Die Wahl des optimalen Bogens für ... -...

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1 Prof. Dr. Dietmar Segner schloss seine Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit der Promotion an der Universität Hamburg ab, wo er auch eine Professur hielt. Heute ist er in eigener Praxis in Hamburg tätig und hat sich auf die Behandlung von Erwachsenen mit ästhetischen Apparaturen spezialisiert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten hält er weltweit Vorträge über die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener und seine Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Biomechanik und der kieferorthopädischen Werkstoffe. Es ist immer der Bogen, der die Zähne bewegt oder führt, egal wie fortschrittlich die Brackets auch sein mögen und ob sie selbstligierend sind oder nicht. Die Wahl des richtigen Bogens für die unterschiedlichen Behandlungsphasen hat daher einen wichtigen Einfluss auf die Behandlungseffizienz. In dem vorliegenden Beitrag wird dem Behandler ein Leitfaden für die Wahl des richtigen Bogens für die jeweilige Behandlungsphase an die Hand gegeben. Dabei ist zu betonen, dass es aufgrund der Vielfalt der Zahnfehlstellungen und der individuell höchst unterschiedlichen Gewebereaktionen unmöglich ist, feste Zeitrahmen für den Wechsel auf den nächsten Bogen vorzugeben. Vielmehr ist es eine wichtige klinische Entscheidung, ob die Aufgaben einer bestimmten Behandlungsphase erfüllt sind und die Behandlung zur nächsten Phase und den nächsten Bogen voranschreiten kann oder nicht. Die Aufgaben des Bogens Die Aufgaben eines Bogens im Verlauf der kieferorthopädischen Behandlung lassen sich in zwei Bereiche gliedern, die ich als Modus 1 und 2 bezeichnen möchte (Abb. 1-2). Im Modus 1 befindet sich der Draht im aktiven Zustand. Die Aktivierung des Drahtes erfolgt durch das Ligieren an die unregelmäßig stehenden Zähne. Indem die elastischen Drähte in die Bracketslots gedrückt werden, wird Energie gespeichert, die von dem auf diese Weise aktivierten Bogen zur Bewegung der Zähne verwendet wird. Dieser Modus ist charakteristisch für die Nivellierungsphase. Er wäre auch relevant für diejenigen Situationen, in denen Loops oder aktive Elemente in den Draht gebogen werden, wie z.B. Retraktionsloops. Da dies aber beim MBT Versatile+ Appliance System nicht regelmäßig verwendet wird, werden diese Situationen aus den weiteren Überlegungen ausgeklammert. Im Modus 2 wird der Bogen als Leitschiene für die Mesial- oder Distalbewegung der Zähne entlang des Drahtes verwendet. Hier ist der Bogen zunächst passiv und seine Steifigkeit bzw. Elastizität kommt erst dann zum Tragen, wenn an den Zähnen Nebenwirkungen wie Kippungen oder Rotationen zu erkennen sind. Dann lässt der Bogen Korrekturkräfte und -momente entstehen, um sicherzustellen, dass die Zähne nicht von der geplanten Bahn und den entsprechenden Angulationen abweichen. Die Aktivierung wird durch Gummiketten, superelastische Federn, intermaxilläre Gummizüge etc. erreicht, Hilfsteile also, in welchen die Energie für die Zahnbewegung gespeichert wird. Dieser Modus ist kennzeichnend für die Arbeits- und Retraktionsphase und verlangt einen deutlich steiferen Bogen, der unerwünschte Rotationen und Kippungen auf ein Minimum beschränkt. Dimension Während der Nivellierungsphase ist es nicht erforderlich, dass der Bogen stramm im Bracketslot sitzt. Der Unterschied zwischen der Dimension des Bogens und der des Slots kann bis zu 0,15 mm betragen, während die Positionierungsgenauigkeit in der ersten Nivellierungsphase nur bei etwa 0,5 mm liegen muss. Aus verschiedenen Gründen sind in dieser Phase unterdimensionierte Bögen sogar wünschenswert. Das Spiel zwischen Bogendraht und Bracketslot verringert die Reibung und verhindert bei sehr unregelmäßiger Zahnstellung ein mögliches „Binding“. Zudem sind die Kraft-Auslenkungskurven dünner, superelastischer Bögen in der Regel besser, da diese sofort bei Beginn der Deaktivierung die korrekte Kraftentfaltung Die Wahl des optimalen Bogens für maximale biomechanische Effizienz beim MBT Versatile+ Appliance System Dr. Dietmar Segner Figure 1: Bogen im aktiven Zustand. Figure 2: : Bogen im passiven Zustand. 2 1

