Die Wunderschöne Sängerin Rokwa 1898

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■2fi Die wunderschöne Sängerin Rokwa.

Die wunderschöne Sängerin Rokwa.Eine koreanische Novelle.

Uebersetzt von Kisak Tnraai.

sei, doch wollte

Nachdruck verboten.

keit uralten Zeiten giebt es ein Sprüch

wort in Korea, das lautet: „Suche

Dir das schönste Mädchen in Pingjang und

den herrlichsten Jüngling in der Reichs

hauptstadt Söul." Und in der That findet

man die hübschesten Mädchen aus ganz

Korea in Pingjang und die herrlichsten

Jünglinge in Söul.

So lebte einmal in der Stadt Pingjang

eine Kangi (Sängerin) mit Namen Rokwa,

das schönste Mädchen im ganzen Reiche.

Kein Sterblicher konnte schildern, wie hold

und reizend, wie gebildet und begabt sie

war. Schon als kleines Mädchen von acht

Jahren war sie eine Meisterin im Singen,

Tanzen und Spielen, und mit dreizehn Jahren

ersann sie bereits die schönsten Gedichte

und Melodieen. Wer einmal Rokwas Reize

erblickt und ihrem wundervollen Gesänge

gelauscht hatte, der konnte dieses liebliche

Wesen nicht wieder vergessen. Gar mancher

opferte ihretwegen Vermögen, Rang und

Stand, um schliesslich ganz verzweifelt in

den Tod zu gehen. Selbst die vornehmsten

Männer gaben alles hin, um ihr Herz zu

erobern. Sie aber wollte keinen erhören,

denn sie hatte ihr Herz schon heimlich dem

jungen Kinscho, dem Sohne eines Kriegers

aus Koschu-Sio, unweit Pingjang, geschenkt.

Auch Kinscho liebte Rokwa über alle

Massen und hatte schon das ganze väterliche

Vermögen verschwendet, um Rokwas Neigung

zu gewinnen. Aus Kummer über das schlechte

Benehmen seines Sohnes wurde der alte

Vater todkrank. Vergeblich sandte man

von Hause aus mehrfach die Nachricht zu

Kinscho, dass sein Vater dem Tode nahe

er sich nicht von seiner

Geliebten trennen und ins Vaterhaus zurück

kehren. Da starb der Vater vor Gram über

seinen ungeratenen Sohn, und Kinscho

erhielt die Trauerkunde von seinem Tode.

Nun erwachte er endlich aus seinem Liebes

rausch und reiste voll Reue über sein

schweres Unrecht und seinen Ungehorsam

gegen den verstorbenen Vater nach der

Heimat. Aber dort vernahm er zu seiner

grössten Verwunderung, dass sein Haus schon

Fremden gehöre und seine Mütter zu Ver

wandten nach Söul gezogen sei. Keiner voti

allen seinen Freunden und Bekannten wollte

ein Wort mit ihm sprechen und auch nichts

mehr von ihm wissen, denn in Korea heisst

es: „Wenn man auch einen Menschen, der

seinen Vater nicht ehrt, in den Urwald jagt

oder ins Wasser wirft, so wollen ihn doch

selbst die hungrigen Tiger oder Fische nicht

fressen." Ja, sie fugten noch hinzu:

„Geh' dahin, wo kein lebendes Wesen

weilt, und mache Deinem Dasein ein Ende!"

In dieser schlimmen Lage hatte Kinscho

keinen Mon (Pfennig) mehr in seiner Tasche,

und er wusste nicht, was er anfangen sollte.

Thränen bitterer Reue vergiessend, bat er

die Freunde und Bekannten nicht mir um

Verzeihung für seinen bisherigen schlechten

Lebenswandel, sondern auch um eine kleine

Unterstützung in seiner schlimmen Lage;

doch wollte ihn niemand erhören. Ganz

trostlos kehrte er endlich zu seiner Geliebten

nach Pingjang zurück und erzählte ihr, wie

schlimm es ihm ergangen und wie er fest

entschlossen sei, lieber Hand an sich zu legen

oder in den Daido-Strom zu springen, als

von Freunden und Bekannten getrennt zu

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Die wunderschöne Sängerin Rokwa. -'7

leben. Rokwa aber hatte grosses Mitleid

mit ihrem Geliebten und sprach:

„Wie Du weisst, wurde ich bisher von

den höchsten Beamten und den reichsten

Leuten umschwärmt, die alle meinetwegen

ein trauriges Ende nehmen mussten, doch

habe ich keinem ausser Dir mein Herz ge

schenkt. Ist es nicht meine Schuld, wenn

es Dir jetzt so traurig geht, dass Du Dir

selber das Leben nehmen willst? Wirbeide

haben einander schon fest versprochen, uns

später zu heiraten. Ich kann nicht mehr

von Dir lassen, Du aber bedenke nun, wie

leicht man den Tod haben kann und dass man

doch nur einmal auf der Welt leben darf.

Wer weiss, was nach dem Tode geschieht?

Ich weiss nur, dass wir in Knochen ver

wandelt werden. Ich bitte Dich also, mein

Liebster, suche irgend einen berühmten Ge

lehrten auf und lerne bei ihm recht fleissig.

Dann werden Deine Freunde und Bekannten

Dir wieder gut werden und selbst der Geist

Deines verstorbenen Vaters wird sich dar

über trösten. Wegen der Kosten für den

Unterricht brauchst Du gar nicht ängstlich

zu sein; ich schicke Dir alles nötige Geld."

Durch diese Ermahnung seiner Geliebten

wurde Kinscho ein fleissiger Schüler.

II.

Im Verlauf von zehn Jahren, seitdem

Rokwa das fünfzehnte Lebensjahr erreicht

hatte, verloren um ihrer Schönheit willen

zwei Statthalter der Provinz Pingjang Amt

und Titel. Denn weil sie viel Geld ver

brauchten, um ihre Gunst zu erringen,

legten sie dem Volke die drückendsten

Steuern auf, wodurch der König in höch

sten Zorn geriet und sie auf der Stelle ab

setzte.

Obwohl Rokwa schon 25 Jahre zählte,

sah sie doch in ihrer Schönheit noch so

frisch wie ein junges Mädchen von IG — 17

Jahren aus, besonders wenn beim Lachen die

blendendsten Zähne der Welt zwischen ihren

reizenden Lippen sichtbar wurden. Der

neue Statthalter hiess Tschoschimai und

war schon über 40 Jahre alt. Trotz seines

Alters und Standes schämte auch er sich

nicht, nach Rokwas Gunst zu trachten, ohne

der schlimmen Erfahrungen seiner Vor

gänger zu gedenken.

Eines Abends lud er zur Mondfeier (am

15. August) viele ihm untergebene Beamte

und alle seine Freunde in das Gasthaus

„Renkotei"amDaido-Fluss ein. Nicht weniger

als achtzehn der schönsten Sängerinnen

waren bestellt, um die Gäste zu bedienen

und das Fest mit Gesang und Spiel und

Tanz zu verschönern. Nur Rokwa fehlte.

Wie vergnügt auch alle Gäste waren, so

zeigte doch der Statthalter allein keine frohe

Miene, sondern lehnte sich betrübt über das

Geländer am Flusse, rief seinen Günstling,

den Beamten Jeischoku, zu sich und klagte

ihm sein Leid.

„Wie herrlich ist die Aussicht auf Berg

und Strom, wenn der Mond so lieblich

scheint. Sein Glanz ist heute so klar und

hell, dass wir weit über das Gelbe Meer

die chinesischen Städte Kintschau und Peking

erblicken können. Mein Herz dagegen ist

von einem garstigen Nebel bedeckt."

Jeischoku, wegen seiner Schmeicheleien

beim Statthalter besonders beliebt, suchte

ihn sanft zu trösten, doch wusste er noch

nicht, weshalb sein Vorgesetzter trotz der

allgemeinen Freude ganz traurig war. Er

sprach daher zum Statthalter:

„Excellenz! Sie gemessen das hohe

Glück, an der Spitze einer solchen Provinz

zu stehen, die nicht nur mit schönen Land

schaften, sondern auch mit fruchtbaren Ge

filden gesegnet ist. Dank Ihrer vortrefl'

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28 Die wunderschöne Sängerin Rokwa.

liehen Verwaltung war die heurige Ernte

in unserer Provinz .so reich, wie seit mehr

als zehn Jahren nicht. Am Daido-Thor hat

man auch aus inniger Dankbarkeit schon

über fünfzehn Denkmäler für Eure Excöllenz

gestiftet, so dass es keinen Platz mehr für

weitere Stiftungen giebt. So weit man sich

besinnen kann, hat man in ganz Korea

seit uralter Zeit noch keinem Statthalter

so viele Denkmäler errichtet; und das ganze

Volk wünscht nichts so sehr, als dass Eure

Excellenz diese Provinz nimmer verlassen

mögen."

