Die Webvorteile voll erschließen

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14 STRATEGIE versicherungsbetriebe 4 2010 Für Dienstleistungsbranchen wie Versicherungen bildet das Internet eine ideale Infrastruktur: Die Unternehmen erhalten darü- ber endlich einen direkten Zugang zum Kunden und können neue Vertriebswege beschreiten. Gleichzeitig profitieren auch die klassischen Prozesse, indem beispielsweise Makler per Web direkt auf Tarif-, Antrags- und Bestandsanwen- dungen zugreifen. Den Takt aber geben in der traditionsreichen Branche immer noch Brief und Fax vor – Konflikte mit dem Echtzeitmedi- um Internet sind da vorprogrammiert. Regel- mäßig sichtbar wird das, wenn Webunterneh- men oder Vertriebspartner um Kooperationen anfragen. Möchte beispielsweise ein Autoportal den Verkauf von Kfz-Policen als Zusatzservice anbieten, laufen solche Anfragen bei den großen Versicherern sehr oft ins Leere, weil die IT für die entsprechende Schnittstellenimplementierun- gen Monate benötigt. Das ist zu lange für eine Branche, die in Tagen und Wochen denkt. Woran es bei vielen Versicherern hapert ist eine schlüssige Webstrategie, wie nun auch eine aktuelle Studie des Münchner Software- und Beratungsunternehmens metafinanz in Zusam- menarbeit mit der Hochschule München belegt. Die Untersuchung, an der sich 46 deutsche Asse- kuranzunternehmen beteiligten, liefert zudem einen Überblick über die aktuellen Aktivitäten der Branche im Internet. Studie: Versicherer bei Services im Web noch zurückhaltendend Der Studie zufolge sind Onlineservices für Versi- cherungspartner noch keine Selbstverständlich- keit. So bieten etwa 30 Prozent der Versicherer ihren Partnern noch gar keine Möglichkeit, um online Versicherungsangebote einzuholen. Von den 70 Prozent, die Dienste über das Web bereit- stellen, realisieren das 45 Prozent in Form von Webservice-Schnittstellen. Den Zugriff per Webportal bieten 41 Prozent, während zwei Prozent ein Portlet als wiederverwendbares Oberflächenmodul für Webseiten einsetzen. Mit einem recht unterschiedlichen Angebots- portfolio präsentieren sich die Assekuranzen im Web. Immerhin 91 Prozent stellen ihre Produkt- informationen aus, 65 Prozent ermöglichen Schadensmeldungen über ein Browserformular, 54 Prozent erstellen Angebote, 45 Prozent einen Vertragsabschluss und 43 Prozent bieten eine Tarifierung an. Die richtige Webstrategie Um das Ziel einer schnelleren Partneranbin- dung zu erreichen, empfiehlt sich ein strategi- sches Vorgehen, das sowohl die fachlichen wie auch technischen Anforderungen berücksich- tigt. Im Folgenden wird ein erfolgversprechen- der Ansatz skizziert, der auf den Erfahrungen eines Kundenprojekts beruht. Kernziel war die Schaffung einer einheitlichen Vorgehensweise bei Partneranbindungen. Zunächst gilt es dabei, vorab die zu erreichenden Ziele zu definieren. Aus Sicht der potenziellen Kooperationspartner Die Webvorteile voll erschließen Webstrategie. Traditionsreiche Branchen wie die Versicherungswirtschaft haben bisweilen ihre Not mit dem Web: Einerseits profitieren Anbieter längst von den schier grenzenlosen Marketing- und Verkaufsmöglichkeiten, doch bremsen auf der anderen Seite alte Strukturen und Papierfraktionen eine konsequente Internetnutzung. Ein großer Versicherer setzt nun auf eine einheitliche Webstrategie, um Partner zügiger, effizienter und günstiger in die Unternehmensprozesse zu integrieren. metafinanz Alternativen: Anbindungsmöglichkeiten für Partner Quelle: metafinanz; Grafik: vb Partner A (direkte WS-Anbindung) Client Client Webportal Portlet Webservice BiPRO/GDV/... Webbrowser VU-Portal Partner B (indirekte WS-Anbindung) Partner C (Portleinbindung) Partner D (Zugriff über Portal) Adapter Standard-Webschnittstelle Umsetzung zum Zielsystem A B C D ... Partner können auf verschiedene Arten mit den Back-End-Systemen des VUs zusam- menarbeiten. Je vielfältiger die gebotenen Möglichkeiten sind, desto mehr Partner können eingebunden werden. lauten die grundlegenden Anforderungen wie folgt: Unterstützung des Geschäftsprozesses Produktanpassungen bei Bedarf Lieferung der Schnittstelle Umsetzung der Software Partnerdokumentation Erfüllung der Sicherheitsanforderungen In der Vergangenheit setzte die IT die Punkte 3 bis 5 für jeden Kunden individuell um, was ne- ben dem hohen zeitlichen Aufwand auch immer wieder enorme Kosten verursachte. Im Zuge ei- ner Webstrategie verringert sich der Aufwand deutlich, weil die Schnittstellendefinition und die Implementierung der Software lediglich ein- mal pro Sparte beim ersten Kooperationspartner durchzuführen ist. Alle weiteren Partneranbin- dungen bedürfen keiner weiteren Programmie- rung, sondern lediglich eines minimalen Konfi- gurationsaufwands. Die Software lässt sich

