DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus...

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DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN HIPPOKRATISCHEN SCHRIFTEN DE ULCERIBUS UND DE VULNERIBUS IN CAPITE – FRAGMENTSAMMLUNG UND ERLÄUTERUNGEN* Galen von Pergamon begann im Anschluß an die erste Hälfte (Bücher 1–6) seines therapeutischen Hauptwerks, der Methodus medendi (MM), Lemmakommentare 1 zu einzelnen Traktaten des Corpus Hippocraticum zu verfassen. Die ersten vier dieser Kom- mentare schrieb er zu den chirurgischen Schriften De fracturis (Fract.), De articulis (Artic.), De ulceribus (Ulc.) und De vulneribus in capite (VC). Zeitlich wird die erste Hälfte der MM für gewöhn- lich auf die Mitte der 170er-Jahre datiert; die genannten vier Lem- makommentare werden dementsprechend auf ungefähr 175 n. Chr. angesetzt. 2 Der Fract.-Kommentar gilt als erster von Galen verfaßter Lemmakommentar überhaupt. Er besteht aus drei Büchern, ist al- lerdings nicht komplett erhalten: Die auf uns gekommene Version endet nach einem Lemma aus Fract. 37, so daß Erläuterungen zu den 11 folgenden Kapiteln fehlen. Allerdings haben sich 12 Frag- mente dieses verlorenen Schlußabschnitts in der Kompilation des Oreibasios erhalten und wurden von Roselli gesammelt. 3 Galens *) Für eine kritische Lektüre des Manuskripts und wertvolle Anregungen dan- ke ich Frau Prof. Dr. U.Weisser, Hamburg, Herrn Prof. Dr. K.-D.Fischer, Princeton / Mainz, sowie den beiden anonymen Gutachtern. 1) In Lemmakommentaren, der in der Antike üblichsten Form von Kommen- taren, wird fortlaufend eine kurze Textpassage (Lemma) der zu kommentierenden Schrift zitiert, jeweils gefolgt von den zugehörigen Erläuterungen des Kommentators. 2) Für eine ausführliche Erläuterung dieser Datierungen (mit Belegen) cf. M. Witt, Galens zweifache Kommentierung zu chirurgischen Schriften des Corpus Hippocraticum. Methodus medendi, Bücher 3–6 und chirurgische Hippokrates- Kommentare, Les Études Classiques 80 (2012) 73–126, Kapitel III („Erläuterungen zur hippokratischen Chirurgie in Galens Lemmakommentaren“). 3) A. Roselli, Il commento di Galeno a Sulle Fratture, Specimina per la nuova edizione, in: D. Manetti (Hrsg.), Studi su Galeno, Firenze 2000, 93–117 (hier: 111–117). RhM 157 (2014) 37–74

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Page 1: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTAREZU DEN HIPPOKRATISCHEN SCHRIFTEN

DE ULCERIBUS UND DE VULNERIBUS IN CAPITE ndash FRAGMENTSAMMLUNG UND

ERLAumlUTERUNGEN

Galen von Pergamon begann im Anschluszlig an die erste Haumllfte(Buumlcher 1ndash6) seines therapeutischen Hauptwerks der Methodusmedendi (MM) Lemmakommentare1 zu einzelnen Traktaten desCorpus Hippocraticum zu verfassen Die ersten vier dieser Kom-mentare schrieb er zu den chirurgischen Schriften De fracturis(Fract) De articulis (Artic) De ulceribus (Ulc) und De vulneribusin capite (VC) Zeitlich wird die erste Haumllfte der MM fuumlr gewoumlhn-lich auf die Mitte der 170er-Jahre datiert die genannten vier Lem-makommentare werden dementsprechend auf ungefaumlhr 175 n Chrangesetzt2

Der Fract-Kommentar gilt als erster von Galen verfaszligterLemmakommentar uumlberhaupt Er besteht aus drei Buumlchern ist al-lerdings nicht komplett erhalten Die auf uns gekommene Versionendet nach einem Lemma aus Fract 37 so daszlig Erlaumluterungen zuden 11 folgenden Kapiteln fehlen Allerdings haben sich 12 Frag-mente dieses verlorenen Schluszligabschnitts in der Kompilation desOreibasios erhalten und wurden von Roselli gesammelt3 Galens

) Fuumlr eine kritische Lektuumlre des Manuskripts und wertvolle Anregungen dan-ke ich Frau Prof Dr U Weisser Hamburg Herrn Prof Dr K-D Fischer Princeton Mainz sowie den beiden anonymen Gutachtern

1) In Lemmakommentaren der in der Antike uumlblichsten Form von Kommen-taren wird fortlaufend eine kurze Textpassage (Lemma) der zu kommentierendenSchrift zitiert jeweils gefolgt von den zugehoumlrigen Erlaumluterungen des Kommentators

2) Fuumlr eine ausfuumlhrliche Erlaumluterung dieser Datierungen (mit Belegen) cfM Witt Galens zweifache Kommentierung zu chirurgischen Schriften des CorpusHippocraticum Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 und chirurgische Hippokrates-Kommentare Les Eacutetudes Classiques 80 (2012) 73ndash126 Kapitel III (bdquoErlaumluterungenzur hippokratischen Chirurgie in Galens Lemmakommentarenldquo)

3) A Roselli Il commento di Galeno a Sulle Fratture Specimina per la nuova edizione in D Manetti (Hrsg) Studi su Galeno Firenze 2000 93ndash117 (hier111ndash117)

RhM 157 (2014) 37ndash74

zweiter Lemmakommentar ist der zu Artic Er gliedert sich in vierBuumlcher und ist vollstaumlndig uumlberliefert Nicht auf uns gekommensind dagegen die beiden Kommentare zu Ulc und zu VC Beideumfaszligten jeweils nur ein Buch (cf Gal Libr propr 6 XIX 364 K)und sind in der chronologischen Reihenfolge der galenischenKommentare wohl an dritter bzw vierter Stelle einzuordnen4

Diese beiden Kommentare sind indes n ich t gaumlnz l i ch ver-loren da sich ndash aumlhnlich wie beim nicht uumlberlieferten letzten Teil desFract-Kommentars ndash auch vom Ulc- und vom VC-KommentarFragmente bei Oreibasios und in den Oreibasios-Scholien erhaltenhaben Diese Bruchstuumlcke wurden bislang allerdings weder gesam-melt noch ausgewertet5 was Aufgabe der vorliegenden Untersu-chung sein soll

38 Math ia s Wi t t

4) Zu den Charakteristika der chirurgischen Lemmakommentare und derenUumlberlieferungssituation cf Witt (wie Anm 2) Kap III zur Chronologie Kap IIIunter 2

5) Teilweise sind die Fragmente in Anastassiou Irmer Bd I enthalten(A Anastassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Goumlt-tingen 2006) Eine regelrechte Fragmentsammlung wird hierdurch jedoch aus fol-genden Gruumlnden nicht entbehrlich (1) In die Testimonien zum Corpus Hippocra -ticum wurden die Kommentarfragmente naturgemaumlszlig nur insoweit aufgenommenwie sie als Testimonien der hippokratischen Schriften Ulc und VC fuumlr relevant er-achtet wurden Anastassiou Irmer geben somit nicht alle Fragmente wieder unddie abgedruckten sind teilweise abgekuumlrzt (2) Die Anordnung und Praumlsentation derFragmente in einer Testimoniensammlung unterscheidet sich grundsaumltzlich von derin einer Fragmentsammlung (a) So isolieren Anastassiou Irmer keine einzelnenFragmente aus Oreibasios sondern geben dessen Text gemaumlszlig Raeders Edition wie-der (zusammen mit den zugehoumlrigen Scholien die Autorenlemmata enthalten siehe unten) Mehrere Fragmente unterschiedlicher Herkunft erscheinen daher wiebei Oreibasios zu einem einheitlichen Text verschmolzen (b) Anastassiou Irmerlisten die Kommentarfragmente nicht in der Reihenfolge wie sie in Galens verlore-nen Kommentaren erschienen So gibt es Faumllle in denen Galen beim Kommentie-ren einer Hippokrates-Stelle eine zweite zitiert hier ordnen Anastassiou Irmer dasTestimonium als Testimonium der zweiten Textpassage ein nicht jener ersten deres in Galens verlorenem Lemmakommentar zugeordnet war Denn Anastassiou Irmer sind naturgemaumlszlig am Testimoniencharakter der Oreibasios-Stellen qua Hip-pokra te s -Testimonium interessiert nicht an der Rekonstruktion von Galens ver-lorenen Kommentaren (3) Schlieszliglich bietet eine Fragmentsammlung Gelegenheitkleinere Versehen bei Anastassiou Irmer (siehe am Ende dieser Anmerkung) zuberichtigen

Insgesamt findet sich bei Anastassiou Irmer der Oreibasios-Text in dem fol-gende Fragmente von Galens verlorenen Kommentaren enthalten sind (in genau derReihenfolge wie nachstehend angegeben der Deutlichkeit halber wende ich schon

1 Die Fragmente bei Oreibasios

Als erster machte Karl Deichgraumlber in seiner Rezension vonRaeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) aufdie Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam6die im Testimonienapparat von Raeders Ausgabe wiedergegebenwerden Diese Scholien entstammen den Codices Vat Gr 1885 undLaurentianus Plut 747 und sind zumeist von zweiter Hand hin-zugefuumlgt (im folgenden daher als Schol Vat Gr 18852 usw be-zeichnet cf Raeder VIII) Die Scholien koumlnnen in zwei Gruppeneingeteilt werden Die erste Gruppe bietet Worterklaumlrungen reinlexikalischer Art Da hierfuumlr lediglich aus dem Grammatiker Hel-ladios (4 Jh n Chr) geschoumlpft wurde (Deichgraumlber 605) sind dieseScholien nicht weiter bemerkenswert Die zweite weitaus bedeu-tendere Scholien-Gruppe enthaumllt dagegen sogenannte sbquoAutoren-lemmatalsquo d h Angaben zu den von Oreibasios exzerpierten Autoren und Schriften7 Im folgenden wird diese letzte Gruppe alssbquoAutorenlemma-Scholienlsquo bezeichnet ihr Verfasser als der sbquoAuto-renlemma-Scholiastlsquo

In der uns heute uumlberlieferten Textgestalt von OreibasiosrsquoKompendium werden in den Kapiteluumlberschriften bekannterweisebestenfalls die Autoren erwaumlhnt aus denen der jeweils folgendeText exzerpiert wurde oft fehlt jedoch selbst eine solche Verfasser-angabe Der Scholiast der Autorenlemma-Scholien zu Oreibasios

39Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

hier meine Numerierung der Kommentarfragmente auf Anastassiou Irmer an) InUlc Frg 3b (gekuumlrzt) Frg 4a In VC Frg 11 In Ulc Frg 4b (alle 449 f) In VCFrg 1b (gekuumlrzt) Frg 3 Frg 4 Frg 1a (gekuumlrzt) Frg 6 (gekuumlrzt) Frg 8 (gekuumlrzt)Frg 9 (gekuumlrzt) Frg 14 (alle 453 f) In ihren Anmerkungen kennzeichnen Anas -tassiou Irmer allein die folgenden der von ihnen zitierten Passagen als Fragmenteder zwei verlorenen Galen-Kommentare In Ulc Frg 4a 4b In VC Frg 1b 3 6 und9 (cf 449 Anm 3 454 Anm 1 und 2 456 Anm 1) Anastassiou Irmer drucken auf453 Raeders falsche Emendation ποκπημα (statt πήχημα siehe unten Anm 45)ab ohne daszlig sie die korrekte Lesart der Handschriften in ihrem Apparatus criticuszu dieser Textstelle erwaumlhnen Auf Seite 450 ist im Apparat die Zeilenangabe derScholien mit Autorenlemmata fehlerhaft

6) K Deichgraumlber Rez von J Raeder Oribasii Collectionum MedicarumReliquiae Leipzig 1929 (CMG VI 12 21) Gnomon 9 1933 600ndash607

7) Cf Deichgraumlber (wie Anm 6) 605 f A Roselli Note sulla tradizione deicommenti di Galeno ai trattati chirurgici di Ippocrate lrsquoapporto degli scoli ad Ori-basio in A Garzya J Jouanna (Hrsg) Storia e ecdotica dei testi medici greci Na-poli 1996 375ndash388 (378 Anm 11) und H O Schroumlder Art Oreibasios RE SupplVII (1940) 797ndash812 (805 f)

zeichnet sich dagegen durch ein bdquoausgesprochen philologische[s]Interesseldquo (Deichgraumlber 605) aus Er benennt selbst die Wer kt i t e lder von Oreibasios exzerpierten Schriften und gibt nicht selten zu-saumltzlich noch genaue Kapitel- und Zeilenangaben Dabei hatte derScholiast noch Zugang zu Werken die mittlerweile verloren sindNaturgemaumlszlig sind gerade solche Autorenlemma-Scholien die Aus-kunft uumlber verlorene Traktate geben fuumlr den modernen Philologenbesonders wertvoll Deichgraumlber betont daszlig der Autorenlemma-Scholiast bei seinen Stellenangaben mit bdquobewunderungswuumlrdigerAkribieldquo zu Werke ging Um diese Beobachtung zu veranschauli-chen verweist Deichgraumlber exemplarisch auf Passagen aus GalensKommentar zum sechsten Buch der hippokratischen Epidemieneinen Kommentar der im griechischen Original z T verloren aberin arabischer Uumlbersetzung erhalten ist Die Passagen bei Oreiba-sios die den Autorenlemma-Scholien zufolge diesem Epidemien-Kommentar entstammen sollen (z B CMG VI 21 11717ndash23)kehren in der Tat wortgetreu in der arabischen Uumlbersetzung wiederund zwar genau an den S te l l en die die Autorenlemma-Scho-lien zu Oreibasios angeben Wie exakt diese Scholien sind kannuumlberdies leicht von jedermann verifiziert werden der Raeders Edi-tion zur Hand nimmt In seinem Testimonien-Apparat gibt Raedernaumlmlich zusaumltzlich zu den Autorenlemma-Scholien Seiten- undZeilenangaben der in den Scholien erwaumlhnten Passagen nach Maszlig-gabe der modernen Editionen an (Kuumlhn CMG etc) Bei einemVergleich beider Stellenangaben (die der Autorenlemmata und dievon Raeder) wird klar daszlig es keinen einzigen Fall gibt wo die Autorenlemmata des Cod Vat Gr 1885 und Laurentianus Plut747 irrige Stellenangaben liefern und somit von Raeders Verifika-tionen abweichen wuumlrden8

In weniger guumlnstigen Faumlllen sind die Autorenlemma-Scholienallenfalls unvollstaumlndig (d h sie enthalten keine Kapitelangabe) ndash

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8) Man beachte daszlig Ullmann der auf unzutreffende Angaben von sbquoAuto-renlemmatalsquo bei Oreibasios hinweist sich n ich t auf die Scholien des Cod Vat Gr1885 und Laurentianus Plut 747 bezieht Die sbquoAutorenlemmatalsquo mit denen sichUllmann befaszligt sind die Autorenangaben in den Kap i t e luumlber schr i f t en derlibri incerti des Oreibasios (M Ullmann Die Schrift des Rufus sbquoDe infantium cura-tionelsquo und das Problem der Autorenlemmata in den sbquoCollectiones medicaelsquo desOreibasios Medizinhistorisches Journal 10 [1975] 165ndash90 [185 ff]) Fehler in denKapiteluumlberschriften bei Oreibasios haben evident nichts mit den Autorenlemmatader Scho l i en zu tun

oder fehlen ganz Sofern sie aber vorhanden sind kann man von ihrer Korrektheit ausgehen Falls sich in Raeders Testimonienap-parat fuumlr den Oreibasios-Text entweder keine Angaben zu Auto-renlemma-Scholien oder keine Stellenangaben nach modernenTextausgaben finden dann bedeutet solch eine sbquoLuumlckelsquo im Apparatzwangslaumlufig daszlig Oreibasiosrsquo Text in diesem Fall ein Exzerpt auseiner heute verlorenen Schrift ist Nur wenn Textpassagen ohne zu-gehoumlrige Belegstelle im Testimonienapparat sehr kurz sind ist manversucht anzunehmen daszlig es sich hierbei um sbquoFuumlllstellenlsquo handeltalso Passagen die Oreibasios selbst hinzugefuumlgt hat Dies mag ins-besondere dann der Fall sein wenn die fragliche Stelle keinen selb-staumlndigen Inhalt hat sondern ihr lediglich uumlberleitende Funktionzukommt

Bei seiner Diskussion der Autorenlemma-Scholien kommtDeichgraumlber (606) auf vier bdquoHinweise aufldquo Περ λκν und achtbdquoHinweise aufldquo Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων zu sprechen diesich in der Gruppe dieser Scholien finden Diese Bezugnahmen inden Scholien erlauben die Schluszligfolgerung daszlig Oreibasios in denzugehoumlrigen Passagen des Haupttexts aus Galens verlorenen Kom-mentaren zu den Hippokrates-Schriften Ulc und VC exzerpierteIn den von Deichgraumlber erwaumlhnten Scholien mit bdquoHinweisen aufldquoΠερ λκν und Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων finden sich Lem-ma-Angaben folgender Art

φησ γρ Γαληνς ν τ Περ τν ν κεφαλ τρωμάτωνmiddot (bdquoDenn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopfldquo Schol Vat Gr18852 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28)

λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) το Περ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίνmiddot (bdquoAber auch Galen sagt im Kommentar Uumlberdie Zeichen der Verletzungen am Kopfldquo Schol Laur Plut 7472 CMGVI 21 216 Apparat zu Z 28 cf auch Hanson9 38 mit Anm 1)

π το πποκράτους το Περ λκν +ητο (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelleldquo)

π το Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο (bdquoAus dem BuchUumlber Verletzungen am Kopf von der Textstelleldquo)

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9) M Hanson Hippocratis De capitis vulneribus Berlin 1999 (CMG I 41)[Ausg engl Uumlbers Komm]

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

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10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

43Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

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11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 2: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

zweiter Lemmakommentar ist der zu Artic Er gliedert sich in vierBuumlcher und ist vollstaumlndig uumlberliefert Nicht auf uns gekommensind dagegen die beiden Kommentare zu Ulc und zu VC Beideumfaszligten jeweils nur ein Buch (cf Gal Libr propr 6 XIX 364 K)und sind in der chronologischen Reihenfolge der galenischenKommentare wohl an dritter bzw vierter Stelle einzuordnen4

Diese beiden Kommentare sind indes n ich t gaumlnz l i ch ver-loren da sich ndash aumlhnlich wie beim nicht uumlberlieferten letzten Teil desFract-Kommentars ndash auch vom Ulc- und vom VC-KommentarFragmente bei Oreibasios und in den Oreibasios-Scholien erhaltenhaben Diese Bruchstuumlcke wurden bislang allerdings weder gesam-melt noch ausgewertet5 was Aufgabe der vorliegenden Untersu-chung sein soll

38 Math ia s Wi t t

4) Zu den Charakteristika der chirurgischen Lemmakommentare und derenUumlberlieferungssituation cf Witt (wie Anm 2) Kap III zur Chronologie Kap IIIunter 2

5) Teilweise sind die Fragmente in Anastassiou Irmer Bd I enthalten(A Anastassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Goumlt-tingen 2006) Eine regelrechte Fragmentsammlung wird hierdurch jedoch aus fol-genden Gruumlnden nicht entbehrlich (1) In die Testimonien zum Corpus Hippocra -ticum wurden die Kommentarfragmente naturgemaumlszlig nur insoweit aufgenommenwie sie als Testimonien der hippokratischen Schriften Ulc und VC fuumlr relevant er-achtet wurden Anastassiou Irmer geben somit nicht alle Fragmente wieder unddie abgedruckten sind teilweise abgekuumlrzt (2) Die Anordnung und Praumlsentation derFragmente in einer Testimoniensammlung unterscheidet sich grundsaumltzlich von derin einer Fragmentsammlung (a) So isolieren Anastassiou Irmer keine einzelnenFragmente aus Oreibasios sondern geben dessen Text gemaumlszlig Raeders Edition wie-der (zusammen mit den zugehoumlrigen Scholien die Autorenlemmata enthalten siehe unten) Mehrere Fragmente unterschiedlicher Herkunft erscheinen daher wiebei Oreibasios zu einem einheitlichen Text verschmolzen (b) Anastassiou Irmerlisten die Kommentarfragmente nicht in der Reihenfolge wie sie in Galens verlore-nen Kommentaren erschienen So gibt es Faumllle in denen Galen beim Kommentie-ren einer Hippokrates-Stelle eine zweite zitiert hier ordnen Anastassiou Irmer dasTestimonium als Testimonium der zweiten Textpassage ein nicht jener ersten deres in Galens verlorenem Lemmakommentar zugeordnet war Denn Anastassiou Irmer sind naturgemaumlszlig am Testimoniencharakter der Oreibasios-Stellen qua Hip-pokra te s -Testimonium interessiert nicht an der Rekonstruktion von Galens ver-lorenen Kommentaren (3) Schlieszliglich bietet eine Fragmentsammlung Gelegenheitkleinere Versehen bei Anastassiou Irmer (siehe am Ende dieser Anmerkung) zuberichtigen