Tschoschimai freute sich ein wenig über

diese Eede und sprach:

„Alles in meiner grossen Provinz

Pingjang richtet sich nach meinem Willen,

nur nicht das Wasser im Daido-Fluss und

die Kangi Rokwa. Denn wenn ich mich

auch mit allen meinen Kräften noch so

sehr bemühte, das Wasser des Daido statt

von Osten nach Westen von Westen nach

Osten fliessen zu lassen, so wäre es mir

doch unmöglich. Das schadet aller nichts,

denn ich wünsche es auch nicht. Doch

meine herzlich geliebte Rokwa! Wie zärt

lich ich auch zu ihr sprechen mag, so will

sie mich doch niemals mit einer günstigen

Antwort beglücken. Und selbst beute, hei

der Mondfeier, die doch jährlich nur ein

mal abgehalten wird, wollte sie mir nicht

einmal ihren Anblick gönnen und liess mir

sagen, sie wäre krank, obwohl ich doch

schon dreimal Boten zu ihr gesandt habe.

Mag die Landschaft beim Mondschein auch

noch so lieblich sein, mich kann sie ohne

Rokwas Anblick nicht entzücken. Für mich

ist auch der schöne Mondschein ohne sie gar

nicht schön. Zwar habe ich schon mehrmals

daran gedacht, die Widerspenstige zum

Tode zu verurteilen, doch kann ich es

wegen meiner tiefen, innigen Liebe zu ihr

nicht übers Herz bringen. Wer mir sonst

den Gehorsam verweigert, den darf ich nach

unseren Strafgesetzen ruhig hinrichten lassen,

nur an -dieser Einzigen ist mir versagt,

die gesetzliche Strafe zu vollziehen."

Als alle Anwesenden die lange Klage

ihres hohen Vorgesetzten vernahmen, ge

rieten sie in grossen Unwillen. Einige er

boten sich dem Statthalter, zu Rokwa hin

zueilen und sie mit Gewalt herbeizu

schleppen, falls sie sich noch länger

sträuben würde. Da sprach der Statthalter

zu ihnen:

„Ja, meine Freunde, eilt sofort zu ihr,

aber gebraucht keine thätliche Gewalt.

Droht ihr nur, sie solle nicht erst morgen,

sondern schon heute auf der Stelle mit dem

Schwerte enthauptet werden, wenn sie mir

nicht gehorchen will."

Die Beamten eilten zu Rokwa. Ihre

junge Dienerin fragte sie, wozu sie noch so

spät, um Mitternacht, zum Besuche kämen.

Die Beamten wiederholten kurz den Befehl

des Statthalters. Darauf lud sie Rokwa mit

fröhlichster Miene ins Zimmer und sagte

ihnen ruhig:

„Wie Ihr seht, bin ich wirklich krank

und lag bis jetzt im Bette. Deshalb konnte

ich dem Statthalter nicht seinen Wunsch

erfüllen. Wenn Ihr mich aber bei ihm ent

schuldigen wollt, dass ich ungekämmt und

ungewaschen vor ihm erscheine, so will ich

Euch sogleich folgen.

Die Beamten waren vor freudiger Ver

wunderung ganz ausser sich, weil die

sonst so spröde Sängerin ihnen ohne W7ider

streben folgen wollte. Dann gingen sie mit

ihr nach dem Gasthause „Renkotai". Ihre

junge, niedliche Dienerin nahm ein Saiten

instrument und eine Flöte mit, (Schluss folgt.)

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Ost=Asien.Monatsschrift

für Handel, Industrie, Politik, Wissenschaft, Kunst etc.

Chefredakteur: Kisak Tamai aus Dai-Nippon (Japan).

Redaktion und Expedition: SW. 12, Berlin, Zimmerstr. 11.

