Die Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs

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Z e i t s c h r i f t fiir

Ontersuchung der Nahrungs- und Genul]mittel, sowie der Gebrao.~hsgegenst~tnde.

Heft 8 . 1 5 . A p r i l 1 9 1 1 . 21. Band. i ii

Die Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. Vcn

Geh. Obermedizinalrat Dr. Abel-Berlin.

Vortrag, gehalten auf der 35. Versammlang des Vereins fiir 5ffentliche Gesundheitspflege in Elberfeld 1).

Wenn ieh es unternehme, vor Ihnen, maine Herren, die Sie die Hygiene als Wissenschaft pflegen oder ihre Lehren in Verwaltung, Technik und Fiirsorge fiir die Volkswohlfahrt anwenden, fiber die Beaufsichtigung des :Nahrungsmittelverkehrs zu sprechen, so kann ich davon absehen, auf die allgemeine Bedeutung ether geregelten Lebensmittelaufsicht und deren Ziele und Zweeke in li~ngeren Ausffihrungen einzu- gehen, wie es vor einem Kreise yon hygienisehen Laien erforderlich wiire. Einlge kurze Darlegungen werden genfigen, um die B e s t i m m u n g und die lq o t w e n d i g - k e i t de r l ~ a h r u n g s m i t t e l k o n t r o l l e ins reehte Licht zu setzen, soda~ ich den Hauptteil meines Rderates der Frage widmen kann~ wie die U b e r w a e h u n g d e s L e b e n s m i t t e l v e r k e h r s am b e u t e n g e o r d n e t w e r d e n sol l .

Die ~ahrungsmittelaufsieht hat in erster Linie dem S c h u t ze de r G e s u n d- be l t zu dienen. Es ist bekannt, daI~ ~ahrangsmittel aus versehiedenen Griinden gesundheitsschiidliche Eigensehaften haben k5nnen. Ein ~-ahrungsmittel kann von Hause aus, yon seinem Ursprunge her gesundheitssehi~dlich sein, so z. B. Fleisch yon kranken Tieren, Mehl aus mutterkornhaltigem Getreide. Ein zun~ichst gutes ~,lahrangsmlttel kann gesundheitsschi~dlich warden durch natiirliche Zersetzung, der es bei der Aufbewahrung unterliegt, durch absichtliche Zusatze, die ibm bet seiner Bearbeimng gemacht werden, oder durch zuf~illige Verunreinigungen, denen es an- heimfMlt, wie beispielsweise Wasser oder Milch dureh Hineingelangen yon Infektions- keimen. Alle solche INahrungsmittel vom Verkehr auszuschliel~en, ist die wichtigste Aufgabe der ~berwachung des :Nahrungsmittelverkehrs. Sie ist aueh heute noch von grot~er Bedeutung, da wahrscheinlich mehr Erkrankungsfiille, als im allgemeinen an- genommen wlrd, auf den Genu/~ schiidlicher Iqahrungsmittel zurtickgeffihrt werden mfissen.

Weiterhin soft die ~ahrungsmittelatffsicht das Volk aber auch v o r w i r t s e h a f t- l i c h e n S c h ~ d i g u n g e n b e h i i t e n . Wie in den verschiedensten Gebieten des Handels, so gibt es auch auf dem iNahrungsmittelmarkte neben vollwertiger, erst- klassiger Ware minderwertige, ]a sogar solche, die man als naehgemacht, verf~lscht und verdorben gem~i] der Gesetzessprache bezeiehnen muir. Der Gedanke, derartige

1) ¥ierteljahresschrift f. 0ffentl. Gesundheit, spfiege 1911, 43, 75--It0. ~. 1i. 99

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[Zeitsehr. f. Untersuchung 450 A b e 1, Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. Id. Nahr.- u. Genul~mitteL

Ware yore Markte sehlankweg zu verbannen, ist nieht durchfiihrbar. Man mfiSte sonst z. B. Margarine und Kunstspeisefette als ,,!qachahmungen" yon Butter und Schmalz, Magermilch als ,,verf/~lschte" Milch und unreifes, zum Einkochen bestimmtes Obst als ein ira Sinne des Gesetzes ,,verdorbenes" Obst yore Verkehr ausschliegen, wahrend doch nicht zu leugnen ist, da$ die genannten Nahrungsmittel ihre volle BerechtiguDg als Handelsware besitzen. Nur mug verlangt werden, da$ jedes gegen- fiber der normalen Ware minderwertige ~ahrungsmittel im Handel und Verkehr Be- nennungen und Kennzeiehen erh/ilt, die seine mindere Besehaffenheit dem Kgufer und Verbraucher unzweideutig crkennbar machen, damit er nicht sein gutes Geld fiir geringe Ware dahingibt. Indem sie in dieser Richtung iiberwaehend und regelnd wirkt, fSrdert die :Nahrungsmittelkontrolle mittelbar auch die Volksern/ihrung. Denn es liegt zutage, da$ ein minderwer|iges l~ahrungsmittel in sehr vielen F/illen zugleich ein n~hrstoff~rmeres sein wird, seine Verwendung ohne Kenntnis seiner geringere l~/ihrkraft seitens des Verzehrers daher dessert ErnKhrung unbewuSt verschlechtern wird.

K u r z z u s a m m e n g e f a S t sol[ a l so die l ) b e r w a c h u n g des N a h r u n g s - m i t t e l v e r k e h r s v e r h i i t e n , d a $ d u r c h I n v e r k e h r b r i n g e n sch /~d l i che r , Ve r f~ t l s ch t e r oder s o n s t m i n d e r w e r t i g e r W a r e n G e s u n d h e i t s g e - f / i h r d u n g e n , B e e i n t r / ~ c h t i g u n g e n der E r n / ~ h r u n g und w i r t s c h a f t - t i c h e S c h ~ d i g u n g e n der V e r b r a u c h e r e i n t r e t e n . Dal~ die l~ahrungsmittel- kontroUe durch ihr Wirken zugleich dem reellen Handel mit Nahrungsmitteln Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb schlechter Erzeugnisse bietet, ist ein l~ebenerfolg, der ebenfalls nicht gering veransehlagt werden daft.

Es dem einzelnen und seiner Aufmerksamkeit zu fiberlassen, wie er sieh vor Sch/idigung seiner Gesundheit und seiner wirtschaftlichen Interessen beim i~ahrungs- mRtelkauf sichern will und kann, hat man nle fiir ausreichend angesehen, se]bst in Zeiten nicht, wo der Lebensmittelmarkt viel einfacher war als jetzt. Seit alters her finden wit in gut verwalteten Gemeinwesen eine organisierte l~ahrungsmittelkontrolle. Bereits bei den alten KulturvSlkern Vorderasiens zeigen sieh Andeutungen davon. In Athen fibten besondere Beamte die Marktkontrolle aus, in Rom batten die ~_dilen und Praefecti annonae den Lebensmittelverkehr zu beaufsichtigen. In Deutschland, Frankreich und England sieht man, namentlich in den St/~dten, seit dem 13. Jahr- hundert eine besondere Lebensmittelpolizei in Tatigkeit, die nicht nut auf richtiges t~ia$ und Gewicht hielt, sondern auch auf die Gt~e der i~ahrungsmittel achtete. Im Laufe des 19. Jahrhunderts ergingen in verschiedenen deutschen Staaten nahere Vor- schriften fiber die Ausfibung der i~ahrungsmittelkontrolle durch die Gesundheitspolizei, bis das im Jahre 1879 erlassene Iqahrungsmittelgesetz ffir das Deutsche Reich schliel~lich die Befugnisse der PolizeibehSrden gegeniiber dem Lebensmittelverkehr in bestimmter Weise al]gemein festlegte.

Das N a h r u n g s m i t t e l g e s e t z vom 14. Ma i 1879 erwuchs aus der De- obaehtung heraus, dal~ auf dem Lebensmittelmarkte Zust~inde eingerissen waren, denen man mit den allgemeinen Strafvorschriften des Strafgesetzbuches (§§ 263, 324, 367 No. 7) nicht hinreichend beikommen konnf~e. ]~fan mu~te daher zu einer Erg/inzung der strafgesetzlichen Bestimmungen schreiten. Die Motive sehon des ersten, im Jahre 1878 dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurfes ffihrten aber zugleich aus, da~ eine Beseitigung der vorhandenen sehweren ~belstande durch das Strafgesetz allein iiber- haupt nicht zu erreichen sei, dal~ es vielmehr vor allem und in erster Linie darauf ankomme, durch geeignete Mittel vorbeugend einzuwirken, und daf~ die zu diesem

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Zwecke erforderliche vorbeugende Kontrolle nur in die H/inde der Polizei und zwar der Gesundheitspolizei gelegt werden kSnne. Dementsprechend stellte der Gesetzent- wurf die auf den pr/~ventivcn Schutz durch die Nahrungsmittelkontrolle bezfiglichea Bestimmungen an die Spitze. Die Beratung des Entwurfes in einer Reichstags- kommission ffihrte zu einer Abschw/ichung der dem englischen :Nahrungsmittelgesetz vom 11. August 1875 im wesentliehen naehgebildeten Vorschriften fiber die polizei- liche Beaufsichtigung des Lebensmittelverkehrs. Ein im Jahre 1879 eingebrachter zweiter Gesetzentwurf nahm diese Milderungen an. Er ist dann mit wenigen Ab- /inderungen zum Nahrungsmittelgesetz yore 14. Mai 1879 geworden, das in seinea §§ 1 bis ¢ mit der Regelung der polizeiliehen Zust/inde gegenfiber dem Lebens- mittelverkehr beginnt.

Diese :Paragraphen erlauben den Beamten der Polizei, in R/iume, in denen Nahrungs- und Genul~mittel oder bestimmte Gebrauchsgegenstande, n~imlich Spielwaren, Tapeten, Farben, EI~-, Trink- und Kochgeschirre und Petroleum feilgehalten werden, wahrend der Gesch/iftsstunden einzutreten und nach ihrer Wahl Proben zum Zwecke der Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen. Das gleiche Reeht haben sic gegent~ber Waren, die an 5ffentlichen Orten, auf Markten, Pl~itzen, Straften oder im Umherziehen feilgehalten und verkauft werden. Die Aufbewahrungs- und Fabrikationsraume zu betreten und in ihnen oder in den Verkaufsr/~umen Revisionen vorzunehmen, ist den Polizeibeamten, soweit nieht /fltere landesgesetzliehe Bestimmungen welter gehen, nur gestattet in seltenen Fallen, n/imlich bei solchen Personen, die auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes zu einer F r ei h e it s s t r a f e ver- urteilt sind, und zwar auch dann nut innerhalb dreier Jahre nach Verbfil,3ung, Ver- j~hrung oder Erlag dieser Strafe.

Im Laufe der Jahre ist bekanntlich noch eine ganze Anzahl yon S o n d e r- g e s e t z e n auf dem Gebiete des Lebensmittelverkehrs ergangen, die mehr oder weniger als E r g / i n z u n g s g e s e t z e des allgemeinen Nahrungsmittelgesetzes zu be- trachten, zum Teil aber aueh Zollgesetze sind. Nur ein Tell dieser Gesetze enthMt indes fiber die Beaufsichtigung des Verkehrs der yon ihnen behandelteu Nahrungs- mittel besondere Vorsehriften, die dann stets im Sinne einer Yerseharfung gehalten sind, n~imlich das Fleisehbeschaugesetz, die Margarine-, Wein- und Sfigstoffgesetze. Ffir die groSe Masse der Nahrungsmittel, Genul~mittcl und Gebrauchsgegenst~inde gelten noch immer die Kontrollbestimmungen des :Nahrungsmittelgesetzes von 1879.

Wenn man in den Motiven des Nahrungsmittelgesetzes yon 1879 die beweg- lichen Klagen fiber die bSsen Verh~iltnisse auf dem Gebiete des Nahrungsmittelver- kehrs lies~, so sollte man annehmen, alas sogleich nach Erlal~ des Gesetzes fiberall eine scharfe Uberwaehung eingesetzt haben mfiSte. Das ist aber durchaus nicht der Fall gewesen. Es hat sehr lunge gedauert, bis eine geregelte Aufsicht allerwarts durchgeffihrt worden ist. Von den grSgeren Bundesstaaten richtete Bayern zuerst, aber auch erst 1883, eine umfassende Kontrolle ein. Die anderen Bundesstaaten folgten nur langsam, und Preul]en hat sogar erst in den letzten Jahren ffir eine ge- ordnete Nahrungsmittelfiberwachung in seinem gesamten Staatsgebiete Sorge getragen.

Die V e r h ~ l t n i s s e des : N a h r u n g s m i t t e l m a r k t e s sind nun heute ganz wesentlich andere als 'in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. So plumpe und so gemeingef~ihrliche Nahrungsmittelfiilschungen, wie sic nach den teehnisehen Erl~iuterungen zum Nahrungsmittelgesetze damals beobachtet worden warcn, gibt es jetzt kaum mehr. Zusatz yon Schwerspat zu Mehl, yon Alaun und Kupfervitriol

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[Zeitschr. f. Un~ersuchung 45~ Abel, ~berwaehung des N~hruvgsmittelverkehrs. [d. Nahr.- u. GenulimitteL

zum Brotteig, yon Glycerin und Pikrinsgure zum Bier, F~rben yon Rotwein mit arsen- haltigem Fuchsin, Bereitung yon Schokolade unter Eisenoekerbeimengung, Bestreuen yon Teebli~ttern mit Talk, Speckstein und Gips sind als Falschungen aus der Mode gekommen. In die damalige Zeit palate der launige Trinkspruch, dessen Verse aller- dings nicht besser sind als das Produkt, das er preist:

,Es lebe das Wasser! Das Glycerin! Die Weins~einsi~urel Das Anilin ! Es lebe der Zimt! Der Spiriims! Der Riibsamen I Die Muskatnufi l Es lebe der Bleizucker, abet rein! Mit einem Wort: Es lebe der Wein! ~

Leider kann man aber nicht sagen, da[~ die Fglschung yon :Nahrungsmitteln fiberhaupt unmodern geworden wi~re. Sie spielt wohl nicht mehr so leiehtfertig mit Leben und Gesundheit der Mitmenschen wle ehedem, ist aber in wdtestmn Umfange in Deutschland und noch mehr aui~erhalb DeutsehIands im Sehwange. :Nur ist sie feiner, geschiekter, weniger lelcht aufspfirbar geworden. Die Beriehte der Gesundhdts- behSrden und der :Nahrungsraittel-Untersuchungsiimter in Deutschland und in anderen Liindern liefern immer neue Beisplele dafiir. Es ist erstaunlich zu sehen, weleher Seharfsinn aufgeboten wird, um neue Fiilschungsverfahren auszutfifteln, die aufzudecken den Hilfsmitteln der Chemie zun~chst nieht gelingt, und wie dann raseh, sobald die ~ahrungsmittelchemie ihre Untersuchungstechnik entsprechend verbessert hat, zu einer neuen Art der Fiilschung tibergegangen wird.

Keineswegs ist also eine Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs heute weniger nStig als frfiher. Im Gegenteil, sie mul~ immer eindringlicher und tiefer werden, um allen Schlichen der Fi~lseher auf die Spur zu kommen.

Insbesondere darf auch nicht vmgessen werden, wie s e h r s i c h d ie Verh~i l t - n i s s e d e r l q a h r u n g s m i t t e l v e r s o r g u n g des Deutsehen Reiches im Laufe der letzten Jahrzehnte g e ~ n d e r t haben. Die fortsehrdtende Industrialisierung hat zu- nehmend gr51~eren Teilen der BevSlkerung die Gewinnung yon :Nahrungsmitteln in eigener Wirtschaft unmSglich gemacht und sie gezwungen, ihren gesamten ~Nahrungs- mittelbedarf dem Handel zu entnehmen. Die Zahl der Familien, die sich selbst ihr Gemfise und Obst bauen, die eine Ziege oder ein Sehwein halten kSnnen, is~ im Ver- hiiltnis zur Gesamtzahl der BevSlkerung immer kleiner geworden, trotz der Sehreber- g~rten vor den Stadttoren und ghnlicher Einriehtungen. Aueh im Haushalt haben sich die Dinge umgestaltet. Aus unserer Jugend erinnern wir uns noch, wie im Hause Wurst gemaeht, Siilze gekocht, Kuchen, Marzipan und sdbst Brot gebaeken, ~udeln bereitet, Gemfise gedSrrt, Friichte zu Saft, Mus und Kompott verarbeitet wurden. Heute besorgt das alles, yon Ausnahmen natiirlieh abgesehen, die ]q a h r u n g s m i t t e 1- i n du s t r ie. ffa selbst Fleiseh wird gleleh gehackt bezogen, Gewiirz gestotilen, Kaffee gemahlen eingekauft, weil im Hause Zeit oder Lust fehlt, die Verarbeitung der ~qah- rungsmittd selbst vorzunehmen. Die ~ahrungsmittelindustrie hat diese Entwiekelung nattirlich naeh Kr~tften gef5rdert. Es mul~ durchaus anerkannt werden, daI~ sie dabei auch viel Gutes geieistet hat, indem sie manche Waren in gleichm~i~igerer, gefitlliger sieh darbietender Form in den Verkehr brachte, als der ttaushalt sie Iiefern konnte, und indem sie allerlei neue Zubereitungsarten tier :Nahrungsmittel errand. Leider geht aber neben der guten Industrie eine unlautere einher, die, um die Konkurrenz zu unterbieten, minderwertige, Surrogatware, sehafft und verarbeltet, "Ware, die nur dem Schein, nicht dem Sein nach der guten gleicht. So entstehen die Eierteigwaren,

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2t. Band. ] 15. April 191t.J A b e I, ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 453

in denen gelber Farbstoff einen hohen Eigelbgehalt vort~iuscht, die kiinstlichen Brause- Iimonaden, die ~,on den Friichten, naeh denen sle heil~en, nur das Bild auf der Eti- kette, aber in sieh keine Spur enthalten, die Kunsthonige als Ersatz des eehten Bienenhonigs, - - Waren, die nur dureh die chemisehe Untersuchung, nicht aber vom Konsumenten als verf~ilscht und nachgemacht erkannt werden kbnnen. Das Bestreben der Industrie, mbglichst nichts ungenutzt zu verwerfen, fiihrt dann welter auch so bedauerliche und verwerfllehe Erscheinungen herbei, wie das nicht so ganz selten beobachtete Verarbeiten verdorbener Wurst in frlsehe Wurstmasse, das Auswaschen, :Neutralisieren und Parfiimieren ranzlg gewordener Butter, alas Mischen dumpfigen und modrigen Mehles zwischen frisches, die Herstellung yon Marmeladen mlt kfinstlieher Fiirbung und Aromatisierung aus abgeprel]ten Fruchttrestern, deren mlt Wasser ge- wonnene Auszfige zuvor zu verfMsehten Fruehts~ften verarbeitet women sind, und dergleiehen mehr.

lqimmt man noch hinzu, wie dutch die E n t w i e k e l u n g d e s W e l t h a n d e l s neben bekannten genul~fertigen Waren auch neue, friiher bei uns unbekannte Nah- rungsmittel und Rohstoffe dafiir auf den Markt gebraeht werden - - ieh erinnere nur an die verschiedenen, zu Margarine und Kunstspeisefetten verwendeten Pflanzenfette - - , so ist es augenseheinlich, dal~ das Publikum, tier Konsument, in seiner Unfiihigkeit, fiber die in grbl~ter Verschiedenartigkeit, aber immer in verlockender Aufmaehung und mit hochtbnendeu Bezeichnungen ihm dargebotenen Waren selbst zu urteilen, hill- und ratlos aller T~iusehung und Ubervorteilung ausgesetzt w~re, wenn nicht die Iqahrungs- mittelkontrolle ihm Schutz gew~ihrte.

