Die Wasserverschiebung im Nierenmark

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i708 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 16. JAHRGANG. Nr. 49 4 .DEZIs x937 ORIGINALIEN. DIE WASSERVERSCHIEBUNG IM NIERENMARK*. Aron FELIX FUCHS und HANS POPPER. Aus der ersten medizinisehen Universitfitsklinik in Wien (Vorstaad: Prof. Dr. HANS ]~PPINGER). In der Niere gibt es Gewebsspalten der makroskopischen Gr6Benordnung, welche durch einfache Preparation mit Messer und Pinzette ebenso darstellbar sind wie z. B. die Ge- websspalten zwischen den Muskeln und Fascien der Ex- tremit~ten. VOlt den Gewebsspalten des Sinus renalis aus- gehend, treten die perivascul~ren Spaltr~tume in das Nieren- parenchym ein, durchsetzen es and setzen den Sinus renalis auf diese Weise in direkte Verbindung mit dem Subkapsul~r- raum an der Konvexit~t des Organs, dessen Existenz es er- m6glicht, die Niere stumpf zu dekapsulieren. Diese Peri- vaseul~rr~tume trennen an allen Stellen die Gef~U3e yore Nierenparenchym. So wie sich nun die Gef~Be in die Capillaren verzweigen, so splittern sich die gr6Beren Perivascul/irr~ume in pericapill~re GewebsspMten auf, welche an allen Stellen die CapilIaren yon den Parenchymelementen, d. h. yon den HarnkanXlchen, trennen. Dur.ch eine Injektionstechnik, auf deren Einzelheiten bier nicht eingegangen werden kann, war es uns m6glich, yon den Perivascul~rr~umen aus die peri- capill~ren Gewebsspalten mit Tusche zu injizieren. Dutch naehfolgende Capillarinjektionen mit Berlinerblau konnte gezeigt werden, dab sich tats~chlieh an alien SteIlen des Nieren- parenchyms zwischen die Capillaren und die Harnkan~lehen Gewebsspalten einsehieben and dab zwischen den beiden Hohlsystemen an keiner Stelle ein direkter Kontakt besteht. Nach MAR~SCH kann auch der Nachweis yon Spaltr~umen zwischen argentophilen Fasernetzen zur Aufzeigung yon Ge- websspalten dienen. Dieses yon MARESCH an der Leber an- gewendete Prinzip auf die Niere fibertragend, haben wit dutch Gitterfaserf~rbungen gleichfalls die ubiquit~re Existenz der Gewebsspalten in der Niere naehgewiesen. Beide Unter- suchungsmethoden -- das Injektionsverfahren und die Gitter- faserf~rbung -- ergaben also fibereinstimmende Resultate. Aus diesen morphologischen Be/unden geht hervor, daft ~eder Sto]]austausch zwischen den Btutcapillaren und den Harn- [can(ilchen die Gewebsspalten durchsetzen muff. Dies betrif/t so- wohl Vorg~nge der Sekrefion als auch solche der Rfiek- resorption. Insbesondere ffir die letztere wollen wit hervor- heben, dab sie nur in solcher Weise stattfinden kann, dab Substanzen, die aus dem Kan~lehenlumen rfickresorbiert werden, zun~chst in die Gewebsspalten bzw. in das Gewebs- wasser gelangen und erst yon hier in die Blur- oder Lymph- capillaren fibertreten k6nnen. Damit kommen wir aber auf jenen Standpunkt zurfick, welchen LUDWIG vor etwa 7 ~ Jahren eingenommen hat. Dieser Forscher war sich darfiber Mar, dab das Gewebswasser der Mittler zwischen tlarnkan~lchen and Capillaren ist. Diese ffir die Niereniunktion ohne Zweifel wichtige Erkenntnis wurde yon sp~teren Forschern an- scheinend nicht bestritten, aber sie land in der neueren Nierenphysiologie nahezu keine Beachtnng. Erst RUDOLF KELLER betont ~933, dab er sich Bau and Funktion der Niere ohne Berficksichtigung der Gewebsspalten und des Gewebswassers kaum in befriedigender Weise Marmachen k6nne. Auf Grund nnserer eigenen Untersuchungen wollen wir also zun~chst die Ludwigsche These als zu Recht bestehend erklXren and yon ihr ausgehend ihre Bedeutung ifir die Nierenphysiologie prfifen. Unter jenen Substanzen, welche aus den Harnkan~Ichen rfickresorbiert werden, spielt mengenm~Big das Wasser die gr6Bte Rolle. Aus den Rehbergschen yon zahlreichen Autoren best~tigten Arbeiten geht hervor, dab eine Niere bei einer lVIinutendiurese yon i ccm tats~chlich ~oo cem Glomerulus- filtrat liefert, yon welchen 99 % rfickresorbiert werden. Im Zuge der Rfiekresorption des Wassers gelangen also enorme * Vortrag~ gehalten in der Wiener biologisehen Gesellschaft am ix. Oktober 1937. Flfissigkeitsmengen aus den Harnkan~lchen in die Gewebs- spalten, um aus diesen durch die ]glut- und Lymphgef~ge iortgeschafft zu werden. Wir k6nnen nicht daran zweifeln, dab diese ri~clcresorbierten Wassermengen die Hauptquelle des Gewebswassers der Niere sin& Das AusmaB der Rfickxesorp- tion schwankt nun weitgehend mit dem Ausmag der Diurese. Nach dem Gesagten mug also auch das AusmaB der Gewebs- wasserbildung yon den Schwankungen der Diurese abh~tngen. Man sollte also glauben, dab w~hrend der Polyurie wenig Gewebswasser gebildet wird, dab die Gewebsspalten aus- trocknen, w~hrend es zur Zeit der Oligurie zu einer besonders reichlichen Gewebswasserbildung, zu einer ~Jberffillung der Gewebsspalten, zu Nieren6dem kommen wfirde. Tats~ehlich erwies sich aber die Gewebsspaltenffillung w~hrend aller Phasen der Nierenfunktion Ms auBerordentlich konstant. Wodureh wird entgegen der obenstehenden Annahme diese Konstanz der Gewebsspaltenffillung aufrechterhalten? Ohne Zweifel muB vermutet werden, dab bier besondere Ein- riehtungen am Werke sind. Die welter unten Iolgende Be- spredhung der verschiedenen Schaltungen der Blutzirkulation wird diese Frage zur Kl~rung bringen. Die Rfickresorption des Wassers und somit die Gewebs- wasserbildung erfolgt nicht gleichm~Big in den Harnkan~lchen schlechtweg; ihr ttauptsitz ist vielmehr ein bestimmter Kan~lchenabschnitt: die Henlesche Schleife. Die Gewebs- wasserbildung ist also zumindest zum groBen Teil in die Marksubstanz der Niere verlegt. Es mag sein, dab die eigent- liehe Bedeutung der Henleschen Schleiien darin zu erblicken ist, dab dutch sie die Gewebswasserbildung mit ihren Schwan- kungen aus der Rindensubstanz herausverlegt wird. Dadurch wfirde eine St6rung des Transportes der festen Substanzen dutch die Gewebsspalten, wie sie durch die Schwankungen des Rfickresorptionsstromes im Gewebswasser m6glich w~re, vermieden. Die Niarksubstanz ist mithin die wichtigste Quellst~tte des Gewebswassers. In allen Geweben wird ein Teil des Ge- webswassers nicht yon den ven6sen Capillarschenkeln auf- genommen, sondern yon den Lymphcapillaren. Die reich- liche Ausbildung der Lymphgef~13e in der Nierenrinde, ins- besondere in der fibr6sen Kapsel, legt die Vermutung nahe, dab ein Teil des in der Marksubstanz gebildeten Gewebs- wassers an die OberflXche des Organs str6mt, um hier yon den Lymphgef~Ben aufgenommen zu werden. Der eine yon uns hat in der Monographie ,,Die Hydromeehanik der Niere" darauf hingewiesen, dab die Gewebsspalten der Niere den Anschein yon pr~formierten Strombahnen erwecken. Alle diese Argumente ffir einen Gewebswasserstrom, der aus der Tiefe des Organs an die Oberfl~che dringt, k6nnen abet doch nut als triftig anerkannt werden, wenn tats/~chliche Beob- achtungen die Existenz eines solchen Gewebswasserstroms nachweisen. Solche Beobachtungen liegen nun in nicht ge- ringer Zahl vor. Zun~chst sei bier erw~hnt, dab MAUYNER und seine Mitarbeiter an der Leber fanden, dab auf der H6he der Wasserverarbeitung ein Wasserstrom ausder Tiefe des Organs an die Oberfl~che dringt, der bier in Tr6pfehenform erscheint : die Leber ,,sehwitzt". DICKER und ANDERSONhaben nun bei ihren Durchstr6mungsversuchen an der dekapsulierten Niere ein ebensolehes Aussickern yon Gewebswasser an der yon der Kapsel entbl6Bten Oberfl~che des Organs beobachtet. Auch die Klinik kennt solche Beobachtungen. Naeh der Dekapsulation nephritischer Nieren haben zahlreiche Autoren eine mgchtige seI6se Exsudation ausder Nierenoberf!~tche be- schrieben. IV[ALHERBI~ sowie 1V[INKOWSKI haben vor mehr Ms 4 ~ Jahren das seltene und eigentfimliche Krankheitsbild der ,,perirenalen Hydronephrose" beobachtet. Sie analysier- ten den Flfissigkeitsergug, der den Subkapsul~rraum erftillte, und spraehen ihn auf Grund der chemischen Untersuchung als Gewebswasser an. Die Frage blieb dabei offen, ob das Gewebswasser in vermehrter Menge aus dem Nierenparenchym ausgetreten oder ob die Rfickresorption des Gewebswassers beeintr~chtigt gewesen sei. Endlich hat ORTH einen wich-

