Die Werkzeuge der Klimaforschung · Instrumente mit begrenzter Lebensdauer. Historische Daten...

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Max-Planck-Institut für Meteorologie Max Planck Institute for Meteorology Deutsches Klimarechenzentrum DKRZ Unsere Kenntnisse über das Klimasystem der Erde basieren auf Beobachtungen und Rechnungen mit Klimamodellen, die mit Beobachtungen getestet sind. Beide Werkzeuge sind das Grundgerüst der Klimaforschung. Beobachtungsdaten werden benötigt, um: a) natürliche Klimaschwankungen zu verstehen b) Klimaschwankungen vorhersagen zu können c) die vom Menschen verursachten Eingriffe in das Klima- system zu verstehen und deren Folgen abzuschätzen d) Modellstudien zu motivieren und e) Eingangs- und Testdaten für Modellsimulationen bereitzustellen. Dafür werden aktuelle Messungen wie auch historische Da- ten benötigt. Ein globales ‘in situ’ Meßnetz im Ozean, in der Atmosphäre und auf der Landoberfläche erfordert den Einsatz vielfältiger Messmethoden und Plattformen. Vorteil: Sehr hohe Genauigkeit der Daten, lange Zeitserien. Nachteil: Nur grobe räumliche Auflösung möglich, z.T. sehr aufwendige und teure Messungen. Mit Satelliten sind wir heutzutage in der Lage, flächendek- kend eine Vielzahl atmosphärischer Parameter, sowie wichti- ge Kenngrößen der Land- und Ozeanoberflächen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu ermitteln. Diese Mes- sungen werden durch ‘klassische’ Beobachtungsverfahren (z.B. Wetterballone, Bodenbeobachtungen, ozeanographische Beobachtungen des oberen und tiefen Ozeans) ergänzt. Dar- über hinaus erlauben diese eine Eichung der Satellitendaten. Vorteil: Hohe räumliche und zeitliche Auflösung möglich. Nachteil: “In situ” Vergleichsdaten sind notwendig, Messun- gen erst seit den 70er Jahren, z.T. sehr aufwendige und teure Instrumente mit begrenzter Lebensdauer. Historische Daten können zum Beispiel aus Eisbohrkernen, Baumringen, Sedimenten und Korallen abgeleitet werden. Mit Hilfe dieser Daten ist es bereits gelungen, die Temperatur der letzten 1000 Jahre zu rekonstruieren. Vorteil: Die natürliche Klimavariabilität in der Vergangenheit kann untersucht werden. Nachteil: Die Daten können nicht so präzise wie instrumen- telle Messungen sein. Modellsimulationen Da direkte Messungen von Klimaparametern erst seit etwa 100-150 Jahren zur Verfügung stehen (für die meisten phy- sikalischen Größen erst seit einigen Jahrzehnten) und das Messnetz zeitlich wie räumlich sehr inhomogen ist, können wissenschaftliche Untersuchungen zur globalen Klimavaria- bilität nur mit Hilfe globaler numerischer Modelle durchge- führt werden. Vorhersagen des zukünftigen Klimas sind ohne diese numerischen Modelle überhaupt nicht möglich. Für die Qualität und Aussagekraft der Modellergebnisse sind jedoch die Dichte und Güte der Beobachtungsdaten entschei- dend. Vorteil: Langzeitstudien mit homogenen und vollständigen Datensätzen möglich, Studium unterschiedlicher Klimaszena- rien bei unterschiedlichen Randbedingungen, Vorhersagen des zukünftigen Klimas. Nachteil: Hoher Rechenaufwand (Computerkapazitäten), Un- genauigkeiten in der Formulierung der Modelle schränken die Aussagen ein, wiederholter Vergleich mit Beobachtungsdaten ist notwendig. Synthese (Daten + Modell) Erst die Synthese aus Beobachtungsdaten und Modellsimula- tionen ermöglicht die Erforschung der komplexen Zusammen- hänge in unserem Klimasystem und damit Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas. Die Werkzeuge der Klimaforschung - Beobachtungsdaten und Modellierung - Paläoklimatologie: Was können wir aus der Klimageschichte lernen ? Fernerkundung und ‘klassische’ Beobachtungsmethoden: Daten für die Erforschung der Klimavariabilität, des Klimawandels und für Klimavorhersagen Fernerkundung mit Satelliten Klassische “In situ” Messungen In jüngerer Zeit ermöglichen Satellitenmes- sungen einen umfassenderen und detaillier- teren Einblick in das Klimageschehen auf unserem Planeten. Oben: Anomalien Mee- resspiegels im Pazifik gemessen vom TOPEX/POSEIDON Satelliten (unten) wäh- rend des letzten El Niño am 10 Dezember 1997: violett: anomal niedriger Wasser- stand, rot und weiß: anomal hoher Wasser- stand, einhergehend mit anomal hohen Wassertemperaturen. 