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M. Oster: Zivil-militärische Zusammenarbeit TOPOGRAPHISCHE KARTOGRAPHIE 16 KN 1/2011 Die zivil-militärische Zusammenarbeit in der amtlichen topographischen Kartographie Manfred Oster, Bonn Da die Anfänge der modernen topographischen Landeskartenwerke in Deutsch- land seit Beginn des 19. Jahrhunderts nahezu ausschließlich militärisch bestimmt waren, unterlagen die Karten zunächst der militärischen Geheimhaltung und blieben unter Verschluss. Erst als mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Eisenbahnbau Karten als Planungsunterlagen immer wichtiger wurden, gab das Militär etwa ab dem Jahr 1865 den zivilen Forderungen nach und ver- öffentlichte die Karten auch im Aufnahmemaßstab 1:25 000. In der deutschen

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TOPOGRAPHISCHE KARTOGRAPHIEM. Oster: Zivil-militärische Zusammenarbeit

M. Oster: Zivil-militärische ZusammenarbeitTOPOGRAPHISCHE KARTOGRAPHIE

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Die zivil-militärische Zusammenarbeit in der amtlichen topographischen Kartographie Manfred Oster, Bonn

Da die Anfänge der modernen topographischen Landeskartenwerke in Deutsch-land seit Beginn des 19. Jahrhunderts nahezu ausschließlich militärisch bestimmt waren, unterlagen die Karten zunächst der militärischen Geheimhaltung und blieben unter Verschluss. Erst als mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Eisenbahnbau Karten als Planungsunterlagen immer wichtiger wurden, gab das Militär etwa ab dem Jahr 1865 den zivilen Forderungen nach und ver-öffentlichte die Karten auch im Aufnahmemaßstab 1:25 000. In der deutschen

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der zivil-militärischen Zusammenarbeit nach 1967 gegeben hat, sei dieser Beitrag gewidmet. Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus Oberst a. D. Dr.-Ing. Rudolf Hafeneder, der mir als ehemaliger Angehöriger des Militärgeographischen Dienstes der Bundeswehr Informationen zu den militärischen Beiträgen zur Verfü-gung gestellt hat.

1 Die sich wandelnden Rahmen-bedingungen der zivil-militä-rischen Zusammenarbeit

Nach den Artikeln 73 und 74 des Grund-gesetzes der BR Deutschland gehören das Vermessungswesen und die amtliche Kartographie weder zur ausschließlichen noch zur konkurrierenden Gesetzgebung. Damit sind u.a. die topographischen Landeskartenwerke der alleinigen Zustän-digkeit der Länder zugeordnet. Vor diesem Hintergrund waren und sind alle gemein-samen kartographischen Aktivitäten des Bundes und der Länder im Rahmen von freiwilligen Vereinbarungen (Verwal-tungsvereinbarungen) zu regeln. Soweit Interessen des Bundes bzw. der Bundes-wehr eine Rolle spielen, ist eine länder-übergreifende Einheitlichkeit von beson-derer Bedeutung. So war es folgerichtig, dass sich die Bundeswehr von Anfang an auch in der „Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV)“ als Nachfolgeorganisation des „Beirates für das Vermessungswesen“ (1922 bis 1935) engagierte. Schon bei der Einrichtung des „Militärgeographischen Dienstes der Bun-deswehr (Mil-GeoDstBw)“ im Jahr 1956 wurde der Grundsatz der Zusammenarbeit so definiert, dass dieser Dienst ein Teil des amtlichen deutschen Vermessungswesens sein sollte und dass „der überwiegende Teil der MilGeo-Unterlagen von den zuständigen Landesvermessungsbehörden beschafft werden müsse“ (Denker, 2000). Im Jahr 1958, drei Jahre nach Gründung der Bundeswehr und zehn Jahre nach Gründung der AdV, nahm als sichtbares Zeichen der wieder aufgenommenen Zusammenarbeit mit Oberstleutnant Emil Heller zum ersten Mal ein Vertreter des Bundesministeriums für Verteidigung an einer AdV-Tagung teil. Ein erstes großes

Militärgeographischen Amtes in Bonn (1963 bis 1971) (Oster, 2004). Ihm, der Ende Januar 2011 seinen 100. Geburts-tag feierte und der noch mit wachem Geist und regem Interesse das Geschehen rund um die weitere Entwicklung der topographischen Landeskartenwerke verfolgt und mir die Anregung zu diesem Folgeaufsatz über den weiteren Fortgang

Vorwort

Oberst a. D. Dipl.-Ing. Theo Müller hat zuletzt 1967 ausführlich über die Zusammenarbeit von zivilen und militä-rischen Stellen bei der Bearbeitung der Topographischen Karte 1:50 000 (TK50) berichtet (Müller, 1967). Zu diesem Zeitpunkt war er Leiter des damaligen

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Nachkriegsgeschichte bezog sich die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und der zivilen Landesvermessung zunächst auf die Erstherstellung und danach auf die Aktualisierung des Kartenwerks der Topographischen Karte 1:50 000 (TK50), in geringerem Umfang auch auf die Kartenwerke Topographische Karte 1:25 000 und 1:100 000. Während die TK50 zu Beginn in getrennten zivilen und militärischen Ausgaben und mit unterschiedlicher Kartenprojektion und unter-schiedlichem Koordinatengitter geführt wurde, beschloss die Arbeitsgemein-schaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der BR Deutschland (AdV) ab dem Jahr 2001 die Herausgabe der TK50 als ein gemeinsames zivil-militärisches Kartenwerk. Darüber hinaus gibt es seit dem Jahr 2005 das Projekt eines gemeinsamen digital geführten zivil-militärischen Kartenwerks der TK100, das bis Ende 2011 vorliegen soll. Auch am Aufbau der digitalen landschaftsbeschrei-benden Daten des ATKIS-Projekts der zivilen Landesvermessung ab 1989 war die Bundeswehr von Anfang an konzeptionell und finanziell beteiligt. Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes und mit der zunehmenden Anzahl von Ausland-seinsätzen der Bundeswehr sind neue größere zivil-militärische Projekte inner-halb der Grenzen von Deutschland derzeit eher nicht zu erwarten. Jedoch wird die Zusammenarbeit in Bezug auf die Aktualisierung der bestehenden Karten und Daten ein fortdauerndes gemeinsames Anliegen der zivil-militärischen Zusammenarbeit bleiben. n Schlüsselbegriffe: gemeinsames zivil-militärisches Kartenwerk 1:50 000, gemeinsames Koordinatengitter, Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem ATKIS