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ORIGINALIEN. D I E WASSERVERSCHIEBUNG IM NIERENMARK*.

Aron

FELIX FUCHS und HANS POPPER. Aus der ersten medizinisehen Universitfitsklinik in Wien

(Vorstaad: Prof. Dr. HANS ]~PPINGER).

In der Niere gibt es Gewebsspalten der makroskopischen Gr6Benordnung, welche durch einfache Preparat ion mit Messer und Pinzette ebenso darstellbar sind wie z. B. die Ge- websspalten zwischen den Muskeln und Fascien der Ex- tremit~ten. VOlt den Gewebsspalten des Sinus renalis aus- gehend, t reten die perivascul~ren Spaltr~tume in das Nieren- parenchym ein, durchsetzen es and setzen den Sinus renalis auf diese Weise in direkte Verbindung mit dem Subkapsul~r- raum an der Konvexit~t des Organs, dessen Existenz es er- m6glicht, die Niere stumpf zu dekapsulieren. Diese Peri- vaseul~rr~tume trennen an allen Stellen die Gef~U3e yore Nierenparenchym. So wie sich nun die Gef~Be in die Capillaren verzweigen, so splittern sich die gr6Beren Perivascul/irr~ume in pericapill~re GewebsspMten auf, welche an allen Stellen die CapilIaren yon den Parenchymelementen, d. h. yon den HarnkanXlchen, trennen. Dur.ch eine Injektionstechnik, auf deren Einzelheiten bier nicht eingegangen werden kann, war es uns m6glich, yon den Perivascul~rr~umen aus die peri- capill~ren Gewebsspalten mit Tusche zu injizieren. Dutch naehfolgende Capillarinjektionen mit Berlinerblau konnte gezeigt werden, dab sich tats~chlieh an alien SteIlen des Nieren- parenchyms zwischen die Capillaren und die Harnkan~lehen Gewebsspalten einsehieben and dab zwischen den beiden Hohlsystemen an keiner Stelle ein direkter Kontak t besteht. Nach MAR~SCH kann auch der Nachweis yon Spaltr~umen zwischen argentophilen Fasernetzen zur Aufzeigung yon Ge- websspalten dienen. Dieses yon MARESCH an der Leber an- gewendete Prinzip auf die Niere fibertragend, haben wit dutch Gitterfaserf~rbungen gleichfalls die ubiquit~re Existenz der Gewebsspalten in der Niere naehgewiesen. Beide Unter- suchungsmethoden - - das Injektionsverfahren und die Gitter- faserf~rbung - - ergaben also fibereinstimmende Resultate.