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Prof. Dr. Dietmar

Segner schloss

seine Ausbildung

zum Fachzahnarzt

für Kieferorthopädie

mit der Promotion

an der Universität Hamburg ab, wo er auch

eine Professur hielt. Heute ist er in eigener

Praxis in Hamburg tätig und hat sich auf

die Behandlung von Erwachsenen mit

ästhetischen Apparaturen spezialisiert. Seit

mehr als zwei Jahrzehnten hält er weltweit

Vorträge über die kieferorthopädische

Behandlung Erwachsener und seine

Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der

Biomechanik und der kieferorthopädischen

Werkstoffe.

Es ist immer der Bogen, der die Zähne bewegt oder führt, egal wie fortschrittlich die Brackets auch sein mögen und ob sie selbstligierend sind oder nicht. Die Wahl des richtigen Bogens für die unterschiedlichen Behandlungsphasen hat daher einen wichtigen Einfluss auf die Behandlungseffizienz.

In dem vorliegenden Beitrag wird dem Behandler ein Leitfaden für die Wahl des richtigen Bogens für die jeweilige Behandlungsphase an die Hand gegeben. Dabei ist zu betonen, dass es aufgrund der Vielfalt der Zahnfehlstellungen und der individuell höchst unterschiedlichen Gewebereaktionen unmöglich ist, feste Zeitrahmen für den Wechsel auf den nächsten Bogen vorzugeben. Vielmehr ist es eine wichtige klinische Entscheidung, ob die Aufgaben einer bestimmten Behandlungsphase erfüllt sind und die Behandlung zur nächsten Phase und den nächsten Bogen voranschreiten kann oder nicht.

Die Aufgaben des BogensDie Aufgaben eines Bogens im Verlauf der kieferorthopädischen Behandlung lassen sich in zwei Bereiche gliedern, die ich als Modus 1 und 2 bezeichnen möchte (Abb. 1-2). Im Modus 1 befindet sich der Draht im aktiven Zustand. Die Aktivierung des Drahtes erfolgt durch das Ligieren an die unregelmäßig stehenden Zähne. Indem die elastischen Drähte in die Bracketslots gedrückt werden, wird Energie gespeichert, die von dem auf diese Weise aktivierten Bogen zur Bewegung der Zähne verwendet wird. Dieser Modus ist charakteristisch für die Nivellierungsphase. Er wäre auch relevant für diejenigen Situationen, in denen Loops oder aktive Elemente in den Draht gebogen werden, wie z.B. Retraktionsloops. Da dies aber beimMBT™ Versatile+ Appliance System nicht regelmäßig verwendet wird, werden diese Situationen aus den weiteren Überlegungen ausgeklammert.

Im Modus 2 wird der Bogen als Leitschiene für die Mesial- oder Distalbewegung der Zähne entlang des Drahtes verwendet. Hier ist der Bogen zunächst passiv und seine Steifigkeit bzw. Elastizität kommt erst dann zum Tragen, wenn an den Zähnen Nebenwirkungen wie Kippungen oder Rotationen zu erkennen sind. Dann lässt der Bogen Korrekturkräfte und -momente entstehen, um sicherzustellen, dass die Zähne nicht von der geplanten Bahn und den entsprechenden Angulationen abweichen. Die Aktivierung wird durch Gummiketten, superelastische Federn, intermaxilläre Gummizüge etc. erreicht, Hilfsteile also, in welchen die Energie für die Zahnbewegung gespeichert wird. Dieser Modus ist kennzeichnend für die Arbeits- und Retraktionsphase und verlangt einen deutlich steiferen Bogen, der unerwünschte Rotationen und Kippungen auf ein Minimum beschränkt.

DimensionWährend der Nivellierungsphase ist es nicht erforderlich, dass der Bogen stramm im Bracketslot sitzt. Der Unterschied zwischen der Dimension des Bogens und der des Slots kann bis zu0,15 mm betragen, während die Positionierungsgenauigkeit in der ersten Nivellierungsphase nur bei etwa 0,5 mm liegen muss. Aus verschiedenen Gründen sind in dieser Phase unterdimensionierte Bögen sogar wünschenswert. Das Spiel zwischen Bogendraht und Bracketslot verringert die Reibung und verhindert bei sehr unregelmäßiger Zahnstellung ein mögliches „Binding“. Zudem sind die Kraft-Auslenkungskurven dünner, superelastischer Bögen in der Regel besser, da diese sofort bei Beginn der Deaktivierung die korrekte Kraftentfaltung

Die Wahl des optimalen Bogens für maximale biomechanische Effizienz beim MBT™ Versatile+ Appliance SystemDr. Dietmar Segner

Figure 1: Bogen im aktiven Zustand. Figure 2: : Bogen im passiven Zustand.

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superelastische Bogen hingegen gibt weiterhin konstante Kräfte ab, bis die Auslenkung unter 0,35 mm sinkt. Somit ist mit einem einzigen Bogen eine fast perfekte Nivellierung zu erreichen, wenn man ihn einfach so lange belässt bis er seine ganze Kraft abgegeben hat, was über einen Zeitraum von 5 Wochen bis 5 Monaten erfolgen kann.

Um die biologische Reaktion zu optimieren und das Risiko zu hoher Kräfte zu vermeiden, sollte der erste Nivellierungsdraht superelastisch sein, mit einem Kraftniveau von deutlich unter 100 g. Der optimale Bogen ist somit für das 18-er ebenso wie das 22-er Slotsystem Nitinol HA in der Dimension 14 (Abb. 4).

Nach Abschluss der initialen Nivellierungsphase ist das Slot-Alignment bereits ganz gut. Wenn für die Beendigung der Nivellierungsphase ein zweiter Bogen nötig ist, wird die Auslenkung dieses Bogens durch nicht nivellierte Slots unter 0,5 mm liegen. Da unter 0,5 mm keiner der superelastischen Bögen ein Plateau konstanter Kräfte besitzt, spielt für den zweiten und alle nachfolgenden Bögen im Behandlungsablauf die Superelastizität per se keine Rolle mehr. Vielmehr kommt es jetzt darauf an, dass der Bogen die korrekte Dimension hat, damit wie eingangs beschrieben die Bracketprescription voll zum Tragen kommt.

zeigen, während die dickeren superelastischen Drähte in den ersten Tagen nach dem Ligieren relativ hohe Kräfte abgeben. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Slotdimension bei der Auswahl des ersten Nivellierungsbogens keine wesentliche Rolle spielt. Für das 18-er und das 22-er Slotsystem ist dieselbe Bogengröße geeignet.

Am Ende der Nivellierungsphase und auch in den späteren Behand-lungsphasen wird die Bogengröße wichtig. Bei selbstligierenden Brackets muss zur Derotation und auch für eine effektive Torque-wirkung die Dimension des Drahtes an die Slotgröße angepasst werden. Um den regulär vorgesehenen Torqueeffekt zu erzielen, muss der Vierkantbogen in einem 18-er Slot ein vertikales Maß von 16, und in einem 22-er Slot von 19 Tausendstel Zoll aufweisen. Für eine gute Rotationskontrolle muss darüber hinaus sowohl beim 18-er als auch beim 22-er Slot die horizontale Bogendimension 25 sein. Daraus folgt, dass beim MBT™ Versatile+ Appliance System der Standard-Arbeitsbogen ebenso wie die Finishing-Bögen beim 18-er System die Dimension16x25 und beim 22-er System die Dimension 19x25 haben sollten.

Dabei ist zu beachten, dass eine größere Drahtdurchmessers in einer stärkeren Übertragung des in die Prescription des MBT-Systems eingebauten Torques resultiert, was eine zusätzliche Torqueangulation bewirkt. Wenn im 18-er Slotsystem ein 17x25-er Bogen statt 16x25 bzw. im 22-er Slot 20x25 statt 19x25 verwendet wird, bewirkt dies eine Steigerung des Torquewinkels um ca. 3°. Das gleiche gilt natürlich umgekehrt für unterdimensionierte Bögen: Die Verwendung eines 14x25-er Bogens statt 16x25 in einem 18-er Slotsystem reduziert den Torquewinkel um 6°, während ein 17x25-er Bogen statt 19x25 im22-er Slotsystem die Torquewirkung um 7° verringert.

Steifigkeit und KraftniveausIm aktiven Modus 1 hängt die auf die Zähne einwirkende Kraft in erster Linie von der Art des verwendeten Bogendrahtes ab. Im Gegensatz zu verseilten, geflochtenen oder nicht superelastischen Nickeltitanbögen haben superelastische Bögen den großen Vorteil, dass die Kraft fast konstant ist, unabhängig davon, wie unregelmäßig die Zähne stehen oder wie kurz der Abstand zwischen den Brackets auch ist. In der Grafik (Abb. 3) werden ein superelastischer (Nitinol HA) und ein nicht superelastischer Nickeltitanbogen (Nitinol Classic), beide in der Größe 16, miteinander verglichen. Man erkennt sofort, dass der superelastische Bogen erheblich weniger Kraft entfaltet. Der Unterschied wird durch die Kombination der roten und gelben Flächen verdeutlicht.