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[25.11.2010] Traditionsreiche Branchen wie die Versicherungswirtschaft haben bisweilen ihre Not mit dem Web: Einerseits profitieren Anbieter längst von den schier grenzenlosen Marketing- und Verkaufsmöglichkeiten, doch bremsen auf der anderen Seite alte Strukturen und Papierfraktionen eine konsequente Internetnutzung. Ein großer Versicherer setzt nun auf eine einheitliche Webstrategie, um Partner zügiger, effizienter und günstiger in die Unternehmensprozesse zu integrieren.

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14 STRATEGIE

versicherungsbetriebe  4 2010

Für Dienstleistungsbranchen wieVersicherungen bildet das Internet eine idealeInfrastruktur: Die Unternehmen erhalten darü-ber endlich einen direkten Zugang zum Kundenund können neue Vertriebswege beschreiten.Gleichzeitig profitieren auch die klassischenProzesse, indem beispielsweise Makler per Webdirekt auf Tarif-, Antrags- und Bestandsanwen-dungen zugreifen. Den Takt aber geben in dertraditionsreichen Branche immer noch Briefund Fax vor – Konflikte mit dem Echtzeitmedi-um Internet sind da vorprogrammiert. Regel-mäßig sichtbar wird das, wenn Webunterneh-men oder Vertriebspartner um Kooperationenanfragen. Möchte beispielsweise ein Autoportalden Verkauf von Kfz-Policen als Zusatzserviceanbieten, laufen solche Anfragen bei den großenVersicherern sehr oft ins Leere, weil die IT für dieentsprechende Schnittstellenimplementierun-gen Monate benötigt. Das ist zu lange für eineBranche, die in Tagen und Wochen denkt.Woran es bei vielen Versicherern hapert ist eineschlüssige Webstrategie, wie nun auch eine aktuelle Studie des Münchner Software- und Beratungsunternehmens metafinanz in Zusam-menarbeit mit der Hochschule München belegt.Die Untersuchung, an der sich 46 deutsche Asse-kuranzunternehmen beteiligten, liefert zudemeinen Überblick über die aktuellen Aktivitätender Branche im Internet.

Studie: Versicherer bei Servicesim Web noch zurückhaltendend

Der Studie zufolge sind Onlineservices für Versi-cherungspartner noch keine Selbstverständlich-keit. So bieten etwa 30 Prozent der Versichererihren Partnern noch gar keine Möglichkeit, umonline Versicherungsangebote einzuholen. Vonden 70 Prozent, die Dienste über das Web bereit-stellen, realisieren das 45 Prozent in Form vonWebservice-Schnittstellen. Den Zugriff perWebportal bieten 41 Prozent, während zwei Prozent ein Portlet als wiederverwendbaresOberflächenmodul für Webseiten einsetzen.Mit einem recht unterschiedlichen Angebots -portfolio präsentieren sich die Assekuranzen im

Web. Immerhin 91 Prozent stellen ihre Produkt-informationen aus, 65 Prozent ermöglichenSchadensmeldungen über ein Browserformular,54 Prozent erstellen Angebote, 45 Prozent einenVertragsabschluss und 43 Prozent bieten eineTarifierung an.

