Die VIP-Lounge an der Imbissbude

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Marktplatz Kaiserslautern Redaktion: mssw Print-Medien Service Südwest GmbH, „Marktplatz Kaiserslautern“, Pariser Stra- ße 16, 67655 Kaiserslautern, Kirsten Reuschen- bach (knr/verantw.), Sandra Hartmann (saha) Anzeigen: Ulf Spannagel (verantw.), Thomas Vorländer ... dass ich zwei Kin- der habe, die mir viel Kraft geben. In man- chen Bereichen hat sich mein Leben durch sie ganz schön verändert, in anderen dagegen überhaupt nicht. So oder so be- reichern die beiden mein Leben“, sagt Ra- mona Müller. (olk/Fo- to: olk) Was macht Ihnen Mut? Sagen Sie es dem „Marktplatz Kaiserslautern“ un- ter der Telefonnummer 0631 3737222 oder mailen Sie an die Adresse [email protected] VON MORITZ KIRCHER Es ist mitten in der Nacht, von Frei- tag auf Samstag. Es ist kalt, es schneit und auf dem Stiftsplatz dre- hen zwei Kehrfahrzeuge ihre Run- den, damit der Wochenmarkt statt- finden kann. Sie sind allerdings nicht die Ersten bei der Arbeit. Aus einer Bude riecht es schon lecker nach Bratwürsten, Frikadellen, Cur- rywürsten und Hamburgern. Man- fred Boll hat seinen Imbissstand be- reits aufgemacht. Ein Stimmungs- bericht. Fünf Nachtschwärmer sind auf dem Weg von der Lauterer Altstadt zum Stiftsplatz. „Der ist heute bestimmt nicht da. Es ist so schlechtes Wetter“, sagt einer. „Natürlich ist er da. Der kommt immer“, ist ein anderer über- zeugt. Die Gruppe geht um den Ho- telrohbau herum und biegt auf den Stiftsplatz ein. Der Zuversichtliche behält Recht. Wie in jeder Nacht von Freitag auf Samstag treffen sie Man- fred Boll auf dem Stiftsplatz an, der mit seiner Imbissbude mutterseelen- allein dort steht. Er bruzelt Snacks für die Hungrigen des Lauterer Nachtlebens. „Einen Boll-Burger bitte“, kommt es fast synchron aus den Kehlen der Nachtschwärmer. Sie können es kaum erwarten, bis die Kalorienbom- be mit zwei Scheiben Fleisch und Käse, gebratenem Bacon, Zwiebeln, Tomate, Salat und einem Ei oben- drauf fertig ist. Doch obwohl sie früh da waren, sind ihnen schon zwei an- dere Kunden zuvor gekommen. Schlotternd, im T-Shirt, warten sie auf ihren Bollburger zum mitneh- men. Das Auto steht in unmittelba- rer Nähe zur Imbissbude und läuft warm. Doch Manfred Boll lässt sich von alldem nicht aus der Ruhe bringen. „Heute ist ja nichtmal viel los“, brummt er gut gelaunt, den Kopf über einer Pfanne mit bratenden Spiegeleiern gebeugt. „Es kommt nicht oft vor, dass ich hier fehle“, leis- tet er etwaigen Vermutungen vor- schub. „Höchstens mal, wenn ich krank bin. Aber das ist sehr selten.“ Die ersten Bestellungen sind kaum erledigt, da füllt es sich allmählich. Die nächste Gruppe steht an der The- ke der Imbissbude. Es ist die komplet- te Belegschaft einer Kneipe aus der Altstadt, fünf Männer und drei Frau- en. „Wir warten schon den ganzen Abend auf unseren Boll-Burger“, ver- rät Theker Ralf Kaschner. „Das ist jede Woche unser Feierabendritual. Die Leute bei uns reißen sich fast schon um die Freitagsschichten“, fügt seine Kollegin Esther Wirth hin- zu. Sie nehmen an dem kleinen Steh- tisch Aufstellung, der mit einer Plane abgehängt ist, um gegen den eiskal- ten Wind zu schützen. Auf dem Tisch prangt ein Schild mit der Auf- schrift „VIP-Lounge“ und sorgt all- seits für Erheiterung. Gerade als die Gruppe ihre Großbestellung abgibt, kommt Verstärkung in die Imissbu- de. Alle kennen sie nur als Anne-Ma- rie. Sie arbeitet seit fünf Jahren bei Boll. Ihren Nachnamen verrät sie nicht, was auch halb so wichtig ist. Denn Anne-Marie ist sowieso mit fast allen Gästen per Du. Sofort be- ginnt sie eine lebhafte Unterhaltung mit der Kneipenbelegschaft, wäh- rend sie sich nahtlos in die Arbeit ein- klinkt. Vor zehn Jahren ist Manfred Boll eher zufällig auf die Idee gekommen, seinen Stand bereits nachts zu öff- nen. „In der Stadt war eine Veranstal- tung und es waren viele Leute unter- wegs. Da dachte ich mir: Mach doch einfach mal ein wenig früher auf“, er- innert er sich und lacht: „Eine Stun- de später konnte ich wieder nach Hause fahren, weil alles ausverkauft war.“ Abgesehen von einem Jahr in dem Boll keine Marktlizenz bekam, steht er seither schon in aller Frühe in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem Markt, bevor die übrigen Be- schicker anfangen ihre Stände aufzu- bauen. Szenenwechsel: Am Samstagmit- tag um zwölf herrscht schon wieder Hochbetrieb oder immer noch. Manfred Boll steht seit Stunden hin- ter der Theke und brät seine Boll-Bur- ger. Auch Anne-Marie ist noch da. Verstärkt wird das Team jetzt von Ul- rike Martin, die erst seit einem Jahr dabei ist. Sie nimmt gerade die Be- stellung von Sebastian Bolch auf. „Ich bin auch oft nachts hier, wenn ich durchgemacht habe“, verrät der Student. „Er droht uns immer damit, dass er nebenan einen Bolch-Burger aufmacht“, witzelt Anne-Marie. „Arbeit? Nein, das ist eher ein geld- bringendes Hobby für mich“, charak- terisiert Manfred Boll das, was ande- re vielleicht als Knochenjob empfin- den würden. Stressig sei es nur wäh- rend der Fußball-WM geworden erin- nert er sich. „Am Stand war so viel los, dass an einem Tag gleich vier Fernsehteams bei uns angehalten ha- ben und drehen wollten“, erzählt er. Obwohl die nächtlichen Arbeitszei- ten anstrengend sind, genießen auch die beiden Angestellten von Manfred Boll ihren Job. „Für mich ist das hier ein Ausgleich“, erzählt Ulrike Martin, die hauptberuflich mit schwer er- ziehbaren Kindern arbeitet. „Es ist einfach herrlich, die ganzen Leute hier zu treffen“, fügt Anne-Marie hin- zu. Denn unterschiedlicher könnte die Kundschaft bei der Imbissbude kaum sein: nachts die Lauterer Party- gemeinde, tagsüber die üblichen Marktgänger, die beladen mit fri- schem Obst und Gemüse vorbei kom- men und nach der Bestellung neben- an bei Gewürze Herrmann noch schnell ein paar Kräuter besorgen. Ramona Müller Bei Wind und Wetter auf dem Messeplatz: Manfred Boll (rechts) bewirtet schon nachts die ersten Gäste, die hungrig aus den Kneipen der Altstadt kommen. FOTO: KIRCHER IMPRESSUM Ein deftiges Frühstück: Sebastian Bolch unterhält sich bei einem Burger und einem Kaffee mit Manfred Boll. Im Hintergrund bereitet Ulrike Mar- tin das Essen vor. FOTO: KIRCHER Gesucht: Fußgängerbrücke über die Lauterstraße In der vergangenen Woche war der „Marktplatz Kaiserslautern“ in sei- nem Foto-Rätsel auf der Suche nach der Fußgängerbrücke an der Garten- schau über die Lauterstraße. Gewon- nen hat mit der richtigen Lösung Aloys Brüch aus Kaiserslautern. (red) MUT MACHT MIR... Die VIP-Lounge an der Imbissbude Seit Jahren öffnet Manfred Boll in der Nacht als erster seinen Stand auf dem Samstagsmarkt und versorgt die Nachtschwärmer AUFLÖSUNG ANZEIGE ANZEIGE 6781875_10_1 MITTWOCH, 13. JANUAR 2010 DIE RHEINPFALZ − NR. 10 MARKTPLATZ KAISERSLAUTERN KAIMC_02

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Page 1: Die VIP-Lounge an der Imbissbude

Marktplatz KaiserslauternRedaktion: mssw Print-Medien Service SüdwestGmbH, „Marktplatz Kaiserslautern“, Pariser Stra-ße 16, 67655 Kaiserslautern, Kirsten Reuschen-bach (knr/verantw.), Sandra Hartmann (saha)Anzeigen: Ulf Spannagel (verantw.), Thomas Vorländer

... dass ich zwei Kin-der habe, die mir vielKraft geben. In man-chen Bereichen hatsich mein Lebendurch sie ganz schönverändert, in anderendagegen überhauptnicht. So oder so be-reichern die beidenmein Leben“, sagt Ra-mona Müller. (olk/Fo-to: olk)

Was macht Ihnen Mut? Sagen Sie esdem „Marktplatz Kaiserslautern“ un-ter der Telefonnummer 06313737222 oder mailen Sie an dieAdresse [email protected]

VON MORITZ KIRCHER

Es ist mitten in der Nacht, von Frei-tag auf Samstag. Es ist kalt, esschneit und auf dem Stiftsplatz dre-hen zwei Kehrfahrzeuge ihre Run-den, damit der Wochenmarkt statt-finden kann. Sie sind allerdingsnicht die Ersten bei der Arbeit. Auseiner Bude riecht es schon leckernach Bratwürsten, Frikadellen, Cur-rywürsten und Hamburgern. Man-fred Boll hat seinen Imbissstand be-reits aufgemacht. Ein Stimmungs-bericht.

Fünf Nachtschwärmer sind auf demWeg von der Lauterer Altstadt zumStiftsplatz. „Der ist heute bestimmtnicht da. Es ist so schlechtes Wetter“,sagt einer. „Natürlich ist er da. Derkommt immer“, ist ein anderer über-zeugt. Die Gruppe geht um den Ho-telrohbau herum und biegt auf denStiftsplatz ein. Der Zuversichtlichebehält Recht. Wie in jeder Nacht vonFreitag auf Samstag treffen sie Man-fred Boll auf dem Stiftsplatz an, dermit seiner Imbissbude mutterseelen-allein dort steht. Er bruzelt Snacks

für die Hungrigen des LautererNachtlebens.

„Einen Boll-Burger bitte“, kommtes fast synchron aus den Kehlen derNachtschwärmer. Sie können eskaum erwarten, bis die Kalorienbom-be mit zwei Scheiben Fleisch undKäse, gebratenem Bacon, Zwiebeln,Tomate, Salat und einem Ei oben-drauf fertig ist. Doch obwohl sie frühda waren, sind ihnen schon zwei an-dere Kunden zuvor gekommen.Schlotternd, im T-Shirt, warten sieauf ihren Bollburger zum mitneh-men. Das Auto steht in unmittelba-rer Nähe zur Imbissbude und läuftwarm.

Doch Manfred Boll lässt sich vonalldem nicht aus der Ruhe bringen.„Heute ist ja nichtmal viel los“,brummt er gut gelaunt, den Kopfüber einer Pfanne mit bratendenSpiegeleiern gebeugt. „Es kommtnicht oft vor, dass ich hier fehle“, leis-tet er etwaigen Vermutungen vor-schub. „Höchstens mal, wenn ichkrank bin. Aber das ist sehr selten.“

Die ersten Bestellungen sind kaumerledigt, da füllt es sich allmählich.Die nächste Gruppe steht an der The-

ke der Imbissbude. Es ist die komplet-te Belegschaft einer Kneipe aus derAltstadt, fünf Männer und drei Frau-en. „Wir warten schon den ganzenAbend auf unseren Boll-Burger“, ver-rät Theker Ralf Kaschner. „Das istjede Woche unser Feierabendritual.Die Leute bei uns reißen sich fastschon um die Freitagsschichten“,fügt seine Kollegin Esther Wirth hin-zu.

Sie nehmen an dem kleinen Steh-tisch Aufstellung, der mit einer Planeabgehängt ist, um gegen den eiskal-ten Wind zu schützen. Auf demTisch prangt ein Schild mit der Auf-schrift „VIP-Lounge“ und sorgt all-seits für Erheiterung. Gerade als dieGruppe ihre Großbestellung abgibt,kommt Verstärkung in die Imissbu-de. Alle kennen sie nur als Anne-Ma-rie. Sie arbeitet seit fünf Jahren beiBoll. Ihren Nachnamen verrät sienicht, was auch halb so wichtig ist.Denn Anne-Marie ist sowieso mitfast allen Gästen per Du. Sofort be-ginnt sie eine lebhafte Unterhaltungmit der Kneipenbelegschaft, wäh-rend sie sich nahtlos in die Arbeit ein-klinkt.

Vor zehn Jahren ist Manfred Bolleher zufällig auf die Idee gekommen,seinen Stand bereits nachts zu öff-nen. „In der Stadt war eine Veranstal-tung und es waren viele Leute unter-wegs. Da dachte ich mir: Mach docheinfach mal ein wenig früher auf“, er-innert er sich und lacht: „Eine Stun-de später konnte ich wieder nachHause fahren, weil alles ausverkauftwar.“ Abgesehen von einem Jahr indem Boll keine Marktlizenz bekam,steht er seither schon in aller Frühein der Nacht von Freitag auf Samstagauf dem Markt, bevor die übrigen Be-schicker anfangen ihre Stände aufzu-bauen.

Szenenwechsel: Am Samstagmit-tag um zwölf herrscht schon wiederHochbetrieb – oder immer noch.Manfred Boll steht seit Stunden hin-ter der Theke und brät seine Boll-Bur-ger. Auch Anne-Marie ist noch da.Verstärkt wird das Team jetzt von Ul-rike Martin, die erst seit einem Jahrdabei ist. Sie nimmt gerade die Be-stellung von Sebastian Bolch auf.„Ich bin auch oft nachts hier, wennich durchgemacht habe“, verrät derStudent. „Er droht uns immer damit,

dass er nebenan einen Bolch-Burgeraufmacht“, witzelt Anne-Marie.

„Arbeit? Nein, das ist eher ein geld-bringendes Hobby für mich“, charak-terisiert Manfred Boll das, was ande-re vielleicht als Knochenjob empfin-den würden. Stressig sei es nur wäh-rend der Fußball-WM geworden erin-nert er sich. „Am Stand war so viellos, dass an einem Tag gleich vierFernsehteams bei uns angehalten ha-ben und drehen wollten“, erzählt er.

Obwohl die nächtlichen Arbeitszei-ten anstrengend sind, genießen auchdie beiden Angestellten von ManfredBoll ihren Job. „Für mich ist das hierein Ausgleich“, erzählt Ulrike Martin,die hauptberuflich mit schwer er-ziehbaren Kindern arbeitet. „Es isteinfach herrlich, die ganzen Leutehier zu treffen“, fügt Anne-Marie hin-zu. Denn unterschiedlicher könntedie Kundschaft bei der Imbissbudekaum sein: nachts die Lauterer Party-gemeinde, tagsüber die üblichenMarktgänger, die beladen mit fri-schem Obst und Gemüse vorbei kom-men und nach der Bestellung neben-an bei Gewürze Herrmann nochschnell ein paar Kräuter besorgen.

RamonaMüller

Bei Wind und Wetter auf dem Messeplatz: Manfred Boll (rechts) bewirtet schon nachts die ersten Gäste, diehungrig aus den Kneipen der Altstadt kommen. FOTO: KIRCHER

IMPRESSUM

Ein deftiges Frühstück: Sebastian Bolch unterhält sich bei einem Burgerund einem Kaffee mit Manfred Boll. Im Hintergrund bereitet Ulrike Mar-tin das Essen vor. FOTO: KIRCHER

Gesucht: Fußgängerbrückeüber die LauterstraßeIn der vergangenen Woche war der„Marktplatz Kaiserslautern“ in sei-nem Foto-Rätsel auf der Suche nachder Fußgängerbrücke an der Garten-schau über die Lauterstraße. Gewon-nen hat mit der richtigen LösungAloys Brüch aus Kaiserslautern. (red)

MUT MACHT MIR.. .Die VIP-Lounge an der ImbissbudeSeit Jahren öffnet Manfred Boll in der Nacht als erster seinen Stand auf dem Samstagsmarkt und versorgt die Nachtschwärmer

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MITTWOCH, 13. JANUAR 2010DIE RHEINPFALZ − NR. 10 MARKTPLATZ KAISERSLAUTERNKAIMC_02