The beginning of modern topographic and cartographic surveying in the 19th century was mainly due to military initiatives. Some decades later in the middle of the 19th century topographic maps became more and more important also for civilian use. In recent German post-war history the cooperation had been focused on the production and updating of the official topographic map series 1:50.000, to a minor extent also referring to the map series 1:25.000 and 1:100.000. Till the year 2000 there was a strict separation of the military and the civil edition of the map series 1:50.000 with a different map projection and a different coordinate grid. From 2001 forward a common civil-military edition was agreed including identical features for civil and military use. Furthermore, in 2005 the project of a new digital edition of the map series 1:100.000 was launched which is due to be completed in 2011. From 1989 forward the German Bundeswehr largely contributed to conceive and to finance the capturing and the updating of the digital landscape data. In the context of the end of the cold war between the eastern and western hemisphere the Bundeswehr now is being faced with increased involvements in international conflicts so that major new national projects are not to be expected. However the common responsibi-lity referring to the existing national maps and data will remain and will be an ongoing common challenge.n Keywords: common civil-military map series 1:50.000, common coordinate grid, official topographic-cartographic information system ATKIS

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bis dahin, bedingt durch die föderalen Strukturen, recht heterogen verlaufen. Während in den süddeutschen Ländern bereits im 19. Jahrhundert Karten dieses Maßstabs hergestellt wurden, beschäftigte sich eine Topographische Kommission auf Vorschlag Bayerns erst im Jahr 1913 mit dem Vorhaben, ein neues „Kartenwerk des Deutschen Reiches 1:50 000 mit Höhenlinien“ herzustellen (Hafeneder, 2004). Einige Jahre nach dem Ersten Welt-krieg wurde ein erstes Musterblatt heraus-gegeben und in einigen Ländern wurden erste Blätter in diesem Zeichenschlüssel bearbeitet. 1935 wurde das Kartenwerk zum Reichskartenwerk erklärt. Nach 1941 wurden die Arbeiten aus kriegsbedingten Gründen wieder eingestellt (Krauß, 1970). Der Anstoß zu einer systematischen flächendeckenden Neuherstellung des Kartenwerks der TK50 kam 1954 von der NATO. Mit dem Beitritt der Bundesrepub-lik Deutschland zur NATO 1955 waren u.a. die militärischen Bündnisverpflichtungen zur Bereitstellung von aktuellen topogra-phischen Karten des Staatsgebietes zu erfüllen. Als Grundlage für die Neuher-stellung der TK50 dienten die Blätter der TK25, die für die neue TK50, nicht zuletzt dank der Unterstützung der US-Armee, für das gesamte Bundesgebiet aktualisiert wurden (Heller, 2000). In diesem Zusam-menhang sei auch darauf hingewiesen, dass etwa zeitgleich das damalige Institut für Angewandte Geodäsie (IfAG, heute Bundesamt für Kartographie und Geodä-sie) vom MilGeo-Dienst der Bundeswehr mit der Herstellung der kleinmaßstäbigen militärischen Kartenwerke Joint Opera-tions Graphic 1:250 000 – Serie 1501 und World 1:500 000 – Serie 1404 beauftragt wurde.

Nach dem Erscheinen eines ersten neuen Musterblattes einer mehrfarbigen Topographischen Karte 1:50 000 (TK50) im Jahr 1955 konnten die Landesvermes-sungsämter ab 1957 mit massiver finan-zieller Unterstützung der Bundeswehr, die zwei Drittel der Herstellungskosten übernahm, die Arbeiten an dem neuen Kartenwerk in Angriff nehmen. Damit war zugleich klargestellt, dass dieses Kartenwerk von Beginn an gleichzeitig ein militärisches Kartenwerk sein sollte. Schon sechs Jahre später waren im Jahr

Der Militärgeographische Dienst ver-stärkte daher schon in den 1990er-Jahren seine Aktivitäten zum internationalen Kartenaustausch, zum standardisierten Datenaustausch und zur Arbeitsteilung in multinationalen Projekten, während sich die AdV in ihren 16 Bundesländern auf die nationalen Vorhaben konzentrierte. Die zivil-militärische Zusammenarbeit wurde schwieriger, obwohl das digitale Zeitalter eine erhebliche Intensivierung, vielleicht sogar eine Zentralisierung erforderlich gemacht hätte. Das dem Militärischen Geowesen (MilGeo) von Anfang an ver-traute Prinzip der Interoperabilität wurde dem zivilen Geoinformationswesen erst mit der INSPIRE-Directive des Europäischen Parlaments („Infrastructure for Spatial Information in Europe“) vom 25. April 2007 vorgeschrieben.

2 Die zivil-militärische Zusammenarbeit bis 1967

Während es ab etwa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Aufgabe des Militärs betrachtet wurde, den zivilen Stellen die für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dringend benötigten topographischen Karten zur Verfügung zu stellen (Krauß, 1970), kehr-ten sich die Verhältnisse nach dem Ende des Ersten Weltkrieges um. In der Folge des Friedensvertrages von Versailles 1919 wurde die bis dahin militärisch organisierte Landesaufnahme wegen der Reduzierung auf eine Berufsarmee von 100 000 Mann in eine zivile Behörde umgewandelt und zunächst dem Reichsinnenministerium unterstellt (Müller, Hubrich, 2009). Der im Jahr 1921 gegründete „Beirat für das Ver-messungswesen“ sollte ein Garant dafür sein, dass trotz der föderalen Verfassung der Weimarer Republik ein Höchstmaß an Einheitlichkeit auf einer freiwilligen Basis erreicht werden konnte (Tilly, 2001). Fol-gerichtig wirkte die damalige Reichswehr von Anfang an im Beirat für das Vermes-sungswesen mit und beteiligte sich aktiv an den Projekten dieser Epoche.

Eine der ersten gemeinsamen, durch den Beirat koordinierten Initiativen war die Herstellung einer „Deutschen Karte 1:50 000“ (Müller, Hubrich, 2009). Die Arbeiten an diesem Kartenwerk waren

gemeinsames Projekt war die Neuher-stellung der TK50 (s. Kapitel 2). Nach wie vor gültig bleibt die Aussage Müllers zum „vorbildlichen Zusammenwirken“ von zivilen und militärischen Stellen, das nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass sich „das militärische Kartenwerk 1:50 000 inhaltlich nicht von den norma-len amtlichen Karten unterscheiden soll“ (Müller, 1967).

Die Rahmenbedingungen der zivil-militärischen Zusammenarbeit sind nicht zuletzt geprägt durch die technischen und organisatorischen Entwicklungen. Den heute in der Kartographie Tätigen mag es wie ein Rückblick in eine längst vergangene Zeit erscheinen, wenn man daran erinnert, dass es am Ende der 1960er-Jahre noch als ein großer Fortschritt gefeiert wurde, als das Gravieren auf Folie oder auf Glas das bis dahin übliche kartographische Zeichnen mit Feder und Tusche ablöste.

