlamentsbibliothek)
Lektorat/Redaktion Abt. Information und Publikation: Mag. Barbara Blümel
Hersteller: Parlamentsdirektion – Hausdruckerei,
Druckerei Edelbacher (Titelblatt)
Titelblattgestaltung: Mag. Bernhard Kollmann, www.kollmanndesign.at
ISBN 3-901991-05-0
3
Geleitwort Nicht immer muss ein runder Geburtstag Anlass für die Herausgabe einer Festschrift
sein. Schon länger hatte die jetzige Direktorin der Bibliothek, Dr. Elisabeth Dietrich-
Schulz, die Idee, sich eingehender mit der Geschichte der österreichischen Parlaments-
bibliothek zu befassen. Aus diesem Grund wurden viele Dokumente zusammengetragen.
Christian Pech, Student der Politikwissenschaft, war ursprünglich angetreten, diese
Sammlung im Zuge seines Praktikums zu sichten und zu ordnen. Diese Arbeit weckte
nicht nur seine Neugierde, sondern wurde zur Zeitreise vom 19. bis zum 21. Jahrhun-
dert. Am 11. Mai 2002 feierte die Parlamentsbibliothek ihren 133. Geburtstag – und erstmals liegt nun eine Gesamtdarstellung ihrer Geschichte von 1869 bis 2002 vor.
Die wechselvolle Geschichte der Bibliothek und ihrer Bibliothekare und Bibliothekarinnen
macht dieses Buch zu einer spannenden Lektüre. Nicht nur weil genau auf die bibliothe-
karische Entwicklung eingegangen wird, sondern auch weil polit ische und historische
Zusammenhänge vermittelt werden. Seien es die ausführlichen biographischen Skizzen
zu Siegfried Lipiner und Karl Renner oder die Kapitel „Personalhoheit und Amtseid“
sowie „Mediengesetz“. Besonders deutlich wird die stete Fortentwicklung der Bibliothek
hin zu einer Informationsplattform, die Wissen in vielfältiger Weise speichert und abruf-
bar macht.
Diese Darstellung ist ein wichtiger Baustein der Geschichte der österreichischen Parla-
mentsverwaltung. Ich hoffe, dass sie hilft, das Verständnis für die Aufgaben einer Parla-mentbibliothek zu vertiefen und wünsche der Publikation in diesem Sinn eine möglichst
weite Verbreitung.
Wien, im September 2002
Dr. Heinz Fischer
Präsident des Nationalrates
5
Inhalt
VORWORT 7
I. EINLEITUNG 9
II. VON DER BÜCHERSAMMLUNG DES STAATSRATES ZUR BIBLIOTHEK DER VOLKSVERTRETUNG 13
1. Die Bibliothek des Staatsrates unter Franz J. Koch (1869 - 1870) 13 2. Die Reichsratsbibliothek unter der Leitung von
Dr. Johann Vincenz Goehlert (1870 – 1876) 16 3. Der provisorische Leiter der Bibliothek
Johann Freiherr von Päumann (1876 – 1881) 20 4. Jahre der Kontinuität unter der Leitung von
Dr. Siegfried Lipiner (1881 – 1911) 23 5. Die Zeit um den Ersten Weltkrieg unter
Dr. Johann Ladislaus Merklas (1912 – 1924) 52 6. Die Zwischenkriegszeit unter Dr. Ernst Lemm (1925 – 1933) 58 7. Die Parlamentsbibliothek unter der Leitung von
Dr. Richard Fuchs (1933 - 1942) 59 8. Die Rettung der Bibliothek durch Dr. Hilda Rothe (1942 – 1945) 62 9. Der Wiederaufbau der Bibliothek unter der Leitung von
Dr. Gustav Blenk (1946 - 1957) 64 10. Die Bibliothekserweiterung unter Dr. Michael Stickler (1958 – 1974) 67 11. Geschichtsforschung unter Dr. Theodor Stöhr (1975 – 1991) 71 12. Der Einstieg in das Computerzeitalter unter der Leitung von
Dr. Elisabeth Dietrich-Schulz (seit 1992) 77
III. FOTOANHANG 85
IV. ZAHLEN, DATEN, FAKTEN 133
1. Buchbestand und Entlehnungen 133 2. Zeittafel der Direktoren 135 3. Publikationen der Leiter der Parlamentsbibliothek 136
V. GLOSSAR 142
VI. WEITERFÜHRENDES LITERATURVERZEICHNIS 144
7
Vorwort
Nicht nur architektonisch ist die österreichische Parlamentsbibliothek ein Juwel - sie be-
findet sich in dem nach Plänen von Theophil Hansen errichteten Parlaments-Prachtbau
an der Wiener Ringstraße - sondern auch und vor allem eine Schatzkammer an Büchern
und anderen Medien für alle an der parlamentarischen Arbeit Interessierten.
Das Forschen in der Parlamentsbibliothek für die vorliegende Studie stellte für mich ein
großes Vergnügen dar, nicht zuletzt aufgrund der freundlichen Aufnahme durch das ge-
samte Bibliotheksteam.
Besonderer Dank gebührt der Direktorin der Parlamentsbibliothek, Dr. Elisabeth Dietrich-
Schulz, ohne deren Idee und aufopferungsvollen Einsatz diese Arbeit undenkbar gewe-
sen wäre. Durch ihre permanente Hilfe wurden mir viele Türen geöffnet, die mir sonst verschlossen geblieben wären. Für Ihre große Unterstützung beim Erscheinen dieses
Buches danke ich auch Mag. Barbara Blümel, die zahlreiche Ideen eingebracht hat.
Bei allen, die meine Arbeit während der Entstehungsphase oft mehrmals gelesen und
mir so wichtige Anregungen und Hinweise gegeben haben, möchte ich mich herzlich
bedanken, namentlich bei DDDr. Hellmut Lösch, Dr. Karl Megner, Dr. Sieglinde Osiebe,
Christine Prayer, Dr. Anton Schulz, Markus Stöger, Dr. Theodor Stöhr, Friederike Ullrich.
Erich Klenk gebührt für die Unterstützung bei den Fotoaufnahmen ebenfalls Anerken-
nung.
Mein Dank gilt auch meinen Eltern, die mir meinen Aufenthalt in Wien erst ermöglicht
haben, und nicht zuletzt meinem Bruder Oliver und meiner Freundin Alexandra für
Motivation und Unterstützung.
Möhrendorf bei Nürnberg, im September 2002 Christian Pech
9
I. Einleitung „Wissen ist Macht“, schrieb Ende des sechzehnten Jahrhunderts der englische Philo-
soph und Politiker Francis Bacon. Er formulierte damit in einer kurzen Formel einen auch
heute noch beachtenswerten Gedanken. Gerade im modernen Parlamentarismus darf
sich die Legitimation der Herrschenden nicht mehr auf das Erbe einer hohen Geburt gründen1. In Zeiten der Informationsvielfalt kann man ebenfalls nicht davon ausgehen,
dass alle Parlamentarier2 für jeden Bereich Experten sind. Eine Schnittstelle zwischen
Wissen und Macht verkörpert in modernen Volksvertretungen daher die Parlamentsbib-
liothek, die den Parlamentariern eine umfassende Sammlung von Büchern und Periodika
aus verschiedenen Jahrhunderten bietet.
Eine Bibliothek im Haus der Volksvertretung stellt eine Abkehr von der Wissenschaft im
Elfenbeinturm dar. Dieses abstrakte Verständnis von Wissenschaft herrschte lange Zeit
vor. „Als Mathematiker im 12. Jahrhundert vorschlugen, ihre geometrischen Kenntnisse
beim Dombau in Siena einzubringen, wurde ihre Idee als völlig absurd abgelehnt.“3 Der
praktische Wert der Wissenschaft wurde erst später erkannt, wird aber heute umso in-
tensiver genutzt. Die Zugangsmöglichkeit zu Wissen hat sich gerade durch die neuen
Medien wie Internet, aber auch durch die traditionellen und immer noch unabdingbaren
Wissensquellen wie öffentliche Bibliotheken in den letzten Jahrhunderten entscheidend gewandelt. Wissen war lange Zeit nur einer bestimmten, elitären Clique vorbehalten:
„Noch im 15. Jahrhundert hatte der Mainzer Bischof Berthold von Henneberg
den Buchdruck nur in Griechisch und Latein zugelassen, damit Laien – gar
‚weiblichen Geschlechts’ – gelehrte Schriften nicht lesen und daraus törichte
Gedanken ableiten können.“4
Nun hat sich heute das Verständnis der Wissenschaft dahingehend verändert, dass sie
dem Nutzen der Menschheit gereichen soll, oder wie Bertolt Brecht seinen Galilei sagen
ließ: „Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühselig-
keit der menschlichen Existenz zu erleichtern“.5
Heute ist es die Aufgabe von Bibliotheken, das vorhandene Wissen, das einem immer
größer werdenden Wachstum unterliegt, den Menschen zugänglich zu machen, um da-
1 Die Labour Regierung Tony Blairs in Großbritannien schränkte im Jahre 1999 die erbliche Mitglied-
schaft (hereditary peerage) im britischen Oberhaus (House of Lords) des Parlaments ein. So exis-tiert weltweit lediglich noch ein Land, in dem die erbliche Mitgliedschaft das Hauptelement des Ober-hauses darstellt: Lesotho. Weiterführend: Russell, Meg: Reforming the House of Lords. Lessons from Overseas, Oxford, New York 2000, S. 30 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 60.776).
2 Im folgenden wird die männliche Form als für beide Geschlechter geltend ve rwendet. 3 http://www.archive.hoechst.com/txt_d/ls_forum/wissen/artikel_3.html vom 15.7.2001. 4 Ebd. 5 Brecht, Bertolt: Das Leben des Galilei, in: Ders.: Gesammelte Werke 3, S. 1340 (Signatur der Parla-
mentsbibliothek: 52.399).
10
durch dessen effiziente Nutzung zu ermöglichen. Im Gegensatz zu anderen Bibliotheken
kommen auf Parlamentsbibliotheken durch den speziellen Benutzerkreis besondere
Aufgaben zu.
„Politiker fragen nicht in erster Linie nach Schriften, die ihnen nach Verfasser
und Titel bekannt sind, sondern suchen Material zu bestimmten Themen, Ar-
gumente und Belege, die ihnen Aufschlüsse zur Lösung ihrer Probleme ge-
ben können.“6 Daher benötigt eine Parlamentsbibliothek ein zentrales
Katalogsystem, dessen „Grundgedanke ist, [...] alles Material zu einem
Thema an einer Stelle zusam menzuführen, gleichgültig, ob eine Information
als Buch, Zeitschriftenaufsatz, Mikrofilm, Landkarte oder Tonband angeboten
wird.“7
Selbstverständlich sollten dieser Aufzählung aus heutiger Sicht auch die CD-ROMs so-
wie Inhalte aus dem Internet hinzugefügt werden. Um die Parlamentarier, deren vornehmliche Aufgabe es ist, die Geschicke des Staates
durch Gesetzgebung8 zu lenken, mit dem nötigen Wissen zu versorgen, arbeiten Parla-
mentsbibliotheken und wissenschaftliche Dienste an der Bereitstellung des nötigen In-
formationsmaterials. Da sich gerade die Politik mit allen Teilen des täglichen Lebens be-
schäftigt, ist es in Parlamentsbibliotheken nötig, ein möglichst breites Spektrum an Bü-
chern und anderen Informationsquellen zu bieten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass
die größte Wissenssammlung der Welt eine Parlamentsbibliothek, nämlich die Library of
Congress9 in Washington, D.C., ist. Gegen ein solches Vorbild ist der Bestand der
österreichischen Parlamentsbibliothek bescheiden, doch gilt sie heute mit rund 300.000
Büchern als die größte österreichische Bibliothek für politische Literatur. Interessant ist,
dass die Privatbibliothek George Washingtons den Grundstock der Library of Congress10
6 Matthes, Heinz: Die Dokumentations- und Informationseinrichtungen der Wissenschaftlichen Dienste
des Deutschen Bundestages, in: Dietz, Wolfgang/Kirchner, Hildebert/Wernicke, Kurt Georg (Hrsg.): Bibliotheksarbeit für Parlamente und Behörden. Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Arbeits-gemeinschaft der Parlaments- und Behördenbibliotheken, München, New York, London, Paris 1980, S. 78 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 45.956).
7 Ebd. 8 Die Gesetzgebungsfunktion ist nur eine Aufgabe des Parlaments. Die weiteren Aufgaben sind die
Mitregierungsfunktion, die Kontrollfunktion sowie die Tribünenfunktion. Nach: Fischer, Heinz: Das Parlament, in: Dachs, Herbert/Gerlich, Peter et al. (Hrsg.): Handbuch des politischen Systems Ös-terreichs. Die Zweite Republik, 3. Auflage, Wien 1997, S. 224 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 51.367,3.A). Weiterführend, insbesondere zu den aktuellen Änderungen, die der EU-Beitritt Öster-reichs mit sich brachte beispielsweise: Schefbeck, Günther: Verhandlungs ökonomie - EU-Mitwir-kungsrecht – Ausschußöffentlichkeit. Zur Reform der Nationalratsgeschäftsordnung, in: Wiener Zeitung – Beilage Parlament, Nr. 31 (Oktober)/1996, S. 8-11 und Schefbeck, Günther: Parlament und EU. Eine Zwischenbilanz, in: Wiener Zeitung, 16.12.1998 (über Internetseite www.wienerzeitung.at abgerufen).
9 Sie besitzt heute mehr als 112 Millionen Bücher und Dokumente, die Regalbretter von 857 Kilome-tern Länge füllen. Nach: http://www.archive.hoechst.com/txt_d/ls_forum/wissen/artikel_3.html vom 15.7.2001. Zusätzlich erfüllt die Library of Congress die Aufgaben einer Nationalbibliothek. Der Be-stand der Österreichischen Nationalbibliothek wird derzeit mit mehr als 6 Millionen Objekten ange-geben.
10 Die Library of Congress wurde 1800 mit einem Anfangsbestand von 6.487 Büchern gegründet, in-dem der Congress die Privatsammlung Washingtons aufkaufte. Weiterführend: Dietrich-Schulz,
11
darstellt; die österreichische Parlamentsbibliothek durfte sozusagen als „Geburtsge-
schenk“ die ehemalige Bibliothek des Staatsrates übernehmen.
Im Folgenden wird auf die Entwicklung der österreichischen Parlamentsbibliothek, die
sich mit dem Motto „Nur was sich ändert, bleibt!“ beschreiben ließe, von den Anfängen
im Jahre 1869 bis 2002 eingegangen. In den entsprechenden Kapiteln werden die Per-
sönlichkeiten, die in der Bibliothek ihr Wirkungsgebiet fanden, dargestellt. So arbeiteten
der Schriftsteller Dr. Siegfried Lipiner als Leiter, sowie der spätere Bundespräsident Dr.
Karl Renner als Bibliotheksadjunkt (= wissenschaftliche Hilfskraft) in der Parlamentsbib-
liothek. Für den einen stellte die Parlamentsbibliothek den Anfang und das Ende seiner
beruflichen Laufbahn dar, während sie für den anderen erste wichtige Einblicke in den
parlamentarischen Ablauf bot.
Die Parlamentsbibliothek umfasst heute, neben den schon erwähnten 300.000 Büchern und insgesamt 519 laufenden Zeitungen und Zeitschriften, auch 300 Loseblattsammlun-
gen und zahlreiche Datenbankanschlüsse11. Insgesamt wurden im Jahre 2001 23.915
Werke ausgeliehen oder im Lesesaal benutzt12. Auch auf eine rege Nutzung des Inter-
net- und Intranetangebots13 der Bibliothek kann geschlossen werden: ein Webcounter14
zeigte 7.226 Zugriffe auf das Internetangebot im Jahr 2001 an, was etwa 20 virtuellen
Benutzern pro Tag entspricht.
Nicht nur die Benutzung der Bibliothek, sondern auch das Image und die Anforderungen
an den Bibliothekar haben sich im Laufe der Jahre gewandelt. Während Bibliothekare
von heute für Neuerungen aufgeschlossen sein müssen, um mit den neuesten Informati-
onstechnologien Schritt zu halten, damit die Attraktivität ihrer Bibliothek gewahrt bleibt,
herrschte zu Zeiten der k.u.k. Monarchie15 ein gänzlich anderes Bild dieser Berufsgruppe
vor:
„Bibliothekare (und Archivare) wurden sozial und bürokratieintern als bessere Magazineure, ‚eine Art Küster’, als Verwahrer dessen, was nach dem Skartie-
ren übrig blieb (‚alte Registratur’), als skurille [sic!], graue Mäuse angesehen,
Elisabeth: „The nation’s library“. Bericht über einen Studienaufenthalt an der Library of Congress, 20. – 23. Mai 1997, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare (Hrsg.), Nr. 50 (1997) 3/4, Wien 1997, S. 122 – 126 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-275).
11 Im Jahre 2000 waren es 112 Datenbankanschlüsse, darunter CD-ROMs, Internet etc. 12 Nur Mitarbeiter des Parlaments oder der parlamentarischen Klubs dürfen Ausleihen vornehmen, der
breiten Öffentlichkeit steht die Bibliotheksbenutzung im Lesesaal offen. 13 Das Intranetangebot der Bibliothek steht lediglich den Angehörigen des Parlaments zur Verfügung
und bietet seinen Nutzern weitere Informationsmöglichkeiten und Kataloge an. 14 Zählwerk, für Zugriffe auf Internetseiten. 15 Mit k.u.k. werden Behörden und Einrichtungen der österreichisch-ungarischen Monarchie nach dem
Ausgleich 1867 bezeichnet, die beiden Reichshälften gemeinsam waren. Diejenigen, die lediglich der cisleithanischen, das heißt österreichischen Reichshälfte zugeordnet waren, werden mit k.k. ab-gegrenzt.
12
die das Tageslicht scheuen und in alten Schartecken bzw. Akten lesen
(Spitzweg-Image).“16
Doch dieses Bild stellt lediglich ein Vorurteil dar, die Realität hingegen zeigt Anderes:
Philosophen und Politiker wie Siegfried Lipiner oder Karl Renner bewiesen durch ihr
Werk und ihr Handeln stets Weltoffenheit; Bibliothekare wie Hilda Rothe besonderen
Einfallsreichtum und Mut in den Jahren der Gefahr 1938 bis 1945.
16 Megner, Karl: Beamte. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte des k.k. Beamtentums, Wien
1985, S. 71 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-2.466/21).
13
II. Von der Büchersammlung des Staatsrates
zur Bibliothek der Volksvertretung
1. Die Bibliothek des Staatsrates unter Franz J. Koch (1869 - 1870)
Das von Kaiser Franz Joseph I. am 26. Februar 1861 erlassene „Februar- Patent“17 sah
in seinem „Grundgesetz über die Reichsvertretung“ die Gründung eines Parlaments vor,
das den Namen Reichsrat tragen sollte und aus zwei Kammern, Herrenhaus und Abge-
ordnetenhaus, bestand. Der Reichsrat existierte bis zum Ende der Monarchie 1918, trat
allerdings nie in seiner vollen Besetzung zusammen, da sich eine Koordination der
Abgeordneten über das große Staatsgebiet als zu schwer herausstellte. Beendeten die
Abgeordneten des einen Kronlandes den Boykott des Reichsrates, gehörten wieder
andere Kronländer bereits nicht mehr dem Reich an.18
In der ersten Session, die von 1861 bis 1865 andauerte, verfügte der Reichsrat über
keinerlei eigenständige Informationsmöglichkeiten. Erst während der zweiten Session
richtete der Präsident des Abgeordnetenhauses, Dr. Moritz von Kaiserfeld, ein Hand-
schreiben an den Ministerpräsidenten, Fürst Carl Wilhelm Auersperg, in dem er betonte, dass „der Abgang einer Bibliothek, welche den Mitgliedern des Reichsrathes zu jeder
Zeit zugänglich ist, [...] von denselben wiederholt tief gefühlt“19 worden ist. Zu diesem
Zwecke bat Kaiserfeld um Übergabe der Bibliothek des aufgelösten Staatsrates 20 an
den Reichsrat. Er stellte diese Bitte, da
„die Aufgabe, welche dem Staatsrathe durch das Statut vom 26. Feber 1861
R.G.B. [RGBl.] No 22 gestellt war, lässt mich annehmen, dass die Werke,
welche den Bestand der Bibliothek bilden, diese nunmehr zu einer Bibliothek
des Reichsrathes vollkommen geeignet machen“21.
Allerdings sollte die Bibliothek vorerst22 in den Räumen des ehemaligen Staatsrates
belassen werden, da in dem provisorischen Gebäude für das Abgeordnetenhaus, der
sogenannten „Bretterbude“ am Schottentor, nicht ausreichend Platz und Beamte für eine
17 Das Februar-Patent wiederum verstand sich als eine Ausführung des Oktober-Diploms. Beide
Dokumente befinden sich bis heute im Bestand der Parlamentsbibliothek (Signaturen der Parlamentsbibliothek: VI-216, VI-217).
18 Vgl. dazu allgemein: Parlamentsdirektion (Hrsg.): Das österreichische Parlament. The Austrian Parliament, Wien 2000, S. 24-25 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 51.714,NA).
19 Präsidium des Hauses der Abgeordneten, Nr. 3167-1868/A.H., IV. Session, 15. Juni 1868 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“).
20 Der Staatsrat wurde durch Gesetz vom 12. Juni 1868 durch Kaiser Franz Joseph aufgehoben. Die Veröffentlichung des Gesetzes erfolgte im Reichsgesetzblatt (RGBl.) Nr. 24 vom 16. Juni 1868.
21 Präsidium des Hauses der Abgeordneten, Nr. 3167-1868/A.H., a.a.O.
14
Bibliothek vorhanden waren. So blieb die Bibliothek in den Räumen Bankgasse 10, dem Ministerratspräsidium, und auch der Bibliothekar Franz J. Koch verrichtete seinen Dienst
dort bis zu seinem Tod im Jahr 1868 oder 1869. Als Mitbewerber um die Übernahme der
Bibliothek galt das Reichsgericht. So verwunderte es, dass „die Bibliothek des Staats-
rathes nicht an das nach der Auflösung des letzteren geschaffene Reichsgericht, son-
dern an den Reichsrath übergegangen“23 war. Seinen letzten Bericht zur Übergabe der
Bibliothek schrieb Koch im „letzten Viertel des Jahres 1868“24:
„‚Der ehrfurchtsvoll Gefertigte erlaubet sich einer hohen mündlichen Auffor-
derung Euer Excellenz gehorchend über den Stand der staats räthlichen Bib-
liothek einen umfassenden Bericht ergebenst zu erstatten und in demselben
erstens über den Ursprung und Vermehrung gegenwärtigen Zustand dersel-
ben dann über die Maßnahmen, welche zur Beseitigung der bisherigen Miss-
stände derselben zweckdienlich erscheinen dürften zu sprechen’. Diese Be-
stände, aus verschiedenen Quellen stammend, waren in acht Kästen25 aus hartem Holze und neun Kästen aus weichem Holze so untergebracht, ‚dass
sie kaum mehr ihren Inhalt zu fassen vermögen’.“26
Auch innerhalb dieser Schränke, die auf mehreren Stockwerken aufgestellt waren, und
die offenbar nur mühsam zu erreichen waren, herrschte nur ungefähre alphabetische
Ordnung27 und die Bände waren aus Platzmangel in mehreren Reihen hintereinander
aufgestellt. Als Ordnung diente ein Katalog, der sowohl eine Gliederung nach Autoren,
als auch eine Aufteilung nach Materien beinhaltete. Allerdings bot der Katalog keine
wirklich exakte Bestandsaufnahme, da selbst der Bibliothekar den genauen Bücherbe-
stand nicht wusste und von einer „muthmäßlichen Höhe von 6.000 Bänden“28 sprach.
Bereits in diesem Bestand gab es eine große Anzahl an Gesetzessammlungen sowie
wichtige Werke aus den gesam melten Bereichen. So war die Philosophie mit „Metaphy-
sische Anfangsgründe der Rechtslehre“ von Immanuel Kant vertreten29, im Bereich der Ökonomie lag u.a. das zweibändige Werk von Adam Smith „Über die Quellen des Volks-
22 Mit Fertigstellung des neuen Parlamentsgebäudes an der Ringstraße sollte die Bibliothek auch
räumlich mit dem Abgeordnetenhaus zusammengeführt werden. 23 Hugelmann, Karl: Die Centralisation der Amtsbibliotheken in Wien, in: Österreichische Zeitschrift für
Verwaltung, 20. Jg. Nr. 34, Wien 25.08.1887 + Nr. 35 1.09.1887, S. 140 (Signatur der Parlaments-bibliothek: I-142).
24 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, in: Mayrhöfer, Josef/Ritzer, Walter (Hrsg.): Festschrift Josef Stummvoll: Dem Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek zum 65. Geburtstag, 19. August 1967, dargebracht von seinen Freunden und Mitarbeitern, Wien 1970, S. 429 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 39.806).
25 Kasten ist das österreichische Wort für Schrank. Nach: Wintersberger, Astrid/Artmann, H.C.: Österreichisch – Deutsches Wörterbuch, Salzburg, Wien 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.734).
26 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 429. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Diese Ausgabe befindet sich heute nicht mehr im Bestand der Bibliothek, dafür wurde eine neue
Ausgabe dieses Werks angeschafft (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-6.856/360).
15
wohlstandes“30 vor, und auf dem Gebiet des Völkerrechtes war das von Grotius auf latei-nisch verfasste, fünfbändige Werk „De jure belli ac pacis cum commentariis cocceji“31 im
übergegangenen Bestand vorzufinden. Zusätzlich zu den staatswissenschaftlichen
Bereichen „waren Neben- und Hilfswissenschaften (Enzyklopädien, Lexika, Geschichte,
Topographien, Landkarten, Schematismen) vertreten“32. An Zeitungen waren immerhin
die Allgemeine Zeitung (Augsburg), die französische Zeitung „Revue des deux mondes“,
sowie die „Wiener Zeitung“ seit dem Jahr 1809 vertreten33. Nach Meinung des Bibliothe-
kars Koch waren „alle inländischen juristischen und staatswissenschaftlichen Zeitschrif-
ten vertreten, die aus ländischen Fachzeitschriften allerdings fehlten“34.
Das Budget der Bibliothek machte dem Bibliothekar allerdings Sorgen, da von den
500fl.35 pro Jahr bereits 150fl. auf Abonnements und 160fl. auf Buchbindearbeiten
entfielen. Für den Ankauf neuer Werke blieben dem Bibliothekar lediglich 190fl. übrig.
Ein mittleres Sachbuch kostete zu dieser Zeit etwa 1,5fl. Damit war dem Bibliothekar
jährlich die Anschaffung von durchschnittlich nur etwa 120 Büchern möglich. Die unwegsamen Räumlichkeiten, sicherlich aber die finanziellen Sorgen ließen Koch
zum Abschluss seines Berichtes Bemerkungen machen, dass ihm
„die fernere Führung der Bibliotheksagenden beschwerlich zu werden be-
ginnt. Die Ungemächlichkeiten eines vorgerückten kränkelnden Alters, das
Schwinden eines durch Undank und Kränkung gebeugten geistigen Lebens
[...] gemahnt ihn weit mehr an Ruhe und Erholung und zwinget ihn dieselbe
selbst mit empfindlichen Einbußen seines Einkommens zu suchen“36.
Das weitere Schicksal des Bibliotheksleiters Koch kann aufgrund der unvollständigen
Aktenlage nicht nachvollzogen werden, doch ist in einem Schreiben des Präsidenten
des Abgeordnetenhauses, Dr. Moritz Edler von Kaiserfeld, an den Ministerpräsidenten37
Taaffe vom 29. März 1870 erwähnt, „dass die Bibliothek wegen Sessionsschlusses und
30 Smith, Adam: Über die Quellen des Volkswohlstandes, Stuttgart 1861, (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 2.690). 31 Grotius, Hugo: De jure belli ac pacis cum commentariis cocceji, 5 Bände, Lausanne 1751 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 1.539). 32 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 429. 33 Noch heute befindet sich die Wiener Zeitung seit dem Jahre 1809 lückenlos im Bestand der Parla-
mentsbibliothek (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-99). 34 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 429. 35 Die Abkürzung fl. steht für Gulden. 1 Gulden entsprach zu jener Zeit 100 Kreuzern. Zum Vergleich:
Eine „Rundsemmel“ kostete rund 15 Kreuzer. Für die Miete einer mittleren Wohnung mussten etwa 360fl. aufgebracht werden. Nach: Pribram, Alfred Francis: Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich, Band 1, Wien 1938, S. 433 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 21.157) und: Sandgruber, Roman: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittel-alter bis zur Gegenwart, Wien 1995, S. 268 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 54.579/10).
36 Zit. nach: Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 430. 37 Graf Eduard von Taaffe folgte nach dem Rücktritt Carl Wilhelm (auch: Carlos) Auerspergs im
Herbst 1868 als Ministerpräsident nach, trat aber bereit im Januar 1870 wieder zurück. Allerdings wurde er bereits im April wieder Innenminister. Später, im August 1879, wurde Taaffe erneut Mi-nisterpräsident.
16
wegen des Todes des Bibliotheksverwalters Koch noch nicht übernommen werden konnte“38.
Das endgültige Geburtsdatum der Parlamentsbibliothek wird einhellig auf den 11. Mai
1869 angesetzt, dem Tag des kaiserlichen Handschreibens 39, mit dem die Bibliothek
des Staatsrates dem Reichsrate zur Benützung überlassen wurde. Eine Eigentums-
übertragung war laut Ministerpräsident Taaffe nicht möglich, da „der Mangel der eigenen
Kompetenz zur Gutfindung über das Eigentum bezüglich dieser Bibliothek“ 40 ihm diese
Entscheidung unmöglich machte.
2. Die Reichsratsbibliothek unter der Leitung von
Dr. Johann Vincenz Goehlert (1870 – 1876)
Zur Person Nach dem Tod des Staatsratsbibliothekars Koch übernahm schließlich Dr.
Johann Vincenz Goehlert die Leitung der Reichsratsbibliothek. Sein Jah-
resgehalt belief sich auf 1200fl. und zusätzlich 300fl. Quartiergeld. Die
Ausgaben eines alleinstehenden Beamten betrugen zu jener Zeit nach ei-
ner Modellrechnung etwa 980fl. pro Jahr41.
Dienst-
instruktion Der vormalige Beamte im k.k. Statistischen Büro und Konzipist im
Staatsministerium des Inneren kümmerte sich insbesondere um die Aus-
arbeitung einer Bibliotheks-Dienstinstruktion. Der Titel dieser Dienstin-
struktion lautete „Vorschrift für den Dienst in der Reichsrathsbibliothek“ .
Die Arbeit daran fand in den Jahren 1870 bis 1871 statt. Zur Erweiterung des Bibliotheksbestandes bat Goehlert, „dass ihm die
Überwachung des Austausches der Druckschriften übertragen“42 werde.
Zwar wurde der Bibliothek im Voranschlag für das Jahr 1870 ein Budget
von 1500fl. gewährt, doch war nach der neuen Dienstinstruktion der Bib-
liothekar keineswegs frei im Umgang mit diesem Budget:
„Zur Anschaffung von Büchern, Druckschriften und Kartenwer-
ken durch Ankauf oder durch Tausch bedarf der Bibliothekar
den schriftlichen Auftrag oder im Falle eines diesbezüglichen
Antrages des Bibliothekars die schriftliche Genehmigung des
38 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 430. 39 Die Festlegung des Geburtstages der Bibliothek nahm Stickler vor, spätere Autoren schlossen sich
dieser Datierung an. 40 K.k. Ministerpräsident, Nr. 914 M.P., IV. Session, 25. December 1868 (in: Archivschachtel 1k
„Bibliothek“). 41 Einen guten Überblick über die Kosten zu jener Zeit bietet: Megner, Karl: a.a.O., S. 94ff. 42 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 430.
17
Präsidiums eines der beiden Häuser des Reichsrathes, und es werden die Mitglieder dieser Häuser ersucht werden, diesfalls
ihre Wünsche in Betreff der Nachschaffungen dem bezügli-
chen Präsidium bekannt zu geben.
Dem Bibliothekar ist übrigens die Nachschaffung der Fortset-
zung bereits begonnener Sammelwerke, sowie der Ankauf
bibliothekarischer Hilfswerke, wie: Wörterbücher, Cataloge u.
dgl. – letzterer Hilfswerke jedoch nur innerhalb der Gränzen
[sic!] einer Jahressumme von 100fl. – ohne vorläufige
Genehmigung gestattet.“43
Ebenfalls sah die Dienstinstruktion vor, dass während der Amtsstunden
„auch die unmittelbare Benützung der Bücher durch Einsicht in dieselben
in dem Bibliothekslokale stattfinden“44 kann. Die unmittelbare Benützung
und Entlehnung von Werken waren „auch dem Reichsgerichte, den Mi-nisterien und öffentlichen Behörden und Staatsanstalten, sowie dem Nie-
derösterreichischen Landtage gestattet“45. Bemerkenswert ist, dass der
Zugang zur Bibliothek allen Gewalten gleich war, von einer Gewaltentei-
lung hinsichtlich der Verwaltungsapparate also nicht gesprochen werden
konnte, wäre es doch sonst naheliegend, getrennte Büchersammlungen
zu errichten. Die Exekutive hatte zwar mit der 1850 eröffneten Administra-
tiven Bibliothek eine eigene Organisationseinheit46, doch gerade das
Reichsgericht hatte zur Benutzung nur die Bibliothek des Reichsrates.
Katalog Der erste Katalog der Reichsratsbibliothek wurde im Jahr 1871 in Druck
gegeben. Seither wurden unter der Leitung Goehlerts jährlich exakt die
Neuerwerbungen in Supplementheften aufgenommen; damit konnte die
jährliche Bestandserhöhung47 ausgewiesen werden. Goehlerts Nachfolger brachte lediglich alle zwei Jahre einen neuen Supplementband48 heraus.
43 So §4 der „Vorschrift für den Dienst in der Reichsrathsbibliothek“, Nr. 568 A.H. Die gesamte Vor-
schrift ist auch veröffentlichet in: Lösch, Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Ver-gangenheit und Gegenwart, in: Hahn, Gerhard/Kirchner, Hildebert (Hrsg.): Parlament und Bibliothek. Internationale Festschrift für Wolfgang Dietz zum 65. Geburtstag, München, London, New York, Oxford, Paris 1986, S. 94 ff. (Signatur der Parlamentsbibliothek: 48.774).
44 §12 der „Vorschrift für den Dienst in der Reichsrathsbibliothek“, a.a.O. 45 §13 der „Vorschrift für den Dienst in der Reichsrathsbibliothek“, a.a.O. 46 Nach: Ternyak, Heidemarie: Die Administrative Bibliothek und österreichische Rechtsdokumen-
tation im Bundeskanzleramt. Ein Überblick über ihre Entwicklung und Aktivitäten seit 1849, Wien 1989, S. 9 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 53.869).
47 Im Jahre 1872 wurden 553 Bücher der Bibliothek einverleibt, darunter allerdings die etwa 400 Werke, die aus dem Nachlass des „Centralarchivs für Statistik und Gesetzgebung“ bestanden. Im Jahre 1873 wuchs der Bücherbestand um 511 Werke.
48 So existiert der Supplementband VI, als „Verzeichnis jener Werke, welche der Reichsraths - Biblio-thek im Jahre 1875 und 1876 einverleibt worden sind“, Katalog der Reichsraths – Bibliothek, VI. Supplement – Heft, Wien 1877 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 18.984/6). Ein solcher Supple-mentband erschien auch als Band VII für die Jahre 1877 bis 1878.
18
Der gedruckte Katalog war allerdings nur „sehr laienhaft angelegt“49. Signaturen waren im Katalog keine vorhanden, da zu diesem Zeitpunkt
den Büchern noch keine Signaturen zugeordnet waren. Der Katalog war
eine Mischung aus Autorenverzeichnis und Schlagwortkatalog. Die
Beschlagwortung der Bücher muss sich als sehr unbefriedigend bezeich-
nen lassen. Stickler bemerkte hiezu:
„Anonyme Werke und Sachtitel stehen meist unter einem ge-
eignet erscheinenden Stichwort. Zum Beispiel steht unter ‚Ös-
terreich’ ‚Die Unterrichtsfrage vor dem Reichs rathe etc. Wien
1862’, ‚Die Juden in Österreich. Leipzig 1842’, ‚Documenta
imperii Austriaci etc. Viennae, 1856’. Der Titel ‘Bischöfliche
Versammlung zu Wien im Jahre 1849. Wien 1850’ ist unter
‚Bischöfliche’ eingeordnet. Unter ‚Parlamentarisches’ sind die
stenographischen Berichte des Herrenhauses, des Abgeord-netenhauses, die stenographischen Berichte ausländischer
Parlamente oder Monographien über Parlamente aufgenom-
men. Es ist keine Seitenzahl oder Größe, wohl aber die Zahl
der Bände angegeben.“50
Weiters wurde unter Goehlert 1872 ein gedruckter, nach Schlagworten
sortierter Realkatalog herausgegeben, welcher, in einem Band verfasst,
Leerseiten umfasste, sodass weitere Ergänzungen jederzeit möglich wa-
ren, die bis Ende 1874 auch durchgeführt wurden. Der Katalog spiegelte
auch einen Standortkatalog wider, „da die Werke und Bände nach
Schlagworten alphabetisch in Kästen gereiht waren“51.
Die von Goehlert angestrebte Ordnung der Bibliothek ist ihm allerdings
nicht gelungen, da sein Nachfolger Johann Freiherr von Päumann in ei-nem Übernahmebericht 1876 bemängelte, „daß der vorhandene unbib-
liothekarisch eingelegte Zettelkatalog mit der Aufstellung des Bücherbe-
standes nicht nur nicht übereinstimme, sondern auch unvollständig sei"52.
Außerdem bemerkte er, dass er „keine Kontrolle der Entlehnungen auf-
zuweisen vermag"53. Die genauen Vorschriften54 seiner eigens
49 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 430. 50 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 431. 51 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 432. 52 Päumann, Johann Freiherr von, Protokoll aufgenommen über die zum 31. Oktober erfolgte Über-
gabe, resp. Übernahme der Bibliothek des Reichsrates, Wien 4. November 1876 (in: Archiv-schachtel 1k „Bibliothek“).
53 Ebd. 54 U.a. §5 der „Vorschrift für den Dienst in der Reichsrathsbibliothek“: „Der Bibliothekar hat die von
den Präsidien der beiden Häuser des Reichsrathes, sowie auch die von einzelnen Reichs-rathsmitgliedern verlangten Bücher gegen Empfangsbestätigung jederzeit ohne Anstand auszufol-gen“.
19
ausgearbeiteten Dienstinstruktion hat Goehlert demnach selbst nicht ge-nau befolgt.
Bestände Der Bestand der Bibliothek wird im Jahr 1870 auf etwa 8.000 bis 10.000
Bücher55 beziffert. Durch den begonnenen Gesetzestausch mit anderen
Ländern war es den Parlamentariern nun möglich, sich über Gesetzge-
bungsprozesse im Ausland zu informieren, um von dort Beispiele und
Rückschlüsse auf die heimische Politik zu ziehen. Die ausländischen Ge-
setzessammlungen wurden zu diesem Zwecke mit einem deutschen
Sachregister versehen.
Seinem Interesse an Statistik entsprechend56 hat Goehlert sich um die
Buchbestände des aufgelösten „Zentralarchivs für Gesetzgebung und
Statistik“ der Professoren Lorenz von Stein und Hugo Brachelli bemüht, so
dass der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ritter von Hopfen, in der
Sitzung vom 14. Mai 1872 mitteilen konnte: „Die Herren Gründer des Centralarchives für Gesetzgebung
und Statistik, die k.k. Professoren Dr. Lorenz Ritter v. Stein
und Dr. Hugo Brachelli, haben nach Mittheilung des Reichs-
raths-Bibliothekars bei Auflösung dieses Ar chives ihre wert-
volle Büchersammlung, bestehend aus 400 Bänden, der Bib-
liothek des Reichsrathes unentgeltlich überlassen. Ich werde
den genannten Herren für ihr uneigennütziges Geschenk den
Dank aussprechen und bin überzeugt, dass das hohe Haus
damit einverstanden ist.“57
Zum
Schluss In einem Schreiben vom 20. Dezember 1875 teilte Goehlert dem Präsi-dium des Abgeordnetenhauses mit,
„dass ich infolge meines andauernden Augenleidens genötigt
bin, von dem mir so lieb gewordenen Posten eines Bibliothe-
kars des Reichsrathes zu scheiden und gleichzeitig um die
Versetzung in den bleibenden Ruhestand“58
anzusuchen. Dem Ansuchen um Pensionierung wurde von Seiten des In-
nenministeriums schnell nachgekommen; sie erfolgte schließlich im Jahr
1876. Mit ihr ging eine Beförderung einher, so dass er mit „Titel und Cha-
rakter eines Regierungsrates“ entlassen wurde. Nach seiner Pensionie-
55 Nach: Lösch, Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart,
a.a.O., S. 97. 56 Beispielsweise ist im Supplementheft zum Jahr 1872 der Zuwachs der statistischen Werke mit 42
Büchern der größte Posten. 57 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-
schen Reichsrathes, IX. Session, 98. Sitzung, Wien 1881, S. 3409. 58 Nr. 4080 Abg.H. per 21. Dezember 1875 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“).
20
rung ging Goehlert weiterhin seinen statistischen Interessen nach, indem er statistische Überlegungen zur Dynastie der Kapetinger59 und zur Bibel60
veröffentlichte61.
3. Der provisorische Leiter der Bibliothek
Johann Freiherr von Päumann (1876 – 1881)
Zur Person Da nach der Pensionierung Goehlerts kein geeigneter Leiter der Bibliothek
zu finden war, entschied man sich, den Sektionsrat Johann Freiherr von
Päumann aus dem Ruhestand zurückzuberufen, um ihn provisorisch mit
der Leitung der Bibliothek zu beauftragen. Hiezu wurde ihm zusätzlich zu
seiner Pension eine Zulage von 800fl. gewährt.
Räumlich-
keiten Die Räumlichkeiten der Bibliothek waren 1874 aus dem Ministerratspräsi-
dium, Bankgasse 10, in ein anderes Gebäude verlegt worden. Der Präsi-
dent des Abgeordnetenhauses, Dr. Rechbauer, teilte hiezu in der Sitzung
am 24. Oktober 1874 mit:
„Ich ersuche ferner zur Kenntniß zu nehmen, dass die Reichs-rathsbibliothek sich derzeit auf dem Schillerplatz im ehemaligen
Hotel ‚Britannia’ befindet und als Amtsstunden die Stunden
festgesetzt sind: An Wochentagen von 9 bis 2 Uhr, an Sonn-
und Feiertagen von 10 bis 12 Uhr Vormittags.“62
Katalog Wie bereits erwähnt, war Päumann mit den Leistungen und der Ordnung
Goehlerts keineswegs zufrieden. Er erstellte zu Beginn seines Amtsan-
tritts ein Verzeichnis, in dem 72 Bücher, die „bei der Anvision der Reichs-
rathsbibliothek nicht vorgefunden wurden“63, aufgeführt waren. Er betonte
in seinem Übernahmeprotokoll ebenfalls, er wolle nur die Verantwortung
für diejenigen Bücher übernehmen, die zum Zeitpunkt der Anvision vorzu-
finden waren.
59 Goehlert, Vinc.: La dynastie Capetienne, in: Ann. du [sic!] Demogr. Internat., Paris 1876, S. 145 –
155 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 62.629). 60 Goehlert, Vinc.: Considerazioni statistiche sui dati biblici, Trieste 1887 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 62.630). 61 Das Werk über die Kapetinger ist auf Französisch erschienen. Da es keine Angaben über einen
Übersetzer gibt, scheint Goehlert des Französischen mächtig gewesen zu sein. Bei dem italieni-schen Werk handelt es sich um eine Übersetzung.
62 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-schen Reichsrathes, VIII. Session, Bd.3, Wien 1874, S. 2422.
63 Päumann, Johann Freiherr von, Verzeichniß, Nr. ii, 899, Wien 1. März 1877 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“) (Unterstreichung im Original).
21
Die Supplementhefte64, die unter der Leitung Päumanns herausgegeben wurden, entbehrten der allgemeinen Stichworte und beschränkten sich
vornehmlich auf eine Gliederung nach Autoren. „So war Päumann der
erste, der den Büchern Signaturen gab, einen Standortkatalog anlegte
und die weitgehende Systematik der Aufstellung aufließ.“65 Durch die
neue Vergabe der Signaturen, die bis heute fortgeführt werden, läuft die
Durchnummerierung in dieser Zeit nicht nach Eintreffen der Bücher, son-
dern nach der damaligen Aufstellung, also in grober thematischer Ord-
nung. Die Bücher waren in „16 Gruppen folgender Stoffgebiete, alphabe-
tisch geordnet, untergebracht: Advokaten, Armenpflege, Baurecht bis
Gemeinwesen.“66 Seit 1877 erfolgt die Aufstellung der Werke nach dem
Zeitpunkt der Aufnahme in die Bibliothek. Die Aufnahme der Signaturen
nahm einige Zeit in Anspruch. So schreibt Päumann in seinem Rechen-
schaftsbericht im März 1877, der „Gefertigte hofft, in einigen Monaten da-mit zum Abschluß zu kommen“67.
Zusätzlich sammelte er Broschüren, „die bis jetzt ihren Platz mitten unter
den Büchern hatten“68, in Pappschachteln.
In seinen Beilagen zum Rechenschaftsbericht 1877 legte er Muster für
einen Zettelkatalog bei, der in alphabetischer Reihenfolge gegliedert sein
sollte. Wahrscheinlich wurden die Zettel jenes Kataloges später durch
eine Neuordnung nach systematischen Kriterien für den von Karl Renner
ausgearbeiteten Katalog wieder verwendet. Allerdings wurden gleichzei-
tig, wie aus dem genannten Rechenschaftsbericht zu erkennen war, vier
verschiedene Kataloge geführt:
1. Alphabetischer Nominalkatalog auf Zetteln
2. Gedruckter alphabetischer Realkatalog in Buchform 3. Gedruckter Realkatalog in Buchform
4. Zusatzregister für alle Arten von Erwerbungen
Personal Aufgrund dieses Verwaltungsaufwandes ist es nicht weiter verwunderlich,
dass im Jahr 1880 der Präsident des Abgeordnetenhauses, Graf
Coronini, verkündete:
„Von Seite des Vorstandes der Reichsrathsbibliothek ist ein
Bericht an das Präsidium des hohen Hauses gelangt, in wel-
chem der Antrag auf Creirung der Stelle eines Amanuensis69
gestellt wird. Es ist dies eine innere Angelegenheit des hohen
64 Laut Supplementheft VI beläuft sich der Zuwachs in den Jahren 1875 – 1876 auf 164 Bücher. 65 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 433. 66 Ebd. 67 Päumann, Johann Freiherr von, Rechenschaftsbericht, Nr. 6228 A.H., VIII Session, 8. März 1877
(in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 68 Ebd. 69 Ein Amanuensis war eine Hilfskraft im Beamtenstatus.
22
Hauses; ich glaube daher, dass dieselbe jedenfalls an den Budgetausschuss zu leiten ist, der darüber eventuell zu
berathen und Bericht zu erstatten hat. Wenn kein Widerspruch
erhoben wird, nehme ich an, dass das hohe Haus mit diesem
Vorgange einverstanden ist.“70
Doch sollte es noch einige Zeit dauern, bis ein weiterer Beamter in der
Reichsrathsbibliothek seinen Dienst tun durfte. Erst mit der Überstellung
des späteren Leiters der Bibliothek, Merklas, von einer Bibliothekshilfskraft
zum Amanuensis im Jahr 1895 wurde dieser Bitte nachgekommen. Doch
gab es bereits Bibliotheksdiener, die dem Bibliothekar zur Seite gestellt
waren71.
Zum Schluss Wegen Krankheit beantragte Päumann 1881 Urlaub und wurde später
deshalb von der Leitung der Bibliothek mit einem Ruhegehalt von insge-
samt 2400fl. enthoben. In einer Übergangsphase versah „Kanzleirat Kupka recht und schlecht die Obliegenheiten des Bibliothekars“72.
Unter dem Pseudonym Hans Max veröffentlichte Johann Freiherr von
Päumann von etwa 1860 bis 1890 zahlreiche Lustspiele, Schwänke und
komische Operetten. Auffällig ist, dass nicht nur die Liebe für die Literatur,
sondern offenbar auch ein Interesse für polnische Literaten Päumann mit
seinem Nachfolger verband. Päumann gab ein Lustspiel Józef
Korzeniowskis 73 in deutscher Übersetzung heraus, sein Nachfolger in der
Bibliotheksleitung, Siegfried Lipiner, übersetzte mehrere Werke von Adam
Mickiewicz74 ins Deutsche.
Bilanz Der Vergleich der beiden Leiter der Bibliothek der ersten elf Jahre ergibt,
dass sich Goehlert stark für die Erweiterung des Buchbestandes ein-
setzte, insbesondere auf dem Gebiet der Statistik, darüber allerdings die eigentliche Verwaltung der Bibliothek übersah. Sein Nachfolger Päumann
erwarb sich weniger Verdienste auf dem Gebiet der Akquisition75 neuer
Bücher oder der Übernahme alter Buchbestände, dafür ordnete und ver-
waltete er den Buchbestand neu und effizienter.
70 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-
schen Reichsrathes, IX. Session, 98. Sitzung, Wien 1881, S. 3409. 71 Im erwähnten Rechenschaftsbericht von 1877 spricht Päumann von dem Bibliotheksdiener Josef
Pöck, der „am 19. Oktober 1876 seinen Dienst antrat“. 72 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 434. 73 Päumann, Johann Freiherr von (Max, Hans pseud.): Zuvor die Mama! Lustspiel in 1 Aufzug. Frei
nach dem Polnischen des Józef Korzeniowski, Wien 1861. 74 Lipiner, Siegfried: Poetische Werke von Adam Mickiewicz, Leipzig 1882. 75 Zwar wies Päumann jährliche Zuwächse aus, doch wird allgemein von einem Buchbestand 1875
von etwa 13.000 gesprochen (so: Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 433), zum Ende der Amtszeit Päumanns scheint der Buchbestand laut Nachfolger Lipiner 12.645 gewesen zu sein. (Lipiner, Siegfried, Rechenschaftsbericht 1883, Nr. 1 1883, IX. Session: Gesamtbestand: 13.861, Zuwachs: 1.216)
23
4. Jahre der Kontinuität unter der Leitung von
Dr. Siegfried Lipiner (1881 – 1911)
Der bisher am längsten aktive Leiter der Bibliothek war der am 1. Oktober
1881 eingestellte Schriftsteller und Philosoph, Siegfried Lipiner.
Biographische
Skizze Der Dichter und Philosoph, Siegfried Lipiner, dem die Bibliothek des
Reichsrates große Fortschritte und eine Fülle an Ideen verdankt, wurde
am 24. Oktober 1856 als Sohn jüdischer Eltern in Jaroslau, Galizien, ge-
boren. Später, im Jahr 1862, zog die Familie ins west-galizische Tarnow
um, „das eine größere jüdische Gemeinde hatte als Jaroslau“76. Wenige
Jahre später, im Jahr 1871, besuchte Siegfried Lipiner bereits das Leo-
poldstädter Gymnasium in Wien. Ob er mit seiner Familie oder allein nach
Wien kam, ist nicht eindeutig geklärt77. Als sicher gilt, dass Lipiner keine
herausragenden Beziehungen zu seinen Eltern gehabt zu haben scheint,
denn weder durch ihn, noch durch seine Freunde wurde viel darüber be-
richtet. Da er in armen Verhältnissen aufgewachsen ist, musste er seinen Lebensunterhalt noch während seiner Gymnasialzeit „durch Stundenge-
ben“78 verdienen.
Bereits während seiner Schulzeit ist Lipiner als „ein sehr frühreifer und
begabter Schüler“79 aufgefallen. So schuf er in seinen letzten Jahren am
Gymnasium bereits seine ersten Dichtungen, „das Epos ‚Echo’, die histo-
rische Tragödie ‚Arnold von Brescia’ und Teile der epischen Dichtung ‚Der
entfesselte Prometheus’“80.
In seinem 19. Lebensjahr erhielt Lipiner sein Reifezeugnis mit Auszeich-
nung, obwohl er seine Prüfungen aufgrund einer Eingabe durch den Leh-
rer ein Jahr früher als gewöhnlich ablegen durfte81, und begann sogleich
das Studium an der Universität Wien. Insbesondere erstreckten sich seine
Studien „auf das philosophische, das literar-historische und naturwissen-
76 Kann, Robert: Siegfried Lipiner (1856 – 1911) als Vertreter einer Polnisch-Deutschösterreichischen
Kulturellen Synthese, aus: Zeszty naukowe uniwersytetu jagiellonskiego. 582, Warschau 1980, S. 101 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 46.213).
77 Robert Kann schreibt, dass die Familie in Wien zu finden ist, während Hartmut von Hartungen keine genauen Anhaltspunkte dafür finden kann.
78 Hartungen, Hartmut von: Der Dichter Siegfried Lipiner (1856 – 1911). Dissertation, München 1932, S. 1 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 56.477).
79 Ebd. 80 Ebd. 81 Nach: Bach, J.: Siegfried Lipiner, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 10 vom 12.1.1912 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 63.491).
24
schaftliche Gebiet.“82 Im zweiten Studienjahr studierte er zusätzlich Philosophie an der Universität Leipzig und verbrachte auch kurze Zeit an
der Universität Straßburg.
Neben dem Studium bewegte er sich in einem Kreis, dem illustre Persön-
lichkeiten angehörten, unter denen er seine Freunde wie Gustav Mahler,
Engelbert Pernerstorfer und Victor Adler83 fand. In diesen Kreisen wurden
vor allem Werke von Nietzsche und Paul de Lagarde gelesen. Als Be-
wunderer Nietzsches trat Lipiner bald mit ihm in Briefkontakt84. Anfänglich
war Nietzsche von dem jungen Lipiner und vor allem von seinen Werken
begeistert, doch bald wird Lipiner Nietzsche in seinen „Briefen allzu zu-
dringlich“85 und verliert dadurch den Kontakt zu Nietzsche wieder. In ei-
nem Brief schrieb Nietzsche über ihn:
„Von Lipiner ein Brief, lang, bedeutend für ihn sprechend, aber
von unglaublicher Impertinenz gegen mich. Den ‚Verehrer’ und seinen Kreis bin ich nun los, - ich athme dabei auf. Mir liegt
sein Werden sehr am Herzen, ich verwechsle ihn nicht mit sei-
nen jüdischen Eigenschaften, für die er nicht kann“86.
Robert A. Kann sieht in Lipiners Wesen allerdings weniger eine Zudring-
lichkeit, denn mit dieser ließe sich nicht bereits in so jungen Jahren ein
Kreis junger Männer um sich sammeln, er führt es eher auf eine „Unfähig-
keit oder Unwilligkeit“87 Lipiners zurück, „auf die Empfindlichkeit großer
Männer einzugehen“.
Denn nicht nur mit Nietzsche, sondern auch mit Richard Wagner hatte
Lipiner Kontakt. Noch während seiner Studienzeit wurde Lipiner von
Richard Wagner nach Bayreuth eingeladen, wo er der Uraufführung des
Parsifal beiwohnen durfte und in der Villa Wagners „längere Zeit als gerne festgehaltener Gast verweilte“88. Allerdings entstand zwischen Wagner
und Lipiner keine intensive Beziehung, nicht zuletzt wegen ihrer konträren
Einstellung gegenüber der Philosophie Schopenhauers.
Eine dauerhafte Freundschaft verband Siegfried Lipiner mit Gustav
Mahler. Dieser bezeichnet Lipiner als den
82 Hartungen, Hartmut von: A.a.O., S. 2. 83 Ausführliche Schilderungen deren Treffen in: Meysels, Lucian O.: Victor Adler, Wien 1997, S. 30ff. 84 Auf den Briefkontakt Lipiners mit Nietzsche wird ausführlich eingegangen in: McGrath, William J.:
Mahler und der Wiener „Nietzsche-Verein“, in: Golomb, Jacob (Hrsg.): Nietzsche und die jüdische Kultur, Wien 1998, S. 210 – 224 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 58.832).
85 Die Presse: Im Schatten des Übermenschen. Nietzsches Briefwechsel mit einem Wiener, Wien 20. August 1950.
86 Nietzsche, Friedrich: zit. nach: Hartungen, Hartmut von, a.a.O., S. 13. 87 Kann, Robert A.: A.a.O., S. 102. 88 Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, in: Zeitschrift des Österreichischen Vereins für Bibliothekswesen, Jg. 3 (ganze Reihe: Jg. 16), Heft 2, Juni 1912, S. 122 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-275).
25
„teuerste[n] Freund fürs Leben, bei dem er ‚Rat in allen mögli-chen Phasen des Daseins’ und ‚Beruhigung all’ seiner Zweifel
sucht und findet’“89.
Lipiner stellte in Mahlers geistigem Leben eine Schlüsselfigur dar. „Nicht
nur die Weltanschauung Mahlers ist von Lipiner entscheidend mitgeprägt
worden, sondern auch das Schaffen Mahlers steht teilweise unter Lipiners
starkem Einfluss. Das gilt insbesondere für die Zweite, die Dritte und die
Zehnte Symphonie.“90 Mahlers Zweite Symphonie war beispielsweise
angeregt durch Lipiners Übersetzung der Verse „Todtenfeier“ des polni-
schen Dichters Adam Mickiewicz.91 Zum 50. Geburtstag Mahlers widmete
Lipiner ihm eines seiner eigenen Gedichte.92 Allerdings wurde die Freund-
schaft zwischen Mahler und Lipiner getrübt, als Mahler seine spätere Gat-
tin Alma kennen lernte, da Lipiner und Mahlers Gattin eine „Feindschaft“93
hegten. Alma Mahler, geborene Schindler, bezeichnete Lipiner als „Böse-wicht“ und ausgesprochenen Feind. Dies gipfelte darin, dass in den acht
Jahren nach Mahlers Vermählung der Name Lipiners weder in Mahlers
Briefen noch in Almas Tagebüchern aufschien.94 Lipiner schien von sei-
nen Freunden Unterwerfung95 verlangt zu haben, was mit der ebenfalls
starken Persönlichkeit von Mahlers Gattin nicht zu vereinbaren war. Laut
Ingemar Söderberg, dem Enkel Lipiners, entstand der Streit zwischen
Alma Mahler und Siegfried Lipiner auch aufgrund verschiedener Ansich-
ten über den Maler Guido Reni, der von Lipiner verehrt, von Alma Mahler
jedoch abgelehnt wurde.
Das Jahr 1881, in welchem Lipiner in den Dienst der Reichsratsbibliothek
trat, stellte auch in seinem geistigen Schaffen einen Wendepunkt dar. „Die
christlich-religiöse Idee als Grundproblem seiner Weltanschauung tritt von nun an immer klarer hervor.“96 Als Zeichen hiefür vollendete er 1898 das
Werk „Adam“97, das als Vorspiel einer geplanten Christus-Trilogie ange-
legt war. Das Christus-Werk warf er allerdings „ins Feuer“, weil er „ein
stark kritischer Geist“ war, der „seine Leistungen zerfaserte“, was nach
Hainisch „das Unglück seines Lebens“ war98. Lipiner selbst sah diese
89 Hartungen, Hartmut von: A.a.O., S. 3. 90 Floros, Constantin: Gustav Mahler. I. Die geistige Welt Gustav Mahlers in systematischer Darstel-
lung, Wiesbaden 1977, S. 72. 91 Nach: Floros, Constantin: A.a.O., S. 82. 92 Laut Ingemar Söderberg, dem Enkel Siegfried Lipiners. 93 Nach: Floros, Constantin: A.a.O., S. 80. 94 Nach: Ebd. 95 Nach: Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O., S. 124. 96 Floros, Constantin: A.a.O., S. 75. 97 Lipiner, Siegfried: Adam. Ein Vorspiel, Stuttgart 1913 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 35.870). 98 Nach: Hainisch, Michael: 75 Jahre aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichischen
Staatsmannes, Wien 1978, S. 130 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-1.501/64).
26
Eigenschaft allerdings nicht, denn sein Freund, der Abgeordnete Engelbert Pernerstorfer schilderte:
„Er konnte es mir nie vergessen, dass ich ihm einmal sagte, er
sei durchaus ein kritischer Kopf. Nach Jahren, nachdem ich
diesen Ausspruch getan, kam er immer wieder auf ihn zurück
um mir zu beweisen, dass ich Unrecht habe.“99
1891 trat Lipiner zum Protestantismus100 über und kam so seiner neuen
Überzeugung und seinem geistigen Wandel hin zum christlich-zentrierten
Weltbild nach. Pernerstorfer stellte fest, dass Lipiner „ein überzeugter
Christ“101 war, allerdings nicht im kirchlichen Sinne.
„In den Dingen der Kunst, der Philosophie und der christlichen
Theologie war er ein bewundernswerter Gelehrter. Aber nicht
bloß ein solcher, der um die Dinge wusste. Er erhob sich über
sie durch selbstständiges Denken. Wer ihn oft stundenlang über einen solchen Gegenstand hat reden hören, der konnte
nicht leicht entscheiden, was größer an ihm sei: Die Summe
des fruchtbaren Wissens oder die Fülle eigener Gedanken.“102
Lipiner starb am 30. Dezember 1911 nach einem langen Leiden an Zun-
genkrebs 103. In einem Nachruf stand über den, der einst großen literari-
schen Ruhm genoss:
„Ein Unbekannter starb. Der Regierungsrat und Bibliotheksdi-
rektor war nicht jener Siegfried Lipiner, der vor einigen dreißig
Jahren am Geisteshimmel erschien und leuchtend seine Bahn
zog. Erst als dieser Feuergeist in das Dunkel eines Amtes ver-
schwand, ward er der, von dem eine karge Todesanzeige
sprach. Doch nicht ganz der, und ganz vermochte er dieser nicht zu sein. Wär’ er es ganz gewesen, man hätte ihn feier-
licher bestattet.“104
Allerdings wurde 50 Jahre nach dem Tod des Reichsratsbibliothekars und
Schriftstellers eine Straße im 23. Wiener Gemeindebezirk nach ihm be-
nannt105.
99 Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O, S. 124. 100 Lipiner weigerte sich, den katholischen Glauben als Christentum anzuerkennen. Nach: Pernerstor-
fer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O, S. 124. 101 Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O, S. 124. 102 Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O, S. 123. 103 Nach Auskunft Ingemar Söderbergs. 104 Bach, J.: A.a.O. 105 Autengruber, Peter: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung. Herkunft. Frühere
Bezeichnungen, Wien 2001, S. 147 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.306,4.A).
27
Der Bibliotheks-
leiter Auf Empfehlung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses, der zugleich
Führer des Polenklubs106 war, Dr. Franciszek Smolka, bekam der 24
Jahre junge, aus Galizien stammende Lipiner die Chance, als Leiter der
Parlamentsbibliothek in die österreichische Beamtenlaufbahn einzutreten.
Dies war nicht nur wegen seines jugendlichen Alters erstaunlich, auch als
Sohn jüdischer Eltern war es oft schwierig, im katholischen Kaiserstaat
Fuß zu fassen. Hinzu kommt, dass er erst kurz zuvor sein Studium „auf-
grund einer sehr beachtlichen Dissertation über ‚Homunculus, eine Studie
über Faust und die Philosophie Goethes’ abgeschlossen“107 hatte.
Trotz dieser schwierigen Umstände schaffte es Lipiner „mit voller Zustim-
mung des Präsidenten des Herrenhauses, Graf Ferdinand
Trautmannsdorff-Weinsberg, zum Direktor der Bibliothek ernannt“108 zu werden. Hiezu heißt es in einem Brief von Smolka an den Ministerpräsi-
denten Taaffe:
„Der Herr Ministerpräsident [...] hat an mich das Ersuchen ge-
richtet [...] eine für diese Stelle [...] geeignete Persönlichkeit
namhaft zu machen.
Als solche glaube ich nun den Schriftsteller Siegfried Lipiner in
Wien benennen zu sollen, da derselbe alle Eigenschaften be-
sitzt, die ihn für diesen Posten vollkommen befähigen. Lipiner
ist nicht nur ein vorzüglicher wissenschaftlich gebildeter und
geistvoller, sondern auch mit der Literatur aller Kulturepochen
vertrauter Mann, der sich in seinem Privatleben des besten
Leumunds erfreut.“109 Wichtig ist, dass Lipiners
„Ernennung, die auf Betreiben eines freiheitlich gesinnten
Staatsmannes in einer nicht mehr liberalen Ära der österreichi-
schen Innenpolitik erfolgte, in keiner Weise auf von ihm ange-
botene oder verlangte Zugeständnisse zurückzuführen
ist“110.111
106 Der 1867 gegründete Polenklub war der Zusammenschluss der polnischen Mitglieder im
Abgeordnetenhaus des Reichrates. Weiterführend: Kucharski, Wladyslav S.: Polacy w austriackim parlamenicie. W 130. rocznice kola polskiego/Die Polen im österreichischen Parlament. Zum 130. Jahrestag des Polenklubs, Lublin, Wien 1997 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.903), sowie: Meldung der Parlamentskorrespondenz vom 27.05.2002 (Nr. 552) (www.parlament.gv.at).
107 Kann, Robert A.: A.a.O., S. 103. 108 Ebd. 109 Zit. Nach: Ebd. 110 Ebd. 111 Als Beweis führt Kann an, dass Lipiner erst nach zehn Jahren zum Protestantismus, nicht zum
Katholizismus übergetreten ist.
28
Für Lipiner war der Posten des Bibliotheksleiters insbesondere wichtig, da er sich in einer finanziellen Krisensituation befand und daher unbedingt
zum Broterwerb gezwungen war. Die Stelle des Bibliothekars bot ihm so-
wohl das benötigte Einkommen, als auch, so war es zumindest in seinem
Freundeskreis geplant, die Möglichkeit, dem Schöngeistigen nachzuge-
hen, „doch nimmt Lipiner selbst sein Amt sehr gewissenhaft und widmet
sich ihm ganz“112.
„So dankt es in weitem Umfange ihm die Wiener Reichsrats-
bibliothek, der er 30 Jahre vorstand, dass sie von Sachver-
ständigen als eine der best eingerichteten der Welt bezeichnet
wurde.“113
In dem Nekrolog zu Lipiner schreibt sein Freund, Mandatar des Abgeord-
netenhauses und Bücherliebhaber114, Engelbert Pernerstorfer:
„Er fühlte das Bedürfnis, nicht nur ein totes Verwaltungsorgan zu sein, sondern er suchte sich zum lebendigen Beherrscher
des sachlichen Inhaltes der Büchermassen zu machen. Seine
Universalität machte er der Sache der Bibliothek dienstbar und
er hielt es für seine Pflicht, allen denen, die die Bibliothek be-
nützen wollten, ein sicherer Führer zu sein. Und so wenig kon-
genial ihm vielleicht gewisse Wissenszweige waren: man
konnte bei ihm nicht bloß erfahren, wo etwas Wissenswertes
über einen juristischen Gegenstand zu finden sei, er wusste in
der Regel selbst ziemlich viel, oft mehr von dem Gegenstande,
als der fragende Sachverständige selbst.“115
Auf der anderen Seite existieren auch Stimmen, die von dem idealtypi-
schen Bild eines Bibliothekars, das bisher aufgezeigt wurde, abweichen. So erinnerte sich der ehemalige Bundespräsident116 Michael Hainisch:
„Er hatte, zum Bibliothekar des Reichsrates ernannt, die Bib-
liothek neu geordnet und eingerichtet, worauf er sich dann aber
allerdings nur wenig um seinen Beruf kümmerte. Er ging viele
112 Hartungen, Helmut von: A.a.O., S. 8. 113 Natrop, Paul: Vorwort, in: Lipiner, Siegfried: Adam. Ein Vorspiel, Stuttgart 1913, S. 5 f. (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 35.870). 114 Von Pernerstorfer ist folgender Ausspruch überliefert:
„Ich muß meine Bücher um mich haben. Sie bilden meine Dienerschaft und meinen Hofstaat. Sie sind meine Freunde, mit denen ich plaudere, sie sind meine mir so unentbehrlich notwendigen Gegner, mit denen ich streiten will, sie sind mein Harem und mein Lustgarten.“
Zit. nach: Wolensky, Madeleine: Pernerstorfers Harem und Viktor Adlers liebster Besitz oder zwei sozialistische Bibliophile, ihre Bücher und die Arbeiterkammerbibliothek. Schriftenreihe der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek unter der Leitung von Josef Vass, Wien 1994, S. 5 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-5.649/1).
115 Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, a.a.O., S. 123.
29
Monate auf Urlaub und empfing den ganzen Tag Besuche, wo-bei unter den Besuchern das weibliche Geschlecht sehr stark
vertreten war.“117
Mit der Einstellung Lipiners wurde ihm eine Entlohnung in Höhe von
1500fl. pro Jahr gewährt, die gleiche Summe, die schon der erste Reichs-
ratsbibliothekar, Johann Vincenz Goehlert, bekam. Allerdings scheint er
mit dem Gehalt nicht zurecht gekommen zu sein, denn schon im Jahr
1885 findet sich eine Eintragung in seinem Personalakt, die auf ein „Dar-
lehen des I. allgem. Beamten-Vereines (1200fl. nebst Zinsen etc.)“118 ver-
weist, das mit seinen Bezügen verrechnet werden soll. Dieses Darlehen
wurde ein Jahr später wieder gelöscht.
Nach seiner Promotion im Jahr 1894 wurde Lipiner im Dienstrang beför-
dert und mit dem Titel eines Regierungsrates ausgezeichnet. Hinzu kam eine Einkommenserhöhung auf 2200fl. pro Jahr.
Budget Die Bedeutung der Parlamentsbibliothek stieg aufgrund der „neuen
Weltoffenheit“, was sich nach dem Umzug in das neue Gebäude auch in
den finanziellen Zuwendungen niederschlug.
Zu diesem allgemeinen europäischen Trend, der die Bedeutung von Wis-
sen in Form von Bibliotheken forcierte, bemerkte Karl Hugelmann119:
„Wohl fehlt es bis zur Stunde an einem organisatorischen Ein-
greifen der Gesetzgebung und Verwaltung in großem Style,
welcher während der letzten Decennien in den Maßnahmen
anderer Staaten, so namentlich Preußens, Frankreichs, Italiens
und Englands, auf diesem Gebiete wahrzunehmen war120, die
Bibliotheken sind aber doch mehr als früher der Gegenstand der Fürsorge der Regierung und des Parlaments geworden
und, was wir besonders in Anschlag bringen, das öffentliche
116 Michael Hainisch war von 1920 bis 1928 österreichischer Bundespräsident. Als Gründer von
Volksbüchereien scheint ihm das Bibliothekarswesen ein Anliegen gewesen zu sein. 117 Hainisch, Michael: A.a.O., S. 130. 118 Verzeichnis der Akten betreffend Dr. Siegfried Lipiner, Verweis auf Nr. 80 Pr, IX. Session, 1885 (in:
Archivschachtel 1i „Stenographischer Dienst; Personalia“). 119 Karl Hugelmann war Jurist und Historiker und befasste sich unter anderem ausgiebig mit der Ent-
wicklung der Amtsbibliotheken. 120 Für Preußen kommt insbesondere in Betracht der Erlaß des Unterrichtsministeriums vom 15.
December 1893 betreffend die Aufnahmebedingungen und das Prüfungsstatut für den wissen-schaftlichen Bibliotheksdienst; für Frankreich der Erlaß des Unterrichtsministeriums vom 28. Juni 1886, welcher das kön. Decret vom 22. Februar 1839 betreffend die Einführung von "Comités d'inspection et d'achats" an den öffentlichen Bibliotheken in Erinnerung bringt und erläutert, das Ci-culär des Unterrichtsministeriums vom 20. November 1887, welches ein neues Reglement für die Universitätsbibliotheken erläßt; und das Decret des Unterrichtsministeriums vom 20. December 1893 über die Zulassungsbedingungen für den Bibliotheksdienst; für Italien das Regolamento vom 28. October 1885; für England der Public Libraries Act vom 27. Juni 1892.
30
Interesse hat sich diesem Zweige des öffentlichen Lebens viel mehr als früher zugewendet.“121
Es gelang Lipiner, dass bereits im Staatsvoranschlag für das Jahr 1886
2000fl.122 für die Bibliothek vorgesehen waren, im Gegensatz zu den
1500fl., die bisher bewilligt waren. In den Jahren 1887 bis 1895 betrugen
die Zuwendungen gar 3500fl./Jahr. Offenbar hat es Lipiner verstanden,
innerhalb des Reichrates auf die finanziellen Notwendigkeiten der Biblio-
thek aufmerksam zu machen. Anders sind diese plötzlichen Erhöhungen
der Mittel durch das Abgeordnetenhaus nicht zu erklären. Lipiner konnte
begreiflich machen, dass für eine erfolgreiche Volksvertretung eine gut
funktionierende Bibliothek unabdingbar ist. Hiezu waren ihm Verweise auf
die besser dotierte Bibliothek des Deutschen Reichstages, aber auch auf
das rasante Wachstum der ungarischen Reichtagsbibliothek, die im Jahr
1902 bereits 50.375 Bücher123 umfasste124, hilfreich. Über die deutsche Parlamentsbibliothek schrieb er:
„Die Bibliothek des Deutschen Reichstages genießt einer [sic!]
jährlichen Dotation von 30.000 Mark, = 18.000, sage: Acht-
zehntausend Gulden ÖW. – Ich kann also, was sie im Laufe ei-
nes Jahres aufhäuft, erst binnen 12 Jahren angeschafft ha-
ben.“125
Und bei der Anforderung eines Amanuensis schreibt er über
„...die Bibliothek des ungarischen Reichstags [...], wo dem Bib-
liothekar ein Unterbibliothekar mit dem Gehalte von 1700fl.
beigegeben ist“126.
Die bereits erwähnten Dotationserhöhungen wurden dem Bibliothekar al-
lerdings nicht aus freien Stücken gewährt, sondern mussten von ihm ein-gefordert werden:
„Soll nun aber die Bibliothek ihrem Zwecke auch nur einigerma-
ßen würdig entsprechen, so dürfte es wohl bei der bisher ausge-
worfenen geringfügigen Summe nicht verbleiben dürfen. Auf den
121 Hugelmann, Karl: Die Entwicklung des österreichischen Bibliothekswesens im letzten Jahrzehnte
mit besonderer Rücksicht auf die Amtsbibliotheken, in: Österreichische Zeitschrift für Verwaltung, 29. Jg. Nr. 48, Wien 26.11.1896, S. 283 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-142) (Fußnoten im Original). Ein entsprechendes Zeugnis hiefür ist die am 8. Dezember 1895 erfolgte Gründung eines "Österr. Vereines für Bibliothekswesen“.
122 Die Buchbindekosten sowie der Aufwand für Blaubücher wurden von der Kanzlei getragen, so dass die gesamten 2000fl. für Neuerwerbungen zur Verfügung standen.
123 Karoly, Jonas/Katalin, Veredy: Az Orszaggyülesi Könyvtar Törtenete. 1870 – 1995, Budapest 1995, S. 488 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.805).
124 Zum Vergleich: Die österreichische Parlamentsbibliothek hatte trotz der Anstrengungen Lipiners im Jahre 1900 erst etwa 45.000 Bücher.
125 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses, Nr. 3499 AH vom 1. April 1885 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“).
31
ersten Blick scheint ja diese Büchersammlung wohl eine reine Fachbibliothek zu sein, und man könnte meinen, mit der An-
schaffung der Gesetzessammlungen auswärtiger Staaten und
der wichtigsten Werke aus den politischen Disziplinen sei es
gethan. Selbst wenn das so wäre, könnte die jetzige Dotation
und selbst eine bedeutend höhere nicht genügen.“127
Dieser einleitenden Passage lässt Lipiner mehrere Seiten folgen, in denen
er die Notwendigkeit der Dotationserhöhung weiter ausführt, um mit der
Bitte um 5000fl. statt der bisherigen 1500fl. zu schließen. Allerdings wur-
den ihm zu diesem Zeitpunkt lediglich die schon erwähnten 2000fl. ge-
währt.
Personal Auf sein Betreiben hin wurde die schon von seinem Vorgänger 1880
beantragte Dienststelle eines weiteren Beamten in der Bibliothek endlich
im Jahr 1895 bewilligt. Gleich ein Jahr später wurde eine weitere Stelle geschaffen. Auf dem Gebiet des Personals galt die Parlamentsbibliothek
ohnehin schon als eine der privilegierten Bibliotheken, denn Hugelmann
stellte fest,
„dass unter allen Bibliotheken der diesseitigen Centralbehör-
den eine eigene Bibliothekarstelle (in der VIII. Rangsclasse)
nur bei den Bibliotheken des Ministeriums des Innern, der Fi-
nanzen und des Unterrichtes und bei der Reichsrathsbibliothek
systemisirt [sic!] ist. Desgleichen verschwindet der sachliche
Bibliotheksaufwand gemeiniglich im allgemeinen Amtspau-
schale128“.129
Lipiner erzielte beim Personal große Fortschritte. So wurde 1893 Dr.
Ladislaus Merklas als Hilfskraft eingestellt. Zur Anforderung von Merklas beschreibt Lipiner die schwierigen Umstände in der Reichsratsbibliothek:
„Es sei dem gehorsamst Gefertigten gestattet, hier einen Punkt
ganz besonders zu erwähnen: Die Benützung der Reichs-
rathsbibliothek erfolgt – man darf sagen: in der Regel – nicht,
wie die anderer Bibliotheken, die eine bibliographisch praezise
Bezeichnung des Gewünschten fordern, worauf das betref-
fende Werk mit Leichtigkeit gefunden und ausgefolgt wird:
vielmehr wird das Verlangen oft in ganz unbestimmter, ja un-
126 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses zur Anforderung von Merklas
vom 12. Januar 1893 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 127 Lipiner: Siegfried, Brief vom 1. April 1885, Nr. 3499 AH (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 128 Im Staatsvoranschlag für 1887 sind besondere Erfordernisposten dieser Art nur eingestellt bei der
Reichsrathsbibliothek (3500 fl. als "Bibliotheksauslagen"). 129 Hugelmann, Karl: Die Centralisation der Amtsbibliotheken in Wien, a.a.O., S. 143 (Fußnote im
Original).
32
zutreffender Weise angegeben, in anderen, überaus zahlrei-chen Fällen aber überhaupt nur Auskunft über einen manchmal
ganz minutiösen Gegenstand, ohne Angabe des Fundortes,
oder im allgemeinen Material über eine Frage oder eine Reihe
von Fragen – auch dies häufig ohne bestimmte Bezeichnung
der Richtung, der zeitlichen Begrenzung u.s.w. – gewünscht.
Es braucht nicht darauf hingewiesen zu werden, wie zeitrau-
bend sich die Befriedigung solcher Wünsche vielfach gestal-
tet.“130
Ladislaus Merklas wurde bereits drei Jahre später, 1896, zum Am anuen-
sis und 1901 zum Bibliotheksadjunkt befördert. Er war der erste akademi-
sche Beamte, der neben dem Bibliotheksleiter Dienst in der Reichsrats-
bibliothek versehen durfte. 1895 folgte der spätere Bundespräsident, Karl
Renner, der ab 1. Januar 1896 seine Festanstellung131 in der Bibliothek bekam.
Die Dienstzeit
Karl Renners In seinen Lebenserinnerungen erzählt Karl Renner selbst aus führlich die
Geschichte seiner Einstellung in der Reichsratsbibliothek. So sei ihm an
einem sonnigen Novembertag die Nachricht zugetragen worden, der De-
kan der juristischen Fakultät, an der er zu diesem Zeitpunkt noch stu-
dierte, Prof. Philippovich132, sei schon längere Zeit auf der Suche nach
ihm gewesen. Durch diesen wurde ihm bei einer Vorsprache mitgeteilt:
„Der Direktor der Reichsratsbibliothek, Lipiner, habe sich an ihn
gewendet; er suche einen jungen Mann, der im staatswissen-
schaftlichen Seminar gearbeitet, außer nationalökonomischen auch eingehende staatsrechtliche Kenntnisse erworben und
politisches Interesse habe, vor allem aber ein flinker Arbeiter
sei; Lipiner beabsichtige den Buchbestand der Bibliothek neu
aufzunehmen und einen Materienkatalog in Druck herstellen zu
lassen. [...] Die Arbeit würde einige Monate in Anspruch neh-
men; erweise sich meine Eignung, so könnte ich wohl dauernd
als Beamter der Bibliothek angestellt werden. Karriere ließe
sich in dem Beruf nicht machen, aber er würde mir wissen-
schaftliche Arbeit ermöglichen, falls ich Lust und Eignung be-
130 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses zur Anforderung Merklas’. vom
12. Januar 1893 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 131 Vom 1. bis 31. Dezember 1895 wurde Renner zur Probe eingestellt. Vgl. Renner, Karl: An der
Wende zweier Zeiten. Lebenserinnerungen, Wien 1946 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 23.383).
132 Univ. -Prof. Eugen Philippovich von Philippsberg: 1858 - 1917, Nationalökonom, der dem sozialdemokratischen Gedankengut nahe stand.
33
säße, die akademische Laufbahn einzuschlagen. Selbstver-ständlich sei, dass ich auf jede aktive politische Parteitätigkeit
verzichte, da ich dort allen Parteien in gleicher Weise zu dienen
habe. Ich beschloß, mich auf jeden Fall sofort vorzustellen und
erhielt von Philippovich ein Einführungsschreiben an Lipiner.“133
Der Verzicht auf die Parteitätigkeit fiel ihm jedoch so schwer, dass er den
Vorstellungstermin wegen langen Überlegens um eine Stunde verpasste.
Trotz der Verspätung entschloss er sich, in der Reichsratsbibliothek vor-
zusprechen:
„Als ich in die kühlen, schweigenden Räume der Bibliothek
eintrat, empfing mich ein langer, hagerer, ernster Beamter, Dr.
Ladislaus Merklas, und teilte mir mit, der Chef sei noch da und
verhandle noch mit einem Bewerber. Schon im nächsten Au-
genblick kam Lipiner mit einem stattlichen, in dunklen Respekt-anzug gekleideten Herrn, Dr. Karl Neißer, in den Saal und ver-
abschiedete ihn freundlich. Ich machte mich bemerkbar, grüßte
und gab das Schreiben Philippovichs ab. ‚Jetzt kommen Sie?
Die Sache ist soeben so gut wie entschieden worden.’ Lipiner
musterte mich eine geraume Weile und meinte dann: ‚Im mer-
hin, kommen Sie weiter!’ Ich blieb bei ihm bis drei Uhr, gab auf
seine zahlreichen, blitzartig aufgeworfenen Fragen aus allen
Gebieten der Staatswissenschaften Antwort, musste ihm auch
meine Lebensumstände schildern und eine Handschriftprobe
ablegen, und zwar in doppelter Richtung, auf Schnell- und
Schönschrift hin. Endlich erklärte er mir: ‚Der Neißer hat bereits
eine Zusage; aber Sie passen mir besser; er ist Philosoph, Sie sind Jurist; Sie sind jünger und weitaus rascher. Ich kann Sie,
wie die Dinge jetzt liegen, nur engagieren, wenn es mir vorher
gelingt, für Dr. Neißer, der von verschiedenen Seiten bestens
empfohlen ist, im Hause eine andere Stelle zu finden.“134
Dr. Karl Neißer wurde schließlich im Parlamentsarchiv angestellt, so dass
Renner bald darauf die Stelle in der Bibliothek bekam. Renner
„wurde angeboten, ohne Vertrag mit einem Diurnum von vorläu-
fig 80 Kronen (vierzig Gulden) monatlich, als wissenschaftlicher
Hilfsarbeiter [...] an der Drucklegung des Materienkatalogs mit-
zuarbeiten; tägliche Dienstzeit von 9 bis 12 und von 2 bis 5 Uhr,
Dienstantritt am 1. Dezember 1895. Wenn ich mich bewähre und
den Doktor juris nachgetragen, bestünde Aussicht, dass ich in
133 Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten, a.a.O., S. 290. 134 Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten, a.a.O., S. 293.
34
den Status der Bibliotheksbeamten in der zehnten Rangklasse, somit in den ordentlichen Staatsdienst, übernommen werde. Ich
nahm an.“135
Nachdem Karl Renner sein Rigorosum hinter sich gebracht hatte, wurde
er 1897 zum Amanuensis in der zehnten Rangklasse erhoben. Für sein
1896 abgelegtes Rigorosum erhielt Renner postum finanzielle Aushilfen
aus der Staatskasse in Höhe von je 50fl.136 Im Frühjahr 1896 heiratete
Renner auch seine Verlobte Luise137. Er hatte allerdings Schwierigkeiten
bei der Verbeamtung bekommen, da er ohne Trauschein bereits mit sei-
ner zukünftigen Gattin zusam mengelebt hatte. Lipiner machte allerdings
„eine leidenschaftliche Eingabe [...], worin er umgekehrt bewies,
es sei von mir ein Akt echter Sittlichkeit gewesen, die bei Stu-
denten üblichen Abwege der Prostitution zu vermeiden, in der
festen und auch eingehaltenen Absicht, das Mädchen seiner Wahl auch zu ehelichen, ein dauerndes Verhältnis einzugehen,
es zeige nicht Leichtsinn, sondern den hohen Ernst meiner Le-
bensauffassung, dass ich durch eigene Arbeit die Meinen so
lange erhalten habe, bis eben die Eheschließung möglich ge-
worden.“138
Der Beamtenlaufbahn Renners standen nun keine Hindernisse mehr im
Weg, so dass er kontinuierlich bis zu seiner Beurlaubung 1907 aufstieg139,
in der er dem Präsidium des Abgeordnetenhauses mitteilte:
„Infolge meiner Wahl zum Reichsratsabgeordneten bin ich so-
wohl während der Tagung als auch außerhalb dieser Zeit durch
die aus dem Mandat erwachsenden Aufgaben in dem Maße in
Anspruch genommen, dass ich meinen Dienst in der Bibliothek nicht versehen kann. Da während der immer kürzer werdenden
Zeit der Vertagung bei bestem Willen eine ersprießliche, zu-
sammenhängende Tätigkeit in der Bibliothek - und nur mit einer
solchen wäre der Verwaltung gedient - faktisch auf die Dauer
ausgeschlossen erscheint, stelle ich die Bitte, meine dauernde
135 Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten, a.a.O., S. 294. 136 Laut Personalakt Renner: 1898 Aushilfen von je 50fl. zur Bestreitung des 2. und 3. juristischen
Rigorosums. 137 Nach: Ziegler, Senta: Österreichs First Ladies. Von Luise Renner bis Margot Klestil-Löffler, Wien
1999, S. 16 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 59.412). 138 Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten, a.a.O., S. 297. 139 Vom Amanuensis wurde Renner 1901 zum provisorischen Bibliotheksadjunkt befördert und ein
Jahr später zum definitiven Bibliotheksadjunkt. Nach seiner Beurlaubung 1907 wurde er im Jahre 1909 noch zum Bibliotheksdirektor II. Klasse befördert.
35
Beurlaubung für die laufende Wahlperiode veranlassen zu wollen.“140
Diesen Brief schrieb Renner allerdings erst etwa ein halbes Jahr nach
seiner Angelobung als Abgeordneter141. Offenbar versuchte er anfänglich
die Stelle in der Bibliothek mit seiner Tätigkeit als Abgeordneter zu verein-
baren. 1909 wurde der Beamte Karl Renner zum „Bibliotheksdirektor II.
Classe“ ernannt, zeitgleich mit der Ernennung des Direktors der Reich-
ratsbibliothek Siegfried Lipiner zum „Bibliotheksdirektor I. Classe“.
Wegen seiner politischen Karriere sollte Renner allerdings nie wieder in
den Bibliotheksdienst zurückkehren. Der Bibliothek blieb Renner aber
weiterhin treu, obwohl er offenbar die als Bibliothekar gemachten Erfah-
rungen vergaß und selbst ein säumig zurückgebender Benutzer wurde. In
jährlichen Mahnungen wegen nicht zurückgegebener Bücher wurde
Renner im Jahr 1918 wegen vier Büchern, die seit 1914 entlehnt waren, und wegen zwei Büchern, die er seit 1913 noch nicht zurückgegeben
hatte, gemahnt. Dies war allerdings kein „Phänomen Renner“, denn der
Präsident des Abgeordnetenhauses, Freiherr von Chlumecky, rief die Ab-
geordneten bereits 1895 auf:
„Ich muß angesichts mancher Vorkommnisse die geehrten Her-
ren sehr dringend bitten, sich bezüglich der Entlehnung und
insbesondere der Rückstellung der Bücher genau an die Bib-
liotheksordnung zu halten. Von Seite des Präsidiums wird
diesfalls der größte Nachdruck darauf gelegt werden, dass
diese Bestimmungen eingehalten und nicht, wie es vielfach
vorkommt, Bücher, welche von vielen Herren Abgeordneten
gewünscht werden, in der Hand einzelner Abgeordneter oft jah-relang zurückbehalten werden. Ich werde also meinerseits al-
len dem Präsidium zustehenden Einfluß in der Richtung aus-
üben, dass die Bibliotheksordnung genau eingehalten
werde.“142
In der Bibliothek wurde das Ausscheiden Renners als sehr schmerzlich
empfunden. Bei der Anforderung von Ernst von Frisch als Ersatz für
Renner bemerkte Lipiner:
„...muss doch gerade bei diesem Anlasse dem Schein gewehrt
werden, als ob dieser formelle Ersatz für Dr. Renner auch ei-
nen materiellen bedeuten sollte. Von einem solchen wird –
140 Renner, Karl, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses, Nr. 134 AH PR vom 3. Februar
1908 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 141 Renner wurde am 17. Juni 1907 in der ersten Sitzung der Session angelobt. 142 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-
schen Reichsrathes, XI. Session, 422. Sitzung, 25. Oktober 1895.
36
nicht was die individuellen Qualitäten, sondern was die rein-fachliche Tüchtigkeit des Dr. Renners betrifft – erst dann die
Rede sein können, wenn neben Dr. v. Frisch eine rechts- und
staatswissenschaftlich gebildete Hilfskraft in den Dienst der
Bibliothek gestellt wird.“143
Im Jahr 1948, zwei Jahre vor seinem Tod, wurde Renner wegen seiner
Bibliothekstätigkeit vom Verein österreichischer Bibliotheken zum Ehren-
mitglied ernannt. So stand in den „Mitteilungen der Vereinigung Österrei-
chischer Bibliothekare“ nach seinem Tod am 31. Dezember 1950 in der
Januar-Ausgabe:
„Der Ehrenprotektor unserer Vereinigung, Bundespräsident Dr.
jur. Dr. h.c. Karl Renner ist am 31.Dezember 1950 gestorben.
Die österreichischen Bibliothekare betrauern nicht nur mit allen
Österreichern den Tod des erfahrenen und väterlichen Staats-lenkers und edlen Menschen, sie verlieren in dem Verewigten,
dessen Andenken sie treu bewahren werden, auch einen ehe-
maligen Fachkollegen, der trotz der vielfältigen Aufgaben sei-
nes hohen Amtes, stets werktätiges Verständnis für die Nöte
des Bibliothekswesens bewies.“144
Personal Neben den genannten Beamten verrichteten mehrere Bibliotheksdiener in
dieser Zeit ihren Dienst. Vor allem zur Ausarbeitung des Materienkatalogs
wurden temporär zahlreiche Aushilfsstellen besetzt. Die Dienerposten in
der Reichsratsbibliothek erfreuten sich größter Beliebtheit. Auf ausge-
schriebene Posten gab es zahlreiche Bewerber. So ist in einem Akt aus
dem Jahr 1896 vermerkt: „Zunächst sind von den 69 Bewerbern acht, als ungarische
Staatsbürger oder wegen Mangels eines Certificates145, als
nicht anspruchsberechtigt von vornherein auszuscheiden“146.
Es liegt ebenfalls ein Verzeichnis über die Bewerber eines 1893 in der
Wiener Zeitung ausgeschriebenen Dienerpostens vor. Darin werden de-
tailliert die Bewerber mit ihren Empfehlungsschreiben, beruflichem Wer-
143 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses, zur definitiven Anstellung Dr.
v. Frischs vom 3. Februar 1908 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 144 Mitteilungen Österreichischer Bibliothekare, Jg.4, Wien Jänner 1951, S.1 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: I-275). 145 Die sogenannten Zertfikatisten wurden aufgrund langjähriger Militärdienstzeit je nach Dienststelle
bevorzugt in den öffentlichen Dienst aufgenommen. „Unteroffiziere, welche mindestens zwölf Jahre, davon wenigstens acht Jahre als Unteroffiziere, im Heer, in der Marine oder in der Landwehr ‚gut conduisirt’ gedient hatten, waren zur Besetzung der ‚Dienerschafts- und Aufsichtsposten“ bei den staatlichen Behörden und Anstalten ausschließlich heranzuziehen“. Nach: Megner, Karl: Beamte, a.a.O., S. 229.
37
degang und persönlichen Eindrücken tabellarisch gegenübergestellt. Ein-gestellt wurde Johann Redl, der bereits Bibliotheksdiener im k.k. Ministe-
rium des Inneren war, und dessen ehemaliger Vorgesetzter ihm beschei-
nigte, dass er ihn nur ungern verlieren würde. Offenbar war die Reichs-
ratsbibliothek angesehener oder höher dotiert als die Bibliothek des Mi-
nisteriums des Inneren147.
Interessant ist, dass sich unter den abgelehnten Bewerbern der
Reichsratsbibliothek auch solche finden, die später internationale Karriere
machen sollten. So bewarben sich 1908 unter anderem der spätere
tschechoslowakische Präsident, Dr. Edvard Beneš148, und der spätere
Professor für politische Ökonomie, Dr. Alfred Amonn, für einen Biblio-
theksposten, der allerdings mit dem „schon drei Jahre im Archiv des Ab-
geordnetenhauses beschäftigte[n] Dr. jur. Ernst Lemm“149 besetzt wurde.
An dem oben erwähnten Concours von 1893 war ein Bewerber beteiligt, der allerdings erst bei der Besetzung der nächsten freien Stelle im Jahr
1896 in den Reichsratsbibliotheksdienst aufgenommen werden sollte.
Diesen Mann, Josef Ritter von Troll150, ereilte in der Reichsratsbibliothek
nach zehnjährigem Dienst sein Schicksal. Der Bericht eines Arztes der
Wiener Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft sagte folgendes aus:
„Heute 12.08 N.M. wurden wir telefonisch nach dem Abgeord-
netenhause gerufen und fanden dort im Vorzimmer der Biblio-
thek den 50 jähr. Diener der Bibliothek Josef Ritter von Troll,
VII Siebensterngasse 41 wohnhaft mit einer Einschussöffnung
an der l. Schläfe als Leiche vor.
Von Troll hatte sich kurz zuvor dortselbst in selbstmörderischer
Absicht (Motiv: Krankheit) aus einem 9mm kalibrigen Revolver eine Kugel in den Kopf gejagt.
Die Leiche verblieb darselbst unter Obhut des k.k. J.W. In-
spector Roling, der die Effecten: 1 Geldbörse mit 7.28K, 2 Ab-
schiedsbriefe, 1 Brieftasche, 1 Legitimation, 1 Waffenpass, 1
146 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses, zur dringenden Anstellung
von Joseph Ritter von Troll vom 2. Mai 1896 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 147 Zu Zeiten der Monarchie war die Administrative Bibliothek dem Innenministerium unterstellt. Spä-
ter, in der Ersten und Zweiten Republik, war und ist die Administrative Bibliothek dem Bundes-kanzleramt eingegliedert.
148 Edvard Beneš war von 1935 bis 1938 und von 1945 bis 1948 Präsident der Tschechoslowakei. Er war in diesem Amt Nachfolger von Masaryk, der knapp zehn Jahre als Mandatar dem österreichi-schen Reichsrat angehörte.
149 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 436. 150 Ein Kuriosum stellt dar, dass ein Adeliger sich um eine Dienerstelle bewarb, da dieses seinen
kompletten sozialen Abstieg bedeutete. Durch einen Dienerposten verlor ein Adeliger seine soziale Reputation.
38
Revolver, 1 Cigarrentasche, 1 silb. Uhr mit Kette, 1 Zwicker und 2 Schlüssel übernahm“151
Offenbar hatte Troll zusätzlich finanzielle Probleme, da ein Brief Renners
an das Präsidium feststellte, Troll habe einen Gehaltsvorschuss von
300K. erhalten, von dem er erst eine Rate getilgt hatte. Daher bat er das
Präsidium die nötigen Schritte einzuleiten, um schnell an das ausste-
hende Geld zu kommen, „da die Hinterlassenschaft geringfügig, wenn
nicht passiv ist“152.
151 Wiener Freiwillige Rettungs -Gesellschaft, Meldezettel, Wien 3. August 1906, 1 Uhr 55 min. (in:
Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 152 Renner, Karl, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses vom 8. August 1906 (in: Archiv-
schachtel 1k „Bibliothek“).
39
Karl Renner – biographische Skizze Renner prägte die Parlamentsbiblio-
thek sowohl als erster dort tätiger Ju-
rist als auch durch seine Innovationen
bei der Einführung eines neuen Ka-
talogsystems, des systematischen
Kataloges.
Vom armen Bauernbub153 schaffte es
Renner zum österreichischen Bun-
despräsidenten und zu einer prägen-den politischen Figur der Ersten und
Zweiten Republik. Renner wurde am
14. Dezember 1870 in Unter-Tanno-
witz (Mähren) geboren. Er
„war von seiner Herkunft aus ar-
men ländlichen Verhältnissen im
gemischtsprachigen Gebiet Süd-
mährens geprägt“154.
Durch die Verhältnisse, in denen er
aufgewachsen ist, wurde er früh zu
sozialem Denken angeregt, was ihn
seine politische Heimat in der Sozial-
demokratie finden ließ. Durch die Gemischtsprachigkeit des Gebietes,
in dem er aufwuchs, wurde er für na-
tionale und ethnische Fragen sensibi-
lisiert. Auf diese Themen beziehen
sich auch Renners frühe Veröffent-
lichungen155.
153 Pelinka, Anton: Karl Renner, in: Dachs,
Herbert/Gerlich, Peter(Hrsg.): Die Politi-ker, Wien 1995, S. 491 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.227).
154 Nach: Pelinka, Anton: A.a.O., S. 485. 155 So beispielsweise: Synopticus [Renner,
Karl]: Staat und Nation. Zur österreichi-schen Nationalitätenfrage, Wien 1899 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 10.094) oder: Springer, Rudolf [Renner, Karl]: Der Kampf der österreichischen
Sein Studium der Rechtswissen-
schaften an der Universität Wien
dauerte von 1890 bis 1896. Er
schloss es 1896 mit Dr. jur. ab. Be-
reits während seines Studiums be-
gann er seinen Dienst in der Reichs-
ratsbibliothek am 1. Dezember 1895.
In den Beamtenstatus wurde er aller-
dings erst nach leidenschaftlicher
Intervention durch den Direktor der Parlamentsbibliothek, Siegfried
Lipiner, nach erfolgreichem Rigoro-
sum und nach der Hochzeit mit Luise
Stoisits übernommen. Während sei-
ner Tätigkeit als Beamter der Reichs-
ratsbibliothek war ihm „jede aktive po-
litische Parteitätigkeit“156 untersagt.
Das war der Grund, weshalb seine
Veröffentlichungen in dieser Zeit unter
Pseudonymen erfolgten157.
Gleich bei der ersten allgemeinen und
gleichen Wahl158 im Jahr 1907 zog Renner für die Sozialdemokraten als
Abgeordneter des niederösterreichi-
schen Wahlkreises Neunkirchen in
den Reichsrat ein. Dem Parlament
gehörte er ununterbrochen bis 1933,
Nationen um den Staat, Leipzig 1902 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 10.678).
156 Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten, a.a.O., S. 290.
157 Die Pseudonyme waren unter anderem Rudolf Springer oder Synopticus.
158 Das Wahlrecht war allerdings nur ein allgemeines, gleiches, direktes Männer-wahlrecht. Das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen wurde in Österreich erstmals im Jahre 1919 angewandt.
40
also 26 Jahre lang, an. Björn Engholm, der ehemalige Schleswig-
Holsteinische Ministerpräsident und
SPD-Vorsitzende bezeichnete ihn als
„Rechtstheoretiker, Soziologen“ sowie
als „Parlaments- wie Regierungs- und
Verwaltungsfachmann“159.
Nach dem Ende des Ersten Welt-
kriegs wurde er, der gemäßigte Sozi-
aldemokrat, zum ersten Regierungs-
chef der Republik Österreich160. Er
war der geeignete Mann der Mitte, mit
dem sich auch das bürgerliche Lager,
wegen seiner gemäßigten, nicht re-volutionären Position, einverstanden
erklären konnte. Für die Sozialdemo-
kraten war er ein Sprungbrett zur
Macht, die noch in den Jahren zuvor
in weiter Ferne schien. So war er
auch auf Seiten der Sozialdemokratie
die geeignete Persönlichkeit, die
allerdings dem „rechten“ Flügel zuge-
ordnet wurde.
Renner war der Präsident der öster-
reichischen Delegation bei den Frie-
densverhandlungen in St. Germain, wo er das Anschlussverbot an das
Deutsche Reich akzeptieren musste.
Das brachte ihm innenpolitisch große
Schwierigkeiten ein, denn die
Deutschnationalen verließen aus
diesem Grund die Regierung, aber
auch sein „Staatssekretär des Äuße-
ren trat unter Protest von seinem Amt
159 Engholm, Björn: Vorwort, in: Nasko
Siegfried/Reichl, Johannes: Karl Renner. Zwischen Anschluß und Europa, Wien 2000 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 61.466).
160 Zu diesem Zeitpunkt hieß die Republik noch Deutschösterreich.
zurück“ 161. Als Konsequenz daraus übernahm Renner selbst das Außen-
ressort.
In seiner Rolle als Staatskanzler wur-
den ihm große integrative Leistungen
abverlangt. Zu Beginn hatte er eine
Allparteienregierung zu leiten, an-
schließend führte er immerhin noch
eine Große Koalition, bis sich die
Wähler 1920 für eine bürgerliche Re-
gierung entschieden.
In den Jahren 1930 bis 1933 war er
Präsident des Nationalrates. Sein
Rücktritt als Präsident des National-rates in der Sitzung am 4. März 1933
löste den Rücktritt des gesamten Prä-
sidiums und damit das Ende des
Parlamentarismus in der Ersten Re-
publik aus. Nachdem die Geschäfts-
ordnung des Nationalrates für diesen
Fall keine Regelung vorsah und es
am übereinstimmenden Willen, we-
nigstens im Parlament, fehlte, diese
Krise gemeinsam zu überwinden,
nutzte die Regierung Dollfuß die
Gelegenheit, ab diesem Zeitpunkt mit-tels Notverordnungsrecht der Verfas-
sung und Kriegswirtschaftlichem
Ermächtigungsgesetz aus 1917 zu re-
gieren.162
Ein sehr umstrittenes Kapitel seines
Lebens und seiner politischen Lauf-
bahn umfasst die Ereignisse des
Jahres 1938. Renner gab am 3. April
1938 ein Interview im Neuen Wiener
161 Pelinka, Anton: A.a.O., S. 486. 162 Vgl. Czerny, Wilhelm F.: Der Schicksals-
tag 4. März 1933: Zum Ende des Parla-mentarismus in der Ersten Republik. In: Wilhelm F. Czerny, Parlament und Par-teien, Wien 1994, S. 147–164 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 54.290).
41
Tagblatt, „in dem er sich dezidiert für den Anschluss an Deutschland aus-
spricht“163. Über die Beweggründe
Renners, dieses zu tun, existieren
vier Thesen, die von S. Nasko und J.
Reichl in ihrer Renner-Biographie
ausgeführt werden164. So wird bei-
spielsweise angeführt, dass Renner
durch ein öffentliches Bekenntnis zum
Anschluss die Möglichkeit gesehen
hatte, Parteifreunden eine Entlassung
aus der Haft zu ermöglichen. Die
zweite These unterstellt Renner, den
Anschluss aus Überzeugung favori-siert zu haben. Der Selbstschutz
Renners sowie die Verhinderung von
Opfern stellen die dritte und vierte
These dar.
Wegen seines integrativen Talentes
wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg
mit der Leitung der Provisorischen
Staatsregierung beauftragt. Bereits
1945 nahm er Kontakt zu Stalin auf.
Ein Brief an den „ ‚sehr geehrten Ge-
nossen’ Stalin“165 brachte ihm beson-
dere Kritik ein. Doch zumindest ist darauf zu verweisen, dass Österreich
nach dem Zweiten Weltkrieg eine
Möglichkeit gefunden hatte, sich von
der Besatzung der vier Siegermächte
zu befreien, ohne zu einem sowjeti-
schen Satellitenstaat zu werden. Dies
ist sicherlich auch den guten Bezie-
hungen zwischen der österreichi-
163 Nasko Siegfried/Reichl, Johannes:
A.a.O., S. 55. An dieser Stelle findet sich auch das Interview expressis verbis ab-gedruckt.
164 Nasko Siegfried/Reichl, Johannes: A.a.O., S. 55ff. Eine andere Position nimmt Pelinka ein, in: Pelinka, Anton: A.a.O.
schen Staatsregierung und der sowjetischen Staats führung zu ver-
danken. Allerdings konnte Renner die
endgültige Befreiung Österreichs
durch den Staatsvertrag von 1955
nicht mehr erleben, denn er starb am
31. Dezember 1950. Seine Rundfunk-
rede zum Jahreswechsel war bereits
aufgenommen worden und wurde
gespielt, als er bereits tot, sein Tod
aber noch nicht öffentlich bekannt
gemacht worden war166.
„Karl Renner war zeitlebens kein
Anti-Staatsideologe; an die Stelle physischer Gewalt zur Einhaltung
oder Veränderung von Gesell-
schaftsordnung setzte er die Kraft
des Rechtes und die Macht der
Idee – mit diesem Ziel, den Staat
umzuformen und ihn der breiten
Bevölkerung dienstbar zu machen.
[...]
Aus dieser Philosophie heraus
suchte er das Arrangement mit
dem faschistischen Ständestaat,
eine Entscheidung, die bis heute – zu Recht – ebenso für Dispute
sorgt wie sein trotz sichtbarer Dis-
tanz zum Nationalsozialismus ge-
troffenes Votum zum Anschluss.
Dass er sich als Gründer und
Staatskanzler der Zweiten Repu-
blik sowohl um das Vertrauen Sta-
lins wie das der Westmächte be-
mühte, entsprach dieser seiner
politisch-philosophischen Grund-
haltung.“167
165 Zit. Nach: Pelinka, Anton: A.a.O., S. 493. 166 Nach: Pelinka, Anton: A.a.O., S. 490. 167 Engholm, Björn: A.a.O., S. 13.
42
Renner „war der Baumeister der Ersten und stand an der Wiege der
Zweiten Republik, er kam aus der
Weite der Donaumonarchie und
wurde zu einem großen Staats-
mann im kleingewordenen Öster-
reich“168.
168 Goldinger, Walter: Renner Karl, in:
Österreichische Akademie der Wissen-schaften (Hrsg.): Österreichisches Bio-graphisches Lexikon 1815 – 1950, IX. Band, Wien 1988, S. 81.
43
Katalog Der erste Katalog unter der Leitung Lipiners wurde nach dem Umzug in das neu eröffnete Parlamentsgebäude am Ring 1884 in Druck gegeben
und veröffentlicht. Dieser Katalog war das Resultat einer 1883 begonne-
nen „Neuordnung und Neukatalogisierung der Bibliothek“ 169 Dieser um-
fasste nun 20 Themenbereiche, die wiederum untergliedert waren. Im An-
hang befindet sich ein alphabetisch geordnetes Sachregister. Ein Autoren-
register fehlte, wurde aber auf Verlangen der Bibliotheksbenutzer im
zweiten Supplementband im Jahr 1887 nachgeliefert. Im Jahr 1884 wurde
der Bibliotheksbestand mit 18.619 Werken beziffert. Insgesamt wurde der
Bibliothekskatalog durch drei Supplementbände in den Jahren 1885, 1887
und 1890170 ergänzt. Allerdings war dieser Katalog noch kein vollständi-
ger, denn Lipiner selbst schrieb hiezu, dass
„der 1884 veröffentlichte [Katalog] längst veraltet und die Beu-
gung der zahlreichen Nachträge naturgemäß zeitraubender und mit Mühe verbunden, daher dem eine rasche Orientirung
[sic!] Wünschenden sehr unliebsam ist.“171
Im Jahr 1887 reichte Lipiner eine Manuskriptprobe an das Präsidium des
Abgeordnetenhauses ein, womit er einer Aufforderung des Präsidiums
nachkam. Sicherlich stellte dieses Sach- und Autorenregister die Grund-
lage für das Autorenverzeichnis im Supplementband 1887 dar, doch
scheint dieses handgeschriebene Register ebenfalls zur Benutzung in der
Bibliothek vorgesehen gewesen zu sein. Die Manuskriptprobe stellt eine
zweifarbige Aufstellung dar. Die Sachgruppen in roter Schrift waren in
derselben alphabetischen Ordnung wie die mit schwarzer Tinte geschrie-
benen Autoren eingereiht. Im gedruckten Katalog hingegen waren zwei
verschiedene Register benötigt worden. Lipiner hebt in seinem Anschrei-ben zur Manuskriptprobe die Zweckmäßigkeit hervor, die sich ergibt, wenn
sich sowohl das Sachregister, als auch das Autorenregister „in demselben
Verzeichnisse“172 befinden. Daher ist anzunehmen, dass dieses ge-
mischte Sach- und Autorenregister, obwohl es nicht gedruckt wurde, Ver-
wendung in der Bibliothek fand.
In gemeinsamer Arbeit der drei Bibliothekare, Lipiner, Renner und
Merklas, wurden neue Kataloge entwickelt. Den Trend zu einer immer
besseren Erschließung der Buchbestände beschreibt Hugelmann:
„Der Gedanke, daß nur eine solche Katalogisirung [sic!] sich
auf der Höhe der Bibliotheksaufgaben bewegt, welche die
169 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 434. 170 Ende 1887 umfasste der Buchbestand 23.397 und Ende 1890 25.529 Werke. 171 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses zur Anforderung von Merklas
vom 12. Januar 1893 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“).
44
Kenntnis der Bücherbestände der ganzen Welt vermittelt, dass, um es kurz zu sagen, nur die Drucklegung der Bibliothekska-
taloge den todten Büchermassen die Eigenschaft mit voller
Kraft wirkender Bildungsmittel verleihen kann, bricht sich, wenn
nicht alle Zeichen trügen, immer mehr und mehr Bahn.“173
„Ab dem Ende des Jahrhunderts begannen sich im deutschen
Sprachraum langsam die ‚Preußischen Instruktionen’ durchzu-
setzen, relativ exakte Anleitungen für die Nominalkatalogisie-
rung“.174
Die Katalogisierung nach den Preußischen Instruktionen erfolgte sowohl
in dem Bandkatalog, der bis 1975175 geführt wurde, als auch in dem
Zettelkatalog, der bis 1995 fortgeführt wurde176; heute aber in Form der
gescannten und mittlerweile auch OCR-gelesenen Zettel als EDV-Katalog
1869-1994 im Intranet der Parlamentsdirektion Verwendung findet. So wurde im Jahr 1896 der 480 Seiten starke Nominalkatalog in Druck
gegeben, der diesen Preußischen Instruktionen folgte. Dieser Katalog
umfasst, ähnlich der Manuskriptprobe von 1887, sowohl Autoren, als auch
Sachtitel in einer Liste, alphabetisch geordnet. Diesem Katalog war für
Nachträge zu einer Druckseite jeweils eine Leerseite beigeheftet, damit
Ergänzungen möglich waren, die den Katalog aktuell halten sollten. Bis
zum Jahr 1975 wurde in einem Exemplar dieses Bandkataloges auch tat-
sächlich nachgetragen. Dieser Katalog existierte sowohl als einbändige
Ausgabe, als auch als ein in zwei gleiche Bände aufgeteiltes Werk (A-L,
M-Z).
Gleichzeitig begann man ebenfalls im Jahr 1896 mit der Erstellung eines
systematischen Zettelkataloges, indem man die aus dem Realkatalog ausgeschnittenen Buchangaben auf die Zettel aufklebte. Gleiche Kartei-
karten waren schon in einem Muster, das Päumann an das Präsidium des
Abgeordnetenhauses sandte, zu finden. Ob die Zettel von Päumann für
172 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses, Nr. 1395 Abg.H., vom 16.
September 1887 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“) (Unterstreichung im Original). 173 Hugelmann, Karl: "Die Entwicklung des österreichischen Bibliothekswesens im letzten Jahrzehnte
mit besonderer Rücksicht auf die Amtsbibliotheken“, a.a.O. 174 Megner, Karl: Karl Renner. Notizen zu seinem Tätigkeitsbereich in der Parlamentsbibliothek
(Bibliothek des Reichsrates) in: Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Renner Karl. Notizen zu seinem Tätigkeitsbereich in der Parlamentsbibliothek (Bibliothek des Reichsrates). 1895 – 1907, Ungedruckte Zusammenstellung, Wien 1993 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 53.324).
175 Nach Durchsicht des Katalogs stellte sich heraus, dass die letzten aufgenommenen Bücher im Jahr 1975 erschienen sind.
176 Vgl.: [Dietrich-Schulz, Elisabeth:] Austria, in: Tanfield, Jennifer (Hrsg.): Parliamentary Library, Re-search and Information Services of Western Europe, Brussels, Strasbourg 2000, S. 23ff (Signatur der Parlamentsbibliothek: 63.013).
45
den 1896 begonnenen Zettelkatalog wiederverwendet wurden, ist nicht endgültig zu klären.
In dem Zettelkatalog, der bis heute existiert und allgemein „Renner-Kata-
log“ genannt wird, finden sich viele von Renner handschriftlich verfasste
Einträge. Am besten ist der Einfluss Renners auf den Wissensgebieten zu
beobachten, die seiner sozialdemokratischen Gesinnung besonders nahe
waren: besitzlose Klassen, soziale Frage, Sozialismus, Kommunismus,
soziale Bestrebungen auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung.
Die Einteilung dieses systematischen Katalogs erfolgte in 667 Sachge-
biete, die später um ein 668. Sachgebiet „Biographien“ ergänzt wurde.
Detailliert werden in dieser Wissenssystematik Themengebiete in Unter-
gebieten erschlossen. Zusätzlich existiert ein umfangreiches alphabeti-
sches Register der Suchbegriffe, das auf die jeweilige Stelle in der Syste-
matik verweist. „Das pragmatische, für die Bibliothek des Reichsrates maßge-
schneiderte System war für die Zeit um 1900 hervorragend ge-
eignet, das Material in adäquater Form wissenschaftssystema-
tisch gruppieren zu können. [...] Aus Gründen, die noch nicht
geklärt sind, wurde der Katalog, den sich rasch ändernden Be-
dürfnissen der Zeit entsprechend, weiter verfeinert und erwei-
tert. Leider, ist zu sagen, nicht nach einem überlegten Plan,
sondern eher spontan, den Ad-hoc-Bedürfnissen entspre-
chend. Daher besteht Renners Werk heute nicht mehr aus ei-
nem Guß, sondern wurde teilweise zum Flickwerk, an dem
viele Generationen von Bibliothekaren gearbeitet haben.“177
Lange Zeit wurde dieser Zettelkatalog weiter benutzt und bis zur Einfüh-rung der EDV nachgetragen. Noch im Jahr 1960 wurden „die alten 398
Blechkästchen [...] um 331 vermehrt, sodass der ganze Katalog jetzt auf
729 Kästchen verteilt u[nd] für Neuzugänge für etliche Jahre Platz ge-
schaffen ist.“178 Noch heute wird zur Erschließung sehr alter Buchbe-
stände dieser systematische Zettelkatalog zu Rate gezogen.
Bestände In der Zeit um die Jahrhundertwende galt Wien als ein Mekka der Schrift-
steller. Es ist anzunehmen, dass Bücher als Symbol des Wissens in die-
ser Zeit immer mehr an Bedeutung gewannen. Die Reichratsbibliothek
bestand damals aus etwa 45.000 Büchern. Doch war die Bibliophilie noch
längst nicht in alle Bereiche und Gesellschaftsgruppen eingedrungen.
Auch in der Volksvertretung
177 Megner, Karl: Karl Renner. Notizen zu seinem Tätigkeitsbereich in der Parlamentsbibliothek
(Bibliothek des Reichsrates), a.a.O. 178 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, Wien 1958 (unveröffent-
licht) (Signatur der Parlamentsbibliothek: 63.004).
46
„beschränkte sich die parlamentarische Tätigkeit nicht mehr auf quasifeudale Repräsentationsaufgaben, die auch bei Bil-
dungsferne, ja sogar latenter oder offen zur Schau getragener
Bildungsfeindlichkeit bewältigt werden konnten.“179
So spielte sich im Abgeordnetenhaus des Reichrates, wo Bildung als
Grundlage der Macht vorhanden sein sollte, folgende Szene ab: Der Ab-
geordnete Verkauf führte aus:
„Lesen Sie ein sehr interessantes Buch von Professor
Rauchberg. (Abgeordneter Bielohlawek: Schon wieder ein
Buch – das [sic!] habe ich schon gefressen! – Lebhafte Heiter-
keit – Ironischer Beifall und Händeklatschen. – Abgeordneter
Bielohlawek: Erzählen Sie uns einmal was Sie selbst wissen! –
Lebhaftes, anhaltendes Gelächter und Unruhe. – Abgeordneter
Bielohlawek: Diese dummen Theorien werde ich lesen! Ich bin ein praktischer Mann!) Schauen Sie Herr Collega... (Abgeord-
neter Bielohlawek: Lesen kann ja jeder! Aber Sie können nur
lesen, sonst gar nichts! Erzählen Sie einmal was Sie selbst
wissen, nicht immer was Sie gelesen haben! – Lebhafte Rufe:
Ruhe! – Rufe bei den Socialdemokraten: Austoben lassen!)
Schauen Sie, Herr College Bielohlawek, ich kann wahrhaftig
nicht dafür, dass Sie eine solche Scheu vor Büchern haben.
(Lebhafte Heiterkeit bei den Parteigenossen.) Ich nehme an,
dass die Mehrzahl der verehrten Collegen keine solche Scheu
vor Büchern hat. Ich habe auch keine Scheu vor Büchern, im
Gegentheile, ich sage in aller Bescheidenheit, dass ich schon
sehr viel Bücher gelesen habe und noch viele lesen werde, weil ich etwas lernen will. Ich halte mich nicht für vollkommen und
habe das Bedürfnis, etwas zu lernen; auch habe ich mich noch
nicht zu jener Höhe emporgeschwungen, zu glauben, dass ich
nichts von anderen zu lernen brauche. (Abgeordneter
Bielohlawek: Damit ist nichts gesagt! Schauen Sie sich’s in der
Praxis an! Die Bücher schreibt ein Jud vom anderen ab! – Ab-
geordneter Berner180: Das ist das enfant terrible der christsocia-
len Partei!)“181
179 Lösch, Hellmut: Die österreichische Volksvertretung und ihre Bibliothek, in: Biblos, Jg. 28, 3, Wien
1979, S. 203 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 45.532). 180 Der Abgeordnete Ernst Berner war selbst Schriftsteller. 181 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-
schen Reichsrathes, XIV. Session, 20. Sitzung, 6. Mai 1898.
47
Die von Teilen der Abgeordneten an den Tag gelegten Einstellungen zei-gen sie nicht nur bildungsfeindlich, sondern auch antisemitisch182. Gerade
der Antisemitismus war in ganz Europa zur Jahrhundertwende ein Prob-
lem.
Lipiner musste einerseits mit knappen finanziellen Mitteln haushalten,
wollte aber andererseits die Wünsche vieler bildungshungriger Abgeord-
neter erfüllen, die die nötigen Werke für ihre parlamentarische und politi-
sche Weiterbildung verlangten.
Eine andere Schwierigkeit für die Bibliotheksleiter dieser Zeit stellt die
Mehrsprachigkeit im Reichsrat dar. Die Abgeordneten durften in den Sit-
zungen ihre Reden in ihren jeweiligen Heimatsprachen halten. Allerdings
wurde bei der Verwendung einer anderen Sprache als Deutsch im Proto-
koll lediglich vermerkt, dass der Abgeordnete in einer anderen Sprache
sprach; der Text der Rede wurde allerdings nicht abgedruckt.183 Wollte ein Abgeordneter die Aufnahme seiner Wortmeldung in seiner Landessprache
in das Sitzungsprotokoll, hatte er selbst eine Übersetzung seiner Rede be-
reitzustellen. Auch Beilagen wurden teilweise mit, teilweise ohne Überset-
zungen abgedruckt.
Die immer noch gering dotierte Reichsratsbibliothek stand vor dem Prob-
lem, neben deutschen Büchern zusätzlich auch für Abgeordnete aus an-
deren Reichsteilen Literatur in deren Landessprache erwerben zu müs-
sen. Dies konnte aber nur sporadisch geschehen. Allerdings wurde durch
das k.k. Ministerium des Inneren im Jahr 1909 entschieden,
„von nun an zwei Exemplare der deutschen Ausgabe und je ein
weiteres Exemplar aller anderssprachigen Ausgaben des
Reichsgesetzblattes, ferner die seit 1. Jänner 1870 erschiene-nen Stücke des Reichsgesetzblattes in böhmischer, italieni-
scher, kroatischer, rumänischer und slovenischer Ausgabe zur
Verfügung zu stellen.“184
So war es der Bibliothek wenigstens gelungen, eine sichere Quelle zur
Bestandsvermehrung in den verschiedenen Sprachen zu gewinnen.
182 Eine sehr schöne Aufzeichnung einer Parlamentsdebatte, in der auch der Antisemitismus jener
Zeit sehr deutlich wird, sowie der Abgeordnete Bielohlawek (hier fälschlicherweise als Vielohlawek bezeichnet) seine unermüdlichen Störungen fortführte, machte der damalige Besucher einer Sit-zung des Abgeordnetenhauses Mark Twain: Twain, Mark: Stirring times in Austria, in ders.: The Man That Corrupted Hadleyburgh and Other Stories, London 1925, S. 296 – 336 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 56.599).
183 So findet sich beispielsweise in dem Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrathes, XI. Session, 306. Sitzung, 16. Oktober 1894 lediglich: „Abgeordneter König (spricht in böhmischer Sprache.)“.
184 K.k. Minister des Inneren, Brief, Nr. 430 AH vom 11. Juni 1909 (in: Archivschachtel 1k „Biblio-thek“).
48
Bauge- schichte Zwei Jahre nach Beginn der Amtszeit Lipiners übersiedelte die Bibliothek
in das 1883/84 fertiggestellte neue Parlamentsgebäude an der Ring-
straße. Die in diesen Jahren prachtvoll ausgestattete Ringstraße wird in
Wien oft als Zeichen des Liberalismus und der Weltoffenheit der Stadt
zum Ende des 19. Jahrhunderts gesehen. Diese propagierte Weltoffenheit
und Aufgeschlossenheit spiegelt sich symbolisch gerade in dem Umzug
des Reichrates an die Ringstraße wider. Der Präsident des Abgeordne-
tenhauses lobte in der ersten Sitzung im neuen Gebäude die Pracht des-
selben und fügte an:
„Hohes Haus! Wollen wir diese meine letzten Betrachtungen
als gute Vorbedeutung gelten lassen, dass ebenso, wie die
physische, die materielle Arbeit, welche zur Herstellung des
Gebäudes verwendet wurde, ihren glänzenden Abschluß be-reits gefunden hat, nunmehr die geistige Arbeit, die wir in die-
sen Räumen zu verrichten haben, ebenso eine gute, nützliche
und wohltätig wirkende sein werde (Beifall), dass es uns
beschieden sein möge, im einträchtigen harmonischen Zu-
sammenwirken die, den Interessen des Volkes und Reiches
entsprechende Fortbildung, den festen und unerschütterlichen
Ausbau der Verfassung hier zur Vollendung zu bringen und
überhaupt Einrichtungen und Zustände zu schaffen zum Wohle
des Volkes, zum Heile des Reiches und folgerichtig auch zum
Ruhme und Glanze unseres erlauchten Kaiserhauses.“185
Das neue Parlamentsgebäude an der Ringstraße wurde nach Plänen des
Dänen Theophil Hansen erbaut, der bereits vorher unter anderem als Ar-chitekt der Akademie der Wissenschaften in Athen aufgefallen war. Zeit-
gleich mit den Arbeiten in Wien wurde durch ihn die Nationalbibliothek in
Athen geplant.186
Der Bibliothek wurde als Standort das heutige Mittelmagazin zugewiesen.
Symbolisch befand sich der Bibliothekssaal in der mittleren Achse des
Parlamentsgebäudes und stand somit zugleich den Mitgliedern des Her-
renhauses und den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses zur Verfügung,
die sich das Parlamentsgebäude symmetrisch aufteilten.
185 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-
schen Reichsrathes, IX. Session, 315. Sitzung, 4. Dezember 1883. 186 Nach: Wagner-Rieger, Renate/Reissberger, Mara: Theophil von Hansen, Wiesbaden 1980, S. 207
(Signatur der Parlamentsbibliothek: I-2.159/8,4). Ganz, Jürg: Theophil Hansens „Hellenische“ Bau-ten in Athen und Wien, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 26 (1972) 1/2, Wien 1972, S. 72 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 58.017).
49
„Der heutige Lesesaal war das Zimmer des Liechtensteinklubs, der späte-ren christlichsozialen Partei.“187 Die Amtsstunden wurden mit dem Umzug
in das neue Haus bis 8 Uhr abends verlängert.
Wegen des stetig wachsenden Bücherbestandes wurden 1888 weitere
Regale beantragt. Diese Regale wurden entlang der Pfeiler im heutigen
Mittelmagazin aufgestellt und bildeten somit Nischen, in denen die
Schreibtische der Angestellten der Bibliothek aufgestellt waren. Dort
konnten sie ihren Dienst verrichten. Da knappe Staatskassen kein Phä-
nomen der heutigen Zeit sind, sondern schon immer beherrschend waren,
wurde verfügt, Regale aus Weichholz zu errichten, die in Eichenoptik be-
malt wurden. Zusätzlich wurde festgelegt, die Bemalung der Stellagen nur
an sichtbaren Stellen vorzunehmen. Diese Buchregale sind bis heute in
der Bibliothek in Verwendung. Doch sind in den Nischen heute weitere
Stahlregale eingezogen, und ein Zwischenboden macht den Raum bis knapp unter die Decke nutzbar188. Die Arbeitsbedingungen scheinen da-
mals eher schlecht gewesen zu sein, da Lipiner von „nicht viel Raum bie-
tenden und durch Lichtmangel großenteils fast unbrauchbar gemachten
freien Wandflächen, vornehmlich im rückwärtigen Theile des Saales“189
spricht. Aus erneuter Raumnot bat Lipiner 1888 in einem Schreiben an
den Präsidenten des Abgeordnetenhauses um die Überlassung weiterer
Räumlichkeiten. Hier plante er bereits die Erweiterung der Bibliothek um
den heutigen Lesesaal:
„Da der Bücherbestand der Reichsrathsbibliothek, namentlich
seit der Erhöhung der Dotation, sehr bemerkenswert ange-
wachsen ist und mit jedem Jahre stark zunimmt, ist die seit
Langem wünschenswerthe Erweiterung der Bibliotheks-Räum-lichkeiten nunmehr zur dringenden Notwendigkeit geworden.
Die von mir getroffenen Maßnahmen behufs möglichster
Raumnützung vermögen ebensowenig wesentliche Abhilfe zu
schaffen, wie es eine etwaige Ausscheidung jener Bücher
vermöchte, von denen mit einiger Wahrscheinlichkeit ange-
nommen werden kann, dass sie wenig oder gar nicht mehr be-
nützt werden dürften.“190
Die gewünschte Erweiterung wurde ihm jedoch zu diesem Zeitpunkt noch
nicht bewilligt. Erst im Jahr 1896 wurde seinem Wunsch stattgegeben,
und der heutige Lesesaal wurde der Bibliothek einverleibt. Der Saal, der
187 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 434. 188 Der Einzug einer Stahldecke und der Stahlregale erfolgte in den 1950er Jahren. 189 Lipiner, Siegfried, Brief vom 5. Juli 1888, X. Session Nr. 1996 Abg.H (in: Archivschachtel 1k
„Bibliothek“). 190 Ebd.
50
heute fünf Fenster umfasst, muss in zwei Räume aufgeteilt gewesen sein. Neben einem Raum für einen Parlamentsklub muss zusätzlich das Büro
des Beamten Kupka untergebracht gewesen sein. Die Erweiterung sollte
wegen der knappen Finanzlage sukzessive über drei Jahre hinweg erfol-
gen. Doch Lipiner stellte in einem Brief an die Kanzlei des Abgeordneten-
hauses fest, dass die
„successive Ausführung der Erweiterungsarbeiten in der Bib-
liothek des Reichsrathes einen argen Übelstand mit sich bringt.
Da nämlich die neuen Bücherregale zwischen die alten einge-
schoben werden und die vorläufig in Folge Platzmangels auf
dem Boden umherliegenden Werke jeweilig in die fertigge-
stellten Schränke eingereiht werden müssen, sowohl um die
Bücher nicht Jahre lang liegen zu lassen, als auch um für die
weiteren Adaptirungs- und Installirungsarbeiten [sic!] freien Raum zu schaffen, so ergibt sich die sehr unangenehme
Nothwendigkeit, große Büchermengen immer wieder aus den
alten Kästen in die gerade gelieferten neuen zu übertragen,
dadurch die Bibliothek jedes Mal für viele Wochen unbenützbar
zu machen und die Nummern durch wiederholte provisorische
Aufstellung stets zu verschieben, wodurch Verwirrungen ent-
stehen, die auch über die eigentlichen Arbeitsperioden hinaus
das Auffinden der Bücher und somit die Benützung der Biblio-
thek außerordentlich zu erschweren und zum Theile unmöglich
zu machen geeignet sind. Dass überdieß die stets wiederkeh-
renden Umstellungen viel Zeit und Kraft erheischen, die für an-
dere Zwecke weit besser verwendet würden, bedarf kaum einer Versicherung. [...] In Erwägung dieses Umstandes und auch im
Hinblick darauf, dass es sich schon an und für sich empfiehlt,
die lärmenden und störenden Tischler- Schlosser und Installa-
teursarbeiten möglichst bald zum Abschluss zu bringen und in
der Bibliothek eine definitive Ordnung herzustellen, erlaube ich
mir nun das Ersuchen, gefälligst veranlassen zu wollen, dass
alle diese Arbeiten möglichst bald in Angriff genommen wer-
den: ein Modus, durch welchen der Bibliothek große Vortheile -
auch hinsichtlich der gleichmäßigen Durchführung aller neu
herzustellenden Regale, Galerien u.s.w. – dem Staatsschatze
aber gar keine Mehrkosten erwachsen würden, da sich die
betreffenden Gewerbetreibenden, wie mir seitens der Ge-
bäude-Inspektion mitgetheilt wird, bereit erklärt haben, alles
51
ohne Unterbrechung fertig zu stellen, gegen successive Be-zahlung in jährlichen, dem Budget entsprechenden Raten.“191
Der heutige Lesesaal wurde offenbar zuerst als Magazin genutzt, weil in
dem Raum – die Stellagen an den Wänden wurden extra aufgeführt – Bü-
cherstellagen mit einer Gesamtlänge von etwa 38 Metern aufgestellt wur-
den192. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt wurde die Galerie im heutigen
Lesesaal errichtet, um bequem an die obenstehenden Buchbestände zu
gelangen. Aufgrund der vorliegenden Rechnungen, die für den heutigen
Lesesaal ausgestellt worden sind, und der Tatsache, dass es der einzige
Raum ist, der eine Galerie besessen haben kann, müssen die freistehen-
den Regale in diesem Raum aufgestellt worden sein. Daher ist anzuneh-
men, dass der heutige Lesesaal teilweise als Magazin, teilweise als Lese-
raum fungierte. So ist auch die Mitteilung des Präsidenten des Abgeord-
netenhauses zu erklären, der am 25. Oktober 1895 im Abgeordnetenhaus bekannt gab:
„Es ist heute den geehrten Herren die neue Bibliotheksord-
nung, welche vom Präsidium genehmigt wurde, mitgetheilt
worden. Den Herren wird vielleicht bekannt sein, dass eine we-
sentliche Verbesserung in der Möglichkeit der Benützung der
Bibliothek dadurch herbeigeführt wurde, dass ein großer Raum
als Lesezimmer adaptiert wurde, in welchem es den Herren
Abgeordneten möglich ist, von den Büchern in der Bibliothek
hier im Hause in einem ruhigen Raum Gebrauch zu ma-
chen.“193
Für die These, dass der heutige Lesesaal als Magazin mitbenutzt wurde,
spricht auch eine Eintragung in einem Revisionstagebuch, die der spätere Leiter der Bibliothek, Dr. Michael Stickler, vornahm:
„Unterdessen wurden auch die Kästen im LS [Lesesaal] ausge-
räumt und fortgeschafft, so dass sämtliche Tische aufgestellt
werden konnten.“194
Bilanz Die Amtszeit Lipiners war mit 30 Jahren die längste eines Bibliothekslei-
ters in der Geschichte dieser wissenschaftlichen Institution. Die Dotation
der Bibliothek – und die des Bibliotheksleiters – wurden gleichermaßen
erhöht, genauso wie der Bücherbestand. Zudem konnte er den Perso-
191 Lipiner, Siegfried, Brief vom 10. April 1896, XI. Session Nr. 474 KD (in: Archivschachtel 1k „Biblio-
thek“). 192 Die Rechnung spricht von Stellagen mit einer Höhe von 420 cm. Davon wurden 10 mit einer Breite
von 290 cm, 2 mit 295cm Breite und 2 mit 195cm Breite angeschafft. Dies bedeutete einen Regal-platz von 162,96m². Hinzu kamen noch 119,07m² an den Wänden. Da der Abstand der Zwischen-böden nicht bekannt ist, kann eine bibliotheksübliche Angabe in Laufmetern nicht erfolgen.
193 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichi-schen Reichsrathes, XI. Session, 422. Sitzung, 25. Oktober 1895.
52
nalstand entscheidend vergrößern. Gemeinsam mit seinen beiden wis-senschaftlichen Bibliothekaren, Johann Ladislaus Merklas und Karl
Renner, hat Siegfried Lipiner Meilensteine mit der Anlage des Systematik-
Katalogs und dem räumlichen Zugewinn des damaligen und heutigen Le-
sesaals gesetzt. Diese kontinuierliche Aufwärtsentwicklung macht seine
Amtszeit zu einer bedeutenden Phase in der Geschichte der Parlaments-
bibliothek. Sicherlich ist viel davon auf das persönliche Verdienst Lipiners
zurückzuführen, doch kam ihm der internationale Trend zu Hilfe, der nicht
nur die Bedeutung der Volksvertretungen, sondern auch die praktische
Bedeutung von Wissen im täglichen Leben stärker betonte.
5. Die Zeit um den Ersten Weltkrieg unter
Dr. Johann Ladislaus Merklas (1912 – 1924)
Zur Person Nach dem Tod Lipiners 1911 wurde Dr. phil. Johann Ladislaus Merklas
zum Leiter der Reichsratsbibliothek ernannt. Er wurde im Jahr 1851 in
Prag geboren und studierte an der Universität Wien „Philosophie und ins-
besondere Geschichte“195. Merklas war der erste Leiter der Bibliothek, der bereits vor seiner Bestellung bibliothekarische Erfahrungen in der Reichs-
ratsbibliothek sammeln konnte. 1893 wurde er als Hilfskraft in den Biblio-
theksdienst aufgenommen. 1896 wurde er als erster Beamter neben dem
Leiter befördert. Bis zum Jahr 1912 wurde er kontinuierlich in der Rang-
klasse und im Titel befördert196. Merklas brachte also genügend Wissen
und Erfahrung in die Position des Leiters mit. Sowohl das Katalogisieren
als auch das Personal und die räumlichen wie finanziellen Sorgen der Bib-
liothek waren dem neuen Leiter der Bibliothek bereits bei seiner Bestel-
lung vertraut.
Allerdings beginnt mit der Zeit des Ersten Weltkrieges eine Periode, die
aufgrund der spärlichen Aktenlage nur sehr schwer erschlossen werden
kann. Im Parlamentsarchiv fehlen Personalakten aus dieser Periode
gänzlich, da sie während der nationalsozialistischen Herrschaft in Öster-reich entfernt wurden und seither unauffindbar sind.
„Das Haupthindernis für eine wissenschaftliche Erforschung
stellt jedoch unzweifelhaft der Brand des Justizpalastes in
194 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 195 Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsidium des Abgeordnetenhauses zur Anforderung Merklas’. vom
12. Januar 1893 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“). 196 1893 Hilfskraft, 1896 Amanuensis, 1901 Bibliotheks-Adjunkt., 1911 Bibliotheks-Direktor II.KI.
53
Wien am 15. Juli 1927 dar: Das größte österreichische Be-hördenarchiv, das damalige Staatsarchiv des Innern und
der Justiz, war in diesem Gebäude untergebracht und
wurde zu einem großen Teil durch Feuer und Wasser ver-
nichtet.“197
Eine Arbeit an Quellen konnte so für die besagte Periode bedauerlicher-
weise nicht vorgenommen werden.
Räumlich-
keiten In den Jahren 1912 bis 1913 setzte sich Merklas für eine Erweiterung der
Bibliotheksräume ein. Zu diesem Zwecke sollte eine an die Bibliothek an-
grenzende Dienerwohnung nach Ausscheiden des Dieners in den Ruhe-
stand nicht weiter vergeben, sondern der Bibliothek zur Benutzung über-
lassen werden. Hierbei handelte es sich offenbar um die Räumlichkeiten,
die hinter dem heutigen Büro der Bibliotheksleiterin liegen. In einem Schreiben Merklas’ wird zwischen dem Bibliothekssaal und ei-
nem Lesezimmer unterschieden:
„Die Reichsratsbibliothek leidet arg unter dem Mangel einer
genügenden Beleuchtung. Im Lesezimmer wie auch im großen
Bibliothekssaal liegen die auf der Galerie untergebrachten Be-
stände abends fast ganz im Dunkeln, da die elektrischen Lam-
pen tief herabhängen. Dadurch wird das Ausheben von Bü-
chern auf den Galerien in den Abendstunden sehr erschwert.
Um diesen Übelstand zu beseitigen, stellt die Bibliotheks-
verwaltung ganz ergebenst das Ersuchen, die Kanzleidirektion
wolle veranlassen, dass die notwendige gleichmäßige Erhel-
lung der Bibliotheksräume durch zweckdienliche Anbringung neuer Beleuchtungskörper durchgeführt werde.“198
Personal Während des Ersten Weltkrieges wurde im Parlamentsgebäude zeitweise
ein Spital eingerichtet. Die Parlamentsbibliothek wurde von Dr. Ernst
Lemm, der 1925 Leiter der Bibliothek wurde, vorübergehend zu einer
Spitalsbibliothek umfunktioniert. Was in dieser Zeit mit Merklas, dem Lei-
ter der Bibliothek, und den anderen Angestellten geschah, ist quellenmä-
ßig nicht nachvollziehbar. Zumindest ist festzustellen, dass sie nicht vom
Wehrdienst befreit waren, so dass eine Einberufung zum Kriegsdienst
wahrscheinlich war. Über zwei Mitarbeiter der Parlamentsbibliothek sind
Akten zu finden, die den Bibliotheksbeamten, Dr. Ernst Ritter von Frisch,
197 Czerny, Wilhelm F.: Die Entwicklung der österreichischen Parlamentsadministration, in: Wilhelm F.
Czerny, Parlament und Parteien, Wien 1994, S. 165 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 54.290). 198 Merklas, J. Ladislaus: Brief an die Kanzleidirektion des Abgeordnetenhauses, Nr. 1556 vom 22.
März 1912 (in: Archivschachtel 1k „Bibliothek“).
54
und den Bibliotheksmanipulanten, Rudolf Mahr199, als landsturmpflichtig einstuften.
Zahlreiche Parlamentsangestellte wurden vom Kriegsdienst befreit, da sie
im Falle einer Einberufung des Parlaments 200 als unabkömmlich eingestuft
wurden. Auf diesen Listen waren allerdings keine Bibliotheksangestellten
vermerkt.
Als Ende 1916 das Spital aus dem Parlamentsgebäude auszog, wurde
Lemm in den Monaten Februar bis Mai 1917 vom Dienst in „der Reichs-
ratsbibliothek enthoben, da er die Bibliothek des neu gegründeten Amtes
für Volksernährung einzurichten hatte.“201
Über die Frage, warum gerade Lemm diese führende Position während
des Ersten Weltkrieges innehatte, kann nur spekuliert werden. Merklas
scheint gesundheitliche Probleme gehabt zu haben, da bereits 1908 in ei-
nem Brief von Lipiner auf herausragende Dienste von Frischs während der langen Krankheit von Merklas hingewiesen wurde. Vielleicht wurde
Merklas krankheitsbedingt erneut während der Zeit des Ersten Weltkrie-
ges ersetzt, diesmal durch Lemm.
Im Jahr 1917 verstarb der Bibliotheksdiener, Dionysius Wokaun, im Alter
von 78 Jahren. Da in seinem Personalakt eine Anweisung aufzufinden ist,
in der seine „Monatsentlohnung“ wegen seines Todes eingestellt werden
sollte, kann man davon ausgehen, dass er bis in dieses hohe Alter in der
Parlamentsbibliothek tätig war. Vielleicht wurde seine Arbeitskraft wegen
der personellen Ausfälle, die durch den Krieg entstanden waren, in der
Bibliothek benötigt, so dass er aus dem Ruhestand geholt, beziehungs-
weise nicht in den Ruhestand versetzt wurde.
Im Jahr 1920 wurde die Bibliothekarin Dr. Hilda Rothe als Staatsbiblio-thekspraktikantin in den Bibliotheksdienst übernommen. Frau Dr. Rothe
sollte später die Bibliothek während der NS-Besatzung vor dem Nieder-
gang durch eine eventuelle Verlagerung der Bestände nach Berlin retten.
199 Da Mahr am 12. Januar 1916 starb, kann davon ausgegangen werden, dass er im Kriegsdienst
starb. 200 Durch permanente Obstruktionen der einzelnen ethnischen Gruppen, die gleichzusetzen waren mit
den Parlamentsfraktionen, erfolgte quasi eine „strukturelle Selbstausschaltung“ des Parlaments. Dadurch konnte Ministerpräsident Graf Stürgkh im März 1914 die Session schließen, um ohne Parlament weiterzuregieren. Erst im Mai 1917 wurde durch Kaiser Karl der Reichsrat wieder einbe-rufen. Nach: Schefbeck, Günther: Das Österreichische Parlament, Wien 1996, S. 11 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 56.080).
201 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O., S. 436.
55
Personalhoheit und Amtseid Die Personalhoheit für die Bibliothek lag
lange Zeit nicht in den Händen der
Volksvertretung sondern der jeweils für
die Parlamentsverwaltung zuständigen
Ministerien (meist Innen- oder Justizmi-
nisterium). Personalentscheidungen
wurden zwar oft durch Interventionen
von Parlamentariern beeinflusst, aber
durch Ministerien getroffen, wie Briefe
der Bibliotheksdirektoren zur Personal-
anforderung beweisen202.
„Dass wissenschaftliche Dienste in der Parlamentsadministration zu-
nächst nicht sehr angesehen waren,
beweist ein Akt des Finanzministeri-
ums vom 14. Juli 1907, in welchem
‚Rücksichtlich der vom k.k. Ministe-
rium pro 1908 in Aussicht genom-
menen Einrichtung des … Archivdi-
rektors im Abgeordnetenhaus Josef
Kupka … auf das ho. Visum …’ ver-
wiesen wird; in diesem Visum heißt
es bezüglich ‚der Einrichtung des mit
dem Titel und Charakter eines Re-
gierungsrates bekleideten Archivdi-rektors im Abgeordnetenhaus Josef
Kupka ad personam in der VI. Rang-
klasse, worüber eine abgesonderte
Verhandlung im Zuge ist…’. Sodann
202 Z.B.: Lipiner, Siegfried, Brief an das Präsi-
dium des Abgeordnetenhauses zur Anforde-rung Merklas’. vom 12. Januar 1893 (in: Ar-chivschachtel 1k „Bibliothek“). Das Präsi-dium leitete die Anfragen an das zuständige Ministerium weiter. Meist war dies der In-nenminister, der in den Antwortschreiben Stellung nahm.
aber auch wörtlich: ‚In der zuliegen-
den Note des Präsidiums des Abge-
ordnetenhauses des Reichrates wird
hervorgehoben, dass der derzeitige
Stand der Beamten des Abgeord-
netenhauses trotz der durch die
Wahlreform bewirkten bedeutenden
Vermehrung der Mitgliederzahl des
Abgeordnetenhauses ausreichen
wird. Das Finanzministerium beehrt
sich daher, das…gestellte Ersuchen,
von der d.o. in Aussicht genom me-nen Systematisierung einer Beam-
tenstelle der X. Rangklasse bei der
Reichsratsbibliothek Abstand zu
nehmen, zu wiederholen.’“203
Als Begründung für die lange Zuteilung
der Personalhoheit gerade der Biblio-
thek, aber auch der Gebäudeverwaltung
zu den Ministerien, wurde gerne ange-
führt, dass sich durch das Erfordernis
einer speziellen Ausbildung in diesen
Abteilungen eine Disposition im Krank-
heitsfalle durch ein Ministerium als zent-rale Stelle effizienter durchführen lasse.
Erst nach Beendigung der Monarchie
konnten effektive Maßnahmen durch-
geführt werden, um die personelle Auto-
nomie des Parlaments zu installieren.
Der Kanzleidirektor der Provisorischen
Nationalversammlung, Josef Kupka, ver-
fasste „eine ausführliche Denkschrift
betreffend der ‚Übernahme des Beam-
ten- und Dienstpersonals der Kanzlei
203 Czerny, Wilhelm F.: Parlament und Par-
teien, Wien 1994, S. 177 (Signatur der Par-lamentsbibliothek: 54.290). Dr. Wilhelm F. Czerny war von 1973 – 1989 Parlamentsdi-rektor.
56
des Abgeordnetenhauses’ und jenes für die gemeinsamen Angelegenheiten bei-
der Häuser des Reichsrates in den
Dienst der Provisorischen Nationalver-
sammlung.“204
Die Bediensteten der Parlamentsbiblio-
thek wurden allerdings erst 1971 der
Parlamentsadministration unterstellt, da
sie sich bis zu diesem Zeitpunkt „im
Konkretualstatus aller Bundesbibliothe-
ken unter der obersten Leitung des
Bundesministeriums für Unterricht“205
befanden. Unter dem Konkretualstatus
versteht man den „gemeinsame[n] Per-sonalstand der wissenschaftliche[n]
Bibliotheken“206. Ziel ist die bereits oben
erwähnte „zentrale Dienstzuteilung an
andere Dienststellen ohne den Dienst-
charakter einer Versetzung“207.
Während der Monarchie musste jeder
Parlamentsangestellte, egal ob Beamter
oder Diener, vor Dienstantritt einen
Amtseid ablegen. Ein nach 1867 übli-
cher Text war208:
„Sie werden einen Eid zu Gott dem Allmächtigen schwören und bei Ihrer
Ehre und Treue geloben, S e i n e r
M a j e s t ä t dem Allerdurchlauch-
tigsten Fürsten und Herren F r a n z
J o s e p h d e m E r s t e n, von Gottes
204 Czerny, Wilhelm F.: Parlament und Par-
teien, a.a.O., S. 180. 205 Czerny, Wilhelm F.: Parlament und Par-
teien, a.a.O., S. 182. 206 Mayerhöfer, Josef/Rennhofer, Friedrich:
Studie über Zustand, Probleme und zukünf-tige Entwicklung der wissenschaftlichen Bib-liotheken Österreichs. Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Wien 1974 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 41.658).
207 Ebd. 208 Es gab auch andere Formulierungen.
Gnaden Kaiser von Oesterreich, Kö-nig von Böhmen u.s.w. und Apos -
to l i schen Kön ige von Ungarn
und nach Allerhöchstdenselben den
aus dessen Stamme und Geblüte
nachfolgenden Erben treu und
gehorsam zu sein und die Staats-
grundgesetze unverbrüchlich zu be-
obachten.
Nachdem Sie von dem Herren k.k.
Minister des Innern zum [...] ernannt
worden sind, werden Sie ferners
schwören, die mit diesem Amte ver-
bundenen Pflichten eifrigst zu erfül-len, insbesondere die Ihnen zuge-
wiesenen Geschäfte mit aller Recht-
lichkeit und Sorgfalt nach Ihrem
besten Wissen und Gewissen zu
verrichten, dabei stets nicht nur das
Beste des Dienstes S e i n e r M a -
j e s t ä t und des Staates vor Augen
zu haben, sondern auch Nachteil
und Gefahr nach Kräften abzuwen-
den, den Gesetzen, sowie den ihnen
zukommenden Aufträgen Ihrer Vor-
gesetzten willigen Gehorsam zu leisten und das Dienstgeheimnis treu
zu bewahren.
Auch werden Sie schwören, dass
Sie einer ausländischen, politische
Zwecke verfolgenden Gesellschaft
weder gegenwärtig angehören, noch
einer solchen Gesellschaft in Zukunft
angehören werden.
Was mir soeben vorgelesen worden
und ich in Allem wohl und deutlich
verstanden habe, demselben soll
57
und will ich getreu nachkommen s o w a h r m i r G o t t h e l f e!“209
Auch heute müssen alle Parlaments-
bediensteten eine „Pflichtenangelobung“
ablegen, die allerdings gleichzeitig mit
einer Erklärung zum Datenschutz ver-
knüpft wird. Die heutige Formel lautet:
„PFLICHTENANGELOBUNG
Ich gelobe,
die Gesetze der Republik Österreich
unverbrüchlich zu beobachten,
mich mit ganzer Kraft dem Dienste zu widmen,
meine Dienstobliegenheiten gewis-
senhaft, unparteiisch und uneigen-
nützig zu erfüllen,
jederzeit auf die Wahrung der öffent-
lichen Interessen bedacht zu sein,
die dienstlichen Anordnungen mei-
ner Vorgesetzten zu befolgen,
das Dienstgeheimnis treu zu wahren
und
bei meinem Verhalten in und außer
Dienst mich meiner Stellung ange-messen zu betragen.
209 Aus der Vereidigung von Dr. Ernst Ritter
von Frisch vom 11. Juli 1908 (Hervorhebun-gen im Original)(in: Archivschachtel 1k „Bib-liothek“).
DATENSCHUTZ
Ich habe zur Kenntnis genommen,
dass die mir in Ausübung meines
Dienstes anvertrauten oder zugäng-
lichen Daten nur in Erfüllung der mir übertragenen Aufgaben zu verwen-
den und stets vertraulich zu behan-
deln sind sowie nicht unbefugt be-
schafft oder geoffenbart werden
dürfen.“210
210 Zitiert nach dem offiziellen Formblatt der
Parlamentsdirektion, Stand 2002.
58
6. Die Zwischenkriegszeit unter Dr. Ernst Lemm (1925 – 1933)
Neues
Umfeld Nach dem Ende der Monarchie und der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 wurde die Parlamentsbibliothek mehrere Male umbe-
nannt, analog zu den sich entwickelnden Organen der Volksvertretung.
Erstmals war das Parlament nicht mehr von dem Wohlwollen des Monar-
chen abhängig und konnte sich selbstbewusst als Ausdruck des neuen
Souveräns, des Volkes, sehen. Die Reichsratsbibliothek hieß so zunächst
Bibliothek der Provisorischen Nationalversammlung, anschließend Biblio-
thek der Konstituierenden Nationalversammlung der Republik Deutsch-
Österreich und wurde schließlich zur Bibliothek des Nationalrates. Auffällig
hierbei ist, dass der Bundesrat, obwohl er in der Bundesverfassung von
1920 konstituiert wurde, in die Bezeichnung nicht aufgenommen wurde,
obzwar seine Mitglieder selbstverständlich auch durch die Bibliothek be-
dient wurden. Stickler behauptet, dass formaljuristisch gesehen die Bib-
liothek nur noch den Nationalrat zu bedienen hatte, nicht aber den Bun-desrat.211
Durch den gesellschaftlichen und politischen Wandel212 konnten sich brei-
tere Bevölkerungsschichten an der Macht beteiligen. Daher war es von
besonderer Bedeutung für die Bibliothek, sich in ihren Dienstleistungen,
insbesondere in ihrem Bücherangebot zu wandeln, um den geänderten
Anforderungen der „neuen“ Mandatare gerecht zu werden.
Katalog Im Jahr 1931 begann man in der Bibliothek mit der Erstellung eines
alphabetischen Zettelkataloges durch das Umschreiben des Bandkatalogs
auf Zettel213 im internationalen Karteikartenformat214. Außerdem wurde in
dieser Zeit der Tausch von Parlamentsschriften, der nach dem Krieg wie-
der aktiviert wurde, weiter forciert.
Zum Schluss Aus welchem Grund Dr. Lemm im Jahr 1933 seine Position als Leiter der
Bibliothek aufgab oder verlor, kann anhand der vorliegenden Akten nicht
geklärt werden. Vielleicht waren es persönliche Gründe, die ihn zu einem
Ausscheiden aus dem Bibliotheksdienst bewegten, vielleicht waren es po-
211 Nach: Stickler, Michael: Gustav Blenk 65 Jahre, in: Biblos, Jg. 6, 1, Wien 1957 (Signatur der Parla-
mentsbibliothek: 30.913). 212 Am 16.2.1919 fanden in Österreich erstmals gleiche, freie, direkte, unmittelbare, geheime und
persönliche Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht statt. 213 Dieser Zettelkatalog ist in gescannter und OCR-lesbarer Form als EDV-Katalog 1869 – 1994 das
wichtigste Instrument der Erschließung der Buchbestände vor 1995. 214 Das internationale Zettelformat ist 7,5 x12,5 cm.
59
litische Kräfte, die nach der Machtergreifung der Austrofaschisten auf ihn einwirkten und ihn seines Postens enthoben.
7. Die Parlamentsbibliothek unter der Leitung von
Dr. Richard Fuchs (1933 - 1942)
Zur Person Nachfolger von Dr. Ernst Lemm wurde im Jahr 1933 Dr. Richard Fuchs. Er
gehörte der Parlamentsbibliothek bereits seit 1919 als wissenschaftlicher
Bibliothekar an. Vom 30. November 1933 an leitete er die Bibliothek provi-
sorisch, seit dem 20. Februar 1935 war er definitiv mit der Leitung beauf-
tragt. In einem Brief an den Bundespräsidenten Dr. Adolf Schärf bat die
Witwe des am 5. Mai 1953 verstorbenen Richard Fuchs, Marion Fuchs,
um die nachträgliche Anerkennung des Titels Hofrat „aufgrund seiner
Dienstleistungen im Parlament von 1919 bis 1942“215
Bei dem neuen Bibliotheksleiter handelte es sich um ein hochdekoriertes
Mitglied der Gesellschaft. Er besaß laut österreichischem Amtskalender216
mehrere Kriegsmedaillen, Verdienstmedaillen sowie Auszeichnungen von
Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder dem Malteser Hilfsdienst. Fuchs wurde am 12. Juli 1890 „einer alten österreichischen Beamten- und
Offiziersfamilie entstammend“217 in Wien geboren, promovierte an der Uni-
versität Wien zum Dr. phil. über „Montecuccoli in den Jahren 1660 –
1664“218 und legte seine rechtshistorische Staatsprüfung am 7. Juli 1919
ab. Er trat mit 1. Oktober 1919 in den öffentlichen Dienst ein. Zuerst er-
folgte eine Einstellung als Staatsbibliothekspraktikant in der Parlaments-
bibliothek; diese Anstellung bekam er nach eigenen Angaben „durch den
damaligen Präsidenten Seitz“219. Am 20. Februar 1935 wurde er durch
Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zum Leiter der Bibliothek des „Hauses
der Bundesgesetzgebung“220 bestellt, der er bereits vorher, seit 30.
215 Marion Fuchs an Adolf Schärf, Klagenfurt 17.6.1958, in: Allgemeines Verwaltungsarchiv, Wien,
Unterrichtsministerium Faszikel 704, Personalakt Dr. Richard Fuchs, Studienbibliothek Klagenfurt. 216 Verlag der österreichischen Staatsdruckerei (Hrsg.): Amtskalender 1938, Wien 1938 (Signatur der
Parlamentsbibliothek I-48a/1938). 217 Richard Fuchs an die Sonderkommission I. Instanz beim Bundesministerium für Unterricht. Wien I
zur Rechtfertigung seiner Rolle als NSdAP-Mitglied während des 3. Reichs, in: Allgemeines Ver-waltungsarchiv, Wien, Unterrichtsministerium Faszikel 704, Personalakt Dr. Richard Fuchs, Stu-dienbibliothek Klagenfurt.
218 So der Titel seiner Dissertation an der Universität Wien aus dem Jahre 1917. 219 Richard Fuchs an die Sonderkommission I., a.a.O. 220 Das Parlament existierte seit der Verfassung von 1934 nur noch in stark eingeschränkter Form.
Zwar gab es Gremien, deren einzige Legitimation es war, von der Regierung ernannt worden zu sein. Aus heutiger Sicht kann de facto zu diesem Zeitpunkt von einem Parlament nicht mehr ge-sprochen werden.
60
November 1933 als provisorischer Leiter diente. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und der damit verbundenen Dom i-
nanz der NSdAP waren ihm keine größeren Beförderungen in Wien mehr
vergönnt. Ab 1938 wurde die Übergabe der Parlamentsbibliothek an die
Administrative Bibliothek vorbereitet. Teil dieser Vorbereitungen war der
Beginn der inhaltlichen Erschließung der Bestände durch einen Schlag-
wortkatalog221 im Jahr 1939. Hilda Rothe wurde mit dieser Aufgabe be-
traut. Die rechtliche Vereinigung der Administrativen Bibliothek und der
Parlamentsbibliothek erfolgte zum 1. Mai 1942. Richard Fuchs hatte sich
um die Leitung der Administrativen Bibliothek beworben. Seiner Bewer-
bung wurde allerdings nicht stattgegeben, da ihm „der dienstjüngere Dr.
Oberhummer vorgezogen wurde, der damals schon Pg. [Parteigenosse]
war.“222 Mit 1. Mai 1942 wurde Richard Fuchs mit der Leitung der Studien-
bibliothek Klagenfurt betraut, die er bis zu seinem Tod am 5. Mai 1953, durch plötzliche Gehirnblutung nach einer Dienstbesprechung, innehatte.
Zu seiner späteren Mitgliedschaft in der NSdAP schrieb Fuchs an die zu-
ständige Sonderkommission im Bundeskanzleramt:
„Während meiner Hochschuhlstudien [sic!] war ich bei keiner
Verbindung aktiv, sondern gehörte nur einem Fachverein, dem
Akad. Verein d. Historiker der Univ. Wien an. Ich war von An-
beginn Mitglied der V.F. [Vaterländische Front] und wurde zum
Leiter der Dienststelle ‚Parlament’ bestellt, welchen Posten ich
von 1933 – 1936 bekleidete, um später von Dr. Bernsteiner ab-
gelöst zu werden. Im März 1938 zählte ich zu den vielen Par-
lamentsbeamten, die übernommen wurden.
Da alle, oder fast alle, Kollegen in den verschiedensten Biblio-theken bereits der Partei angehörten, da ich überdies mit mei-
ner Versetzung zu rechnen hatte, die, wie es hieß, nach einer
Begutachtung durch die Partei erfolgt, meldete ich mich im
Oktober 1940 zu derselben. Es gelang mir, jede Mitarbeit in der
Ortsgruppe Brillantengrund, trotz Einschüchterungsversuchen
durch den Leiter, abzuwehren. Das scheint der Grund gewesen
zu sein, warum meine rosa Anwärterkarte mit der Nummer
9,021.705 erst am 4.IX.1943 ausgestellt wurde. Die Zustellung
in Klagenfurt geschah am 3.XI.1944. So kam es, dass die We-
nigsten von meiner Parteiangehörigkeit wussten, weil ich hier
mit keinem Pg. [Parteigenossen] verkehrte, an keinem Appell
221 Zettelkatalog im internationalen Karteikartenformat 7,5 x 12,5 cm 222 Richard Fuchs an die Sonderkommission I., a.a.O.
61
teilnahm und das Abzeichen nur trug, wenn ich einen dienst-lichen Weg hatte.“223
Gerade seine eben zitierte Mitgliedschaft in der Vaterländischen Front von
Beginn an zeigt Fuchs als eine Person, die von ständestaatlichen Prinzi-
pien überzeugt ist und sich gegen die Parteien wendet224, die ja eine zent-
rale Rolle im Parlamentarismus spielen. Umso erstaunlicher ist es aus
heutiger Sicht, dass ein solcher Mann die Bibliothek des Parlaments
schon kurz vor dessen Ausschaltung provisorisch leitete.
Einzige Überlieferung über Fuchs im Dienste der Parlamentsbibliothek ist
ein Satz von Adolf Schärf, den er laut Fuchs’ Gattin in einem Brief vom 19.
August 1947 an ihren Mann richtete: „Natürlich erinnere ich mich an Sie
und an Ihre ausserordentlichen Dienstleistungen in der Parlamentsbiblio-
thek“ 225.
Über seine bibliothekarischen Fähigkeiten gibt eine Beurteilung über seine Tätigkeit in der Studienbibliothek Klagenfurt Auskunft:
„Staatsbibliothekar Dr. R. Fuchs ist sehr gewissenhaft und
kenntnisreich und hat es trotz grosser personeller und räumli-
cher Schwierigkeiten verstanden, die ihm unterstellte Bibl., die
durch d. Einziehung v. Bediensteten zum Kriegsdienst u. über-
eilte Bergungsmaßnahmen zur Zeit der Luftgefahr gelitten hat,
wieder zweckmäßig aufzustellen, ihre moderne Katalogisierung
fortzusetzen u. ihre Schätze durch Belebung des Ausleih- und
Leseverkehrs zu einer gesteigerten Auswertung zu bringen.“226
223 Richard Fuchs an die Sonderkommission I., a.a.O. 224 Dollfuß bekannte in seiner Rede am 11.9.1933: „Die Zugehörigkeit zur VF ist ein Bekenntnis des
Willens zur Mitwirkung am Aufbau unserer Heimat auf christlicher und ständischer Grundlage, ist ein Willensbekenntnis zur Überwindung des Parteienstaates.“ Zit. nach: Tálos, Emmerich/ Manoschek, Walter: Politische Struktur des Austrofaschismus (1934-1938), in: Tálos, Emmerich/ Neugebauer, Wolfgang (Hrsg.): „Austrofaschismus“. Beiträge über Politik, Ökonomie und Kultur 1934 – 1938, 4. Auflage, Wien 1988, S. 98 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-4.389/18,4.A).
225 Marion Fuchs an Adolf Schärf, Klagenfurt 17.6.1958, in: Allgemeines Verwaltungsarchiv, Wien, Unterrichtsministerium Faszikel 704, Personalakt Dr. Richard Fuchs, Studienbibliothek Klagenfurt.
226 Beurteilungsblatt über Dr. Richard Fuchs, in: Allgemeines Verwaltungsarchiv, Wien, Unterrichtsmi-nisterium Faszikel 704, Personalakt Dr. Richard Fuchs, Studienbibliothek Klagenfurt.
62
8. Die Rettung der Bibliothek durch Dr. Hilda Rothe (1942 – 1945)
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und der damit verbundenen endgültigen Auflösung des Parlaments wurde die Bibliothek zwar zum 1. Mai 1942 mit
der Administrativen Bibliothek rechtlich vereinigt, ihre Büchersammlung sollte jedoch de
facto aufgelöst werden. Die damalige Staatsbibliothekarin Dr. Hilda Rothe resümierte:
„Schon meldeten sich verschiedenste Interessenten für jene unersetzlichen
historischen Schriftstücke an, die, wie etwa das Oktoberdiplom oder das
Februarpatent, außer in der Parlamentsbibliothek nur mehr in unseren ersten
Archiven vorhanden sind. Auch für ganze Gebiete der großen Sammlungen
lagen die entsprechenden Anfragen vor.“227
Der deutsche Ministerialrat Dr. Rudolf Kummer, der Reichsreferent für das wis sen-
schaftliche Bibliothekswesen war, stellte als Resultat einer Dienstreise nach Wien am
16. Mai 1944 über die ehemalige Parlamentsbibliothek fest, sie enthalte „zahlreiche
Doppelstücke […], die für den Aufbau zerstörter deutscher [sic!] wis senschaftlicher Bib-liotheken Verwendung finden sollen“228
Da nun kein Parlament mehr existierte, wurde das Parlamentsgebäude „zum Gauhaus
herabgewürdigt“229. In Buchbeständen jener Zeit wurden Stempel mit dem Signum
„Bibliothek Parlamentsgebäude“ eingestempelt. Auffälligerweise sind nationalsozialisti-
sche Werke im Bestand, die den Stempel „Parlamentsbibliothek“ tragen. Falls diese
Stempelung nicht nachträglich, sondern während der Zeit des Nationalsozialismus vor-
genommen worden ist, könnte dies eventuell als ein verhaltener Akt der Emanzipation
gegenüber dem Regime gewertet werden.
Frau Dr. Rothe wurde ab 1. Mai 1942 der Administrativen Bibliothek zugeteilt. Trotzdem
gelang es ihr, täglich einige Stunden Dienst in der „Bibliothek im Parlamentsgebäude“ zu
versehen, um Katalogisierungsarbeiten vorzunehmen.230 Der Name der vereinigten
Bibliothek wurde in Berlin gegeben und sollte nach längeren Streitigkeiten schließlich
„Verwaltungsbibliothek in Wien“ lauten. In die organisatorische Planung oder gar in die Namensgebung für die Bibliotheken in Wien waren österreichische Gesprächspartner
nicht involviert.231 Die Administration der ehemaligen Parlamentsbibliothek wurde der
Verwaltung des Gaues Wien unterstellt.
227 Wiener Zeitung: Parlamentsbibliothek zweimal in Gefahr, Wien 25. November 1956 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 30.581). 228 Zit. nach: Hahn, Gerhard: Die Reichstagsbibliothek zu Berlin – ein Spiegel deutscher Geschichte,
Bonn 1997, S. 621 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.749). 229 Nach: Lösch, Hellmut: Die österreichische Volksvertretung und ihre Bibliothek, a.a.O., S. 204. 230 Blenk, Gustav zit. nach: Wiener Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, Jahrgang 6/1957,
Nr. 42, Wien 1957 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.355). 231 Weitergehend: Hahn, Gerhard: A.a.O., S. 620f.
63
Durch mehrere Vorsprachen und „diplomatisches Verhalten“232 rettete Frau Dr. Rothe die Bibliothek davor, aufgelöst zu werden. Ihr gelang es, durch Verhandlungen den
Termin der Auflösung der Bibliothek in Wien bis zum Kriegsende zu verzögern, was
schlußendlich gleichbedeutend mit der Erhaltung der wertvollen Büchersammlung war.
Zeitzeugen sprechen in ihrem Fall von erfolgreichem passiven Widerstand233.
Während der nationalsozialistischen Zeit sind nach Angaben von Gustav Blenk zwar
einige Bücher aus den Beständen der Parlamentsbibliothek verschwunden234, doch hat
sich der Bestand laut Statistik vermehrt235. Offenbar gab es außerdem Bücher aus
ehemalig jüdischem Besitz, die der Bibliothek einverleibt werden sollten. Es wurden in
der Nachkriegsphase
„viele Bücherkisten, die während des zweiten Weltkrieges in den Kellerräu-
men verstaubt waren, geöffnet und durchgesehen. Oft konnte man an Ei-
gentumsvermerken, Exlibris und Stempelabdrucken den Besitzer dieser eru-
ieren und sein Eigentum an ihn zurückstellen. Unter anderem wurde auch ein kostbarer handgemalter Wandteller aufgefunden. Viele Erkundigungen waren
notwendig, um den ehemaligen Besitzer auszuforschen. Aber große Freude
des Übernehmenden, des Vorstandes der israelitischen Kultusgemeinde236,
ließ jede Mühe vergessen.“237
Diese Überlieferungen, die von zwei ehemaligen Bibliothekarinnen der Parlamentsbib-
liothek stammen, beweisen, dass jüdisches Eigentum, das durch die Nationalsozialisten
entwendet wurde, nach Möglichkeit wieder an die ursprünglichen Besitzer oder deren
Erben zurückgestellt wurde.238
Die zweite Rettung der Bibliothek gelang Frau Dr. Rothe am Ende des Zweiten Welt-
krieges, als russische Soldaten Wien besetzten. Aus ihrem Personalakt geht diesbezüg-
lich folgendes hervor:
„Besondere Verdienste hat sie sich in den Umbruchtagen des Jahres 1945 erworben. Ganz allein auf sich gestellt, war es ihr dank ihres unerschrocke-
nen Eintretens möglich, viele von russischen Soldaten versuchte Übergriffe
abzuwehren. So konnte sie die Parlamentsbibliothek vor unersetzlichen Ver-
lusten bewahren.“
232 Lösch, Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O.,
S. 103. 233 So die Auskunft des ehemaligen Direktors der Parlamentsbibliothek Dr. Stöhr. 234 Nach den Angaben Blenks waren es einige Hunderte. Nach: Blenk, Gustav zit. nach: Wiener
Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, a.a.O. 235 Im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien ist für 1939 ein Bestand von 90.258 Bänden angegeben,
während 1946 114.682 Bände ausgewiesen sind. 236 Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde war von 1952 bis 1963 Dr. Emil Maurer. 237 Ulbing, Erika/ Hodanek, Hilde: Ein Tag und viele in der Parlamentsbibliothek, in: Der öffentlich
Bedienstete, Nr. 1, Jänner 1958 (Signatur der Parlamentsbibliothek: F-754). 238 Über die Rückübereignung des Wandtellers ist laut telefonischer Auskunft der israelitischen
Kultusgemeinde vom 20. Februar 2002 im Auftrag von Mag. Hölbling kein Archivmaterial vorhan-den.
64
Der spätere Leiter der Bibliothek, Dr. Gustav Blenk, schilderte den Sachverhalt folgen-dermaßen:
„Ja, und wissen S’ auch, dass Frau Doktor Rothe die ganze Bibliothek, die
von 1942 bis Kriegsende mit dem Bundeskanzleramt vereinigt war – 1945
ganz allein gegen die Russen gehalten hat? Man kann sich kaum vorstellen,
was das damals geheißen hat, nicht wahr?“239
9. Der Wiederaufbau der Bibliothek unter der Leitung von
Dr. Gustav Blenk (1946 - 1957)
Zur Person Zum ersten Leiter der Bibliothek nach dem Krieg wurde Dr. Gustav Blenk
bestellt, der im Mai 1946 seinen Dienst antrat. Blenk begann seine biblio-
thekarische Ausbildung in der Österreichischen Nationalbibliothek im Jahr
1926. Bis zu seiner Zwangspensionierung während der NS-Zeit war er an
verschiedenen Bibliotheken tätig. Blenk war nicht nur begeisterter Wis-
senschafter und Historiker, was ein im Nachlass aufgefundenes fünfbän-
diges Manuskript über die Geschichte Österreichs beweist, sondern auch
mit Leib und Seele Gewerkschafter. Bereits während der Ersten Republik schrieb er regelmäßig Artikel für verschiedene Gewerkschaftsblätter. Auch
in der Nachkriegszeit nahm er seine gewerkschaftliche Tätigkeit wieder
auf und wurde nebenberuflich Pressereferent. Allerdings ist es schwer
vorstellbar, diese Masse an Artikeln, Nachrufen und Biographien, die in
seinem Nachlass überliefert wurden240, in einer nebenberuflichen Tätigkeit
zu erstellen.
Besonders hervorzuheben ist, dass während der Amtszeit Blenks eine
große Anzahl an Zeitungsartikeln über die Bibliothek des Nationalrates er-
schien. Die guten Pressekontakte, die Blenk in seiner Funktion als ge-
werkschaftlicher Pressesprecher hatte, nutzte er für eine ambitionierte
Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek. Blenk war auch noch während seiner
Zeit als Bibliotheksdirektor verantwortlicher Redakteur für die Zeitung „Der
öffentlich Bedienstete“ der Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten241. Von dem Verbot der politischen Aktivität, wie es noch zu Zeiten Renners
bestand, ist unter Blenk nichts mehr zu beobachten.
239 Blenk, Gustav zit. nach: Wiener Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, a.a.O. 240 Sein Nachlass, eine Sammlung aus Artikeln, Nachrufen und Biographien befindet sich in der Parla-
mentsbibliothek, konnte allerdings aus personellen Gründen noch nicht im Detail aufgearbeitet wer-den.
241 Heute: Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (GÖD).
65
Personal Dr. Hilda Rothe wurde wieder in der Parlamentsbibliothek eingestellt, wo sie bis zu ihrer vorzeitigen, krankheitsbedingten Pensionierung im Jahr
1956 blieb. Trotz ihrer Verdienste und ihres akademischen Studiums blieb
sie in der Verwendungsgruppe B242 eingestuft. Aufgeschlossener gegen-
über Frauen in Führungspositionen scheint die Administrative Bibliothek
des Bundeskanzleramtes gewesen zu sein, denn bereits 1957 wurde Dr.
Maria Matt, mit der Leitung der Bibliothek im Bundeskanzleramt betraut243.
Bestände Blenk versuchte, die Parlamentsbibliothek von einer reinen Fachbibliothek
zu einer Allgemeinbibliothek zu wandeln. In den Nachkriegsjahren wurden
daher große Mengen an belletristischen Büchern angeschafft. Bereits
nach etwa zehn Jahren umfasste der Bibliotheksbestand etwa 10.000
belletristische Schriften neben den etwa 130.000 Fachbüchern. Als Be-
gründung gab Blenk an:
„Ein bissel Belletristik muss natürlich auch da sein. Denn die Abgeordneten interessieren sich für alles, sie sind sehr fleißig
und schlagen überall nach.“244
Nicht nur Belletristik, sondern auch „Standardwerke, die für den Betrieb
einer wissenschaftlichen Bibliothek unentbehrlich sind und deren Ankauf
bisher vernachlässigt worden war, wurden nun laufend angeschafft.“245
Ebenso wurden „wertvolle ausländische Werke erworben und hiermit die
kriegsbedingten Lücken zumindest teilweise wieder geschlossen“246. Auch
der Bestand an Zeitungen und Zeitschriften wurde unter Blenk kontinuier-
lich erhöht247. Dies führte dazu, dass man im Jahr 1956 begann,
Dokumentationen aus Zeitungen und Zeitschriften zu erstellen248. Diese
Dokumentationstätigkeit erfolgte von 1956 bis 1975 im Rahmen der Bib-
liothek, 1975 wurde die Auswertung von Zeitungsartikeln und Zeitschriften aus der Bibliothek ausgegliedert und die Abteilung „Literaturdokumenta-
tion“ geschaffen249. Ebenfalls ein Novum in der Bibliothek war der Beginn
einer Plakat- und Flugschriftensammlung, die allerdings aufgrund der
knappen personellen Ressourcen ein Torso blieb und 1993 an die Flug-
blätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung der Österreichischen National-
242 Die Verwendungsgruppe B gilt für Maturanten. 243 Vgl.: Ternyak, Heidemarie: Die Administrative Bibliothek und Österreichische Rechtdokumentation
im Bundeskanzleramt, a.a.O., S. 58f. sowie Lösch, Hellmut: Die Administrative Bibliothek im Bun-deskanzleramt, in: Der öffentlich Bedienstete, Nr. 3, Wien März 1964, S. 12f.
244 Zit. nach: Wiener Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, a.a.O. 245 Stickler, Michael: Gustav Blenk 65 Jahre, a.a.O. 246 Lösch, Hellmut: Die österreichische Volksvertretung und ihre Bibliothek, a.a.O., S. 204. 247 Der Bestand an Zeitschriften in den Jahren direkt nach dem Krieg wurde offenbar sehr großzügig
gemessen. Realistisch scheint der Stand von 1950 mit 186 vollständigen Zeitschriftenreihen. 248 Nach: Lösch Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart,
a.a.O., S. 103. 249 Ebd. S. 57.
66
bibliothek abgegeben wurde250. Die Tauschpartner für Parlamentsschriften werden im Jahr 1956 mit 16 ausländischen Parlamenten beziffert251.
Wieder-
aufbau Was die bauliche Entwicklung der Parlamentsbibliothek betrifft, gab es
unter der Leitung Blenks mehrere markante Entwic klungspunkte. „Wegen
der schweren Kriegsschäden konnte die Wiederaufnahme des vollen
Dienstbetriebes und ein weiterer Ausbau erst ab 1946 erfolgen“.252 Im
Jahr 1946 wurde sogar von einer Erweiterung der Bibliothek gesprochen.
Die Renovierung des Parlamentsgebäudes nach den Bombentreffern im
Zweiten Weltkrieg dauerte zehn Jahre. Es ist denkbar, dass der Bibliothek
Räumlichkeiten früherer Klubs zugestanden wurden, da zum Ende der
Ersten Republik fünf Parteien im Parlament existierten253, während zu Be-
ginn der Zweiten Republik 1945 lediglich drei und 1946 vier Parteien im
Parlament vertreten waren254. Die erste wirkliche Erweiterung der Bibliothek in der Nachkriegszeit er-
folgte ab Anfang 1958. In den Nischen, die zwischen den Holzregalen im
heutigen Mittelmagazin existierten, und in denen früher die Beamten ihre
Büros hatten, wurden Stahlregale aufgestellt, um so die Platznot weitest-
gehend zu beseitigen. Mit seiner Prophezeiung, dass „wir dann [damit] für
die nächsten hundert Jahre wieder Ruhe“255 haben, sollte sich Blenk aller-
dings irren.
Blenk blieb lediglich die Planung der umfangreichen Umbaumaßnahmen,
denn er wurde zum 31. Dezember 1957 pensioniert und konnte so die tat-
sächlichen Umbauten nicht mehr persönlich leiten. Nach seiner Pensionie-
rung frönte er weiter seiner journalistischen Leidenschaft.
250 Heute sind die Plakate zu den Nationalratswahlen der Ersten Republik wieder in der Bibliothek
durch eine CD-ROM einsehbar. Kulturmanufaktur: Kampf der Symbole: Plakate zu den National-ratswahlen. 1. Republik Österreich (Signatur der Parlamentsbibliothek: 62.863, CD).
251 Nach: Wiener Zeitung: Die erste politische Bücherei Österreichs. Die Bibliothek des Nationalrates, Wien 4. März 1956 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 30.031).
252 Fiedler, Rudolf: Das Bibliothekswesen Österreichs vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, in: Dressler, Fridolin/Liebers, Gerhard (Hrsg.): Elemente des Buch- und Bibliothekswesens. Band 7. Die Bibliotheken Österreichs in Vergangenheit und Gegenwart, Wiesbaden 1980 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-4.440/7).
253 1930: 5 Parteien im Parlament, nach: Tálos, Emmerich/Dachs, Herbert et al. (Hrsg.): Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918 – 1933, Wien 1995, S. 149 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.185).
254 Nach: Dachs, Herbert/Gerlich, Peter et al. (Hrsg.): Handbuch des politischen Systems Österreichs. Die Zweite Republik, a.a.O., S. 224.
255 Zit. nach: Wiener Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, a.a.O.
67
10. Die Bibliothekserweiterung unter Dr. Michael Stickler
(1958 – 1974)
Zur Person Dr. Michael Stickler, der nach der Pensionierung von Dr. Hilda Rothe
seinen Dienst in der Bibliothek des Nationalrates begann, wurde bereits
Anfang des Jahres 1958 als Nachfolger von Dr. Gustav Blenk zum Leiter
der Bibliothek berufen. Sein Amtsantritt als Leiter kam gerade in einer wichtigen Erweiterungsphase der Bibliothek. Es wurden ihm daher sofort
große Leistungen abverlangt.
Dr. Michael Stickler256 veröffentlichte mehrere Schriften zu bibliothekari-
schen Themen, so unter anderem über die Geschichte der Volksbücherei-
bewegung257, über die Nationalbibliothek258 und später auch über die
Parlamentsbibliothek259.
Organisations-
änderung und
Personal Als neuer Bibliothekar wurde Dr. Hellmut Lösch260 Mitte Februar 1958 in
die Bibliothek des Nationalrates aufgenommen. Er verfasste später selbst
wichtige Studien über die Entwicklung der Parlamentsbibliothek261.
Dem Tätigkeitsbereich der Bibliothek wurde im Jahr 1961 auch das Archiv zugeordnet. Das belegt eine Aufzeichnung Sticklers: „Über Anordnung
des Parlamentsdirektors Dr. Rosiczky übernimmt die Bibliothek das Ar-
chiv. Fr. Dr. Helbok wird die Ordnung des Archivs einstweilen übertra-
gen.“262
Später wird Stickler wegen der zusätzlichen Belastung einen neuen Pos-
ten263 für die Bibliothek beantragen, und Ende März 1963264 auch bewilligt
bekommen.
Zu jener Zeit drehte sich das Personal-Karusell unter den großen Wiener
Bibliotheken, was folgende Aufzeichnung vom Juni 1962 bestätigt:
256 Interessant ist, dass der Bruder von Dr. Michael Stickler, Dr. Alfons Stickler, ebenfalls Bibliothekar
war und im Rang eines Kardinal-Erzbischofs Präfekt der Vatikanischen Bibliothek war. 257 Stickler, Michael: Die österreichische Volksbüchereibewegung. Kurze Geschichte und gegenwärti-
ger Stand, in: Biblos, Jg 3, 1954 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 32.079). 258 Stickler, Michael: Die österreichische Nationalbibliothek, in: Der öffentliche Bedienstete, Septem-
ber/Oktober Nr. 9/10, Wien 1957 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.128). 259 Stickler, Michael: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, a.a.O. 260 Dr. Lösch war bei Eintritt in die Bibliothek Dr. phil. nach einem Studium der Anglistik und Psycholo-
gie. Im Jahre 1963 schloss er ein Studium der Rechtswissenschaft mit dem Titel Dr. iur. ab. Einen weiteren Doktortitel erwarb er nach dem Romanistikstudium.
261 Lösch Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O., Lösch, Hellmut: Die österreichische Volksvertretung und ihre Bibliothek, a.a.O.
262 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 263 B-Posten. 264 Der Posten wurde eigentlich bereits früher bewilligt, doch wegen eines bevorstehenden Wahlter-
mins musste eine Bestätigung des vorläufigen Budgets durch die neue Parlamentsmehrheit abge-wartet werden.
68
„Am 1. IV. kam Dr. Lösch (UB) [Universitätsbibliothek] von der Bibl[iothek] weg u[nd] wurde vom Parlament übernommen265. An
seine Stelle kam Dr. Th. Stöhr vom Abschreibeteam der ÖNB
[Österreichische Nationalbibliothek]. Vorübergehend war für die
zur ÖNB versetzte Frau Ulbing (B) Frl. Stark (b) von der ÖNB
zugeteilt. Sie musste, weil keine Stelle in der Bibl[iothek] d[es]
NR. [Nationalrates] frei war, an die Univ[ersitäts] B[ibliothek]-
Wien.“266
Räumlich-
keiten Die Bestückung des Magazins mit Stahlstellagen wurde noch von Dr.
Blenk in die Wege geleitet. Die Kosten betrugen etwa 130.000 ATS und
waren offenbar nur schwer aufzubringen. Stickler schrieb später: „HR Dr.
Blenk hatte sich mehr als ein Jahr bemüht, die Geldmittel dafür freizube-
kommen.“267 Die drei Büroräume hinter dem heutigen Zimmer der Biblio-theksleiterin waren offenbar zu jener Zeit noch ein großer und ein kleiner
Raum. Der große Raum war lediglich durch Holzstellagen getrennt, in de-
ren Nischen die Bibliotheksangestellten ihre Arbeitsplätze hatten. Denn
Stickler bemerkte am 30. September: „Die Räume hinter dem Chefzimmer
haben Heizungskörper, neue Beleuchtung, sind ausgemalt u[nd] die Tren-
nungswände samt den festen Holzregalen sind wieder aufgestellt.268
Ferner wurde während des Umbaus in einem neu errichteten Kellerraum,
der mit einem Aufzug zugänglich gemacht werden sollte, ein Dubletten-
archiv eingerichtet.269 Um welchen Keller, und vor allem um welchen Auf-
zug es sich handeln sollte, kann nicht geklärt werden. In einem Bauplan
des Parlamentsgebäudes um 1960 ist nämlich in den Räumlichkeiten der
Bibliothek kein Aufzug verzeichnet. Der Gang, der entlang der Bibliotheksräumlichkeiten liegt, wurde soweit
möglich mit Wertheim-Stellagen ausgestattet, um ebenfalls als Magazin
benutzt werden zu können.270 Offenbar wurde dieser Gang bereits vorher,
vielleicht seit 1946, als Bücherspeicher verwendet.271 So wurden zu jener
265 DDDr. Lösch teilte hiezu mit: Ende März 1962 wurde Dr. Lösch von der Parlamentsdirektion (im
engeren Sinn) übernommen und beendete hiermit seine (unmittelbare) Tätigkeit in der Parlaments-bibliothek (Feb. 1958 bis März 1962).
266 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 267 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 268 Ebd. 269 „Das Magazin f[ür] die Doubletten, Belletristik u[nd] Zeitschriften ist fertig bis auf kleinere Arbeiten
wie Einbau des Aufzuges u[nd] Bodenbelag.“ In: Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O.
270 Aufzeichnung Sticklers vom 24. April 1961, in: Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O.
271 „Entfernung der Holzstellagen im Bibliotheksgang und Aufstellung von zwei Etagen Wertheim Stahlregale[n] (Periodika, Platzgewinnung)“ aus: Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O., Eintrag vom 30. Oktober 1968.
69
Zeit sowohl im Mittelmagazin als auch im Gangmagazin Zwischendecken eingezogen und Stahlregale aufgestellt, um die hohen Räumlichkeiten für
den täglichen Gebrauch besser zugänglich zu machen.
Bestände Durch die Errichtung der Stellagen war eine Neuaufstellung der Buch-
bestände nötig, um den Nummerus Currens272 nicht zu unterbrechen. Die
Gelegenheit wurde zu einer vollständigen Revision der Bestände genutzt.
Stickler resümiert:
„An jedem Arbeitstag wird in der Zeit von 10 – 13 h, falls an die-
sem Tag keine Haussitzung stattfindet, daran gearbeitet. Es ste-
hen 2 Rein[igungs-] Frauen des Parlaments zum Ab wischen der
Bücher u. Reinigen der Stellagen zur Verfügung. Aus dem bib-
liothekseigenem [sic!] Personal sind 1 Aufseher (R. Salak) u[nd]
3 Bibliothekare (Dr. Helbok, Hodanek, Ulbing)273 je eine Stunde
für die Arbeit zur Verfügung. An Hand des Standortkatalogs wird das tatsächliche Vorhandensein des Buches überprüft. Der 2.
Arbeitsgang ist die Überprüfung der Aufnahme in den Katalogen.
Zusätzlich wird damit eine genaue Bücherzählung durchgeführt.
Die normale Bibl.-Arbeit wie Lesesaaldienst, Erwerbung, Be-
schreibung, Zeitschriften etc. muss ungestört weiterlaufen.“274
Als Arbeitstempo stellt Stickler fest, dass an einem Tag „ca. 4 – 500 Bü-
cher neu aufgestellt werden können“275, was eine Dauer der Revision von
etwa 300 bis 350 Tagen ergab. Auch in den Aufzeichnungen zu dieser
Revision werden wieder NS-Bestände erwähnt:
„Die NS-Bestände, die bis jetzt zusammen in einen großen
Raum des 2. Stockes verlagert waren, werden nun wieder an ih-
rem normalen Standort aufgestellt.“276 Die genaue Zählung des Bestandes ergab exakt 156.393 Bände277.
Katalog Durch die Revision 1958 wurden auch einige Veränderungen im Katalog
vorgenommen. So vermerkt Stickler am 17. März 1960:
„Durch Generationen hindurch wurde der Schlagwortkat[alog]
geführt u[nd] verschiedenes, das zu grobe Verstöße aufwies,
musste während des Anlegens umgeschrieben u[nd] neu geord-
net werden.“278
272 Die fortlaufende Vergabe der Signaturen wird als Nummerus Currens bezeichnet. 273 Rudolf Salak, Dr. Claudia Helbok, Hilde Hodanek, Erika Ulbing. 274 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 275 Ebd. 276 Ebd. 277 „Bestand (1. Zählung beendet 1959) 156.393 Bde“, aus: Stickler, Michael: Handschriftliche
Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O., Eintrag vom Wien 30. Oktober 1968. 278 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O.
70
Bilanz Stickler war nach seinen ersten zehn Jahren Dienstzeit vom Parla-mentsvizedirektor Dr. Neumaier aufgefordert worden, einen Tätigkeitsbe-
richt abzuliefern. Dieser stellt tabellarisch eine gute Übersicht der Tätig-
keiten und Innovationen dar und soll daher an dieser Stelle zitiert werden:
„Nach Fertigstellung des Hauptmagazins (Stahlregale) im April
58 Revision der Bestände und genaue Zählung
Dazu genaue Kontrolle des Autorenkataloges
Bau- u. Einrichtung des Katalogzimmers (Alter Luftschacht)
Wertheimschränke für Schlagwort- und Dokumentationskatalog
Neue Schränke für den systematischen Katalog
Entfernung der Holzstellagen im Bibliotheksgang und Aufstellung
von zwei Etagen Wertheim Stahlregale (Periodika, Platzgewin-
nung)
Lesesaal neue Beleuchtungskörper von der Decke u. bei jedem Tisch
Im Zeitschriftenzimmer Aufstellung neuer Ladenregale aus Stahl
Unterteilung der einst als Wohnzimmer dienenden Räume hinter
dem Chefzimmer zu drei Arbeitsräumen. Neue Beleuchtung u.
Heizkörper.
Herstellung eines Schlagwortregisters
Einführung des Laufzettels für Neuerwerbungen
Nach Fertigstellung der Bauarbeiten u. der Magazine Neuauf-
stellung im Lesesaal, den Arbeitsräumen u. des Periodikamaga-
zins am Gang. Ebenso Doubletten- und Zeitungsmagazin.
Mitbetreuung des Archivs (Dr. Helbok)
Signieren mit Signiermaschine Verstärkung der Dokumentation f. alle einschlägigen Zeitschrif-
ten
Einführung d. genauen täglichen Statistik u. Meldung der aus-
führlichen Jahresstatistik nach dem vom BmfU verlangten Form-
blatt
Aufnahme von Briefverkehr, Fühlungnahme u. Zusammenarbeit
mit der Sektion Parlamentsbibliotheken d. IFLA (Internat.
Federation of Library Association)
Einführung der Planatolbindungen zur Verbilligung der Buchbin-
derarbeiten u. verstärkte Bindung f. die Bibliothek
71
Bestand (1. Zählung beendet 1959) 156.393 Bde Bestand (30. September 1968) 181.836 Bde“279.
Dr. Michael Stickler versah seine Aufgaben in der Parlamentsbibliothek
bis zu seiner Pensionierung am 31. Dezember 1974. Er verstarb am 23.
Dezember 1981.
11. Geschichtsforschung unter Dr. Theodor Stöhr (1975 – 1991)
Zur Person Dr. Theodor Stöhr wurde mit Januar 1975 als Nachfolger von Dr. Michael
Stickler bestellt. Stöhr arbeitete bereits seit 13 Jahren in der Parlaments-
bibliothek, denn in einer Au fzeichnung aus dem Jahr 1962 berichtete
Stickler: „Am 26. Oktober konnte Dr. Stöhr melden, dass der systemati-
sche Katalog fertig eingelegt ist“.280 Der Dienstantritt von Dr. Stöhr in der
Parlamentsbibliothek erfolgte am 2. April 1962. Dr. Stöhr hatte sich sehr intensiv mit der historischen Aufarbeitung der in
der Bibliothek vorhandenen Literatur beschäftigt. So gab er unter anderem
ein Werk heraus, in dem er die ältesten Bücher der Parlamentsbibliothek
beschrieb281. Weiters arbeitete er das Schrifttum zum österreichischen
Parlamentarismus 282 bibliographisch auf und beschäftigte sich mit den
Nationalratsabgeordneten seit 1918283.
Organisations-
änderung Gleich zu Beginn der Amtszeit von Dr. Theodor Stöhr als Leiter der Parla-
mentsbibliothek wurde eine Neueinteilung der Dienstbereiche vorgenom-
men. „Im Zuge einer Reform der Geschäftseinteilung der Parlamentsdi-
rektion“284 zum 1. Mai 1975, war es, angelehnt an das Vorbild des Deut-
schen Bundestages, ein besonderes Anliegen des Parlamentsdirektors
Dr. Wilhelm F. Czerny, den parlamentarisch-wissenschaftlichen Dienst zu schaffen. Dieser Dienst war nun offiziell ein gemeinsamer Dienst für den
279 Stickler, Michael: [Tätigkeiten innerhalb der ersten 10 Dienstjahre], a.a.O. Die zitierte IFLA steht für
International Federation of Library Associations and Institutions. 280 Stickler, Michael: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, a.a.O. 281 Stöhr, Theodor: Die ältesten Druckwerke und die Handschriften der Parlamentsbibliothek, in:
Biblos, Jg 28, 3, Wien 1979, S. 206 ff. (Signatur der Parlamentsbibliothek: 45.533). 282 Böck, Brigitte/Stöhr, Theodor: Schrifttum zum österreichischen Parlamentarismus 1848 – 1980:
aus den Beständen der Parlamentsbibliothek, Wien 1980 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 53.480).
283 Parlamentsdirektion (Hrsg) [Stickler, Michael/Stöhr, Theodor]: Parteifreie Abgeordnete, in: Die Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat 1918 – 1975 und die Mitglieder des österreichi-schen Bundesrates 1920 – 1975, Wien 1981 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 46.733).
72
Nationalrat und den Bundesrat285 und gliederte sich in die Bereiche „Information und Publikation“, „Bibliothek“, „Archiv“, „Literaturdokumenta-
tion“, „Dokumentation der parlamentarischen Materialien und Statistik so-
wie Erfassung spezieller Daten aus den Protokollen und dem Bundesge-
setzblatt“.286
Die neuen Aufgaben der österreichischen Parlamentsbibliothek beschreibt
der Österreichische Amtskalender wie folgt: „Planung; Erwerb; Katalogi-
sierung; Dublettenbearbeitung; Tauschverkehr; Aus kunftsverkehr; Leser-
betreuung; Entlehnung einschließlich Fernleihe“287.
Im Zuge dieser Umstrukturierung der Parlamentsdirektion wurde die hän-
dische Dokumentation von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln nicht mehr
in der Bibliothek vorgenommen, sondern der neu geschaffenen Abteilung
„Literaturdokumentation“ übertragen, die sich personell aus ehemaligen
Mitarbeitern der Bibliothek zusammensetzte. So erfolgte die Schaffung ei-ner neuen Abteilung zwar „ohne eigentliche Personalvermehrung“288, aber
mit deutlicher personeller Schwächung der Bibliothek.
Räumlich-
keiten Trotz der Umbaumaßnahmen unter Stickler scheint die Bibliothek nicht auf
dem neuesten Stand gewesen zu sein. „Die Presse“ berichtete:
„Völlig veraltet - und daher auch kaum frequentiert - ist nach
Ansicht der Mandatare die Bibliothek. Hier könnte noch ein
k.u.k. Parlamentsbeamter289 überleben, ohne dass man ihn bis
dato bemerkt hätte.“290
Auf der anderen Seite belegt eine Widmung eines zufriedenen Nutzers,
dass die Bibliothek zur vollsten Zufriedenheit ihrer Benutzer arbeitete:
284 Lösch, Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O.,
S. 103. 285 Interessant ist, dass in der Nachkriegszeit die offizielle Bezeichnung der Parlamentsbibliothek
„Bibliothek des Nationalrates“ war, was zumindest nach dem Wortlaut eine Benutzung des Bundes-rates nicht implizierte, de facto war eine solche aber natürlich trotzdem vorgesehen.
286 Nach: Lösch Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O., S. 103. Interessant ist, dass im Deutschen Bundestag Anfang der 70er Jahre bereits eine „Gruppe Datenverarbeitung“ als Teil des Wissenschaftlichen Dienstes aufgebaut wurde. Vgl. Matt-hes, Heinz: A.a.O., S. 82.
287 Verlag der österreichischen Staatsdruckerei (Hrsg.): Amtskalender 1975/76, Wien 1975, S. 11 (Signatur der Parlamentsbibliothek I-48/1975).
288 Nach: Lösch Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O., S. 104.
289 Natürlich ging es dem Journalisten um das mit k.u.k. verbundene Bild, doch müsste es richtig hei-ßen k.k. Parlamentsbeamter, da seit dem Aus gleich 1867 beide Reichshälften ihre eigene Volksvertretung besaßen, existierte kein gemeinsamer Parlamentsbeamter.
290 Die Presse: Das hohe Haus wird zur Baustelle. Zum alljährlichen Sommerputz gesellt sich heuer ein Ausbauprogramm, Wien 19./20. Juli 1975.
73
„Wäre die Gesetzgebung im Parlament so geführt wie die Par-lamentsbibliothek – es wäre Österreich unvorstellbar schöner!
Ein beglückter Bibliotheksbenutzer Herbert Haller“291.
Seit Beginn der 1970er Jahre wurden auch Kellerräume zu Büchermaga-
zinen ausgebaut. Um die Kellermagazine an der Wendeltreppe auch für
größere Bücherbestände zugänglich zu machen, wurde im Jahr 1982 ein
Lastenaufzug eingerichtet. Das bis heute größte Kellermagazin, ausges-
tattet mit Kompaktregalen, wurde 1979/80 fertiggestellt, allerdings nicht
besiedelt. Diese Stellflächen waren ursprünglich als „Ausweichquartier“ für
jene Bücher gedacht, die beim Bau eines Tiefspeichers unter dem Park-
platz Reichsratstraße 2 von ihrem Standplatz zu verlagern gewesen wä-
ren. Trotz der Erstellung von Einreichplänen für dieses Projekt durch das
Architektenteam Stein – Gschlacht konnte dieses Bauvorhaben bis heute
nicht realisiert werden, weshalb das lange freigehaltene Kellermagazin seit 1992 benutzt wird.
Katalog Unter der Leitung Stöhrs wurde seit Beginn der 1990er Jahre die regelmä-
ßige Herausgabe eines Zuwachsverzeichnisses wiederaufgenommen.
Diese Neuerwerbungslisten werden an alle Abgeordneten des National-
rates, an die Mitglieder des Bundesrates, an die österreichischen Mi tglie-
der des Europäischen Parlaments sowie die Mitarbeiter der Parlamentsdi-
rektion und der Parlamentsklubs versendet. Dieses Zuwachsverzeichnis
erscheint sechs Mal jährlich und beinhaltet eine Übersicht über besonders
interessante Neuanschaffungen.292
Bestände „Aufgrund des Bibliotheksberichtes 1984 betrug der
Bestand der Parlamentsbibliothek am 31. Dezember 1984
237.096 Bände sowie mehr als 900 Periodika. Im Berichts-jahr wurden insgesamt 1.179.219 ATS293 für die Bestands-
vermehrung und –pflege ausgegeben“294.
Über die Aufnahme von Büchern in die Bibliothek wurde in den achtziger
Jahren noch in Beschaffungssitzungen der A-Bediensteten der Bibliothek
entschieden, heute wird diese Aufgabe durch die Leiterin der Bibliothek
wahrgenommen.295
Noch während der Leitung Sticklers erschien ein Zeitungsartikel, der sehr
reißerisch auf die belletristischen Werke in der Parlamentsbibliothek hin-
291 Haller, Herbert: Hans Kelsen – Schöpfer der Verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfung? Wien
1977 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-3973/1,4). 292 Die Auflage liegt bei 400 Stück. Mittlerweile kann die Neuerwerbungsliste auch im Internet
eingesehen werden und wird auch als E-Mail verschickt. 293 1€ = 13,7603 ATS 294 Lösch, Hellmut: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, a.a.O.,
S. 104.
74
wies. Unter dem Titel „Schmutz und Schund im Hohen Haus“296 wird von Kriminalromanen und Aufklärungsbüchern gesprochen, die unter dem
Tisch verliehen worden sein sollen. Allerdings zeigt der besagte Artikel et-
liche Schwachstellen in der Recherche. Tatsache ist, dass eine Auswahl
belletristischer Werke in einer Stellage im Lesesaal ausgestellt war, der
gesamte Bestand an Belletristik war durch einen separaten Katalog er-
schlossen. Dr. Stöhr waren die belletristischen Werke ein besonderes An-
liegen.
Innovation
Mikrofiches Bereits 1984 wurde aus konservatorischen Gründen mit der Mikr overfi-
chung der österreichischen Parlamentsschriften begonnen, die im Jahr
1990 abgeschlossen werden konnte.297 So sind nun die stenographischen
Protokolle der „Sitzungen des Hauses der Abgeordneten und des Herren-
hauses des Reichsrates 1861 – 1918, über die Sitzungen der Provisori-schen und Konstituierenden Nationalversammlung sowie über die Sitzun-
gen des Nationalrates und des Bundesrates der Republik Österreich 1920
– 1934“298 zusätzlich zur Papierausgabe auch auf Mikrofiches vorhanden
und mittels eines Reader-Printers299 einseh- und ausdruckbar.300
Jubiläum Am 18. Mai 1990 fand unter der gemeinsamen Leitung von Dr. Stöhr und
seiner Stellvertreterin und späteren Nachfolgerin Dr. Dietrich-Schulz eine
Festveranstaltung im Lesesaal der Parlamentsbibliothek statt. Zu dieser
Festveranstaltung zum 121. Jahrestag der Gründung der Bibliothek wurde
feierlich die Signatur 50.000 an die von Alois Mock und Herbert Scham-
beck herausgegebene Festschrift für Rudolf Kirchschläger „Verantwortung
in unserer Zeit“301 vergeben.
„Zu der Feierstunde im Lesesaal der Parlamentsbibliothek wa-ren prominente Persönlichkeiten des politischen Lebens, an
der Spitze Altbundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger, wei-
295 Laut Dr. Stöhr wurden die Beschaffungssitzungen zum Teil zu Diskussionen mit Abgeordneten
genutzt, in denen gegenseitige Wünsche geäußert wurden. 296 Die Wochenpresse: Schmutz und Schund im hohen Haus, Nr. 20, 17. Mai 1972. 297 Vgl.: Dietrich-Schulz, Elisabeth: Neues aus der Parlamentsbibliothek: Mikrofiche-Ausgaben der
stenographischen Protokolle des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses des Reichsrates im Handel, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare. Nr. 43, 1, Wien 1990, S. 92ff.
298 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, Der Weg von einer traditionellen Bibliothek zu einem EDV-unterstützten Informationszentrum, in: Dugall, Berndt (Hrsg.): ABI-Technik 16 Nr. 2, Wiesbaden 1996, S. 139 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-4.599).
299 Mittels des Reader-Printers können Microfiches eingesehen und bei Bedarf zugleich auch ausge-druckt werden.
300 Die Mikrofiche-Ausgaben der österreichischen stenographischen Protokolle 1861 – 1934 werden zudem vertrieben und erzielen so Erlöse für das Parlament.
75
ters aus bedeutenden wissenschaftlichen Bibliotheken und der Vereinigung österreichischer Bibliothekare, Vertreter von Ver-
lagen und des Buchhandels sowie Journalisten erschienen“302.
Festredner waren der Präsident des Nationalrates, Rudolf Pöder, die Ge-
neraldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek und Präsidentin der
Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Dr.
Magda Strebl, und der Leiter der Parlamentsbibliothek, Dr. Theodor Stöhr.
Einer der Höhepunkte der Festveranstaltung war die Lesung aus Karl
Renners Autobiographie „An der Wende zweier Zeiten“ durch Dr.
Elisabeth Dietrich-Schulz.
301 Mock, Alois/Schambeck, Herbert (Hrsg.): Verantwortung in unserer Zeit. Festschrift für Rudolf
Kirchschläger, Wien 1990 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 50.000). 302 Dietrich-Schulz, Elisabeth: Zu Karl Renner: „An der Wende zweier Zeiten“ und einer Festveranstal-
tung in der Parlamentsbibliothek, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarin-nen & Bibliothekare. Nr. 43, 4, Wien 1990, S. 57f (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-275).
76
Mediengesetz
Eine große Neuerung für die Bibliothek
brachte die Novelle des Mediengesetzes
vom 12. Juni 1981303. Damit wurde die
Parlamentsbibliothek analog zur Admi-
nistrativen Bibliothek des Bundeskanz-
leramtes in die Liste der Bibliotheken
aufgenommen, die Freiexemplare der in Österreich verlegten oder gedruckten
Bücher beziehen dürfen. Eine Forderung
aus den 50er Jahren wurde damit erfüllt.
Im §43 Mediengesetz ist vorgeschrie-
ben, dass jedes „Druckwerk, das im
Inland verlegt wird oder erscheint“, der
Parlamentsbibliothek angeboten werden
und auf Verlangen abgeliefert werden
muss. Dies bedeutet natürlich für die
Bibliothek eine enorme Ersparnis bei
den Anschaffungskosten. Ein Nachteil
ist allerdings, dass dieses Verfahren den
Verwaltungsaufwand stark steigen ließ. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Bib-
liothek und ihre Mitarbeiter an die neuen
Herausforderungen der gewachsenen
Bücherflut und an den erhöhten admi-
nistrativen Aufwand gewöhnten. Seit
1992 ist mit einigen Verlagen, insbeson-
dere denen, die die Hauptsammelge-
biete der Bibliothek abdecken, verein-
bart, dass sie automatisch alle Neuer-
scheinungen zusenden oder mittels
Boten zustellen. Falls doch einige Titel
nicht benötigt werden, werden die ent-sprechenden Bücher zurückgesendet
oder bei der nächsten Lieferung retour-
303 BGBl. Nr. 314/1981
niert. Die restlichen Verlage senden
Angebotslisten an die Bibliothek.
Mit der im Jahr 2000304 wurde dem
Computerzeitalter Rechnung getragen
und nun müssen auch „neue Medien“
angeboten werden. Dies geschieht al-
lerdings sehr selten, da sich der Firmen-
sitz der Herausgeber von elektronischen
Publikationen oftmals nicht in Österreich
befindet.
Durch das Mediengesetz wurde dem
besonderen Status der Parlaments bib-
liothek sowie der Administrativen Bib-
liothek im Bundeskanzleramt Rechnung
getragen Diese beiden Behördenbiblio-
theken gelten als wissenschaftliche
Bibliotheken, die nicht nur „über die
Funktionen einer reinen ‚Hilfsstelle’ der
jeweiligen Organisationseinheit“305 verfü-
gen.
304 BGBl. I Nr. 75/2000 305 Öhlinger, Theo: Einige Rechtsfragen einer
Bibliotheksreform, Wien 1988, S. 189 (Sig-natur der Parlamentsbibliothek: 49.834).
77
12. Der Einstieg in das Computerzeitalter unter der Leitung von
Dr. Elisabeth Dietrich-Schulz (seit 1992)
Die vergangenen zehn Jahre der Parlamentsbibliothek waren durch zahl-
reiche Innovationen gekennzeichnet. Einerseits wurden zwei Etappen der
schon seit den 1980er Jahren geplanten und geforderten Erweiterung der Räumlichkeiten umgesetzt, andererseits konnte der Bibliotheksbetrieb den
wachsenden Anforderungen des Informationszeitalters angepasst werden.
Durch den Siegeszug der Informationstechnologie stellt der informations-
technologische Fortschritt für die Existenz einer Bibliothek eine conditio
sine qua non dar. Den Benutzern eröffnen sich zahlreiche neue Zu-
gangsmöglichkeiten zur Literatur, was aber wiederum einen steigenden
Personalbedarf bedingt, denn nur formal und inhaltlich erschlossene Be-
stände können dem Benutzer helfen. Der Nutzen liegt auf der Hand: Nie
gab es derart lückenlose und aktuelle Kataloge, die dank des Internets
durch ihre Omnipräsenz bestechen. Jeder kann heute, zu jeder Tages-
zeit306 und aus allen Teilen der Welt, in den Beständen der Parlamentsbib-
liothek recherchieren. Zur Person Die heutige Direktorin der Parlamentsbibliothek begann ihren Dienst in der
Bibliothek als stellvertretende Leiterin während der Amtszeit Dr. Stöhrs im
Jahr 1989. Zuvor hatte sie elf Jahre die stellvertretende Leitung der Bib-
liothek im Bundesministerium für Landesverteidigung inne, wo sie ein-
schlägige Erfahrungen in der Bibliothekarsarbeit sammeln konnte. Nach
der Pensionierung Dr. Stöhrs wurde Dr. Elisabeth Dietrich-Schulz am 1.
Januar 1992 die erste Frau an der Spitze der Parlamentsbibliothek. Hieran
lässt sich der Wandel der Zeit erkennen, denn noch etwa 40 Jahre zuvor
galt es als undenkbar, eine Frau in eine so wichtige Position zu befördern.
Nach dem Krieg etwa wurde die seit 1920 in der Bibliothek tätige Dr. Hilda
Rothe trotz ausreichender Qualifikation und aufopferungsvoller Tätigkeit
für die Parlamentsbibliothek nicht mit der Bibliotheksleitung betraut, son-
dern es wurde ein neuer Leiter „von außen“ eingestellt. Mit Februar 1992 wurde der neuen Bibliotheksdirektorin Dr. Karl Megner als Stellvertreter
zur Seite gestellt.
Bestände Unter Dr. Dietrich-Schulz ist eine Konzentration auf die Kernaufgaben der
Parlamentsbibliothek zu beobachten, nämlich auf die Bereitstellung der
notwendigen Materialien für den parlamentarischen Ablauf. Im Jahr 2001
306 Um eine moderne Diktion zu verwenden: 24h/7. Oder anders ausgedrückt: Die Bibliothek steht via
Internet 365 Tage im Jahr 24 Stunden pro Tag zur Verfügung.
78
steht die Bibliothek mit etwa 1550 Verlagen in Kontakt, darunter befinden sich selbstverständlich auch viele Kleinstverlage und Eigenverlage. Die
Budgetersparnis wird heute mit etwa 50 Prozent angegeben, dafür muss
allerdings der gestiegene Verwaltungs- und Personalaufwand gegenge-
rechnet werden.
Die Plakate- und Flugschriftensammlung wurde im Jahr 1993 an die
umfangreiche Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung der Österrei-
chischen Nationalbibliothek übergeben. Die in der Bibliothek separat auf-
gestellten und katalogisierten Werke der Weltliteratur und Klassiker wur-
den nach 1992 in den allgemeinen Bibliothekskatalog integriert, während
die übrigen belletristischen Werke in einer gemeinsamen Aktion mit der
Personalvertretung an die Bediensteten des Hauses und karitative Orga-
nisationen abgegeben wurden.
EDV in der Bibliothek: Datenbanken und Katalog
Im Jahr 1991 wurde der erste Computer in der Parlamentsbibliothek auf-
gestellt, der als stand-alone Lösung vorwiegend der Nutzung von CD-
ROM Datenbanken diente. Weitere sieben PCs wurden zum Jahreswec h-
sel 1992/1993 angeschafft, die schließlich auch vernetzt wurden.
Gerade die CD-ROM bedeutete für die Bibliothek eine enorme Innovation,
denn sie machte verschiedenartige Datenbanken einfach und schnell zu-
gänglich; noch dazu war sie besonders Platz sparend. Die ersten CD-
ROM-gestützten Datenbanken waren unter anderem die EU-Rechtsda-
tenbank Celex, die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie
das für den Bibliotheksbetrieb unentbehrliche Verzeichnis lieferbarer Bü-
cher307, um nur die wichtigs ten zu nennen308. Zur Planung und Koordination des informationstechnischen Fortschritts
konstituierte sich
„im Frühjahr 1993 [...] die Arbeitsgruppe ‚Automatisierung der
Parlamentsbibliothek’ unter dem Vorsitz des Leiters des parla-
mentarisch-wissenschaftlichen Dienstes, Mag. Herbert
Weber.“309
Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wurde unter Beiziehung eines Konsul-
enten, des Direktors der Universitätsbibliothek der Technischen Universi-
tät Graz, Dr. Karl Stock, angestrebt, das zukünftige EDV-System der Bib-
307 In der Fachwelt als VLB zitiert. 308 Eine ausführlich Darlegung zu diesem Thema und den verwendeten CD-ROMs liefert: Dietrich-
Schulz, Elisabeth: Der Siegeszug der CD-ROM. Ein Beitrag über den Einsatz von CD-ROM-Daten-banken in der Parlamentsbibliothek, in: Parlamentsdirektion (Hrsg.): Parlinkom-Press: Aktuelle In-formationen für Parlinkom-Anwender, Juni/Juli 1994, S. 7f (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-5.680).
309 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 134.
79
liothek in das bereits bestehende parlamentsinterne System „parlinkom“ zu integrieren310. Aus diesem Grund und um die Nutzung der Bibliotheks-
EDV zu allen Zeiten des oft bis in die Nacht oder die frühen Morgenstun-
den dauernden Parlamentsbetriebes zu garantieren, war es notwendig,
sich für eine UNIX-kompatible Lösung zu entscheiden. Nach umfassenden
Marktstudien und einer Ausschreibung erhielt die Firma DABIS-Österreich
mit ihrem System BIS -C 1994 den Zuschlag. Eine entscheidende Verbes-
serung durch dieses neue UNIX-System ergab sich durch die Multitas-
king-Fähigkeit311 von UNIX. So können die Mitarbeiter der Bibliothek nun
gleichzeitig mehrere Programme auf einem Rechner benutzen, „etwa im
Publikumsdienst zugleich den OPAC 312 und die Entlehnung“313. Der Erfolg
des Einstieges in die elektronische Datenverarbeitung war schnell mess-
bar. So „konnte die durchschnittliche Buchdurchlaufzeit von sechs Wo-
chen vor Einführung von BIS-C auf derzeit rund drei Wochen314 reduziert werden. Erforderlichenfalls steht der anspruchsvollen Klientel die ge-
wünschte Literatur, soweit vom Buchhandel prompt lieferbar, innerhalb
weniger Stunden von der Bibliothek fertig bearbeitet zur Verfügung.“315
Im Frühjahr 2002 wurde das Bibliothekssystem, das sich gut bewährt hat,
auf eine Windows-Plattform gestellt. Auch die Möglichkeiten des Internets
werden immer stärker durch die Parlamentsbibliothek genutzt. Als äuße-
res Anzeichen für die fortschreitende Öffnung gegenüber neuen Techno-
logien kann auch die Aufnahme des @-Zeichens in den Schriftzug
„P@rlamentsbibliothek“ genannt werden.
Seit Juni 2000 können die Buchbestände ab 1995 sowie die rückwirkend
erfassten älteren Titel sowohl im Intra- als auch im Internet in Form eines Web-OPACs eingesehen werden. Auch die Neuerwerbungslisten, die alle
zwei Monate erscheinen, können bereits seit 1996 via Internet von allen
Benutzern abgerufen werden. Seit Einführung des BIS-C-Systems werden
neu erworbene Bücher sofort in das EDV-System aufgenommen. Nach
und nach erfolgt aber auch die Aufnahme früherer Bestände in die elekt-
ronische Bibliotheksdatenbank. Im parlamentsinternen Intranet ist es seit
Anfang 2001 möglich, dass der Benutzer zusätzlich zu den bisher EDV-er-
fassten Beständen die gescannten Karteikarten des Zettelkataloges der
310 Nach: Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S.
134. 311 Mit Multitasking, zu deutsch Mehrprozessbetrieb, bezeichnet man die Fähigkeit eines Betriebssys-
tems, mehrere Anwendungen gleichzeitig auszuführen. 312 Online Public Access Catalogue. 313 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 135. 314 Tatsächlich werden heute durch die innovative Informationstechnologie sowie durch das Engage-
ment der Mitarbeiter meist sogar lediglich zwei Wochen Buchdurchlaufzeit erzielt.
80
Bestände von 1869 bis 1994 als Bilddateien einsehen kann. Eine ganz neue Errungenschaft ist, dass die gescannten Karten auch mit einer Text-
erkennungssoftware OCR316 gelesen wurden, so dass seit Sommer 2001
auch eine elektronische Volltextsuche im gesamten Katalog möglich ist.
Es ist geplant, dieses Service mit ausreichend komfortabler Benutzerfüh-
rung auch dem Internetpublikum zugänglich zu machen.
Ein weiteres, derzeit laufendes Projekt ist die intensivere Vernetzung des
Bibliotheksangebotes mit dem allgemeinen Internetangebot des Parla-
ments. So werden die Autoren, die zugleich Abgeordnete im österreichi-
schen Parlament sind oder waren, mit einer gesonderten Kennung verse-
hen, um sie rascher aus dem Gesamtbestand herausfiltern zu können. Als
nächster Schritt werden im Internetangebot des Parlaments die Lebens-
läufe der Abgeordneten mit Links 317 ergänzt, um sofort zu den Publikatio-
nen der entsprechenden Abgeordneten zu gelangen. Vice versa können aus den Buchkatalogen Verknüpfungen zu den Lebensläufen der Abge-
ordneten führen.
Den Benutzern stehen seit 2001 neben vier PCs im Lesesaal zusätzlich 4
PCs im EDV-Raum zur Recherche in zahlreichen CD-ROM-Datenbanken
zur Verfügung. Via Intranet können die Benutzer auch ein CD-ROM-Netz
anwählen, das u.a. Datenbanken biographischen und geographischen In-
halts sowie Zitatensammlungen enthält, und weiter ausgebaut werden
soll.
Renovierung und
Erweiterung Allerdings gab es in den letzten zehn Jahren nicht nur auf informati-
onstechnologischem Gebiet enorme Fortschritte der Parlamentsbibliothek,
sondern es haben sich auch in den Räumlichkeiten einige Veränderungen ergeben.
Mehr als 120 Jahre nach der Gründung der Parlamentsbibliothek und 110
Jahre nach dem Einzug in das neue Parlamentsgebäude wurde der histo-
rische Lesesaal einer großen Renovierung unterzogen. Während des
Umbaus musste die Bibliothek für externe Benutzer geschlossen werden.
Für die primären Benutzergruppen318, welche auch weiterhin mit der erfor-
derlichen Literatur bedient werden mussten, wurde der Betrieb jedoch auf-
315 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 136. 316 OCR steht für Optical Character Recognition und meint die Erkennung von Buchstaben, die als
Bilder in ein EDV-System eingegeben werden und die anschließende Umwandlung in einen verar-beitbaren Text.
317 Zu deutsch: Verknüpfungen. 318 Der primäre Benutzerkreis setzt sich aus den Abgeordneten zum Nationalrat, den Mitgliedern des
Bundesrates, den österreichischen Mitgliedern den Europäischen Parlaments, den Bediensteten der Parlamentsdirektion sowie den Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und den parlamentari-schen Mitarbeitern gemäß § 1 Parlamentsmitarbeitergesetz 1992 zusammen.
81
rechterhalten. Die Bücher wurden in Containern in den Innenhöfen des Parlaments zwischengelagert, der Zeitschriftensaal in einem breiten Par-
lamentsgang provisorisch eingerichtet. Gerade bei diesen Umbau- und
Umzugstätigkeiten wurden den Bibliotheksmitarbeitern große Belastungen
auferlegt. „Insgesamt wurden 1993 bis 1994 90.000 Bände ‚bewegt’ “319.
Bei der Restaurierung des Lesesaals mussten sowohl Auflagen des
Denkmalschutzes als auch innovative Anforderungen berücksichtigt wer-
den. So wurden in die Decke Brandmelder eingesetzt, dabei durfte aller-
dings die mit prächtigen Motiven verzierte Gipsdecke in Holzoptik nicht
nachhaltig beschädigt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde gleichzeitig
die Decke gereinigt und mit dekorativen Leuchtern versehen, so dass ihre
Attraktivität erneut gesteigert werden konnte.
Auch die originalen Benutzertische und Stühle wurden restauriert, um
weitere Jahrzehnte den Lesern dienen zu können. Von den ursprüngli-chen Benutzerlampen hatte lediglich eine die Wirren der Zeit überlebt. Die
neuen wurden dieser nachempfunden, so dass heute der Lesesaal wieder
einen Eindruck der Pracht alter Zeiten gibt.
Der Lesesaal wurde für weitere Magazine mit zwei Geschossen unterkel-
lert. Zugänglich sind diese Räume durch einen eigens dafür installierten
Aufzug. Beide Magazine wurden mit modernen Rollregalen ausgestattet
und bieten so eine optimale Raumnutzung. 40.000 Bücher können dort
untergebracht werden. In den Monaten Mai und Juni 1994 konnten in die-
sen Räumlichkeiten bereits Bücher eingestellt werden, während „an der
Inneneinrichtung des Hauptlesesaales noch intensiv gearbeitet wurde“320.
Die Zeitschriftenabteilung, die im Jahre 2002 519 laufende Zeitungen und
Zeitschriften betreut, wurde in ein dem historischen Parlamentsgebäude gegenüberliegendes Haus ausgelagert. Das neu hinzugekaufte Gebäude
Reichsratstraße 1 ist vom historischen Parlamentsgebäude aus durch ei-
nen unterirdischen Gang direkt zugänglich321. Hier wurden in hellen
Räumlichkeiten praktische Buchenholzregale aufgestellt, um dem Benut-
zer alle Periodika übersichtlich darzubieten. Fertiggestellt wurde die neue
Zeitschriftenabteilung im Jahr 1994. In jenem Raum, in dem die Zeit-
schriften zuvor untergebracht waren, konnte 1995 ein „EDV- und Mikrofor-
men-Leseraum“322 eingerichtet werden.
Allerdings bemängelte der Rechnungshof bei einer Überprüfung der Par-
lamentsdirektion auf ihre Effizienz bereits a priori, dass eine räumliche
319 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 137. 320 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 139. 321 Vgl. Anwander, Bernd: Unterirdisches Wien. Ein Führer in den Untergrund Wiens. Die Katakom-
ben, der Dritte Mann und vieles mehr, Wien 1993, S. 206 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 54.089).
82
Teilung der Bibliothek und der Zeitschriftenabteilung „unzweckmäßig und personalaufwendig“323 sei. Trotzdem wurde diese Trennung durchgeführt,
da laut Parlamentsdirektion „die Schaffung eines modernen Zeitungs- und
Zeitschriftenbereiches im Zentralgebäude [...] mit dem dringenden Raum-
bedürfnis der parlamentarischen Klubs“324 kollidiere.
Zwar haben die Umbauten, die zum Jahr 1995 abgeschlossen wurden, die
Raumnot gelindert, doch kann noch lange nicht von einer zukunftssi-
chernden Lösung gesprochen werden. Von den Containern, die zur Zwi-
schenlagerung der Bücher während des Umbaues genutzt wurden, ist
heute noch immer einer in Verwendung, in dem selten benützte Buchbe-
stände untergebracht sind. Wegen der räumlichen Knappheit konnten
diese Bücher noch nicht wieder zweckmäßig in den Bestand der Biblio-
thek eingegliedert werden. Es bleibt abzuwarten, ob Pläne zur Errichtung
eines Tiefspeichers, die bereits Ende der 1980er Jahre in einem fortge-schrittenen Stadium waren, in die Tat umgesetzt werden können. Aber die
Geschichte der Parlamentsbibliothek hat gezeigt, dass solch zukunftswei-
sende Pläne immer einer sehr langen Vorlaufzeit bedürfen, bis sie endlich
realisiert werden.
Öffentlichkeits-
arbeit Die Beendigung aller Umbaumaßnahmen wurde mit einem Festakt am 23.
Januar 1995 gefeiert. Hiezu konnte „Nationalratspräsident Dr. Heinz
Fischer [...] das gesamte Präsidium des National- und des Bundesrates
sowie mehr als 300 hochrangige Festgäste begrüßen.“325 Im Herbst des
gleichen Jahres präsentierte sich die neue österreichische Parlamentsbib-
liothek gemeinsam mit anderen österreichischen Bibliotheken dann auch
bei der Frankfurter Buchmesse. Der Österreich-Schwerpunkt dieser wich-tigsten Leistungsschau der Branche war Anlass zur Erarbeitung von Wer-
beträgern wie eines Plakates und eines Videos 326.
Blick in
die Zukunft Es ist zu erwarten, dass sich in zukünftigen Jahren die Tätigkeit eines
Bibliothekars weiter verändern wird. Niemand hätte noch vor zwanzig Jah-
ren einen derartigen Umschwung von traditionellen Informationsquellen
hin zu neuen Informationstechnologien vorausgesagt. Zwar ist nicht anzu-
nehmen, dass sich in absehbarer Zeit eine papierlose Bibliothek durchset-
322 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 137. 323 Rechnungshof: Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Jahr 1993, Wien
1995, S. 10. 324 Rechnungshof: A.a.O., S. 11. 325 Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, a.a.O., S. 140. 326 Die österreichische Parlamentsbibliothek [Bildtonträger] : aufgenommen anlässlich der Frankfurter
Buchmesse 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.167).
83
zen wird, doch werden die technischen Anforderungen an eine Bibliothek weiter steigen. Noch scheint es, als ob sich e-books, books-on-demand327
oder dergleichen eher nicht breit durchsetzen werden, doch dürfen Bib-
liotheken nicht zögern, mit technischen Entwicklungen Schritt zu halten,
vor allem um eine weitergehende Erschließung ihres Informationsbestan-
des voranzutreiben. So scheint es beispielsweise sinnvoll, zur besseren
Zugänglichkeit gerade von Beiträgen in Sammelbänden, das Scannen von
Abstracts oder Inhaltsverzeichnissen in Zukunft anzustreben.
Beobachtbar ist auch, dass sich die Bibliothek längst nicht mehr nur als
Schatzkammer wertvoller Bücher und verwandter Medien versteht, son-
dern als Informationszentrum. So wird häufig aus aktuellen Anlässen eine
Überprüfung und Aufbereitung der vorhandenen Buchbestände durchge-
führt. Anlässlich der Ereignisse des 11. Septembers 2001, dem Terroran-
schlag auf das World-Trade-Center in New York, wurde die Vollständigkeit der Buchbestände auf dem Gebiet Terrorismus überprüft: Ältere Bestände
wurden in den neuen Katalog übertragen und aktuelle Werke angeschafft.
Ebenso werden beispielsweise zu den Themen Menschenrechte, Wahl-
recht oder Gentechnologie sowie bei Jubiläen von Mandataren die ent-
sprechenden Bestände überprüft.
Aus diesem Grund ist es für die Bibliothekare der Parlamentsbibliothek
besonders wichtig, am Puls des politischen Geschehens zu bleiben, um
sich rechtzeitig auf die Wünsche der Benutzer einzustellen. Bereits zu Be-
ginn des Agenda-Setting, also wenn ein Thema in Gesellschaft und Me-
dien aufkommt, muss von der Parlamentsbibliothek vorausblickend the-
matisch passende und alle politischen Standpunkte abdeckende Literatur
bestellt werden, um die Parlamentarier und deren Mitarbeiter mit den nöti-gen Materialien für die kommenden Debatten zu versorgen. Information
über das Weltgeschehen ist eine Voraussetzung, wenn man ambitioniert
seinen Dienst in einer gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten Biblio-
thek, wie der Parlamentsbibliothek, verrichten will.
„Die Arbeitsweise moderner Parlamente bringt es ja mit sich,
dass von der Parlamentsadministration nicht nur reine Verwal-
tungstätigkeit, sondern mehr und mehr auch die Bereitstellung
wissenschaftlich fundierter Entscheidungshilfen erwartet
wird.“328
327 e-books sind elektronisch, das heißt via PC einsehbare Bücher. Diese können beispielsweise nach
Stichworten durchsucht werden und benötigen keinen Stellraum, da sie nur virtuell auf einem Da-tenspeicher vorhanden sind. Books-on-demand sind Bücher, die als Datei vorhanden sind, die aber bei Bestellung gedruckt und in herkömmlicher Buchform ausgeliefert werden.
328 Czerny, Wilhelm F.: Parlament und Parteien, a.a.O., S. 190.
84
Dank der Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie ist die österreichische Parlamentsbibliothek nicht nur eine wissenschaftliche
Spezialbibliothek für die Volksvertreter, sondern dokumentiert auch deren
Arbeit auf eine ganz besondere Weise. Der Leser kann nicht nur die
Reden der Mandatare in den stenographischen Protokollen nachlesen
und ihre parlamentarische Arbeit in den diversen Ausschüssen anhand
der parlamentarischen Materialien nachvollziehen, sondern auch ihre
Publikationstätigkeit erleben. Bis zum Sommer 2002 sind über 3.300 Titel
aus dem Bestand der Parlamentsbibliothek als Veröffentlichungen von
Mitgliedern der Legislative erfasst und im EDV-Katalog mit einer
Zusatzkennung versehen worden. Dieses bibliotheksinterne Projekt
erscheint besonders wichtig, da in Österreich die
Parlamentarismusforschung nicht institutionalisiert ist.
Ziel der modernen österreichischen Parlamentsbibliothek ist ein komplett EDV-erfasster Buchbestand mit Zugriffsmöglichkeiten in vielen verschie-
denen Sprachen. Schließlich beheimatete das österreichische Parla-
mentsgebäude mit seinem Abgeordnetenhaus des Reichsrates über Jahr-
zehnte ein europäisches Parlament.329
Die Aufgaben von Bibliothekaren haben sich heute derart erweitert, dass
es nicht mehr genügt, sich in seiner Disziplin sehr gut auszukennen, es ist
heute unerlässlich, sich mit den neuesten Technologien zu befassen, aber
auch internationale Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Gerade die in-
ternationalen Verbindungen sind für den Informationsaustausch von im-
menser Bedeutung, da sie eine arbeitsteilige Entwicklung innovativer
Ideen begünstigen. So entsteht derzeit im Rahmen des Europäischen
Zentrums für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation330 (EZPWD) eine virtuelle Plattform der EDV-Kataloge der Parlamentsbib-
liotheken der Europäischen Union und des Europarates, nicht zuletzt eine
Initiative Österreichs.
Es gilt heute mehr denn je:
Nur was sich ändert, bleibt!
329 Die 17 ehemals im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder waren: Tirol, Galizien, Dalma-
tien, Bukowina, Steiermark, Österreichisch-Schlesien, Istrien Salzburg, Niederösterreich, Triest, Vorarlberg, Kärnten, Mähren, Görz-Gradiska, Oberösterreich, Böhmen sowie Krain.
330 Das EZPWD wurde 1977 in Wien gegründet. Langjähriger Motor war der Deutsche Klaus Pöhle. Das Zentrum wird zwar faktisch beim Europäischen Parlament (früher in Luxemburg, jetzt in Brüs-sel) geführt, steht jedoch unter der Patronanz der Konferenz der europäischen Parlamentspräsi-denten. Außerdem wurde der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine gleichbe-rechtigte Stellung in der Leitung dieser Forschungsstelle eingeräumt.
Abbildung 2: Das Oktoberdiplom vom 20. Oktober 1860 ist neben dem Februarpatent
eines der wertvollsten Objekte der Parlamentsbibliothek
Abbildung 3: Das Februarpatent vom 26. Februar 1861 ist neben dem Oktoberdiplom eines der wertvollsten Objekte der Parlamentsbibliothek
Abbildung 6: Karl Renner (mit Gattin Luise) in der Uniform eines
Zivilstaatsbeamten zur Zeit seiner Tätigkeit in der Reichsratsbibliothek
Abbildung 7: Der Eingang der Bibliothek zu Zeiten Lipiners und Renners ist heute Teil des Mittelmagazins
Abbildung 19: Das heutige Mittelmagazin war der erste Bibliotheksraum
im neuen Parlamentsgebäude 1883/84
Abbildung 23: Der Festakt anlässlich der Beendigung des Umbaues am 23. Jänner 1995,
am Pult: Dr. Elisabeth Dietrich-Schulz
133
IV. Zahlen, Daten, Fakten
1. Buchbestand und Entlehnungen
Bände Entlehnungen Zeitschriften
Lesesaal nach auswärts Entlehner Bände Entlehner Bände
1869 6.000
1870 8.000 bis 10.000
1881 13.000
1884 18.619
1887 23.397
1890 25.529 1900 45.000
1929 79.507
1930 80.786
1931 82.000
1932 83.720
1933 84.389 160
1934 85.176 214
1935 85.659 850 491 200
1936 86.000 115
1937 87.500 332 450
1938 89.365 315 1939 90.258
1940 102.813
1941 102.813
1946 114.682 350 2.400 100 900 1.050
1947 115.437 1.150 5.200 250 1.100 1.050
1948 116.818 950 4.700 185 840 1.158
1949 123.918 1.000 5.000 3.000 8.000 1.200
1950 119.234 1.552 7.255 5.961 186
1951 126.065 4.500 1.200 220
1952 127.523 1.728 6.954 4.912 225 1953 125.419 3.476 5.565 8.741 282
1954 123.082 1.703 8.681 3.798 379
1955 124.434 1.696 6.743 3.472 380
1956 152.446 1.555 7.702 5.865 485
1957 154.519 1.769 10.763 7.791 585
1958 156.393 3.120 13.339 3.052 13.130 753
1959 158.338 3.271 14.899 2.671 9.237 858
134
1960 160.949 2.986 23.184 2.925 9.070 900 1961 163.608 2.901 16.265 2.263 8.369 903
1962 166.334 3.353 14.826 1.519 1.572 935
1963 168.780 2.795 13.929 1.581 5.234 687
1964 171.523 2.750 14.908 1.719 6.812 710
1965 174.269 2.365 13.231 1.345 5.917 728
1966 177.256 2.019 11.487 1.410 4.928 716
1967 180.278 1.744 8.548 1.259 3.873 733
1968 182.917 2.779 11.265 1.685 5.260 745
1969 186.090 1.928 8.235 1.420 4.417 780
1970 189.642 2.115 7.514 1.390 4.394 798 1971 193.326 2.813 7.154 1.465 4.334 732
1972 196.726 2.763 7.418 1.331 3.883 765
1973 200.773 1.570 5.757 1.193 3.265 772
1974 204.094 1.818 6.410 1.268 3.415 794
1975 208.312 2.470 4.466 937 2.191 797
1976 213.124 1.302 3.979 1.044 2.143 825
1977 217.016 1.438 5.041 983 2.150 843
1978 219.690 1.522 5.125 1.069 2.268 815
1979 222.904 1.379 1.022 836
1980 225.936 1.416 4.970 1.045 2.069 841
1981 228.410 1.402 5.080 794 1.442 850 1982 230.771 1.290 5.100 948 1.744 908 1983 233.886 1.571 6.062 1.024 2.066 919 1984 237.096 1.454 5.876 854 1.562 917 1985 240.040 1.626 1.626 776 1.436 926 1986 243.248 1.563 5.099 722 1.242 932 1987 245.139 1.728 5.595 850 1.505 944 1988 247.700 1.030 9.008 928 1989 251.174 10.044 948
1990 252.822 5.935 956
1991 255.312 13.689 883 1992 258.134 14.672 879
1993 263.384 10.117 584
1994 266.978 7.253 599
1995 271.980 23.985 599
1996 276.474 24.801 599
1997 280.972 22.627 594
1998 284.491 32.362 596
1999 289.035 30.203 531
2000 293.711 26.595 531 Internet-zugriffe
2001 297.716 23.915 510 7.226
135
Buchbestand in der österreichischen Parlamentsbibliothek
0
50.000
100.000
150.000
200.000
250.000
300.000
350.000
1869
1900
1931
1934
1937
1940
1943
1946
1949
1952
1955
1958
1961
1964
1967
1970
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2. Zeittafel der Direktoren
Koch, Franz J. 1869 - 1870
Goehlert, Johann Vincenz Dr. 1870 - 1876
Päumann, Johann Freiherr von 1876 - 1881
Lipiner, Siegfried Dr. 1881 - 1911
Merklas, Johann Ladislaus Dr. 1912 - 1924
Lemm, Ernst Dr. 1925 - 1933
Fuchs, Richard Dr. 1933 - 1942
Blenk, Gustav Dr. 1946 - 1957
Stickler, Michael Dr. 1958 - 1974 Stöhr, Theodor Dr. 1975 - 1991
Dietrich-Schulz, Elisabeth Dr. seit 1992
Quelle: Österreichische Parlamentsbibliothek
136
3. Publikationen der Leiter der Parlamentsbibliothek331
Goehlert, Johann Vincenz
Goehlert, [Johann] Vincenz: Die Ergebnisse der in Österreich im vorigen Jahrhundert
ausgeführten Volkszählungen im Vergleiche mit jenen der neuern Zeit, Wien
1854 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 17.078).
Ders.: Die Karaiten und Mennoniten in Galizien, Wien 1862 (Signatur der Parlaments-
bibliothek: 2.357).
Ders.: Lipowaner in der Bukowina, Wien 1863.
Ders.: Die Religionssekten in Österreich, Wien 1864 (Signatur der Parlaments bibliothek:
2.698).
Ders.: Gabriel Salamancaneus Grafen zu Artenberg, Gesandschafts-Berichte über seine
Sendung nach England 1527, Wien 1869. Ders.: Über keltische Ortsnamen zu …. Österreich, Wien 1869.
Ders.: Statistische Betrachtungen über die Ehen, Wien 1870 (Signatur der Parlaments-
bibliothek: 17.672).
Ders.: La dynastie Capetienne, in: Ann. du Demogr. Internat., Paris 1876,
S. 145-155 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 62.629).
Ders.: Keltische Arbeiterbezeichnungen, Wien 1878.
Ders.: Statistische Betrachtungen über biblische Daten, Berlin 1886.
Ders.: Considerazioni statistiche sui dati biblici, Trieste 1887 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 62.630).
Päumann, Johann Freiherr von
Päumann, Johann Freiherr von (Max, Hans pseud.): Zuvor die Mama! Lustspiel in
1 Aufzug. Frei nach dem Polnischen des Józef Korzeniowski, Wien 1861.
Ders.: Das Briefgeheimnis. Lustspiel in 1 Akt, Berlin, Kolbe 1861.
Ders.: Der Donau und der Liebe Wellen. Schwank in 1 Act, Wien 1863.
Ders.: Windeslaunen. Komische Operette in 1 Acte, Wien 1863.
331 Die Publikationsliste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt meist lediglich
eine Auswahl der Publikationen dar.
137
Ders.: Die Lazzaroni von Neapel. Komische Operette in 1 Acte, Musik von Johann von Zaytz.- Wien 1865.
Ders.: Die Schneider von Kabul, oder: Das Festkleid, komische Operette in 1 Akte. Wien
1865.
Ders.: Die Liebesprobe, oder Der Löwe von Salamanca. Komische Oper in 2 Akten
(nach einer Episode aus "Gil Blas"), Musik von Otto Bach. Wien 1867.
Ders.: Im Thale der Thränen. Erklärende Worte. 2. Aufl, Wien 1869.
Ders.: Franz Schubert. Original-Singspiel in 1 Akt, Musik mit Benutzung Schubert'scher
Motive von Franz von Suppe, Wien um 1870.
Ders.: Lazzaroni Neapolsti. Komicke opereta v 1 jedn. (Die Lazzaroni von Neapel. Ko-
mische Operette in 1 Akte. Übers. von Heinrich Böhm. Musik von Johann
Zaytz, Prag 1874.
Ders.: Meister Twardowski. (Der polnische Faust.) Volkssage nach dem Poln. frei
bearb., Wien 1879. Ders.: Zur Geschichte der "grünen Insel". Skizze von Comthur Hans Max, Chronist und
Vehmrichter der Gesellschaft ergänzt vom Burggeist Komthur Dankmar,
Wien 1880 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.267).
Lipiner, Siegfried
Lipiner, Siegfried: Der entfesselte Prometheus. Eine Dichtung in 5 Gesängen, Leipzig
1876.
Ders.: Renatus. Epische Dichtung, Leipzig 1878 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
33.423).
Ders.: Über die Elemente einer religiösen Erneuerung in der Gegenwart, Wien 1878. Ders.: Buch der Freude, Leipzig 1880 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 27.354).
Ders.: Merlin. Operndichtung in 3 Akten, Musik von Carl Goldmark, 3. Aufl, Leipzig 1888.
Ders.: Adam. Ein Vorspiel, Stuttgart 1913 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 35.870).
Ders.: Poetische Werke von Adam Mickiewicz, Leipzig 1882.
Ders.: Der neue Don Juan, Stuttgart 1914.
Fuchs, Richard
Fuchs, Richard: Montecuccoli in den Jahren 1660 – 1664, Dissertation, Wien 1917.
138
Blenk, Gustav
Blenk, Gustav: Die Menschenrechte in Österreich von 1848-1867, Wien 1948 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 24.517).
Ders.: Die Gewerkschaftspresse, Wien 1947 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
I-963/5).
Ders.: Leopold Kunschak und seine Zeit : Porträt eines christlichen Arbeiterführers,
Wien 1966 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-2.446/20).
Ders.: Dienst- und besoldungsrechtliche Chronik : nach den stenogr. Parlamentsproto-
kollen 1861-1937, Wien 1960 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 34.101).
Zeitungsartikel
Ders.: Wiens Arbeiter im Revolutionsjahr 1848, in: Freiheit. 1948, Nr 11, Wien 1948
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 24.075). Ders.: Gewerkschaftsbewegung gestern und heute, in: Das Werk. Jg 2, Nr 6, Wien 1948
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.527).
Ders.: Sozialpolitisches aus dem Vormärz : Lehrlingswesen, Arbeits- und Gewerbehy-
giene, in: Volkswohl. Jg 22, Nr 1, Wien 1931 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
30.708).
Ders.: Der Freiheitskampf der katholischen Kirche 1848/49, in: Volkswohl. Jg 20, Nr 6,
Wien 1928 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 30.707b).
Ders.: Die konfessionelle Freiheitsbewegung im Jahre 1848, Wien o.J. (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 24.557).
Ders.: Der unerschrockene Demokrat, in: Freiheit Nr. 45 vom 10.Nov. 1951. – Fest-
nummer zu Leopold Kunschaks 80. Geburtstag (Signatur der Parlamentsbiblio-
thek: 31.531). Ders.: Das österreichische Parlament von 1867 bis 1949, in: Solidarität ; Heft 87, Wien
1949 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.531).
Ders.: Das Kampf ums Koalitionsrecht : 90 Jahre Koalitionsgesetz, in: Gewerkschaftli-
che Rundschau. Jg 15, Nr 157, Wien 1960 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
32.624).
Ders.: Die erste politische Bücherei Österreichs : die Bibliothek des Nationalrates, in:
Wiener Zeitung Nr. 54/1956, Wien 1956 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
30.031).
Ders.: Die österreichischen Parteien im Röntgenbild : Parteiobmann Raab hat es nicht
leicht ..., in: Die Presse 1954, Wien 1954 (Signatur der Parlaments bibliothek:
28.921).
139
Stickler, Michael
Stickler, Michael: Die Katakomben von St. Stephan, Wien 1948 (Signatur der Parla-
mentsbibliothek: 21.438).
Ders.: Die österreichische Volksbüchereibewegung. Kurze Geschichte und gegenwärti-
ger Stand, in: Biblos, Jahrgang 3, 1954 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
32.079).
Ders.: Die wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs, in: Der öffentlich Bedienstete,
September 1956, Nr. 9, Wien 1956 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 30.417).
Ders.: Die österreichische Nationalbibliothek, in: Der öffentlich Bedienstete, Septem-
ber/Oktober Nr. 9/10, Wien 1957 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.128).
Ders.: Gustav Blenk 65 Jahre, in: Biblos Jg. 6,1, Wien 1957 (Signatur der Parlaments-
bibliothek: 30.913).
Ders.: Handschriftliche Aufzeichnung über die Revision 1958, Wien 1958 (unveröffent-licht) (Signatur der Parlamentsbibliothek: 63.004).
Ders.: Die Bibliothek des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau, in: Der öf-
fentlich Bedienstete, Mai 1959, Nr. 5, Wien 1959 (Signatur der Parlamentsbib-
liothek: 32.240).
Ders.: Volksbibliothekare in Österreich. Um die Anerkennung eines Berufes, in: Öster-
reichische Zeitschrift für Buch- und Bibliothekswesen, Dokumentation, Biblio-
graphie und Bibliophilie, Jg. 10 Heft 4, Wien 1961 (Signatur der Parlamentsbib-
liothek: 34.991).
Ders.: Der österreichische Kartellverband, Wien 1968 (Signatur der Parlamentsbiblio-
thek: 39.916).
Ders.: Die Bibliothek des Reichsrathes 1869 – 1919, in: Mayrhöfer, Josef/Ritzer, Walter
(Hrsg.): Festschrift Josef Stummvoll: Dem Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek zum 65. Geburtstag, 19. August 1967, dargebracht von sei-
nen Freunden und Mitarbeitern, Wien 1970 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
39.806).
Ders.: Übersicht über die österreichischen Parlamentsschriften: 1848 – 1971, Wien 1973
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 40.965).
Ders.: Die Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat 1918 – 1975 und die Mitglie-
der des österreichischen Bundesrates 1920 – 1975, Wien 1975 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 38.571).
Ders.: Parteifreie Abgeordnete: nach: Die Abgeordneten zum österreichischen National-
rat 1918 – 1975 und die Mitglieder des österreichischen Bundesrates 1920 –
1975 (Zgst. von Theodor Stöhr), Wien 1981 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
46.733).
140
Stöhr, Theodor
Stöhr, Theodor: Die Sprache in den Eipeldauerbriefen Josef Richters. Wiener Mundart
und Umgangssprache vor 160 Jahren, Wien 1956.
Ders.: Die ältesten Druckwerke und die Handschriften der Parlamentsbibliothek, in:
Biblos Jahrgang 28/1979, Heft 3, Wien 1979, S. 206 ff (Signatur der Parlaments-
bibliothek: 45.533).
Ders.: Siebzig Jahre Volks- und Jugendbibliothek (1913 – 1983), Ober St. Veit 1983.
Böck, Brigitte/Stöhr, Theodor: Schrifttum zum österreichischen Parlamentarismus 1848
– 1980: aus den Beständen der Parlamentsbibliothek, Wien 1980 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 53.480).
Stickler, Michael: Parteifreie Abgeordnete: nach: Die Abgeordneten zum österreichi-
schen Nationalrat 1918 – 1975 und die Mitglieder des österreichischen Bundes-rates 1920 – 1975 (Zgst. von Theodor Stöhr), Wien 1981 (Signatur der Parla-
mentsbibliothek: 46.733).
Stöhr, Theodor/Hagenauer, Johann: Neues aus der Glanzzeit Badens. Das Tagebuch
des M. Fr. Perth und die Ode „Die Bäder von Baden“ von Guiseppe de Carpani,
Baden 1996 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 56.077).
Dietrich-Schulz, Elisabeth
Dietrich-Schulz, Elisabeth: Das Oxford Playhouse – vielleicht eine Anregung, in: Neue
Wege. Nr. 288, Wien 1976, S. 9.
Dies.: Theaterpropaganda anderswo, in: Neue Wege. Nr. 289, Wien 1976, S. 9. Dies.: Sind Weltverbesserer heute noch gefragt? Zu „Die Juden“ von Gotthold Ephraim
Lessing und „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, in: Neue Wege.
Nr. 291, Wien 1977, S. 27.
Dies.: Wilhelm Bauer (1877-1953). Studien zu Leben und Werk, Dissertation, Wien 1979
(abgeändert auch erschienen als Band 142 der Dissertationen der Universität
Wien - Signatur der Parlamentsbibliothek: I-3.538/142).
Dies.: Weltspielplatz am Donaustrand, in: Donau-Kurier, Mai/Juni 1988. Dieser Artikel
basiert auf einem preisgekrönten Beitrag im Rahmen des offenen Wettbewerbs
„Chancen für den Donauraum Wien“, 1987, veranstaltet von der Stadt Wien
gemeinsam mit der Österreichischen Donaukraftwerke AG.
Dies.: Die Präsidialabteilung D (Ministerialbibliothek und Vorschriftenverwaltung) im
BMLV. Rückblick und Ausblick, in: Mitteilungen der Vereinigung österreichi-
scher Bibliothekare. Nr. 42 (1989) 4, Wien 1989, S. 99ff (Signatur der Parla-mentsbibliothek: I-275), ebenfalls erschienen in: Österreichische Militärische
141
Zeitschrift, Nr. 28 (1990), Wien 1990, S. 56ff (Signatur der Parlamentsbiblio-thek: I-2.394).
Dies.: Neues aus der Parlamentsbibliothek: Mikrofiche-Ausgaben der stenographischen
Protokolle des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses des Reichsrates im
Handel, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen &
Bibliothekare. Nr. 43 (1990) 1, Wien 1990, S. 92ff (Signatur der Parlamentsbib-
liothek: I-275).
Dies.: Zu Karl Renner: „An der Wende zweier Zeiten“ und einer Festveranstaltung in der
Parlamentsbibliothek, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Biblio-
thekarinnen & Bibliothekare. Nr. 43 (1990) 4, Wien 1990, S. 57f (Signatur der
Parlamentsbibliothek: I-275).
Dies.: Der Siegeszug der CD-ROM. Ein Beitrag über den Einsatz von CD-ROM-Daten-
banken in der Parlamentsbibliothek, in: Parlamentsdirektion (Hrsg.): Parlinkom-
Press: Aktuelle Informationen für Parlinkom-Anwender, Juni/Juli 1994 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-5.680).
Dies.: „The nation’s library“. Bericht über einen Studienaufenthalt an der Library of
Congress, 20. – 23. Mai 1997, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer
Bibliothekarinnen & Bibliothekare (Hrsg.), Nr. 50 (1997) 3/4, Wien 1997,
S. 122 – 126 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-275).
[Dies.:] Austria, in: Tanfield, Jennifer (Hrsg.): Parliamentary Library, Research and
Information Services of Western Europe, Brussels, Strasbourg 2000, S. 23ff
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 63.013).
Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Renner Karl. Notizen zu seinem Tätigkeitsbe-
reich in der Parlamentsbibliothek (Bibliothek des Reichsrates). 1895 – 1907,
Ungedruckte Zusammenstellung, Wien 1993 (Signatur der Parlamentsbiblio-thek: 53.324).
Dietrich-Schulz, Elisabeth/Megner, Karl: Die österreichische Parlamentsbibliothek, Der
Weg von einer traditionellen Bibliothek zu einem EDV-unterstützten Informati-
onszentrum, in: Dugall, Berndt (Hrsg.): ABI-Technik 16 Nr. 2, Wiesbaden 1996,
S. 139 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-4.599).
142
V. Glossar332 Alphabetischer Katalog
Im alphabetischen Katalog werden die Bücher nach formalen Kriterien geordnet. Die
Ordnung erfolgt nach Verfasser, Titel und eventuell zusätzlich nach Körperschaften.
Bandkatalog Bandkatalog sowie Zettelkatalog beschreibt die äußere Form eines Kataloges. Der
Bandkatalog besitzt die Form eines großen Buches, in das Neuzugänge häufig hand-
schriftlich nachgetragen wurden.
Belletristik
Zur Belletristik wird nicht sachbezogene Literatur gezählt. Die Bezeichnung stammt vom
französischen belles lettres = schöne Wissenschaften.
Dubletten
Dubletten sind Doppelstücke, die häufig durch Schenkung, Ankauf ganzer Sammlungen
oder versehentlich in den Bestand der Bibliothek gelangt sind.
Exlibris Exlibris sind kleine Papierzettel, die auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels einge-
klebt sind. Sie tragen den Namen des Besitzers und häufig Bilder, Wappen oder Orna-
mente. Ein Exlibris gilt als Eigentumsvermerk, der oft künstlerisch gestaltet ist.
OPAC
OPAC steht für Online Public Access Catalogue. Dieser Katalog ermöglicht das Einse-
hen in den Bibliotheksbestand auf elektronischem Weg. Durch einen Web-OPAC bzw.
www-OPAC kann der Bibliotheksbestand weltweit via Internet komfortabel eingesehen
werden.
Preußische Instruktionen
Die preußischen Instruktionen (PI) umfassen genaue Vorschriften zur Gliederung eines
alphabetischen Katalogs; Charakteristikum: Sachtitel ordnen überwiegend nach der grammatikalischen Wortfolge. Die „Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der
Preußischen Bibliotheken“ stammen aus dem Jahre 1899.
332 Nach: Hacker, Rupert: Bibliothekarisches Grundwissen, 7. Auflage, München 2000, S. 255 (Signa-
tur der Parlamentsbibliothek: 53.153,7.A) und: Hiller, Helmut: Wörterbuch des Buches, 5. Auflage, Frankfurt am Main 1991 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 38.382,5.A).
143
Regeln für die alphabetische Katalogisierung
Die Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) entstanden 1978 vor den elekt-
ronischen Katalogen als Bibliotheksregelwerk des deutschen Sprachraums; Charakteris-
tikum: Sachtitel ordnen streng nach der alphabetischen Wortfolge.
Schlagwortkatalog
Im Schlagwortkatalog werden die Bücher im Gegensatz zum alphabetischen Katalog
nach ihrem Inhalt erfasst. Die Schlagworte verweisen auf die Themen, die in einem Buch
abgedeckt werden. Ein „Schlagwort ist ein möglichst kurzer, aber genauer und vollstän-
diger Ausdruck für den sachlichen Inhalt eines Werkes“.
Signatur Unter einer Signatur versteht man eine Standortnummer. Signaturen stellen somit das
„Bindeglied zwischen Katalog und Büchern“ dar. Durch unterschiedliche Systeme der
Aufstellung ergeben sich verschiedene Arten von Signaturen.
Systematik/systematischer Katalog
In einem systematischen Katalog werden die Bücher nach meist hierarchischen Gruppen
und Untergruppen eingeteilt. Alle Bücher mit der gleichen Sachgruppe erhalten die glei-
che Notation und sind somit über diese zu ermitteln.
Eine Notation ist eine Buchstaben und/oder Zahlenkombination, welche die Zugehörig-
keit des Buches zu einer systematischen Ordnung angibt.
Zettelkatalog
Zettelkatalog sowie Bandkatalog beschreibt die äußere Form eines Kataloges. Der Zet-telkatalog umfasst, ähnlich einer Kartei, eine Sammlung an Zetteln (Internationales Bib-
liotheksformat: 7,5 x 12,5 cm), auf denen die Buchbestände aufgetragen werden können.
144
VI. Weiterführendes Literaturverzeichnis Alt, Theodor: Von der Reitschule über den Bretterbau zum griechischen Palast, in: Wie-
ner Zeitung, Wien 4. Dezember 1953 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 28.480).
Anwander, Bernd: Unterirdisches Wien. Ein Führer in den Untergrund Wiens. Die Kata-
komben, der Dritte Mann und vieles mehr, Wien 1993 (Signatur der Parlamentsbib-
liothek: 54.089).
Autengruber, Peter: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung. Herkunft. Frühere Bezeichnungen, Wien 2001, S. 147 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
57.306,4.A).
Bach, J.: Siegfried Lipiner, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 10 vom 12.1.1912 (Signatur der Par-
lamentsbibliothek: 63.491).
Böck, Brigitte/Stöhr, Theodor: Schrifttum zum österreichischen Parlamentarismus 1848
– 1980: aus den Beständen der Parlamentsbibliothek, Wien 1980 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 53.480).
Brecht, Bertolt: Das Leben des Galilei, in: Ders.: Gesammelte Werke 3 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 52.399).
Czerny, Wilhelm F.: Parlament und Parteien, Wien 1994 (Signatur der Parlamentsbiblio-
thek: 54.290). Ders.: Das Hohe Haus an der Ringstraße. Das österreichische Parlamentsgebäude ist
70 Jahre alt – Vom „Schmerling-Theater“ zum griechischen Traumprojekt, in: Die
Presse vom 5.7.1953 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 28.563).
Dachs, Herbert/Gerlich, Peter et al. (Hrsg.): Handbuch des politischen Systems Öster-
reichs. Die Zweite Republik, 3. Auflage, Wien 1997 (Signatur der Parlamentsbiblio-
thek: 51.367,3.A).
Dies.: Die Politiker, Wien 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.227).
Dietz, Wolfgang/Kirchner, Hildebert/Wernicke, Kurt Georg (Hrsg.): Bibliotheksarbeit für
Parlamente und Behörden. Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Arbeitsge-
meinschaft der Parlaments- und Behördenbibliotheken, München, New York, Lon-
don, Paris 1980 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 45.956).
Fiedler, Rudolf: Das Bibliothekswesen Österreichs vom 19. Jahrhundert bis Zur Gegen-
wart, in: Dressler, Fridolin/Liebers, Gerhard (Hrsg.): Elemente des Buch- und Bib-
liothekswesens. Band 7. Die Bibliotheken Österreichs in Vergangenheit und Ge-
genwart, Wiesbaden 1980 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-4.440/7).
145
Fischer, Heinz/Silvestri, Gerhard (Hrsg.): Texte zur österreichischen Verfassungs-Ge-schichte: von der Pragmatischen Sanktion zur Bundesverfassung (1713-1966),
Wien 1970 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 39.612).
Floros, Constantin: Gustav Mahler. I. Die geistige Welt Gustav Mahlers in syste-
matischer Darstellung, Wiesbaden 1977.
Ganz, Jürg: Theophil Hansens „Hellenische“ Bauten in Athen und Wien, in: Österreichi-
sche Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 26 (1972) 1/2, Wien 1972 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 58.017).
Hacker, Rupert: Bibliothekarisches Grundwissen, 7. Auflage, München 2000, S. 255
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 53.153,7.A)
Hahn, Gerhard: Die Reichstagsbibliothek zu Berlin – ein Spiegel deutscher Geschichte,
Bonn 1997 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.749). Hainisch, Michael: 75 Jahre aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichi-
schen Staatsmannes, Wien 1978 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-1.501/64).
Haller, Herbert: Hans Kelsen – Schöpfer der verfassungsgerichtlichen Gesetzes-
prüfung? Wien 1977 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-3973/1,4).
Hartungen, Hartmut von: Der Dichter Siegfried Lipiner (1856 – 1911). Dissertation, Mün-
chen 1932 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 56.477).
Hiller, Helmut: Wörterbuch des Buches, 5. Auflage, Frankfurt am Main 1991 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 38.382,5.A).
Hugelmann, Karl: Die Centralisation der Amtsbibliotheken in Wien, in: Österreichische
Zeitschrift für Verwaltung, 20. Jg. Nr. 34, Wien 25.08.1887 + Nr. 35 1.09.1887 (Sig-
natur der Parlamentsbibliothek: I-142).
Ders.: Die Entwicklung des österreichischen Bibliothekswesens im letzten Jahrzehnte mit besonderer Rücksicht auf die Amtsbibliotheken, in: Österreichische Zeitschrift
für Verwaltung, 29. Jg. Nr. 48, Wien 26.11.1896 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: I-142).
Kann, Robert A.: Siegfried Lipiner (1856 – 1911) als Vertreter einer polnisch-deutschös-
terreichischen kulturellen Synthese, aus: Zeszty naukowe uniwersytetu
jagiellonskiego. 582, Warschau 1980 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 46.213).
Karoly, Jonas/Katalin, Veredy: Az Orszaggyülesi Könyvtar Törtenete. 1870 – 1995, Bu-
dapest 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 55.805).
Kucharski, Wladyslav S.: Polacy w austriackim parlamenicie. W 130. rocznice kola
polskiego/Die Polen im österreichischen Parlament. Zum 130. Jahrestag des Po-
lenklubs, Lublin, Wien 1997 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 57.903).
146
Lösch, Hellmut: Die Administrative Bibliothek im Bundeskanzleramt, in: Der öffentlich Bedienstete, Nr. 3, Wien März 1964, S. 12f (Signatur der Parlamentsbibliothek:
63.214).
Ders.: Die österreichische Parlamentsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart, in:
Hahn, Gerhard/Kirchner, Hildebert (Hrsg.): Parlament und Bibliothek. Internationale
Festschrift für Wolfgang Dietz zum 65. Geburtstag, München, London, New York,
Oxford, Paris 1986 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 48.774).
Ders.: Die österreichische Volksvertretung und ihre Bibliothek, in: Biblos Jg. 28/1979,
Heft 3, Wien 1979 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 45.532).
Mayerhöfer, Josef/Rennhofer, Friedrich: Studie über Zustand, Probleme und zukünftige
Entwicklung der wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs. Forschungsauftrag
des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Wien 1974 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 41.658). McGrath, William J.: Mahler und der Wiener „Nietzsche-Verein“, in: Golomb, Jacob
(Hrsg.): Nietzsche und die jüdische Kultur, Wien 1998, S. 210 – 224 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 58.832).
Megner, Karl: Beamte. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte des k.k. Beamten-
tums, Wien 1985 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-2.466/21).
Meysels, Lucian O.: Victor Adler, Wien 1997 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
57.746).
Mock, Alois/Schambeck, Herbert (Hrsg.): Verantwortung in unserer Zeit. Festschrift für
Rudolf Kirchschläger, Wien 1990 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 50.000).
Nasko, Siegfried (Hrsg.): Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen, Wien 1982
(Signatur der Parlamentsbibliothek: 46.606). Nasko, Siegfried/Reichl, Johannes: Karl Renner: zwischen Anschluß und Europa, Wien
2000, (Signatur der Parlamentsbibliothek: 61.466).
Natrop, Paul: Vorwort, in: Lipiner, Siegfried: Adam. Ein Vorspiel, Stuttgart 1913 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 35.870).
Neue Freie Presse: Der Kaiser im Parlamente, Wien, 8. Januar 1884 (Signatur der Par-
lamentsbibliothek: I-167).
Öhlinger, Theo: Einige Rechtsfragen einer Bibliotheksreform, Wien 1988, S. 189 (Sig-
natur der Parlamentsbibliothek: 49.834).
Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Österreichisches Biographisches
Lexikon 1815 – 1950, Wien 1988 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-1.865).
Osttiroler Bote: Ein Blick hinter die Kulissen unseres Parlaments, Lienz, 3. Mai 1990.
147
Parlamentsdirektion (Hrsg): [Stickler, Michael/Stöhr, Theodor:] Parteifreie Abgeordnete, in: Die Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat 1918 – 1975 und die Mit-
glieder des österreichischen Bundesrates 1920 – 1975, Wien 1981 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 46.733).
Parlamentsdirektion (Hrsg): Das österreichische Parlament. The Austrian Parliament,
Wien 2000 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 51.714).
Pech, Christian: Der Österreichische Bundesrat, Möhrendorf 2001, (ungedruckt) (Signa-
tur der Parlamentsbibliothek: 62.511).
Pernerstorfer, Engelbert: Nekrolog. Siegfried Lipiner, in: Zeitschrift des Österreichischen
Vereins für Bibliothekswesen, Jg. 3 (ganz Reihe: Jg. 16), Heft 2, Juni 1912, S. 123
(Signatur der Parlamentsbibliothek: I-275).
Die Presse: Im Schatten des Übermenschen. Nietzsches Briefwechsel mit einem Wie-
ner, Wien 20. August 1950 (Signatur der Parlamentsbibliothek: F-798/1950).
Die Presse: Das hohe Haus wird zur Baustelle. Zum alljährlichen Sommerputz gesellt sich heuer ein Ausbauprogramm, Wien 19./20. Juli 1975 (Signatur der Parlaments-
bibliothek: F-798/1975).
Pribram, Alfred Francis: Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich,
Band 1, Wien 1938, (Signatur der Parlamentsbibliothek: 21.157).
Rechnungshof: Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Jahr
1993, Wien 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-1.264/10).
Renner, Karl: An der Wende zweier Zeiten. Lebenserinnerungen, Wien 1946 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 23.383).
Russell, Meg: Reforming the House of Lords. Lessons from Overseas, Oxford, New
York 2000 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 60.776).
Sandgruber, Roman: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom
Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
54.579/10).
Schefbeck, Günther: Das Österreichische Parlament, Wien 1996 (Signatur der Parla-
mentsbibliothek: 56.080).
Ders.: Verhandlungsökonomie - EU-Mitwirkungsrecht – Ausschußöffentlichkeit. Zur
Reform der Nationalratsgeschäftsordnung, in: Wiener Zeitung – Beilage Parlament,
Nr. 31 (Oktober)/1996, S. 8-11 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
I-5.396/1995-1999).
Ders.: Parlament und EU. Eine Zwischenbilanz, in: Wiener Zeitung, 16.12.1998 (über
Internetseite www.wienerzeitung.at abgerufen).
Tálos, Emmerich/Neugebauer, Wolfgang (Hrsg.): „Austrofaschismus“. Beiträge über Po-litik, Ökonomie und Kultur 1934 – 1938, 4. Auflage, Wien 1988, S. 98 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: I-4.389/18,4.A).
148
Tálos, Emmerich/Dachs, Herbert et al. (Hrsg.): Handbuch des politischen Systems Ös-terreichs. Erste Republik 1918 – 1933, Wien 1995 (Signatur der Parlamentsbiblio-
thek: 55.185).
Tanfield, Jennifer (Hrsg.): Parliamentary library, research and information services of
Western Europe, Brussels, Strasbourg 2000 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
63.013).
Ternyak, Heidemarie: Die Administrative Bibliothek und österreichische Rechtsdoku-
mentation im Bundeskanzleramt. Ein Überblick über ihre Entwicklung und Aktivitä-
ten seit 1849, Wien 1989 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 53.869).
Twain, Mark: Stirring times in Austria, in: ders.: The man that corrupted Hadleyburgh
and other stories, London 1925, S. 296 – 336 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
56.599).
Ulbing, Erika/ Hodanek, Hilde: Ein Tag und viele in der Parlamentsbibliothek, in: Der öf-fentlich Bedienstete, Nr. 1, Jänner 1958 (Signatur der Parlamentsbibliothek:
F-754).
Verlag der österreichischen Staatsdruckerei (Hrsg.): Amtskalender, diverse Jahrgänge,
Wien. (Signatur der Parlamentsbibliothek: I-48a).
Wagner-Rieger, Renate/Reissberger, Mara: Theophil von Hansen, Wiesbaden 1980
(Signatur der Parlamentsbibliothek: I-2.159/8,4).
Weber, Herbert: Maschinelle Erstellung von Fundstellennachweisen, dargestellt am Bei-
spiel der Österreichischen Rechtsdokumentation, in: Wiener Beiträge zur elektroni-
schen Erschließung der Information im Recht, Wien 1973, S. 209 – 237 (Signatur
der Parlamentsbibliothek: 41.174). Wiener Samstag: Der „Herr Hofrat“ ist Rapid-Anhänger, Jahrgang 6/1957, Nr. 42, Wien
1957 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 31.355).
Wiener Zeitung: Die erste politische Bücherei Österreichs. Die Bibliothek des National-
rates, Wien 4. März 1956 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 30.031).
Dies.: Parlamentsbibliothek zweimal in Gefahr, Wien 25. November 1956 (Signatur der
Parlamentsbibliothek: 30.581).
Die Wochenpresse: Schmutz und Schund im hohen Haus, Nr. 20, 17. Mai 1972
(Signatur der Parlamentsbibliothek: I-941/1972).
Wolensky, Madeleine: Pernerstorfers Harem und Viktor Adlers liebster Besitz oder zwei
sozialistische Bibliophile, ihre Bücher und die Arbeiterkammerbibliothek. Schriften-
reihe der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek unter der Leitung von Josef
Vass, Wien 1994 (Signatur der Parlamentsbibliothek:I-5.649/1).
Ziegler, Senta: Österreichs First Ladies. Von Luise Renner bis Margot Klestil-Löffler,
Wien 1999 (Signatur der Parlamentsbibliothek: 59.412).
149
Bildnachweis
Titelblatt
Unbekannt (Photo 1)
Klenk Erich (Photo 2)
Pech Christian/Klenk Erich (Photo 3)
Fotografen
Atelier Pietzner 4
Haslinger Willibald 23
Hikade Christian 16
Klenk Erich 11
Korrak Peter 1
Pech Christian 7, 22
Pech Christian/Klenk Erich 2, 3, 8, 12-15, 17-19, 20, 21
Bildquellen
Familie Dr. Spiegler 4
Internationale Gustav Mahler-Gesellschaft 5
Kanadische Parlamentsbibliothek 24
Parlamentsdirektion 1-3, 7-23
Verein Dr. Karl Renner-Gedenkstätte 6