Aus diesen morphologischen Be/unden geht hervor, daft ~eder Sto]]austausch zwischen den Btutcapillaren und den Harn- [can(ilchen die Gewebsspalten durchsetzen muff. Dies betrif/ t so- wohl Vorg~nge der Sekrefion als auch solche der Rfiek- resorption. Insbesondere ffir die letztere wollen wit hervor- heben, dab sie nur in solcher Weise stattf inden kann, dab Substanzen, die aus dem Kan~lehenlumen rfickresorbiert werden, zun~chst in die Gewebsspalten bzw. in das Gewebs- wasser gelangen und erst yon hier in die Blur- oder Lymph- capillaren fibertreten k6nnen. Damit kommen wir aber auf jenen Standpunkt zurfick, welchen LUDWIG vor etwa 7 ~ Jahren eingenommen hat. Dieser Forscher war sich darfiber Mar, dab das Gewebswasser der Mittler zwischen t larnkan~lchen and Capillaren ist. Diese ffir die Niereniunktion ohne Zweifel wichtige Erkenntnis wurde yon sp~teren Forschern an- scheinend nicht bestritten, aber sie land in der neueren Nierenphysiologie nahezu keine Beachtnng. Ers t RUDOLF KELLER betont ~933, dab er sich Bau and Funktion der Niere ohne Berficksichtigung der Gewebsspalten und des Gewebswassers kaum in befriedigender Weise Marmachen k6nne. Auf Grund nnserer eigenen Untersuchungen wollen wir also zun~chst die Ludwigsche These als zu Recht bestehend erklXren and yon ihr ausgehend ihre Bedeutung ifir die Nierenphysiologie prfifen.

Unter jenen Substanzen, welche aus den Harnkan~Ichen rfickresorbiert werden, spielt mengenm~Big das Wasser die gr6Bte Rolle. Aus den Rehbergschen yon zahlreichen Autoren best~tigten Arbeiten geht hervor, dab eine Niere bei einer lVIinutendiurese yon i ccm tats~chlich ~oo cem Glomerulus- fi l trat liefert, yon welchen 99 % rfickresorbiert werden. Im Zuge der Rfiekresorption des Wassers gelangen also enorme

* Vortrag~ gehalten in der Wiener biologisehen Gesellschaft am ix. Oktober 1937.

Flfissigkeitsmengen aus den Harnkan~lchen in die Gewebs- spalten, um aus diesen durch die ]glut- und Lymphgef~ge iortgeschafft zu werden. Wir k6nnen nicht daran zweifeln, dab diese ri~clcresorbierten Wassermengen die Hauptquelle des Gewebswassers der Niere sin& Das AusmaB der Rfickxesorp- tion schwankt nun weitgehend mit dem Ausmag der Diurese. Nach dem Gesagten mug also auch das AusmaB der Gewebs- wasserbildung yon den Schwankungen der Diurese abh~tngen. Man sollte also glauben, dab w~hrend der Polyurie wenig Gewebswasser gebildet wird, dab die Gewebsspalten aus- trocknen, w~hrend es zur Zeit der Oligurie zu einer besonders reichlichen Gewebswasserbildung, zu einer ~Jberffillung der Gewebsspalten, zu Nieren6dem kommen wfirde. Tats~ehlich erwies sich aber die Gewebsspaltenffillung w~hrend aller Phasen der Nierenfunktion Ms auBerordentlich konstant. Wodureh wird entgegen der obenstehenden Annahme diese Konstanz der Gewebsspaltenffillung aufrechterhalten? Ohne Zweifel muB vermute t werden, dab bier besondere Ein- riehtungen am Werke sind. Die welter unten Iolgende Be- spredhung der verschiedenen Schaltungen der Blutzirkulation wird diese Frage zur Kl~rung bringen.

Die Rfickresorption des Wassers und somit die Gewebs- wasserbildung erfolgt nicht gleichm~Big in den Harnkan~lchen schlechtweg; ihr t taupts i tz ist vielmehr ein best immter Kan~lchenabschnitt : die Henlesche Schleife. Die Gewebs- wasserbildung ist also zumindest zum groBen Teil in die Marksubstanz der Niere verlegt. Es mag sein, dab die eigent- liehe Bedeutung der Henleschen Schleiien darin zu erblicken ist, dab dutch sie die Gewebswasserbildung mit ihren Schwan- kungen aus der Rindensubstanz herausverlegt wird. Dadurch wfirde eine St6rung des Transportes der festen Substanzen dutch die Gewebsspalten, wie sie durch die Schwankungen des Rfickresorptionsstromes im Gewebswasser m6glich w~re, vermieden.

Die Niarksubstanz ist mithin die wichtigste Quellst~tte des Gewebswassers. In allen Geweben wird ein Teil des Ge- webswassers nicht yon den ven6sen Capillarschenkeln auf- genommen, sondern yon den Lymphcapillaren. Die reich- liche Ausbildung der Lymphgef~13e in der Nierenrinde, ins- besondere in der fibr6sen Kapsel, legt die Vermutung nahe, dab ein Teil des in der Marksubstanz gebildeten Gewebs- wassers an die OberflXche des Organs str6mt, um hier yon den Lymphgef~Ben aufgenommen zu werden. Der eine yon uns ha t in der Monographie ,,Die Hydromeehanik der Niere" darauf hingewiesen, dab die Gewebsspalten der Niere den Anschein yon pr~formierten Strombahnen erwecken. Alle diese Argumente ffir einen Gewebswasserstrom, der aus der Tiefe des Organs an die Oberfl~che dringt, k6nnen abet doch nut als triftig anerkannt werden, wenn tats/~chliche Beob- achtungen die Existenz eines solchen Gewebswasserstroms nachweisen. Solche Beobachtungen liegen nun in nicht ge- ringer Zahl vor. Zun~chst sei bier erw~hnt, dab MAUYNER und seine Mitarbeiter an der Leber fanden, dab auf der H6he der Wasserverarbeitung ein Wasserstrom a u s d e r Tiefe des Organs an die Oberfl~che dringt, der bier in Tr6pfehenform erscheint : die Leber ,,sehwitzt". DICKER und ANDERSON haben nun bei ihren Durchstr6mungsversuchen an der dekapsulierten Niere ein ebensolehes Aussickern yon Gewebswasser an der yon der Kapsel entbl6Bten Oberfl~che des Organs beobachtet. Auch die Klinik kennt solche Beobachtungen. Naeh der Dekapsulation nephritischer Nieren haben zahlreiche Autoren eine mgchtige seI6se Exsudation ausde r Nierenoberf!~tche be- s c h r i e b e n . IV[ALHERBI~ s o w i e 1V[INKOWSKI haben vor mehr Ms 4 ~ Jahren das seltene und eigentfimliche Krankheitsbild der ,,perirenalen Hydronephrose" beobachtet. Sie analysier- ten den Flfissigkeitsergug, der den Subkapsul~rraum erftillte, und spraehen ihn auf Grund der chemischen Untersuchung als Gewebswasser an. Die Frage blieb dabei offen, ob das Gewebswasser in vermehrter Menge aus dem Nierenparenchym ausgetreten oder ob die Rfickresorption des Gewebswassers beeintr~chtigt gewesen sei. Endlich hat ORTH einen wich-