Wo s o l l n u n d i e U b e r w a e h u n g d, es N a h r u n g s m i t t e l v e r k e h r s e i n s e t z e n u n d w o r a u f s o l l s i e s i c h e r s t r e c k e n ?

Hier sind zuniichst die vom Auslande kommenden und die im Inlande erzeugten Lebensmittel zu unterscheiden.

Die vom A u s l a n d e e i n g e f f i h r t e n L e b e n s m i t t e l und deren Rohstoffe sollten mbglichst allgemein an den Grenzen in Verbindung mit der Zollabfertigung auf Kosten der Einffihrenden untersucht werden,

:Nicht zum ersten Male wird in den Verhandlungen unseres Vereins diese Forde- rung ausgesprochen. Als in der 22. Versammlung des Deutschen Vereins ffir 5ffent- tiche Gesundheitspflege zu Karlsruhe 1897 fiber die Nahmngsmittelfii!schung und ihre Bek~mpfung referiert wurde, lautete ein Sehlul~satz tier beiden Referenten, Ober- biirgermeister R f i m e l i n - S t u t t g a r t und Professor Dr. B e e k u r t s - B r a u n s c h w e l g : ,,S~imtliche unter die Bestimmungen des Iqahrungsmittelgesetzes fallenden und aus dem Auslande elngehenden Waren sollten schon bei dem Eintritt in den freien ¥er- kehr bei den Zolliimtern kontrolliert werden." In der Diskussion wurde damals aller- dings das Bedenken laut, die Untersuehung bei der Zollabfertigung mbchte vielleicht die ~ahrungsmittelversorgung des Volkes erschweren und verteuern.

Selt jener Zeit ist das Bedfirfnis naeh einer Untersuehung der eingeffihrten :Nahrungsmittel vor dem Einlat~ ins Zollinland noch wesentlieh st~irker geworden. Die E i n f u h r v o n L e b e n s m i t t e 1 n hat entsprechend der Bevbtkerungszunahme Deutseh- lands sieh ganz gewaltig vermehrt. Es wird den Herren vielleieht nicht alien vor Augen stehen, dal~ im vorigen Jahre die Einfuhr yon Lebensmitteln, nach dem Spezialhandel und ohne Beriicksiehtigung des lebend eingeffihrten ¥iehes berechnet~ nicht weniger als 27,3 °[o yore Gesamtwerte unserer Einfuhr betragen und einen Wert yon 232¢ Millionen Mark dargestellt bat, dem eine Nahrungsmittelausfuhr von nur

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FZei~¢hr. £ Untersuchung 454 Ab el, Uberwachung des Nahrungsmitt;elverkehrs. i.d. Nahr.- u. Genu~mi~tel.

662 Mitlionen Mark gegenfibersteht. Ich will Sie nicht mit langen Zahlenreihen er- mfiden, sondern nur erw~ihnen, daI~ z. B. Butter ffir 98 Millionen Mark , Ki~se ffir 26, Eier ffir 156, Fleisch, Fische, Gefliige], Talg und Schmalz fiir 280, Kaffee ffir 188, Wein ffir 42, Pfeffer frir 5, Sridfrfichte ohne Trauben ffir 35 Millionen Mark eingeffihrt worden sind. Dabei erstrecken sich die Bezugsquellen immer weiter. Wir erhalten Butter z. B. jetzt schon in grS~erer Menge aus Sibirien als aus D/inemark, :Eier aus Rui~land und den Balkanstaaten, Eigelb aus China, Fische aus ~orwegen und den Vereinigten Staaten yon Nordamerika, Gemiise aus )~_gypten, Palmkerne aus Westafrlka, Getreide bekanntlich in Massen aus Argentinien u. s. w.

Die ZollbehSrden kfimmern sieh um die gesetzgem~i~e Beschaffenhelt der einge- fiihrten Nahrungs- und Lebensmittelrohstoffe nieht; sie lassen Untersuchuagen, wean fiberhaupt, nut vornehmen, um ffir die Beurteilung der Zollpflicht Unterlagen zu er- halten. Einzig frir zwei Arten yon Nahrungsmitteln besteht neuerdings eine Gesund- heitskontrolle an der Grenze, ni~mlich frir Fleisch und FIeischwaren von S/iugetieren und ffir Wein. Die Untersuchnng des einzuffihrenden Fleisches ist dureh das Fleisch- beschaugesetz yore 3. Juni 1900 eingefrihrt; sie ist umfassend und streng, auch ver- bietet das Gesetz kurzweg die Einfuhr yon Waren, deren Gesundheitsunsch/idlichkeit nicht sicher genug festgestellt werden kann, also yon Brichsenflelsch, Wurst und yon kleineren Stricken frischen oder zubereiteten Fleisches fiberhaupt. Die Untersuchung des zur Verzollung gebrachten Weines geschieht seit Jahresfrist auf Grund des Wein- gesetzes vom 7. April 1909 und ist erst vor kurzem neu geordnet worden. Fleisch und Wein, die nicht den gesetzlichen Anforderungen genfigen, werden ins Ausland zurfickgewiesen.

Es besteht nun gar kein Zweifel, dug eine Untersuchung auch frir manche andere Iqahrungsmittel nStig w~ire. Ein Beispiel daffir: Aus Holland erhalten wit noch immer Mengen verf/~schter Butter, trotzdem die Niederl/~ndische Regierung sich sehr viel Mrihe gibt, dutch eine sogenannte Reichskontrolle die Butterproduktion in Holland zu bessern. Die Laboratorien der preugischen Anshmdsfleischbesehaustellen an der hoUandischen Grenze sind seit eir~igen Jahren beauftragt, regelm~it~ig Proben der eingefiihrten holliindischen Butter zu untersuchen. Finden sie dabei, was oft genug gesehieht, verfiilschte Butter, so kSnnen sie diese nut zuriickweisen, wenn t i e r i s c h e s Fett zur F/ilsehung gedient hat, also das Fleischbeschaugesetz eine Handhabe ffir die Beanstandung glbt. Sonst mfissen sie die Butter fiber die Grenze lassen und sich darauf beschr~nken, die PolizeibehSrde des Bestimmungsortes zu verst~ndigen, die dann sehen nmg, ob sie der verf~i]schten Ware habhaft werden und auf Grund der bestehen- den Gesetze einschreiten kann.

DaI~ solche Zusti~nde ungesund und ab~inderungsbedfirftig sind, liegt auf der Hand. Schon sind uns die Vereinigten Staaten und die Schwelz, deren Nahrungs- mittelgesetze yore Jahre 1906 elne Untersuehung der eingeffihrten ~ahrungsmittel an der Grenze vorschreiben, mit gutem Beispiel vorangegangen. Und unsere eigenen Er- fahrungen mit der Untersuchung yon Fleisch und Wein zeigen~ dal~ bei rlchtiger Organisation weder eine erhebliche VerzSgerung in der Abfertigung der Einfuhren, noch eine irgendwie nennenswerte Verteuerung, noeh etwa ein Ausbleiben der Zufuhr also e]n t~'ahrungsmittetmaagel im Inlande zu beffirchten ist. Selbstverst~indlich wird man nicht jedes einzelne einzuftihrende l~ahrungsmktel eingehend chemisch zu unter- suehen brauchen. Frir gewisse Waren wird eine Besichtigung genfigen, frir andere d~e Untersuchung yon Stichproben. Die Tatsaehe alleia, dal~ eine Untersuchung fiber-

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21. Band. "] A b e 1, ~berwaehung des Nahrungsmittelverkehrs. 455 15. April 191I..l

haupt stattfindet, wird den Handel schon veranlassen, zur Vermeidung von ~Veite- rungen und Verlusten nur noch einwandfreie Ware einzufiihren.

Nicht unbedenklich ist das in den Ausffihrungsbestimmungen zu unserem Wein- gesetz yon 1909 gemachte Zugestandnis, dal~ Weine ohne Untersuehung eingelassen werden kSnnen, wenn das Zeugnis bestimmter ausl~indlscher Untersuchungsanstalten ihre gute Beschaffenheit bescheinigt. Ein solches Zeugnis aus Liindern, in denen eine geregelte Verwaltung herrscht, mag zuverl~ssig sein. In anderen Staaten werden da- gegen, wie zu fiirchten ist, derartige Zeugnisse mehr oder weniger leichtfertig im Interesse des nationalen Handels ausgestellt werden. Und da es schwer seln wird, auf diesem Gebiete dem einen Lande ein Zugestandnis zu verweigern, das man dem anderen macht, so erscheint es als das Ratsamste, iedes derartige Entgegenkommen abzulehnen und sich nur auf die eigene Priifung der Einfuhrf/ihigkeit zu verlassen.

I m I n l a n d e mulil i i b e r a l l e i n e r e g e l m / i f ~ i g e B e a u f s i c h t i g u n g d e s : N a h r u n g s m i t t e l v e r k e h r s s t a t t f i n d e n . Das ist eine Forderung der 5ffentlichen Gesundheitspflege, der jetzt allgemein in Deutschland geniigt sein diirfte. Dennoch ist es gut, noeh besonders hervorzuheben, da$ auch auf dem flachen Lande eine fortgesetzte Kontrolle nicht fehlen darf, weil yon agrarischer Seite bisweilen die :Notwendigkeit dafiir mit der Begrfindung bestritten wird, der Landmann gewinne seinen :Nahrungsmittelbedarf in eigener Wirtschaft. Reine :Naturalwirtschaft gibt es aber bei uns nicht mehr; auch der Landmann mu$ viele Lebensmittel, so Kaffee, Tee, Gewiirze, Essig, Zucker, Salz, sowie Gebrauchsgegenstande kaufen. Wie man in Geriehtsakten aus beschlagnahmten Briefweehseln unreeller Firmen nicht selten er- sehen kann, velffolgen Industrie und Handel genau, wo die Kontrolle seharf, wo sic 1/issig ist. Das platte Land wtirde daher ohne angemessene Uberwachung des Lebens- mittelverkehrs bald Absatzgebiet fiir alle Schundware werden, die anderwiirts nieht unterzubringen ist. Selbstverstandlich ist es jedoeh, daf~ die Kontrolle auf dem Lande, wie auch sonst, sich den 5 r t l i e h e n B e d i i r f n i s s e n a n z u p a s s e n und ihren Schwerpunkt nicht in der Verfolgung irgendwelcher ,,interessanter Fgdle", sondern in der ~ b e r w a c h u n g d e r e r f a h r u n g s g e m a $ g e s u n d h e i t l i e h b e d e n k - l i c h e n u n d d e r f f i r d i e V o l k s e r n ~ h r u n g b e s o n d e r s w i e h t i g e n L e b e n s - m i t t e I zu suchen hat.

Von einem unrichtigen Grundsatz geht unser Nahrungsmittelgesetz aus, wenn es, wie vorhin erwahnt, der Lebensmittelkontrolle nur den Zugang zu den Verkaufs- stellen der Nahrungsmittel erSffnet, die Fabrik- und Vorratsriiume ihnen abet der Regel nach verschliel~t.

Dem unbestraften und, wenn auch noch so oft, nur mit Gelds t ra fe vorbe- straften Handler ist es dadurch ein leiehtes, Waren, die der Kontrolle verborgen bleiben sollen, ihren Rlicken durch Aufbewahrung in ~ebenraumen der Verkaufsstatte zu entziehen; und setbst der aus dem ~ahrungsmittelgesetz mit Freiheitsstrafe belegte Hiindler braucht nur die Revision selner Arbeits- und Vorratsriiume, deren schlechte Besehaffenheit vom Gesetz iibrigens nicht mit Strafe bedroht wird, nieht aber die Entnahme von Proben dort zu dulden. Da2 der Kontrolle nur die verkaufsfertigen Nahrungsmittel vor Augen kommen, genfigt in keiner Weise.

Durch die Untersuchung eines fertigen ~ahrungsmittels kann seine Zusammen- setzung im allgemeinen wohl festgestellt werden, durchaus nicht immer abet, was mindestens ebenso wichtig ist, ob es aus gutem Material gewonnen, reinlieh und gesundheitsgem~g hergestellt worden ist. }Venn eine sprichwSrtliche Redensart sagt,

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[Zeitschr. f. Unt~ersuchung 456 A b e 1, Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. ld. Nahr . - u. Genul imit te l .

man solle nicht in der Kfiche der Zubereitung des Essens zuschauen, um sich den Appetit nieht zu verderben, so gilt das gleiche vielfach yon der Gewinnung und Bearbeitung der :Nahrungsmittel im grolilen. Man denke nur an die bSsen Zust~inde in manchen Kuhstallen, Privatschlachthausern, Wurstfabriken, B/ickereien. Leider ist es in gro~en Fabriken, deren Produkte tadellos erscheinen, manchmal nicht besser, von den Arbeitsstatten der tteimarbeiter ganz zu schweigen.

Sell die Kontrolle volle Wirksamkeit entfalten, so mul~ man fordern, daI~ sie ffir alle Lebensmittel an d e r S t e l l e der G e w i n n u n g u n d t t e r s t e l l u n g be- g i n n e n , a u c h a u f a l l e A u f b e w a h r u n g s r / i u m e s i c h e r s t r e c k e n und mit tier Berechtigung zur Entnahme von Proben aus allen Raumen und yon allen Vor- riiten, vom Rohstoff an bis zum fertigen Erzeugnis, verbunden sein mul~.

Etwas vSllig Neues bedeutet diese Forderung nicht. Im ersten Entwurf des :Nahrungsmittelgesetzes war wen]gstens die Revision der Aufbewahrungsri~ume durch die Gesundheitspolizei allgemein vorgesehen. Diese Vorsehrift fiel bei der Beratung des Entwurfs. Indes besteht auf Grund von§ 4, Absatz 2 des :Nahrungsmittelge- seizes, wonach landesrechtliche Bestimmungen, die der Polizei weitergehende Befug- nisse als das :Nahrungsmittelgesetz geben, unberiihrt bleiben sollten, an manchen Orten schon heute eine Kontrolle auch der Werkstatten und Vorratsr~ume. Sehr viel weiter als alas ~Nahrungsmittelgesetz sind dann einige Erganzungsgesetze gegangen. Das Margarinegesetz veto 15. Juni 1897 bereehtigt die Beamten und Saehverstiindigen der Polizei, in die Ri~ume, in denen Butter, Margarine, Kase oder Kunstspeisefett gewerbsmal~ig hergestellt wird, jederzeit, in die Aufbewahrungs-, Verkaufs- und Ver- packungsraume wi~hrend der Gesch~iftszeit einzutreten, Revisionen darin vorzunehmen und Proben nach ihrer Wahl zu entnehmen. Hier ist also alles erffillt, was man im Interesse einer guten Kontrolle nur wiinschen kann. Die Margarinefabriken und H/indler unterliegen schwereren Bestimmungen, als sie das allgemeine Nahrungs- mittelgesetz selbst den wegen Nahrungsmittel.vergehens zu Freiheitsstrafen verurteilten Gewerbetreibenden auferlegt, und man hat nicht geh5rt, dal~ sie sieh nicht mit diesen Vorschriften ohne weiteres abgefunden batten. J~hnlich lauten die Vorschriften des Weingesetzes veto 7. April 1909 (wie sehon die des frfiheren Weingesetzes veto 24. Mai 1901), nur dal~ sie aueh noch eine bestimmte Buchftihrung fiber den Geschafts- verkehr yon dem zu Kontrollierenden fordern; auch sie haben keinen dauernden

Widerspruch der Betroffenen erfahren. Einen gewissen Vergleich bietet auch das :Fleischbeschaugesetz veto 3. Juni 1900 dar, das eine Besehau des Schlachttieres vor und nach der Schlachtung verlangt, also auch schon yon der Gewinnung an das Nahrungsmittel Fleisch unter Aufsicht nimmt.

Bemerkt sei endlich nech, da]~ auch :Nahrungsmittelgesetze des Auslandes, wie das ()sterreichs von 1896 und das der Schweiz yon 1906 die Nahrungsmittelaufsicht aueh auf tterstellung, Gewinnung, Behandlung und Aufbewahrung der Waren aus- gedehnt haben.

Selbst mit der eben vorgeschlagenen Erweiterung der Kontrollbefugnisse wird man aber noch nieht allen Ansprfichen, die vonde r 5ffentlichen Gesundheitspflege billigerweise gestellt werden mfissen, gerecht. Was hilft die Kontrolle der Ge- winnung und Behandlung, wenn der Oft der Herstellung ungeeignet, der Handler nieht sachverst~ndig und das ~ahrungsmittel leicht zersetzlich ist? Ich denke bier vor allem an die Milch, als das vielleicht wiehtigste, weil allgemeinste und ffir das Kindesalter unentbehrliche Nahrungsmittel. Sind die Verhaltnisse im Kuhstalle

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21. Band. ) 15.April 1911.] A b e l, Uberwachung des Nahrangsmittelverkehrs. 457

schlecht, ist der Molkereibetrieb unhygienisch, versteht der Milchhi~ndler nicht sela Gesch~ft, so ist alle Uberwachung vergeblieh. Darum scheint es mir geraten, min- destens ffir Milchgewinnung and Milehhandel - - man kSnnte aber auch noch an andere Betriebe, z. B. die Speiseeisfabrikation der Straf~enh~indler und die Herstellung yon ~Vurst and anderen Fleischwaren denken - - die K o n z e s s i o n s p f t i c h t f fi r die E r S f f n u n g d e s B e t r i e b e s einzuffihren. Ich bin mir bewul~t, dalii ich mlt dieser Forderung hier und da Anstoi~ erregen werde. Ich will auch nicht soweit gehen, nun sogleieh ffir den KuhstalI jedes Bauem die Konzesslonspflieht, wenn aus ihm Milch verkauft wird, zu verlangen. Aber bei den als selbstiindige Unternehmungen betriebenen Meiereien und Molkereien sollte man endlieh einmal mit strengeren Maf~nahmen anfangen und diese dann allmiihlich auf alle Betriebe ausdehnen. Be- reehtigt ist meine Forderung ohne Frage, und fiber ihre Durchffihrbarkeit besteh~ ffir mich kein Zweifel. Die Gegner mfissen sich nur erst einmal yon dem Gedanken h'ei maehen, dab die hygienischen Zust£nde auf dem Lande sozusagen ein Noli me tangere darstellen, und dab ieder Versueh, sie zu bessern, ein Kennzeichen des ,,Ubereifers" der GesundheitsbehSrden ist. In den St£dteu wird die Sache natfirlich weniger Sehwierigkeiten haben. Es dfirfte fibrlgens bekannt sein, daf~ gerade im Milchhandel der ~Siileren Stadte Mif~st£nde herrschen. Neben Handtern, die ihren Beruf gelernt haben und verstehen, gibt es da solche, die, ohne die notwendigen Kenntnisse, Raume und Einrichtungen zu besitzen, sich dem Milchhandel zuwenden, well er anscheinend keinerlei Bef£higung erfordert und seinen Mann leicht n~ihrt.