1000 1200 1400 1600 1800 2000 Jahr -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 Temperatur Anomalie ( o C) 1998 Rekonstruktion (1000-1980) Instrumentelle (1902-1998) Daten Kalibrierungsperiode (1902-1980) Rekonstruktion (40-jahres Filter) Linearer Trend (1000-1850) Klimamodellierung - Synthese aus Beobachtungen und Simulationen Beobachtung Kontrollexperiment Klimaänderung (nur Treibhausgase) Klimaänderung (mit Aerosol) Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Okt Jan -1.0 -2.0 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 SST (°C) Beobachtete SST 1997 1998 1999 Quelle: ECMWF El Niño 1997/98 Saisonale Vorhersagen Ensemblevorhersagen der monatlich ge- mittelten Anomalien der Meeresoberflä- chentemperatur im tropischen Zentral- pazifik (Niño-3 Gebiet). Die Vorhersagen wurden im Abstand von drei Monaten für einen Vorhersagezeitraum von 6 Mona- ten gestartet. Die schwarze Kurve zeigt die Beobachtung (vom ECMWF Seasonal Forecast Project). Klassische Meßmethoden in der Ozeanographie und Meteorologie stellen bis heute einen wesentlichen Teil der Beobachtungsdaten unseres Klimasystems bereit. Oben links: Gerät zur Wasserpro- benentnahme, Temperatur- und Salzgehaltsmessung in verschie- denen Tiefen; Oben Mitte: automatischer Start einer Radiosonde; Oben rechts: Meßflugzeug zur Untersuchung von Wolkenstruktu- ren; Mitte rechts: “Klassische Messung der Wassertemperatur; Unten links: profilierende Meßsonde für Temperatur-, Salzgehalts- und Strömungsmessung im Ozean; Unten Mitte: Meßballon für Ozonmessungen in der Stratosphäre; Unten rechts: Ausbringen einer Verankerung im Zentralpazifik; Mitte: Globale Karte mit Kli- mastationen mit Radiosondenmessungen. Beobachtete (grün) und simulierte Entwicklung der Bodentempe- raturanomalien aus drei Experimenten mit einem gekoppelten Kli- mamodell (ECHAM4/OPYC) (schwarz, rot, blau) für den Zeitraum 1860-2100 (soweit verfügbar). Die schwarze Kurve gibt das Mo- dellergebnis ohne den Einfluß menschlicher Aktivitäten an (Kon- troll-experiment), die rote Zeitserie berücksichtigt den Eintrag von Kohlendioxid und anderen Treib-hausgasen und die grüne zu- sätzlich den dämpfenden Einfluß atmosphärischen Aerosols. Nach Roeckner, 2000. Beobachtete Abweichungen der Oberflächentem- peraturen der Nordhemisphäre für die letzten 1000 Jahre. Die Daten vor 1900 (schwarz und violett) wurden aus verschiedenen Proxydaten ab- geleitet, wie z.B. Eisbohrkernen, Baumringen, Ko- rallen, etc. (siehe auch Fotos rechts). Instrumentelle Daten liegen erst seit etwa 100 Jahren mit hinreichender Genauigkeit vor. Die Zeitserie zeigt eine leichte Abkühlungstendenz für die ersten 900 Jahre, gefolgt von einer star- ken Erwärmung, die bis heute andauert und mit hoher Wahrscheinlichkeit den menschlichen Einfluß auf das Klima widerspiegelt. In gelb ist die Unsicherheit bei der Temperaturbestimmung angegeben. Nach Mann et al., 1999, Geophys. Res. Lett., 26, 759. © SOC, UK © NCAR © A. Villwock © NCAR © NOAA/PMEL © G. Meehl © SOC, UK © WMO/GCOS © NCAR © L. Thompson © A. Lotter

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Max-Planck-Institut für Meteorologie Max Planck Institute for Meteorology

Deutsches KlimarechenzentrumDKRZ

Unsere Kenntnisse über das Klimasystem der Erde basierenauf Beobachtungen und Rechnungen mit Klimamodellen, diemit Beobachtungen getestet sind. Beide Werkzeuge sind dasGrundgerüst der Klimaforschung.

Beobachtungsdaten werden benötigt, um:

a) natürliche Klimaschwankungen zu verstehenb) Klimaschwankungen vorhersagen zu könnenc) die vom Menschen verursachten Eingriffe in das Klima-

system zu verstehen und deren Folgen abzuschätzend) Modellstudien zu motivieren unde) Eingangs- und Testdaten für Modellsimulationen

bereitzustellen.

Dafür werden aktuelle Messungen wie auch historische Da-ten benötigt.

Ein globales

‘in situ’

Meßnetz im Ozean, in der Atmosphäreund auf der Landoberfläche erfordert den Einsatz vielfältigerMessmethoden und Plattformen.

Vorteil:

Sehr hohe Genauigkeit der Daten, lange Zeitserien.

Nachteil:

Nur grobe räumliche Auflösung möglich, z.T. sehraufwendige und teure Messungen.

Mit

Satelliten

sind wir heutzutage in der Lage, flächendek-kend eine Vielzahl atmosphärischer Parameter, sowie wichti-ge Kenngrößen der Land- und Ozeanoberflächen mit hoherräumlicher und zeitlicher Auflösung zu ermitteln. Diese Mes-sungen werden durch ‘klassische’ Beobachtungsverfahren(z.B. Wetterballone, Bodenbeobachtungen, ozeanographischeBeobachtungen des oberen und tiefen Ozeans) ergänzt. Dar-über hinaus erlauben diese eine Eichung der Satellitendaten.

Vorteil:

Hohe räumliche und zeitliche Auflösung möglich.

Nachteil:

“In situ” Vergleichsdaten sind notwendig, Messun-gen erst seit den 70er Jahren, z.T. sehr aufwendige und teureInstrumente mit begrenzter Lebensdauer.

Historische Daten

können zum Beispiel aus Eisbohrkernen,Baumringen, Sedimenten und Korallen abgeleitet werden. MitHilfe dieser Daten ist es bereits gelungen, die Temperatur derletzten 1000 Jahre zu rekonstruieren.

Vorteil:

Die natürliche Klimavariabilität in der Vergangenheitkann untersucht werden.

Nachteil:

Die Daten können nicht so präzise wie instrumen-telle Messungen sein.

Modellsimulationen

Da direkte Messungen von Klimaparametern erst seit etwa100-150 Jahren zur Verfügung stehen (für die meisten phy-sikalischen Größen erst seit einigen Jahrzehnten) und dasMessnetz zeitlich wie räumlich sehr inhomogen ist, können

wissenschaftliche Untersuchungen

zur globalen Klimavaria-bilität nur mit Hilfe

globaler numerischer Modelle

durchge-führt werden. Vorhersagen des zukünftigen Klimas sind ohnediese numerischen Modelle überhaupt nicht möglich.

Für die Qualität und Aussagekraft der Modellergebnisse sindjedoch die Dichte und Güte der Beobachtungsdaten entschei-dend.

Vorteil:

Langzeitstudien mit homogenen und vollständigenDatensätzen möglich, Studium unterschiedlicher Klimaszena-rien bei unterschiedlichen Randbedingungen, Vorhersagen deszukünftigen Klimas.

Nachteil:

Hoher Rechenaufwand (Computerkapazitäten), Un-genauigkeiten in der Formulierung der Modelle schränken dieAussagen ein, wiederholter Vergleich mit Beobachtungsdatenist notwendig.

Synthese (Daten + Modell)

Erst die Synthese aus Beobachtungsdaten und Modellsimula-tionen ermöglicht die Erforschung der komplexen Zusammen-hänge in unserem Klimasystem und damit Aussagen über diezukünftige Entwicklung des Klimas.

Die Werkzeuge der Klimaforschung

- Beobachtungsdaten und Modellierung -

Paläoklimatologie: Was können wir aus der Klimageschichte lernen ?