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figen Beitrag zur Frage der GewebswasserstrSmung geliefert. Er land, dab kleine Tusc1iedepots, die ill die Marksubstanz eingebrac1it wurden, sich stets rinden- und kapselw~rts aus- breiteten.

Im folgenden soll nun die Bedeutung des Gewebswassers and seiner Str6mnngen ffir die Nierenfunktion und insbeson- dere ffir die verschiedenen Sc1ialtungen der Blutzirkulation in der Niere dargelegt werden. Bei unseren Versuchen, diese Bedeutung zu ergrfinden, waren uns analoge Versuc1ie an ande- ten Organen, die in j fingster Zeit bekanntgeworden sind, fSrder- lich. Wir verweisen ant die Arbeit SPANNERS fiber die Speichel- drfisen und auf jene WlNT~RSTEINS fiber die Hypophyse.

Zum Verst~ndnis der ZusalnmenhXnge zwischen der Ge- webswasserbildung und der Blutzirkulation der Niere ist es notwendig, die Beziehungen zwisc1ien den Blutcapillaren and den Gewebsspalten im fibrigen Organismus zu besprechen. Wenn das Blur aus den impermeablen Arteriolen in die semi- permeablen Capillaren gelangt, dann wird durc1i das ~ber- wiegen des 1iydrostatisc1ien Drucks des Blutes fiber den onkotischen Druck des Plasmas ein eiweiBfreies Fil trat aus den Capillaren in die Gewebsspalten abgeprel3t, welches mit den in ihm gel6sten Krystalloiden die Gewebszellen um- spfilt. In den Iolgenden Abschnitten der Capillare n immt der Blutdruck allmXhlich ab, und der onkotische Druck des Plasmas n immt zu: Es kommt nun, sobald der letztere gr6/3er is.t als der erstere, zu einer Rfickresorption yon Gewebswasser.

J e n e n Capillarschenkel, in welchem Gewebswasser aus dem Blur abfiltriert wird, bezeichnen wir als den arteriellen, jenen in welchem das Gewebswasser in das Blur rfickresorbiert wird, als den ven6sen, die Grenze zwisc1ien beiden als die arterio- ven6se Grenze. Diese ist im allgemeinen nicht anatomisch /ixiert, i1ire Lage h~ngt vom KrMteverhXltnis zwischen dem 1iydrostatischen und dem onkotischen Druck ab. Bei diesem ,,extravascul~ren KreislauI" (S~AnLII'T~) wird ann~hernd die gleiche Flfissigkeitsmenge, die im arteriellen Schenkel filtriert wurde, im ven6sen wieder zurfickgezogen. Nur ein ldeiner Teil des Gewebswassers w i r d durch die Lymp1igef~Be ab- geffihrs Unter pat1iologischen Bedingungen bei f3bertrift yon Eiweil3 in den Gewebsspalt, bei der ser6sen Entzfindung nach EVPINGER, sind diese Beziehungen gest6rt, and die Lymphmenge wird stark zunehmen.

Wie geht nun die Gewebswasserbildung in der Niere vor sic1i? Ohne Zweifel sind die Glomerulusschlingen als erster semipermeabler Abschnitt nach den Arteriolen als arterieller Schenkel einer Capillare anzusprechen, der eine ungew6hn- lic1i grol3e Ausdehnung besitzt. Das Blur, welches ihn durch- fliel3t, wird durch die Abpressung yon Gewebswasser wasser- ~trmer, also eiweiBreic1ier, wXre also nac1i unseren obigen Ausffihrungen als ven6s zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ersc1ieint angebrac1it, trotzdem die Sauerstoffzehrung im GIomerulus nu t gering ist.

Der im Glomerulus produzierte provisorische H a m ist also ein capillares Filtrat, so wie das Gewebswasser im allgemeinen; in der Niere gelangt aber dieses Fil trat nic1it unmit telbar in die Gewebsspalten, sondern zun~chst in ein epit1ieliales Rohr: in das Harnkan~lchen. Aus diesem werden, wie wir oben ausffihrten, in der RegeI mehr als 99 % des capillaren Filtrats, d. h. des provisorischen Harnes, rtickresorbiert. Es er1iebf sich nun die Frage nac1i dem morphologischen Substrat ffir die Rfickresorption so groBer Flfissigkeitsmengen, denn ent- sprechend dem stark verlS.ngerten arteriellen Capillarschenkel ist ein in der Gr6Benordnung vergleichbarer ven6ser Capillar- schenkel zu erwarten. Da die Rfickresorpfion yon Wasser, wie bereits ausgeffihrt wurde, zum gr6Bten Teil in den Henle- schen Schleifen erfolgt, sind diese ven6sen rfiekresorbierenden Capillarschenkel in der Umgebung der Henleschen Sehleifen, also in de r Marksubstanz, zu suchen.