Telegramm-Adresse: Kisaktamai Berlin. Postzeitung-i - Liste No. 6670 a.

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

No. 2. Mai 1898. I. Jahrgang.

Inhaltsverzeichnis.Seile

Japan 50

Russland nnd China 51

Die Philippinen und Japan. II 5<•

Japanische Waren in Deutschland. 1 60

Gründung einer deutsch-japanischen Bank . . 65

Vikomte Siuzo Aoki 67

Shohin-Chinretsukan 67

Die deutsche Handelskommission für Ostasien . 68

Japans Aussenhandel. II 7°

Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem

Deutschen Reiche und Japan. II 72

Seite

Deutsche Firmen in Japan. IL 74

Das erste japanische Heim in Berlin .... 75

Japanische Firmen. 1 76

Postverbindungen nach Ostasien 77

Sibirien 78

Formosa 79

Die wunderschöne Sängerin Rokwa (Forts. ^ . 80

Vermischtes 83

Bücherschau 85

Pressstimmen über »Ost-Asien« 87

Anzeigen.

^t^=

Das Japanische Kaiserhausist in tiefe Trauer versetzt worden. Am 17. Februar verstarb zu Kyoto

Prinz Akira Yamashina-no-Miya,am 22. Oktober 1816 geboren, Chef des Hauses Yamashina.

Sein Nachfolger ist sein am 3. Juli 1873 geborener Sohn, Prinz

Kikumaro Yamashina-no-Miya, der früher mehrere Jahre

lang in Kiel sich im Seewesen ausgebildet hat und gegenwärtig den

Rang eines Kaigun-Sho-J (Lieutenants zur See) in der Kaiserlich

Japanischen Marine trägt.

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so Die wunderschöne Sängerin Rokwa.

Die wunderschöne Sängerin Rokwa.Nachdruck, verboten. Eine koreanische Novelle.

Uebersetzt von Kisak Tamai.(Fortsetzung).

III.dSLuf Rokwas Erscheinen waren die Be-

T ■ amten, die sie geholt hatten, sehr

stolz, und der Statthalter beförderte sie

auch sogleich aus Freude über ihre aus

gezeichneten Dienste. Auf seinen Wunsch

begann Rokwa alsdann zu tanzen, singen

und spielen. Alle Anwesenden waren ganz

hingerissen, und die übrigen Künstlerinnen

schämten sich sehr ob ihrer eigenen Kunst,

denn Rokwa glich ihnen wie der Mond

den kleinen Sternen oder eine Königin

den Bäuerinnen.

Bei Gesang und Spiel und Tanz ver

strich die ganze Nacht. Aber wie sehr

der Statthalter sich auch weiter bemühte,

Rokwas Gunst zu erlangen, so folgte sie

ihm doch nicht in seinen Palast. Wie seine

Vorgänger, so opferte auch er schliesslich

sein ganzes Vermögen, ja er legte dem

Volke dazu noch neue, schwere Steuern

auf. Als er auch damit nicht sein Ziel

erreichte, schob er die Schuld an der

Sprödigkeit des Mädchens auf seine reichen

Nebenbuhler und verurteilte eigenmächtig

viele wohlhabende Leute, um ihr Vermögen

an sich zu reissen und es an Rokwa zu

verschwenden. Allerlei Gewaltthaten und

Grausamkeiten Hess er sich zu schulden

kommen, aber das Herz der schönen Sän

gerin blieb unerschütterlich. Da klagte

der Statthalter dem Günstling nochmals

sein Leid und bat ihn um guten Rat.

Jeischoku meinte darauf, dass Rokwa doch

einen besonderen unbekannten Grund für

ihr Verhalten haben müsse, vielleicht, dass

sie heimlich einen anderen liebe. Nun

versprach ihm der Statthalter eine hohe

Summe, wenn er dem Geheimnis aut die

Spur käme Der Günstling spürte danach

aus, dass Rokwa einem armen Schüler

Geld zum Studieren schicke, und schloss

mit Recht daraus, dass Rokwa diesen

Jüngling liebe. Da Hess der Statthalter

aus Rache und Eifersucht Kinscho ver

haften, ins Gefängnis einsperren und ver

hungern.

Eines Abends, als Rokwa wieder, wie

schon oft, vor ihm tanzen musste, sprach

der Statthalter zu ihr: »Dein Geliebter

Kinscho hat ein schweres Verbrechen be

gangen, deshalb habe ich ihn töten lassen.

Du hast nun keinen Geliebten auf Erden

mehr, willst Du darum jetzt meine Ge

liebte werden?« — Aber Rokwa hasste ihn

von dieser Stunde an tötlich und blieb

erst recht widerspenstig und taub gegen

alle seine Liebesschwüre.

Als die zahllosen Missethaten des Statt

halters und auch der feige Mord an Kinscho

in der Hauptstadt Söul und im Palast des

Königs bekanntwurden, hielten die Minister

eine Beratung ab. Sie beschlossen, heim

lich einen sehr tüchtigen Statthalter nach

Pingjang zu schicken, um Tschoschimai

abzusetzen und dann Rokwa vor Gericht

zu fordern. Denn sie sagten sich: Rokwa

verdreht mit ihrer Schönheit allen Leuten

den Kopf und verleitet sie zu Verbrechen,

daher ist auch sie so schuldig wie ein

Mörder, den man zur Strafe hinrichtet.

Die Wahl des neuen Statthalters war

aber sehr schwierig, denn man wusste,

dass bisher ein jeder, der Rokwa nur er

blickte, sie liebgewinnen musste. Endlich

wurde ein hoher Hofbeamter mit Namen

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Die wunderschöne Sängerin Rokwa. 8l

Rotsinkei erwählt, der durch Tapferkeit,

Gelehrsamkeit und Hochherzigkeit, wie

überhaupt durch alle männlichen Tugen

den weit und breit bekannt und geachtet

war. Da Rotsinkei heimlich nach Ping-

jang abreisen sollte, musste er Frau und

Kinder zu Hause lassen und ohne grosses

Gefolge, nur mit einem Unterbeamten,

hinreisen. Tschoschimai erfuhr es aber

trotz aller Heimlichkeit, bereute nun bitter

seine Unthaten und blieb traurig in seiner

Wohnung. Da er nicht mehr sein Amts

zimmer betrat, wurden seineBeamten ängst

lich und blieben auch zu Hause, und wäh

rend es vorher in Pingjang laut und lustig

zuging, wurde es jetzt gar still und trübe.

Die Beamten wünschten wohl, der neue

Statthalter möge noch recht lange fern

bleiben, das Volk aber sehnte sich nach

seiner Ankunft, da es von seinen hohen

Tugenden schon viel gehört hatte. Es

wartete auf ihn, heisst es in Korea, wie

der Bauer in der Dürre auf Regen wartet,

damit ihm der Reis auf den Feldern nicht

verdorrt. Rokwa aber ahnte wohl, dass

der neue Statthalter nicht blos kommen

sollte, um den alten abzusetzen, sondern

vor allem, um sie selbst zu töten. Und

sie dachte nach, wie sie auch ihn mit

ihren Reizen und Künsten fesseln könnte,

nicht, als ob ihr nach Kinschos Tode

überhaupt noch etwas am Leben lag, son

dern weil sie seitdem alle Männer hasste

und der Welt zeigen wollte, wie schwach

die Herzen aller Männer beim Anblick

eines schönen Weibes werden.

IV.

Der neu ernannte Statthalter Rotsinkei

liess auf der Reise nach Pingjang in keinem

Gasthause seine Ankunft ansagen, damit

niemand etwas erfahren und Rokwa nicht

womöglich entfliehen könnte. Er reiste

über die Städte Suiko und Hoschan nach

der Stadt Koschu, wo Rokwas Geliebter

Kinscho früher gewohnt hatte. Dort speiste

Rotsinkei zum Abend im Gasthause in

einem Zimmer, das dicht am Garten ge

legen war. Da sah er zufällig ein schönes

Mädchen im Garten, so wunderschön, wie

er sein ganzes Leben lang noch keines

gesehen hatte. Er hielt es für die Tochter

des Gastwirts und dachte, wenn es schon

in Koschu, noch eine Tagereise vor Ping

jang, so schöne Mädchen giebt, wie schön

werden sie da erst in Pingjang sein!

Nach dem Essen wurde Rotsinkei vom

Wirte in ein anderes Gastzimmer geleitet,

von wo er den Garten noch besser über

schauen konnte. Da sah er abermals das

schöne Mädchen; ihre Blicke begegneten

sich, und sie lachte dabei so unbeschreib

lich hold, dass Rotsinkei ganz bezaubert

wurde. Aber er fasste sich wieder und

schalt sich einen Thoren, weil er sich von

dem Lachen eines hübschen Mädchens so

hatte berücken lassen.

Der Abend kam, und die Lichter wurden

angezündet. Rotsinkei liess sich zum Zeit

vertreib Papier und Pinsel geben, um zu

dichten, doch floss ihm kein guter Vers in

die Feder. Da hörte er plötzlich, ganz

unvermutet, eine Flöte im Nebenzimmer

ertönen, und es wurde ihm dabei ganz

wohl und wehe um das Herz; denn sein

Gefolge hatte sich schon zur Ruhe be

geben, und er sass ganz allein und sehnte

sich nach einem lieben Besuch. Die Töne

rührten von dem schönen Mädchen her,

und es sang und spielte weiter, bis es

plötzlich aufhörte und um Mitternacht zu

ihm ins Zimmer trat. Rotsinkei hielt es

für ein Traumgebilde, wie er das holde

Wesen vor sich sah, und vor Freude konnte

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Die wunderschöne Sängerin Rokwa.

er kein Wort über die Lippen bringen, um

sie anzureden. Da bat sie, zu entschuldigen,

dass sie so spät noch störe, und ihr zu er

lauben, bei ihm zu bleiben. Und sie brachte

ihm ein Körbchen mit wohlschmeckenden

Früchten, die er noch gern hatte essen

wollen, aberwegen dervorgerückten Stunde

nicht mehr bestellen konnte. Dann setzte

sich das Mädchen zu ihm und begann:

»Ich habe gehört, dass Sie aus Söul ge

kommen sind. Ich befinde mich jetzt auch

auf der Reise, und da ich nicht schlafen

konnte und merkte, dass Sie auch nicht

einschlafen konnten, so bin ich eingetreten,

um mich mit Ihnen zu unterhalten.« Sie

schenkte ihm dabei ein Glas Wein ein und

entzückte ihn durch ihre Unterhaltung, bis

er endlich sprach: >Ich bin Rotsinkei, der

neue Statthalter von Pingjang, und muss

aus einem bestimmten Grunde ganz heim

lich dahin reisen.« Da stellte sich das

Mädchen ganz verwundert und bat um

Verzeihung, denn sie habe nicht gewusst,

dass er ein so hoher Beamter sei, und

sie setzte noch hinzu: »Ich bin auch aus

Pingjang, wohne in der Strasse Dosijakubo

und reise morgen ebenfalls nach meiner

Vaterstadt zurück. Es freut mich jedoch,

dass ich zufällig einen so hohen Beamten

kennen gelernt und ihn gut unterhalten

habe.c

Darauf bat sie ihn noch um ein kleines

Andenken, und er nahm ihren schnee-

weissen Arm und malte darauf seinen

Namen: »Ro-tsin-kei«.;Schluss folgt).

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Page 9: Die Wunderschöne Sängerin Rokwa 1898

Ost=AsienMonatsschrift

für Handel, Industrie, Politik, Wissenschaft, Kunst etc.

Chefredakteur: Kisak Tamai aus Dai-Nippon (Japan).

Redaktion und Expedition: SW. 12, Berlin, Zimmerstr. 11.

Telegramm-Adresse: Kisaktamai Berlin. Postzeitungs - Liste No. 5670 a.

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

No. 3. Juni 1898. I. Jahrgang.

Inhaltsverzeichnis.Seite

Postverbind tragen nach Ostasien 98

Der Kaiserlich Japanische Gesandte Graf Inouvä 99

Japan 100

China und Japan 102

Ein ostasiatisches Zwiegespräch über China . 104

Russlands Rückzug aus Korea 105

Die Philippinen und Japan. 111 106

Der Deutsch-Chinesische Vertrag über Kiatt-

tscha tt IIIErmässigung des Seidenzolls in Deutschland . 113

Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem

Deutschen Reiche und Japan 120

Umschwung des Handels mit Japan?. . . . 121

Seite

Die wunderschöne Sängerin Rokwa (Schluss) 123

Das Braugewerbe in Japan 125

Japanische Firmen 126

Dampfbetriebe in Osaka 126

Deutsche Firmen in China 127

Japans Aussenhandel. III 128

Briefkasten 129

Sibirien 130

Japanische Eisenbahnen 131

Die Japanische Kriegsmarine 132

Vermischtes 133

Bücherschau 135

Anzeigen »36

•s,«*

In den nächsten Nummern werden folgende Beiträge erscheinen:

Ueber die Philippinen, von Prof. Blumentritt. — „Versteckte Andacht", Zazen

(Drama) in 3 Akten, von Dr. phil. A. Gramatzky. — Der japanische No-Tanz, von

Dr. F. W. K. Müller. — Ueber japanisches Medizinalwesen und die sozialen

Verhältnisse der Aerzte in Japan, von Dr. med. W. Okada. — Japan und die

Philippinen, von Dr. med. F. Sekiba. — Japanische Waren in Deutschland

(Fortsetzung), von Dr. S. Minobe. — Ein deutsches Urteil über Japan, von Prof. Dr.

O. Loew. — Eine russische Republik in China, von K. Tamai. — Ein altjapanisches

Sittengesetz, übersetzt von K. Tamai u. s. w.

Page 10: Die Wunderschöne Sängerin Rokwa 1898

Die wunderschöne Sängerin Rokwa. 123

Die wunderschöne Sängerin Rokwa.Nachdruck verboten. Eine koreanische Novelle.

Uebersetzt von Kisak Tamai.(Schluss).

V.Als Rotsinkei am nächsten Morgen

erwachte, sah er sich zu seinem Erstaunen

allein. Das schöne Mädchen war ver

schwunden und alles, was er erlebt hatte,

dünkte ihn wie ein Traum. Er kleidete

sich an, frühstückte und reiste ganz be

trübt in einer Sänfte weiter, ohne das

Mädchen wiedergesehen oder sich nach

ihr erkundigt zu haben; denn er schämte

sich, nach ihr zu fragen. Noch am selben

Abend kam er in Pingjang an, ging sofort

zum Regierungsgebäude und liess sich

beim Statthalter anmelden. Tschoschimai

wunderte sich sehr, dass sein Nachfolgerso schnell angekommen war, und empfing

ihn in Amtstracht in seinem Gastzimmer.

Rotsinkei begrüsste ihn höflich und über

gab ihm das Schreiben der Regierung,

worin er selbst als Statthalter ernannt

war und Tschoschimai aufgefordert wurde,

sogleich nach Söul zu kommen. In drei

Tagen waren alle Geschäfte der Ueber-

gabe erledigt, Tschoschimai übergab seinem

Nachfolger die amtlichen Siegel und reiste

nach der Hauptstadt ab. Rotsinkei aber

liess nun öffentlich bekannt machen, dass

er jetzt Statthalter sei, und befahl seinen

Polizisten alsbald, die Sängerin Rokwa

vorzuführen. Nach kurzer Zeit kamen

sie mit Rokwa an.

Rotsinkei glaubte seinen Augen nicht

trauen zu dürfen, als er sah, dass Rokwa

auf ein Haar dem Mädchen glich, mit dem

er in Koschu jene traumhafte Nacht ver

lebt hatte. Ganz ernst fragte er sie: >Bist

Du die berüchtigte Rokwa, die bisher so

viele Leute verführt hat? Deinetwegen

haben schon viele Beamte ihre Stellung

verloren und sind viele reiche Leute an

den Bettelstab gekommen. Es ist aber

gleich, ob man andere mit dem Schwerte

oder mit der Zunge tötet, und Deine Zunge

hat schon vielen Männern ein trauriges

Ende bereitet. Ich wurde daher vom

Könige zum hiesigen Statthalter ernannt

mit dem ganz besonderen Auftrag, Dich

für Deine Missethaten zu bestrafen. Du

bist eine Hexe, und wie Deine Schuld

die schwerste ist, so soll auch Deine Strafe

die strengste sein; denn Du kannst nichts

vorbringen, um Dich zu verteidigen.«

Rokwa blieb ganz gefasst und lachte

nur so verführerisch, als wollte sie damit

ein Reich zu Grunde richten, und sprach

dann ganz gelassen: »Ich habe nicht mit

Willen andere Leute zu Grunde gerichtet

und in den Tod getrieben. Ich bin, wie

ich geschaffen bin, und habe mein Gesicht

nicht selber so gebildet. Ich habe ja

auch nur ein Gesicht, wie alle Mädchen.