Praktisch durchgeffihrt ist die Konzessionspflicht ffir Milchlieferungen und Milehhandel beispielswelse in New-York. Dem englisehen Parlament liegt zurzeit ein Gesetzentwurf vor, der die Eintragung von Milchwirtschaften in die Listen der zu Milehlieferungen Berechtigten ausdrficklieh yon dam Bestehen hygienisch guter Zu- st~nde abh£ngig macht. Auch in unserem Verein bringe ieh den Wunsch nach ihr heute nicht zum ersten Male vor, wenn ich ihn auch seharfer gefal~t und erweitert habe. ]~aehdem bereits in der Versammlung zu Rostock 1901 der Referent fiber die ,,Hygiene der Molkereiprodukte", Geheimer Medizinalrat Professor Dr. L e e r f l e r - Greifswald, eine Uberwaehung s£mtlieher Produktionsstellen yon "Molkereierzeugnissen ffir erstrebenswert erkliirt hat, wiederholte der Berichterstatter fiber ,,die gesundheit- liche Uberwachung des Verkehrs mit Milch" auf der ¥ersammlung zu Dresden 1903, Professor Dr. Dunbar-Hamburg, diese Forderung und fiigte dazu den Wunseh nach Einffihrung eines Bef£higungsausweises ffir die Milchh~ndler und nach einem Reichs- gesetz, das die allgemeinen hygienischen Grunds~tze der Milchproduktion, des Milch- transportes und Verkehrs regelt.

Wird die l~ahrungsmittelaufsicht yon den Verkaufsst~tten auf die Fabriken und Lager ausgedehnt, so ergibt sich als Fo]ge daraus ffir die Betriebe, die der Kon- zessionspflieht nieht unterfailen, wenigstens die l~otwendigkeit der A n z e i g e ied e s n e u e r S f f n e t e n B e t r i e b e s bei der zust~ndigen BehSrde und ferner, zur ErmSg- liehung einer durchgreifenden Kontrolle, allgemein die V e r p f l i e h t u n g d e r Ge- s e h ~ i f t s i n h a b e r zur A u s k u n f t fiber die Betriebsverh~ltnisse, wie sle das Margarine- uud Weingesctz schon vorsehreiben.

Eine besondere Frage ist die, ob man nicht eine Rechtsunterlage schaffen sol]re, um lXiahrungsmittelfabriken und -h~indler, die sioh schwer oder wiederholt gegen die .Nahrungsmittelgesetze vergangen haben, insbesondere solche, die bewiesen haben, da~ ihnen Leben und Gesundheit ihrer Mitmenschen gegenfiber ihrem geseh£ftlichen

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Zei~sehr. f. Untersuchung 458 Abel , ~berwaehang des Nahrangsmiitelverkehrs. d. /~ahr.- ~1. Genutimit, tet.

Vorteil nichts gilt, die w e i t e r e T ~ t i g k e i t im N a h r u n g s m i t t e l g e w e r b e zu u n t e r b i n d e n ? Ich glaube diese Frage bejahen zu sollen. Dem Treiben soleher Personen wird auch mit sch~irfster Kontrolle nicht wirksam zu steuern sein. Man wird zugeben mfissen, daB, wle einem Drogisten nach§ 35 der R.G.O. der Handel mit Drogen und chemisehen Pri~paraten zu Heilzwecken untersagt werden kann, wenn die Handhabung des Gewerbebetriebes Leben und Gesundheit von Menschen gefi~hrdet, so aueh dem im ~ahrungsmittelgewerbe T~itigen gegenfiber im glelehen Falle verfahren werden sollte. Vollends werden Tanz-, Turn- und Sehwimmlehrer, Besitzer von Badeanstalten, TrSdler und Bierkleinh~indler, Personen, denen im Falle der Unzuver]i~ssigkeit der Weiterbetrieb ihres Gewerbes verboten werden kann, kaum gemeinschiidlicher werden kSnnen als grobe und rfiekf~illige :Nahrungsmittelf~lscher. Um aber jeden Verdacht behSrdlicher Willkfir abzuweisen, empfiehlt es sieh, die Untersagung der Weiterbesch~if~igung im Lebensmittelgewerbe yon rlehterlieher Ent- scheldung abh~ngig zu machen.

Ieh schliel~e damit meine Ausffihrungen fiber den Umfang der Nahrungsmittel- aufsicht und die Ansprfiche, die art die der :Nahrungsmittelkontrolle untediegenden Personen zu stellen sind, und wende reich nunmehr der O r g a n i s a t i o n des : N a h r u n g s m i t t e l k o n t r o t l d i e n s t e s zu.

Die Aufsieht fiber den ~ahrungsmittelverkehr auszufiben, ist Sache der O r t s- p o l i z e i b e h S r d e n . Zur ErffiUung dleser Aufgabe brauchen sie die BeihiIfe yon S a e h v e r s t ~ n d i g e n , Chemikern, _~rzten, Tier~irzten, unter Umsti~nden aueh yon Handelssachverst~ndigen.

In vielen Teilen des Reiches hat. man frfiher geglaubt, eine hinreichende ~ber- wachung des Lebensmittelverkehrs auszufiben, wenn man beliebige Exekutivbeamte der Poiizei auf die M~rkte und in die Nahrungsmittelhandlungen schickte, sie dort Lebensmittel fordern liet~, mSgllchst so, daI~ die verschiedenen 2~ahrungsmlttel alle einmal an die Reihe kamen, and wenn man dann die Proben irgendeinem Chemiker oder Apotheker, der das Vertrauen der BehSrde hatte, zur Untersuehung sehickte. Hier und da bat man auch die Polizeibeamten nicht nur einfache Vorprfifungen der feilgehaltenen 57ahrt~ngsmlttel ausfiihren lassen, besonders die Untersuchung der Milch mit der Senkspindel, sondern sogar, um die Kosten ffir die ehemische Untersuchung zu verrlngern, eingehendere Untersuchungen mit ehemisehen Verfahren an den ent- nommenen Proben durch die yon einem Chemiker darauf elngefuehsten Polizeibeamten machen lassen.

Es bedarf wohl keiner n~theren Erl~uterung, dal~ ein solches Vorgehen un- geniigend ist und die Bezeichnung ~ahrungsmittelkontrolle eigentlieh nicht verdient. F a i l s nicht die Nahrungsmittel des Handels fiberwiegend zu beanstanden sind, und das sind sie gotflob bei uns in Deutschland denn doeh nicht, so hat m a n bei dem geschilderten Verfahren ungef~ihr diesetben Aussichten auf ein zu beanstandendes ~ahrungsmittel zu treffen, wie in einer Verlosung ffir wohlt~tige Zwecke auf einen Gewinn.

Man ist denn auch im Laufe der Zeit yon dieser rein schematischen Art einer Kontrotte immer mehr zurfiekgekommen, in der Erkenntnis, da~ ohne eine richtige Beurteilung der feilgehaltenen Waren und eine saehverst~indige Auswahl der zu untersuchenden Proben die Kontrolle kaum Zweck und Erfolg hat. In umfassender und vorbihilicher Weise hat zuerst Bayern, seit 1883, die 5rtliche Nahrungsmittel- aufsicht geordnet, indem es die sogenannte a m b u l a n t e K o n t r o l l e schuf. Dureh

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21. Band. ] Abel, Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 459 15. April 1911.J

Vertrag sichern sich die OrtspolizeibehSrden gegen eine m~i~ige, nach der Kopfzahl <]er Einwohnerschaft sich richtende Bauschgebiihr die Hilfe der staatlichen oder sonstigen 5ffentlichen Untersuchungsanstalten, zu deren Bezirk sie gehSren. Die Anstalt entsendet in angemessenen, den 5rtlichen Verh~iltnissen entsprechenden Zwischenr£umen einen ihrer ~ahrungsmittelehemiker, der die M/irkte, Messen und :Nahrungsmittelhandlungen besucht, die feilgehaltenen Waren in Augenscbein nimmt und -con denen, die ibm verd/~chtig scheinen, Proben ftir eine nD.here Untersuchung zieht. Selbstverst~ndlieh achtet er dabei zugleich auf Ordnung und Reinlichkeit in den Verkaufsstellen.

Wie viel erfolgreicher eine Kontrolle dieser Art ist als die einfache Probe- entnahme durch Polizeibeamte, mSgen einige Zahlen aus Gegenden belegen, in denen beide Verfahren nebeneinander bestehen. Im preul~ischen Regierungsbezirk F r a n k - ~u r t waren im Durehsehnitt eines gahres yon den durch Polizeibeamte entnommenen Proben 8,6 v. It., dagegen 18,4 v. It . yon den durch :Nahrungsmittelchemiker ent- nommenen zu beanstanden. Eine Untersuchungsanstalt in O s t p r e u l~ e n hatte unter den durch Polizeibeamte entnommenen Proben zu beanstanden 17,3 v. H. der vom Lande und 16,9 v. l=I. der aus den St~tdten stammenden Proben; dagegen beliefen sieh die Beanstandungen bei den von den Nahrungsmittelchemikern entnommenen Proben auf 61,7 und 33,9 v. IX.

Eine £hnliche Regelung wie in Bayern besteht jetzt sehon in weiteren Gebieten Deutschlands. Ihrer allgemeinen Durchffihrung hat sich bisher die Kostenfrage hindernd in den Weg gestellt. In vielen Bezirken PreuBens, z. B. in denen die Nahrungs- mittelkontrolle erst w~thrend der letzten Jahre yon einem Begriff zu einem Wesen geworden ist, werden sehon die (lurch die 1Nahrungsmitteluntersuchungen im Labora- torium erwachsenden Kosten unliebsam empfunden, und eine weitere Belastung mit Kosten fiir die anabulante Kontrolle durch Chemiker wird einstweilen abgelelmt.

In solchen F/illen mul~ man dann wohl oder iibel mit der P r o b e e n t n a h m e d u r c h P o l i z e i b e a m t e ftirlieh nehmen. ~NStig ist es aber, dal~ die Beamten wenigstens eine gewisse Sehulung ffir diesen ihren Dienst erhalten. Sie miissen von einem ~ahrungsmittelchemiker fiber die allgemeine Besehaffenheit der ~abrungsmittel, ihre wichtigsten Verf/ilschungen, deren Erkennung dutch die Sinne und dutch einfache Vorpriifungen belehrt, aueh in der praktischen Kontrolle angeleitet sein, damit sie die ffir eine etwaige Strafverfolgung wichtigen Feststellungen richtig treffen. Die nStige Unterweisung erfordert fibrigens keine lange Zeit, weil eben nur ein gewisser Grad von Sehulung tiberhaupt erreichbar ist; doch sollte sie 5fter einmal wiederholt und durch Einhandigung gedruckter Erl£uterungen befestigt werden. Eine st~ndige Beaufsichtigung der Polizeibeamten dureh :Nahrungsmittelchemiker ist ferner erforder- lich. Bei aIledem ist und bleibt das Verfahren aber doch nut ein Notbehelf. Als dauernde Einrichtung kann man es viellelcht am ehesten noeh in groi~en St£dten dulden, wo regelm/igig Massenuntersuchungen, z. B. von Milch und Butter erforder- tieh werden, wo daher bestimmte Polizeibeamte in steter Ftihlung mit einem Nah- rungsmitteluntersuchungsamt dauernd nur dieser T£tigkeit sieh widmen kSnnen und besondere Erfahrung in ihr sich erwerben.

Auch der C h e m i k e r bedarf, um seinen Aufgaben bei der Untersuchung und Beurteilung der ~'ahrungsmittel gewachsen zu sein, einer besonderen Ausbildung. Hat sich doch die :Nahrungsmittelchemie, den yon der Praxis gestellten immer hSheren Anforderungen entspreehend, in der Neuzeit zu einem selbst/tndigen Zweig der Wissen-

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[Zeitschr. f. Untersuchung 460 Abel , 0berwachung des Nahr,ngsmittelverkehrs. |d. l~ahr.- u. Ge~auiimi~tot.

schaft entwickelt. Seit dem Jahre 1894 ist daher in Deutschland eine P r f i f u n g f ii r N a h r u n g s m i t t e 1 c h e m i k e r auf Grund eines Bundesratsbesehlusses yon den einzelnen Regierungen eingefiihrt und damit ein besonderer Nahrungsmittelchemiker- stand geschaffen worden. Die Priifungsordnung ffir Nahrungsmittelchemiker stellt grol~e Anforderungen an die Kandidaten. Sie miissen mit dem Reifezeugnls einei ~ h5heren Schule versehen sein, ein sechssemestriges naturwissenschaftliches Studium an einer Universit~t oder technischen Hochschule nachweisen, dann eine Vorpriifung in Chemie, Botanik und Physik ablegen, darauf drei Halbjahre an Nahrungsmlttelunter, suehungsanstalten arbeiten und schlie£~llch einer schwierigen wissenschaftllchen und praktischen ttauptprfifung sieh unterziehen. Ich bin der Meinung, dat~ man im Bildungsgange der Nahrungsmittelchemiker noch mehr Wert auf die praktische T~itig- keit legen sollte. Von den drei vorgeschriebenen Semestern praktischcr Ausbildung darf jetzt noch eines durch wissenschaftllches Studium ersetzt werden, soda~ nur zwei Semester Arbeit an Untersuchungsanstalten fibrig bleiben. Die zur Ausbildung be- rechtlgten Anstalten haben aber zum Tell far keine oder keine nennenswerten Auf- gsben in der praktischen :Nahrungsmittelkontrolle zu erffilIen. Hier inflate insofern Wandel geschaffen werden, als entweder die praktische Ausbildungszeit fiberhaupt ver- lgngert oder wenigstens eine reichlich bemessene Mindestzeit ffir die T~tigkeit in einer mit ]~ahrungsmittetuntersuchungen ffir praktisehe Zwecke befal~ten Untersuehungs- anstalt festgesetzt werden solIte. Insbesondere wenn kfinftig die :Nahrungsmittelkontrolle auch auf die Fabrikationssti~tten der Lebensmittel ausgedehnt und damit das Zu- standigkeitsgebiet der ~Nahrungsmittelehemiker noeh welter vergrSl~ert wird - - in der neben voller Sachkenntnis auch besonderen Takt verlangenden Ausiibung der Kom trolle fiber die Fabriken kSnnen natiirlich die :Nahrungsmitteldnemiker nieht dutch Polizeiexekutivbeamte ersetzt werden- - , dann mu~ eine v e r t i e f t e p r a k t i s c h e A u s b i 1 du n g notwendig erscheinen.

Andererseits gewinnt man den Eindruck, da~ die allgemein den Nahrungsmittel- ehemlkern in der 0ffentliehkeit gezollte Anerkennung ihrer tfichtlgen Leistungen sich noeh nicht iiberall in ihrer sozialen Stellung nach Gebfihr widerspiegelt. ~Venn ein Bundesstaat den Leiter seiner grS~Iten Untersuchungsanstalt unter die mittleren Beamten einreiht, so liegt darin fiir die ~qahrungsmittelchemiker entschieden etwas ~ieder- drfickendes. Manche yon ihnen glauben, derartige Vorkommnisse erkl~irten slch daraus, dal~ unter den Nahrungsmittelchemikern auch solche ohne Reifezeugnis einer hSheren Schule sich befinden; den Apothekern ist n~mlich gestattet, wenn sie die pharma- zeutische Staatspriifung mit ,,Sehr gut" bestanden haben, auch ohne Reifezeugnis nach Erledigung der vorgeschriebenen wissensehaftlichen Ausbildung die :Nahrungsmittel- ehemikerpriifung abzulegen. Ich g]aube nicht, dai~ heute noch jemand so riickstiindig ist~ einen Stand nach den Anforderungen an seine Schulbildung und nicht naeh seinen Lelstungen ffir die Allgemeinheit zu beurteilen. Es wi~re auch zu bedauern, wenn den Apothekern, die ffir manche Aufgaben der :Nahrungsmittelchemie besonders gute Vorbildung aus ihrem Berufe mitbringen, kiinftig der l~bergang zur ~ahrungsmittel- chemie wesentlich erschwert wiirde. Vielleicht erkI~irt sich die ttintansetzung der ~ah- rungsmittelchemlker bei der Besoldung hinter AngehSrige yon Berufen mit i~hnlichem :Bildungsgang aus ihrem erst neuerlichen Eintreten in die Gliederung des Beamten- kS~'pers. Wie dem auch sei, ich wollte jedenfalls nicht unterlassen, auch dlese Ange- legenheit Ms eine tier Priifung bediirftige in meinem Referat kurz zu erw~thnen.

Eine wichtige Frage ist nun, ob die Polizeibeh5rden ffir die ~Nahrungsmittel-

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21. Band. ] 15.April 1911.1 Abel, ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 461

kontrolle uud Untersuehung p r i v a t e l ~ a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r o d e r 5 f f e n t - l i t h e l ~ T a h r u n g s m i t t e l u n t e r s u c h u n g s a n s t a l ~ e n heranziehen sollen. Die Antwort mu/~ dahin gehen, dal~ ausschlieBlich 5ffentliche Iffahrungsmitteluntersuehungs- anstalten mit behSrd[ichen Untersuchungen im Interesse der allgemeinen 2~[ahrungs- mittelversorgung betraut werden sollten. Das entsprieht ganz der Absicht des I%h- rungsmittelgesetzes, das fiir die Unterhaltung yon 5ffentlichen Untersuehungsanstalten die auf Grund yon VerstSt~en gegen seine Vorschriften geriehtlieh verhiingten, der Staatskasse zustehenden Geldstrafen iiberwiesen hat, die •eigung zur Errichtung 5ffent- licher Untersuchungsanstalten damit fSrdern wolite und so mittelbar diese Anstalten als die gegebenen ttilfsk5rper fiir die iNahrungsmittelaufsicht ansprach.