Die richtige Webstrategie

Um das Ziel einer schnelleren Partneranbin-dung zu erreichen, empfiehlt sich ein strategi-sches Vorgehen, das sowohl die fachlichen wieauch technischen Anforderungen berücksich-tigt. Im Folgenden wird ein erfolgversprechen-der Ansatz skizziert, der auf den Erfahrungen eines Kundenprojekts beruht. Kernziel war dieSchaffung einer einheitlichen Vorgehensweisebei Partneranbindungen. Zunächst gilt es dabei,vorab die zu erreichenden Ziele zu definieren.Aus Sicht der potenziellen Kooperationspartner

Die Webvorteile voll erschließenWebstrategie. Traditionsreiche Branchen wie die Versicherungswirtschaft haben bisweilen ihreNot mit dem Web: Einerseits profitieren Anbieter längst von den schier grenzenlosen Marketing- undVerkaufsmöglichkeiten, doch bremsen auf der anderen Seite alte Strukturen und Papierfraktionen einekonsequente Internetnutzung. Ein großer Versicherer setzt nun auf eine einheitliche Webstrategie, umPartner zügiger, effizienter und günstiger in die Unternehmensprozesse zu integrieren.

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Alternativen: Anbindungsmöglichkeiten für Partner

Quelle: metafinanz; Grafik: vb

Partner A(direkte WS-Anbindung)

Client Client Webportal

Portlet

Webservice

BiPRO/GDV/...

Webbrowser

VU-Portal

Partner B(indirekte WS-Anbindung)

Partner C(Portleinbindung)

Partner D(Zugriff über Portal)

Adapter

Standard-Webschnittstelle

Umsetzung zum Zielsystem

A B C D ...

Partner können auf verschiedene Arten mit den Back-End-Systemen des VUs zusam-menarbeiten. Je vielfältiger die gebotenen Möglichkeiten sind, desto mehr Partnerkönnen eingebunden werden.

lauten die grundlegenden Anforderungen wiefolgt:� Unterstützung des Geschäftsprozesses� Produktanpassungen bei Bedarf� Lieferung der Schnittstelle� Umsetzung der Software� Partnerdokumentation� Erfüllung der SicherheitsanforderungenIn der Vergangenheit setzte die IT die Punkte 3bis 5 für jeden Kunden individuell um, was ne-ben dem hohen zeitlichen Aufwand auch immerwieder enorme Kosten verursachte. Im Zuge ei-ner Webstrategie verringert sich der Aufwanddeutlich, weil die Schnittstellendefinition unddie Implementierung der Software lediglich ein-mal pro Sparte beim ersten Kooperationspartnerdurchzuführen ist. Alle weiteren Partneranbin-dungen bedürfen keiner weiteren Programmie-rung, sondern lediglich eines minimalen Kon fi-gurationsaufwands. Die Software lässt sich

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15STRATEGIE

4 2010 versicherungsbetriebe

Konfiguration: Alle Dienste für alle Partner

Quelle: metafinanz; Grafik: vb

KonfigurationA

KonfigurationB

Portal Partner A Portal Partner BOberfläche(Farben, Texte, Grafiken)

Attribute(ein-/ausblenden)

Wertausprägungen(zulässige Werte für Partner)

Ablauf(Masken ein-/ausblenden)

Standard-Portlet

Die Duplizierung von Code führt zu einem nicht kontrollierbaren Wildwuchs, der sehrschwer wartbar ist. Dies soll im Rahmen der Webstrategie vermieden werden – statt-dessen sollen alle Dienste konfigurierbar und somit für alle Partner verwendbar sein.

Vorname Nachname

Geburtsdatum

Zahlungsperiode

monatlichvierteljährlichjährlich

kurzfristigjährlich

Vorname Nachname

Zahlungsperiode

1 2 3 4 5 1 2 4 4b 6

Studie: Fragen zum Einsatz des Internets

Frage: Welche Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen dem Kunden/Interessenten über Ihre Webseite an? (Mehrfachnennungen möglich)

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Quelle: metafinanz. Grafik: vb

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somit in jedem Projekt wiederverwenden unddie Dokumentation muss lediglich partner -spezifisch angepasst werden.

Webschnittstellen

Im Rahmen des Beispielprojekts wurden zunächst einige fachliche Anforderungen definiert. „Wiederverwendbarkeit“ lässt sichetwa in Form von Portlets realisieren, die alsWebseitenmodule vorgefertigt werden. Sie ste-hen dann als Funktionselemente in einem Un-ternehmensrepository zur Verfügung, lassensich mit wenig Aufwand anpassen und in belie-bige Partnersites integrieren. Beispiele dafürwären Portlets für Unfalltarifierung, Kfz-Tari-fierung oder Haftpflichtantragsübernahme.Als weiterer zentraler Punkt steht „Komplettab-deckung“ für eine breite Schnittstellenimple-mentierung, die alle potenziellen Partner – vomHaftpflichtvergleichsportal bis zum Spezial-makler für Unfallversicherung – gleichermaßenadressiert. Vollständigkeit bezieht sich dabeiauch auf die Gesamtheit der Versicherungs -sparten wie Sach, Kraft, Kranken und Leben sowie die Gesamtheit aller Geschäftsvorfällewie  Tarifierung, Antragsprüfung, Antrags-übernahme und Vertragsanzeige.„Flexibilität“ gehört ebenfalls zu den fachlichenAnliegen der Partner, die damit insbesondereeine schnelle Reaktion der Versicherer meinen.Um das zu erreichen, formulierte man das Prin-zip „Konfigurieren statt implementieren“. Stattalle partnerspezifischen Funktionen in den Pro-grammcode zu implementieren, muss die Soft-ware so weit wie möglich konfigurierbar erstelltwerden. Auf diese Weise sind sogar fachliche Anpassungen ohne Einbindung der IT-Ab -teilung möglich. Dasselbe gilt auch für die Backendsysteme, die im Sinne eines flexiblenÄnderungsprozesses ebenfalls gerüstet sein sollten für geänderte Anforderungen.

Webservices oder Portlets

Der Zugriff auf die Versicherungssysteme findetin der Praxis auf zwei Wegen statt: Entwederüber Webserviceschnittstellen oder über eineWeboberfläche (Portlet). Fällt die Wahl auf Web-services, sollte gemäß der Webstrategie eineSchnittstelle nach dem gleichem Schema für alleSparten geschaffen werden. Sie sollte zudem er-weiterbar sein, um jederzeit neue Sparten, Ge-schäftsvorfälle oder Produktneuentwicklungenzu unterstützen. Bei der Portletoption handeltes sich um bereits vorgefertigte Miniwebober-flächen, die sowohl in die Seiten des Versiche-rungsanbieters selbst als auch in externe Part-nerseiten (als Remote-Portlet) eingebundenwerden. Die Funktionalität dafür muss nur ein-mal implementiert werden. Bei fachlichen Än-

derungen fällt damit nur ein einmaliger Pro-grammieraufwand an, weitere Anpassungen fürjede neue Partneranbindung sind überflüssig.

Praktischer Einsatz

In zwei Projekten konnte metafinanz in Zusam-menarbeit mit einem großen Versicherer bereitsden Praxisnutzen der Webstrategie darlegen. Imersten Fall handelt es sich um ein Schnittstel-lenprojekt für eine Tierkrankenversicherung.Das Portlet für die Tarifberechnung und An-tragsdatenerfassung wurde in einem auf Hun-

dethemen spezialisierten Verlagsportal sowie inleicht modifizierter Form auf der Anbieterweb-site integriert. Die Backendanbindung erfolgtüber den entsprechenden Tierkrankenversiche-rungs-Webservice. Im zweiten Projekt integrier-te eine Bank als Vertriebspartner einen Tarif-rechner für eine spezielle Unfallversicherungmit garantierter Beitragsrückzahlung (UBR).Für die Erfassung aller Antragsdaten kommtschließlich ein Portlet zum Einsatz, das die auf-genommenen Daten über den UBR-Webservicein die Versicherungsbackends schickt. �