Selbst wenn wir versuchen, die Kraft des nicht superelastischen Bogens zu reduzieren, indem wir einen dünneren Bogen (Nitinol Classic, 14) wählen, sehen wir, dass bei allen Auslenkungen über 1,2 mm der dickere, aber superelastische Bogen geringere Kräfte entfaltet, die über einen großen Auslenkungsbereich hinweg konstant bleiben. Im Bereich unter 1,2 mm Auslenkung sinkt die Kraft des nicht superelastischen Bogens unter die des superelastischen Bogens und ist letztlich so schwach, dass sie zur Bewegung der Zähne nicht mehr ausreichen und einen Bogenwechsel erforderlich machen würde. Der

Abbildung 3: Kraftentfaltung bei 3 verschiedenen Bogendrähten.

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Abbildung 4: Kräftecharakteristik von Nitinol HA (HANT) in der Dimension 14 rund.

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In vielen Fällen kann der obere erste Nivellierungsbogen zusätzlich zu dem im Unterkiefer bereits vorhandenen Nivellierungsbogen einligiert werden. Oft lässt sich auch ein unterer Nivellierungsbogenim Oberkiefer als Tandem-Bogen einsetzen, der nur bis zu den1. Molaren reicht.

Spezielle BehandlungszieleWenn in der Nivellierungsphase besondere Aufgaben zu erfüllen sind, kann die Verwendung eines zusätzlichen Bogens die Behandlungseffizienz steigern. Ein klassisches Beispiel wäre die Nivellierung einer ausgeprägten Speeschen Kurve. Hier lässt sich die Effizienz durch runde Edelstahlbögen der Dimension 18 im 18-er Slotsystem oder der Größe 18 oder 20 im 22-er Slotsystem steigern. Etliche Kieferorthopäden verwenden für diese Aufgabe auch gerne Nitinol SE Reversed Curve Bögen der Größe 16x22 (18-er Slot)oder 19x25 (22-er Slot). Zur Änderung der transversalen Bogenform können auch Edelstahlbögen vorteilhaft sein.

Wenn eine spezielle Torqueapplikation benötigt wird, sind nicht superelastische Nickel-Titanbögen gegenüber den superelastischen Varianten zu bevorzugen. Bei superelastischen Vierkantbögen liegt das Torsionsmoment mit einer Größenordnung von 200-500 gmm am unteren Ende einer effektiven Torqueanwendung. Bei nicht superelastischen Bogenmaterial hängt das Torsionsmoment vom Ausmaß der Aktivierung ab und kann auf bis zu 1500 gmm eingestellt werden. Beim 18-er Slotsystem kann mit 16x25 Nitinol Classic, und beim 22-er Slotsystem mit 19x25 Nitinol Classic der jeweilige Torquebedarf effizient abgedeckt werden, wenn der Bogen langegenug im Mund belassen wird. Monatlich können bis zu 2,5° Torque erzielt werden.

BogenauswahlUm die Wahl des Bogens, der eine optimale biomechanische Effizienz ermöglicht, zu erleichtern, wurde eine Tabelle zusammengestellt, inder die empfohlenen Drähte für die verschiedenen Behandlungsphasen des MBT-Systems zusammengefasst sind (Tabelle 1). Die Tabelle besitzt Spalten für das 18-er und das 22-er Slotsystem und berücksichtigt auch die speziellen Anforderungen für selbstligierende Brackets. In der letzten Spalte werden Empfehlungen für spezielle Aufgaben im Rahmen der Behandlung gegeben. Diese Bögen werden nur in bestimmten Fällen gebraucht, um die Behandlung für den Patienten einfacher und effizienter zu gestalten. Auf die Angabe einer strengen, nicht anpassbaren Bogenfolgen oder Empfehlungen für die Verweildauer der Bögen im Mund wurde bewusst verzichtet, da solch inflexible, stereotype Vorgaben nicht nur der klinischen Erfahrung und dem gesunden Menschenverstand zuwider laufen, sondern auch der Philosophie des MBT-Systems in keiner Weise entsprächen.