Tats~tchlich zeigen die Capillaren der Marksubstanz eine se1ir bemerkenswerte Anordnung. W~1irend im allgemeinen im Organismus die Capillaren gteic1imXBig zwischen den anderefl Gewebselementen verteilt sind, also jene CapiIlari- sierung sich finder, die KROG~I als typisch ffir die Muskulatur bezeichnet, finden wir in der Marksubstanz Bfisc1iel, welche a u s j e 8--1o langgestreekten Capillaren bestehen. Diese Ge-

I~[3bfischel, fiber welc1ie in den Arbeiten v. MOELLENDORFFS und .G32•SSLENS bereits wichtige Angaben enthalten sind, waren ffir uns der Gegenstand eingehender eigener Unter- suchungen. Diese erfolgten zum Teil an Sc1inittserien, zum Teil nach vor1iergehender Tusc1ieinjektion, an dicken auf- ge1iellten Schnitten, mit Hilfe des Stereomikroskops. Sowohl diese Gef~13bfisc1iel als auc1i Teile der zu- und abffihrenden Gef~13e 1iaben wir endlich mit Hilfe des Plattenrekonstruk~ fionsverfa1irens untersuc1it. Wir k6nnen ihren Ban folgender- mal3en skizzieren: In der AuBenzone der Marksubstanz bilden die Gef~Bbfisc1iel ein rXumlic1i angeordnetes Maschenwerk, welches dadurc1i zustande kommt, daB die yon der Rinden- Markgrenze gegen die Papille hin leicht konvergierenden Bfisc1iel durch kurze Querbfisc1iel miteinander verbunden sind. In diesen Queranastomosen erfolgt ein Capillaraus- tausch sowie ein Gef~13anstansc1i fiberhaupt, yon einem L~Lngsbfisc1iel zum anderen. In den Zwisc1ienr~umen zwisc1ien den Btisc1ieln liegen die Sammelr6hren und die Henlesc1ien Sc1iIeifen sowie einige einzelnliegende CapilIaren. Gegen die Innenzone der Marksubstanz lain 16sen sic1i diese Bfischel in ein me1ir kubisc1i angeordnetes Netzwerk ant, dessen Masc1ien teils aus einzelnen Capillaren, tells aus Gruppen yon 3--5 nebeneinander laufenden Capillaren beste1ien.

Diese Capillarbfischel werden zum groBen Tell durch die Arteriolae rectae spuriae gespeist, welc1ie die unmit tetbaren Fortsetzungen der Vasa efferentia sind. Wir konnten die Angaben einzelner Autoren (GXNSSLEN, HOU-JENsEN U. a.) bestXtigen, dab etwa ein Ze1intel der zuffihrenden Arterien nieht ans den Vasa efferentia s tammen; dieses Zehntel umfaBt vielme1ir die Arteriolae rectae verse, welc1ie direkt aus den Arterieae arciformes kommen. Sie fiihren in die Bfisc1iel Blur, welches den Glomerulus nic1it passiert hat, also arterielles Blut, w~hrend das Blur der Arteriolae rectae spuriae im Sinne unserer obigen Ausffi1irnngen als ven6s zu bezeichnen ist. Zur Vermeidung yon Mil3verst~ndnissen schlagen wit vor, die Arteriolae rectae spuriae als Arteriae postglomerulares, die Arteriolae rectae verae hingegen als Arteriae pc~raglome- rulares zu bezeichnen. Diese Nomenklatur drfickt die ffir uns wichtige Tatsache aus, dab das Blur der einen den Glome- ruins passiert hat, wg1irend das Blur des anderen ohne Glome- ruluspassage in die Capillarbiischel der Marksubstanz gelangt. Ohne Zweifel erfghrt der Aortendruck im Glomerulus eine betrgchtliche Reduktion , wghrend er sic1i in den Arteriae, paraglomerulares ungehemmter auswirken kann. Wenn nun die Capillaren der Arteriae postglomerulares und der Arteriae paraglomerulares sich endlich vereinigen, um in die abffihren- den Venolen zu mfinden, dann wfirde das nnter hohem Druck stehende paraglomerulgre Blur in die postglomerulgren Capillaren zurfickstr6men und den ZufluB aus den unter geringerem Blutdrnck stehenden Arteriae postglomerulares behindern. Die zur Vermeidung dieses Ubelstandes ohne Zweifel notwendige Druckreduktion der Arteriae para- glomerulares erfolgt in eigentfimlichen Schlingen- and Sc1ilei- fenbildungen, die wohl schon VIRCI-IOW bekannt and yon vielen Autoren beschrieben sind, deren genauere Beschaffen- 1ieit wir aber einge1iend untersuc1it 1iaben. ~hnlic1ie Sc1ileifen- bildungen linden sic1i such dort, wo die abffihrenden Venen der Bfisc1iel in die Venue arcuatae in der Rindenmarkgrenze mfinden. Da die Nierenvenen klappenlos sind, ersc1ieinen diese Schlingenbildungen notwendig, um die Schwankungen des Druckes in der Vena cava inferior yon den Capillar- gebieten der Niere fernzu1ialten. Durc1i diese Einrichtungen, welche ,/on den Capillargebieten der Marksubstanz den Ein- flul3 organfremder Drucksc1iwankungen ab1ialten, wird erst jenes konstante Milieu gesc1iaffen, welches die Voraussetzung ffir feinere Regulationen ist. SPASrNZR beschrieb jfingst in den Capillarbfischeln arterioven6se Anastomosen. Wit Selbst fanden solche nicht, geben abet die M6glichkeit i1ires Vor- handenseins zu. Nach SPANNER wfirde die 0f fnung dieser Anastomosen den Venendruck dadurch er116hen, dab arteriel- les Blur direkt in die Venen einstr6mt, and das wfirde mit sich bringen, dab auch der Druck in den Capillaren er1161it wiirde. Eine solc1ie ErhShung des Capillardruckes mfigte die Filtration steigern und die Rfickresorption verringern.

