Die Thermen der Römer - ReadingSample...Die Thermen der Römer Bearbeitet von Ernst Künzl 1....

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Die Thermen der Römer Bearbeitet von Ernst Künzl 1. Auflage 2013. Buch. 160 S. Hardcover ISBN 978 3 8062 2181 7 Format (B x L): 21 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Geschichte > Geschichte der klassischen Antike > Römische Geschichte; Spätantike schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Die Thermen der Römer

Bearbeitet vonErnst Künzl

1. Auflage 2013. Buch. 160 S. HardcoverISBN 978 3 8062 2181 7

Format (B x L): 21 x 27 cm

Weitere Fachgebiete > Geschichte > Geschichte der klassischen Antike > RömischeGeschichte; Spätantike

schnell und portofrei erhältlich bei

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Technische Spitzenwerke: die römischen Aquädukte Die römische Republik: Stabianer Thermen in Pompeji

Vorläufer in GriechenlandAls die Römer die ersten Badeanlagen ins Auge fassten,

hatten sie schon lange in der Wasserwirtschaft für Maß-

stäbe gesorgt. Sie hatten viel eher auf frisches Trink-

wasser als auf private oder öffentliche Bäder Wert ge-

legt. Zwar gab es schon einige Privatbäder – wir hören

von einem dunklen, wenig luxuriösen Bade eines Ade-

ligen aus dem Scipionengeschlecht aus dem 2. Jahrhun-

dert v. Chr.– , aber keine dieser Anlagen war städtebau-

lich oder politisch bemerkenswert.

In Griechenland wäre die Entwicklung wohl anders

verlaufen, wenn nicht die verfeinerte Kultur der kre-

tisch-mykenischen Bronzezeit im 2. Jahrtausend v. Chr.

untergegangen wäre. Es dauerte so bis in das 5. Jahr-

hundert v. Chr., dass in Griechenland wieder eine grö-

ßere Badeanlage entstand, bezeichnenderweise im pan-

hellenischen Wettkampfzentrum und Heiligtum Olym-

pia. Die dortige Badeanlage umfasste ein Schwimmbad

unter freiem Himmel, eine Sitzbadewannenreihe und

ein Schwitzbad. Man modernisierte das Bad mehr -

mals, zuletzt um 100 v. Chr., als man eine Bodenhei-

zung einbaute. Dies geschah aber bereits zu einer Zeit,

als Griechenland von den Römern beherrscht wurde,

und Olympia in der römischen Provinz Achaea lag.

Gleichwohl wurden öffentliche Badeanlagen in der

griechischen Welt zu oft archäologisch nachgewiesen,

um als Ausnahmen zu gelten. Wir dürfen im Gegenteil

mit ihnen als einem städtebaulichen Element rechnen.

Bäder lagen neben Tempeln in Heiligtümern wie auf

der Insel Aigina vor Athen. In Gortys in Arkadien nahm

das beim Tempel des Heilgottes Asklepios gebaute Bad

aus der Zeit um 300 v. Chr. einen Raum ein, welcher den

des Tempels sogar übertraf. Im griechischen Sizilien,

wie das griechische Unteritalien als Großgriechenland

(Magna Graecia) direkter südlicher Nachbar Roms,

konn ten die Römer in großen Städten wie Syrakus und

Gela Badehäuser studieren, in denen Schwitzbäder mit

Sitzbadewannenanlagen kombiniert waren. Auf Sizilien

(Gela) wie im griechischen Mutterland (Gortys) waren

Unterbodenheizungen (Hypokaustheizungen) schon um

die Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. bekannt.

Die römische Republik: Stabianer Thermen in Pompeji

Ohne den Vesuvausbruch vom August 79 n. Chr. besä-

ßen wir wahrscheinlich sehr wenige Beispiele für die

spätrepublikanische und frühkaiserzeitliche Architek-

Die großen Thermen in Rom

Rom, Trajansthermen. Caldarium, Rekonstruktionszeichnung

von Peter Connolly (1998).