Nach Ihrer Meinung müsste daher jedem

Mädchen, das ein Gesicht hat, die Haut

vom Gesichte gezogen werden. Alles das,

was Sie mir eben vorgebracht haben, ist

kein Grund, mich hinrichten zu lassen;

und wie ich vernahm, sind Sie ein tapferer,

tugendhafter und gelehrter Mann, der das

Recht vom Unrecht zu unterscheiden

weiss. Haben Sie denn auch ganz ver

gessen, dass Sie in Koschu eine Nacht

mit mir kosten und mir dabei Ihr Herz

verschenkten?«

Bei Rokwas Entgegnung erblasste

Rotsinkei und schrie ganz zornig:. »Ich

weiss von nichts. Du bist eine verdrehte

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124 Die wunderschöne Sängerin Rokwa.

Hexe.« Da sang sie mit wundervoller

Stimme die wenigen Verse:Einst schrieb ein Herr, vor Liebe warm,

Mir seinen Namen auf den Arm,

Da drang die Tusche in die Haut,

Verrät ihn nun vor allen laut.

Ob auch der Daido-Strom versiegt,

Hat er sich doch an mich geschmiegt,

Und wie der Herr mir Liebe schwor.

Das klingt für immer mir im Ohr.

Nach dem Gesänge fragte Fokwa den

Statthalter: »Haben Sie auch mein Liedchen verstanden? Können Sie sich nicht

entsinnen, wer mein Geliebter war, mit

dem ich einmal Liebesschwüre wechselte?«

Rotsinkei schwieg. Da zeigte sie ihm

ihren entblössten Arm. »Das hier ist mein

Geliebter.« Auf der Stelle wurde Rot

sinkei bleich wie der Tod; er fand nicht

den Mut, noch ein Wort zu verlieren, und

es wurde ihm so unwohl, dass er die

weitere Vernehmung abbrechen musste.

Als der König von Korea diese Be

gebenheit vernommen hatte, wurde Rot

sinkei nach Söul zurückberufen. Nur drei

Tage hatte er seines Amtes gewaltet.

Darauf schickte der König einen anderen

Statthalter, der Rokwa ohne jede gerichtliche Verhandlung auf den Platz führen

liess, wo sie hingerichtet werden sollte.

Ein Henker nach dem anderen trat her

vor, doch keiner konnte es über das Herz

bringen, sie zu enthaupten, alle Hessen

beim Anblick ihrer unwiderstehlichen

Schönheit den Arm wie gelähmt nieder

sinken. Da erhob sich Rokwa von den

Knieen und sagte: »Ihr schwachen Männer

seid nicht im Stande mich zu enthaupten.

Das ist ja recht traurig! Es muss mich

wundern, dass ihr alle so in mich ver

narrt seid, selbst der hohe Herr Statt

halter. Ach! mein einziger Herzgeliebter

war Kinscho, aber er lebt nicht mehr, und

ohne ihn kann und mag auch ich nicht

unter euch schwachen Männern weiter

leben. Ich will daher lieber in den Daido-

Fluss springen und nicht nur mein Herz,

sondern gleich meinen ganzen Leib den

Fischen schenken.«

Mit diesen Worten sprang sie in den

Fluss und versank in den Wellen. AlleZuschauer, auch der Statthalter und seine

Beamten und selbst die Henker weinten

bei ihrem traurigen Ende.

In Korea aber behauptet man: Seit

Rokwas Tode schmecken die Fische vom

Daido-Flusse besser als alle Fische der

Welt.

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Stahlfedern NO. 335 mit uspitzeaus der Fabrik von

Heintze & Blanckertz, Berlinsind die besten Stahlfedern für japanische Schrift, Preis das Gross (144 Stück) 2,40 Mk.

Diese Kugelspitzfedern sind auch für europäische Schriften ausgezeichnet verwendbar.

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Beintze $ Blanckertz, Berlin'/&&Z&C Erste deutsche, 1856 begründete Stahifederfabrik.