Bis zur Einführung von digitalen Techni-ken sollten noch fast 20 Jahre vergehen, bis gegen Ende der 80er-Jahre mit der bundesweiten Einführung des ATKIS-Pro-jekts (ATKIS = Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem) der deutschen Landesvermessung ein in der Geschichte der Kartographie beispiel-loser Innovationsschub ausgelöst wurde (s. Kapitel 3.4). Im Hinblick auf den militärischen Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit hatten der Fall der Berliner Mauer 1989, die völkerrechtlich vollzogene deutsche Wiedervereinigung 1990 und die Auflösung des Warschauer Paktes 1991 eine einschneidende Neu-orientierung zur Folge. Die Bundeswehr, die sich bis dahin unter den Bedingungen des Kalten Krieges und des Wettrüstens einen technologischen Vorsprung in Waffen-, Computer- und Weltraumtechnik verschaffen musste, konnte sich seit der Wiedervereinigung nun nicht mehr, weder bei Forschungs- noch bei den Entwick-lungsvorhaben, auf weiterhin zwingend erforderliche Ausgaben für die Landes-verteidigung berufen. Denn Deutschland war seit 1990 nur noch von befreundeten Staaten umgeben und war aufgerufen, sich an „internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen des Völkerrechts und des Grundgesetzes“ zu beteiligen (Bundesmi-nisterium der Verteidigung, 2006, S. 2).

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fensystem mit dem geodätischen Datum des Hayford-Ellipsoides (international) waren 1947 bei den US-Streitkräften eingeführt worden und waren seit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland in die NATO im Jahr 1955 damit auch der Standard der deutschen militärischen Kartenwerke geworden.

Das Nebeneinander von zivilen Gauß-Krüger-Koordinaten und militärischen UTM-Koordinaten war nicht ohne Risiken. Soweit zivile und militärische Stellen zusammenarbeiteten, hatten sie darauf zu achten, dass es zu keinen Verwechslungen der beiden unterschiedlichen Koordi-natensysteme kam. Dies dürfte neben dem Aspekt der Kosteneinsparung ein Hauptgrund dafür gewesen sein, dass in Schleswig-Holstein von Anfang an auf die Herstellung einer zivilen Ausgabe verzich-tet wurde (Müller, 1967).

Nicht zuletzt bedingt durch den Siegeszug des „Global Positioning System (GPS)“ seit Beginn der 1980er-Jahre und wegen der darin verwendeten UTM-Koordinaten mit dem Datum des „World Geodetic System 1984 (WGS84)“ häuften sich auch auf ziviler Seite die Nachfragen nach GPS-tauglichen Koordinaten der Landesvermessung, denn die deutschen Gauß-Krüger-Koordinaten waren in der weitgehend amerikanisch geprägten GPS-Technologie kaum zu finden. Bevor aber die neuen WGS84-Koordinaten zu alleinigen Standard-Koordinaten deklariert werden konnten, galt es für die AdV, eine Übergangslösung zu finden. Die AdV hatte sich seit ihrer 88. Tagung 1991 mit der Einführung des „European Terrestrial Reference System 1989 (ETRS89)“ als europäische Variante des WGS84 beschäf-tigt. Beide Systeme WGS84 und ETRS89 sind für Anwendungen mit kartographi-scher Genauigkeit gleichzusetzen und werden im Folgenden als WGS84/ETRS89 bezeichnet. Im Mai 1995 fasste die AdV auf ihrer 96. Tagung den endgültigen Beschluss, im Lagefestpunktfeld das neue Bezugssystem WGS84/ETRS89 so bald wie möglich einzuführen. Die Auswirkungen der Umstellung von Gauß-Krüger- nach UTM-Koordinaten für die amtlichen topographischen Landeskartenwerke in Deutschland haben Oster und Spata (1999) beschrieben.

Wald, usw.) zu ersetzen. In der Abteilung MilGeo des Wehrbereichskommandos (WBK) wurde die Einhaltung dieser Strafrechtsvorgaben überprüft und die unauffällige Darstellung der militärischen Objekte in der zivilen Karte TK50 sicher-gestellt, aus der die militärische Ausgabe M745 ohne Veränderung des Grundrisses abgeleitet wurde.

Im Jahr 1990 entschied der Deutsche Bundestag im Rahmen der Lesungen des „Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes“, dass angesichts der weltweit verfügbaren hochauflösenden Satellitenbilddaten das bisherige Luftbildfreigabeverfahren aufzuheben und die Darstellung mili-tärischer Anlagen in Karten/Plänen zu liberalisieren sei. In den „Richtlinien für die Darstellung militärischer Anlagen und Schutzbereiche in zivilen Karten/Plänen/Datenbanken“ (Bundesministerium der Verteidigung, 1993) ist festgelegt, dass die Grundriss-Darstellung keinen Einschrän-kungen mehr unterliegt. Hinweise auf die Zweckbestimmung einer schutzbedürfti-gen militärischen Anlage aber und auf den nutzenden Truppenteil müssen weiterhin unterbleiben. Auch in Datenbanken darf nur ein allgemein gehaltenes Attribut (z. B. „Sondergebiet“) aufgenommen werden.

Damit war dieser sensible Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit zur Routine geworden; Problemfälle oder Anfragen wurden den „Regionalen Ansprechstellen“ (Abt MilGeo WBK) nicht vorgelegt.

3.2 Vereinheitlichung des Lagebezugs-systems

Ein wesentlicher und – wie sich in Katastrophenfällen gezeigt hatte – ver-hängnisvoller Unterschied zwischen der zivilen und militärischen Ausgabe der Topographischen Karte 1:50 000 (TK50) bestand in den jeweils verwendeten Koordinatengittern. Während die zivilen Ausgaben der amtlichen Kartenwerke grundsätzlich die seit 1927 in Preußen eingeführten Gauß-Krüger-Koordinaten im 3°-Meridianstreifensystem mit dem geodätischen Datum des Bessel-Ellipsoids (Deutschland) nachwiesen (Tilly, 2001), wurde in den militärischen Ausgaben das NATO-konforme UTM-Gitter eingedruckt. Die UTM-Koordinaten im 6°-Meridianstrei-

1963 (bis auf Schleswig-Holstein) alle 564 Blätter der westlichen Bundesländer fertig gestellt. In der Folgezeit unterstützte die Bundeswehr weiter die Aktualisierung der TK50, indem sie die durch die Vergabe an kartographische Firmen entstehenden Kosten mit bis zu 1,5 Mio. DM jährlich mitfinanzierte (Hafeneder, 2004).