Insgesamt findet sich bei Anastassiou Irmer der Oreibasios-Text in dem fol-gende Fragmente von Galens verlorenen Kommentaren enthalten sind (in genau derReihenfolge wie nachstehend angegeben der Deutlichkeit halber wende ich schon

1 Die Fragmente bei Oreibasios

Als erster machte Karl Deichgraumlber in seiner Rezension vonRaeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) aufdie Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam6die im Testimonienapparat von Raeders Ausgabe wiedergegebenwerden Diese Scholien entstammen den Codices Vat Gr 1885 undLaurentianus Plut 747 und sind zumeist von zweiter Hand hin-zugefuumlgt (im folgenden daher als Schol Vat Gr 18852 usw be-zeichnet cf Raeder VIII) Die Scholien koumlnnen in zwei Gruppeneingeteilt werden Die erste Gruppe bietet Worterklaumlrungen reinlexikalischer Art Da hierfuumlr lediglich aus dem Grammatiker Hel-ladios (4 Jh n Chr) geschoumlpft wurde (Deichgraumlber 605) sind dieseScholien nicht weiter bemerkenswert Die zweite weitaus bedeu-tendere Scholien-Gruppe enthaumllt dagegen sogenannte sbquoAutoren-lemmatalsquo d h Angaben zu den von Oreibasios exzerpierten Autoren und Schriften7 Im folgenden wird diese letzte Gruppe alssbquoAutorenlemma-Scholienlsquo bezeichnet ihr Verfasser als der sbquoAuto-renlemma-Scholiastlsquo

In der uns heute uumlberlieferten Textgestalt von OreibasiosrsquoKompendium werden in den Kapiteluumlberschriften bekannterweisebestenfalls die Autoren erwaumlhnt aus denen der jeweils folgendeText exzerpiert wurde oft fehlt jedoch selbst eine solche Verfasser-angabe Der Scholiast der Autorenlemma-Scholien zu Oreibasios

39Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

hier meine Numerierung der Kommentarfragmente auf Anastassiou Irmer an) InUlc Frg 3b (gekuumlrzt) Frg 4a In VC Frg 11 In Ulc Frg 4b (alle 449 f) In VCFrg 1b (gekuumlrzt) Frg 3 Frg 4 Frg 1a (gekuumlrzt) Frg 6 (gekuumlrzt) Frg 8 (gekuumlrzt)Frg 9 (gekuumlrzt) Frg 14 (alle 453 f) In ihren Anmerkungen kennzeichnen Anas -tassiou Irmer allein die folgenden der von ihnen zitierten Passagen als Fragmenteder zwei verlorenen Galen-Kommentare In Ulc Frg 4a 4b In VC Frg 1b 3 6 und9 (cf 449 Anm 3 454 Anm 1 und 2 456 Anm 1) Anastassiou Irmer drucken auf453 Raeders falsche Emendation ποκπημα (statt πήχημα siehe unten Anm 45)ab ohne daszlig sie die korrekte Lesart der Handschriften in ihrem Apparatus criticuszu dieser Textstelle erwaumlhnen Auf Seite 450 ist im Apparat die Zeilenangabe derScholien mit Autorenlemmata fehlerhaft

6) K Deichgraumlber Rez von J Raeder Oribasii Collectionum MedicarumReliquiae Leipzig 1929 (CMG VI 12 21) Gnomon 9 1933 600ndash607

7) Cf Deichgraumlber (wie Anm 6) 605 f A Roselli Note sulla tradizione deicommenti di Galeno ai trattati chirurgici di Ippocrate lrsquoapporto degli scoli ad Ori-basio in A Garzya J Jouanna (Hrsg) Storia e ecdotica dei testi medici greci Na-poli 1996 375ndash388 (378 Anm 11) und H O Schroumlder Art Oreibasios RE SupplVII (1940) 797ndash812 (805 f)

zeichnet sich dagegen durch ein bdquoausgesprochen philologische[s]Interesseldquo (Deichgraumlber 605) aus Er benennt selbst die Wer kt i t e lder von Oreibasios exzerpierten Schriften und gibt nicht selten zu-saumltzlich noch genaue Kapitel- und Zeilenangaben Dabei hatte derScholiast noch Zugang zu Werken die mittlerweile verloren sindNaturgemaumlszlig sind gerade solche Autorenlemma-Scholien die Aus-kunft uumlber verlorene Traktate geben fuumlr den modernen Philologenbesonders wertvoll Deichgraumlber betont daszlig der Autorenlemma-Scholiast bei seinen Stellenangaben mit bdquobewunderungswuumlrdigerAkribieldquo zu Werke ging Um diese Beobachtung zu veranschauli-chen verweist Deichgraumlber exemplarisch auf Passagen aus GalensKommentar zum sechsten Buch der hippokratischen Epidemieneinen Kommentar der im griechischen Original z T verloren aberin arabischer Uumlbersetzung erhalten ist Die Passagen bei Oreiba-sios die den Autorenlemma-Scholien zufolge diesem Epidemien-Kommentar entstammen sollen (z B CMG VI 21 11717ndash23)kehren in der Tat wortgetreu in der arabischen Uumlbersetzung wiederund zwar genau an den S te l l en die die Autorenlemma-Scho-lien zu Oreibasios angeben Wie exakt diese Scholien sind kannuumlberdies leicht von jedermann verifiziert werden der Raeders Edi-tion zur Hand nimmt In seinem Testimonien-Apparat gibt Raedernaumlmlich zusaumltzlich zu den Autorenlemma-Scholien Seiten- undZeilenangaben der in den Scholien erwaumlhnten Passagen nach Maszlig-gabe der modernen Editionen an (Kuumlhn CMG etc) Bei einemVergleich beider Stellenangaben (die der Autorenlemmata und dievon Raeder) wird klar daszlig es keinen einzigen Fall gibt wo die Autorenlemmata des Cod Vat Gr 1885 und Laurentianus Plut747 irrige Stellenangaben liefern und somit von Raeders Verifika-tionen abweichen wuumlrden8

In weniger guumlnstigen Faumlllen sind die Autorenlemma-Scholienallenfalls unvollstaumlndig (d h sie enthalten keine Kapitelangabe) ndash

40 Math ia s Wi t t

8) Man beachte daszlig Ullmann der auf unzutreffende Angaben von sbquoAuto-renlemmatalsquo bei Oreibasios hinweist sich n ich t auf die Scholien des Cod Vat Gr1885 und Laurentianus Plut 747 bezieht Die sbquoAutorenlemmatalsquo mit denen sichUllmann befaszligt sind die Autorenangaben in den Kap i t e luumlber schr i f t en derlibri incerti des Oreibasios (M Ullmann Die Schrift des Rufus sbquoDe infantium cura-tionelsquo und das Problem der Autorenlemmata in den sbquoCollectiones medicaelsquo desOreibasios Medizinhistorisches Journal 10 [1975] 165ndash90 [185 ff]) Fehler in denKapiteluumlberschriften bei Oreibasios haben evident nichts mit den Autorenlemmatader Scho l i en zu tun

oder fehlen ganz Sofern sie aber vorhanden sind kann man von ihrer Korrektheit ausgehen Falls sich in Raeders Testimonienap-parat fuumlr den Oreibasios-Text entweder keine Angaben zu Auto-renlemma-Scholien oder keine Stellenangaben nach modernenTextausgaben finden dann bedeutet solch eine sbquoLuumlckelsquo im Apparatzwangslaumlufig daszlig Oreibasiosrsquo Text in diesem Fall ein Exzerpt auseiner heute verlorenen Schrift ist Nur wenn Textpassagen ohne zu-gehoumlrige Belegstelle im Testimonienapparat sehr kurz sind ist manversucht anzunehmen daszlig es sich hierbei um sbquoFuumlllstellenlsquo handeltalso Passagen die Oreibasios selbst hinzugefuumlgt hat Dies mag ins-besondere dann der Fall sein wenn die fragliche Stelle keinen selb-staumlndigen Inhalt hat sondern ihr lediglich uumlberleitende Funktionzukommt

Bei seiner Diskussion der Autorenlemma-Scholien kommtDeichgraumlber (606) auf vier bdquoHinweise aufldquo Περ λκν und achtbdquoHinweise aufldquo Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων zu sprechen diesich in der Gruppe dieser Scholien finden Diese Bezugnahmen inden Scholien erlauben die Schluszligfolgerung daszlig Oreibasios in denzugehoumlrigen Passagen des Haupttexts aus Galens verlorenen Kom-mentaren zu den Hippokrates-Schriften Ulc und VC exzerpierteIn den von Deichgraumlber erwaumlhnten Scholien mit bdquoHinweisen aufldquoΠερ λκν und Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων finden sich Lem-ma-Angaben folgender Art

φησ γρ Γαληνς ν τ Περ τν ν κεφαλ τρωμάτωνmiddot (bdquoDenn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopfldquo Schol Vat Gr18852 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28)

λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) το Περ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίνmiddot (bdquoAber auch Galen sagt im Kommentar Uumlberdie Zeichen der Verletzungen am Kopfldquo Schol Laur Plut 7472 CMGVI 21 216 Apparat zu Z 28 cf auch Hanson9 38 mit Anm 1)

π το πποκράτους το Περ λκν +ητο (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelleldquo)

π το Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο (bdquoAus dem BuchUumlber Verletzungen am Kopf von der Textstelleldquo)

41Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

9) M Hanson Hippocratis De capitis vulneribus Berlin 1999 (CMG I 41)[Ausg engl Uumlbers Komm]

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

42 Math ia s Wi t t

10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

43Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

44 Math ia s Wi t t

11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 3: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

1 Die Fragmente bei Oreibasios

Als erster machte Karl Deichgraumlber in seiner Rezension vonRaeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) aufdie Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam6die im Testimonienapparat von Raeders Ausgabe wiedergegebenwerden Diese Scholien entstammen den Codices Vat Gr 1885 undLaurentianus Plut 747 und sind zumeist von zweiter Hand hin-zugefuumlgt (im folgenden daher als Schol Vat Gr 18852 usw be-zeichnet cf Raeder VIII) Die Scholien koumlnnen in zwei Gruppeneingeteilt werden Die erste Gruppe bietet Worterklaumlrungen reinlexikalischer Art Da hierfuumlr lediglich aus dem Grammatiker Hel-ladios (4 Jh n Chr) geschoumlpft wurde (Deichgraumlber 605) sind dieseScholien nicht weiter bemerkenswert Die zweite weitaus bedeu-tendere Scholien-Gruppe enthaumllt dagegen sogenannte sbquoAutoren-lemmatalsquo d h Angaben zu den von Oreibasios exzerpierten Autoren und Schriften7 Im folgenden wird diese letzte Gruppe alssbquoAutorenlemma-Scholienlsquo bezeichnet ihr Verfasser als der sbquoAuto-renlemma-Scholiastlsquo

In der uns heute uumlberlieferten Textgestalt von OreibasiosrsquoKompendium werden in den Kapiteluumlberschriften bekannterweisebestenfalls die Autoren erwaumlhnt aus denen der jeweils folgendeText exzerpiert wurde oft fehlt jedoch selbst eine solche Verfasser-angabe Der Scholiast der Autorenlemma-Scholien zu Oreibasios

39Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

hier meine Numerierung der Kommentarfragmente auf Anastassiou Irmer an) InUlc Frg 3b (gekuumlrzt) Frg 4a In VC Frg 11 In Ulc Frg 4b (alle 449 f) In VCFrg 1b (gekuumlrzt) Frg 3 Frg 4 Frg 1a (gekuumlrzt) Frg 6 (gekuumlrzt) Frg 8 (gekuumlrzt)Frg 9 (gekuumlrzt) Frg 14 (alle 453 f) In ihren Anmerkungen kennzeichnen Anas -tassiou Irmer allein die folgenden der von ihnen zitierten Passagen als Fragmenteder zwei verlorenen Galen-Kommentare In Ulc Frg 4a 4b In VC Frg 1b 3 6 und9 (cf 449 Anm 3 454 Anm 1 und 2 456 Anm 1) Anastassiou Irmer drucken auf453 Raeders falsche Emendation ποκπημα (statt πήχημα siehe unten Anm 45)ab ohne daszlig sie die korrekte Lesart der Handschriften in ihrem Apparatus criticuszu dieser Textstelle erwaumlhnen Auf Seite 450 ist im Apparat die Zeilenangabe derScholien mit Autorenlemmata fehlerhaft

6) K Deichgraumlber Rez von J Raeder Oribasii Collectionum MedicarumReliquiae Leipzig 1929 (CMG VI 12 21) Gnomon 9 1933 600ndash607

7) Cf Deichgraumlber (wie Anm 6) 605 f A Roselli Note sulla tradizione deicommenti di Galeno ai trattati chirurgici di Ippocrate lrsquoapporto degli scoli ad Ori-basio in A Garzya J Jouanna (Hrsg) Storia e ecdotica dei testi medici greci Na-poli 1996 375ndash388 (378 Anm 11) und H O Schroumlder Art Oreibasios RE SupplVII (1940) 797ndash812 (805 f)

zeichnet sich dagegen durch ein bdquoausgesprochen philologische[s]Interesseldquo (Deichgraumlber 605) aus Er benennt selbst die Wer kt i t e lder von Oreibasios exzerpierten Schriften und gibt nicht selten zu-saumltzlich noch genaue Kapitel- und Zeilenangaben Dabei hatte derScholiast noch Zugang zu Werken die mittlerweile verloren sindNaturgemaumlszlig sind gerade solche Autorenlemma-Scholien die Aus-kunft uumlber verlorene Traktate geben fuumlr den modernen Philologenbesonders wertvoll Deichgraumlber betont daszlig der Autorenlemma-Scholiast bei seinen Stellenangaben mit bdquobewunderungswuumlrdigerAkribieldquo zu Werke ging Um diese Beobachtung zu veranschauli-chen verweist Deichgraumlber exemplarisch auf Passagen aus GalensKommentar zum sechsten Buch der hippokratischen Epidemieneinen Kommentar der im griechischen Original z T verloren aberin arabischer Uumlbersetzung erhalten ist Die Passagen bei Oreiba-sios die den Autorenlemma-Scholien zufolge diesem Epidemien-Kommentar entstammen sollen (z B CMG VI 21 11717ndash23)kehren in der Tat wortgetreu in der arabischen Uumlbersetzung wiederund zwar genau an den S te l l en die die Autorenlemma-Scho-lien zu Oreibasios angeben Wie exakt diese Scholien sind kannuumlberdies leicht von jedermann verifiziert werden der Raeders Edi-tion zur Hand nimmt In seinem Testimonien-Apparat gibt Raedernaumlmlich zusaumltzlich zu den Autorenlemma-Scholien Seiten- undZeilenangaben der in den Scholien erwaumlhnten Passagen nach Maszlig-gabe der modernen Editionen an (Kuumlhn CMG etc) Bei einemVergleich beider Stellenangaben (die der Autorenlemmata und dievon Raeder) wird klar daszlig es keinen einzigen Fall gibt wo die Autorenlemmata des Cod Vat Gr 1885 und Laurentianus Plut747 irrige Stellenangaben liefern und somit von Raeders Verifika-tionen abweichen wuumlrden8

In weniger guumlnstigen Faumlllen sind die Autorenlemma-Scholienallenfalls unvollstaumlndig (d h sie enthalten keine Kapitelangabe) ndash

40 Math ia s Wi t t

8) Man beachte daszlig Ullmann der auf unzutreffende Angaben von sbquoAuto-renlemmatalsquo bei Oreibasios hinweist sich n ich t auf die Scholien des Cod Vat Gr1885 und Laurentianus Plut 747 bezieht Die sbquoAutorenlemmatalsquo mit denen sichUllmann befaszligt sind die Autorenangaben in den Kap i t e luumlber schr i f t en derlibri incerti des Oreibasios (M Ullmann Die Schrift des Rufus sbquoDe infantium cura-tionelsquo und das Problem der Autorenlemmata in den sbquoCollectiones medicaelsquo desOreibasios Medizinhistorisches Journal 10 [1975] 165ndash90 [185 ff]) Fehler in denKapiteluumlberschriften bei Oreibasios haben evident nichts mit den Autorenlemmatader Scho l i en zu tun

oder fehlen ganz Sofern sie aber vorhanden sind kann man von ihrer Korrektheit ausgehen Falls sich in Raeders Testimonienap-parat fuumlr den Oreibasios-Text entweder keine Angaben zu Auto-renlemma-Scholien oder keine Stellenangaben nach modernenTextausgaben finden dann bedeutet solch eine sbquoLuumlckelsquo im Apparatzwangslaumlufig daszlig Oreibasiosrsquo Text in diesem Fall ein Exzerpt auseiner heute verlorenen Schrift ist Nur wenn Textpassagen ohne zu-gehoumlrige Belegstelle im Testimonienapparat sehr kurz sind ist manversucht anzunehmen daszlig es sich hierbei um sbquoFuumlllstellenlsquo handeltalso Passagen die Oreibasios selbst hinzugefuumlgt hat Dies mag ins-besondere dann der Fall sein wenn die fragliche Stelle keinen selb-staumlndigen Inhalt hat sondern ihr lediglich uumlberleitende Funktionzukommt

Bei seiner Diskussion der Autorenlemma-Scholien kommtDeichgraumlber (606) auf vier bdquoHinweise aufldquo Περ λκν und achtbdquoHinweise aufldquo Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων zu sprechen diesich in der Gruppe dieser Scholien finden Diese Bezugnahmen inden Scholien erlauben die Schluszligfolgerung daszlig Oreibasios in denzugehoumlrigen Passagen des Haupttexts aus Galens verlorenen Kom-mentaren zu den Hippokrates-Schriften Ulc und VC exzerpierteIn den von Deichgraumlber erwaumlhnten Scholien mit bdquoHinweisen aufldquoΠερ λκν und Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων finden sich Lem-ma-Angaben folgender Art

φησ γρ Γαληνς ν τ Περ τν ν κεφαλ τρωμάτωνmiddot (bdquoDenn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopfldquo Schol Vat Gr18852 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28)

λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) το Περ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίνmiddot (bdquoAber auch Galen sagt im Kommentar Uumlberdie Zeichen der Verletzungen am Kopfldquo Schol Laur Plut 7472 CMGVI 21 216 Apparat zu Z 28 cf auch Hanson9 38 mit Anm 1)

π το πποκράτους το Περ λκν +ητο (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelleldquo)

π το Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο (bdquoAus dem BuchUumlber Verletzungen am Kopf von der Textstelleldquo)

41Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

9) M Hanson Hippocratis De capitis vulneribus Berlin 1999 (CMG I 41)[Ausg engl Uumlbers Komm]

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

42 Math ia s Wi t t

10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

43Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

44 Math ia s Wi t t

11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

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48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