Fernerkundung und ‘klassische’ Beobachtungsmethoden:

Daten für die Erforschung der Klimavariabilität, des Klimawandels und für Klimavorhersagen

Fernerkundung mit SatellitenKlassische “In situ” Messungen

In jüngerer Zeit ermöglichen Satellitenmes-sungen einen umfassenderen und detaillier-teren Einblick in das Klimageschehen aufunserem Planeten.

Oben:

Anomalien Mee-resspiegels im Pazifik gemessen vomTOPEX/POSEIDON Satelliten (

unten

) wäh-rend des letzten El Niño am 10 Dezember1997:

violett:

anomal niedriger Wasser-stand,

rot

und

weiß:

anomal hoher Wasser-stand, einhergehend mit anomal hohenWassertemperaturen.

1000 1200 1400 1600 1800 2000Jahr

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1998

Rekonstruktion (1000-1980)Instrumentelle (1902-1998)Daten

Kalibrierungsperiode (1902-1980)Rekonstruktion (40-jahres Filter)

Linearer Trend (1000-1850)

Klimamodellierung - Synthese aus Beobachtungen und Simulationen

BeobachtungKontrollexperimentKlimaänderung (nur Treibhausgase)Klimaänderung (mit Aerosol)

Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan AprOkt Jan

-1.0

-2.0

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1.0

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3.0

4.0

SS

T (

°C)

Beobachtete SST

1997 1998 1999

Quelle: ECMWF

El Niño 1997/98Saisonale Vorhersagen

Ensemblevorhersagen der monatlich ge-mittelten Anomalien der Meeresoberflä-chentemperatur im tropischen Zentral-pazifik (Niño-3 Gebiet). Die Vorhersagenwurden im Abstand von drei Monaten füreinen Vorhersagezeitraum von 6 Mona-ten gestartet. Die

schwarze

Kurve zeigtdie Beobachtung (vom ECMWF SeasonalForecast Project).

Klassische Meßmethoden in der Ozeanographie und Meteorologiestellen bis heute einen wesentlichen Teil der Beobachtungsdatenunseres Klimasystems bereit.

Oben links:

Gerät zur Wasserpro-benentnahme, Temperatur- und Salzgehaltsmessung in verschie-denen Tiefen;

Oben Mitte:

automatischer Start einer Radiosonde;

Oben rechts:

Meßflugzeug zur Untersuchung von Wolkenstruktu-ren;

Mitte rechts:

“Klassische Messung der Wassertemperatur;

Unten links:

profilierende Meßsonde für Temperatur-, Salzgehalts-und Strömungsmessung im Ozean;

Unten Mitte:

Meßballon fürOzonmessungen in der Stratosphäre;

Unten rechts:

Ausbringeneiner Verankerung im Zentralpazifik;

Mitte:

Globale Karte mit Kli-mastationen mit Radiosondenmessungen.

Beobachtete (

grün

) und simulierte Entwicklung der Bodentempe-raturanomalien aus drei Experimenten mit einem gekoppelten Kli-mamodell (ECHAM4/OPYC) (

schwarz

,

rot

,

blau

) für den Zeitraum1860-2100 (soweit verfügbar). Die

schwarze

Kurve gibt das Mo-dellergebnis ohne den Einfluß menschlicher Aktivitäten an (Kon-troll-experiment), die

rote

Zeitserie berücksichtigt den Eintragvon Kohlendioxid und anderen Treib-hausgasen und die

grüne

zu-sätzlich den dämpfenden Einfluß atmosphärischen Aerosols.

Nach Roeckner, 2000.

Beobachtete Abweichungen der Oberflächentem-peraturen der Nordhemisphäre für die letzten1000 Jahre. Die Daten vor 1900 (

schwarz

und

violett

) wurden aus verschiedenen Proxydaten ab-geleitet, wie z.B. Eisbohrkernen, Baumringen, Ko-rallen, etc. (siehe auch Fotos rechts). Instrumentelle Daten liegen erst seit etwa 100 Jahren mit hinreichenderGenauigkeit vor. Die Zeitserie zeigt eine leichte Abkühlungstendenz für die ersten 900 Jahre, gefolgt von einer star-ken Erwärmung, die bis heute andauert und mit hoher Wahrscheinlichkeit den menschlichen Einfluß auf das Klimawiderspiegelt. In

gelb

ist die Unsicherheit bei der Temperaturbestimmung angegeben.

Nach Mann et al., 1999, Geophys. Res. Lett., 26, 759.

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