Die V o r z i i g e d e r 5 ~ f e n t l i c h e n U n t e r s u e h u n g s a n s t a l t e n liegen auf der Hand. Der Staat hat die Entscheidung fiber die Anerkennung yon Unter- suchungsanstalten als 5ffentliche zu treffen. :Er kann daher ganz bestimmte An- forderungen an ihre Beschaffenhe~t stellen, beispielsweise die Errrichtung nur solchen Verbiinden gestatten, die eine einwandfreie Gesch~iftsffihrung der Anstalt gewiihr- leisten; er kann bestimmte Einrichtungen yon ihnen fordern und sich eine dauernde Kontrolle ihres Betriebes vorbehalten. Besonders hervorzuheben ist welter, da~ die :Nahrungsmittelchemiker der 5ffentlichen Untersuchungsanstalten mehr oder weniger ausgesprochen Beamtene~genschaft haben, in ihrer Existenz demgema~ yon ~iul~eren Einwirkungen unabh~ngig und selbst yon dem V e r d a c h t einer unzul~issigen Beein- flussung ihrer gutachtlichen T~itigkeit durch die der LebensmitteIkontrotle unterliegen- den Interessentengruppen frei sind.

Ganz fiberwiegend sind jetzt schon in Deutschland nut 5ffentliche Nahrungs- mitteluntersuchungsanstalten fiir die polizeiliche ~ahrungsmittelkontrolle t~tig und da- mit die Wiinsche~ die in den Versammlungen unseres Vereins schon 1886 von Professor t I i 1 g e r- Erlangen und 1897 yon Oberbfirgermeister R ii m e 1 i n - Stuttgart und Professor B e c k u r t s - Braunschweig in dieser ttinsicht ge~iuBert wurden, im wesentlichen erffillt, Die Schaffung der Anstalten seitens geeigneter 5ffentticher Verb~nde ist, nach den in Preui~en w~ihrend der letzten Jahre bei der Durchfiihrung einer geregelten ~/ahrungs- mittelkontrolle gemaehten Erfahrungen, infolge der veto ]~ahrungsmittelgesetz vorge- sehenen Vergfinstigungen leicht in hinreiehendem Umfange zu erreichen. Aui~er dem Staat haben Gemeindeverbiinde und Landwirtschaftskammeru Untersuchnngsanstalten, denen die Anerkennung als 5ffentliehe erteilt werden konnte, ins Leben gerufen.

Jeder 5ffentlichen Anstalt mu~ ein bestlmmter Bezirk als Z u s t ~ n d i g k e it s- b e r e i c h zugewiesen werden. Dieser mut~, wenn der die Anstalt erhaltende Verband nicht dauernd elnen Zuschut~ fiir ihre Unterhaltung leisten will, grol] genug sein, um (lurch die eingehenden Untersuchungsgebiihren und Strafgelder die Ausgaben fiir die Anstalt zu bestreiten. Von Untersuchungen ffir :Nahrungsmittelh~ndler und -fabrikanten sollten die 5ffentlichen AnstaRen sich soviel wie ang~.ngig zurfickhalten und ]edenfalls Vertr~ge mit solehen Personen auf dauernde l'Jbcrwaehung ihrer Betriebe und Waren vermeiden, um in jeder Weise unabhfingig zu bleiben. Die den Pollzeiverwaltungen durch die Benutzung der 5ffenttichen Anstalten in der Nahrungsmittelkontrolle er- wachsenden K o s t e n kann man im Verhi~ltnis zu der Wichtigkeit der Aufgabe nicht koch nennen. Einschlie~lich der ambulanten Kontrollffitigkeit belaufen sie sich bel richtiger Organisation auf einige wenige Pfennige j~hrlich fiir den Kopf der BevSlke- rung. Einen l~bersehul~ sollen die 5ffentlichen ~ahrungsmitteluntersuchungsanstalten den sie unterhaltenden Verb~nden nicht liefern; die G e b i i h r c n ffir Untersuchungen

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[Zeitschr. f. Untersuchung 462 A b e 1, ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. [_d. ~ahl'.- u. Genuiimittet~

und ambulante Kontrolle brauchen also nur solche HShe zu haben, dal~ sie die Selbstkosten der AnstaIten decken. Das Erstehen zahlreicher 5ffentlicher ~qahrungs- mitteluntersuchungsanstalten hat fibrigens den privaten Nahrungsmittelchemikern im allgemeinen keinen A~bbruch getan. Fiir den etwaigen Verlust einer Besch£ftigung in. der polizeilichen INahrungsmittelkontrolle sind sie entschi~digt worden durch vermehrte Inanspruehnahme ffir industrie und Handel, zu der diese behufs Sicherung gegen ~ Beanstandungen ihrer ~Varen iiberall da sich veranlal~t sehen, we eine sch~rfere be- hSrdllehe :Nahrungsmitteliiberwachung einsetzt.

Welche Aufgaben bei der Beaufsichtigung des :Nahrungsmittelverkehrs dem A r z t e und dem T i e r a r z t e zufallen, braucht nur mit wenigen Worten gestreift zu werden, da es sich aus der Abgrenzung des Wissensgebietes yon ~Nahrungsmittel- chemiker, Arzt und Tierarzt yon selbst ergibt. Die ~Iitwirkung des Arztes ist fiberal~ da unentbehrlich, we die Beurteilung der Gesundheitssch~dlichkeit eines iNahrungs- mittels in Frage kommt. Der Tierarzt ist der berufene Sachverst~indige in den Fiillen, we eine Begutachtung von :Nahrungsmitteln aus dem Tierreieh mit Hilfe yon Kennt- nissen notwendig wird, die dem Chemiker nicht zu Gebote stehen, wie es besonders bei der Fleischbeschau der Fall ist. Den in der :Nahrungsmittelkontrolle t~itigen 5ffent- lichen Untersuchungsanstalten sollten ein beamteter Arzt und ein beamteter Tierarzt als Berater stiindig zur Seite stehen. Die beamteten _~rzte werden ferner die Nah- rungsmittelaufsicht wesentlich zu untersgitzen in tier Lage sein bei hygienischen Orts- besichtigungen, bei Ermittelung der Entstehungsursaehe yon F~illen fibertragbarer Krankheiten und bei anderen Gelegenheiten, die ihnen zur Bes[chtigung yon 1N*ah- rungsmittelgewinnungsstiitten und ~ahrungsmittelhandlungen Veranlassung liefern. In ghnlieher Weise werden die beamteten Tiergrzte gelegentlich ihrer amtllchen Tgtigkei~ der Nahrungsmittelhygiene fSrderlieh zu sein vermSgen.

:Nur im vorfibergehen sel noeh bemerkt, dal~ ffir Bin Genul~mittel, den Wein, gesetzlich sek vorigem Jahre die A n s t e l l u n g b e s o n d e r e r S a c h v e r s ~ g n d i g e r im Hauptberuf neben den fiir die allgemeine :Nahrungsmittelaufsicht ti~tigen verlangt wird. Diese Vorschrift verdankt ihre Entstehung einem Wunsehe des Reichstages, der sich fiir die Uberwachung des Weinverkehrs lqutzen yon tier Bestellung eigener, auf dem Gebiete des Weinverkehrs besonders erfahrener Faehleute als Kontrolleure ver- spraeh. Da die ~berwachung des Verkehrs mit Weln und die Beurteilung des Weines in tier Tat ausnehmend schwierige Aufgaben sind, so kann bier die ~[alilnahme ange- braeht sein. Eine weitere Ausdehnung dieser Regelung durch spezialistisehe lJber- wachung einzelner Zweige des ~ahrungsmittelverkehrs wird aber kaum in Erwiigung gezogen werden miissen.

Bei der Beaufsiehtigung des :Nahrungsmittelverkehrs kann aueh die Z u z i e h u n g y o n g e w e r b l i e h e n u n d H a n d e l s s a e h v e r s t i i n d i g e n unter Umst~inden er- wiinscht werden, namentlich dann, wenn eine neue Art der Herstellung oder Bearbeimng yon :Nahrungs- oder Genul~mitteln zur Beurteilung steht. Sorgfiiltigste Auswahl der Sachverst~ndigen ist dabei vonnSten - - sind mir doch F~tlle bekannt, in denen sogar vor Gericht AngehSrige des Handelsstandes als Gutachter fiber F~ilschungen gehSrt worden sind, wegen deren sie selbst schon bestraft waren. Die neuerdings wieder stark yon den Vertretungen des Handels betonte Forderung, da~ die PolizeibehSrden vor Herbeiffihrung eines S|rafverfahrens in :Nahrungsmittelangelegenheiten womSglich stets erst AngehSrige des Handelsstandes gutachtlieh hSren sollen, ist abzulehnen. Ffir die Beurteilung yon Nahrungsmitteln haben ausschliel~lich die Interessen des Konsu-

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21, Band. ] 15.Aprillgll.J Abel, ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 463

menten die Richtschnur abzugeben. Wird der Konsument durch die Art der Her- stellung, die Beschaffenheit oder die Bezeichnung einer Ware irregeffihrt oder ge- sch/idigt, so daft keine Auffassung in Handelskreisen, kein Handels~ebrauch, und sei er noeh so alt und elngebiirgert, den Verfertiger und ¥erk/iufer solcher Ware vor der Strafw~rfolgung schiitzen.

Zuzugeben ist den Handelsvertretungen nur eins: In der R e c h t s p r e e h u n g f i be r N a h r u n g s m i t t e l a n g e l e g e n h e i t e n herrscht eine b e d a u e r l i c h e U n - s i e h e r h e i t , die ffir den Produzenten und Handler hSchst unerfreulich ist; denn er weiB in manchen Dingen heute wirklich nicht, was ihm erlaubt ist und was nicht. :Nach meinem persSnliehen Eindruek erkl/~rt sieh die Versehiedenartigkeit der Gerichts- urteile in den gleichen Angelegenheiten vor allem daraus, dab die Richter im allge- meinen viel zu viel Sachverst/~ndige, Chemlker und Handelsvertreter hSren, anstatt sieh selbst als Konsumenten zu ffihlen und sich zu fragen: Was wissen wir selbst denn yon der uns zur Beurteilung vorliegenden, dem Publikum angeblieh allgemein be- kannten Art der Herstellung elnes Nahrungsmittels ? Wfirden wir selbst uns get~iuscht oder gesch/idigt fiihlen, wenn wit diese Ware unter dieser Bezeiehnung gekauft haben und naehher erst erfahren, was sie eigentlich darstellt? Und sollten die Richter selbst zu weltfremd sein, so wfirden sie yon ihren Frauen jedenfalls die in Konsumenten- kreisen herrschende Auffassung erfahren kSnnen. Diese wfirden ihnen u. a. aueh sagen, dab, entgegen der oft Yore Handel mit Erfolg vor Gericht verfoehtenen Be- hauptung, das Publikum aus dem verh~Itnism/iBig billigen Preis einer Ware in der Regel durchaus nieht den Sehluf~ zieht, dal~ die Ware nieht rein oder nicht voll- wertig sei, viehnehr nur einen besonders gfinstigen Kauf zu machen glaubt.

Die Unsicherheit der Rechtsprechung liif~t sich am besten iiberwinden, indem (lurch allgemeine Bestimmungen die A n s p r t i e h e , die an d ie n o r m a l e B e - s c h a f f e n h e i t y o n N a h r u n g s m i t t e l n zu stellen sind~ in e i n e r f f i r die G e r i c h t e b i n d e n d e n F o r m f e s t g e s e t z t w e r d e n . Dazuist eine Erweiterung der Nahrungsmittelgesetzgebung nStig. Denn das jetzige ~ahrungsmittelgesetz gestattet nur, Verbote yon bestimmten Arten der Bearbeitung yon INahrungsmitteln zu erlassen und :Nahrungsmittel bestimmter Besehaffenheit vom Verkehr auszuschlieBen, und zwar nur zum Schutze der Gesundheit, nicht aueh zum Sehatze wirtschaft!ieher Interessen der BevSlkerung. Auch sind seibst solche Verbote bisher nur vereinzelt ergangen; aus ~iul~eren Griinden, weil niimlich die Kaiserlichen Verordnungen, die allein uolche Verbote erlassen kSnnen, tier :Nachpriifung und gegebenenfalls der AuBerkraftsetzung durch den Reichstag unterliegen, und weil es, wie verstandlich, mil~lich ist, yon AllerhSchster Stelle ausgehende Anordnungen der Gefahr einer Aufhebung dutch eine Zufallsmehrheit im Reichstage auszusetzen. Im Gesetz selbst die Normen fiir die einzelnen i'qahrungsmittel festzusetzen, w£re nicht ratsam denn die Gesetzgebungs- maschine arbeitet zu sehwcrf/illig, als daf~ mit ihrer Hilfe neu auftauchenden F~Ischungsverfahren schnell genug entgegengetreten werden kSnnte. Die Gesetzes- iinderung miiSte vielmehr damn gehen, daf~ der Bundesrat, unterstfitzt dureh den Reichsgesundheitsrat, dessen ffir das :Nahrungsmittelwesen zustandige Kommission durch Vertreter yon Wissenschaft, Industrie und Handel entsprechend zu erg~nzen w~ire, N o r m e n f i b e r d i e B e s c h a f f e n h e i t d e r b T a h r u n g s m i t t e l des H a n dels , fiber ihre Bezeichnung, fiber die Ausffihrung der Untersuchung und der- gleichen aufzustellen berechtigt wfirde, die gesetzliehe Kraft haben. Auch sollten m i n d e r w e r t i g e ~ N a h r u n g s m i t t e l im Gesetz kiinftig mit verf/ilschten auf eine

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[Zeitsehr, f. Untersuchung 464 A b el, l)berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. [d. Nahr.- u. Genul~mitteL

Stufe gestellt werden~ wie es beispielsweise die :Nahrungsmittelgesetze 0sterreichs und tier Schweiz schon getan haben. ZumaI die Nahrungsmittelgesetzgebung der Schweiz bietet fiberhaupt fiir die eben erSrterten Vorschl~ige einen belehrenden Vorgang dar. Die §§ 54 und 55 des scllweizerlsehen :Nahrungsmittelgesetzes vom 10. Juli 1906 geben dem Bundesrat alle die Rechte, die ich auch fiir unseren Bundesrat wfinschen mSchte, und die daraufhin unter dem 29. Januar 1909 ffir die Schweiz erlassenen Vorschriften fiir den :Nahrungsmittelverkehr kSnnen geradezu als Muster ffir uns dienen. Auch die Bundesgesetzgebung in den Vereinigten Staaten yon Nordamerika verfolgt gleiche Gedankengiinge und kann uns wertvolle Anhaltspunkte liefern, des- gleichen zum Tell das franzSsische ]Nahrungsmittelgesetz yon 1905.

Die einheitliche Regelung der Anspriiche an die Beschaffenhei~ der ~Nahrungs- mittel wfirde ferner den Vorteil haben, dal~ auf einen grol~en Tell der O r t s p o l i z e i - v e r o r d n u n g e n , die es jetzt in Deutschland gibt, und die ffir den Handel wegen ihrer Verschiedenartigkeit unbequem, auch teilweise in ihrer RechtsbestSndigkeit zweifelhaft sind, verziehtet werden kSnnte. Wo Polizeiverordnungen nStig werden, sollten sie immer mSglichst gleichmiil~ig ffir weite Bezirke gestaltet sein.

In den letzten Jahren haben sich die Bestrebungen vermehrt, durch in t e r - n a t i o n a 1 e V e r e i n b a r u n g e n fibereinstimmende Anforderungen an die Beschaffen- heit der Nahrungsmittel und gleichartige Vorschriften ffir ihre Untersuchung in den einzelnen Kulturstaaten herbeizufiihrem Ich erwi~hne die vom Weltverband des Weil]en Kreuzes you Genf und die yon einer franzSsischen Organisation ausgehenden internationalen Kongresse fiir ~ahrungsmittelhygiene. Sicherlich kSnnen internationMe Verbindungen yon ~utzen sein; nur diirfen sie nleht dazu ffihren, dat~ Deutschland auf Mal~nahmen und Forderungen verzichtet, die im Interesse unserer Volksgesund- heit und Volkserniihrung gestellt werden mfissen.

Ich komme zum Sehlusse, meine Herren! Die Ausffihrungen fiber die Nahrm)gs- mlttelaufsicht, die ich vor ihn'en habe entwickeln dfirfen, stelleu die wesenttichsten Forderungen und Wfinsche dar, die vom Standpunkte der praktlsehen Hygiene vor- zubringen sind; denn erschSpfend babe ich den Gegenstand in meinem Referate bei der daffir gesetzten beschr~nkten Zeit natfirlieh nicht entfernt behandeln kSnnen. Hoffentlieh werden bei der angeblich bevorstehenden Revision unserer :Nahrungs- mittelgesetzgebung die Interessen der 5ffentllehen Gesuudheitspflege volle Berfick- sichtigung linden !

Ieh wiirde aber einen wesentliehen Gesichtspunkt in meinem Referate fibergehen, wollte ich nieht noch besonders darauf hinweisen, da~ die :Nahrungsmittelaufsicht nicht atlein s~rafbare Handlungen im Verkehr zur Ahndung bringen soil, sondern dug sie auch die wiehtige Aufgabe hat, b e l e h r e n d u n d a u f k l i i r e n d zu w i r k e n . Erlebt man es doch nur zu oft, wie ein Kleiahiindler keine Ahnung hat, dab er ein zu beanstandendes Nahrungsmktel feilh/ilt, dag er eine Ware unter einer unrichtigen Bezeichnung verkauft, dag er seine Vorr~te unzweckm/igig aufbewahrt und so fort. Einer passenden Belehrung wird er in der Regel zug/inglich sein.

Nicht minder wiehtig ist es, dem P u b l i k u m g r g g e r e s V e r s t ~ n d n i s f i i r F r a g e n de r E r n / ~ h r u n g u n d N a h r u n g s m i t t e l b e s c h a f f u n g zu v e r m i t t e l n . Die Unwissenheit auf diesem Gebiete ist auch in den sogenannten gebildeten Kreisen infolge unserer nicht auf das praktisehe Leben vorbereitenden hSheren Schulbidung grenzenlos. Ist es ffir den einzelnen auch sehwer, ja oft un- m6glich, sieh gegen T~uschung durch F~lschungen zu schfitzen, so sollte man doeh

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21. Band. l 15. Aprillgll.J Abel, ~berwaehung des Nahrungsmittelverkehrs. 465

ein gewisses Mag von Verst~ndnis ffir die Bediirfnisse der Ern~hrung, eine gewisse Achtsamkeit und Uberlegung beim •ahrungsmittelkauf, insbesondere auch eine ent- schiedene Gegenwehr gegen die vielfach noch im Klelnhandel mit ]~ahrungsmitteln offensiehtlieh vor den Augen des Publikums sich vollziehenden Schmutzereien, wie Betasten der ~Varen, Dfitenaufblasen, Fingerbelecken bei der Aufnahme yon Ein- wickelpapier, von jedem einzelnen erwarten. Die Nahrungsmittelaufsicht braueht die Unterstfitzung der ganzen BevSlkerung ffir ihr Bestreben, Leben, Gesundheit und VermSgen des Volkes vor Sch~digungen durch den Nahrungsmittelverkehr zu schfitzen.

L e i t s i i t z e :

1. Dutch die wirtsehaftliche Entwickelung der letzten Jahrzehnte hat auch die Lebensmittelversorgung im Deutsehen Reiehe wesentliche Umgestaltungen erfahren. Groi~e Teile der BevSlkerung sind heute darauf angewiesen, ihren Bedarf an Lebensmitteln aussehliet~lich dem Handel zu entnehmen; der Weltverkehr hat neue ~ahrungsmittel und Rohstoffe ffir solche auf den Markt gebracht; die Industrie hat mancherlei friiher unbekannte Formen der Zubereitung und Verarbeitung eingeffihrt. Dadurch ist die Beurteilung der :Nahrungsmittel f fir den einzelnen vielfach erschwert und das Bedfirfnis nach behSrdlieher ~Tberwachung erhSht. Verhindert werden mug, dag durch Inverkehrbringen seh~idlicher, verf~dsehter oder minderwertlger Waren Gesund- heitsgefgthrdungen, Beeintriichtigungen der Ern~hrung und wirtschaftliche Seh~idigungen der Verbraueher eintreten.

2. Untersuchung der vom A_uslande eingeffihrten Lebensmittel und deren Roh- stoffe sollte mSglichst allgemein an den Grenzen in Verbindung mit der Zollabfertigung erfolgen. Befreiung eingeffihrter Waren yon der Grenz- untersuchung auf Grund ausi~ndischer Zeugnisse darf nut eine besonders begrfindete Ausnahme darstellen.

Im Inlande mug iiberall regelmii$ige Beaufsiehtigung des ~ahrungsmittel- verkehrs stattfinden. Die Kontrolle daft sich nieht au[ die verkaufs- fertigen ttandelswaren besehriinken, sondern hat sich aueh auf die Her- stellung, Bearbeitung, Zubereitung und Aufbewahrung der Lebensmittel zu beziehen.

3. Die Zulassung gewisser :Nahrungsmittelbetriebe, wie z. B. yon ~olkereien und Milchhandlungen, ist yon behSrdlieher Genehmigung abh~ingig zu maehen; ffir die iibrigen Betriebe ist wenigstens Anzeige bei der BehSrde und Verpflichtung zur Auskunft fiber die Betriebsverhiiltnisse notwendig. Bei schwereren VerstSSen gegen die ~ahrungsmittelgesetze sollte die weitere T~tigkeit im :Nahrungsmittelgewerbe geriehtlich verboten werden kSnnen.

4. Die Beaufsichtigung-der :Nahrungsmittelbetriebe und die Entnahme yon Proben zur Untersuchung ist durch beamtete Nahrungsmittelehemiker, die Untersuehung der Lebensmittel ffir Zwecke der amtlichen Kontrolte aus- sehliel~lich in unabh~ngigen, aus 5ffentlichen Mitteln unterhaltenen Anstalten auszuffihren. Die Ausbildung der ~ahrungsmit~lchemiker ist nach der praktischen Seite zu vertiefen, ihre soziale Stellung zu heben. ~rztliehe Sachverst~ndige sind zur Beurteilung der Gesundheitssch~dlichkeit yon

N, II. .~0

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[Zeitschr. f. Unt~rsuchung 466 A b el, ~berwachung des Nahrungsmit~elverkehrs. [d. Nahr.- u. Genufimitte],

Lebensmitteln heranzuziehe~, tier~irztliche bei der Kontrolle der aus dem Tierreieh stammenden ~ahrungsmittel zu beteiligen. D~e AnhSrung von Sachverst~ndigen aus Handelskreisen kann in zweifelhaften F~tlen zweck- m~il~ig werden, jedoch ist sorgfRltlgste Auswahl solcher Sachverst~ndigea geboten. Nichtsachverst~ndlg,en Personen, wie z. B. Polizeibeamten, sollte die Probenahme und Vorprfifung yon Nahrungsmitteln nur ausnahmsweise fibertragen werden und zwar nur dann, wenn sie eine besondere Schulung ffir diese Aufgaben erhalten haben und dauernd unter fachm~inniseher Auf- sicht arbeiten.

5. Zur Sicherung einer erfoI~eichen Lebensmittelaufsicht sind gesetzliche Be- stimmungen zu sehaffen, auf Grund de rende r Bundesrat, unterstiitzt durch Gutachten eines ibm beizugebenden, aus Vertretern von Wissenschaft, In- dustrie und Handel bestehenden Lebensmittelbeirats, Festsetzungen fiber die normale Besehaffenheit von Nahrungsmitteln mit bindender Kraft ffir die Geriehte, Vorschriften fiber die Bezelehnung yon :Nahrungsmitteln im Ver- kehr, fiber die Aus~fihrung yon Untersuchungen u. s. w. erlassen kann.

Minderwertige :Nahrungsmittel sollten vom Gesetz wie verfRlschte u. s. w. behandelt werden.

Polizeiverordnungen fiber den Lebensmittelverkehr sind mSgliehst zu vermeiden, jedenfalls aber tunlichst einheitlieh and gleichm~i~ig zu gestalten.

Internationale Vereinbarungen fiber Untersuchung und Beurteilung yon :Nahrungsmitteln sind nur insoweit gutzuheit~en, als sie eine gute Lebens- mittelversorgung im Deutschen Reiche zuverl~il~ig nicht gef~ihrden.

6. Die ~ahrungsmittelaufsicht solt nieht nur VerstSl~e gegen die Gesetze auf- decken und zur Ahndung bringen, sondern auch belehremd auf Industrie und Handel wirken und die Herbeiffihrung guter hygieniseher Zust~nde in den :Nahrungsmittelbetrieben im Auge haben. Besonderer Wert ist auch auf die Aufkl~irung des Volkes in den Fragen der Ern~hrung und Nahrungs- mittelbeschaffung zu legen.

Diskussion.

Dr. G e rl a ch (Wiesbaden) : Verehrte Anwesende ! Es bedarf kaum einer Ausffihrung darfiber, dat~ die Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs eine soziale und insbesondere eine hygienischo Notwendlgkei~ ist. Alle einsichtigen Kreise, einschliel~lich derjenigen, deren wirt- schaftliches Sein auf dem Verkehr yon Nabrungsmitteln oder der Herstellung yen solchen beruht, sind darin einig, und nur fiber das Wie herrschen sehr weitgehende Differenzen. Zweifellos ware es ja wfinschenswert, da5 nut erstklassige Nahrungsmittel in Handel und Verkehr gebracht werden, abet die Natur selbs~ produziert eben nich~ nur erste Qualit~ten; und dann miit~te man auch eine beweiSkr~ftige Antwort auf die Frage schuldig bleiben, wie denn and woher denn weite Kreise unseres Volkes die Mittel nehmen sollen, um ausschliet~lich Primaware zu kaufen. Durch weitgehende Einschrankungen, dutch Unterernahrung warde wohl dem Stande unseres ¥olkes ein Nachteil zugeffig~, der das Manko an erstklassigen Nahrungsmitteln iiberkompensiert. Und so bleibt auch auf diesem Gebiete nur abrig, auf dem Boden der Wirklichkeit und Notwendigkeit mit den sich hart im Raum stol~enden Dingen zu paktieren. Was die einzelnen Leits~tze des Herrn Referenten anlang~, so erlaube ich mir unter ausdrtlcklicher Anerkennung und Betonung des vielen Guten, das Herr Geheimrat Abe l uns gebraeht hat, doch die mir bedenklich erscheinenden Punkte kurz hervorzuheben.

Im Leitsatz II, we es sich am die Untersuchung yon aus dem Ausland eingeffihr~en Lebensmitteln und Rohstoffen handelt, mSchte ich das Wore ~mSglichs~ ~ unterstreichen: Ich bin aberzeugt, daft wenn auf breitester Basis eine Untersuchung an der Grenze stattfindet, nicht nur eine Erschwerung der dortlgen Abfertigung, sondern auch eine Verteuerung eintreten "~,i~de, die nicht gering anzusch]agen w~re. Ernste Bedenken hege ich bezfiglich des Leit- satzes ]II, der die Forderung aussl~richt, die Zulassu~g gewisser Nahrungsmi~telbetriebe, wie

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21. Band. ] ~5. April ~ t . ] A b e l , ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 467

z. ]3. yon Molkereien und Milehhandlungen, abg~ngig zu machen yon beh~rdlieher Genehmigung. Die Ausfiihrung dieser Ides ware f~ir unsere Nahrungsmittelgesetze ein Novnm yon so tief einschneidender Bedeutung, daf ich davor warnen mfchte. So hoch ich die Absicht des Referenten einsch~tze, gerade den Verkehr mit Milch auf die einwandfreieste Grundlage zu stellen, die vorgeschlagenen Mai~nahmen halts ieh ftir bedenklich, und zwar schon deswegen, weil sich feste Normen fiir Gewinnung und Aufbewahrung yon Milch vielleicht aufstellen, einstweilen abet nicht in die Tat umsetzsn lassen. Die Hygiene der ~[ilch muff im Kuhstall beginnen. Wie denken Sie sich aber, um nur diesen Punkt herauszugreifen, das Eliminieren aller derjenigen Kuhstiille und sonstiger der Milchwir~schaft dienenden R$iumlichkeiten auf dem Lande, die den Anforderungen sines einwandfreien Betriebes nieht genfigenY Das wtirde sin Ding der Unm~)glichkeit sein, heute und wohl auf lange Zeit hinaus. Und dann wird ein gniidiges Geschick und die T$itigkeit der beteiligten Kreise diese, wie ich hoffe, auch hewahren vor der Ausfiihrung des ¥orsohlages, daf fiir alle Nahrungsmittelbetriebe Anzeige be ide r Behiirde und Verpflichtung zur Auskunf~ bezw. Erlaubnis zur Besichtigung aller Betriebe not- wendig ist. Fiir nicht diskutabel hal~e ich die Forderung, daft bei schweren Verstffen gegen die Nahrnngsmittetgesetze die weitere T~tigkei~ im Nahrungsmittelgewerbe geriehtlich verboten werden kfnnte. Wer, meine Herren, sagt uns, was ein schwerer Verstofi ist? Gilt als Kriterium Absicht odor Folge? Ein ganz leicht anzusehender Verstof, ein Versehen, bei dem jede Ab- sicht der Sch~idigung fern liegt, kann Menschen das Leben kosten; eine der niedrigsten Ge- sinnung entspringende Handlungsweise kann minimale, kaum naehweisbare Folgen far Leben und Gesundheit der ~vlitmenschen haben.

Dann muff ich reich nicht minder lebhaf~ gegen den Satz wenden, in dem es heift: ~Iinderwertige Nahrungsmittel sollten yore Gesetz wie verf~lschte u. s. w. behandelt werden. Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Was bedeu~e~ ,und so welterS? Man glaubt es kaum, racine Herrschaften, wieviel verborgenes Gift manchmal in wenige Buchstaben eingeschlossen sein kann. Aber auch die Fassung des Satzes im librigen reg~ zu manchen neugierigen Fragen an. Was sind minderwertige Nahrungsmittel'? Worin liegt das Terbium eomparationis? Es gibt ausgezeichnetes 00 Mehl und atffierdem das weniger feine mit Ziffer 0 bezeichnete, letzteres ist im Vergleich zum ersteren im allgemeinen minderwertig. Nach Ansicht mancher Konsu- menten ist Kuhfleisch minderwertig gegenfiber dem Mastoehsenfleisch; andere Kreise yon Konsumenten werden vielleich~ einen solchen Unterschied nicht machen. Ich komme darauf zuriiek und brings Ihnen diese Beispiele nut, am zu zeigen, daft uns die Vergleichsm5glichkeit fehlt, und wir unmfglieh ohne weiteres sagen kfnnen : minderwer~ige Nahrungsmittel sind wie verfglsehte zu behandeln. Wit bediirfen auch der minderwertigen Nahrungsmittel.

Dann m(ichte ich noeh ganz kurz nut fiber den Passus im Leitsatz 1V sprechen, in dem es heift: ,Die Anhfl~mg yon Sachverst~ndigen aus Handelskreisen kann in zweifelhaften Fi~llen zweckmiifig werden, jedoeh ist sorgfiil~ige Auswahl solcher Sachversti~ndigen geboten." Wenn ganz allgemein verlangt wird, daf ¢hemisehe, ~rztliche und tieri~rztliehe Saehverstan'dige zugezogen werden, dann ist nicht einzusehen, weshalb dann diejenigen, welche die eingehendste Kenntnis der betreffenden Ware und ihrer Herstellungsart haben, nur ausnahmsweise gehfr~ werden sollen. So wenig unsere Industrie und unsere Kaufmannschaf~ am grtinen Tisch ihre Wiege zu erkennen vermfgen, so wenig kfnnen diese Berufskreise zu Objekten der Gesetz- gebung gemacht werden. Dutch eigene Arbeit und Tmteltigenz, (lurch deutschen Fleifi und deutsche Redtichkeit haben sic sich ihren Platz auf dem Weltmarkt erobert, wie kann ¢Ia ge- sagt werden : ,jedoch ist sorgfilltigste Auswahl solcher Sachverstlindigen geboten ~ ! Was ver- langt man yore Sachverst~indigen? D a f e r eingehende Kenntnis der Materie besitzt und daf e r e in anst~ndiger Mensch ist. Sicherlich glaubt doch der Herr Referent nicht, daf diese beiden Requisite im Kaufmannsstande weniger h~tufig anzutreffen sind als in Gelehrtenkreisen. Was wtirde der Herr Referent sagen~ wenn man verlangen wtirde, bei Auswahl yon Sachver. st~ndlgen aus seinen Kreisen sei sorgf~ltigste Auswahl geboten. Diese yon fair beanstandeten Worte enthalten entweder eine Selbstverst~ndlichkeit und sind dann nieht allein auf die sine Gruppe zu beziehen, odor sic sind beleidigend. Ich glaubte darauf aufmerksam machen zu mtissen, urn dem Herrn Geheimra~ A b e l Gelegenhei~ zu geben, durch authentische Inter- pretation der gewollten Deutung Raum zu geben.

Ganz kurz m(ichte ieh noch bemerken, daf in tier ]~1itte derjenigen Kreise, die sieh mi?~ Herstellung und Vertrieb yon Nahrungsmitteln beschi~ftigen, der Gedanke des genossenschaft- lichen Zusammenschlusses lebendig geworden is~, und zwar um Front zu machen gegen jede Art unlauteren Verfahrens in Indus~rie und Handel. Es war der Band deutscher Nahrungs. mittelfabrikanten und Hiindlor, den bier zu vertreten ich die Ehre babe, deres fib- seine vor- nehmste Pflicht hiilt, bei seiner Tittigkeit sich stefs tier Mitwirkung yon Konsumenten, yon Ver~retern der ehemischen, der medizinischen, der tieri~rztlichen und der sozialen Wissenschaft zu versichern, and er hat es getan, insbesondere bei Schaffung des deutschen Nahrungs- ~nittelbuches.

Stadtverordneter L u l a y (Schfneberg): ~eine verehrten Herren! Zuvfrderst miiehte 30"

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[Zeitschr. L Untersuchung 468 A b e I, 0berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. [d. lqahr.- u. Genufimittel.

ieh dem Herrn Referenten den Dank aussl0reehen fllr die ausftihrlichen und sachlichen Dar- stellungen fiber die ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs im allgemeinen.

Meine ttelren! Die Handhabung dieser Nahrungsmittelkontrolle ist ja recht verschieden- ar~ig in unserem Deutsehen Reiche. Der Verband Deutscher Milehhitndlervereine hat seit Jahrzehnten angestrebt, daf die Milehversorgung der St~idte mehr und mehr aaf bessere Wege hiniibergeleitet werden sells.

Ieh komme zun~ichst auf sine ~ufterung des Herrn Referenten zu sprechen, in der er sagt, daft sin Milchh~lndler, der schon vorbestraft war, als Sachverst~tndiger fungierte.

Nun, das kann sehr leieht vorkommen, und zwar deshalb, well bedauerlieherweise sehr hiiufig der Milehh~adler ftir die S[inden, die in der Produktion liegen, haftbar gemacht wird. Ja wenn sin solcher Sachverst~indiger bestraft ist wegen minderwertiger Milch. wie sic ihm der Produzent getiefert hat, so kann er doeh nicht dater. Die Berliner Polizei verlangt mindestens 2,7 % Fett. Nun gibt ein unverntinftiges Vieh blot 2,6. Ja, wie sell der Milch- hSndler das schneli machen? Da mui ler studieren und aUes m~igliche, Chemic und sonstige Wissensehaft betreiben, um genau fes~zustellen, daft das Rindvieh so durum war und eine minderwertige Milch gegeben hat. Ja, Herr Referent, es ist Tatsache, was ich hier an- fiihre. Da ist es also sehr leicht mbglich gewesen, daft sin soleher Sachverst~ndiger sehon Vorbestraft ist. Nun hat der organisierte Milchhiindlerstand schon im Jahre 1876 bet dem damalige Polizeipr~isiden~en v on M a d a i beantragt, da~ man den gewerbsmafiigen Fiilsehern, die unverbesserbeh sind, das Gewerbe entziehen sells. Das war ein Antrag veto organisier~en l~Iilehhandel. Der Herr Polizeipritsident v. Mada i hat damals gesagt: ,So gut und ehrlieh wie der ¥orschlag gemeint ist, so ist er doch nicht durehffihrbar, da steht die Gewerbeordnung im Wege!" Der erste Diskussionsredner hat sehon darauf hingewiesen: Gerade bet der Milch liegt die Sache sehr schwierig, well sie so leicht veranderlieh ist; denn die Gtite der Produktion h~ingt zu sehr yon der Witterung, der Fiitterung und anderen Dingen ab, sogar die Eigenschaften des einzelnen Tieres selbst tragen dazu bet, das Produkt za ~indern.

Und nun, meine Herren, wenn tier Herr Referent noch gesag~ hat, der beteiligte Milch- handel soil nut bedingungsweise gehtirt werden, so mutt dem auf das Entsehiedenste wider- sprochen werden. Ich sehe hier Herren, die Konferenzen angewohnt haben, bet denen Yer- ~)rdnungen fiber den Milehhandel beraten wurdeh, und da ist es kein geringerer gewesen als Herr Geheimrat P i s t o r, auch der jetzige Reiehskanzler Herr B e t h m a n n H o l 1 w e g und vide andere gro~e M~inner yon der Wissenschaf~, such der Geheimrat Prof. Dam m a n war dabei, welehe deft tats~ichlich die Fingerzeige des praktisehen ~[ilchhandels sehr beaehtet haben, well der praktische Milchhandel doch etwas yon der Praxis versteht, was man yon der ~Vissen- schaft nieht immer sagen kann.