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51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 4: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

zeichnet sich dagegen durch ein bdquoausgesprochen philologische[s]Interesseldquo (Deichgraumlber 605) aus Er benennt selbst die Wer kt i t e lder von Oreibasios exzerpierten Schriften und gibt nicht selten zu-saumltzlich noch genaue Kapitel- und Zeilenangaben Dabei hatte derScholiast noch Zugang zu Werken die mittlerweile verloren sindNaturgemaumlszlig sind gerade solche Autorenlemma-Scholien die Aus-kunft uumlber verlorene Traktate geben fuumlr den modernen Philologenbesonders wertvoll Deichgraumlber betont daszlig der Autorenlemma-Scholiast bei seinen Stellenangaben mit bdquobewunderungswuumlrdigerAkribieldquo zu Werke ging Um diese Beobachtung zu veranschauli-chen verweist Deichgraumlber exemplarisch auf Passagen aus GalensKommentar zum sechsten Buch der hippokratischen Epidemieneinen Kommentar der im griechischen Original z T verloren aberin arabischer Uumlbersetzung erhalten ist Die Passagen bei Oreiba-sios die den Autorenlemma-Scholien zufolge diesem Epidemien-Kommentar entstammen sollen (z B CMG VI 21 11717ndash23)kehren in der Tat wortgetreu in der arabischen Uumlbersetzung wiederund zwar genau an den S te l l en die die Autorenlemma-Scho-lien zu Oreibasios angeben Wie exakt diese Scholien sind kannuumlberdies leicht von jedermann verifiziert werden der Raeders Edi-tion zur Hand nimmt In seinem Testimonien-Apparat gibt Raedernaumlmlich zusaumltzlich zu den Autorenlemma-Scholien Seiten- undZeilenangaben der in den Scholien erwaumlhnten Passagen nach Maszlig-gabe der modernen Editionen an (Kuumlhn CMG etc) Bei einemVergleich beider Stellenangaben (die der Autorenlemmata und dievon Raeder) wird klar daszlig es keinen einzigen Fall gibt wo die Autorenlemmata des Cod Vat Gr 1885 und Laurentianus Plut747 irrige Stellenangaben liefern und somit von Raeders Verifika-tionen abweichen wuumlrden8

In weniger guumlnstigen Faumlllen sind die Autorenlemma-Scholienallenfalls unvollstaumlndig (d h sie enthalten keine Kapitelangabe) ndash

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8) Man beachte daszlig Ullmann der auf unzutreffende Angaben von sbquoAuto-renlemmatalsquo bei Oreibasios hinweist sich n ich t auf die Scholien des Cod Vat Gr1885 und Laurentianus Plut 747 bezieht Die sbquoAutorenlemmatalsquo mit denen sichUllmann befaszligt sind die Autorenangaben in den Kap i t e luumlber schr i f t en derlibri incerti des Oreibasios (M Ullmann Die Schrift des Rufus sbquoDe infantium cura-tionelsquo und das Problem der Autorenlemmata in den sbquoCollectiones medicaelsquo desOreibasios Medizinhistorisches Journal 10 [1975] 165ndash90 [185 ff]) Fehler in denKapiteluumlberschriften bei Oreibasios haben evident nichts mit den Autorenlemmatader Scho l i en zu tun

oder fehlen ganz Sofern sie aber vorhanden sind kann man von ihrer Korrektheit ausgehen Falls sich in Raeders Testimonienap-parat fuumlr den Oreibasios-Text entweder keine Angaben zu Auto-renlemma-Scholien oder keine Stellenangaben nach modernenTextausgaben finden dann bedeutet solch eine sbquoLuumlckelsquo im Apparatzwangslaumlufig daszlig Oreibasiosrsquo Text in diesem Fall ein Exzerpt auseiner heute verlorenen Schrift ist Nur wenn Textpassagen ohne zu-gehoumlrige Belegstelle im Testimonienapparat sehr kurz sind ist manversucht anzunehmen daszlig es sich hierbei um sbquoFuumlllstellenlsquo handeltalso Passagen die Oreibasios selbst hinzugefuumlgt hat Dies mag ins-besondere dann der Fall sein wenn die fragliche Stelle keinen selb-staumlndigen Inhalt hat sondern ihr lediglich uumlberleitende Funktionzukommt

Bei seiner Diskussion der Autorenlemma-Scholien kommtDeichgraumlber (606) auf vier bdquoHinweise aufldquo Περ λκν und achtbdquoHinweise aufldquo Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων zu sprechen diesich in der Gruppe dieser Scholien finden Diese Bezugnahmen inden Scholien erlauben die Schluszligfolgerung daszlig Oreibasios in denzugehoumlrigen Passagen des Haupttexts aus Galens verlorenen Kom-mentaren zu den Hippokrates-Schriften Ulc und VC exzerpierteIn den von Deichgraumlber erwaumlhnten Scholien mit bdquoHinweisen aufldquoΠερ λκν und Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων finden sich Lem-ma-Angaben folgender Art

φησ γρ Γαληνς ν τ Περ τν ν κεφαλ τρωμάτωνmiddot (bdquoDenn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopfldquo Schol Vat Gr18852 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28)

λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) το Περ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίνmiddot (bdquoAber auch Galen sagt im Kommentar Uumlberdie Zeichen der Verletzungen am Kopfldquo Schol Laur Plut 7472 CMGVI 21 216 Apparat zu Z 28 cf auch Hanson9 38 mit Anm 1)

π το πποκράτους το Περ λκν +ητο (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelleldquo)

π το Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο (bdquoAus dem BuchUumlber Verletzungen am Kopf von der Textstelleldquo)

41Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

9) M Hanson Hippocratis De capitis vulneribus Berlin 1999 (CMG I 41)[Ausg engl Uumlbers Komm]

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

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10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

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ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

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11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

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13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

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den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

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15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 5: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

oder fehlen ganz Sofern sie aber vorhanden sind kann man von ihrer Korrektheit ausgehen Falls sich in Raeders Testimonienap-parat fuumlr den Oreibasios-Text entweder keine Angaben zu Auto-renlemma-Scholien oder keine Stellenangaben nach modernenTextausgaben finden dann bedeutet solch eine sbquoLuumlckelsquo im Apparatzwangslaumlufig daszlig Oreibasiosrsquo Text in diesem Fall ein Exzerpt auseiner heute verlorenen Schrift ist Nur wenn Textpassagen ohne zu-gehoumlrige Belegstelle im Testimonienapparat sehr kurz sind ist manversucht anzunehmen daszlig es sich hierbei um sbquoFuumlllstellenlsquo handeltalso Passagen die Oreibasios selbst hinzugefuumlgt hat Dies mag ins-besondere dann der Fall sein wenn die fragliche Stelle keinen selb-staumlndigen Inhalt hat sondern ihr lediglich uumlberleitende Funktionzukommt

Bei seiner Diskussion der Autorenlemma-Scholien kommtDeichgraumlber (606) auf vier bdquoHinweise aufldquo Περ λκν und achtbdquoHinweise aufldquo Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων zu sprechen diesich in der Gruppe dieser Scholien finden Diese Bezugnahmen inden Scholien erlauben die Schluszligfolgerung daszlig Oreibasios in denzugehoumlrigen Passagen des Haupttexts aus Galens verlorenen Kom-mentaren zu den Hippokrates-Schriften Ulc und VC exzerpierteIn den von Deichgraumlber erwaumlhnten Scholien mit bdquoHinweisen aufldquoΠερ λκν und Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων finden sich Lem-ma-Angaben folgender Art

φησ γρ Γαληνς ν τ Περ τν ν κεφαλ τρωμάτωνmiddot (bdquoDenn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopfldquo Schol Vat Gr18852 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28)

λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) το Περ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίνmiddot (bdquoAber auch Galen sagt im Kommentar Uumlberdie Zeichen der Verletzungen am Kopfldquo Schol Laur Plut 7472 CMGVI 21 216 Apparat zu Z 28 cf auch Hanson9 38 mit Anm 1)

π το πποκράτους το Περ λκν +ητο (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelleldquo)

π το Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο (bdquoAus dem BuchUumlber Verletzungen am Kopf von der Textstelleldquo)

41Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

9) M Hanson Hippocratis De capitis vulneribus Berlin 1999 (CMG I 41)[Ausg engl Uumlbers Komm]

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

42 Math ia s Wi t t

10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

43Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

44 Math ia s Wi t t

11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

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περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

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legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 6: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

Die ersten beiden der hier zitierten Lemmata sind die einzigen dieunmiszligverstaumlndlich herausstellen daszlig die durch sie markiertenTextpassagen aus Kommentaren Ga lens stammen Alle uumlbri-gen Lemmata beziehen sich schlichtweg auf bdquoHippokratesldquo oderden Namen des hippokratischen Ulc oder VC Auch begegnennoch weitaus lakonischere Lemma-Angaben wenn die zugehoumlrigeQuelle aus einem der vorangegangenen Lemmata ersichtlich ist(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo)10 Aus Kontext Stil und Inhalt der zu solchen Scholien ge -houmlrigen Passagen bei Oreibasios geht jedoch einwandfrei hervordaszlig diese nicht direkt aus einer Hippokrates-Schrift sondern ausGa lens Kommentar zur jeweiligen Schrift exzerpiert wurden

Hanson (wie Anm 9) widmet Galens VC-Kommentar dreiSeiten (37ndash39) Zwar zitiert er (39) die entsprechenden Autoren-lemma-Scholien zu Oreibasios doch die e ige n t l i chen Frag-mente die mit Hilfe dieser Scholien aus dem Oreibasios-Text iso-liert werden koumlnnen werden dann leider n i ch t abgedruckt Somitversaumlumt Hanson die Gelegenheit im Rahmen seiner Edition deshippokratischen VC auch gleich die wenigen Fragmente des zuge-houmlrigen verlorenen Galen-Kommentars zu sammeln Auffaumlllig istjedenfalls Hansons umstaumlndliche Argumentation in dieser Fragesowie sein Skeptizismus ob die in Oreibasiosrsquo Kompilation uumlber-lieferten Passagen tatsaumlchlich aus den beiden verlorenen chirurgi-schen Galen-Kommentaren stammen

Die einzige Textstelle die Hanson vorbehaltlos als Fragmentdes verlorenen VC-Kommentars gelten laumlszligt ist ein Zitat in einemScholion welches mit λλ κα Γαληνς ν τ πο(μνήματι) τοΠερ σημείων τν ν κεφαλ τρωμάτων φησίν beginnt (bdquoAber auch

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10) Das Verbaladjektiv +ητόν (eigentlich sbquoAusspruchlsquo sbquodas Gesagtelsquo) hat indiesem Kontext die Bedeutung sbquoTextstellelsquo sbquoPassagelsquo Diese Sonderbedeutung isterst in byzantinischer Graumlzitaumlt belegt Cf die folgenden Lexikondefinitionen (dortjeweils mit Belegstellenangaben) bdquoPassage in a book particularly text of Scriptureldquo(E A Sophocles J H Thayer Greek Lexicon of the Roman and Byzantine PeriodsCambridge 1914 sv +ητός 4 Substantively [b]) bdquopassage or saying of scriptureldquo(G W H Lampe A Patristic Greek Lexicon Oxford 1961 sv +ητός 3 neutr assubst b) Auffaumlllig ist daszlig +ητόν in den Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholienstets ohne Artikel steht zu erwarten waumlre το +ητο Doch duumlrfte diese Auslassungdes Artikels auf den generell sehr brachylogischen notiz- bzw stichwortartigenCharakter dieser Scholien zuruumlckzufuumlhren sein

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

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ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

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11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

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13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

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den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 7: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

Galen sagt im Kommentar Uumlber die Zeichen der Verletzungen amKopfldquo siehe oben) Gegenuumlber den Passagen im Oreibasios-Textselbst auf die sich die Autorenlemma-Scholien beziehen urteilt erdagegen ungewoumlhnlich vorsichtig (bdquoOribasius himself may havepreserved other partsldquo) Hanson liefert nichtsdestoweniger zweiArgumente die dafuumlr sprechen daszlig es sich bei diesen Oreibasios-Passagen um Fragmente aus Galens verlorenem VC-Kommentarhandelt (1) Das ganze Kapitel Coll med 4621 (CMG VI 2122724 ff) wird von Oreibasios als Galen-Exzerpt bezeichnet (0κτν Γαληνο Περ τν ν κεφαλ καταγμάτων ndash bdquoAus den Schrif-ten Galens Uumlber die Frakturen am Kopfldquo) Hierin ist die Mehrheitder Passagen aus uumlberlieferten Galen-Schriften bekannt Der Restist wie Hanson plausibel darlegt wahrscheinlich deshalb ein Ex-zerpt aus dem verlorenen Galen-Kommentar zu VC da diese Stellen einerseits mit Gewiszligheit zu einem Gale n-Traktat gehoumlren(in Anbetracht von Oreibasiosrsquo Kapiteluumlberschrift) und da ande-rerseits kein anderes verlorenes Galen-Werk bekannt ist das sichmit dem Thema Kopfverletzungen beschaumlftigt haben koumlnnte (2)In diesen nicht zuzuordnenden Passagen gebe es bdquoechoes of state-ments from the Hippocratic treatise (sc VC)ldquo Nun ist so Hansonallgemein bekannt daszlig Galens Kommentare haumlufig aus erklaumlren-den Paraphrasen des zu erlaumluternden hippokratischen Wortlautsbestehen Somit wiesen die fraglichen Passagen bei Oreibasios ty-pische stilistische Eigenheiten eines Galen-Kommentars auf

Bereits im Lichte von Hansons eigener Argumentation er-scheinen seine Zweifel an der Zugehoumlrigkeit der fraglichen Passa-gen zu den beiden verlorenen Galen-Kommentaren schwer ver-staumlndlich ndash dies erst recht mit Blick auf Deichgraumlbers Verifizierungder Verweise auf Galens Epidem-VI-Kommentar in den ScholienIm uumlbrigen sind diejenigen Scholien die Textstellen bei Oreibasiosals Fragmente von Galens Kommentaren zu Ulc und VC auswei-sen typidentisch mit allen uumlbrigen beim Kompilator die sich aufGalen-Kommentare beziehen So lautet etwa das schon erwaumlhnteScholion zum Epidem-VI-Kommentar (zu CMG VI 21 11717)auf das Deichgraumlber exemplarisch hinweist π τν πποκρτουςτ2ς ςrsquo 0πιδημ4ας τμ2μα ηrsquo +ητοmiddot (bdquoAus den [Schriften] des Hip-pokrates der sechsten Epidemie Abschnitt acht von der Textstel-leldquo) Hier steht die Passage wiederum in einem Kontext (Collmed 441ndash4) der insgesamt mit 0κ τν Γαληνο (bdquoAus den Schrif-

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ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

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11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

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den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

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15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

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19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 8: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

ten Galensldquo) uumlberschrieben ist wiederum ist aber ein Galen-Kom-mentar nicht ein hippokratischer Text gemeint wenn auch diesbquoVerfasserangabelsquo im Scholion bdquoHippokratesldquo lautet Dasselbe giltfuumlr Galens knochenchirurgische Kommentare (cf Coll med461 ff) In einem Abschnitt 0κ τν Γαληνο ist hier in den Scho-lien diesmal ohne Verfasserangabe nur von hippokratischenSchrifttiteln die Rede (π το Περ γμν κα 5ρθρων +ητοmiddot ndashbdquoAus der Schrift Uumlber Frakturen und Gelenke von der Textstel-leldquo) Bezug genommen wird aber in der Tat wiederum auf GalensFract-Kommentar Das Gleiche gilt fuumlr die Scholien zu den Frag-menten des verlorenen Schluszligteils vom Fract-Kommentar Passa-gen die Roselli (wie Anm 3) zu Recht ohne Bedenken sammelteHier sind die Lemmaangaben durchweg sogar noch lako nischer(π το ατο +ητο ndash bdquoAus demselben Buch von der Textstel-leldquo) Der Kontext macht jedoch klar daszlig Galens Fract-Kommen-tar gemeint ist Es ist im uumlbrigen evident daszlig Oreibasios sowohlbei der Weichteil- wie bei der Knochenchirurgie die entsprechen-den Kapitel seines Kompendiums aus denselben drei Arten vonQuellen kompilierte (1) der Methodus medendi (2) Galens chirur -gischen Lemmakommentaren und bisweilen (3) Galens pharma-zeutischen Schriften11 ndash insofern legt schlieszliglich auch die Syste -matik seines Exzerpierverhaltens nahe daszlig es sich bei unserenFragmenten tatsaumlchlich um Passagen aus dem verlorenen Ulc- undVC-Kommentar handelt

2 Galens Lemmakommentar zu De ulceribus

Wie oben angesprochen erwaumlhnt Deichgraumlber vier bdquoHinwei-se aufldquo das hippokratische Ulc in den Oreibasios-Scholien12 Mit-tels dieser Scholien lassen sich die Passagen im Oreibasios-Text alsFragmente des verlorenen Galen-Kommentars zu Ulc identifizie-

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11) Cf I Garofalo Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 1814 Anm 269

12) Was Deichgraumlber als bdquoHinweiseldquo bezeichnet umfaszligt einerseits Scholienandererseits gaumlnzlich fehlende Quellenangaben (sbquoLakunenlsquo) im Apparat Streng ge-nommen ist somit im Fall der Lakunen Deichgraumlbers Formulierung bdquoHinweiseldquo un-zutreffend da Lakunen keine positiven Angaben zur Herkunft von Exzerptstellensind sondern lediglich bedeuten daszlig im uns erhaltenen griechischen Schrifttum dieentsprechende Textstelle von Raeder nicht verifiziert werden konnte

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 9: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

ren Bei genauerer Betrachtung dieser bdquovier Hinweiseldquo lassen sichallerdings nicht nur vier sondern sechs Fragmente aus dem verlo-renen Kommentar ausmachen Passagen welche Erlaumluterungen zuzwei Kapiteln des hippokratischen Ulc bieten Nun fehlen aber beidreien dieser Fragmente jegliche Scholien die einen eindeutigenHinweis auf zitierten Autor und zitiertes Werk geben wuumlrden So-mit kann nur aus dem Kontext erschlossen werden daszlig diese Orei-basios-Passagen die schlieszliglich keinem anderen bekannten TraktatGalens oder eines anderen antiken Autors entstammen Fragmen-te des verlorenen Ulc-Kommentars sein muumlssen

Grundsaumltzlich exzerpierte Oreibasios beim Verfassen seinermedizinischen Enzyklopaumldie wiederholt und an verschiedenenStellen seiner Kompilation aus demselben Galen-Traktat Nichta l l e dieser Passagen die auf dieselbe Galen-Schrift zuruumlckgehensind aber in den uns erhaltenen Oreibasios-Handschriften mit Autorenlemma-Scholien versehen Moumlglicherweise hatte bereitsder Scholiast nur einen Teil des Oreibasios-Texts mit Scholien aus-gestattet Ebenso ist denkbar daszlig im Verlauf der Textuumlberlieferung einige Scholien verloren gingen In Oreibasiosrsquo Kapiteln zur Kno-chenchirurgie ist die Situation vollkommen analog Hier finden sichnur zu einem Teil der Passagen die aus den Galen-Kommentarenzu Fract Artic oder De officina medici exzerpiert wurden zuge-houmlrige Autorenlemma-Scholien (cf CMG VI 21 199 ff passim imTestimonienapparat Zitate aus derselben Schrift teils mit teils ohnezugehoumlrige Autorenlemma-Scholien in letzterem Fall nur RaedersStellenangabe) Da diese Galen-Kommentare aber erhalten sindkonnte Raeder leicht die fehlenden Informationen zur Herkunftder Fragmente in seinem Testimonienapparat nachtragen

Hier erscheint es sinnvoll noch eine Bemerkung zu Orei -basiosrsquo Technik beim Exzerpieren hinzuzufuumlgen Wie Kudlien13

bemerkt exzerpierte Oreibasios nicht durchweg woumlrtlich sondernkuumlrzte und aumlnderte teilweise die Reihenfolge der Woumlrter und Saumlt-ze der zugrunde liegenden Stelle ndash denn er verfaszligte ja eine fuumlr denpraktischen Bedarf konzipierte Enzyklopaumldie So lieszlig er Passagendie fuumlr seinen Zweck als unwichtig erschienen aus aumlnderte For-mulierungen und ersetzte schwierige und seltene Woumlrter durch ge-

45Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

13) F Kudlien Die handschriftliche Uumlberlieferung des Galenkommentars zuHippokratesrsquo De articulis Berlin 1960 (Diss phil) 49 ff (Kapitel bdquoDer Text derOribasiusexzerpteldquo)

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

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legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 10: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

laumlufigere Somit ist nicht zu erwarten daszlig Oreibasiosrsquo Exzerpte mitGalens Original in jedem Detail uumlbereinstimmen ndash dies ist auch imHinblick auf die hier gegebenen Fragmentsammlungen zu beach-ten In beiden nun folgenden Fragmentsammlungen erscheinen dieFragmente in der Reihenfolge wie sie auch in Galens Lemmakom-mentar standen d h die Reihenfolge entspricht dem hippokrati-schen Text aus dem die Lemmata fortlaufend entnommen wurden

Galeni in Hippocratis de ulceribus commentarii I fragmenta

Frg 1Orib Coll med 43362 f CMG VI 21 9611ndash14Kommentar zu Ulc Kap 2 (κωλύει γρ μάλιστα μ8ν τ τοιατα 9λκεαγιαίνεσθαι πειτα δ8 κα τ5λλα ξύμπαντα αltματος σηπεδ=ν κα gtτι ξ αltματος μεταστάσιος γεγένηται [VI 40219 ff L] ndash bdquoDenn einesbquoFaumlulnislsquo des Blutes und die Umwandlungsprodukte desselben verhin-dern insbesondere daszlig Defekte dieser Art und uumlberdies auch auch alleanderen heilenldquo)Schol in Orib Keine Angabe

[sc τ 9λκος] κακόηθες δ A πιρρεB μ8ν οδέν δύσκρατον δ χει τμόριον ν Aπέρ στιν Cς ε προσδιαφθείρειν τ χρηστν αDμα gtπερ9νεκα το θρέψαι παραγινόμενον αFτιον τοBς δεομένοις σαρκώσεωςγίνετοsbquoBoumlsartiglsquo aber ist ein Defekt dem zwar nichts [d h kein sbquoschlechterSaftlsquo] zuflieszligt bei dem aber die anatomische Struktur [d h die Glied-maszlige oder das Gewebe] in der er sich befindet dyskratisch ist so daszligsie [d h die Struktur] immer das ordentliche Blut sekundaumlr verdirbtdas zum Zweck der Ernaumlhrung zugestroumlmt und ursaumlchlich fuumlr eineFleischbildung bei den Defekten die einer solchen beduumlrfen gewordenist

Frg 2Orib Coll med 433617 f CMG VI 21 9721ndash25Mglw Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe

τ δ8 τοBς 9λκεσιν ατοBς π τν +ευματικν προσαγόμενα φάρμακακατ τήνδε σοι τHν μέθοδον ερισκέσθω πειδH τ μ8ν πIρρευκεν Jδητ 9λκει κα γρότερον ατ πολλ κα +υπαρώτερον πεποίηκε τ δτι κα νν πιρρεB

Die Arzneimittel aber die bei sbquorheumatischenlsquo Zustaumlnden [d h bei einem Zufluszlig sbquoschlechter Saumlftelsquo] auf den Defekten selbst angewandtwerden sollen von dir nach folgender Methode ausfindig gemacht wer-

46 Math ia s Wi t t

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

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15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

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τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

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περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

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legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

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48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

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der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 11: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

den da einerseits das was schon dem Defekt zugeflossen ist ihn vielnaumlssender und sbquoschmutzigerlsquo gemacht hat andererseits auch gegenwaumlr-tig noch etwas hinzuflieszligt

Frg 3aOrib Coll med 433621 ff CMG VI 21 9736ndash9818Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Keine Angabe doch folgt das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehene Frg 3b unmittelbar nach

πε τοίνυν τ διαφοροντα κα τν +ύπον κκαθαίροντα δριμείας στδυνάμεως φ gtσον μ8ν +ύπου πλ2ρές στι τ 9λκος οκ ντιλαμβά-νεται τ2ς δριμύτητος ατν κάμνωνmiddot καθάπερ γάρ τι πρόβλημα τνMλκωμένων μερν +ύπος μέσος πάρχων το τε φαρμάκου κα τ2ςποκειμένης σαρκός οκ N τHν π το φαρμάκου γινομένην δ2ξινκαθικνεBσθαι το 9λκους προσέχειν οOν δεB πόσον πορρύπτεται το+ύπου κα πόσον γκαταλείπεται κα εP τοτο νωδύνως πράσσεταιmiddotδ2λον γρ Cς πρς τHν φαίρεσιν το +ύπου καθαρώτερον γινόμενοντ 9λκος ντιλαμβάνεται τ2ς δριμύτητος μέγιστον οOν σημεBον στωσοι το μηδ8ν τι τοιδε φαρμάκQ χρ2σθαι ν δήξεως ντιλαμβά-νηται τ πάσχον μόριον κα τ πέριξ ατο σώματα ρυθρ γίνηταιmiddotτν γρ δριμέων φαρμάκων Fδιόν στι τό τε δηγμν μποιεBν τ 9λκει[τ δριμεB φαρμάκQ] κα ρευθος ργάζεσθαι τοBς πέριξ σώμασιν εPδ φλέγμαντα μ8ν τ περ τ 9λκος εFη δηγμο δ8 μηδ8ν ντιλαμβά-νοιτο +ύπος δ πιγίνοιτο τ 9λκει τ δριμεB φαρμάκQ προσήκει πι-μένεινmiddot πάντως γρ Sφελήσει τν +ύπον ποκαθαBρον κα τHν γρότη-τα ξηραBνονmiddot Tμα μέντοι τ καθαρν γενέσθαι τ 9λκος κα ντιλαμ-βάνεσθαι βραχείας δήξεως τν κάμνοντα μεταβαίνειν φ 9τερον δεBφάρμακον τν δήκτως ξηραίνειν κα στύφειν δυναμένων ποBά στιτ πεπλυμένα μεταλλικ κα τ μH πεπλυμένα μέν 5δηκτα δ8 φύσει13 τ δριμεB φαρμάκQ] del Raeder

da14 nun die Pharmaka die zerteilen und den Wundbelag entferneneine beiszligende Wirkung haben Soweit der Defekt voll von Wundbelagist nimmt der Patient ihre aumltzende Wirkung nicht wahr Denn wie eineArt sbquoDeckschichtlsquo der Strukturen die von Defekten betroffen sind be-findet sich der Wundbelag in der Mitte zwischen Arzneimittel und dem

47Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

14) Bei Oreibasios beginnt der Satz mit πε4 Der mit πε4 eingeleitete Glied-satz wird somit zum folgenden Hauptsatz gezogen Dies laumluft aber offenkundigdem Inhalt des Satzes zuwider der eindeutig einen konzessiven Gliedsatz erfordernwuumlrde πε4 ist aber in der Bedeutung sbquoobwohllsquo soweit ich sehe nicht belegt Plau-sibler als hier vom einmaligen Fall eines konzessiven πε4 auszugehen ist wohl dieAnnahme daszlig die Unstimmigkeit durch Oreibasios beim Kompilieren geschaffenwurde Der durch ein kausales πε4 eingeleitete Gliedsatz wird bei Galen noch zueinem vorangegangenen von Oreibasios nicht exzerpierten Hauptsatz gehoumlrt ha-ben und nach δυνάμεως ist daher wohl ein Punkt zu setzen Entsprechend uumlberset-ze ich hier

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darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

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15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 12: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

darunterliegenden Fleischgewebe und laumlszligt die vom Arzneimittel aus-gehende aumltzende Wirkung nicht bis zum Defekt hinab vordringen Manmuszlig nun darauf achten wieviel vom Wundbelag entfernt wird undwieviel uumlbrig bleibt und ob dies schmerzlos vonstatten geht Denn esist klar daszlig der Defekt in dem Verhaumlltnis die Aumltzwirkung staumlrker wahr-nimmt wie er durch die Beseitigung des Wundbelags sauberer gewor-den ist Das entscheidenste Indiz daszlig du kein derartiges Arzneimittelmehr anwenden darfst sei fuumlr dich wenn die betroffene Struktur eineAumltzwirkung wahrnimmt und wenn die Areale in ihrem Umkreis rotwerden Denn es ist eine Eigentuumlmlichkeit der scharfen Arzneimitteldaszlig sie ein Beiszligen in der Wunde und eine Roumltung in den umgebendenStrukturen verursachen Wenn nun die Areale um den Defekt herumohne sbquoPhlegmonelsquo [d h Schwellung mit Roumltung]15 sind kein Beiszligenwahrnehmen und sich Wundbelag auf dem Defekt befindet dann solldas scharfe Pharmakon darauf verbleiben Denn es wird in jeder Weisenuumltzen indem es den Wundbelag entfernt und die Wundfeuchtigkeittrocknet Sobald der Defekt sauber wird und der Patient ein leichtesBeiszligen verspuumlrt muszlig man auf ein anderes Pharmakon umsteigen daszur Klasse derer gehoumlrt die ohne Beiszligen trocknen und adstringierenkoumlnnen von dieser Art sind die geloumlschten metallischen Pharmaka unddiejenigen die nicht geloumlscht aber von Natur aus nicht aumltzend sind

Frg 3bOrib Coll med 433625 f CMG VI 21 9818ndash25Kommentar zu Ulc Kap 2Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους το Περλκν +ητοmiddot λαιον κα gtσα μαλθακώδεα κα λαιώδεα [VI 4044 L](bdquoAus dem Buch des Hippokrates Uumlber Wunden von der TextstellesbquoOumll aber und die Pharmaka die mild16 und oumllig sindlsquoldquo)

λαιον κα] Schol Vat Gr 18852 λαιον δ8 κα Ulc-codκα λαιώδεα] Schol Vat Gr 18852 U λαιώδεα Ulc-cod

γινώσκειν δ8 κα τοτο Cς ο μόνον τ δριμέα φάρμακα +υπαίνει τκαθαρ τν λκνmiddot λλ γρ κα τ πάνυ μαλθακώδη κα κλελυμέ-

48 Math ia s Wi t t

15) Nach antiker Terminologie Nicht zu verwechseln mit der Phlegmoneder modernen Medizin

16) Galen stellt in der folgenden Erlaumluterung den sbquoscharfen Arzneimittelnlsquo(τ δριμέα φάρμακα) die als μαλθακώδη bezeichneten antithetisch gegenuumlberGleichsam als Synonym zu μαλθακώδη werden in diesem Zuge noch τ κλελυμέ-να φάρμακα erwaumlhnt Hieraus wird klar daszlig μαλθακώδεα zumindest nach GalensAuffassung primaumlr die Bedeutung sbquoweichlsquo bzw sbquomildlsquo hat nicht dagegen sbquoerwei-chendlsquo (Passow) bzw sbquoemollientlsquo (LSJ) Daszlig die Wirkung dieser μαλθακώδη φάρ-μακα abschlieszligend dann doch als narbenerweichend (τς ολς μαλάσσεσθαι) be-schrieben wird mag als weiterer Hinweis gesehen werden daszlig μαλθακώδη sbquomildlsquobedeutet und die Nuance des sbquoErweichendenlsquo in diesem Adjektiv noch nicht mitenthalten ist ansonsten waumlre diese Angabe pleonastisch

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

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1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 13: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

να ταBς δυνάμεσι κα πάνυ κηρωτοειδ2middot τοιατα δ στ δηλονότι στέαρ κα πιμελH κα κηρς κα ατ τ λαιον χρH δH οOν π τν πεπαλαιωμένων λκν μηδαμς προσφέρειν τ τοιατα πλHν εP μHπουλωμένα Jδη τυγχάνειmiddot τηνικατα γρ π8ρ το τς ολς μαλάσ-σεσθαι κα τ τοιατα τν φαρμάκων προσφέρεινMan muszlig sich aber auch folgendes klarmachen daszlig nicht nur scharfePharmaka saubere Defekte reinigen vielmehr reinigen gerade auch sol-che die vollkommen mild oder in ihrer Wirkung abgeschwaumlcht undgaumlnzlich wachssalbenartig17 sind Von dieser Art ist natuumlrlich Talg FettWachs und speziell Olivenoumll Man darf nun auf alt gewordene [d hchronische]18 Defekte keinesfalls Pharmaka dieser Art applizieren essei denn es handelt sich um Defekte die schon vernarbt sind Dannmuszlig man naumlmlich auch Pharmaka dieser Art applizieren um die Nar-ben zu erweichen

Frg 4aOrib Coll med 43381 ff CMG VI 21 10124ndash1021Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το πποκράτους Περ λκν+ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 [VI 40610 f L] (bdquoAus dem Buch desHippokrates Uumlber Wunden von der Textstelle sbquodie runden Defektelsquoldquo)

κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέα Ulc-cod

ltΠερ τν κυκλοτερν λκνgtΤν δ8 κυκλοτερν λκν πειράθημεν Wκανς μηδ8ν μποδίζον τ Pά-σει τ σχ2μαmiddot ο γρ δH αFτιόν στι τ2ς κακοηθείας τν ατομάτωνλκν λλ σημεBονmiddot gtσα γρ ξ πιρρο2ς γρν μοχθηρν ναβι-βρώσκεται τατα Cς περ κέντρον τ πρτον ρχόμενον πάσχει μόριοννάλογον τ εPς μ2κος κα πλάτος αξανόμενα κυκλοτερ2 γίνεται διατ δ8 τοτο κα πόκοιλαmiddot τ γρ πρτον ρχόμενον ναβιβρώσκε-σθαι μέρος ατν κοιλότερον εPς τοσοτον γίνεται τν πέριξ gtσον καπολυχρονιώτερον κα μέντοι κα τ χείλη τν τοιούτων λκν σκληρκα 5χροα τοπίπαν ποτελεBταιmiddot δι κα περιτέμνεσθαι δεBται κατμφότερα τούτου συμφέροντος ατοBς gtτι τε το αltματος πορρεB συ-χνόν gtτι τε σαρκώσεως U πουλώσεως ρχHν κ τν περιτμηθέντωνλαμβάνει κάλλιον μ8ν οOν ν κύκλQ περιτέμνειν τ χεBλοςmiddot εP δ8 μήλλ πάντως γε τ Xμισυ κατ τ μ2κος U κατ τ πλάτος τHν περι-τομHν ατο ποιούμενονmiddot

49Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

17) Von κηρωτή sbquoWachssalbelsquo18) Galen meidet generell das Adjektiv sbquochronischlsquo da es sich hier um einen

Terminus technicus der von ihm bekaumlmpften Aumlrzteschule der Methodiker handelt(cf MM Buch 4 nach einer polemischen Widerlegung des Thessalos von Tralleis5μεινον μ8ν Yν δήπου μH χρόνια καλεBν λλ κακοήθη τατα [sc τ 9λκη] ndash bdquoBes-ser freilich waumlre es diese nicht sbquochronischelsquo sondern sbquoboumlsartigelsquo Wunden zu nen-nenldquo X 2573 f K)

5

10

15

1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 14: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

1 Περ τν κυκλοτερν λκν] add Orib

ltUumlber die runden Defektegt [von Oreibasios hinzugefuumlgte Uumlberschrift]Wir haben aber hinreichend in Erfahrung gebracht daszlig bei runden Defekten ihre Form in keiner Weise der Heilung entgegensteht DieForm ist naumlmlich nicht ursaumlchlich fuumlr die Boumlsartigkeit jener Defektedie sbquovon selbstlsquo [d h ohne aumluszligere traumatische Einwirkung] entstan-den sind sondern sie ist lediglich ein Krankheitszeichen [sbquoSymptomlsquonach moderner Terminologie]19 Denn alle Defekte die aufgrund einesZustroms schlechter Saumlfte arrodiert werden werden deshalb rund dasie wie um einen Mittelpunkt herum um die erste betroffene Stelle20 er-kranken wodurch die Defekte in gleicher Weise an Laumlnge und Breitezunehmen aus dem gleichen Grund sind sie auch nach unten hin hohl[d h konkav] Denn der Teil der Defekte der zuerst beginnt arrodiertzu werden wird umso hohler als seine Umgebung je laumlnger der Vor-gang andauert21 Und schlieszliglich werden auch die Wundraumlnder dieserDefekte zumeist verhaumlrtet und fahl Aus diesem Grund ist es erforder-lich daszlig man sie ringsherum ausschneidet da ihnen dies in zweifacherHinsicht nuumltzt Einerseits da reichlich Blut wegflieszligt andererseits dadie Fleischbildung beziehungsweise Vernarbung ihren Ausgangspunktvon den ringsum ausgeschnittenen Wundraumlndern nimmt Besser ist esdaher den Wundrand ringsum kreisfoumlrmig auszuschneiden andern-falls zumindest zur Haumllfte indem man ihn der Laumlnge oder der Breitenach ausschneidet

Frg 4bOrib Coll med 43384 CMG VI 21 1025 f (Bei Oreibasios stehtFrg 11 von Galens VC-Kommentar unmittelbar zwischen Frg 4a und4b seines Ulc-Kommentars)Kommentar zu Ulc Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ [το περ] λκν +ητοmiddot τν λκέων τ κυκλοτερ2 Uν πόκοιλα Z [VI 40610 f L] (bdquoAusdem Buch Uumlber Wunden von der Textstelle sbquowenn die runden Defek-te unten hohl [d h konkav] sindlsquoldquo)

50 Math ia s Wi t t

19) Nicht zu verwechseln mit dem antiken σύμπτωμα das eine sekundaumlrekomplizierende Folgeerkrankung () bezeichnet

20) Μέρος wird hier nicht wie uumlblicherweise bei Galen im Sinne von sbquoKoumlr-perteillsquo sbquoanatomische Strukturlsquo oder sbquoGewebelsquo verwendet sondern bedeutet vorlie-gend (ungewoumlhnlicherweise) sbquoAreallsquo bzw sbquoStellelsquo

21) Im Gegensatz zu Galens Vermeidung des Adjektivs χρόνιος (cf Anm 18)findet sich πολυχρόνιος und der Komparativ πολυχρονιώτερον schon in mehrerenhippokratischen Schriften belegt (Aer 3 7 10 [2x] 23 Progn 8 12 24 Epid VII12 und 119 Artic 41 Aph 423 76 722 785 Prorrh II 11 27 29 30 34 Coac75 443 575 Morb I 20 II 61 III 15 Aff 19 20 31 33 Loc Hom 40 Nat Mul90 109 Oct 11 Mul 74 Dieb Iudic 10) Anders als χρόνιος ist πολυχρόνιος da-her fuumlr Galen sbquoverwendbarlsquo da es einerseits sbquogut hippokratischlsquo ist und andererseitskeine methodische Konnotation hat

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

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legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

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φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

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48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 15: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

το περ] del Raeder κυκλοτερ2] Schol Vat Gr 18852 κυκλοτερέαUlc-cod

μεγάλων μέντοι τν τοιούτων λκν ντων κα κάθαρσιν το σώμα-τος τ2ς gtλης θεραπείας προηγεBσθαι βέλτιονSofern die Defekte dieser Art groszlig sind ist es besser eine sbquoReinigunglsquodes Koumlrpers [d h eine evakuierende Maszlignahme Abfuumlhren oder Er-brechen] der ganzen Therapie vorauszuschicken

Wie andernorts ausfuumlhrlich gezeigt22 erlaumluterte Galen die wich-tigsten chirurgischen Traktate des Corpus Hippocraticum zweimalwobei er jedesmal einen unterschiedlichen paumldagogischen Ansatzverfolgte Die erste sbquoKommentarphaselsquo im Rahmen der Buumlcher 3ndash6 der Methodus medendi sollte Anfaumlngern eine knappe undstrukturierte erste Einfuumlhrung (προγυμνασ4α) in die wesentlichenGrundlagen der Chirurgie vermitteln Die Lemmakommentare alszweite Phase von Galens didaktischem Konzept waren dann da-rauf ausgelegt dem Leser mit schon fortgeschrittenem Kenntnis-stand eine weiterfuumlhrende Unterstuumltzung bei der Lektuumlre der hip-pokratischen Originale zu geben23 In Galens Kommentar zu Deofficina medici vergleicht der Pergamener selbst seine zwei sbquoKom-mentarphasenlsquo zu Ulc Hier bemerkt er nun daszlig die Grundlagendie ein Arzt zur korrekten Behandlung eines Gewebsdefekts(9λκος) beherrschen muumlsse in der jeweils angemessenen Therapie-reihenfolge (προσήκουσαν κάστου τάξιν) in der Methodus me-dendi dargestellt seien Im Ulc-Kommentar dagegen seien bdquosoweites paszligteldquo (gtσον Xρμοττε) therapeutische Anweisungen gegebenworden d h dort wo sich praktische Therapieanweisungen imRahmen der Erklaumlrung einer Hippokrates-Passage anboten

gtσα μ8ν οOν πίστασθαι προσήκει τν ]ρθς 9λκος Pασάμενον εFρηταιμ8ν κν τ γrsquo κα δrsquo γράμματι τ2ς θεραπευτικ2ς μεθόδου κατ τHν προσ ήκουσαν κάστου τάξιν εFρηται δ8 gtσον Xρμοττε κα κατ τHνξήγησιν το περ λκν συγγράμματος (XVIIIb 5381 K)

Was nun derjenige wissen muszlig der einen Defekt korrekt heilen willwurde im dritten und vierten Buch der Methodus medendi in der fuumlrjedes einzelne Verfahren gehoumlrigen Reihenfolge dargelegt dies kamaber auch in der Erlaumluterung der Schrift Uumlber die Wunden [d h demLemmakommentar zu Ulc] zur Sprache insoweit es paszligte

51Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

22) Cf Witt (wie Anm 2)23) Cf Witt (wie Anm 2) Kap IV (bdquoVergleich der zwei Kommentarstufenldquo)

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

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24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

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Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

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[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

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θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 16: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

Beispiele solcher therapeutischer Anweisungen die nebenbei imUlc-Kommentar gegeben werden finden sich nun in den Frag-menten 1ndash3b wieder

In Frg 1 wird die Notwendigkeit hervorgehoben daszlig eine διά-θεσις d h ein zusaumltzlicher Krankheitszustand der gleichzeitig miteinem Weichteildefekt besteht und dessen Heilung behindert zuerstbehandelt werden muumlsse Als Beispiel wird in diesem Fragment dasVorliegen einer Dyskrasie im Gewebe gegeben die das zuflieszligendefrische Blut aus dem normalerweise neues Gewebe entstuumlnde sbquover-derbelsquo Daszlig komplizierende sbquoGrunderkrankungenlsquo dieser Art zuerstgeheilt werden muumlssen war bereits in De methodo medendi Buch 3und 4 ein immer wiederkehrendes zentrales Dogma24

Ob Frg 2 uumlberhaupt als Fragment des Ulc-Kommentars be-trachtet werden kann laumlszligt sich nicht mit Sicherheit sagen Da die-sem Satz nur verbindende Funktion zukommt und keine wesent -liche inhaltliche Information enthalten ist koumlnnte es sich hierbeiauch um einen Zusatz von Oreibasios selbst handeln

Frg 3a enthaumllt ausschlieszliglich Angaben zur Pharmakotherapieim Mittelpunkt steht hier der Gebrauch von Pharmaka mit aumltzen-der Wirkung zur Entfernung von Wundbelaumlgen25 (cf MM 33 dortwird solch ein sbquopharmakotherapeutisches Wund-Deacutebridementlsquoausfuumlhrlich diskutiert [von X 175 K an]) Frg 3b ebenfalls phar-makotherapeutisch schreibt den Gebrauch fettfreier Arzneimittelfuumlr chronische Defekte vor Fetthaltige Pharmaka sollten lediglichverwendet werden um Narben bereits verheilter Defekte zu er-weichen26

In Frg 4b wird empfohlen vor einer Therapie groszliger chroni-scher Defekte den Koumlrper systemisch zu sbquoreinigenlsquo womit ein Ab-

52 Math ia s Wi t t

24) Ausfuumlhrlich werde ich mich hierzu in meinem in Vorbereitung befindli-chen Kommentar zur Methodus medendi Buumlcher 3ndash6 aumluszligern

25) Cf Witt (wie Anm 2) Anm 7226) Dies gilt in der modernen Medizin noch genauso Fetthaltige Arznei -

mittel werden zur Behandlung offener Wunden vermieden da der Fettanteil dassbquoAtmenlsquo von Wunden verhindert und so zu einem Waumlrmestau fuumlhrt Hierdurchwuumlrde einer Infektion Vorschub geleistet und die Wundheilung verzoumlgert Fetthal-tige Salben oder Cremes werden erst zur Nachbehandlung verschlossener Wundenverwandt als sbquoNarbensalbenlsquo um einerseits Krusten auf den Narben zu entfernenandererseits um die Narben geschmeidig zu halten und hierdurch einer Narben-schrumpfung entgegenzuwirken

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

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περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 17: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

fuumlhren gemeint ist Man vergleiche eine identische Bemerkung imhippokratischen Ulc Kap 3 ^ποκθαρσις τ2ς κτω κοιλ4ης ξυμ-φIρει τοBσι πλε4στοισι τν λκIων κα τοBσιν σθιομIνοισι καρπυστικοBσι κα τοBσιν 5λλως πεπαλαιωμIνοισιν 9λκεσι ndashbdquoEine Purgation der unteren Koumlrperhoumlhle [d h ein Abfuumlhren] nuumltztbei den meisten Wunden bei sich ausbreitenden kriechenden undin anderer Weise chronifizierten Defekten ldquo (VI 40411 ff L)

Aus dem Rahmen dieser rein therapeutischen Hinweise faumllltdas besonders interessante Frg 4a Hier aumluszligert sich Galen einge-hend zu chronischen Defekten genauer zu sogenannten bdquorundenDefektenldquo (9λκη κυκλοτερ2) In diesem Kontext verwendet derPergamener auch die seltene antike Bezeichnung fuumlr Ulzera im modernen Wortsinn (9λκη ατόματα ndash bdquovon selbst entstandeneDefekteldquo) einen Namen den er im ersten Teil der MM noch nichtbenutzt wiewohl allerorts von nicht-traumatischen Defekten dieRede war Galens theoretische Ausfuumlhrungen u a die Erwaumlhnungdes Einflusses der Wundform auf das Heilverhalten stehen imKontext einer Reihe antiker Theorien zu diesem Thema und be-duumlrfen daher einer eingehenderen Betrachtung die nicht hier sondern in einem gesonderten Aufsatz erfolgen soll27 Wiederumfinden sich in Fragment 4a therapeutische Anweisungen bdquosoweit espaszligtldquo (gtσον _ρμόττει) da Galen detaillierte Anweisungen zur Re-sektion der Wundraumlnder bei runden chronischen Defekten gibt

3 Galens Lemmakommentar zu De vulneribus in capite

Deichgraumlber verzeichnet acht bdquoHinweiseldquo auf Galens verlore-nen VC-Kommentar bei Oreibasios Da diese Exzerpte teils ausmehreren Teilen des VC-Kommentars zusammengesetzt sind las-sen sich aus Oreibasiosrsquo Text insgesamt 14 Fragmente von GalensKommentar isolieren28 In diesen Fragmenten bietet Galen Erlaumlu-terungen zu acht Kapiteln des hippokratischen VC

53Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

27) M Witt Antike Vorstellungen von Ulzera und sbquorundenlsquo Wunden ndash eineErgaumlnzung zu J Jouanna Pourquoi les plaies circulaires gueacuterissent-elles difficile-ment RhM im Erscheinen Cf auch Witt (wie Anm 2) 114 Anm 78

28) I Garofalo (Note filologiche sullrsquoanatomia di Galeno in ANRW II372 Berlin New York 1994 1814) bezieht sich auf ein bdquoframmento del commen-to al De cap vul 39111213 in Oribasio XLVI 21 CMG VI 2 1 p 231ldquo (bdquoIl fram-mento egrave un collage dal commento a lsquoCVrsquo da De meth med VI 6 e dal commento a

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

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48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

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49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 18: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

Galeni in Hippocratis de uulneribus in capite commentarii I fragmenta

Frg 1aOrib Coll med 46211 f CMG VI 21 22725ndash2282Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο αW δ 9δραι τν ]ξIων [III 19216 L] (bdquoAus demBuch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodie laquoHedrairaquoder scharfen aberlsquoldquo)

τν ]ξIων] Schol Vat Gr 18852 τν βελέων τν ]ξέων VC-cod29

Πντα τ πθη τν ]στν τ2ς κεφαλ2ς gtσα πσχει δι τς ξωθενπληγς πIντε τν ριθμν στιν 9δρα θλσις +ωγμ` aσις εFσθλα-σις 9δραν γρ κα διακοπHν τατν εbνα4 φησιν πποκρτης Sνομα-σμIνην οcτως δι τ κατ τHν γενομIνην διακοπHν δρζεσθα4 τε καστηρ4ζεσθαι τ τιτρσκον d πντως ]ξe μ8ν πρχειν ναγκαBνστιν ltνα διακψf κοφον δ ltνα μ`τε θλσf μ`τε κατξf τ κραν4ονM μ8ν γρ θλσις γ4νεται δι τ βρος τν πληττντων M δ8 δια4ρεσιςδι τHν ]ξgτητα συνελθντων δ ς τατν μφοτIρων τν αPτ4ωνεFσθλασις γ4νεται τ2ς μ8ν ]ξgτητος το πλ`ττοντος διαιροgσης τ]στον το βρους δ Sθοντος εFσω τ διfρημIνον ν δ8 βαρe μ8νZ τ πλ2ττον ]ξgτητα δ χον οδεμ4αν Jτοι γ aσις γ4νεται μνη τοπληγIντος U κα +ωγμH σeν ατ aσις μ8ν π τν μαλακν ]στνποBα τ τν πα4δων στ4 +ωγμH δ π τν σκληρν τε κα ξηρν πδ8 τν μIσων τHν φgσιν μφτεραInsgesamt gibt es fuumlnf Verletzungstypen die die Schaumldelknochen auf-grund gewaltsamer Einwirkungen von auszligen erleiden (1) Eine sbquoHedralsquo[woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsitzendemlsquo bzwfeststeckendem Projektil] (2) eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo] (3) eineSpaltfraktur (4) eine sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo] und (5) eine sbquoEisthlasislsquo

54 Math ia s Wi t t

Epid VI74ldquo [1814 Anm 269]) Auf der von Garofalo angegebenen Seite (CMG VI21 231) finden sich insgesamt drei Fragmente des verlorenen VC-Kommentars(unsere Frg 9 13 und 14) Keine dieser Passagen (noch irgendein anderes Fragmentdes VC-Kommentars inklusive derjenigen die Garofalo nicht erwaumlhnt) handelt allerdings von bdquoOsteo log i a Ossa e suture del cranioldquo wie Garofalo bemerktAlle bei Oreibasios erhaltenen Fragmente befassen sich mit der chirurgischen The-rapie von Schaumldelverletzungen und deren Klassifikation Garofalos Angabe bezuumlg-lich der VC-Kapitel zu denen die erhaltenen Fragmente einen Kommentar boumlten(bdquo39111213ldquo) ist gleichfalls nicht vollkommen zutreffend Denn tatsaumlchlich lie-fern die bei Oreibasios erhaltenen Fragmente einen Kommentar zu VC Kapitel 37 8 9 10 12 13 und 14

29) Hanson verweist in seinem Testimonienapparat zwar auf die Lemma-Angaben der Oreibasios-Scholien deren textuelle Abweichungen von den VC-Handschriften werden von ihm allerdings nicht vermerkt

5

10

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 19: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

[sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo = Impressionsfraktur Bruchfragmente schaumldel-einwaumlrts verlagert] Hippokrates sagt nun daszlig Hedra [Lochbruch] undsbquoDiakopeacutelsquo [sbquoDurchschlagunglsquo] das gleiche seien30 Dieser Verletzungs-typ wird so genannt weil sich im Zuge der zustandegekommenenDurchschlagung das was die Verletzung hervorgerufen hat festsetztund stecken bleibt [d h sbquoSteckschuszliglsquo] dieser Gegenstand muszlig not-wendigerweise ganz scharf sein damit er einen Durchschlag verursa-chen kann er muszlig aber auch leicht sein damit er den Schaumldelknochenweder eindruumlckt noch zum Brechen bringt Eine sbquoThlasislsquo [sbquoEindruuml-ckunglsquo] kommt naumlmlich aufgrund der Schwere der einwirkenden Objekte zustande eine Trennung aber aufgrund der Schaumlrfe Wenn nun beide Ursachen auf einmal zusammentreffen kommt es zu einersbquoEisthlasislsquo [sbquoEinwaumlrtsdruumlckunglsquo Impressionsfraktur] da die Schaumlrfedes einwirkenden Objekts den Knochen trennt die Schwere aber dasAbgetrennte nach innen druumlckt Wenn jedoch das einwirkende Objektschwer ist aber keine Schaumlrfe hat kommt entweder allein eine sbquoOsislsquo[sbquoEindellunglsquo] der betroffenen Struktur zustande oder auch eine Frak-tur im Verbund mit ihr Bei weichen Knochen wie es die von Kindernsind kommt es also zu einer sbquoOsislsquo [sbquoEindellunglsquo = sog sbquoPingpong-Frakturlsquo nach heutiger Nomenklatur] zu einer Fraktur aber bei har-ten und trockenen Knochen Beide Verletzungstypen zugleich tretenbei Knochen auf die von Natur aus eine mittlere Beschaffenheit [d hzwischen weich und hart trocken] haben

Frg 1bOrib Coll med 46213 ff CMG VI 21 2282ndash22Kommentar zu VC Kap 3Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο συνεχ2 τοBς [πρτν] πρ ατν (bdquoAus dem gleichen [Buch] im Anschluszlig an das Vo-ranstehendeldquo)

πρ τν] del Daremberg

τν δ 5λλων παθν τ2ς κεφαλ2ς μ8ν ποσκεπαρνισμς π τν νεωτIρων χειρουργν ]νομασθες κ το τ2ς 9δρας στ γIνους τ δγγε4σωμα κα M καμρωσις 9τερον αW γρ τοι γενIσεις ατν αltδεεPσ4ν gtταν μ8ν ]ξe τ τιτρσκον κ τν πλαγ4ων μερν προσπεσν τινιτν ξεχντων τ2ς κεφαλ2ς ποκψf σgμπαν ατ καλεBται μ8ν πο-σκεπαρνισμς τ τοιοτον γ4νεται δ8 κατ ψιλHν κα μνην δια4ρεσινhσπερ M 9δρα τ δ εbναι κυρτν τ σχ`ματι τ διακοπτμενον μIροςκ πλαγ4ων τε μερν μπεσεBν ατ τ τιτρσκον οδ8ν πολε4πεταιτο τρωθIντος παθIς Cς εF γ πολειφθε4η γIνοιτο iν 9δρα τηνι-κατα σαφHς κα ναμφισβ`τητος M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσιςτν ]στν μενντων κατ τHν Pδ4αν χ=ραν τν μερν το +αγIντος]στο Cς gtταν γε μH με4ναντα πρς τ βθος εFσω χωρ`σf σgνθετονJδη γ4νεται τ πθος Jτοι περιρρ`ξεως μνης προσερχομIνης U κα τ2ς

55Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

30) διακοπH γρ κα 9δρη τωτόν στιν VC 9 (III 2124 f L)

5

10

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

56 Math ia s Wi t t

15

20

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 20: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

θλσεως Tμα ατ καλοσι δI Cς εFρηται τ τοιοτον πθος νιοιτν νεωτIρων Pατρν γγε4σωμα πολλκις δ8 τ οcτως πορραγIντατν συνεχν πν π τ2ς το πλ`ξαντος ρμ2ς Sσθ πρς τ βθοςπανIρχεται σeν ατ πρς τοκτς εPς cψος ξαιρμενα ταBς ]νομα-ζομIναις καμραις Cσαgτως gtθενπερ κα τοjνομα ατ καμρωσινθεντο λοιπν δ8 τ κληθ8ν π ατν πήχημα +ωγμ` τ4ς στιν οκατ τ πληγ8ν μIρος λλ ν τIρQ γινομIνη19 πήχημα] Daremberg π4χημα Laur Plut 744 m rec ποκπημαper errorem corr Raeder

Von den anderen Verletzungen des Schaumldels ist der von den neuerenChirurgen so genannte sbquoAposkeparnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo d h sbquoBeil-schnittlsquo sbquoAbhieblsquo] vom Typ der sbquoHedralsquo das sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbil-dunglsquo] und die sbquoKamarosislsquo [sbquoGewoumllbebildunglsquo] sind dagegen etwas an-deres denn sie entstehen wie folgt Wenn das verletzende Objekt scharfist und tangential auf eine erhabene Partie des Schaumldels trifft dann wirdes sie ganz abscheren Eine Verletzung dieser Art wird nun sbquoAposke-parnismoacuteslsquo [sbquoAbaxtunglsquo] genannt Diese kommt aber in Gestalt einerschlichten und einfachen Trennung zustande wie die sbquoHedralsquo Dadurchaber daszlig der abgetrennte Teil von seiner Form her konvex ist und daszligdas Objekt welches die Verletzung hervorruft tangential auf ihn ein-wirkt bleibt nichts vom verletzten Teil unversehrt denn wenn etwasunversehrt bliebe dann kaumlme jedesmal eine deutliche und unbestreit-bare sbquoHedralsquo zustande Die Fraktur aber ist eine Kontinuitaumltstrennungdes Knochens bei der die Fragmente des frakturierten Knochens an ihrem Ort bleiben da wenn sie dort nicht blieben und nach innen indie Tiefe wichen bereits schon eine Kombinationsverletzung zustan-dekommt indem entweder allein ein Abbroumlckeln des Knochens rings-herum oder auch mit ihr [sc der Fraktur] verbunden eine sbquoThlasislsquo[sbquoEindruumlckunglsquo] hinzukommt Wie erwaumlhnt nennen einige der neue-ren Aumlrzte die Verletzung von dieser Art sbquoEngeisomalsquo [sbquoGesimsbildunglsquod h Terrassenfraktur] Wenn aber das auf diese Weise von der Konti-nuitaumlt Wegfrakturierte infolge des Drucks des einschlagenden Objektsin die Tiefe getrieben wird kehrt es oftmals wieder mit ihm nach au-szligen zuruumlck und erhebt sich in die Houmlhe ebenso wie die sogenanntenGewoumllbe woher man diesem Frakturtyp auch den Namen sbquoKamarosislsquo[sbquoGewoumllbebildunglsquo] gegeben hat Uumlbrig ist noch das was von ihnen[den neueren Aumlrzten] als sbquoEchofrakturlsquo bezeichnet wird es ist eine Artder Fraktur die nicht am Ort der Gewalteinwirkung sondern an einemdavon verschiedenen zustandekommt

Frg 2Orib Coll med 462110 CMG VI 21 22826ndash31Kommentar zu VC Kap 7Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο κα 9δρητο βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ [III 2048 L] (bdquoAus dem gleichen[Buch] von der Textstelle sbquound im Knochen entsteht eine laquoHedraraquo desGeschosseslsquoldquo)

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κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 21: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

κα 9δρη το βIλεος γ4νεται ν τ ]στIQ] Schol Vat Gr 18852 Κα9δρης γενομένης ν τ ]στέQ βέλεος VC-cod

πληττμενον δ8 τ τ2ς κεφαλ2ς ]στον π τινος τν ξωθεν +ωγμHνμνην ο δgναται παθεBν λλ ξ νγκης σgνεστι τ +ωγμ καθλσις 9δρα μIντοι κα θλσις Tμα δgναται γ4νεσθαι χωρς +ωγμ2ςεFσθλασις δ οκ iν γIνοιτο χωρς +ωγμ2ς ναγκαBον γρ στι κgκλQπεριρρ`γνυσθαι τ ]στον ltνα σω χωρ`σfWenn der Schaumldelknochen von einem von auszligen kommenden Objektverwundet wird dann kann er nicht isoliert eine Fraktur erleiden son-dern notwendigerweise ist mit der Fraktur auch eine sbquoThlasislsquo [sbquoEin-druumlckunglsquo] vergesellschaftet Eine sbquoHedralsquo freilich und eine sbquoThlasislsquokoumlnnen beide ohne Fraktur entstehen eine sbquoEisthlasislsquo [= Impressions-fraktur] aber kann nicht ohne Fraktur entstehen denn es ist notwen-dig daszlig der Knochen ringsherum kreisfoumlrmig frakturiert damit er sichnach innen verlagern kann

Frg 3Orib Coll med 46218 f CMG VI 21 22822ndash26Kommentar zu VC Kap 8Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο ]στIον τι-τρ=σκεται 5λλf τ2ς κεφαλ2ς [III 2104 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch]von der Textstelle sbquoder Knochen wird an einer anderen Stelle des Kop-fes verletztlsquoldquo)

μο4ως τ κατ τ κεραμIα τν γγε4ων gtσα κατ 5λλο τι μIροςπληγIντα κατ 5λλο τHν +ωγμHν σχεν κα γ4νεσθαι τ τοιοτον εPκςστιν gtταν Pσχυρν μ8ν Z κα πυκνν MνωμIνον τε πlσι τοBς αυτομορ4οις τ πληγIν σθεν8ς δ8 τ +αγIνAumlhnlich dem Phaumlnomen bei Tongefaumlszligen die an einer Stelle einenSchlag erhalten und an einer anderen einen Bruch aufweisen Und zuso etwas kommt es mit groszliger Wahrscheinlichkeit wenn der getroffe-ne Teil stark und in allen seinen Teilen massiv ausgebildet ist der ge-brochene aber schwach

Frg 4Orib Coll med 462115 CMG VI 21 22918ndash20Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Keines doch folgt Frg 5 das mit einem Autorenlem-ma-Scholion versehen ist unmittelbar im Anschluszlig

τν δ 5χρι μήνιγγος διασχόντων εP μ8ν εFη μόνη +ωγμή τοBς εPρημέ-νοις ξυστ2ρσι χρηστέονmiddot εP δ8 μετ θλάσεώς τινος κκόπτειν χρH τ τε-θλασμένον δι τρυπάνων τοBς κκοπεσι χρωμένουςBei den Verletzungen die bis auf die Hirnhaut reichen muszlig man dieerwaumlhnten Raspatorien gebrauchen falls eine einfache Fraktur vor-liegt wenn diese aber zusammen mit einer sbquoThlasislsquo [sbquoEindruumlckunglsquo]

57Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 22: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

besteht muszlig man das Eingedruumlckte mit Bohrern entfernen indem manMeiszligel einsetzt

Frg 5Orib Coll med 462116 f CMG VI 21 22920ndash24Kommentar zu VC Kap 9Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο τουτIων τν τρπον τ2ς κατ`ξιος [III 21010 L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der TextstellesbquoVon diesen Frakturartenlsquoldquo)

Περ τν scripsit Raeder τν cod τουτIων] Schol Vat Gr 18852 τού-των VC-cod τν τρπον] Schol Vat Gr 18852 τν τρπων VC-cod

λλ πολλκις θρως κατενεχθIντα [sc τν τρgπανον] δι φυσικHνσθIνειαν U λεπττητα τν νατιτραμIνων ]στν τρωσε τHν μ`νιγ-γα δι τοτο οOν οW νε=τεροι τοeς κυκλ4σκους ξερον καλοσι δοcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τ πIρατιAber oftmals schon hat er [sc der Bohrer] wenn er ploumltzlich herun-tergestoszligen wurde die Hirnhaut aufgrund einer natuumlrlichen Schwaumlcheoder Duumlnne der aufgebohrten Knochen verletzt Aus diesem Grundhaben die juumlngeren Aumlrzte die sbquoKykliskoilsquo [Hohlmeiszligel] erfunden Sonennen sie eine Art von Meiszligel der am Ende eine gehoumlhlte Form hat

Frg 6Orib Coll med 4671 CMG VI 21 216 Apparat zu Z 28Kommentar zu VC Kap 10Schol in Orib31

1 Laur Plut 7472 λλ κα Γαληνς ν τ πο(μν`ματι) τοΠερ σημε4ων τν ν κεφαλ τρωμτων φησ4ν μ`λωσιν δ8 ]νομζειτHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nν ποιοgμεθα καθIντες ατHν σω2 Vat Gr 18852 φησ γρ Γαληνς ν τ [το] Περ τν ν κεφαλτρωμτων μ`λωσιν δ ]νομζει τHν δι τ2ς μηλωτ4δος π4σκεψιν nνποιοgμεθα καθIντες ατHν σω1 ν τ] Hanson το Schol Laur Plut 7472 2 σημε4ων] Hanson σιμιωνSchol Laur Plut 7472 4 το] del Raeder

1 aber Galen sagt ebenfalls im Kommentar Uumlber die Zeichen derVerletzungen am Kopf bdquoSondierung aber nennt er [sc Hippokrates]die Exploration mithilfe einer Sonde die wir durchfuumlhren indem wirdie Sonde nach innen einfuumlhrenldquo

58 Math ia s Wi t t

31) Der griechische Text folgt hier nicht Raeders Edition sondern einer neuen Lesung der Scholien durch J Kollesch und D Nickel eine verbesserte Text-gestalt die bei Hanson (wie Anm 9) 38 wiedergegeben wird

5

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

5

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 23: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

2 Denn Galen sagt im Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf bdquoSondie-rung aber nennt er [sc Hippokrates] die Exploration mithilfe einerSonde die wir durchfuumlhren indem wir die Sonde nach innen einfuumlh-renldquo

Frg 7Orib Coll med 462122 f CMG VI 21 2301ndash8Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Keines doch folgt Frg 8 mit einem Autorenlemma-Scholion unmittelbar im Anschluszlig

λλ κα οcτως χει τι μοχθηρόν φ pν οδαμόθι κατ οδ8ν μέροςπορρέρηκται σαφς τ πεπονθς ]στονmiddot ναγκάζονται γρ ν πλείο-νι χρόνQ κατ βραχe πλατύνειν ατό πολλάκις πλήττοντες τοeς κκο-πέας Cς διακινεBσθαι τν gtλον γκέφαλονmiddot gtθεν νιοι τν νν Pατρνφιστάμενοι τν κυκλίσκων π τ τρύπανα παραγίνονται μlλλοντατα οOν πιστάμενός τις λέσθαι δύναται καθ κάστην διαφορνκατάγματος τν πιτηδειότατον αυτ τρόπον εPς τHν χειρουργίαν2 πορρέρηκται] Witt πορέρηκται cod

Aber auch so hat es etwas Miszligliches an sich wenn bei Patienten an keinerStelle irgendwo klar der verletzte Knochen frakturiert ist Denn dann ist man gezwungen uumlber laumlngere Zeit allmaumlhlich den Frakturspalt zu er-weitern durch zahlreiche Meiszligelschlaumlge sodaszlig dabei das ganze Gehirnheftig erschuumlttert wird Daher haben einige der jetzigen Aumlrzte Abstandvon den Hohlmeiszligeln genommen und greifen lieber zu den Bohrern InAnbetracht dessen kann somit ein Fachmann bei jeder Art von Frakturdie fuumlr sie geeignetste Verfahrensweise fuumlr seinen chirurgischen Eingriffwaumlhlen

Frg 8Orib Coll med 462124 f CMG VI 21 2308ndash13Kommentar zu VC Kap 12Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο λλ ο χρH τς+αφς ατς πρ4ειν [III 22814 L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] sbquoaberman darf nicht direkt an der Stelle der Schaumldelnaumlhte saumlgenlsquoldquo)

τς +αφς ατς] Schol Vat Gr 18852 ατς τς +αφς VC-cod

εP δ8 κα κατ ατHν τHν +αφHν εFη τ πθος [sc τ κάταγμα] κ τοπIριξ κεBθεν 5ρχεσθαι το πεπονθτος τ2ς ξαιρIσεως ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους πειδH κοινων4α δι ατν στι τοBς ξωθεν το κραν4ουσ=μασι πρς τHν παχεBαν μ`νιγγα δι μIνων τε κα φλεβνWenn sich aber die Laumlsion [d h die Fraktur] direkt in der Schaumldelnahtbefindet dann muszlig man von ihrer Umgebung aus mit der Entfernungdes verletzten Gewebes anfangen denn in den Regionen entlang derSchaumldelnaumlhte treten staumlrkere Blutungen und sbquoSympathie-induziertelsquo

59Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

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Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 24: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

Leiden auf da fuumlr die Strukturen auszligerhalb des Schaumldels vermittelsMembranen und Blutgefaumlszligen durch die Schaumldelnaumlhte hindurch eineVerbindung zur harten Hirnhaut [Dura mater] besteht

Frg 9Orib Coll med 462138 f CMG VI 21 23124ndash2321Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κεφαλ τρωμτων +ητο οδ8 πιδεBν χρH 9λκος ν κεφαλ [III 2301L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] Uumlber die Verletzungen am Kopf vonder Textstelle sbquoman darf einen Defekt am Kopf nicht verbindenlsquoldquo)

πντες δ8 σχεδν π ταBς νατρ`σεσιν οδεν τIρQ πιδοσιν λλρκονται μνf τ το κροκυφντου περιβολ κα τ χωρς να-τρ`σεως δ 9λκη κα ατ καθ gtσον οDν τε πειρlσθαι χρH θερα-πεgειν 5νευ πιδIσμων ο μνον gtτι βαρgνεται πιλουμIνων π τ2ςπιδIσεως τν πιτιθεμIνων ατοBς λλ κα διτι περαιτIρω τοπροσ`κοντος θερμα4νεται κα γρ gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δε-σις τοτο π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις παρIξει διπερ M π4δεσις κ πε-ριττο τε παραληφθ`σεται κα βρος παρIξει λυπηρτερονBeinahe alle Aumlrzte aber verbinden bei Trepanationen mit keiner zu-saumltzlichen Bandage sondern begnuumlgen sich allein mit dem Umlegen eines Netzverbands Und selbst auch die Defekte bei denen nicht tre-paniert wurde muszlig man soweit es moumlglich ist versuchen ohne Ver-baumlnde zu behandeln nicht nur weil die Defekte mit Druck belastetwerden wenn die auf sie applizierten Arzneien infolge des Verbandeszusammengedruumlckt werden sondern auch weil sich die Defekte mehrals es zutraumlglich ist erwaumlrmen Und somit wird die Pharmakonappli-kation am Kopf32 das leisten was bei den anderen Gliedmaszligen der Ver-band bewirkt Deshalb ist der Verband wegzulassen weil er unnoumltig istund weil er einen recht schmerzhaften Druck ausuumlbt

Frg 10Orib Coll med 462140 ff CMG VI 21 2321ndash17Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο Uν μH ν τμετ=πQ Z τ 9λκος [III 2301 f L] (bdquoAus dem gleichen [Buch] von derTextstelle sbquowenn der Defekt nicht an der Stirn istlsquoldquo)

Z] Daremberg εFη cod

αW δ8 κατ το βρIγματος πιδIσεις πρς τ βαρgνειν τε κα θερμα4νειντι τς γIνυς συμπεριλαμβνουσιν hστε κα δι τοτο ]χληρα κασ=δεις ποτελονται gtσα δ Tμα τ πληγ2ναι μετ οPδ`ματος γ4νεταιχαgνου τατα ο ltμόνονgt δι ατ χρqζει τ2ς πιδIσεως λλ κα δι

60 Math ia s Wi t t

32) Siehe die untenstehende Diskussion dieser Passage

5

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

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5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 25: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

τ οFδημα κα δι τοτο μαλακν σπγγον ]ξυκρτQ βρIξαντεςπιτ4θεμεν 5νωθεν δ ατο τHν μεστητα το πιδIσμου θIντεςφεξ2ς οcτως τHν ]νομαζομIνην π δυοBν ρχν π4δεσιν ποιοgμεθαχωρς δ 5λλης διαθIσεως 9λκος ν κεφαλ δι τHν κτροπHν τνχειλν πιδομεν εP μ8ν μφτερα τοτο πεπνθοι παρασκευζοντεςμ8ν π4δεσμον π δυοBν ρχν ρχμενοι δ8 τ2ς πιδIσεως ξ ντι-κειμIνης οcτω χ=ρας Cς παντ2σαι τ σκIλη το πιδIσμου κατ τ9λκος λλ`λοις εP δ8 τ 9τερον μνον κτετραμμIνον εFη π μιlςρχ2ς εPλημIνQ τ πιδIσμQ χρ=μενοι τHν πρ=την εθIως πιβολHνποιησμεθα κατ κεBνο τ μIρος νθα τ χεBλος κτIτραπται τρεBς U τIτταρας δακτgλους πIχουσαν το 9λκους Cς παγομIνου τοπιδIσμου προσγεσθαι θατIρQ χε4λει τ κτετραμμIνον4 μόνον] add Witt

Zusaumltzlich zu dem [Nachteil] daszlig die am Vorderkopf angebrachtenVerbaumlnde Druck ausuumlben und erwaumlrmen umfassen sie auch die Kinn-backen mit so daszlig sie sich schlieszliglich auch aus diesem Grund als laumlstig und hinderlich erweisen Die Verletzungen aber die zusaumltzlichzur Verwundung mit einer weichlichen Schwellung einhergehen brau-chen nicht ltnurgtwegen ihrer selbst sondern auch aufgrund der Schwel-lung einen Verband und aus diesem Grund legen wir einen weichenSchwamm auf den wir zuvor mit Essigwasser benetzt haben Oberhalbvon ihm legen wir anschlieszligend die Mitte des Verbandes an und voll-fuumlhren darauf den sogenannten Verband sbquovon zwei Endenlsquo33 Einen Defekt am Kopf der mit keinem anderen Krankheitszustand verge-sellschaftet ist verbinden wir uumlber die klaffenden Wundraumlnder hinweg[oder verbinden wir wegen der klaffenden Wundraumlnder] Wenn beideWundraumlnder dies [sc ein Klaffen] erlitten haben legen wir den Ver-band sbquovon zwei Endenlsquo an und beginnen mit dem Verband so von dergegenuumlberliegenden Seite daszlig sich die Enden des Verbandes auf demDefekt einander begegnen [d h sich uumlberkreuzen] Wenn aber nur dereine Wundrand klafft dann legen wir geradewegs die erste Lage auf jener Stelle wo der Wundrand klafft indem wir den zusammengezo-genen Verband von einem Ende gebrauchen drei oder vier Querfingerbreit von dem Defekt entfernt so daszlig beim Anlegen des Verbandes derklaffende Wundrand zum anderen hingefuumlhrt wird

Frg 11Orib Coll med 43383 CMG VI 21 1021ndash5 (Bei Oreibasios zwi-schen Frg 4a und 4b von Galens Ulc-Kommentar eingefuumlgt)Kommentar zu VC Kap 13Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν [περ τν] ν κε-φαλ τρωμτων +ητο κα τ κυκλοτερIα τν λκν [III 2341 f L](bdquoAus dem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstellesbquound die runden Defektelsquoldquo)

61Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

33) Cf Anm 53

5

10

15

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

62 Math ia s Wi t t

5

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 26: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

περ τν] del Raeder λκν] Schol Vat Gr 18852 λκέων VC-cod

δεB γρ κατ τ σχ`ματα τν ποκειμIνων μυν περιτIμνειν κα μλι-στα gtταν κα ατν τι τν μυν πεπονθς Z τοτο γρ εFς τε τHν τνολν εσχημοσgνην συντελεB ο σμικρ κα εPς τς κατ φgσινκιν`σεις τν μυνDenn man muszlig einen Defekt nach der Form der darunterliegendenMuskeln ausschneiden ganz besonders wenn auch ein Teil der Mus-keln selbst betroffen ist Dies naumlmlich traumlgt nicht wenig zur aumlstheti-schen Erscheinung der Narben und zur naturgemaumlszligen Bewegungsfauml-higkeit der Muskeln bei

Frg 12aOrib Coll med 462130 CMG VI 21 23031Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το Περ τν ν τ κεφαλτρωμτων +ητο πειτα διαμοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAusdem Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von der Textstelle sbquodannmuszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

δεB δ8 πρς τHν διθεσιν ποβλIποντας ποιεBσθαι τHν χειρουργ4ανMan muszlig aber eine chirurgische Maszlignahme durchfuumlhren indem manauf die sbquoDiatheselsquo (den zugrundeliegenden Krankheitszustand) achtet

Frg 12bOrib Coll med 462131 CMG VI 21 2315ndash10Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο +ητο πειτα δια-μοτσαι πlν τ 9λκος [III 2361 L] (bdquoAus dem gleichen Buch von derTextstelle sbquodann muszlig man den ganzen Defekt austamponierenlsquoldquo)

πlν τ 9λκος] Schol Vat Gr 18852 τ 9λκος πlν VC-cod

Anm Da bei Oreibasios der Text von Frg 13 zwischen dem vonFrg 12a und 12b steht wiederholt der Scholiast bei Frg 12b die glei-che Lemma-Angabe die kurz zuvor schon bei Frg 12a stand

μηδενς δ8 τοιοgτου γενομIνου τHν τρ4την MμIραν ναμIνειν πρτονμ8ν π8ρ το παgσασθαι τHν κ τ2ς τομ2ς αWμορραγ4αν Tπασαν πει-τα δ ltνα τ ποκε4μενον ]στον τ τομ [τ] γεγυμνωμIνον πολυθ8ντ2ς πρς τ πλησιζοντα κοινων4ας κα δι τοτο ξηρτερον ατνγενμενον κριβIστερον MμBν νδε4ξηται τHν διθεσιν3 τ] del Witt 4 ατν] Witt αυτο cod

Wenn aber nichts Derartiges vorliegt [Ruumlckverweis auf das bei Oreiba-sios voranstehende Frg 13] muszlig man den dritten Tag abwarten Erstensdamit die Blutung aus der Schnittverletzung vollstaumlndig aufhoumlrt zwei-tens damit der unterliegende Knochen der durch die Verletzung freige-

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legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 27: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

legt ist uns deutlicher seinen Krankheitszustand offenbart da er ausdem Verbund mit der Umgebung losgeloumlst ist und aus diesem Grundtrockener als sie [d h die Umgebung τ πλησιζοντα] geworden ist

Frg 13Orib Coll med 462130 CMG VI 21 2313ndash5Kommentar zu VC Kap 14Schol in Orib Schol Vat Gr 18852 π το ατο Περ τν ν τ κε-φαλ τρωμτων +ητο 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης [III 2387 f L](bdquoAus dem gleichen Buch Uumlber die Verletzungen am Kopf von derTextstelle sbquobesonders zur heiszligen Jahreszeitlsquoldquo)

κα μλιστα ν hρr θεριν κατ ταgτην γρ ναβλλεσθαι τHν χει-ρουργ4αν ο χρ` διτι θlττον Fσμεν ν ταBς θερμαBς hραις σηπμεναπνταUnd besonders zur Sommerzeit34 Zu dieser Zeit darf man naumlmlich denchirurgischen Eingriff nicht aufschieben weil wir wissen daszlig in derheiszligen Saison alles schneller fault

In Frg 1a kommentiert Galen die einleitenden Worte von VCKap 3 Beginnend mit diesem Satz beschreibt der hippokratischeAutor in VC Kap 3ndash8 folgende fuumlnf Formen von Verletzungender Schaumldelkalotte (in der angegebenen Reihenfolge) (1) +ωγμή(Spaltfraktur)35 (2) φλάσις (sbquoEindruumlckung ohne Frakturlsquo36 genau-

63Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

34) Es ist fraglich ob die Formulierung κα μλιστα ν hρr θεριν die das hippokratische Lemma 5λλως τε κα τ2ς θερμ2ς hρης variierend paraphrasiert aufGalen oder Oreibasios zuruumlckgeht Ein Textproblem (θερμ2ς vs θεριν2ς) liegt auf Sei-ten des Hippokrates-Texts jedenfalls nicht vor In den VC-Handschriften ist einheit-lich θερμ2ς uumlberliefert (cf die kritischen Apparate aller Textausgaben von VC ad loc)Daszlig Galen in seinem VC-Text wohl auch τ2ς θερμ2ς hρης las mag daraus hervorge-hen daszlig er am Ende seiner Erlaumluterung wiederum von ταBς θερμαBς hραις sprichtwie der hippokratische Autor Es besteht daher kein Anlaszlig aus der Formulierung νhρr θεριν auf eine uns aus der Primaumlruumlberlieferung nicht bekannte Variante die etwain Galens Hippokrates-Ausgabe enthalten gewesen sein koumlnnte ruumlckzuschlieszligen

35) Man beachte daszlig der Autor von VC κάτηγμα in einem viel allgemeine-ren Sinn als sbquoFrakturlsquo gebraucht weshalb dann in VC eine Fraktur sensu strictonicht mit dem Wort κάτηγμα sondern mit +ωγμ` bezeichnet wird Cf Hanson (wieAnm 9) 101 bdquoIn De capitis vulneribus the author clearly states that φλσις one ofthe types of κάτηγμα κάτηξις does not constitute a fracture Therefore he has redefined the words and they no longer mean in this context either lsquofracturersquo orlsquobreakrsquo in the context of De capitis vulneribus κάτηγμα and κάτηξις are besttranslated by the general term lsquoinjuryrsquoldquo Galen schlieszligt sich dieser hippokratischenEigenart an und bezeichnet Schaumldelfrakturen gleichfalls mit dem Begriff +ωγμ`

36) Daszlig mit einer φλάσις keine Fraktur einhergeht geht deutlich aus der hippokratischen Definition hervor Φλασθείη δ iν τ ]στέον μένον ν τ ωυτο

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

64 Math ia s Wi t t

φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

66 Math ia s Wi t t

Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 28: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

er Verletzungsmodus unklar)37 (3) σφλασις (Impressionsfraktur)(4) 9δρη (woumlrtlich sbquoSitzlsquo = Lochbruch oder Lochbruch mit sbquofestsit-zendemlsquo Projektil d h Steckschuszlig)38 und (5) Contrecoup-Fraktur(Fraktur an einer anderen Stelle als der der Gewalteinwirkungohne eigenen terminus technicus in VC spaumlter bei den hellenisti-schen Chirurgen πήχημα siehe unten) Galens Kommentierungin Frg 1a ist also zunaumlchst als eine Art sbquoUumlbersichtskommentierunglsquovon VC Kap 3ndash8 gedacht In welchem Umfang er anschlieszligend inseinem Lemmakommentar noch auf Details dieser Kapitel eingingist fuumlr uns nicht mehr erkennbar

Die ionischen Wortformen φλσις σφλασις und 9δρη ausdem hippokratischen VC erscheinen in den bei Oreibasios uumlber -

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φύσει κα +ωγμH τ φλάσει οκ iν προσγένοιτο ν τ ]στέQ οδεμίαmiddot δεύτεροςοuτος τρόπος (bdquoDer Schaumldelknochen kann eine sbquoPhlasislsquo erleiden wobei er in seinernaturgemaumlszligen Position bleibt und bei der sbquoPhlasislsquo ist im Knochen keine Frakturzusaumltzlich vorhanden Dies ist der zweite Verletzungstypldquo III 2009 L)

37) Gemeint sein koumlnnte mit φλάσις dreierlei (1) entweder ein ganz ober-flaumlchlicher Substanzdefekt des Knochens z B ein Streifschuszlig oder ein nicht pene-trierender Steckschuszlig Einen Hinweis darauf koumlnnte die Bemerkung bieten daszligeine sbquoPhlasislsquo nicht zwangslaumlufig durch die ganze Kalotte gehen muumlsse φλlται ς βαθύτερόν τε κα δι παντς το ]στέου κα vσσον ς βαθg κα ο δι παντςτο ]στέου (bdquoeine sbquoPhlasislsquo reicht tiefer und durch den ganzen Knochen hindurchoder weniger in die Tiefe und nicht durch den ganzen Knochenldquo III 20911 ff L)(2) Ebenfalls koumlnnte von einer sogenannten sbquoPingpong-Frakturlsquo die Rede sein Tat-saumlchlich begegnet diese jedoch nicht beim Erwachsenen sondern allein bei Neuge-borenen oder sehr jungen Kleinkindern bei denen die Kalotte noch aumluszligerst weichist Hier kann es zu einer lokalen Eindellung des Schaumldelknochens ohne erkennba-ren Frakturspalt kommen Der moderne Name sbquoPingpong-Frakturlsquo fuumlr diesen Ver-letzungstyp stellt eine Analogie zum Verformungsverhalten von Pingpong-Baumlllenher Bei Pingpong-Frakturen springt der Knochen naumlmlich teils spontan teils bei einer operativen Reposition elastisch in seine Ausgangslage zuruumlck Daszlig antikeAumlrzte in spaumlterer Zeit Pingpong-Frakturen mit dem Begriff θλάσις bzw θλάσμαbezeichneten (cf Anm 42) mag ein Hinweis sein daszlig sie die hippokratische φλά-σις als fruumlhkindliche Pingpong-Fraktur deuteten (3) Schlieszliglich waumlre noch denk-bar daszlig φλάσις beim hippokratischen Autor gar kein klares Verletzungsbild ausmoderner Sicht bezeichnet sondern lediglich eine unscharfe Sammeldiagnose fuumlrstumpfe Kopfverletzungen ist Cf Hanson (wie Anm 9) 102 bdquoAs used in De capi-tis vulneribus the word φλάσις (related to φλlν lsquocrushrsquo) must be regarded as a technical term redefined to describe a blunt head injury in which there is no initialevidence of skull damage φλάσις very likely became a catch-all diagnosis forpatients who did poorly in the absence of demonstrable skull damageldquo Zum Text-problem θλάσις vs φλάσις cf meine folgenden Erlaumluterungen im Haupttext

38) Cf Hanson (wie Anm 9) 100 bdquoHedrē means lsquoseatrsquo and as used here ofskull injury describes the mark made by a weapon as it strikes the skull a grooveor hole sometimes with a weapon still lsquoseatedrsquo in the skullldquo

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 29: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

lieferten Fragmenten aus Galens VC-Kommentar attifiziert alsθλσις εFσθλασις und 9δρα Fraglich ist ob diese Attifizierungerst auf Oreibasios oder schon auf Galen zuruumlckgeht Anders alsOreibasios der seine exzerpierten Texte konsequent ins Attischenormalisiert belaumlszligt Galen naumlmlich gemeinhin beim woumlrtlichen Zi-tieren hippokratischer Woumlrter Passagen oder Schrifttitel diese imionischen Dialekt39 Zwar scheint z B σφλασις ein rein hippokra-tischer Terminus zu sein der von spaumlteren Autoren nicht in der attischen Form verwendet wurde Dennoch handelt es sich hier beiGalen nicht um ein Zitieren sondern lediglich um ein Referierenhippokratischer Termini Man kann daher wohl davon ausgehendaszlig bereits Galen die attifizierten Versionen dieser Verletzungsfor-men verwendete Galens Kommentierung der fuumlnf hippokratischenFormen von Schaumldelverletzung ist auch in textkrischer und sach -licher Hinsicht nicht unproblematisch Anstatt der Contrecoup-Fraktur nimmt er als fuumlnften Typ eine sogenannte aσις an ( kind -liche Kalotten-Eindellung ohne Fraktur sogenannte sbquoPingpong-Frakturlsquo)40 die in VC an fuumlnfter Stelle weder namentlich noch sinn-gemaumlszlig erwaumlhnt wird Allenfalls koumlnnte dieser Verletzungstyp in dieφλάσις den zweiten hippokratischen Verletzungsmodus hinein -interpretiert werden41 ndash doch erwaumlhnt Galen die θλάσις zuvor ge-sondert in anderer Bedeutung Im uumlbrigen wird eine Pingpong-Fraktur bei antiken Autoren nirgends unter dem Namen aσις gefuumlhrt (ein in Frg 1a singulaumlrer Terminus fuumlr eine Schaumldelverlet-zung) sondern zumeist als θλάσμα bezeichnet42 Durch die An-

65Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

39) Cf M Witt Weichteil- und Viszeralchirurgie bei Hippokrates Ein Re-konstruktionsversuch der verlorenen Schrift Περ τρωμτων κα βελν (De vulne-ribus et telis) Berlin New York 2009 62 Anm 137 und 201 Anm 326

40) Cf Anm 37 unter (2)41) Wie dies offenbar schon antike Aumlrzte taten cf Anm 37 unter (2) und

Anm 4242) Auch Galen selbst () bezeichnet andernorts eine Pingpong-Fraktur als

θλάσμα (Morb caus 11 VII 3812ndash16 K) Dem gleichen Sprachgebrauch folgender Autor der pseudogalenischen Definitiones medicae (Def 324 XIX 43216 ffK) Soran (De signis fracturarum 9) und Heliodor (Kap Περ θλάσματος bei Orei-basios Coll med XLVI 171) Soran erklaumlrt die Pingpong-Fraktur anschaulich an-hand einer Analogie der leichten Verformbarkeit von Leder- oder Bleibehaumlltnissen(δερμτινοι U μολύβινοι λ`κυθοι) Paulos von Aigina (VI 902) nimmt gewisser-maszligen eine Sonderstellung unter diesen Autoren ein Er fuumlhrt einen Verletzungstypnamens θλάσις an der keine Fraktur sei da die Knochenkontinuitaumlt nicht getrenntwerde (χωρς το λυθ2ναι τHν συνέχειαν) und zieht wie Soran eine Parallele zur

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 30: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

nahme einer aσις als fuumlnften Verletzungstyp kommt es bei Galenzu einer Unschaumlrfe bzw Uumlberlappung der Verletzungstypen θλά-σις und aσις Da diese Probleme eine ausfuumlhrlichere textkritischeund sachliche Betrachtung verlangen sollen sie nicht hier sondernin einem gesonderten Aufsatz beleuchtet werden43

Frg 1b das laut dem zugehoumlrigen Scholion unmittelbar anFrg 1a anschlieszligt ergaumlnzt zusaumltzliche vom hippokratischen Autornicht genannte Typen von Schaumldelverletzungen mitsamt den Na-men die diese von alexandrinischen Chirurgen (π τν νεωτIρωνχειρουργν) erhielten Die Begriffe γγε4σωμα und καμρωσιςwurden schon zuvor von Galen in der MM gebraucht (X 4499 fK) im Gegensatz zu den beiden Begriffen ποσκεπαρνισμς undπήχημα die in Frg 1b zum ersten Mal fallen44 Einer von ihnenπήχημα (woumlrtlich sbquoEcho-Frakturlsquo)45 bezeichnet eine Contre-coup-Fraktur Erstaunlich ist daszlig diese von Galen nicht zuvor un-ter die fuumlnf Typen hippokratischer Schaumldelverletzungen gerechnetwurde sondern in Frg 1b als zusaumltzlicher Typ eingefuumlhrt wird In

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Verformbarkeit von Bronze- und Ledergefaumlszligen (χαλκ τε κα Sμοβύρσινα γγεBα)Doch erwaumlhnt Paulos nicht wie die anderen vier Autoren daszlig ein solcher Verlet-zungstyp nur bei Kleinstkindern zustandekommt Paulos scheint vielmehr der De-finition von φλάσις im hippokratischen VC verpflichtet zu sein da er zwei Formenvon θλάσις unterscheidet eine die den Schaumldelknochen nur oberflaumlchlich bis zurDiploeuml verletzt und eine andere die die Kalotte in ihrer gesamten Dicke betrifft(Unterscheidung exakt wie in VC Kap 5 III 20911 ff L cf Anm 37) Auffaumlllig istweiterhin daszlig Paulos den Begriff θλάσις mit dem Synonym aσις (lediglich als er-klaumlrendes Wort nicht als Terminus technicus) erklaumlrt Dies koumlnnte ein Hinweis seindaszlig Paulos Galens VC-Kommentar kannte (vgl Frg 1a) Paulos waumlre dann aller-dings nicht Galens unklarer Unterscheidung zwischen θλάσις und aσις gefolgt

43) Die fuumlnf Formen von Schaumldelverletzungen im hippokratischen De vul-neribus in capite ndash textkritische und sachliche Probleme im Spiegel von Galens Re-zeption (in Vorbereitung)

44) Die vier sbquomodernistischenlsquo Termini καμρωσις γγε4σωμα ποσκεπαρ-νισμς und πήχημα finden sich auch in Sorans De signis fracturarum wieder (4151 71 und 81)

45) Anstelle von πήχημα schreibt Raeder ποκπημα und konjiziert hier-mit ein sonst unbelegtes Wort das uumlberdies nicht in den Kontext paszligt Im Gegen-satz dazu ist πήχημα ein gut belegter Begriff fuumlr Contrecoup-Frakturen Cf diepseudogalenischen Traktate Introductio seu medicus Kap 171 (XIV 77716 K)und Definitiones medicae Nr 316 (XIX 43115 f K) des weiteren Sorans De sig-nis fracturarum 11 und 81 (CMG IV 155 u 156) und Paulos von Aiginas Epito-mae medicae VI 902 (CMG IX 2 13710) Paulosrsquo Kapitel mag unter anderem aufSorans De signis fracturarum basieren denn es gibt zwischen beiden Kapiteln sti-listische und inhaltliche Uumlbereinstimmungen

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 31: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

der auf uns gekommenen Textgestalt der Schrift VC ist schlieszliglicheine Contrecoup-Fraktur eindeutig in Kap 8 als fuumlnfter Verlet-zungstyp beschrieben (wenn auch ohne zugehoumlrigen Fachtermi-nus) Zu erwarten gewesen waumlre eigentlich daszlig Galen diesen Frak-turtyp schon in Frg 1a behandelt gegebenenfalls unter Nennungdes alexandrinischen Namens und verbunden mit dem Hinweisdaszlig Hippokrates fuumlr diesen Frakturtyp keinen eigenen Namen verwendete Die Frage wieso die Contrecoup-Fraktur von Galennicht unter die fuumlnf hippokratischen Verletzungstypen gerechnetwurde soll nun aber auch nicht hier sondern in dem in Anm 43angekuumlndigten Aufsatz behandelt werden Abgesehen von weite-ren Frakturtypen begegnen in Frg 1b zwei Konzepte die aus derMM wohlbekannt sind ein weiteres Mal (1) die KrankheitsklassesbquoKontinuitaumltstrennunglsquo (M +ωγμH δ8 συνεχε4ας στ λgσις τν]στν) und (2) die Unterscheidung zwischen einfachen und zu-sammengesetzten Krankheiten (σgνθετον Jδη γ4νεται τ πθος)

Frg 2 und Frg 3 handeln beide von Pathomechanik In Frg 2wird die Frage behandelt welche Arten von Schaumldelverletzungenalleine und welche im Verbund mit anderen vorkommen46 Da Ga-len hier ausdruumlcklich hervorhebt daszlig die Verletzungstypen 9δραund θλσις auch bdquofuumlr sich ohne Frakturldquo (Tμα χωρς +ωγ-μ2ς) auftreten koumlnnen wird nochmals deutlich daszlig der Begriff+ωγμή speziell die Spa l t f r ak tur meint Eine Lochfraktur (nachunserer Nomenklatur) ist dagegen fuumlr Galen keine Fraktur son-dern eine andere Verletzungsentitaumlt mit eigenem Namen (9δρα) In Frg 3 erklaumlrt Galen den Pathomechanismus einer Contrecoup-Fraktur ohne daszlig er den spezifischen Fachterminus (πήχημα)nochmals erwaumlhnt Zur Veranschaulichung wird auf die Analogieeines Keramikgefaumlszliges zuruumlckgegriffen Wenn das Gefaumlszlig an einerStelle wo dessen Wandungen dick sind einen Stoszlig erhaumllt dannbricht es dort wo es weniger massiv ist47 d h wo es (modern in-

67Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

46) Diese Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten De-fekten ist ein zentrales Thema in Buch 3 der Methodus medendi (cf X 162 167 und225 K)

47) Die Beschaumldigungsmechanismen bei Behaumlltnissen bzw Gefaumlszligen schei-nen als Analogie zur Erklaumlrung von Schaumldelverletzungen beliebt gewesen zu sein(cf auch Anm 42 und 48) Einen guten Uumlberblick uumlber die Angaben zur Contre-coup-Fraktur von der Antike bis zur Neuzeit liefert Doepfner (K Doepfner DieContrecoup-Quetschung des Hirns und die Contrecoup-Fraktur des SchaumldelsDeutsche Zeitschrift fuumlr Chirurgie Bd 116 [1912] Nr 1 44ndash68 [bes 45ndash54])

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

68 Math ia s Wi t t

48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 32: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

terpretiert) den auftretenden Tensionskraumlften am wenigsten stand-halten kann48

Frg 4ndash7 befassen sich mit chirurgischen Instrumenten und ihrer Verwendung In Frg 4 werden zwei Arten von Trepanationfuumlr eine Fraktur die bis auf die harte Hirnhaut (Dura mater) reichtbeschrieben Bei einer einfachen Fraktur wird der Schaumldel mit Ra-spatorien (ξυστ2ρσι) eroumlffnet bei einer Impressionsfraktur werdenhingegen Trepane (τρgπανοι) und Meiszligel (κκοπεBς) gebraucht DieBeschreibung bzw Definition eines Hohlmeiszligels gibt Galen inFrg 5 (καλοσι δ οcτως κκοπIων εbδς τι κεκοιλασμIνον π τπIρατι) Seinen Bemerkungen in diesem Fragment zufolge wurdedieses Instrument von alexandrinischen Chirurgen erfunden ummechanische Verletzungen der Hirnhaumlute bei einer Trepanation zuminimieren Dieser Hohlmeiszligel wird bereits in der MM erwaumlhntdort aber nicht beschrieben Frg 6 ist rein lexikalisch und gibt eineDefinition fuumlr das Wort μ`λωσις (sbquoSondierunglsquo) In Frg 7 berichtetGalen daszlig einige seiner zeitgenoumlssischen Aumlrztekollegen (νιοι τννν Pατρν) es vorzoumlgen bei einer Eroumlffnung des Schaumldels einenTrepan anstelle eines Meiszligels zu gebrauchen um eine Gehirner-schuumltterung zu vermeiden Praktische chirurgische Hinweise ent-haumllt Frg 8 Die Entfernung von frakturiertem Schaumldelknochen sollte in Arealen jenseits der Schaumldelnaumlhte wenn dort der Bruch erfolgte durchgefuumlhrt werden Galen bemerkt daszlig extrakranielleGefaumlszlige und (sbquosehnigelsquo) Membranen mit dem Inneren des Schaumldelskommunizieren Wenn die Gebiete der Schaumldelnaumlhte in die Ope -ration miteinbezogen wuumlrden resultiere hieraus ein erhoumlhtes Blu-tungsrisiko sowie sbquosympathetische Erkrankungenlsquo (Galen meint

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48) Kritik an einer solchen Analogie findet sich bei Paulos von Aigina 6902τιν8ς δ8 ταύταις ταBς διαφοραBς κα τ πήχημα προστεθήκασιν gtπερ στ κατατοeς +2ξις κρανίου κατ τ ντικείμενα τν πεπληγμένων γινομένη μερνπλαννται δ8 οuτοιmiddot οδ8 γρ hσπερ π τν αλίνων γγείων Cς ατοί φασινκνταθα γίνεται κεBνα μ8ν γρ δι τ εbναι κεν τοτο πάσχει τ δ8 κρανίονπλ2ρές στιν κα 5λλως Pσχυρόν (bdquoVerschiedene Aumlrzte haben aber diesen unter-schiedlichen Verletzungstypen auch das sbquoApechemalsquo an die Seite gestellt dies istnach ihrer Darstellung eine Schaumldelfraktur die an der Seite zustande kommt die der die den Aufschlag erlitten hat gegenuumlberliegt Sie irren sich aber Denn nicht inder Art wie es bei Glasgefaumlszligen der Fall ist entsteht sie [sc die Fraktur] auch dort[sc am Kopf] wie sie meinen Bei Glasgefaumlszligen tritt dies naumlmlich auf weil sie leersind der Schaumldel ist aber gefuumlllt und im uumlbrigen auch stabilldquo [CMG IX 2 13710 ff]Diese Stelle zeigt zumindest daszlig nicht allein Galen sich der Analogie von Gefaumlszligenzur Erklaumlrung der Contrecoup-Fraktur bediente

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

69Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 33: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

anscheinend neurologische Symptome wie Kraumlmpfe) ν γρ τοBςκατ τς +αφς χωρ4οις αWμορραγ4αι τε γ4νονται κα συμπθειαιμε4ζους49 Frg 9 und 10 handeln beide von Verbaumlnden In Frg 9

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49) Galens Konzept der sbquosympathetischenlsquo Erkrankungen ist ein Versuch zu erklaumlren wie nach peripheren Traumata sekundaumlr auch die nicht von der Verletzungbetroffenen Hauptorgane des Koumlrpers (κύρια μόρια) symptomatisch werden koumlnnen(vom modernen Standpunkt aus handelte es sich hierbei wohl zumeist um Folgen einer Tetanusinfektion) Eine solche sbquoSympathielsquo komme durch die Leitungsstruktu-ren zustande die mit dem jeweiligen Hauptorgan verbunden seien Wird z B ein Nervverletzt koumlnne dieser die Laumlsion an das mit ihm verbundene Gehirn sbquoweiterleitenlsquo wo-raus eine vom Gehirn ausgehende Symptomatik resultiert In Frg 8 erwaumlhnt Galendaszlig ein Krampf hervorgerufen werden koumlnne wenn bindegewebige () Strukturenvom Chirurgen verletzt wuumlrden der Pergamener ist naumlmlich der Ansicht daszlig binde-gewebige Fasern durch die Suturen des Schaumldels mit dem Gehirn kommuniz ieren In der Antike wurden einzelne Gewebe mit Qualitaumltsadjektiven auf -δες bezeichnet(τ σαρκδες [sbquodas Fleischigelsquo = das Fleischgewebe] τ νευρδες [sbquodas Nervigelsquo = dassbquoNerven-lsquoGewebe] usw) Da diese Qualifikation rein morphologisch ist umfaszligt dieKategorie des sbquoNerven-lsquoGewebes alle derben und weiszliglichen Strukturen des Koumlrpersneben eigentlichen Nerven also auch Sehnen Faszien usw Nun wurden die verschie-denen Arten von νευρδες-Strukturen in der Praxis kaum auseinandergehalten auchvon denjenigen nicht die anatomisch und physiologisch versiert und sich prinzipielluumlber den Unterschied von Nerven Sehnen usw im Klaren waren dies ist nicht seltenselbst noch bei Galen der Fall Somit uumlberrascht es nicht daszlig man der Ansicht warnicht nur die eigentlichen Nerven sondern auch Sehnen Faszien oder Ligamente sei-en imstande eine Erkrankung an das Gehirn sbquoweiterzuleitenlsquo da sie ja mit ihm sbquover-bundenlsquo seien Galens Theorie der Kommunikation bindegewebiger Strukturen mitdem Schaumldelinneren laumlszligt sich allerdings anatomisch noch genauer erklaumlren Das Peri-kranium (die aumluszligere Knochenhaut des Schaumldels) haftet nur lose an den Schaumldelkno-chen mit Ausnahme der Suturen (Schaumldelnaumlhte) mit denen es fest verbunden ist Jederder die Anatomie des Schaumldels untersucht ist ohne weiteres in der Lage makrosko-pisch zu beobachten daszlig die Fasern des Perikraniums in die Schaumldelsuturen zwischenden Knochen buchstaumlblich sbquoeintauchenlsquo So mag Galen den Eindruck gewonnen ha-ben daszlig die Fasern des Perikraniums mit dem Gehirn sbquokommunizierenlsquo und folglichimstande seien Kraumlmpfe zu verursachen Eng verbunden mit diesem Thema ist Galensausfuumlhrliche Diskussion in der MM ob ein Schnitt in das groszlige Netz (Omentum maius) das von seiner Struktur her auch als νευρδες (d h zur Gewebsklasse der Ner-ven und Sehnen zugehoumlrig) angesehen wurde Kraumlmpfe verursachen koumlnne εP συμ -πάσχειν ατ [sc τ πιπλόQ] τι μέλλει μέλος κύριον U μH συμπάσχεινmiddot κα γάρ τοινευρώδης φαίνεται κατά γε τHν πρόχειρον φαντασίαν [sc τ πίπλοον]hστε εP μή τις κριβς εPδείη τHν φύσιν ατο μήποτ iν θαρρήσf βρόχQ χρήσασθαιφόβQ σπασμο (bdquo ob irgend ein Hauptorgan vom Omentum mitgeschaumldigt wirdoder nicht Denn das Omentum erscheint auf den ersten Blick von Nervenstrukturzu sein [νευρώδης] so daszlig jemand der seine Beschaffenheit nicht genau kennt nie-mals wagen wird eine Ligatur zu verwenden aus Angst vor einem Krampfldquo X 4229 ffK) Trotzdem kommt Galen in diesem Fall zum Ergebnis συμπάθειαν δ8 νεύρων οφοβηθησόμεθα (bdquowir werden aber nicht befuumlrchten daszlig Nerven [sc bei einem Ein-griff am Omentum] mitgeschaumldigt werden [koumlnnten]ldquo X 4237 K)

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

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50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

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51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

74 Math ia s Wi t t

Page 34: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

wird berichtet daszlig fast alle Aumlrzte nach einer Trepanation davonAbstand naumlhmen den Kopf zu bandagieren da ein normaler Ver-band Druck auf die Wunde ausuumlbe und diese erwaumlrme Die trepa-nierte Stelle werde von den Aumlrzten nur mit einem Netzverband bedeckt (μνf τ το κροκυφντου περιβολ) Einzig vom sbquopneu-matischenlsquo Chirurgen Heliodor (2 Haumllfte des 1 Jh n Chr) ist unssoweit ich sehe im Kontext einer Schaumldeltrepanation eine ver-gleichbare Bemerkung uumlberliefert δεB τHν gtλην κεφαλHν ρίQσκεπάσαι πάντα δ8 τατα συνέχεται οκ πιδέσει δι τ βάροςλλ κεκρυφάλQ ltνα συνέχηται μέν μH βαρύνηται δ M μ2νιγξ(bdquoman muszlig den ganzen Kopf mit Wolle bedecken all dies aberwird wegen des Drucks nicht mit einer Bandage fixiert sondern miteinem Netzverband damit die Hirnhaut zwar fixiert aber nicht mitDruck belastet wirdldquo Heliod ap Orib Coll med 461912 CMGVI 21 2266ndash8) Bei Heliodor wird der Netzverband anders als beiGalen nicht mit dem Wort κροκύφαντος sondern als κεκρύφαλοςbezeichnet50 Auch in der Methodus medendi (Buch 66 am EndeX 451ndash453 K) behandelt Galen ausfuumlhrlich das Thema sbquoVerbaumlnde

70 Math ia s Wi t t

50) Da diese Stellen die einzigen sind an denen κροκύφαντος und κεκρύφα-λος in medizinischem Kontext begegnen laumlszligt sich die genaue Bedeutung dieser Vo-kabeln nur erschlieszligen Das Wort κροκύφαντος ist offensichtlich aus κρόκη (Faden)und φαίνειν (weben) zusammengesetzt bedeutet also sbquoFadengewebelsquo (so auch inder Suda [κ 2458] erklaumlrt Κροκύφαντοςmiddot gtτι δι κρόκης φαίνεται [Witt ποφαί-νεται cod]) Daszlig das Wort nicht wie zu erwarten κροχύφαντος lautet koumlnnte demUmstand geschuldet sein daszlig es in einem psilotischen Dialekt etwa dem Ionischengepraumlgt wurde (ein Hinweis auf die nicht-attische Herkunft mag aus der folgendenAngabe des Etymologicum Gudianum hervorgehen Κροκύφαντος gtτι δι κρόκης[Witt κρόκου cod] φαίνεταιmiddot οW δ8 wττικο κεκρύφαλον ατν καλοσιν ndash bdquo die Attisch Sprechenden nennen aber den sbquoKrokyphantoslsquo sbquoKekryphaloslsquoldquo) Antikeund byzantinische Lexikographen (Erotian Glosse κ 54 Eustathios Comm HomIliad zu Vers Χ 469 Etymologicum Gudianum) erwaumlhnen daszlig es sich beim κροκύ-φαντος um eine Art Kopfbedeckung handelte bleiben aber die genauere Beschrei-bung schuldig Als Synonym wird stets κεκρύφαλος angegeben Bei diesem handeltes sich nun um ein Haarnetz bzw eine Netzhaube der Frauen weniger um einSchweiszligtuch wie es der Scholiast der vorliegenden Heliodor-Stelle bei Oreibasiosmoumlchte Schol Laur Plut2 zu κεκρυφάλQ τουτIστι τ γυναικε4Q ναδIσμQ τ ννκαλουμIνQ σουδαρ4Q (bdquomit einem Kekryacutephalos das heiszligt mit dem Frauenhaar-band das man jetzt sbquoSchweiszligtuchlsquo nenntldquo) Da Galen in Frg 9 den κροκύφαντοςdeutlich in Gegensatz zur π4δεσις setzt ebenso wie Heliodor den κεκρύφαλοςliegt es nahe anzunehmen daszlig es sich bei beiden um ein nichtokklusives grobma-schiges Geflecht handelte wohl vergleichbar unserem modernen NetzverbandDieser ist kein eigentlicher Verband sondern ein elastisches Netz das zur Fixierungvon Arzneimitteltraumlgern z B wirkstoffgetraumlnkten Kompressen dient

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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Page 35: DIE VERLORENEN GALEN-KOMMENTARE ZU DEN … · 2014. 3. 26. · Raeders Oreibasios-Edition (Corpus Medicorum Graecorum) auf die Bedeutung der zahlreichen Oreibasios-Scholien aufmerksam,6

bei Kopfverletzungenlsquo Bei der Frakturversorgung generell siehtGalen als wichtige Funktion von Verbaumlnden das sbquoAusdruumlcken vonuumlberfluumlssigen Saumlftenlsquo um die Frakturstelle herum an (eine Art hu-moralpathologischer sbquoOumldemprophylaxelsquo mittels sbquoantiphlegmonouml-semlsquo Verband [cf X 450ultf K]) Dies geht deutlich aus mehrerenPassagen im Kapitel zur allgemeinen Frakturversorgung (MM 65)hervor51 Anders als bei allen uumlbrigen Frakturen ist nach Galen bei Kopfverletzungen eine derartige sbquomechanische Reinigunglsquo desWundareals von zustroumlmenden Saumlften nicht moumlglich (cf X 4511 ffK) Der gleiche Effekt werde bei Kopfverletzungen deshalb auf anderem Wege erreicht ndash indem man die Schaumldelkalotte fenstert(trepaniert) Hierdurch koumlnnten die sbquouumlberfluumlssigen Saumlftelsquo durch dieTrepanationsstelle hindurch nach auszligen drainieren (cf X 4526 ffK) Vor dem Hintergrund dieser Informationen wird klar daszlig sichGalens Bemerkung in Frg 9 gtπερ π τν 5λλων μερν M π4δεσις παρIξει (bdquowas bei den anderen Gliedmaszligen der Verband be-wirktldquo) wohl auf eben diese Drainage des Frakturareals bezieht diebei Kopfverletzungen nicht durch einen Verband erreicht werdenkoumlnne Scheinbar im Widerspruch zur MM (bei KopfverletzungenTrepanation anstelle von Verband) wird nun aber in Frg 9 erwaumlhntdaszlig sbquoM θIσιςlsquo bei Kopfwunden die Funktion eines Verbandes alsodie einer Wunddrainage uumlbernehme Es ist auf den ersten Blick unklar was hiermit gemeint ist da θIσις keine in diesen Kontextpassende medizinische Sonderbedeutung hat52 Am wahrschein-lichsten erscheint es daszlig θIσις die zuvor erwaumlhnten πιτιθIμεναwiederaufnimmt π τ2ς κεφαλ2ς M θIσις waumlre dann nichts ande-res als eine π4θεσις die durch eine Ortsbestimmung erweitert wur-

71Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

51) κθλίβειν μ8ν [sc τοeς πιδIσμους] ξ κείνων τν μορίων τοeς χυ-μοeς (bdquodie Verbaumlnde druumlcken aus jenen Koumlrperteilen die Saumlfte ausldquo X 43210 f K)M π4δεσις φλεγμονHν γρ οδεμίαν άσει συστ2ναι περ τ κάταγμα (bdquoder Ver-band laumlszligt nicht zu daszlig um den Bruch herum irgendeine sbquoPhlegmonelsquo entstehtldquoX 43217 ff K) τ περιττν γρν κθλίβεσθαι πάντων τν περ τ κάταγμα μο-ρίων (bdquodie uumlberfluumlssige Feuchtigkeit wird aus allen Arealen um die Fraktur herumausgedruumlcktldquo X 43314 f K)

52) Die einzige medizinische Sonderbedeutung des Wortes θIσις begegnet in knochenchirurgischem Kontext wo θIσις im hippokratischen SprachgebrauchsbquoPositionlsquo oder sbquoHaltunglsquo heiszligt (οκέτι τατα τ σχήματα πιτήδειά στιν λλ MεθεBα θέσις bdquo dann sind nicht mehr diese Haltungen geeignet sondern die ge-rade Positionldquo Hipp Artic 69 IV 2881 L wiederaufgenommen von Galen InHipp de artic comm XVIIIa 72210 f K) Diese Bedeutung macht vorliegend je-doch keinen Sinn und scheidet daher aus

de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

72 Math ia s Wi t t

53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

Muumlnchen Math ia s Wi t t

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de Wohl aus euphonischen Gruumlnden erscheint hier π4θεσις inTmesis (π θIσις) und nicht als Vollform unter Wiederholungdes π4 (π π4θεσις) 0π4θεσις meint dabei offenkundig eineArzneimittelapplikation wie aus folgender Passage hervorgeht Pατρς καθαρν μ8ν ργαζόμενος τ 9λκος πιθέσει φαρμάκου κα-θαίροντος (bdquoder Arzt reinigt die Wunde durch die Applikationeines reinigenden Arzneimittelsldquo De const art med ad Patroph12 I 2654 f K) Waumlhrend hierdurch das semantische Problem derθIσις behoben waumlre bleibt jedoch der inhaltliche Widerspruch zurMM bestehen wo ausdruumlcklich erwaumlhnt wurde daszlig allein ein Arzneimittel Kopfverletzungen nicht hinreichend reinigen koumlnneφάρμακόν [ π4θεσις] τε οδ8ν οδ π τν 5λλων μερν 5νευ τ2ςπιδέσεως Wκανν ξηρν κα πέριττον ργάσασθαι τ κατεαγός(bdquound kein Arzneimittel ist auch nicht an anderen Koumlrperpartienimstande ohne [zusaumltzlichen] Verband die Fraktur trocken undvon uumlberfluumlssigen Saumlften frei zu haltenldquo MM 66 X 4524 ff K)Der uns erhaltene Kontext von Frg 9 des VC-Kommentars bietetindes keine weiteren Informationen mit denen diese inhaltlicheDiskrepanz zur MM erklaumlrt werden koumlnnte Ungeklaumlrt bleibt da-her die Frage weshalb einige Kopfverletzungen untrepaniert ver-bleiben konnten (τ χωρς νατρ`σεως δ 9λκη) handelte es sichhier vielleicht um leichtere Verletzungen Ebenso ist nicht plau-sibel zu machen weshalb in Frg 9 eine Arzneimittelapplikation(π4θεσις) anstelle eines Verbandes zum Trocknen der Verletzungfuumlr ausreichend erachtet wird waumlhrend es doch in der MM hieszlig amKopf trete die Trepanation ans te l l e eines sbquoantiphlegmonoumlsenlsquoVerbandes da ein Pharmakon nicht genuumlgend trocknen koumlnne Un-beantwortet bleibt ferner weshalb Galen ein Zusammendruumlckender aufgetragenen Pharmaka (πιλουμIνων π τ2ς πιδIσεως τνπιτιθεμIνων) als nachteilig einschaumltzte

Frg 10 erlaumlutert die Anlage eines Verbands am Kopf derbdquoBandage von zwei Enden herldquo genannt wird (M ]νομαζομIνη πδυοBν ρχν π4δεσις)53 Nach moderner Nomenklatur handelt es

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53) Andernorts definiert Galen diesen Verbandstyp wie folgt M δ8 πίδεσιςπ δυοBν ρχν γιγνέσθω καλοσι δ οcτως gtταν τ μέσον gtλον το τελαμνοςπιβάλληται τ πεπονθότι τόπQ τν κεφαλν δ κάτερον πάγηται πρς τ ντι-κείμενον (bdquoMan lege aber einen Verband sbquovon zwei Enden herlsquo an So aber nenntman ihn wenn die genaue Mitte der Bandage auf die verletzte Stelle aufgelegt wirdund dann jedes der Enden [woumlrtl sbquoKoumlpfelsquo] zur gegenuumlberliegenden Seite wegge-fuumlhrt wird Comp med gen XIII 68510 ff K) Aumlhnliche Beschreibungen liefert

sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

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der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

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sich hierbei um einen sogenannten sbquozweikoumlpfigenlsquo Verband (danicht nur mit einem sondern mit beiden aufgerollten Enden[= Koumlpfen] der Bandage gewickelt wird) Bei Schaumldelverletzungendie mit einer Schwellung (οFδημα) vergesellschaftet sind wird nachGalen ein solcher Verband am Schaumldel angewandt um die Schwel-lung bzw die verursachenden Saumlfte sbquozuruumlckzudraumlngenlsquo54

Fragment 11 befaszligt sich einmal mehr mit praktischen Aspek-ten der Chirurgie hier wird die bemerkenswerte Anweisung gege-ben daszlig chirurgische Inzisionen der Form der darunterliegendenMuskeln folgen sollten sowohl um aumlsthetisch schoumlne Narben () zuerhalten (εFς τHν τν ολν εσχημοσgνην) als auch um kuumlnftigdie physiologische Bewegungsfaumlhigkeit der Muskeln zu gewaumlhr-leisten (εPς τς κατ φgσιν κιν`σεις τν μυν)55 Die Frg 12ndash13 fo-kussieren dagegen die Operationsplanung Frg 12a betont daszlig dieZeit fuumlr einen chirurgischen Eingriff durch die διάθεσις einer Wun-de (sbquoVerfassunglsquo sbquoKrankheitszustandlsquo) bestimmt werden solle Dersich anschlieszligende Kontext (ein Exzerpt aus einer anderen Galen-schrift) zeigt daszlig Galen hiermit meint daszlig bei komplizierten Wun-den (z B Impressionsfrakturen oder Schaumldelverletzungen die miteiner Verletzung der Gehirnhaumlute vergesellschaftet sind) der chi-rurgische Eingriff nicht aufgeschoben werden duumlrfe Bei Faumlllen diekein besonders eiliges Vorgehen erfordern (Frg 12b) wird dagegen

73Die verlorenen Galen-Kommentare zu Ulc und VC

der Pergamener an zwei weiteren Stellen In Hipp Off med comm XVIIIb75812 ff K und In Hipp fract comm XVIIIb 56411 f K An letzterer Stelle wirddie durch die Wickeltechnik bedingte kreuzweise Lage der Bandagen beschriebenγενέσθαι τHν συμβολHν ατ τ Χ γράμματι παραπλησίαν (bdquoso daszlig die Wickelunggenau dem Buchstaben Chi gleichtldquo 56417 f K) Daneben begegnet schon seit demhippokratischen Fract die Formulierung π δύο [sic] ρχν πιδεBσθαι (Fract 29III 51413 L cf auch Ps-Gal Fasc 59 [XVIIIa 8071 K] 68 [81016 K] 89 [8189K] Soran Fasc 9 10 14 15 16 21 [CMG IV 16028 1615 u 29 1626 u 1316310] und Orib Coll med 4838 4839 40 u 45 [CMG VI 21 28127 2824 f u14 u 28313])

54) Eine hierzu analoge Therapie wird in der MM im Kapitel zur Fraktur-behandlung (65) beschrieben In X 432 ff gibt Galen Hinweise wie man mithilfeeiner speziellen Bandagetechnik von einem gebrochenen Knochen die Saumlfte sbquozu-ruumlckdraumlngenlsquo koumlnne

55) Vergleichbare Anweisungen finden sich in einer Passage uumlber Abszeszlig-chirurgie bei Oreibasios (Coll med 445 CMG VI 21 118) einem Exzerpt aus densbquopneumatischenlsquo Chirurgen Antyllos und Heliodoros (0κ τν wντύλλου κα yλιο-δώρου Χειρουργία ποστημάτων) Hierin wird ebenfalls beschrieben aus welcherSchnittfuumlhrung aumlsthetisch befriedigende Narben resultieren auch werden hier Inzi-sionen parallel zum Verlauf der Muskelfasern empfohlen

empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

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empfohlen vor der chirurgischen Intervention drei Tage zu wartendamit waumlhrend dieser Zeit die akute Blutung zum Stehen kommtund der Knochen soweit austrocknet daszlig sein gegenwaumlrtigersbquoKrankheitszustandlsquo (διάθεσις) besser bestimmt werden kann ImSommer sei jedoch diese Wartezeit kontraindiziert so ergaumlnztFrg 13 da es in dieser Jahreszeit zu einer beschleunigten Faumlulnissaumlmtlicher Wunden komme

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