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In diesen Gef~Banordnungen erblicken wir eine Einrich- tung, welche die paraglomeruli~ren Capillaren anf die iofaeh gr613ere Menge der postglomerul~tren Capillaren gleiehm~Big aufteilt, so dab in eillem Gef~tBbfischel im allgemeinell eine Capillare der ersten nnd etwa zehll der letzteren Art sind, wobei aber manehe Gef~gbtischel auch llur Capillarell der letzteren Art ellthalten m6gen. Welln nun die paraglomeru- l~tren Arterien und Capillaren geschlossen und aus der Zir- kulatioll ausgeschaltet sind, dallll str6mt in die GefXBb~isehel llur postglomerul~res Blut ein, welches dutch die Fi l t rat ion im Glomerulus eiweiBreich geworden ist. Dieses Blur ist imstande, die gleiche oder llahezu die gleiche Gewebswasser- menge wieder anzusangen, die es im Glomerulus abgegeben hat. In diesem Fall werden die Gef~tBbtischel auf die Gewebs- spalten eine Saugwirkung austiben, welche sich dutch die letzteren auf die Henleschen Schleifen in der Umgebung der Gef~gbiischeI auswirkt ;der gesamte Inhal t der Harnkan~lchell wird auf dem Weg tiber die Gewebsspalten nnd die post- glomerulXren Capillaren der Gef~tBbiischel riickresorbiert wer- den. Welln abet die paraglomerul~ren Arterien eingesehaltet werden, danll wird in ihren Capillarell der llormale Filtrations- prozeg einsetzen, and ihr capillares Fi l t ra t wird die Resorp-

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Abb. i . Schema der Capillarisiertmg der Niere. a Clomemlus= Rete mirabile arteriosum tiltrans; b Gef~gbfisehel = Rete mirahile venosum resorbens; c Arteriola recta spuria = A. postglomerularis; d Arteriola recta vera = A. paraglomerularis; e Harnkan~ilchen; I allgemeiner ernfihrcnder Capillarisierungstypus nach KROGH entsprechend dem Querschnitt X; g l~esor- blerender Capillarisierungstypus im Nierenmark entsprechend dem Querschnitt Y. Der Pfeil Z zeigt die im Zuge der Rfickresorption erfolgende Wasserbewegung aus dem Kan~ilchenlumen durch den Gewebsspalt zum Rete miraNIe venosum resorbens.

t ionskraft einiger benachbarter postglomerul~rer Capillaren in Allspruch nehmen und binden. Die Gesamtresorptions- leistung eines Gef~gbfischels, die sieh in die Umgebullg hin auswirken kann, ist dann verringert, ulld damit ist auch der Resorptionszug, der auf die Henleschen Sehleifell aus- geiibt wird, geringer geworden. Ein Tell des provisorisehen Harlls in den Henleschen Schleifen entgeht der Riickresorption and wird zum definitiven Harn. Nach unserer Annahme ist es also die Abstufung des onkotischen Druckes in den Capillarbiischeln der Marksubstanz, welche die Rtickresorptioll und damit die Diurese reguliert. SPAXNER und FRaY glauben, wie oben ausgef~hrt wurde, dab auch die Regulation des hydro- statischen Druckes (durch das Aufgehen der arterioven6sell Allastomosen) hierbei eine Rolle spielt. Bei der engen Ver- bulldellheit dieser beiden gegeneinander wirkendell Kr~fte ist es zumindest sehr wahrscheilllich, dab die Resorptions- leistung der GefgBhtischel durch Regulationen beider in ihrem Endwert best immt wird. I n diesen GeJ~flb~scheln liegt somit der gesuchte Resorptionsapparat vor ; im Gegensatz zu dem Rete mirable arteriosum ]iltrans, das die Glomeruli darstellen, wdren die Ge/i~fibi~schel als Rete mirable venosum resorbens zu bezeichnen (s. Abb. I).

Bei roller Funkt ion der Arteriae paraglomerulares kSnnten h6chstens lO% der im Glomerulus filtrierten Fliissigkeits- menge der Riiekresorptioll entgehell ;sie wfirdell als definierter H a m .aufscheinen. Es mag zunAchst verwunderlich erschei-

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nen, dab nach dell morphologischen Befunden auch bei maximaler Diurese noch immer neun Zehntel des Filtrates riickresorbiert werden miissen. Physiologische Untersnchnn- gen, welehe der eine yon nns gemeinsam mit ~V~ANDEL durch- gefiihrt hat, fiihrten aber zu dem gleichen Ergebnis. Bei diesen Untersuchungen, die mit eiller verbessertell Abart des Rehbergschen Kreatininverfahrens angestellt worden waren, zeigte es sich, dab auf der H6he des WasserstoBes, also bei maximaler Diurese, immer noch 90% des Fil- trates rtickresorbiert werden ulld llur etwa lO% im Harn erscheinen. Das Harn-Plasmaverh~ltnis yon Kreat inin. als Mag der Eindickullg sinkt also beim Gesunden llicht nnter IO, w~hrend es bei geringerer Diurese mehr als IOO betritgt. Dieses physiologische MindestmaB der Eindickung entspricht also vollkommen dem Verh~ltnis der postglomerul~rell zu den paraglomerul~ren Gef~tBen, wenll die letzteren vollkommen er6ffnet sind. Wir glauben also annehmen zu k6nnell, da B das Ausmaf i der Diurese im wesentlichen vom Verhi~ltnis der erSJJneten postglomeruldren zu den paraglomeruldren Ge]gflen abh~nfft. Eine Stiitze dieser Auffassung Iindell wit in den Versuchell FREYS, welche wir llachgeprtift and ill dem' fiir uns wesentlichen Punkt best/~tigt gefunden haben. Wenn wit bei Meerschweinchen Tusche intraarteriell w~hrelld der Konzentratiollsperiode injiziertell, fandell wir die Capillar- biischel stets tuschefrei. Dies wurde als Zeichen daftir auf- gefaBt, dab nur die postglomerul~ren Gef~Be ge6ffnet waren nnd die Tusche im Glomerulus steckenblieb. Erfolgte die intraarterielle Injekt ion auf der H6he der Diurese, fanden wir ill einzelnen Capillarell eilles jedell Gef~Bbiischels Tusche; diese konnte nur auf paraglomerul~rem Weg dahin gelangt sein. Dieser Weg ist also nur allf der H6he der Diurese often.