Während der Arbeitsphase wirken die Bögen im passiven Modus 2. Sie sollten eine ausreichend hohe Steifigkeit aufweisen, um unerwünschten Zahnbewegungen oder Rotationen entgegenwirken zu können. Da die Nivelligurungsphase eine perfekte Ausrichtung der Bracketslots erzielt hat, sollte das Eingliedern eines solchen steifen Drahtes keine Schwierigkeiten machen. Nur Bögen aus Beta III Titan oder Edelstahl bieten eine ausreichende Steifigkeit, wobei vor allem in Extraktionsfällen Stahl bevorzugt werden sollte.

BiegungenDie Philosophie des MBT-Systems ist zwar, Biegungen so weit wie möglich zu vermeiden, indem durch indirektes Kleben und bei Bedarf frühzeitiges Umsetzen der Brackets noch in der Nivellierungsphase eine perfekte Bracketpositionierung erzielt wird, dennoch können Biegungen manchmal unumgänglich sein, vor allem in der Justierungsphase.

Wenn eine Korrekturbiegung verwendet wird, geht es in aller Regel darum, eine Veränderung gegenüber der bisherigen Situation zu erzielen. Das bedeutet, dass in diesem Moment der Bogen wieder in den aktiven Modus 1 übergeht. Das Bogenmaterial sollte also nicht nur präzise Biegungen erlauben, sondern auch die gespeicherte Energie in einem physiologischen Kräfterahmen abgeben. Insbesondere beim 22-er System üben selbst kleine Korrekturbiegungen in einem Edelstahlbogen ganz erhebliche Kräfte aus. Um das Kraftniveau und die damit verbundene Schmerzhaftigkeit zu reduzieren, empfiehlt es sich, das geringere Elastizitätsmodul von Beta III Titan zu nutzen. Dabei bewirkt die gleiche Biegung in einem Bogen der gleichen Dimension nur 50% der Kraft im Vergleich zu Edelstahl. Beta III Titan ist daher der empfohlene Werkstoff für Finishing-Bögen.

Selbstligierende BracketsDie Behandlung mit selbstligierenden Brackets des MBT-Systems kann prinzipiell mit denselben Bogendrähten durchgeführt werden, wie bei konventionell ligierten Brackets. Der einzige Unterschied von Bedeutung ist die Rotationskontrolle in der Nivellierungsphase. Alle selbstligierenden Brackets haben eine feste Slottiefe von 0,0275" (0,027" für die unteren Frontzähne), die durch die Clips oder Klappen vorgegeben wird. Um eine Derotation durchzuführen oder eine uner-wünschte Rotation zu verhindern, muss der Bogen die Slottiefe mit einem Spiel von maximal 0,0025" ausfüllen. Ein einzelner Rundbogen ermöglicht demnach keine vollkommene Rotationskontrolle, sofern an dem fraglichen Zahn nicht zusätzlich eine Ligatur verwendet wird.

Dem Behandler stehen zwei Optionen zur Verfügung: Die erste ist, die Nivellierungsphase mit einem Bogen zum Abschluss zu bringen, dessen horizontale Dimension 25 ist. Für die 18-er Slots wurden Bögen mit der Größe 14x25 und 16x25 eingeführt, während für das 22-er Slotsystem schon seit langem Bögen von 17x25, 18x25 und 19x25 zur Verfügung stehen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die bukko-linguale Tiefe des Slots durch die Verwendung von zwei Rundbögen auszufüllen, im Sinne einer Tandem-Bogentechnik. Beim 18-er Slotsystem wären das zwei Nitinol HA Bögen der Dimension 14, während man in 22-er Slots entweder ebenfalls zweimal die Bogengröße 14 oder einen Nitinol HA Bogen in Größe 14 und einen in 16 als Tandem verwenden könnte. Die letztere Variante kann allerdings den Clip ein wenig aktivieren und zu einem gewissen Druck des Clips auf dem Bogen bzw. den Bögen führen (Abb. 5).

Abbildung 5: Beispiele für die Tandem-Bogentechnik.

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MBT™ Versatile+ Appliance SystemBehandlungsphasen & Bogenanforderungen

BehandlungsphasenEmpfohlene Bogenfolge nach Prof. Dr. Segner

MBT Slotgröße .018 MBT Slotgröße .022

Ausrichten (aktiver Modus) .014 Nitinol HA1 Alternativen:

.014 Nitinol CL2

(mit Druckfederund ohne alle Zähneeinzuligieren)

.014 x 0.25Nitinol HA1

dann0.14 Nitinol HA1

0.16 Nitinol HA1

als Tandembogen

Alternativen:

.014 Nitinol CL2

(mit Druckfederund ohne alle Zähneeinzuligieren)

Aufgaben:

• Aktivierung der zellularen Reaktionsprozesse

• initiales Nivellieren der Bracketslots

• initiale Derotation

Anforderungen an den Bogen:

• geringe Kräfte, vor allem bei ausgeprägten Unregelmäßigkeiten

• Kraftbegrenzung wünschenswert –Kraftbegrenzung mitsuperelastischem Plateau

• Binding des Bogens vermeiden

• Torque-Effekt anfangs meist nicht erwünscht

Nivellieren (aktiver Modus) Self-Ligating:

.014 x 0.25Nitinol HA1

dann.016 x .025Beta III Titanium

Alternativen:

Für optimale Derotationund Torquekorrektur:• .014 Nitinol CL2 +

• .014 Nitinol HA1

als Tandembogen

Für zusätzlich vertikalesNivellieren:• .018 Rostfreier Stahl

Für zusätzlich vertikalesNivellieren:• .016 x .022 Nitinol SE3

reverse curve

Self-Ligating:Non-Self-Ligating:

.019 x 0.25Nitinol HA1

Alternativen:

Wenn Torque wichtig ist:• .019 x .025

Nitinol CL2

Für zusätzlich vertikales Nivellieren:• .018 Rostfreier Stahl

• .019 x .025 Nitinol SE3

reverse curve

• .020 Rostfreier Stahl

• .019 x .025Beta III Titanium

Aufgaben:

• abschließende Derotation/Wieder-herstellung korrekter Kontaktpunkte

• Torquebewegungen

• Angulationskorrektur

• Nivellieren der Spee’schen Kurve

Anforderungen an den Bogen:

• nicht zu hohe Kräfte

• genügend Elastizität zur Korrektur von Angulationen/Tip

• gute Rotationskontrolle

• slotfüllend dimensioniert für Torqueübertragung

• genügend Steifigkeit für Nivellierung der Okklusionsebene

Lückenschluss (passiver Modus) .016 x .025Rostfreier Stahl

Alternativen:

• .017 x .025Rostfreier Stahl– Hybridmit Crimp hooks

Wenn kein Lückenschlusserforderlich:• .019 x .025

Beta III Titanium

.019 x .025Rostfreier Stahlmit Crimp hooks

Alternativen:

Optional:• .021 x .025

Rostfreier Stahl– Hybrid

Wenn kein Lückenschlusserforderlich:• .019 x .025

Beta III Titanium

Aufgaben:

• Schließen von Extraktionslücken

• Schließen sonstiger Lücken

• Retraktion der Frontzähne mit Torquekontrolle

Anforderungen an den Bogen:

• genügend Steifigkeit, um vertikales und horizontales Durchbiegen zu vermeiden

• slotfüllende Dimension für Torqueübertragung

• gute Rotationskontrolle

• geringe Reibung

Feineinstellung (aktiver Modus) .016 x .025Beta III Titanium

Alternativen:

Wenn bereitseingegliedert:• .017 x .025

Rostfreier Stahl – Hybrid

Wenn bereitseingegliedert:• .016 x .025

Rostfreier Stahl

.019 x .025Beta III Titanium

Alternativen:

Wenn bereitseingegliedert:• .019 x .025Rostfreier Stahl

Aufgaben:

• Mittellinienkorrektur

• Korrektur der Wurzelpositionen

• Korrektur von Overbite/Overjet

• funktionelle Einstellung der Okklusion

Anforderungen an den Bogen:

• Korrekturbiegungen solltenkeine zu hohen Kräfte entfalten

• gute Rotationskontrolle

• slotfüllende Dimension für Torqueübertragung

• genügend Steifigkeit zum Halten oder Korrigieren von Bogenform und Überbiss

Settling .016 x .022Braided Draht

Positionierer .019 x .025Braided Draht

Positionierer

Aufgaben:

• Maximierung der Interkuspidation

Anforderungen an den Bogen:

• sollte geringe Zahnbewegungen durch Okklusionskräfte und elastischen Zug erlauben

Tabelle 1: Nitinol HA1 = Nitinol wärmeaktiver Drahtbogen I Nitinol CL2 = Nitinol Classic Drahtbogen Nitinol SE3 = Nitinol superelastischer Drahtbogen

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