3 Die zivil-militärische Zusammenarbeit nach 1967

3.1 Die Darstellung militärischer Anlagen in topographischen Karten

Unabhängig von der Tatsache, dass die TK50 gleichzeitig ein militärisches Karten-werk war, bedeutete die Veröffentlichung von topographischen Karten, dass Sicher-heitsaspekte bei der Wiedergabe militäri-scher Objekte, wie z.B. Munitionsdepots, ins Spiel kamen. Zum Schutz dieser militärischen Anlagen wurde deshalb die Bestimmung „Wer von einer militärischen Anlage ohne Erlaubnis der zuständi-gen Dienststelle eine Abbildung oder Beschreibung anfertigt oder sie an Dritte weitergibt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutsch-land oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft.“ 1957 in das Strafgesetzbuch aufgenom-men worden (§ 109 g, Sicherheitsgefähr-dendes Abbilden). Das Gleiche gilt auch für den, der von einem Luftfahrzeug aus eine Luftbildaufnahme von einem Gebiet oder Gegenstand aufnimmt und dadurch die Sicherheit bzw. Schlagkraft gefährdet. Das BMVg hatte im „Kartenerlass“ und im „Luftbilderlass“ zu regeln, welche mili-tärischen Anlagen geheimschutzwürdig waren, und was nicht dargestellt werden durfte. Demnach musste in der topogra-phischen Karte jedes Detail weggelassen werden, das z. B. über die Zweckbestim-mung des Korpsdepots, Kapazität des Fliegerhorstes, usw. Aufschluss geben konnte. Die Zufahrtsstraße, der Grenzzaun und die Verwaltungsgebäude durften lagerichtig eingezeichnet werden (also keine Verfälschung der Lage wie in der DDR), aber die Start-/Landebahn, die Flugzeugunterstände und die Stellungen der Flugabwehr waren wegzulassen und durch „neutrales“ Gelände (Wiese, Busch,

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auf das Koordinatengitter gleichberechtigt nebeneinander stehen. Sie wurden aber nach wie vor in getrennten Ausgaben bearbeitet und gedruckt.

3.3 Das gemeinsame zivil-militärische Kartenwerk TK50 nach 1990

Ein starker Impuls, die bislang getrennte Herausgabe von ziviler und militärischer Ausgabe der TK50 abzuschaffen, entstand durch die deutsche Wiedervereinigung 1990. Die Bundeswehr hatte die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR aufzulösen, die auch für das amtliche Kartenwesen zuständig war. Der MilGeo-Dienst stellte die vom Militärkartographischen Dienst der Nationalen Volksarmee der DDR bearbei-teten Kartenoriginale sicher und übergab sie an die aufzubauenden Landesvermes-sungsämter der fünf neuen Bundesländer. Zuvor wurden noch die 216 Originale der „Topographischen Karte 1:50 000, Ausgabe Staat (S)“ unter der Federführung und Fachaufsicht und auf Kosten des AMilGeo auf das NATO-System (UTM/ED50) umgestellt, gedruckt und kostenfrei für die zivile Bedarfsdeckung bereitgestellt (Hafeneder, 2000). Dazu mussten die TP-Koordinaten vom Koordinatensystem 42 (KS42) des Krassowski-Ellipsoids mit dem Zentralpunkt Pulkovo auf die UTM-Koordinaten des Hayford-Ellipsoids (s. Kap. 3.2) umgerechnet werden.

Zu diesem Zeitpunkt waren im wieder-vereinigten Deutschland die folgenden Versionen der TK50 im Einsatz:

In den westlichen Ländern (außer Schles-•wig-Holstein) wurde von allen Blätterneine zivile Ausgabe (s. Abb. 2) und einemilitärische Ausgabe herausgegeben.

In Schleswig-Holstein gab es nur eine•militärische Ausgabe, die auch zurzivilen Nutzung vertrieben und aus derSonderausgaben abgeleitet wurden.

In den fünf neuen Ländern existierte für•den zivilen Bedarf eine behelfsmäßigangepasste Ausgabe als Übergangs-lösung.

Den Verantwortlichen im amtlichen Ver- messungswesen war klar, dass dieser uneinheitliche und unwirtschaftliche Zustand des nationalen Kartenwerks 1:50 000 nicht länger haltbar war. Des- halb beauftragte die AdV auf ihrer 101. Tagung 1997 den AK TK im Zusammen-

darauf hatte der AK TK wenige Wochen später auf seiner 4. Tagung 1997 eine Ad-hoc-Gruppe unter Beteiligung der Länder Brandenburg, Thüringen und Nordrhein-Westfalen eingerichtet, die kurzfristig bis zur 101. Tagung der AdV 1997 einen Lösungsvorschlag erarbeitete. Dieser fand in modifizierter Fassung die Zustimmung des AdV-Plenums und wurde durch AdV-Beschluss 101/15 endgültig verabschiedet. Der Beschluss sah vor, in den topographischen Landeskartenwer-ken die Gauß-Krüger-Koordinatenzahlen (Potsdam-Datum) im Kartenrahmen in Blau und die UTM-Koordinatenzahlen und -gitter (WGS84) in Schwarz darzustellen(s. Abb. 1). Er bestimmte weiterhin, in denLegenden der topographischen Landeskar-tenwerke zusätzliche erläuternde Hinweisezu den geodätischen Grundlagen, denAbbildungen, den Koordinaten und denHöhen anzubringen.

Damit waren die Voraussetzungen für die erste Umstellung des Geodätischen Datums und des verwendeten Abbildungs-systems in den (zivilen) amtlichen topo-graphischen Landeskartenwerken seit der Einführung der Gauß-Krüger-Koordinaten 1927 geschaffen. Zivile und militärische topographische Karten konnten in Bezug

Ein wichtiger Bestandteil dieses AdV-Beschlusses von 1995 für kartographische Anwendungen war es, auch in den Topographischen Landeskartenwerken in den Maßstäben 1:10 000 und kleiner das neue Bezugssystem einzuführen und dem weiterhin darzustellenden Gauß-Krüger- Koordinatengitter das UTM/ETRS89-Koordinatengitter hinzuzufügen. Hierfür ein Regelwerk für die einheitliche Umsetzung durch die Länder zu erarbei-ten, war Aufgabe des AdV-Arbeitskreises Kartographie.

Zu Beginn des Jahres 1996 wurden die Arbeitskreise (AK) der AdV neu struktu-riert. Die bislang eigenständig arbeitenden AK „Topographie“ und „Kartographie“ wurden zu einem Arbeitskreis unter der Bezeichnung „Topographie und Kartogra-phie (AK TK)“ zusammengefasst. Dieser neue Arbeitskreis hatte als eine seiner ersten Aufgaben den AdV-Beschluss vom Mai 1995 zum UTM/ETRS89-Koordina-tengitter umzusetzen und legte 1996 Vorschläge für einen Benutzerhinweis und für die Darstellung des UTM-Meldegitters vor. Sie wurden auf der 100. AdV-Tagung 1997 von einigen Bundesländern mit dem Argument verworfen, der Umstel-lungsaufwand sei zu hoch. Als Reaktion

Abb. 2: Zivile Ausgabe der TK50 (bis 2000), Blatt L5308 Bonn, mit Gauß-Krüger-Koordinaten-gitter (Potsdam Datum)

Abb. 1: Erläuterung der Koordinatensysteme in der Legende der Landeskartenwerke

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sowie Kostenregelungen. Mit dieser Ver-waltungsvereinbarung war die zivil-militäri-sche Zusammenarbeit zur Herausgabe der TK50 auf eine neue verwaltungsrechtlich verbindliche Grundlage gestellt.

In den folgenden fünf Jahren bis etwa 2006 wurden im Rahmen des fünfjährigen Aktualisierungsturnus alle ca. 750 Blätter der TK50 durch die beteiligten 16 Länder auf das gemeinsame zivil-militärische Kartenwerk umgestellt.

Im Endeffekt war der neuen zivil-mili-tärischen Ausgabe der TK50 in der Form einer gemeinsamen gedruckten Karte trotz aller vorangegangenen Anstrengun-gen und Erwartungen kein langes Leben vergönnt. Schon vor der Fertigstellung des letzten Blattes der zivil-militärischen Ausgabe kündigte das „Amt für Geo-informationswesen der Bundeswehr“ (AGeoBw, davor AMilGeo) im Rahmen der 117. AdV-Tagung 2005 an, dass die Druckauflage ab 2007 auf 7 500 Drucke je Blatt und ab 2008 noch weiter redu-

beschlossene UTM-Koordinatengitter im System WGS84/ETRS89 nunmehr als allei-niges Gitter zu verwenden (und damit das bisherige Gauß-Krüger-Koordinatengitter zu entfernen, s. Abb. 3), sondern es muss-ten auch die Gestaltung des Kartentitels, die Straßenklassifizierung und die drei-sprachigen Legende überarbeitet werden (s. Abb. 4). Die vom AK TK auf seiner 12. Tagung 2001 vorgeschlagenen Muster-blattänderungen wurde vom AdV-Plenum auf seiner 109. Tagung 2001 einstimmig verabschiedet. Praktisch zeitgleich wurde die Bund-Länder-Vereinbarung über die „Herstellung, Herausgabe und Nutzung des zivil-militärischen Kartenwerkes Topographische Karte 1:50 000“ vom Bundesministerium der Verteidigung sowie von den Vertretern der Landesvermessung der 16 Bundesländer unterzeichnet (Ver-waltungsvereinbarung, 2001). Gegenstand dieser Bund-Länder-Vereinbarung waren u.a. die Zuständigkeiten für Herstellungund Aktualisierung, die Nutzungsrechte

hang mit ihrem Beschluss 101/15 zur Darstellung des UTM-Gitters (s. Kap. 3.2), eine zivil und militärisch besetzte Arbeits-gruppe zu bilden, die die Möglichkeiten einer gemeinsamen zivil-militärischen Ausgabe der topographischen Landeskar-tenwerke prüfen sollte. An dieser Arbeits-gruppe „Zivil-militärische Kartenwerke“ beteiligten sich die fünf Länder Rheinland-Pfalz (Leitung), Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Schleswig-Holstein sowie das damalige Institut für Angewandte Geodäsie (IfAG, heute: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie BKG) und das Amt für Militärisches Geowesen.

Nachdem die Arbeitsgruppe ihre Vor-schläge innerhalb des AK TK abgestimmt hatte, befasste sich das Plenum der AdV auf seiner 105. Tagung 1999 erneut mit dem Thema. Der Vertreter der Bundeswehr bekräftigte die bereits eingeschlagene Richtung der Zusammenfassung von ziviler und militärischer Ausgabe und stellte klar, dass nicht zu erwarten sei, dass das Projekt an bestehenden NATO-Standards schei-tern würde. Im Rahmen der 106. Tagung 2000 fiel die endgültige und einstimmige Entscheidung über den „historischen Beschluss“ (Harbeck / Schönherr, 2000) eines „Gemeinsamen zivil-militärischen Kartenwerks Topographische Karte 1:50 000 (TK50)“. Damit war gleichzeitig die ursprüngliche Absicht aufgegeben, weitere Kartenmaßstäbe einzubeziehen. Von Seiten der Bundeswehr wurden die Bundesländer nicht zuletzt aus wirtschaft-lichen Gründen gebeten, diesen AdV-Beschluss für die TK50 nunmehr möglichst schnell umzusetzen, um das durch das gemeinsame Kartenwerk mögliche Einspar-potenzial realisieren zu können.

Dem AK TK verblieb die Aufgabe, das Musterblatt der TK50 einschließlich der Gestaltung des Koordinatengitters sowie den Signaturenkatalog für die „Digitale Topographische Karte 1:50 000 (DTK50)“ entsprechend zu ändern. Die Fortschrei-bung des Musterblattes der TK50 fiel in die Zuständigkeit des bearbeitenden Landes Baden-Württemberg. Für die Fortschreibung des Signaturenkatalogs war die AdV-Expertengruppe „Signaturen-katalog“ verantwortlich.

Die Fortschreibung des Musterblat-tes bestand nicht nur darin, das 1997

Abb. 3: Zivil-militärische Ausgabe der TK50 (ab 2001) mit UTM-Koordinatengitter (WGS84/ETRS89)

Abb. 4: Dreispra-chige Legende in der zivil-militäri-schen TK50

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Folge mussten die zivilen ATKIS-Daten für die Nutzung in der militärischen TOPIS-Datenbank strukturell und inhaltlich transformiert werden.

Insbesondere in der Konzeptionsphase des ATKIS-Projekts in den Jahren von 1987 bis 1989 spielte der militärische FACC eine wichtige Rolle. Trotz ihres eigenen TOPIS-Konzepts hatte sich die Bundeswehr im Rahmen ihrer Mitarbeit in den AdV-Arbeitskreisen von Anfang an aktiv an der Konzeption des ATKIS-Projekts beteiligt und stellte klar, dass für sie die Über-nahme der ATKIS-Daten in die MilGeo-Datenbasis der Bundeswehr unverzichtbar sei. Im Interesse einer weiteren engen Kooperation war das Verteidigungsminis-terium zu einer Anschubfinanzierung des ATKIS-Projekts durch die beschleunigte Ersterfassung der Daten der ersten Reali-sierungsstufe des Digitalen Landschafts-modells (DLM25/1) bereit. Es übernahm 50 Prozent der Kosten der Ersterfassung (d.h. 72 000 DM je Kartenblatt der TK25) und investierte im Zeitraum von 1990 bis 1998 insgesamt 106 Mio. DM (Hafe-neder, 2004). Die Bundeswehr übernahm darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung der dezentral in den Ländern erfassten ATKIS-Daten. Sie beteiligte sich an der Definition des Standards DIGEST (Digital Geographic Information Exchange Standard), die einen problemlosen Austausch von Geo-Daten gewährleisten sollten (Kant, 1997). Innerhalb dieses Projekts prüfte AMilGeo von 1992 bis 1995 die ATKIS-Daten (Testdaten) und wies auf die anfangs noch unvermeidlichen Unstimmigkeiten hin. Im Zeitraum zwischen 1995 und 1999 wurden dann die endgültigen DLM25/1-Daten auf Konsistenz und Bundeseinheit-lichkeit geprüft, bis das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) 2000 die Kontrollverantwortung für den ATKIS-Gesamtdatenbestand aller Bundesländer übernahm (Hafeneder, 2004).

Der über das TOPIS-Konzept hinaus gehende Ansatz des ATKIS-Projekts der zivilen Landesvermessung, der die Bereitstellung von signaturierten Raster-daten oder von Papierkarten einschließt, wird aus der Abbildung 5 deutlich. In den Folgejahren ab 1989 bis heute stand für die zivile Landesvermessung neben der

In die neue Welt der Geoinformations-systeme (GIS) ist der MilGeo-Dienst konzeptionell mit der Erarbeitung der Grundsatzforderung für das „Topographi-sche Informationssystem der Bundeswehr (TOPIS)“ eingestiegen, die am 6. Februar 1979 durch den Generalinspekteur genehmigt wurde (Hafeneder, 2000). Neben der Entwicklung dieses Fachin-formationssystems, das eine neutrale, querschnittlich nutzbare Vektordatenbasis aufbauen und zentral verwalten sollte, begannen die internationalen Aktivitäten zur Standardisierung des Austauschs von MilGeo-Daten. Im August 1983 wurde dazu in Bonn die „Digital Geographic Working Group“ gegründet, die schon kurz danach mit der einheitlichen Model-lierung der topographischen Daten im „Feature and Attribute Coding Catalogue (FACC)“ begann.

Die AdV hätte auf diesen „fahrenden Zug“ aufspringen und die bis dahin gemachten Erfahrungen nutzen können. Aber die Mitarbeit des neu gebildeten AdV-Arbeitskreises „Automation“ an der Erarbeitung des TOPIS-Konzepts ab 1985 ließ schnell erkennen, dass es den zivilen und militärischen Stellen in der digitalen Welt zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich war, gemeinsam zu handeln. Denn das „Amtliche Topographisch-Kar-tographische Informationssystem (ATKIS)“ war ursprünglich nicht als darstellungs-neutrale Vektorbasis, sondern als karto-graphische Datenbasis für die Fortführung der topographischen Landeskartenwerke vorgesehen. Die topographischen Objekte der Erdoberfläche wurden deshalb neu modelliert, und zwar nach Objektarten und Attributen des ATKIS-Objektartenka-talogs (ATKIS-OK, in Deutsch), während der FACC in Englisch geschrieben war. Als

ziert werden sollte. Tatsächlich fand die Meinungsbildung der Bundeswehr recht bald ihren Abschluss, indem das AGeoBw allen Landesvermessungsbehörden in Deutschland brieflich mitteilte, dass ab Beginn des Jahres 2008 der militärische Auflagendruck vollständig eingestellt werden sollte. Die Bundeswehr wolle ihre Karten nur noch in ihrer eigenen Druckerei und bedarfsorientiert auf der Grundlage des weiterhin von den Bundesländern zur Verfügung gestellten Reproduktionsma-terials drucken. Unabhängig davon gibt jedoch die zivile Landesvermessung die TK50 weiter in der vereinbarten gemeinsa-men Ausgabe heraus.

3.4 Die Projekte ATKIS und TOPIS

Mit der Einrichtung der militärischen Arbeitsgruppe AGA (Automation in Kartographie und Vermessungswesen) begann für die Bundeswehr im November 1973 die neue digitale Welt. Das erste Projekt war die dv-gestützte Herstellung der militärischen Straßen- und Brücken-karte – zunächst mit negativem Ergebnis, da die kartographischen Werkzeuge für die Lösung solcher Aufgaben noch nicht ausreichend entwickelt waren.

In den Folgejahren entstanden nach und nach die MilGeo-Daten der ersten Generation:

Digitales Höhenmodell (DHM/M745)•durch Scannen der Höhenlinienfolien1:50 000 mit dem DatenerfassungsgerätKartoScan der Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm

„DLMS-Daten (Digital Landmass System)•aufgrund des multinationalen Produk-tionsvertrages vom 18. November 1976durch die NATO-Mitgliedstaaten (DFAD,DTED)

Abb. 5: Die ATKIS-Komponenten nach dem AdV-Konzept (nach Harbeck, 2009)

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vorangegangenen AdV-Beschlusses der 111. AdV-Tagung des Jahres 2002 keineweitere Zustimmung der AdV erforderlichwar, galt der Signaturenkataloges derDTK100 von diesem Zeitpunkt an alsverabschiedet.

Die Bundeswehr konkretisierte ihr neues Interesse an der DTK100, indem sie im Frühjahr 2005 mit allen Bundesländern eine Verwaltungsvereinbarung schloss, in der diese sich verpflichteten, bis Ende 2011 ein flächendeckendes zivil-militäri-sches Kartenwerk nach der Spezifikation der DTK100, also auf der Grundlage der ATKIS-Daten, herzustellen (Verwaltungs-vereinbarung, 2005). Mit Thüringen ist das erste Bundesland in Bezug auf die Herstellung einer DTK100 in Vorleistung getreten, allerdings noch basierend auf den ATKIS-Daten vor der Migration in das AAA-Datenmodell des ATKIS-Projekts (Timmermann, 2009). In den übrigen Bundesländern werden in den nächs-

1989 begonnenen ATKIS-Projekts die künftigen ATKIS-Produkte neu zu definie-ren, schien der Zeitpunkt geeignet, die Frage der Maßstabsfolge der amtlichen topographischen Landeskartenwerke von Neuem zu stellen. So beschäftigte sich der AK TK seit seiner 4. Tagung 1997 mit der Frage, welche Kartenwerke künftig Bestandteile der ATKIS-Produktpalette sein sollten. Als Ergebnis empfahl er dem Plenum der AdV, eine Bereinigung der Maßstabspalette durchzuführen und die Zahl der amtlich geführten Kartenwerke von bisher sieben auf fünf zu reduzieren. Neben dem Maßstab 1:500 000 war auch der Maßstab 1:100 000 auf der Streichliste der amtlichen Kartenwerke.

Auf ihrer 102. Tagung 1998 in Kiel folgte die AdV mit Zustimmung der Bun-deswehr dem Vorschlag des AK TK und definierte die neue ATKIS-Produktpalette, in der ein Kartenwerk des Maßstabs 1:100 000 nicht mehr vorgesehen war. Allerdings war in einem Zusatz zu diesem AdV-Beschluss vermerkt, dass es den Bun-desländern bei Bedarf freigestellt sei, auch digitale topographische Karten anderer Maßstäbe zu führen.

Schon drei Jahre später meldete die Bundeswehr im Rahmen der 109. AdV-Tagung 2001 erneut einen Bedarf für die TK100. Dem AK TK wurde der Auftrag erteilt, einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Auf der Grundlage dieses Berichtes beschloss die AdV auf ihrer 111. Tagung 2002, künftig nach dem Beispiel der TK50 auch eine gemeinsame zivil-militärische Ausgabe der TK100 zu führen und beauftragte den seit November 2001 neu benannten „Arbeitskreis Geotopo-graphie“ (AK GT, vorher AK TK), hierfür eine Kartengraphik zu entwickeln und einen Signaturenkatalog aufzustellen. Die nächste Gelegenheit zur weiteren Behand-lung dieses Themas bot die 15. Tagung des AK GT 2003. Hier erteilte der AK GT der Projektgruppe „Signaturenkatalog“ den Auftrag, eine Kartengraphik und einen Signaturenkatalog ATKIS-SK100 für eine neue DTK100 zu entwickeln. Nach zwei Jahren konnte die Projektgruppe ihr Arbeitsergebnis zur Beschlussfassung vorlegen (s. Abb. 6). Der AK GT nahm den Signaturenkatalog mit zwei Enthal-tungen an. Da auf der Grundlage des

Erfassung und Aktualisierung der Daten des Basis-DLM vor allem die Frage der automatischen kartographischen Generali-sierung im Brennpunkt des Interesses. Das bis heute noch nicht vollständig erreichte Ziel besteht darin, das Potenzial der ATKIS-Komponenten mit Hilfe einer weitgehend automatisierten Weitergabe von Aktua-lisierungsdaten durch die Maßstabsreihe der Landeskartenwerke hindurch vollstän-dig auszuschöpfen.

3.5 Gemeinsames zivil-militärisches Kartenwerk TK100

Auch die Geschichte der zivil-militärischen Zusammenarbeit bei der TK100 unterlag in den letzten Jahrzehnten nicht unerheb-lichen Richtungsänderungen und Kurskor-rekturen.

Zwar war das Musterblatt des neuen mehrfarbigen Kartenwerks der TK100 in der Nachfolge der einfarbigen „Karte des Deutschen Reiches 1:100 000“ schon 1961 von der AdV verabschiedet worden. Die Fertigstellung dieses Kartenwerks hatte jedoch in den einzelnen Bundes-ländern keine besondere Priorität. So ist das letzte Blatt der TK100 im Duktus des neuen Musterblattes in NRW im Jahr 1986, also erst 25 Jahre nach Erscheinen des Musterblattes, fertig gestellt wor-den. In Bezug auf die zivil-militärische Zusammenarbeit hatte die AdV im Jahr 1971 bekräftigt, dass die zivile Ausgabe kein UTM-Gitter enthalten sollte. Sie hat jedoch gleichzeitig, offenbar missbilligend, erwähnt, dass ein Bundesland (gemeint war Schleswig-Holstein) von dieser Verein-barung abwich.

Die Bundeswehr hatte schon seit gerau-mer Zeit auf einen militärischen Auflage-druck der Blätter der TK100 verzichtet, hatte sich aber, ähnlich wie später für die TK50 (s. Kap. 3.3) auf der Grundlage des bereitgestellten Reproduktionsmaterials vorbehalten, die Karten im Bedarfsfall selbst zu drucken.

Im Hinblick auf die geringe Nachfrage nach diesem Kartenwerk wurde von ziviler Seite immer wieder die Frage gestellt, ob der hohe Aufwand für die kartogra-phische Bearbeitung und Aktualisierung dieses Kartenwerkes wirtschaftlich zu rechtfertigen sei. Als die AdV sich vorge-nommen hatte, im Rahmen des im Jahr

Abb. 6: Kartentitel der TK100 nach dem ATKIS SK100

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Harbeck, Rolf: Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ATKIS. In: 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwal-tungen der Bundesrepublik Deutschland, Landesver-messungsamt Baden-Württemberg, 1988.

Harbeck, Rolf: Von der topographischen Karte zum Digi-talen Landschaftsmodell. In: Vermessung Brandenburg, Heft 2/2009, S. 10. Potsdam 2009.

Kant, Rüdiger: Standards für den Datenaustausch, In: Vermessungswesen und Raumordnung, Heft 1 + 2/1997, S 30.

Krauß, Georg: Die amtlichen topographischen Karten-werke in Nordrhein-Westfalen – Ihre Entstehung, Bearbeitung und Aussage. In: Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 2/1970, S. 49, S. 60.

Müller, Theodor: Die Entwicklung des neuen deutschen militärischen Kartenwerkes 1:50 000. In: Allgemeine Vermessungsnachrichten 1967, Heft 10, S. 435 bis 445.

Müller, Theodor und Hubrich, Dirk: Überblick über das Karten- und Vermessungswesen des deutschen Heeres von 1919 bis 1945. In: Schriftenreihe des Geoinforma-tionsdiensts der Bundeswehr, S. 10 bis 12, Euskirchen 2009.

Oster, Manfred und Spata, Manfred: Welche Auswir-kungen auf die topographischen Landeskartenwerke Deutschlands hat die Umstellung auf ein neues Koordi-natensystem und auf eine neue Abbildung? In: Karto-graphische Nachrichten 1999, Heft 3, S. 110–115.

Oster, Manfred: Oberst a.D. Theo Müller 50 Jahre Mit-glied der Deutschen Gesellschaft für Kartographie. In: Kartographische Nachrichten 2004, Heft 4, S. 184.

Tilly, Heinrich: Verfassungen, Verwaltungen, Vermessung – Vom Grenzzeichen zur Geoinformation. In: Vermes-sung Brandenburg, Heft 2/2001, S. 20, .

Timmermann, Anke: Übergabe der bundesweit ersten zivil-militärischen Karten im Maßstab 100 000 an die Bundeswehr. In: Zeitschrift für Vermessungswesen 2009, Heft 3, S. n-43

Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminis-terium der Verteidigung und den Ländern über die Herstellung, Herausgabe und Nutzung des zivil-militä-rischen Kartenwerkes Topographische Karte 1:50 000, 2001 (unveröffentlicht)

Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminis-terium der Verteidigung und den Ländern über die Herstellung, Herausgabe und Nutzung des zivil-militä-rischen Kartenwerkes Topographische Karte 1:100 000, 2005 (unveröffentlicht)

Über den Verfasser: Dipl.-Ing. Manfred Oster ist in der Abteilung 7 Geobasis NRW der Bezirksregierung Köln (bis Ende 2007: Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen) als Dezernent zuständig für die Aktualisierung der Kartographischen Geobasisdaten einschließlich der Führung des Freizeitkatasters. E-Mail: [email protected]

Manuskript eingereicht im Oktober 2010, nach Review angenommen im Dezember 2010.

Zusammenarbeit in Deutschland? Künf-tige größere gemeinsame Projekte einer zivil-militärischen Zusammenarbeit werden eher unwahrscheinlich. Die Bundeswehr hat sich inzwischen immer mehr auf Auslandseinsätze und auf die Herstellung von Karten der Krisenregionen zu konzen-trieren. Die Bearbeitung der gemeinsam abgestimmten amtlichen Kartenwerke und Daten wird nunmehr in der alleinigen Verantwortung der Länder sichergestellt. Der für alle Bereiche von Staat, Gesell-schaft, Wirtschaft und Wissenschaft bedeutsame ATKIS-Datenbestand konnte mit der finanziellen Beteiligung der Bundeswehr noch gemeinsam aufgebaut werden. Heute ist die Bundeswehr in das multinationale Projekt der Digitalisierung der topographischen Karten 1:50 000 eingebunden, das sich derzeit auf die Krisenregionen der Erde beschränkt. Was bleiben wird, ist die gemeinsame zivile und militärische Verwendung des vorhan-denen Bestandes an amtlichen Karten und Daten in den Grenzen von Deutschland.

Literatur

74. AdV-Tagung vom 9. bis 11 Mai 1985, Niederschrift, TOP 4.4 (unveröffentlicht). Darin: Denker, Jürgen: Zusammenarbeit beim Aufbau eines topographischen Informationssystems.

106. AdV-Tagung vom 11. bis 12 Mai 2000, Nieder-schrift, TOP 3.7 (unveröffentlicht). Darin: Harbeck, Rolf; Schönherr, Hansjörg: Gemeinsames zivil-militärisches Kartenwerk Topographische Karte 1:50 000.

Bundesministerium der Verteidigung: Darstellung militä-rischer Anlagen und Schutzbereiche in Kartenwerken, Kartenerlass vom 30. November 1993, U II 1 – Az 45-70-00/04

Denker, Jürgen: 30 Jahre Militärisches Geowesen/Militärgeographischer Dienst, aus der Schriftenreihe Militärgeographischer Dienst der Bundeswehr, Heft 33, S. 31, Euskirchen 2000.

Hafeneder, Rudolf: Fachgebiet und Fachbereich MilGeo – von Entstehung über Umbau zur Fusion, aus der Schriftenreihe: Militärgeographischer Dienst der Bun-deswehr, Heft 33, S. 59, Euskirchen 2000.

Hafeneder, Rudolf und Kohler, Egbert: Künftige Aufgaben des Militärgeographischen Dienstes, aus: Vermessung Brandenburg, Heft 1/2002, S. 10.

Hafeneder, Rudolf: Überblick über das Militärische Geo-wesen Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert. In: Schriftenreihe: Geoinformationsdienst der Bundeswehr, Heft 2, S. 62 - 65, Euskirchen 2004.

Heller, Emil: Entwicklung und Organisation des deutschen Karten- und Vermessungswesens. aus der Schriftenrei-he: Militärgeographischer Dienst der Bundeswehr, Heft 33, S. 27, Euskirchen 2000.

ten Monaten verstärkte Bemühungen erforderlich werden, diese im Jahr 2005 eingegangene Verpflichtung einzulösen.

3.6 Reliefschummerung in den neuen zivil-militärischen Kartenwerken?

Da die bisherigen analog hergestellten topographischen Landeskartenwerke der Maßstäbe 1:50 000 und 1:100 000 zum Teil über eine Reliefschummerung verfügten, lag die Frage nahe, auch die aus ATKIS-Daten erzeugten neuen Kartenwerke der DTK50 und der DT100 mit einer automatisch aus einem Digita-len Geländemodell (DLM) abgeleiteten Reliefschummerung als unterstützende Visualisierung der Geländedarstellung aufzuwerten. Das AGeoBw hatte diese Frage auf der 17. Tagung 2004 des AK GT zur Diskussion gestellt.

Die nachfolgende Umfrage unter den Mitgliedsverwaltungen ergab, dass sich zwar eine Mehrheit der Bundesländer für eine Reliefschummerung in der DTK50 und DTK100 aussprach, dass es aber auch abweichende Meinungen gab. Da zu diesem Zeitpunkt keine Einheitlichkeit zu erreichen war, entschied sich der AK GT, die Reliefschummerung nicht in die ATKIS-Signaturenkataloge aufzunehmen. Damit war für die DTK50 wie für die DTK100 klar gestellt, dass die Reliefschummerung vorläufig kein Element der gemeinsamen zivil-militärischen Kartenwerke sein würde und dass es auch keine Sonderlösungen in einzelnen Bundesländern gebe. Von dieser Entscheidung nicht betroffen waren Gebiets- und Sonderkarten, bei denen es weiterhin bedarfsorientierte Lösungen geben durfte.

Gleichzeitig forderte der AK GT die Bundesländer auf, weiterhin nach einem geeigneten Verfahren zur Ableitung von automatisch erzeugten Reliefschumme-rungen aus Digitalen Geländemodellen zu suchen. Die Vorteile einer Reliefschumme-rung gegenüber der reinen Höhenlinien-darstellung wurden weiterhin anerkannt. Allerdings war die Zeit noch nicht reif für eine Entscheidung.

4 Ausblick

Welche Perspektiven ergeben sich für die Fortsetzung der zivil-militärischen

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