Die Rtickresorption des Wassers aus dell Henleschen Schleifen ist also vom Riickresorptionszug abh~ngig, der voll den Gef~Bbiischeln der Marksubstanz ausgefibt wird und der seinerseits wieder roll der t~lutzusammensetzung and m6glicherweise auch vom Blutdruck in diesen GefAB- btischeln abh~ngt. Es miissen also dauernd Flfissigkeits- str6me yon den Henleschen Schleifen zu den Gef~Bbtischetn senkrecht auf die L~ngsachse beider ziehen. Die parallelen Gewebsspalten zwischen den einzelnen Biischelgef~Ben legen den Gedanken nahe, dab ein Teil der an die Bfischel herall- gesaugtell Gewebswassermenge, die nicht an Ort ulld Stelle yon den Capillaren aufgenommen werden kann, parallel zur L~ngsachse des Btischels r indenw~rts zieht, dabei an den Capillaren vorbeistreicht und so allm~hlich yon diesell auf- genommen wird. In dieser (; 'bereinstimmung der Resorptions- kraft der Btischel mi t der tats~chlichen Rtickresorption in den Henlesehell Schleifen liegt die Ursache ftir die oben her- vorgehobene bemerkenswerte Konstanz der Gewebsspalten- fiillung w~hrend aller Phasen der Diurese.

Die geschilderten Vorg~nge in der Marksubstanz erscheinen uns Ms bedeutungsvoll ffir die Klinik der Nierellkrankheiten. Wit kollnten bei klinischen Untersuchungen feststellen, dab bei Gesunden die filtrierte Flfissigkeitsmenge mit der rfick- resorbierten nahezu ~ollst~.ndig iibereinstimmt, wobei der Harn racist nur 1% des Filtrates, das Resorbat hingegen 99 oder mehr /Prozent desselben ausmacht. Diese fast v611ige Gleichheit zwischen Fil trat und Resorbat ist eben dadurch bedingt, dab das Glomerulusblut - - und fast llur dieses - - in die Marksubstallz flieBt. Diese fast v611ige ~bereins t immung zwischen Fi l t rat und Resorbat fehlt nur bei den Schrumpf- nieren; bei diesen fanden sich groBe Differenzell zwischen der filtrierten und resorbierten Fltissigkeitsmenge. Das Resorbat maeht bier nur einen geringeren Bruchteil des Filtrates - - oft nur 5 ~ % - - aus. Der eine voll uns konnte gemeinsam mit M~NI)EL die Polyurie bei der chronischen Nephritis dureh ein Nebeneinander yon vermillderter Fil trat ion ulld yon lloch mehr verminderter Rtickresorption erkl~ren. Die Ursache dieses Verhaltens ergibt sich zwanglos aus den geschilderten morphologischen VerhAltnissen. Bei den Schrumpfnieren ist regelm~gig ein ~ groBer Tell der Glomeruli verSdet, a n d damit sind anch die meistell postglomerul~ren GeIXBe ausgesehaltet, w~hrend die paraglomerul~ren Arterien -con dem Schrump-

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fungsprozel3 nicht befallen sind. So sahen wit bet experimen- tell gesch~tdigten N i e r e n eine vollkommen intakte Tusche- injektion der Gef~gbfischel nach FREY. Bemerkenswert ist es, dab VIRCHOW seinerzeit die Existenz der Arteriolae rectae verae (a l sonach unserer Nomenklatur der Arteriae paraglomeru- lares) an einer Amyloidschrumpfniere, also bet verlegten Glomeruli, nachweisen konnte. Das Zahlenverh~ltnis zwisehen den postglomerul~ren und den paraglomerulgren Gef~Ben ist bet den Schrumpfnieren zugunsten der letzteren verschoben. Die Fil trat ion ist infolge des Glomerulusausfalles zwar ver- mindert ; da infolge des relativen ~)berwiegens der para- glomerul~ren GefiBe das Blur in der Marksubstanz im ganzen wasserreieher ist, wird aber die Rfickresorption gleichfalls verriugert, die t Iarnmenge bleibt unver inder t , sie kann sogar h6her sein als in der Norm. Die Anatomie der Blutgef~B- verteilung bet den Schrumpfnieren kann also die Polyurie der Nephritiker erkl~ren, und auch die Tatsache, dab die Polyurie wenig variabel, eine Zwangspolyurie, unabh~ngig yon d e r Flfissigkeitszufuhr ist, dem Verstgndnis erschlieBen. Dies ist nur ein Beispiel der Bedeutung dieses Apparates ffir die Erklgrung pathologischer Vorggnge; es dfirfte aber anch m6g- itch sein, die Wirksamkeit yon diuretischen oder antidiure- tischen Substanzen durch SchalLungen der Nierenzirkulation~ insbesondere der weehselnden Er6ffnung der paraglomeru- l i ren Gef~Be, zu erMgren.

Alle bisher vorgebrachten i)berlegungen und Feststellun- gen galten nur der Wasserverschiebung in der Niere, das Ver- halten der festen Substanzen wurde nicht berficksichtigt. Ein Unterschied zwischen dem t Iarn in den Henleschen Schleifen und dem InhaIt der Saftspalten in ihrer Umgebung wurde nicht gemacht; beide Flfissigkeiten wurden als Gewebswasser angesprochen, wie auch die Leistungen der epithelialen Wand der Harnkan~lchen bisher nicht berficksichtigt wurden. Tat- s~chlich besteht nun eine bedeutende Konzentrationsdifferenz zwischen dem t t a rn und dem Gewebswasser. Diese wird durch die epitheliale Barriere der KanMchenwand hervor- gerufen und aufrechterhalten. Das Epithel hindert einzelne feste Stoffe, dem mXchtigen Wasserstrom, der yore provi- sorischen H a m zum Gewebswasser zieht, zu folgen. So wird z. B. das Kreatinin im H a m angereichert. Andere Stoffe, wie z. t3. Zucker, werden dem Harn entzogen und im Rfiek- resorbat, d. h. also im Gewebswasser, angereichert. Ffir die Wasserverschiebung, die Fil trat ion and Rfickresorption konnten wit als fiihrende, vielleicht als alleinige Ursaehe physikalische Kr i f te annehmen. Sie h~ngen yon den Varia- tionen der Gef~Bschaltungen ab. Die Rtickresorption der festen Stoffe entscheidet die vitale T~ttigkeit des Kanalchen- epithels, deren Wesen zun~chst noch nnklar bleibt und die man mit dem BegrifI der gerichteten Permeabilitgt nach EPplN~Ea in treffender Weise bezeichnen kann. Auch ffir die M6glichkeit ether Sekretion bleibt hier 1Raum. Die Auf- hebung der gerichteten Permeabi l i t i t bet der chronischen Nephritis dutch Zerst6rung des Kan~lchenepithels ffihrt zu Konzentrationsausgleich zwischen Fi l t rat und Resorbat. Der Unterschied zwischen Harn und Gewebswasser ist aufgehoben, und dalnit zeigt der Harn eine ~hnliche Zusammensetzung wie das Blutwasser: Isosthenurie.