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Bäder reichsweit Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan

Einige bemerkenswerte Glanzpunkte sind heraus-ragend: Neben dem Caldarium lag auf beiden Seiten je

ein beheizbares Wasserbecken; der Raum zwischen die-

sen Warmwasserbecken und dem zentralen Caldari -

um war auch beheizt, so dass der Besucher im Grunde

ein riesiges, dreigeteiltes Caldarium betrat. Im Calda-

rium waren an drei Seiten fünf Wannen eingebaut. Die

Warmwasserbecken der beiden Seitenräume erreichten

eine Länge von über 23 m. Die Wasserbecken des gro-

ßen Frigidariums waren vor die beiden Längswände ge-

setzt und dort eingebaut. Nach außen zur Palästra und

zum Eingang hin erhob sich eine gegliederte Prunk-

wand mit Nischen und Statuenschmuck. Ein großes

Schwimmbecken dürfte vor dieser Wand gelegen ha-

ben. Es ist aber auch möglich, dass man im nördlichen

Klima Triers auf ein Kaltwasserbecken verzichtete und

die beiden seitlichen Warmwasserpiscinen des Calda-

riums als Natatio benutzte. In den modernen Rekon-

struktionen und auf modernen Plänen wechseln die

Vorschläge mit oder ohne Natatio einander ab.

Die Warmwasserschwimmbecken der Barbarathermen

sind wegen der zusätzlichen Betriebskosten an Wasser

und Heizung eine teure Variante der normalen Natatio.

Entsprechend selten hat man ein solches Warmwasser-

schwimmbecken (piscina calida) gefunden; neben Trier

sind Anlagen in Kaiservillen wie die kleinen Thermen

der Hadriansvilla bei Tivoli oder das Bad einer Kaiser-

villa in Sabaudia südlich von Rom zu nennen. Und es

gab eine noch teurere Version des Warmwasserbeckens,

die sog. Samowarpiscina, bei der in der Mitte des Be-

ckens ein an das Heizsystem angeschlossener Metallbe-

hälter – von den Archäologen Samowar genannt – in-

stalliert war. Diese aufwendige Konstruktion kennt man

seit der frühen Kaiserzeit der Jahre vor dem Vesuv aus-

bruch 79 aus den Vorortthermen von Herculaneum und

Pompeji sowie aus der Villa von San Marco bei Stabiae

am Golf von Neapel; spätere Beispiele sind Thermen in

Ostia, in Massaciuccoli (Toscana) sowie in Italica (Se-

villa) in Südspanien. In der großen Villenanlage des

Kaisers Hadrian bei Tivoli, in der es vier Bäder gab, war

zwar keine Samowarpiscina traditioneller Art mit ei-

nem Behälter eingebaut; ein rundes Schwimmbecken

in den sog. Heliocaminusthermen hatte jedoch nicht

weniger als drei Schildkrötenheizkörper (testudines),

was an Wirkung die Samowarpiscina noch übertroffen

haben dürfte.

In Trier beherrschte die nördliche Schauwand der Ther-

men den Hof (ob mit oder ohne Natatio) und war die

eigentliche Schauseite der Barbarathermen. Zu den dort

angebrachten Skulpturen gehörte die ausgezeichnete

Kopie der Amazone des Phidias. Der Architekt der Dio-

kletiansthermen in Rom folgte dem gleichen Schema:

Die Schauwand des Frigidariums über der Natatio war

sehr prunkvoll und sorgfältig als dreistöckige Schmuck-

fassade gearbeitet. Die Wirkung war den Schmuckfas-

saden der großen Prunknymphäen vergleichbar, wie

man sie in Rom oder Milet bewundern konnte. Das

nach Süden schauende Caldarium erhielt in den Vor-

mittagsstunden zusätzliche Sonnenwärme, während

die Prunkfassade des Frigidariums in ihrer Orientie-

rung nach Norden im wechselnden Sonnenstand des

Nachmittags besonders attraktiv aussah.

Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan

Die Trierer Kaiserthermen waren ein Parallelbau zu den

298 begonnenen Diokletiansthermen in Rom. Seit 293

war Trier im Rahmen der tetrarchischen Reichsver fas-

sung Kaiserresidenz geworden. Nicht jede Residenz

der Tetrarchen wie Mailand, Thessaloniki oder Niko-

medeia wagte es, die stadtrömischen Kaiserthermen als

Maßstab zu nehmen. In Trier tat man es: Constantius

Chlorus residierte in Trier, der Vater des später epoche-

machenden Kaisers Konstantin des Großen, und es ist

deshalb vielleicht bezeichnend, dass ausgerechnet er

mit dem Bau von Kaiserthermen im Stile Roms begann.

Der Trierer Bau wurde in der geplanten Form nie

voll endet. Den Grund kennt man nicht, doch war es

vermutlich der frühe Tod des Augustus Constantius.

Der Bau blieb vorerst unvollendet liegen, bis lange nach

der konstantinischen Dynastie unter Kaiser Valentinian

(364–375) die Anlage unter neuem Vorzeichen vollen-

det wurde. Bei gleicher Ausdehnung auf der gesamten

Insula hat man die Palästra stark vergrößert und zu ei-

nem langen, rechteckigen, von Säulenhallen umstell -

ten Platz gemacht, der wie ein riesiges Forum aussieht.

Der Bau im Norden beschränkt sich auf das ehemalige

Caldarium und auf das Tepidarium, das nun zu einem

Vestibül zum Platz hin wurde. Aus dem Badecaldarium

wurde ein thronsaalähnlicher Dreikonchenraum. Nörd-

lich davon baute man ein diesmal recht kleines Bad ein.

Trier, Barbarathermen. Prunkfassade der Natatio, nach Norden gerichtet. Zeichnung von F. Boutron (Mittleres 2. Jahrhundert).

Trier, Barbarathermen (Mittleres 2. Jahrhundert). Orientierung

des Badetraktes nach Süden. Plan: C Caldarium T Tepidarium

F Frigidarium. Die beiden Schwimmbecken II und II’ (Piscinae)

beiderseits des Caldariums mit ihrem rechteckigen Grundriss

und dem bogenförmigen Südabschluss waren beheizt.

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Bäder reichsweit Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan

Der große freie Platz und die vielen kleinen seitlichen

Räume führten zum Vorschlag, hier die Kaserne der kai-

serlichen Leibgarde anzunehmen.

In der Planung der ersten Phase umfasste die

Grund fl äche das Areal einer ganzen Doppelinsula mit

ca. 140 x 260 m, also etwas mehr als 36 000 m2. Bei al-

lem Re spekt vor der Dominanz dieses Planes im Trierer

Stadtbild muss man doch gegenüber Rom feststellen,

dass die Zahlen viel bescheidener ausfallen: Die Trajans-

thermen mit 84 000 m2 und die Caracallathermen wie

Diokletiansthermen mit 125 000 m2 Grundfläche stellen

ganz andere Dimensionen dar. Man hatte in Trier die

lokalen Häuserblocks (insulae) als gegebene Größe, und

man verzichtete klugerweise darauf, für die geplanten

Thermen gleich zwei weitere Häuserblocks zu räumen,

musste man doch schon an der gewählten Stelle ältere

Häuser niederreißen.

Die Trierer Kaiserthermen hatten in der Planung ins-

gesamt mehr Ähnlichkeit mit den Trierer Barbarather-

men als mit den zeitgleich erbauten Diokletiansther-

men in Rom. Der Badetrakt stand nicht frei, sondern

war von zwei Höfen umgeben, dem für das Publikum

gesperrten Wirtschaftshof im Osten und dem Eingangs-

platz im Westen, den Palästra zu nennen schwerfällt,

weil er wohl kaum allein für den Sport gedacht war. Die

gesamte Anlage war strikt zweigeteilt. Den Eingangs-

platz, der als Forum diente, umgaben Portiken und Ne-

benräume auf allen drei Seiten. Diese waren als Gesell-

schaftsräume für die gesellschaftlichen, intellektuellen

oder körperbezogenen Aktivitäten gedacht, welche sich

in den Thermennebenräumen abspielten konnten. Soll-

te man eine Bibliothek geplant haben, so war diese eben-

so hier zu suchen wie Vortragssäle oder auch Räume

für ambulant praktizierende Ärzte.

Der Besucher betrat in der Planung den Badetrakt

auf beiden Seiten neben dem Frigidarium und ging

dann von den Garderobenräumen beiderseits des Fri -

gi dariums am Tepidarium vorbei zum ausgedehnten

Cal da rium. Dieses bestand aus der großen Dreikonchen-

anlage mit drei seitlichen Wannen sowie im Durchgang

zum Tepidarium zusätzlich aus einem kleineren Raum

mit zwei seitlichen Heißwasserwannen. Ähnlich wie in

den Barbarathermen nahm man auch hier auf das nörd-

liche Klima Rücksicht: Die beiden Wasserwannen an

den Schmalseiten des Frigidariums konnten beheizt

werden. Ganz kalt war das halbrunde Wasserbecken im

Westen des Frigidariums zum Hof hin, welches die Rol-

le der Natatio der römischen Thermen spielt.

Vom Hof aus boten sich in der Planung die Ther-

men ähnlich wie die Barbarathermen mit einem gro-

ßen Fassadenprospekt dar, nur war dieser hier ganz

anders geartet; er blickte gleichsam nach innen, wies

mit dem halbrund hervorspringenden Bauteil der Nata-

tio am Fri gidarium vom Hof weg zu den Innenräumen.

Dies war an dieser Stelle eine ganz andere Konzeption

als die der Diokletiansthermen.

In Trier konnte man in der späten Kaiserzeit viel-

leicht auch deshalb auf die Nutzung der Kaiserthermen

verzichten und die Anlage umbauen, weil mit den

Thermen am Viehmarkt neben den Barbarathermen

eine zweite größere Badeanlage zur Verfügung stand.

Die Ausgrabung der Viehmarktthermen 1987 bis 1994

ist eines der bemerkenswerten archäologischen Ereig-

nisse in Trier nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.

Seit 1998 ist das Grabungsareal in einem glasverklei de-

ten Museumskubus der Öffentlichkeit zugänglich. In

der ersten Bauphase vom Jahre 80 an war das Ge bäude

eine repräsentative Schöpfung, ohne dass man den ge-

nauen Zweck benennen kann; eine Badeanstalt scheint

es nicht gewesen zu sein. Zu Thermen wurde das Ge-

lände erst in der zweiten Bauphase Anfang des 4. Jahr-

hunderts umgebaut, und es liegt nahe anzunehmen,

dass dies mit der veränderten Planung der Kaiserther-

men zusammenhing: Bei den Kaiserthermen verzich-

tete man auf den Badecharakter, während man um-

gekehrt den Bau am Viehmarkt zu einem Thermenbau

umänderte.

Trier, Kaiserthermen. Die Ruinen des Caldariums, Außenansicht von Südosten. Heutiger Zustand nach Restaurierung.Trier, Kaiserthermen. Erste Phase (unvollendet, Anfang 4. Jahrhundert). Rekonstruktionsskizze von L. Dahm nach den Angaben von

D. Krencker.

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Der Badebetrieb Chirurgen und anderes Badepersonal: Operationssäle in Thermen

den Porträts befanden sich auch solche der jeweiligen

Stifter. Im Laufe des 3. Jahrhunderts nahm seit der Zeit

der Severerdynastie der Brauch immer mehr zu, in den

Thermen kaiserliche Porträtgalerien in Form von Fami-

liengruppen aufzustellen.

Unter den Gottheiten aus römischen Thermen sind

die Götter des Wassers wie Flussgötter und Wassernym-

phen nur sporadisch vertreten. Rein numerisch führen

Bacchus und sein Kreis (Satyrn, Silene) die Themenrei-

he an, gefolgt von Venus zusammen mit Amor und den

Heilgöttern Aesculapius und Hygieia. Sowohl Hercules

auf der einen Seite wie die Götter des Geistes (Apollo,

Musen, Minerva) sind merklich weniger vertreten. Et-

was vereinfacht könnte man das Hauptinteresse der

Stifter, welche ja die Bildauswahl trafen, auf den Be-

reich Wein, Liebe und Gesundheit gerichtet sehen – an-

gesichts der menschlichen Natur eine recht verständ-

liche Auswahl.

Bibliotheken in Bädern sind ein ganz anderes Thema.

Sie scheinen ein Widerspruch in sich zu sein – beschrie-

benes Papier neben immenser Feuchtigkeit; aber man

konnte sie nach einer Notiz Senecas (Dialoge 9, 9, 7)

bereits im 1. Jahrhundert erwarten, was man nur damit

erklären kann, dass die Thermen mehr und mehr zum

sozialen Zentrum wurden, zum Versammlungsplatz der

Mengen.

Zu den wichtigsten Nebenräumen der Diokletians-

thermen zählten zwei Bibliotheksräume, die man in

den zwei Sälen beiderseits der großen Exedra vermu-

tet. Auf dem Forum des Kaisers Trajan hatte es neben

der Basilica Ulpia eine Bibliothek gegeben, die Biblio-

theca Ulpia, in der auch staatliches Archivmaterial un-

tergebracht war. Die Bücher und Akten aus der Basilica

Ulpia wurden angeblich von Diokletian in seine Ther-

men verlagert, aus Gründen, die wir nicht wissen. Die -

se Nachricht aus der Historia Augusta muss aber nicht

glaubwürdig sein. Ungeachtet dieses Problems sind

Bibliotheksräume nach dem Vorbild der Trajanssäule

auch in den Diokletiansthermen zu suchen, und man

wird die beiden vorgeschlagenen Säle dafür nehmen

dürfen.

Die Bibliotheksexedren der Trajansthermen waren

glänzende Architekturen, mit der dekorierten Halbkup-

pel und den gegenüberliegenden Riesenfenstern aber

für eine Biblikothek unpraktisch. Vor allem dürfte man

Mühe gehabt haben, die vorauszusetzenden Regale im

Obergeschoß gefahrlos zu erreichen. Die rechteckigen

Räume der Caracallathermen und der Diokletiansther-

men waren für den Einbau einer Galerie praktischer; in

den Diokletiansthermen ist mit einer inneren Säulen-

reihe diese Oberstockgalerie raumgreifender möglich

gewesen. Auch war die Verschließbarkeit der Räume,

die man auch voraussetzen muss, an den Exedren der

Trajansthermen nicht leicht; sie wurde vielleicht mit

mobilen Holzläden erreicht, wie man es von den Fun-

den aus Pompeji kennt.

Chirurgen und anderes Badepersonal: Operations -säle in Thermen

In den Haushalten der Städte gab es kaum fließendes

Wasser, die Häuser der Reichen und die Paläste der se-

natorischen Oberschicht ausgenommen. Auf dem Lan-

de bezog man das Wasser aus Quellen und Brunnen,

und auch der Bewohner der Großstadt, der in Miets-

häusern wohnte, musste sich sein Wasser am nächsten

Brunnen holen. Also boten sich die Thermen auch für

jene Spezialisten an, die fließendes sauberes Wasser

und manchmal auch heißes Wasser benötigten: Chirur-

gen bei der Operation. Dass Kaiser Hadrian die Ther-

men vormittags für Kranke öffnen ließ, kam dem ge-

wiss entgegen (Historia Augusta Hadr. 22,7).

Den Hinweis auf chirurgische, ambulante Tätigkei-

ten in Nebenräumen römischer Thermen lieferten ar-

chäologische Funde. Einer von ihnen stammt aus der

römischen Stadt Colonia Ulpia Traiana (Xanten am

Niederrhein), eine um oder bald nach 100 unter Kaiser

Trajan gegründete zivile Stadt an der Stelle früherer

Militärstationen. Die großen Thermen dieser Stadt sind

ein beeindruckender Bau mit einem Badetrakt im Nord-

osten und Anbauten an zwei weiteren Seiten; sie neh-

men einen ganzen Häuserblock (Insula) ein. In einem

kleinen Raum an der Südwestecke entdeckte man fünf

chirurgische Instrumente: Zwei ganz erhaltene Kno-

chenmeißel mit Bronzegriffen und Eisenklingen sowie

drei Skalpellgriffe, deren Klingen fehlen. Zwei der Skal-

pelle waren mit Goldbändern wie mit Einlegearbeiten

dekoriert. Die fünf Instrumente sind ein einem kleinen

Raum ganz am Ende des Nebentraktes freigelegt wor-

den. Solche Thermennebenräume konnten von Ärzten

Rom, Trajansthermen. Bibliothek in Form einer Exedra.

Rekon struktion von Peter Connolly (1998).

Virtuelle Rekonstruktion der römischen Thermen in der Colonia Ulpia Traiana (Xanten am Niederrhein) 2. Jahrhundert. Die Markierung

kennzeichnet den Fundort der chirurgischen Instrumente. LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum.

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Heilgötter und ihre Weihegaben Von den Römern unbeachtet

Von den Römern unbeachtetGrundsätzlich ist es richtig, dass die Römer so gut wie

alle wichtigen Mineral- und Thermalquellen auf ihrem

Gebiete kannten. Daran waren sie auch aus medizini-

schen Gründen interessiert. Man darf aber diesen Ge-

danken auch nicht überstrapazieren. Die Quellen von

Bad Schwalbach (Langenschwalbach) im Taunus schei-

nen von den Römern übersehen worden zu sein; der

im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnte Ort machte als

Kurort erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Karriere.

Die Römer haben die Mineralquellen dieses Platzes mit

hohem Anteil an Eisen und Kohlensäure anschei nend

nicht ins Auge gefasst, vermutlich weil der Platz zwar

zur Militärlimeszone gehörte, das Militär jedoch durch

die Thermalquellen des nahen Wiesbaden schon sehr

gut versorgt war.

Ab dem späten 17. Jahrhundert wird Schlangenbad im

Taunus als Thermalquellenkurort aktenkundig. Das Vor-

kommen der sehr wahrscheinlich von den Römern nach

Norden mitgebrachten Äskulapnatter an einigen Orten

in Deutschland, und eben auch in Schlangenbad, darf

nicht zum Analogieschluss verleiten, dass die Römer

damals schon die Schlangenbader Quellen erschlossen

hatten. Die Schlangen waren in Mitteleuropa weiter ver-

breitet gewesen und konnten sich an einigen klimatisch

günstigen Stellen halten, neben dem Taunus auch am

unteren Neckar und im Donautal zwischen Passau und

Linz. Als Beweis für römische Heilthermen in Schlan-

genbad können sie nicht gelten.

In Bad Homburg hat man im Quellgebiet die Reste ei-

nes römischen Gebäudes gefunden, ohne dass man ei-

nen Bezug zum Bad Homburger Mineralwasser finden

könnte. Eine salzhaltige Quelle in Bad Homburg v. d. H.,

der Kaiserbrunnen, enthielt eine römische Weihegabe:

Es handelt sich um eine Keramik, eine Terra-Sigillata-

Deutschlands Römerquellen

Aachen, Am Hof. Hohe Bogenarkaden von einem Kultplatz zwischen zwei Thermenanlagen. Höhe 7,10 m (2. Jahrhundert).

Kopie; Originalarchitektur im Rheinischen Landesmuseum Bonn.

Äskulapnatter im Garten eines Privathauses. Schlangenbad-

Georgenborn im Taunus.

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Deutschlands Römerquellen Bad Cannstatt (Stuttgart-Bad Cannstatt)

Schüssel des 2. Jahrhunderts, welche tief im Brunnen

gefunden wurde. Die Art der Deponierung spricht ge-

gen einen Verlust und für eine bewusste Weihung. Die-

ser Fund ist aber allein zu gering, als dass man nur des-

wegen eine systematische römische Nutzung der Hom-

burger Quellen voraussetzen dürfte. Dasselbe gilt für

die Bad Nauheimer Quellen. Angesichts der viel gerin-

geren Bevölkerungsdichte in der Römerzeit scheinen

den Römern im Rhein-Main-Gebiet die Quellen von

Wiesbaden, Nierstein und Bad Vilbel genügt zu haben.

Im Gebiet des römischen Bad Dürkheim sticht der

Steinbruch des Kriemhildenstuhls mit seinem roten

Sandstein hervor, ferner hat man in Bad Dürkheim und

Bad-Dürkheim-Ungstein römische Landgüter gefun-

den, wobei das in Ungstein durch sein Kelterhaus nam-

haft geworden ist. Die Gegend war also in der Römer-

zeit wirtschaftlich erschlossen und bedeutsam. Für Bad

Dürkheims Mineralquelle, ein Chloridwasser mit Natri-

umanteilen, lässt sich dennoch bisher eine römische

Nutzung nicht nachweisen.

Im Folgenden werden nur Orte aufgeführt, die bereits

von den Römern genutzt wurden und auch heute noch

als Kurorte oder Quellorte aktiv sind. Reine archäologi-

sche Ausgrabungsplätze wie Hochscheid im Hunsrück

(siehe S. 127) oder Heckenmünster in der Südeifel blei-

ben hier außer Betracht.

Aachen (Aquae Granni)

Der Name Aachen (Nordrhein-Westfalen) bewahrt das

römische Aquae. Die Stadtgründung des römischen

Aachen geht auf die früheste Kaiserzeit unter Augus -

tus zurück. Schon unter Tiberius (14–37) entstand in

Aachen die älteste Thermenanlage. Man darf davon

ausgehen, dass die heißen Quellen Aachens für die Erho-

lung der Armee der Provinz Niedergermanien bestimmt

waren: Römische Legionen lagen in Bonna (Bonn), No-

vaesium (Neuss), Vetera (bei Xanten) und Noviomagus

(Nimwegen). Die Thermalsolquelle Aachens ist in der

Gegenwart mit bis zu 74 °C die heißeste Deutschlands.

Im Laufe der Zeit entstanden im römischen Aachen

drei Thermenkomplexe. Im Bereich des späteren Do-

mes lagen die Münsterthermen und nur 200 m we i ter

nordöstlich die Büchelthermen an der Kaiserquelle.

Dazwischen erstreckte sich ein Tempelbezirk mit einer

weiteren Quelle, einem Tempel und einem Arkadenum-

gang. Der Gott dieser Anlage ist unbekannt, man nimmt

jedoch an, dass es sich um Apollo Grannus handelte.

Die Form der Aachener Thermen orientierte sich wie

bei allen Heilthermen der Römerzeit an den gegebenen

topographischen Bedingungen. Die Badeanlagen grup-

pierten sich in variabler Art um die Räume mit dem

heißen Wasser.

Apollo als Aachener Hauptgott erscheint auf einem

Votivaltar vom Schwertbad in Aachen-Burtscheid; die

Wasseramphoren auf den Altarseiten weisen auf den

Heilgott und die Quellen hin. Der Weihende, Lucius

Latinius Macer, war Erster Centurio und danach La ger-

präfekt der 9. Legion gewesen, welche im frühen 2. Jahr-

hundert einige Jahre lang in Noviomagus (Nimwegen)

stationiert war. Der Altar bestätigt, dass Aachen den Sol-

daten der Armee Niedergermaniens als Kurort diente.

Den Hinweis auf Apollo Grannus als dem Aachener

Hauptgott findet man im Stadtnamen. Die lateinische

Formulierung „Aquis Granni“ stammt zwar erst aus

der karolingischen Zeit im 8. Jahrhundert, aber warum

hätte man in christlicher Zeit einen heidnischen Göt -

ter namen willkürlich anfügen sollen? Man kann des-

halb von „Aquae Granni“ als dem Namen des römischen

Aachen ausgehen.

Inschriftlich kennt man Apollo Grannus aus zahl-

reichen Inschriften, z. B. aus Hochscheid im Hunsrück

oder aus Faimingen nahe der Donau in Bayern. Apollo

Grannus war die romanisierte keltische Version des

Heilgottes Apollo Medicus, er war einer der großen gal-

lorömischen Götter und sein Kult war in den Nordwest-

provinzen des Reiches weit verbreitet. Kaiser Caracalla

suchte 212/213 Linderung für ein Leiden bei Apollo

Grannus (Cassius Dio 77, 15, 6), und zwar vermutlich

im Heiligtum des Grannus in Faimingen (Phoebiana).

Bad BertrichDie Thermalquelle von Bad Bertrich (Rheinland-Pfalz)

liegt in einem Seitental der Mosel nördlich von Bullay,

etwa in der Mitte zwischen Koblenz und Trier. Die

Glaubersalzquelle mit bis zu 32 °C warmem Wasser ist

die einzige Glaubersalzquelle auf dem Gebiet des heu-

tigen Deutschlands. Der Ort wurde bereits im 18. Jahr-

hundert von den Trierer Kurfürsten neu gestaltet. Am

Ende des 19. Jahrhunderts stieß man im Bereich des

Badehauses an der Ostseite des Kurplatzes auf die rö-

mische Quellfassung und Reste römischer Thermen.

Neuerdings fand man bei der Anlage der neuen Vulkan-

eifeltherme Bad Bertrich auch Spuren der römischen

Siedlung, deren römischer Name noch unbekannt ist.

Münzschatzfunde der Jahre bis 273 und bis 346 bezeu-

gen die Besiedlung des Ortes und sicher auch die Nut-

zung der Quellen bis in die Spätantike.

Ein römischer Kurgast stiftete in Bad Bertrich der Göt-

tin Diana eine Skulptur aus Alabaster. Diana erscheint

hier als Göttin der Jagd und der Natur; sie war aber

auch jedem Römer als Schwester des Heilgottes Apollo

vertraut. Deshalb konnte sie auch Züge der gallorömi-

schen Quell- und Heilgöttin Sirona annehmen, wie es

eine Wiesbadener Inschrift verrät. Ansonsten sind aus

Bad Bertrich die Quellnymphen Meduna und Vercana

inschriftlich bekannt.

Bad Cannstatt (Stuttgart-Bad Cannstatt)

Stuttgart-Bad Cannstatt (Baden-Württemberg) war ein

wichtiger Kastellort am Neckar mit einem Stützpunkt

für eine Kavallerieeinheit von 500 Mann (Ala) und ei-

nem Lagerdorf. Das römische Militär war in Bad Cann-

statt bis in das 3. Jahrhundert hinein stationiert; um

100 hatte man das vor 90 n. Chr. errichtete Erdkastell

durch ein festes Steinkastell ersetzt. Zuletzt war hier

eine orientalische Kavallerieeinheit von Kataphrakten-

reitern stationiert, bei denen Mann und Ross komplett

gepanzert waren. Der römische Name des Ortes ist nicht

bekannt.

Die römische Zivilsiedlung entwickelte sich beider-

seits des Neckars. Bad Cannstatts reiche Mineralquellen

sprudeln ebenfalls sowohl links des Neckars in Stutt-

gart-Berg (Mineralbäder Berg und Leuze) wie auch

rechts des Neckars im Mineralbad Bad Cannstatt. Aller-

dings sind Topographie und Architekturen der römi-

schen Zivilsiedlung Bad Cannstatt nur lückenhaft be-

Diana aus Bad Bertrich. Diana als Jagdgöttin, ihr Hund jagt ein

Reh. Alabasterskulptur des 2. Jahrhunderts. Höhe: 41 cm.

Sigmaringen, Fürstl. Hohenzollernsche Sammlung.