Nan habe ich darauf hingewiesen, daft die Milchkontrolle such ihre eigenartigen Neben- erseheinungen hat. Es kommt mehr auf die, ich will sagen, ant die Bildung des Chemikers an and nicht allein auf die Bildung, sondern auch auf den Charakter. Ja, Sie lachen, ich kann Ihnen alles mit Beweisen belegen. Ieh bin lange genug Saehverst~indiger gewesen, urn das zu beur~eilen. Ein Chemiker sag~e einmal in seiner Analyse: die Milch harts einen Stich. Er ist dann yon dem Richter befragt worden, was alas bedeuten sollte, da konnte er sich nich~ herausreden und sagte: Ja, mein kssistent hat alas gemaeht, die Analyse. Und wer war sein Assistent? Ein Hausdiener! Dall da eine Verurteilung ohne Grund einmal vorkommen kann, wenn die Untersuchungen derartig geschehen, das wird Ihnen einleuchten, meine Herren. Gerade in der Reiehshauptstadt hat sich ein sehr eigenartiges Milehprodukt eingefunden. Das wird in den Fachkreisen so etwas bosbaft manehmal die Agrariermileh genannt; mit welchem Reeht, tasse ich dahingestcllt. Ieh habe in der Konferenz damals St. Exzetlenz dem Herrn Land- wirtsehaftsntinis*er v. P o d b i e l s k i gesag~: Eine Milch muff so zum Verkauf kommen, wis die Kuh sie gegeben hat, ohne jeden Zusatz and ohne daf etwas weggenommen, und das ist damals auch allgemein anerkannt worden. Diese Berliner Milch dagegen ist teilweise sine entrahmte Milch, welche aber mindestens noch 2,7% Fett haben muff. Also sine gute Vollmileh yon 8,5°/0 Fett kann mit Magermilch verschnitten werden his 2,7°]o herunter. Sic wird verkauft unter dem Namen ,Marktmilch". Demgegenfiber sagen wit: die Milch muff so veil seth, wio sis die Kuh gegeben hat, es darf ihr nichts genommen und niches zugeftigt werdem Das ist sSets die Grundforderung des organisierten Milchhamlels gewesen, und so wird es bleibsn. Nun abet, vie ist es mbglich, daf man sine solche zurechtgemachte Milch unter dem Namen Marktmilch verkaufen dare Viele Herren werden wissen, daf frtiher in Berlin die Hatbmilch existierte. Das war verkehrt und vom Standpunkt des reellen Milchh~tndlers~andes immer verpiint. Der Milchhandlerstand hat die Halbmilch abgeschafft und in den Verkehr die Veil- milch gebrach~. Abet das hat nicht lunge vorgehalten, welt ether der einflufireichsten Hitndler, namlieh die Milchzentrale, die sogenannte :5~arktmilch einftihren woll~e, and daram w~re die ~Iilch in Berlin verschlechtert worden, wenn nieht der organisierte Milehhandel entschieden Wiederstand geleistet hiitte. Erffeulieh is~ es far unseren Stand, daft diese Verordnnng in andexen Stadten keine Nachahmung gefunden hat.

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21, Band. ] 15. April 1911.j i b e 1, 0berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 469

Ich komme auf den letzten Punkt and das ist die Kontrolle an der Prodnktionsst~itte. Viele yon Ihnen werden es wissen, wie bei tier Preduktian verfahren wird. An verschiedenen Stellen reeht exakt and einwaadfrei. Der Besitzer, der Produzent, sorgt daftlr, da5 alles saaber im Stalls and Luft nnd Licht vorhanden ist. Aber unzlthlige Prodaktionsstatten gibt es, we jede Sauberkeit fehlt; auf die Oberwachung des Gesundbeitsstandes der Tiers wird kaum Weft gelegt, und was um so mehr zu bedauern ist, weil die Eutertuberkulose veto Landwirt nicht erkannt werden kann. Nun kann so lange nicht yon einer gesunden Milchversor~ng die Reds sein, wenn Kontrolle an der Produktionsstatte fehlt.

Ich babe znm Schlufi also die Bi~te, daii tier Vereia f~ir iiffentliche Gesundheitspflege seine Kraft einsetz~, daft fiir jede Milch, die in den Verkehr gebracht wird, an der Produktions- stiitte die Kontrolle ausge¢ibt wird, wie sie fiir den Milchhandel verlangt wird.

Oberbfirgermeister Dr. F u s s (Kid): Meine Herren! Ich babe mit gro~ier Befriedigung den Vortrag des hochverellrten fterrn Referenten gehSrt und kann wohl sagen, daft ich im wesentliehen seinen samttiehen Ansfiihrangen zastimme, such die •berzeugung babe, daf da, we die Ausfiibrungen im Augenbliek etwas seharf einschneidend za sein scbeinen, seine praktische Gesamtaaffassung, die er wahrend dieses Kongresses schon an anderer Stelre bekundet hat, sieh bei ihm such ffir die Nahrungsmittelkontrolle bewahren wird, und daft demgemi~i~ die strengen hygienisehen Mafregeln yon ihm nur empfohlen werden unter gehSriger Beachtung gleiebwertiger Ansprfiche des Verkehrs nnd der nStigen Riicksichten auf Freiheit des einzelnen in seiner Bewe=ung Dafiir bfirgt die ~anze Perssnlicbkeit des Herrn Referenten. Ich spreche deshalb nicht mit ibm fiber Einzelheiteo, denn seine Thesen wollen bier nicht ein Gesetz proklamieren, das in fester Gestalt in die Welt hinausgehen sell, sondern sis sollen nut gewisse Anbaltspunk~e zum Versti~ndnis seines Vortrages bieten. Ich glaube aber such im Namen der fiberwiegenden Mehrheit der anwesenden Herren den Herrn Referenten in Sehutz nebmen zu sollen gegen die Auffassung, sis ob er der Ehrenbaftigkeit unseres deutschen Hande]sstandes irgendwie h~tte zu nahe treten wollen. W e n n e r yon einer sorgf~iltigen Aus- wahl gesprochen hat, so hat es nut die Bedeutung: we gewisse materielle Interessen bei ge- wissea Vertretern des Handelsstandes pr~isumirt werden kSnnen, da sell ¥orsicht gefibt werden, dati diese Interessen sich nicbt bei der gutaehtlichen odor richterlichen T~itigkeit stSrend einmischen.

Ieh babe reich zum Weft gemeldet lediglieh deshalb, well die These 2 mir yon neuem die Bedenken waehgerufen hat, die ich schon die Ehre harts zu ~ufern bei dem Kongref in Kar]srahe 1896, wie dies der Herr Referent bereits angedentet hat. Damals warden meine Bedenken wachgerufen durch die Hoehflut tier agrarischen Bewegnng. Ich glaubte betonen zu mtissen, daft die Kontrolle b~i tier Einfahr der wichtigsten Nabrungsmittel nicht a l l z u seharf ausgeiibt werden diirfe, wei| auch sine rasche Einfuhr notwendig sei. Ieh gehe auf diese Frage heute nicht niiher ein, sie liegen eigentlieh nicht speziell in unserem Thema. Dennoeh sehe ich reich gencitigt, ein ganz klein wenig dem Herrn Referenten anbeimzugeben - - nicht seine Thesen; fiber die stimmen wir ja nicht ab --, aber seine Auffassung am Sehluf etwas einzusehranken wegen der allgemein an der Grenze auszuiibenden Nahrungsmittelkontrolle. Er sag~e ja schon: er wolie nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellen, und das erleichtert meine Bedenken in etwas. Er meinte aber welter, die Konir~)lle kSnne ja sehr rasch ausgefibt werden. Meine Herren, wer die Zollrevision in Kufstein, in Yentimiglia and in anderen Grenz- stationen mit starkem Verkehr durcbgemaeht hat, wet gesehen bat, wie Damen, Kranke, be- jahrte Personen unter allerlei Unann"ebmlichkeiten, wie Zugluf~, Gedrange, besehwerlichem Umhersteben, nicht selten auch kleinlichen Scherereien sehwer zu leiden haben, und wie in tier Regel mindestens eine halbe Stands be ide r Zo]lrevision moist unnStig versehwendet werden muff, kann eigentlich nieht den Wunseh haben, dal~ aueh noch die Nahrungsmittelrevision an der Grenze durebgetfihrt wird. Wenn neben dem revidierenden Zollbeamten noch ein Nahrungsmittelchemiker dastehen und in meinem Keffer nachsehen sell, ob ich vietleicht eine Schokolade mitgebracht babe, die nicht ganz einwandfrei ist, da seheit,t es mir doch eine zu weitgehende Forderang, diese Nahrungsmittelkontrolle auch auf den Durchgangsverkehr der Reisenden, die in 99 yon 100 F~tllen nur ihr gewSbnliches Handgepack mit sich ftibren, auszudehnen.

Ich halte aber die ganze Frage ftir auferordentlich wichtig, wie weir sehon die jetzige Revision der t~eisenden an der Grenze ausgedehnt werden sell, ohne Yer]etzung elementarer hygieniseber Riicksichten aufrecht zu erhalten ist. Ich halts sis ftir so wiebtig, daf ic h dem Ausschu~ nabelegon mSeh~e, sie aus dem yon uns selten behandelten Gebiete tier Reisehygiene ffir einen besonderen Vortrag berauszugreifen oder - - was mir bei einer kurzen Riickspraehe vorhin der Herr Referent selber vorzusehlagen anheimgestellt hat - - yon einer hSheren Warts era- real das Thema zur Diskussion zu stellen: bis wie weir und bis zu welehem Grade mfissen die Interessen der 5ffentlichen Hygiene be ider Versorgung unseres Volkes mit notwendigen Nahrungsmitteln gewahr~ werden? Das wiirde vielleich?~ nach der positiven wie nach der negativen Seite zu recht interessanten Anfschliissen fiihrsn.

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l-Zeltschr, f, Untersuehung 470 A b e 1, ~berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. [d. Nahr . - u, Genu.fimit~el.

Ich habe im abrigen nicht die Absich~, den Grundgedanken der yon mir ergrterten These des Herrn Referenten beanstanden zu wollen. Dug der 1Jbergang an der Grenze lrou- trolliert werden muff, gebe ieh zu, aber - - damit mSchte ich schliefen und darin wird der Hm~ Referen~ mir vie]Ieicht nicht ganz unreeht geben ~ ich meine, dal~ fiir die Z~kunf~ tier geeignete Weg der w~re, daft die Staa~en mehr als bisher zu Vertragsschl~issen kommen, dab die Kontrolle an der Produktionsstatte im eigenen Lands nach g]eichartigen Grundsatzen und yon gleiehartig ausgebildeten SachverstKndigen ausgefibt wird. Wenn das der Fail ist, wird vieIleich~ die Kon~rolle an der Grenze, die immer mit Bel~stigungen von Personen verbunden sein wird, im groffen und ganzen auf eiu sehr geringes Mag reduziert werden k6nnen.

Handelskammersyndikus Dr. W i e d e m a n n (Elberfeld): Meine Herren! Wenn ich mir das Wort erbeten babe, so ist das nieht geschehen, um in sine eingehende Kritik der Aus- ftihrungen und Leitsatze des Herrn Referenten einzutreten. Wir haben ja munches an Kritik yon dem ersten Herrn Diskussionsredner zu hSren bekommen, und ich kann ihm in vielen seiner Ausfahrungen, wenn auch nicht in allen, zusLimmen. Ich mSchte reich nut auf den einen Punkt beschr~nken, der speziell der KSrpersehaff, die ich zu vertreten die Ehre babe, der Handelskammer zu Elberfeld am Herzen liegt, das ist die AnhSrung gewerblicher Saeh- verstgndiger bei der Kontrolle des Nahrungsmittelverkehrso Wir sind der Ansicht, daft eine solehe Kontrolle unbeding~ notwendig ist, sowohl zum Sehutze des Publikums wie zum Sehutze des redlichen Handels, und sind zudem der Meinung des Herrn Referenten, daft diese Kontrolle sine griindliche und guts, von fachgemgff vorgebi]deten Beamten ausgeftihr~e sein mug. Wir sind auch der Meiuung, dab es notwendig ist, dieser Kontrolle gesicherte Gruud- lagen zu bieten dureh Festsetzungen des Bundesrates im Sinne des Leitsatzes 5. Wir sind aber der Meinung, daB, weft diese Grundlagen heute noeh fehlen, es notwendig isf, eine zweifelsfreie Feststellung zu treffen, ob ein Verstof gegen das Nabrungsmittelgesetz vorlieg~ oder nieh& Der Herr Referent hat nun die AnhSrung tier gewerbliehen Sachverst~ndigen als eine nur in Ausnahmefallen eigentlich nStige bezeichnet. Er sag~: das k a n n in zweifelhaften Fallen zweckm~fig werden. Wir sind darin anderer Meinung und befinden uns damit in ganz guter Gesellsehaft. Ich mSehte den Herrn Vorsitzeuden bitten, mir zu gestatten, etwas zu verlesen; ich mug das, weil es sich um den Wortlaut yon Miuisterialerlassen handelL Schon in einem Erlasse 1883 hat der preuffische Justizminister hervorgehoben, dab die Unter- suchung einer Anzahl yon Nahrungsmitteln in vielen Fallen solche Schwierigkeiten bietet, daft zweckmafigerweiss die Begutaehtung nur solchen Chemikern anvertraut werden kSnne, welche ausreichende Erfahrungen gerade auf dem in [~ede steheuden Gebiete besitzen, und e s sei ferner erforderlieh, da~ die Frage, ob sine beanstandete Ware gesundheitsscbadlieh sei, nnd eb sie zum Zwecke der Tausehung in Handel und Verkehr gefalscht sei, in allen irgend- wie zweifelhaften Fgllen nur naeh AnhSrung yon arztliehen oder yon gewerblichen, mit den speziellen Gewohnheiten des betreffenden Industriezweiges vel~rauten Sachverst~ndigen zu beantworten sei. Deshalb erseheine sehon die Evhebung einer Anktage nlcht angebracht, bevor diesem Erfordernis geniigt sei. Diesen Erlaf hat der Herr Justizminister 1903 wiederum iu Erinnerung gebracht. Ebensu hubert die }Iinister fiir Handel und Gewerbe, der geis~liehen, Un~errichts- und Medizinalangelegenheiten und des Innern bereits 1883 in einem Er]af betont, duff die Untersuchung einer Anzahl von Nahrungs- und Genufmitteln in den meisten Fallen so schwieriger Art sei, duff sie nur sotehen Chemikern anver~raut werden kann, welehe aus- reichende Erfahrungen auf den speziellen Gebie~en besitzen.

Der Chemiker hat aber auch nut die Aufgabe, dariiber Auskunft zu geben, wie die yon ibm untersuchten Waren chemisch zusamraengese~zt sind, wahrend die weitere Frage, ob die un~ersuchte Ware gesundheitsschadlich und ob sie zum Zwecke der Tauschung gefitlscht sei, nicht zu seiner Beurteilung sf~eht. Es ist deshalb erforderlic.h, daf alle diese Fragen in allen irgendwie zweifelhaften FMlen nut yon ~rztlichen oder gwerblichen, mit den spezietlen Gewohnhei~en der betreffenden Industriezweige vertrauten Saehverst~ndigen bean~wor~et werden sullen. Auch dieser Erlat~ ist yon den geuannten Ministern 1904 erneuer~ wordeu, welt er nieh~ die notwendige Beachtung in der Ausffihrung des Gesetzes fund. Nochmals haben die Minister wiederholt, dab die Zuziehung soleher Saehverstandiger in a l l e n i r g e n d w i e z w e i f e l h a f t e n Fallen erfolgen sell. Zum Sehutze des Referenten gegentiber den Angriffen wegen der sorgfaltigen Auswahl kann ieh noeh hinzufagen, daft die Minister erkl~ren: ~Besonderer Wert muf darauf gelegt werden, dab die PolizeibehSrden die erforderlichen Gut- aehten yon geeigneter Seite einholen. Zu dem Ende haben sie ftir Fragen auf dem Gebiete yon Handel und Verkehr die amtlichen Handelsver~retungen um Benenuuug geeigneLer Saeh- verstandiger, geeignetenfalls um direkte Abgabe sines Gutachtens zu ersuehen.

Wir sind nun der Meinung, daft gerade auf die Auswahl der Saehverstandigen ein groffer Weft zu ]egen ist, dug die 8achverst~ndigen nicht etwa selbst Interessenten in der Richtung sind, dab sie an der Vertreibung eines solchen gefMsehten oder minderwertigeu Nahrungsmittels sin unmRtelbares Interesse haben, uud wir sind deshalb hier in Elberfeld zu einer Einrichtung gelangt, die ich zur Nachahmung durchaus empfehlen mSchte. Wir haben

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21. Band. ] Ab el , 0berwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 471 15. April 1911.l

in der Handelskammer eine Kommission gebildet, die sich zusammensetzt einmal aus Interessenten des Nahrungsmittelgewerbes, aus Sachversti~ndigen, dann aber auch aus nicht beteiligten ~Iitgliedern der Handelskammer, die etwa die Interessen der Konsumeaten vertreten sollen, und dal~ dann die Polizeiverwaltung in alien zweifelhaften F~llen, ehe sie eine Anzeige bet tier Staatsanwaltschaft erstattet, die Akten der Handelskammer tiberweist, and diese n u n

unter Heranziehung der flir diese speziellen Fi~lle hervorragenden Sachverstandigen ein Ur~eil abgibt.

Wit glauben, dad bet diesem Verfahreu die Gew~ihr fiir eine durchaus unparteiische Handhabung gegeben wird. Ich zweifle nicht daran, dad Sie der Handolskammer nich~ zu- trauen werden, in irgend einer Weise unlautere Elemente zu schfitzen, sie wird im Gegenteil gern Beitr~ige zur Bek~impfuug solcher unlauterer Elemente liefern, und ich mfchte deshalh dem Herrn Referenten empfehlea, sein ~kann ~ in bezug auf die Anh(irung gewerblicher Sach- verstiindiger in ein ,solV zu veriindern im Sinne meiner £usftlhrungen.

Professor der Hygiene Dr. W i l h e l m P r a u s n i t z (Graz): Meine Herren! Der Herr Referent hat in ether kurzen Bemerkang der 5sterreichischen Verh/~ltnisse Erwahnung getan, nnd da ihm bier ein kleiner Irrtum vorgekommen ist, so muDf ich hierzu alas Wort ergreifen, was ich sonst nicht getan hi~tte. Er hat n~tmlich erkliirt, daft in 0sterreieh verdorbene und minderwertige Nahrungsmittel nach der Gesetzgebung gleieh behandelt werden. Da liegt eiu ]rrtum vor; dem ist nicht so.

Nun, da ich schon einmaI bier s~ehe, nnd da ieh zu meiner besenderen Freude konsta- tieren kann, dad manches yon dem, was der Herr Referent empfohlen hat, in Osterreich schon seit langen Jahren durchgefiihrt ist, so erlaube ich mir, nu r e m paar kurze Bemerkungen zu maehen. In ()sterreich ist 1897 das neue Lebensmitte]gesetz erlassen worden, welches bestrebt ist, daD, was ja auch bier der Herr Referent anstrebt, mfglichst im ganzen Reiche eine Konirolle darchgefiihrt wird, dad insbesondere daffir gesorgt wird, daft Untersuchungsanstalten vorhanden stud, welche alle yon den Kontrollorganen beschlagnahmten bezw. eingelieferten Waren untersuchen. Es warden deswegen in Osterreich zunachst in Angliederung an die hygienischen Institute der Universitaten Un~ersuchungsanstalten eingerichtet, welche zwar nicht dem Unterrichtsministerium, aber dem Ministerium des Innern, also unserem Sanitiits- ministerium, unterstehen, jedoch denselben Vorstaad haben, wie die hygienischen Institute der Universitat. Das Reich ist in eine Anzahl von Sprengeln geteilt, sodaD jede Unter- suehungsanstalt die Verpflichtung hat, die in dem betreffenden Sprengel vorkommenden Unter- suchungen auszuftihren. Der Staa~ hat dann wetter dureh des Gesetz daftir gesorgt, daft jede Probe untersucht werden muff, welche yon den geeigneten Faehlenten eingeliefert wird. Er hat sich nicht auf den Standpunkt gestellt, daft des nur Chemiker sein sollen, wie des zum Teit in Bayern ausgefiihrt wird, well dann die Kosten zu hohe werden wiirden, sondern er hat sich auf den Standpunkt gestelIt, den der Herr Referent ja auch empfohlen.hat, daft durch geeignete ausgebildete Organe Proben entnommen warden. Des dtirfen in Osterreich alle diejenigen, die eine besondere Vorbildung genossen haben und dutch eine Prfifang aueh gezeigt haben, dad sie des, was sie in den Kursen gelernt, auch aufgenommen haben. AUe l°roben, die yon diesen geprfiften Marktpolizeiorganen entnommen werden, mfissen yon der staatlichen Untersuchungsanstalt kostenlos nntersucht werden. Es miissen ferner alle die Proben, die van Gerichten oder Amts/irzten eingesandt werden, ebenfalls kostenlos untersucht werden.

Ich komme dann zu dem zweiten Pankt, der reich eigentlich veranlaf}t hat, das Wort zu ergreifen, n/~mlieh zu dem der Minderwertigkeit. Der Herr Redner hat sich auf den Stand- punkt gestellt, minderwertige Nahrungsmittel sollen ebenso behandelt werden wie verdorbene. Nun, da kommt es ja darauf an, was man unter minderwertig versteht. Ich glaube nach meinen, doch schon recht langen Erfahrungen, dad es absolut unm~iglieh ist, dull man minder- wertige Nahrungsmittel ebenso behandelt wie verdorbene. Nur das mud erreicht werden, nnd das is~ das Wichtigste beim ganzen Nahrungsmittelverkehr, daft jedes Nahrtingsmittel genau deklariert wird, daft der K~iufer genau welD, was er einkauft. Das ist das Wesentliche. Aber man kann nicht so wei$ gehen, minderwertige und verdorbene Nahrungsmit.tel gleich zu stellen.

Es is~ weiterhin dem Herrn Referenten vorgeworfen worden, dad er in These 8 fordert, daft bet schweren Verst6(ien gegen die Nahrungsmittelgesetze die weitere Ausiibung des Nahrungsmittelgewerbes gerichtlich verboten werde. Ich mSchte empfehlen, dad der Herr Referent zusetzt: bet ,schweren oitsr w i e d e r h o l t e n % Darin lieg~ das Wesentliche. Manche Nahrungsmittelhitndler - - ich denke hier ganz besonders an die Milch ~ denen es ~icht darauf ankommt, gelegentlieh mit dem Richter oder Gesetze zusamrnenzustofen, fragen sich: lohut es sieh, eine 0bertretung zu begehen oder nicht? Wean gegen Obertretungen nur geringe Geldstrafen festgesetzt sind oder verhangl werden, so macht des fiir manchen - - ich betone m a n c h e n - - absolut nichts, gelegentlich 10 Mk. Geldstrafe zu bezahIen; dann ~ind das einfach Gesch~ftsunkosten, die nicht in Betracht kommen, wenn man z. B. tag|ich

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[Zeitschr. f, Un~ersucliung 472 A b e 1, Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. ld. lqahr.- u. Genulimi~gL

ttunderte oder Tausende yon Litern Milch verkauft, dis vielleicht 10°/o Wasser enthalten. Deshalb ist es wiinschenswert, wenn eingeftigt wird, daft nieht nur schwere, sondern auch w i e d e r h o I te Verstffie zum Verbot der weiteren Tatigkeit ftihren k(innen.

Dann mfchte ich erwfilmen, daf in 0sterreich die Kontrolle nicht nur dort stattflndet, wo Lebensmittel verkauf$ wsrden, sondern aueh dor~, wo sie produziert werden. Auch alas ist durch Gesetz vorgesehen.

]ch kann noebmals meiner besonderen Freude Ausdruck geben, daft (Jsterreieh in mancher Hinsieht vorbtldlieh vorangegangen ist, uud empfehle, bei Revision der deutsehen Gesetzgebung die 5sterreiehischen Verhaltnisse nash M(iglichkeit zu beriieksichtigen.

Bilrgermeister He ld (Zabrze): ~Meine Herren! Es liegt in der Natur der Saehe, daf bei aufgestellten Theseu die Tendenz zuweilen in der Diskussion zurticktritt gegen den vor- gelegten Wortlaut, und darauf ist es vielleichl auch zurtiekzuftihren, daf der zweite Herr Redner, der bekanntlich zuerst Kritik an der These 3 iibte, Zweifel aufsr~e, ob jurist isch die These 3 zu haltsn ware. In dieser Beziehung mtichte ich doch betonen: der Herr Referent hat keinen wdrtlich zu nehmenden Gesetzesvorschlag maehen wollen; aber daf es juristisch m(iglieh ist, schwers und, wie der letzte Herr Redner betonte, wiederholte Verst(iris festzu- stellen und zur Bestrafung zu bringeu, das ist f(ir Juristen - - und als solcher daft ieh sprechen -- vollkommen selbstverstandlich~ und diese Teudenz, die wit doch alle billigeu, daft man ruhig verfolgen. Viet sch~rfer als ein Strafgesetz kann dis Verwaltungsjustiz ge- werbsmafige und boshafte Falscher strafen, iudem sis ihuen alas Gewerbe entzieht. Und wenn der Referent diesen Vorschlag macht, um wiederhoIte boshafte uud schwere Falsehungen bei einem so wiehtigen Lebensmittsl, wie die Milch, endlicb zu verhindern, dann glaube ich, wird er erstens einmal reeht haben im Sinne unserer Vereinsbestrebungsn, dann aber aueh im Sinne des Vertreters der Milchh~indler, der vorhin sagte, ,diese Leute wollen wir heraushaben aus dem ehrlichen Handelsgewerbe ". Und da k(innen wir dem Refereuten roll recht geben. Die Einzelfragen, wie in der Fassung gesetzlieh da zu arbeiten ist, ob mi~ ,Porsatz ~ und ~wiederholtem Rtickfalt', kann man der Gesetzgebuug ruhig iiberlassen. Dis Aufgabe wird sis 15sen.

Landrat zur Nie den (Vohwinke]): Meine Herren! Nachdem verschiedene Vertreter grol~er St,~tdte in dieser uns alle interessierendeu Frsge alas Wort ergriffen haben, ist es viel- leieht auch interessant, den Vertreter eines Landkreises zu hiiren. Ieh vertrete den Landkreis Mettmann, der hier in nachster Nachbarschaft belegen ist und ein stark industriell durch- setzter Kreis ist, also stadtischen Vsrhaltnissen etwas nahersfeht. Ich begriifie vor allen Dingen namens unseres Kreises die Ausffihrungen des Referenten, die die Probeentnahmen durch Chemiker selbs~ anlangen. Das wird bel uns in grefem Ma•stabe durchgefiihrt und zwar in einem Mafistabe, der tiber den in Grofstadten manchmal erheblich hinausgeht. Nur dadureh, daf der Sachverstandige selbst, der vorgebildet ist, die Probe entnimmt, ist sine sachgemafe Probeentuahme uud aach sine sachgemaiie Belehrung der Hfindler mfglich.

Eine Frage, zu der der Herr Referent nicht Stellung genommen hat, die reich aber sehr interessiert, und yon der ich begriitien wtirde, wenn sis noch behaudel~ werden k6nnte, ist dis Frage des Geheimkaufs, ob uud in welcher Weiss er empfohlen wird. Wit haben damit begonneu, indem wir aus dem Laboratorium zwei junge Mfidchen, die darin arbeiten, in den Kreis geschiekt haben zu Probeentnahmen. Wir haben abet Anfeindungen erfahren, deshalb wtirde ich es begrtiiieu, wenn festgestellt werden kfnnte, ob und inwieweit Probeen~nahmen dutch Geheimkauf zu empfehlen sind.

Von den Thesen m~ichfo ich diejenigeu am warmsfen begrtifien, woIche den inueren Ausbau tier Nahrungsmittelkontrolle und die Vereinfaehung des Verfahrens betreffen. Sehwerer durchzuftthren sind schon die anderen Thesen, dis sich beziehen auf dis extensive Ausdehnung des Gebietes; ich rechne darunter Ziffer 2 und 3, die Untersuehungen an der Greuze, dann aber aadh die Kontrolle der Zulassung eines Nahrungsmitte]betriebes. Das wtirde far sins fernere Zuknnft erwtinscht erseheinen, abet wohl ffir dis n~ichste absehbare Zukunft uicht in Frage kommen. Die Vorschlage in bezug auf den inneren Ausbaa und die Vereinfachung der Koutrolle sind au~ierordentlich zu begrtlfen. Bei dem inneren Ausbau mfchts ieh besonders hinweisen anf die Probeentnshmen in den Vorratsraumen nnd Fabrikr/iumen. in Fallen, in denen uoch keine Bestrafung vorgelegen hat. Dann ferner ist aber aueh Ziffer 5 yon ganz eminenter Bedeutung; die Forderung, auf diesem Gebiete Rechtssicherheit zu sehaffen, an Stelle der vie]en Po]izeiverordnungen nun endlich einnial einheitlich auf die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte begrilndets Bundesratsverordnungen zu erlassen; alas ist ein Postulat, das unbedingt in den Vordergrund gestellt werden muff. Im Interesse tier Vereinfachung, die mir am meisten am Herzen liegt, werde ich vietleicht einen kleinen Erisapfel unter die Versamm- lung wel~en. Man verlangt, es sollen Saehverstandige yon der Industrie zugezo~en werden, es soll aber aueh eine ganz aufierordentliehe 5Iitwirkung auderer Instanzen stattfinden. Der Arzt, der Tierarzt sellen rnitwirken. Ich glaube~ man muff alle diese Fragen unter dsm

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~1. Band. ] A b e l, Uberwachung des Nahrnngsmittel~erkehrs. 47~ 15. April 1911.l

Gosichtspunkt der Einfachheit ]?rfifen, und daist doch zu berticksichtigen, dai} unsere Nahrungs- mittel-Untorsuchungs~imter allmahlich eine Organisation geworden sind mit vielen Erfahrungen und sich allein helfen kfnnen in vielen Fragen. Und datum wird man auf Grand tier Aus- fiihrungen, die Herr Dr. W i e d e m a n n ftir die Handelskammer Elberfeld gemacht hat, sich sehr gut einigen kfnnen. Es hei/~t in den Verordnungen, Sachverstandige sollten befragt werden: ,,in allen irgendwie zweifolhaften F~illen". Gewif, abet die Zahl der zweifelhaften F/itle wird (lurch die Tatigkeit and die Erfahrungen tier Nahrungsmittetchemiker mehr und mehr be- schrankt. Daft wir in zweifelhaften Fallen Sachverstandige anh/tren, ist ganz k]ar; nur in solchen Fallen aber ist auch die Mitwirkung der ~rzte erforderlich, um zu prfifen, ob die Sache gesundheitsseh$idlich ist. Wenn die Vorschriften fiber die Nahrangsmittelchemiker und ihro Vorbildung noch nicht so welt gehen, daft sis das seller beurteilen lernen, dann mtissen die ¥orschriften geander~ werden. Dean es ist eine hufgabe, die den Nahrangsmittelchemikor ~ahe angeht; ob sine Nahrungsmittelfalschung im allgemeinen gesundheitsschi~dlich wirkt, das muf er selber beurteilen k6nnen. Da mul~ es auch heifen: nur in allen z w e i f e l h a f ~ e n Fallen muff der Arzt zugezogen werden. Ich glaube, unser Nahrungsmittelchemikerstand, wenn er gehoben werden sell, muff diese Frage selbst beurteilen kfnnen. Des ist ein Postulat, des ich aufstelle, vor allem vom Gesichtspunkt der Einfachheit and Kostenersparnis aus. Denn bedenken Sis: der Arzt, der Tierarzt, der Gewerbeinspektor, der Polizist, der Nahrungsmittel- chemiker, alle diese mfiiiten sonst bet vielen Untersuchungon und Revisionen mitwirken. Des is~ ein Organismus, der viol zu schwerfallig ist, und damit kiinnen wit nicht vorwarts kommen. Wir miissen im Gegenteil des Postulat stelIen, daf die Nahrungsmittelohemiker die Frage der Gesundheitsschadlichkeit mehr and mehr selber erledigen lind daf die Mitwirkung der ~rzte nut dann erfolgt, wenn zweifelhafte FaIle, die ja in der Praxis vorkommen, entschieden werden mtissen, worm neue Gebiete erschlossen werden sollen.

Ieh lasso reich dahin zusammen: die Leitsatze des Referenten sind warm zu begrfifen. Ein Tell, wie die Leits~tze 2 und 3, wird ether felmeren Zukunft vorbehatten bleiben, oin anderer Tell aber, der don inneren Ausbau der Kontrolle und die Yereinfachung be~rifft, wird jetzt schon in die Praxis fibergeffihrt werden k/innen.

S~adtsyndikus and Potizeidirektor Dr. G e r I a n d (Hildesheim) : Meine Herren ! Soviel ioh den l=lerrn Referenten verstanden babe, spraoh or yon Mitteilungen an die PolizeidirekUonen. Es wurde bezweifelt, ob das gehe. Es geh~ sehr einfach. Wir haben as seit vielen Jahren. Bet uns werden diese F/ills in sin Register eingstragen, dieses Register wird mir vorgelegt, and ich gebe es meinon Beamten zur weiteren Erledigung. Was die t~robeentnahmen anlang~, so haben wir ein st~dtisches Untersuchungsamt, das die Probeentnahme tells selbs~ bewirkt, teils, we dies nicht m/iglich ist, sind zwei Beamte angewiesen; sis en~nehmen die Proben nach den Anweisungen, die sis yon dem Untersuchungsamt erhalten. Namentlich bet gewissen Dingen ware es ja iiberflilssig, jemandon yon dem Untersuchungsamte hinzuschicken, we es sich z. B. um die Priifung yon Geschirr handelt. Ebenso is~ es aber auch bet tier Milchent- nahme. Man f/~Ilt aber dock bet den Milchpriifungen bisweilen hinein. Neulich batten wir etwas stark verwasserte Milch, da sagte der MilchhAndler, die babe er nicht verw/issert, die Milehgef~ifie wfirden grtindlich gespiilt, da werde etwas Wasser stehen geblieben sein - - das Gericht sprach ihn fret, und ich war der Biamierte. Es ist erwahnt worden, es sells die Gewerbebefugnis entzogen werden k6nnen. Das is t sin Punkt, den ich selbst schon verschie- dens Male in tier deutsehea Gemeindezeitung besprochen babe. Da sind namentlich zwei Gewerbe, bet denen eine Gewerbeentziehung in Botrachfl kommt. Des sine ist des Schl/ichter- gewerbe; bet uns in der Gegend ist der Aasdruck fiblicb, der mach~ Schnellztige, d. h. sin ¥ieh, das storben will, wird noch rasch mit einem Schnellzug ins bessero Jenseits beffrdor~; was des fiir Fleiseh gibt, kfnnen Sis sich denken! Alles Fleisch sell abgestempolt sein; dann wird sin Sttick mit and eins ohne Stempel verkauft, nnd da heifit es, die beiden Stiicke gehfren znsammen. So wurden einmal zwei Rippenstiioke von Schweinen zusammengeleg~, and da stellte es sich heraus, das Schwein hatte 17 Rippen. Des scheint mir naturwissen- schaftlich doeh nich't ganz zu stimmen. Odor wenn man Fleisch findet, des als menschliche Nahrung nioht mehr geeignet ist, dann heifit es, es w~re f(ir Hands bestimmt oder nach dem Zoologischen Garten zu Hannover. Mit solchen Menschen ist gar nieht fertig zu werden. Es rauf ihnen das Gewerbe en~zogen werden, wir k6nnen beim boston Willen nicht fortwahrend hingehen and nachsehen: was ha~ der Mensch wieder ffir Fleisch tiegen! Wenn wit des Fteisch mit Beschlag belegen, dann wird grol~er L~rm geschlagen, and d a i s t es oft rechg schwer, den ffir eine Vernrteilung erforderlichen Bowels zu fiihren. Den Schlachtern, die bestraft worden sind, muf das Oewerbe entzogen werden k6nnen. Dana is~ eine Konzessiens- nnd Gewerbeentziehung auch notwendig beim Flaschenbierhandel. Da sind die kleinen H~indler, die haben Flaschenbier im Feaster stehen, tagetangund vielleich~ noch 1/inger im Sonnenschein. Was das nachher ffir Getr~inke abgibt, k(innen Sis Rich auch vorstellen, des kann auch nicht gerund seth. Ich babe es oinmal vor Jahren bet Beratung einer Novelle znr Gewerbeordnung im Reichstag in der Gemeindezeitung empfohlen, und der damalige Redaktour hat den Aufsatz

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in zahlreichen Exemplaren im Reichstag verteilt. Da spielte aber gerade ein gro/~er Flaschen- bierhandler eine sehr grote Rolle.

Dann mfchte ich aber zum S~hluf einen Wunsch aus sp rechen - der Vortrag des Herrn Refeienten war so anregend fiir uns Polizeibeamte, dati iek die Frage anregen mitchte, ob es nicht zweckrnafig ware, wenn dor Vortrag in Sonderabdrtlcken verbrei~et wtirde. Unsere Vierteljahrsschrif~ kommt nieht in alle Hande, auferdem kann man sie nieht den Beamten allen geben, und es ist zweckmitfig, den Abdrack zu artnehmbarem Preise in Sonderabdrilcken herauszugeben.

Geheimer Regierungsrat Professor Dr. J. K f n i g (Miinster i. W.): Meine Herren! Ieh mfehte mir nur eine kurze Klarstellung er]auben. Der Herr Syndikus der hiesigen Handels- kammer hat gesagt, im Jahre 1883 oder um die Zei~ h~itien die Herren Minister, die in Be- tracht kommen, einen Erlafi dahin ergehen lassen, dal~ auch Sachverstandige aus den Handels- kreisen in zweifelhaften Fallen yon Nahrungsmittelfalschungen gehfrt werden sollten; das war 1883 und jetzt haben wir 1910. Mittlerwei]e haben sich die ¥erh~tltnisse ganz gewaltig geander& - - Diejenigen anter [hnen, die mib mir auf 67 Jahre zuriiekblieken, werden sich erinnern, daf nach dem Erlafi des Nahrungsmittelgesetzes 1879 alle mtiglichen Chemiker sich dtinkten, Nahrungsmittel untersuehen und begatachten zu ktinnen, nnd die Folge davon war, daf, well sie gar keine VorbilduDg und Ausbildung empfangen hatten, viele Mil~griffe vor- kamen, und die Folge davon war der Erlafi der Herren Minister. Mittlerweile (1895) ist aber dann eine Prtifungsordnung ftir I~Iahrungsmittelchemiker eingeftihrt worden, nnd wit haben jetzt einen Nahrungsmittelchemikerstand, tier eine solche Ausbildung genie~t, d a f e r des Rates yon Handelssachvers~tndigen bei Beurteilung vor Gericht nicht bedarf, sondern far sich allein die Verhaltnisse zu beurteilen imsfande ist. Ich bitte, mica nicht mifzuverstehen; auch wir wtinschen das Urteil der Gewerbetreibenden zu hfren, abet bet Feststellung des Begriffes, was ist ein Nashrungsmittel, abet nicht vor Gericht. Denn es kann niemand ein Richter in eigener Sache ein. Wie wird es sein, wenn ein Landwirt im Falle der Beanstandung einer Milch gefragt wird, ob eine Milchverfa]schung vorliegt oder nieht? Der betreffende Landwirt wird seinen Kollegen immer herauszureif~en suchen. Es kann doch der Yertreter des Mtiller- gewerbes nieht urteilen fiber Angelegenheiten des 1Y[etzgergewerbes. Das kann doch nurder l~ietzger selbst. Wean tier aber das Gewerbe in derselben Weise betre~bt, wie der Beklagte, nnd vor Gericht nach Zulassigkeit gefragt wird, dann wird er alas Verfahren immer zu ent- schuldigen suchen. ~bt er aber ein anderes Verfahren aus, das erlaubt ist, dann hat er viel- leicht ein geschaftliches Interesse daran, daf der Betreffende verurteilt wird. Also mit den Gutachten eines Gewerbetreibenden kann der Richter durchweg niches anfangen und braueh~ es auch nicht. Die Regierungserlasse gehen den Richter gar nichts an. Er kann auf Grund der Gese~ze vollstaudig fret nach seinem Ermessen urteilen. Dies zur Klarstellung.

Und dann ist gesagt worden, daft die Na~ur au h nicht immer Primaware erzeuge, und daf man daher yon Gewerbetreibenden auch nieht immer Primaware verlangen k5nne. Gewif nicht, das ktinnen sie nicht, das sollen sie auch niche. Sie sol]en auch Sekum~aware herste]len dtirfen, aber sie sollen es sagen, damit jeder Kfiufer weir, was ftir eine Ware er bekommt. So kommen wir zu geregelten Verhaltnissen. Auf diesem Standpunkt stehen aueh viele Hande]skammern, indem sie sich weal bewuf~ sind, daft dureh eine scharfe sachgemafie Nahrungsmittelkontrolle nicht nur das kaufende PuMikum, sondern auch alas rechtschaffene Gewerbe geschatzt wird.

Ich mfchte gleichzeitig nicht unterlassen, dem Herrn Geheimrat Dr. A b e l bier (iffent- Itch .zu danken {'tit" alas Interesse, das er fiir den Nahrungsmittelverkehr, fiir alas Fach wie den S~and der Nahrungsmittelchemiker an den Tag gelegt bat, em Fach, das ich seit nahezu 40 Jahren bearbeite und mir deshalb weal ein Ur~eil erlauben dart.. Alle Fachgenossen und besonders ich sind Herrn Gehcimrat A b e l hierftir auferorden~]ich dankbar.

Handelskammersyndikus Dr. W i e d e m a n n (Elberfeld) zu ether tatsachlichen Berich- tigung: Ich mfchte nur eins berichtigen. Der Herr Redner erklar~, daf diese Erlasse veto Jahre 1888 stammen. Das ist richtig, aber tier Jas~izminister bat den Erlaf 1903 und der Handels- und der Kultasminister und der Minister des Innern haben ihn 1904 wiederholt.

Dr. Kaup , Dozent an der Technischen Hochsehule (Charlottenburg): Meine Herren! Gestatten Sie mlr eine karze Bemerkung. In der Diskussion sind Bedenken erhoben worden hauptsachlich gegen Punkb 3, in dem verlangt wird die Konzessionspflicht ftir Molkereien und Milchhandler, sowie die behtirdiiche Anzeigepflicht far Milehproduktionssttitten. Ich wollte nur darauf hinweisen, daft vielfach mit der Entwickelung des Molkereiwesens im Deutsehen Reich - - wil ziihlen ja 5000 his 6000 grol~e Molkereien - - und mit dem Anwachsen der Milchver- kaufs-Genossensehaften, yon diesen bestimrnte hygienische Vorschriften far die Genossen herausgegeben werden und deren Einhaltung vielfach yon besonderen Organen kontrolliert wird. Ich habe vor wenigen Monaten Gelegenhei~ gehabt, alas Motkereiwesen Schleswigs und Danemarks zu studieren und mtlchte konsiatieren, daf de r hohe Stand dort nur durch eine

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~1. Band. I A b el, Uberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 475 15. April 1911.J

gleichzeitige Hebung der hygienischen Verhiiltnisse an den Produktionsst~itten erreieht wurde. Ieh m~chte deshalb meinen, dat~ yon einer Verpfiichtung zur behSrdlichen Anzeigepflicht Ab- stand genommen werden kiinnt.e fiir alle diejenigen FiilIe, in denen der betreffende Produzent Genoese einer Molkereigenossenschaft mit besonderen hygienischen Vorscbriften und Koi~troI1- organen !st. Mit der kusgestaltung des Genossenschaftswesens und einer vertieften Belehrung und Aufkl~ang tier Produzenten dureh die Genossenschaf~sleitungen werden daher gesetzliche )tafinahmen und Eingriffe !miner weniger in Betracht kommen.

Universitiitsprofessor Dr. H. R e i c h e n b a c h {Bonn) : Me!he Herren ! Die wenigen Be- merkungen, die ich maehen wollte, beziehen sich weniger auf die Ausftibrungen des Herrn Referenten ale auf die Bemerkungen einzelner ¥orredner beztiglich der Stellung der Nahrungs- mittelchemiker. Ich will gern zugeben, daft die Ministerialerlasse, die den Nahrungsmittel- chemikern n ur die Feststellung des ehemisehen Befundes zuschreiben wollen, heutzutage nicht mehr ganz zeitgemali sind, daft die blahrungsmittelehemiker gelernt haben, die Zusammen- setzung eines bTahrungsmittels zu beurteilen, insbesondere daraufhin, ob sie der gebrauch]iehen Zusammensetzung entsprechen, oder einen Verstoti gegen die handelsiiblichen (.iebriiucbe dar- stellen. Wenn aber soweit gegangen !st, den Nahrungsmittelchemikem auch die Beantwortung d e r Frage zuzusprechen, ob ein Nahrungsmittel gesundheitsschadlich !st, so glaube ieh, miissen wit doeh veto lirztlichen Standpunkt aus dagegen protestieren. Ich muff Ieider sagen, daft ich in dieser Beziehung dem Nahrungsmittetcbemiker wenig traue, und dieses Militrauen !st her- -vorgerufen dutch die S~ellung der blahrungsmittelchemiker zu der Frage der Untersuehung ,con Wasser. Die Nahrungsmittelehemiker haben heutzutage - - einige Ausnahmen gebe ich gem z u - noch nich~ gelernt, ein Trinkwasser riehtig zu beurteilen, und ich halte es deshalb zunachst fiir angebracht, ihnen auch in der anderen Frage, der Frage der Beurteilung der Gesund heitssebadiichkeit yon N a h r u n g s m i t t e 1 n, vorlaufig noch etwas Mil~trauen entgegen- zubringen. Jedenfalls mufi der Begriff der zweife]haften F~ille mSglichst welt und nicht m6glichst eng gefafi~ werden.

Schlufiwor~ des Referenten, Geheimen Medizinalrats Dr. A b e l (Berlin): Meine Herren! Ich glaube zun~ichst me!hen Dank aussprechen zu raiissen fiir die lebhafte Diskussion, die mein Referat hervorgerufen hat. Sie zeigt, dal~ der Gegenstand, den ich behandel~ habe, fatsiiehlich yon aktuellem Interesse !st.

Sie werden yon mir nicht erwarten, daft ich auf alle in der Diskussion vorgebrachten Einzelheiten eingehe. Ich m~chte nur einige wesentliche Punkte hervorheben und glaube im iibrigen, daft wir fiber viele Fragen, die hier erSl~er~ worden sind, scbnell zu einer Verst~n- digung kommen k(innten, leichter als es vielleich~ in der Diskussion mSglich erschienen !st. Zun~ichst daft ich daran erinnern, daft me!he Leitsatze als nicht zur Abstimmung bestimmt bezeichnet worden sind. Daraus ergibt sicb schon, daft ich nicht die Absicht gehabt habe, Ihnen Formulierungen vorzuschlagen, mit denen Sie sich alle ohne weiteres einverstanden erkl~iren kSnnten; denn sonst mfit~ten wir ja noch die einzelnen St~tze diskutieren. Ich habe den Wunsch gehabt, alles, was mir auf dem Herzen lag und mir reformbedtirftig schien, vor- zubringen. In me!nero Vortrage babe ich bereits mehrfach Geiegenheit genommen, zu er- wiihnen, daft die 'Vorsehliige noch im einze]nen gepriift werden mfissen darauf bin, ob sie in die Praxis umzusetzen sind ohne zu grotie Schwierigkeiten fiir die Beteiligten.

Einer me!her Vorschliige !st tier, daft man an der Grenze eine Untersuchung der einge- fiihrten Nahrungsmittel vornehmen miichte. Diese Untersuchung an der Grenze wird meines Erachtens nicht zu entbebren sein, soweit es sieh um Nahrungsmittel handett, die fiir den allgemeinen Verkehr im Wege des tIandels eingefiihrt werden; nicht aber babe ich im Auge gehabt, wie Herr Oberbfirgermeister Furl beffirch~ete, dal~ auch der Privatmann, der fiber die Grenze kommt und in seinem Koffer bTahrungsmittol mit sich ffihrt, beliistigt werden sell. Lediglich eine Kontrolle des Handelsverkehrs wollte ich anregen, und ich babe hervorgehoben, dati man auch da abstufen, je nach der Art tier Nahrangsmittel und nach der Htiufigkeit ihrer Verfalschung schiirfer oder weniger scharf revidieren, oder auch nut Stichproben machen sell. Die l=lerren werden mir be!st!tureen, daft es ein nieht normaler Zustand !st, wenn wir im Inlande eine seharfe Kontrolle haben, dagegen uns gefallen lassen mfissen, daft veto kusland Waren ohne jede Kontrolle hereingebracht werden.

Yon weiteren Fragen miichte ich die vom Herrn Landrat zur N i e d e n angeschnittene der Geheimentnahme yon Proben bertihren. Es hat sich in der Praxis herausgestellt, daft es sehr zweckm~fiig !st, neben der Entnahme dutch den Chemiker oder den Polizeibeamten, hier and da aach dutch Vertrauenspersonen aus dem Publikum eine Ware zur Probe entnehmen zu lassen. Z.B. hat man bei der Kontro]le des Verkaufs yon Milch und Hackfleisch ge- funden, dal~ die Zahl der Beanstaudungen sich wesentlich hob, wenn Leute die Eiekaufe ftir die Untersuchung aueftihrten, die ganz don Eindruck machten, als waren sie Publikum, und veto Handler nicht ale Beaufiragte der Polizei erkannt warden. Man wird yon Fall zu Fall entscheiden mtihsen, inwieweit man Proben geheim entnehmen soil Etwas Mil~liehes bat der

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[Zeit~chr. L Unt~rsuehung 476 Ab el, ~berwachung (!es Nahrungsmittslverkehrs. [d. ~ahr.- u. Genu~mit~oL

geheime Ankauf immer an sich; er bedeutet ein Spionagesystem, zu dem man slch nur ver- stehen wird, wenn die Notwendigkeit daffir absolut vorhanden ist.

Dann hat Hetw Landrat z u r Nie d e n wetter vorgesehlagen, dab die Nahrungsmittel- chemiker auch fiber die Frage tier Gesundheitssch/~dlichkeit sich ~ufiern sollen. Das kann nicht ihre Aufgabe sein und liegt aueh durchaus nieht im Wunsehe der Nahrungsmittelchemiker selbst. Wer begutachte~, ob ein Nahrungsmittel gesundheitssch~idlich ist oder nicht, der sell sein Gutachten auch vor Gericht unter Eid vertreten kgnnen, and das'kann er nur bet yeller Beherrsehung des Gegenstandes. Die strenge Trennung, die wir in der Yerwaltung gemacht haben zwischen tier T~tigkeit des Arztes und der T~tigkeit des Nahrangsmittelchemikers bei tier Nahrungsmittelkontrolle, hat sieh durchaus bew~thrt.

Die T~ttigkeit der Nahrungsmittelchsmiksr auf dem Gebiete tier Wasseruntersuchung betrifft sins Spezialfrage, die yon dem letzten Diskussionsredner hineingebracht worden ist. Die Trennung in der Zust~udigkeit yon Arz~ und Chemiker ergibt sich auch bet ihr ganz yon selbst, nachdem wit wissen, dab die chemisehe Untersuchung des Wassers nicht, allein genfigt, sondern eine Ortsuntersuchung n~tig ist, um tiber die hygienische Unbedenklichkeit sines Wassera ein Urteil zu f~llen.

Herr Professor P r a u s n i t z machte reich darauf aufmerksam, daft ieh bet der Zita~ion des 8sterreichischen NsSrungsmitielgese~zes einen Fehler begangen harts, iudem ich sagte, im 5sterreichischen Gesetz warden die minderwer~igen Nahrungsmittet mit den verfalsehten auf eine Stufe gestellt. Ieh muff ihm darin reeht geben~ dab das Wort ~minderwertige Nahrungs- mittel" im Ssterreichisehen Gesetz nicht vorkommt, aber auBer yon verfalschten und ver~ dorbenen Nahrungsmitteln ist dor~ die Rede yon ~unreifen" und solchen, die ,in ihrem Nahr- wert Einbu~e erlitten haben% Das is~ dasjenige, was ich kurz mit minderweriig bezeiehnet babe. Ieh glaube, daft ieh niche ganz unrech~ darin getan habe, insbesondere da das sehweize- risehe Gesetz, das dem 5sterreichisehen naehgebildet ist, an der entspreehenden Stelle yon ,ira Werte verringerten" Lebensmitteln spricht und damit wohl dasselbe wie das 8sterreichische Gesetz meint.

Es is~ mir auch yon seiten des Herrn Dr. G e r l a c h vorgehalten worden, dab man eine Begriffsbestimmung ffir minderwertige Nahrungsmittel fiberhaupt nicht schaffen kgnne. Ieh glaube, sie lieg~ so klar zutage wie irgend etwas. Wir wollen dureh die Nahrangsmittel- kontrolle erreichen, da5 der Konsument genau weiB, was er bekommt. Da ist es klar, dat~ wenn z. B. Kuhfleiseh feilgehatten wlrd, dies deutlich gesag~ werden muff, damit der K~ufer nicht glaubt, daft er Fteiseh yon Mastochsen erh~lt.

Nun muB ieh reich noch einer ]?rage zuwenden, die yon besonderer Wichtigkeit far die Handelskreise ist. Es ist yon Herrn Syndikus Dr. W i e d e m a nn auf Ministerialerlasse hin- gewiese~ worden, die ver]angen, dal~ in allen irgendwie zweifelhaften F~llen Sachverst~ndige aus Hande]s- oder Gewerbekreisen ffir die Beurteilung der Nahrungsmittel bet der Kontrolle zagezogen werden. Diese Ministerialerlasse halts ich ftir durchaus richtig and zutreffend. Ieh bin ganz tier Meiaung, daft in allen irgendwie zweifelhaften FMlen Sachverst~ndige aus Handel und Gewerbe zugezogen werden soIlen. Die Frage ist nur die, was is~ ein zweifelhafter Fall? Daft die Handelskreise geneigt sein weMen, wenn eine Beanstandung ihnen nicht in ihre alten Gewohnheiten hineinpal~t, stets zu sagen, alas ist ein mindestens zweifelhafter Fall, das ]iegt auf der Hand. Die Rechtslorechung hat fiber eine ganze Reihe yon F~llen, die friiher dem Handel zweifelhaf~ erschienen, jetzt aber schon Klarhei~ gesehaffeu. U~d wean wir erst eta- real Bestimmungen des Bundesrats tiber die Begriffe der normalen Handelsware baben, wird, wie ieh glaube, nur in ganz seltenen F~llen fiberhaupt noch ein Zweifel obwalten k~nnen und die Zuziehu~g yon Handelssachverstandigen notwendig sein. Selbstverst~ndlich hat es mir ganz fern ge]egen, allgemein die Integtit~t der Handelssachverst~indigen irgendwie in Zweifel zu ziehen; Herr Oberbargermeister F uB hat bereits die Gate gehabt, das festzus~ellen. Aber ieh k~nnte Ihnen Falls anffihren, in denen als HandelssaehverstKndige Leute vernommen worden sind~ die in derselben Sachs bereits selbst sine Verurteilung erfahren batten; ich meine natilrlich nicht Milchh~tndter, die verurteilt worden sind, well sie ~/~o Proz. Fett in der I~ileh weniger batten, als die Potizeiverordnung vertang~e, sondern Fersenen, die tats~chtich F~ilschungen begangen habeu und doch als Saehverst~ndige vernommen worden sin& lch bin iiberzeug~, daft es durchans den Ansehauungen des reellen Handels and Gewerbes entspricht, wenn darauf hingewiesen wird, dab es nicht zweekmaBig ist, derartige Elements als Saehver- sgandige zuzuziehen, sondern nur die besten Kr~fte, yon denen man erwarten kann, dab sie nieht nur aus tier Kaufmannsseele heraus, sondern unter Rtieksicht auf die In~eressen des Konsumenten ihr Gutaehten abgeben. Wollen Sis sieh nur immer auf den Standpunkt stellen, dab der Konsument verlangen kann, zu wissen, was ibm gebo~en wird, dab er unterrichtet sein muB ~iber alas, was der Handel under einer Ware bestimmter Bezeiehnung verstanden haben will. Wenn das der Ieitende Gesiehgspankt is~, so glaube ich, wird eine Verstandigung sehr leieht zu erzielen sein.