Zusam~nen/assend k6nnen wir unsere Vorstellungen yon der Beziehung zwischen Gewebswasser und H a m iolgender- maBen formulieren: Die Niere stellt eine stark verl/~ngerte Capillare dar, an der im wesentlichen die Starlingschen Ge- setze gelten. Im Gegensatz zum allgemeinen u ist die Grenze zwisehen dem semipermeabIen arterielIen und dem ebensolchen ven6sen Schenkel anatomisch fixiert und durch ein impermeables Zwischenstfick gekennzeichnet. Die Rfick- resorption im venSsen Wundernetz kann zum geringen Teil durch unmit te lbaren Zuflul3 yon arteriellem ]~lut in die Um- gebnng des venSsen Schenkels gehernmt werden. Am Orte der Rfickresorption ist eine epitheliale drfisenartige Membran eingeschaltet, die ein tgonzentrationsgef~tlle erzeugt und so die Schlackenstoffe im nicht rfiekresorbierten t t a rn kon- zentriert. Dies ermSglicht erst die genfigende Ausscheidung yon Schlackenstoffen ohne atlzu groBen Flfissigkeitsverlust im Sinne der Vorstellung RUDOLf- K~LL~RS, dab die Niere

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mehr der Flfissigkeitseinsparung als der Flfissigkeitsausschei- dung diene.

L i t e r a t u r: Siehe die in den Erg. inn. Med. 54 im Erscheinen begriffene moaographische Darstellnng: Fue~s und POPPER, Blut- und Saftstr6mung in der Niere.

DIE BEEINFLUSSUNG DER VITALKAPAZIT/~T DER LUNGE DURCH WICKELUNG

DER EXTRENIIT~TEN.

Von

Dozent Dr. G. BUDeLMANN. Aus der II. Medizinischen Universifiltsklinik und Medizinischen Universifiits-

Poliklinik Hamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. W]~ITZ).

Vor kurzem haben wir fiber die ]3eobachtung berichtet, dab die Vitatkapazit~it der Lunge beim gesunden Menschen nach eineln AderlaB yon 5OO--lOOO ccm deutlich zunimmt i. Die Zunahme der u haben wir auf eine Abnahme der Blutffillung der Lunge zuriickgefiihrt. Diese Annahme ist berechtigt, da aus zahlreichen Untersuchungen und Be- obachtungen bekannt ist, dab sich eine Blutfiberfiillung der Lunge in einer Abnahme und eine Verminderung ihres Blut- ffillungszustandes in einer Zunahme der Vitalkapazit/it aus- driickt und dab ganz allgemein unter bestimmten Voraus- setzungen eine ~nderung der Yitalkapazit~t der Lunge beim Menschen einen indirekten, aber guten 3/iagstab ffir die J~n- derung des Blutffillungszustandes der Lunge abgibt~. Diese Feststellnng ist zuerst bet t terzkranken mit chronischer Lungenstauung gemacht worden. In spateren Untersuchun- gen hat sich aber gezeigt, dab sich die Vitalkapazitgtsmessung der Lunge auch zum Nachweis vorfibergehender und sogar verhXltnismiBig geringer ~nderungen der ]31utfiillung der Lunge eignet 3. Ein besonders eindeutiger Beweis hierffir schien uns nun gerade unsere Beobachtung fiber den Einflug des Aderlasses auf die VitalkapazitXt der Lunge beim ge- sunden Menschen zu se in . .Die dabei beobachtete Zunahme der Vitalkapazitgt muB mit einer Verminderung der normalen Blutffille und ether sich darans ergebenden Zunahme des Luftgehaltes der Lunge erklgrt werden.

Auf Grund dieser Beobachtung, dab es offenbar gelingt, auch beim gesunden Menschen dutch einen AderlaB die :Blut- ffillung der Lunge vorfibergehend in einem Grade zu ver- mindern, der in einer Zunahme der Vitalkapazit~t zum Aus- druck kommt, haben wir uns nun die Frage vorgelegt, ob es nicht umgekehrt mSglich ist, die Blutfiillung der Lunge beim gesunden Menschen so stark zu vermehren, dab eine Abnahme der Vitalkapazit~t eintritt . Zur Beantwortung dieser Frage wurden gemeinsam mit }term cand reed. I~NOBEL die Iolgen- den Untersuchungen angestellt, fiber deren Ergebnis kurz berichtet werden soll. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen dabei aus Grfinden der Raumersparnis nut an einigen Beispielen gezeigt werden. Das ist mSglich, da alle Ergeb- nisse vSllig gleichsinnig ausgefallen sind.

Bet gesunden Studenten, die lXngere Zeit auf die Spirometrie eingefibt waren und bet denen mit Hilfe mehrerer 2r ein konstanter Ruhewert und fur die Yersuchsperson Normalwert der Vitalkapazitit (errechnet aus dem Sollgrundumsatz der Vp. multi- pliziert mit dem Faktor 2,4) bestimmt worden war, wurden beide Arme und ]3eine mit starken Gummibinden, am distalen Ende be- ginnend, umwickelt, wie es yon der Erzeugung der Blutleere einer Extremitit her bekannt tat. Die Versuchspersonen lagen whhrend der ganzen Beobachtungszeit auf einem Liegesofa. Wir gingen bet diesen Versuchen yon der Vorstellung aus, dab dutch eine solche Wickelung der Extremititen eine Verdrgngung einer grSBeren Blut- menge zentralwirts statthat. Dabei war zu erwarten, dag auch eine st~rkere Blutfiillung des kleinen t~reislaufes eintreten wiirde.

In allen Versuchen zeigte sich nun, wie erwartet, wihrend Arme und Beine gewickelt waren, eine dentliche Abnahme der Vitalkapazit~t der Lunge. Die Versuchspersonen gaben gleichzeitig an, weniger fief atmen zu k6nnen, einige ~uBerten sogar ein ausgesprochenes ]3eklemmungsgeffihl.

Die Tabelle mag den Gang eines solchen Versuches ver- anschaulichen: