Die Zukunft der Energie
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Internationale Fachmesse für energieeffizientesSanieren und Bauen
KLIMAHOUSE
Internationale Fachmesse der erneuerbarenEnergien
KLIMAENERGY
Internationale Fachmesse für nachhaltige Mobilität
KLIMAMOBILITY
Internationale Fachmesse der Zulieferer der Fenster-,Türen- und Fassadenbauer
KLIMAINFISSO
BOZEN | FLORENZ | COMO
www.messebozen.it | [email protected] BOZEN AG Messeplatz, 1 I-39100 BozenTel. +39 0471 516 000 | Fax +39 0471 516 111
Unser Beitrag für ein gutes Klima
3
Die „grüne“ Wirtschaft ist weltweit und auch in Italien im Aufschwung und der ökologische Gedanke beginnt sich in den Köpfen der Menschen zu verankern. Südtirol ist die Vorreiter-Region Italiens im Bereich der energetischen Nach-haltigkeit und deckt derzeit als einzige Region Italiens über 50 Prozent des Ei-genbedarfs an Energie mit erneuerbaren Energieträgern. Im Jahr 2002 entstand „KlimaHaus“, ein Konzept zur energeti-schen Gebäudezertifizierung; laut Gesetz müssen ab Juni 2017 alle in Südtirol neu errichteten Gebäude mindestens dem KlimaHaus-Standard A entsprechen; das bedeutet, dass der effektive Heizener-gieverbrauch unter 30kWh/ m² pro Jahr liegen muss. Die nördlichste Provinz Italiens fun-giert auch als Drehscheibe im Handel zwischen Nord und Süd. Dabei spielt der Messestandort Bozen aufgrund der Zweisprachigkeit und der überschauba-ren Größe eine bedeutende Rolle. Er ist der ideale Standort für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, um auf dem italienischen Markt Fuß zu fassen. Erklärtes Ziel von Messe Bozen ist es, Fachmessen zu Themen zu organisieren, in denen Südtirol bzw. die Region sicht-bare Kompetenzen aufweist, Angebot und Nachfrage in geballter Form zusam-menzuführen und Messen in gewinnbrin-gende Märkte zu exportieren. Messe Bozen hat sich seit dem Probelauf der Fachmesse für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen „Klimahouse“ im Jahr 2005 dem Thema der energeti-schen Nachhaltigkeit verschrieben. Mit Klimahouse, die inzwischen zur Leit-messe für energieeffizientes Sanieren und Bauen in Italien avanciert ist und jährlich über 40.000 Besucher in die mit 460 Ausstellern völlig ausgebuchten Messehallen nach Bozen bringt, wurde der Grundstein für eine beachtliche und äußerst erfolgreiche Klimamessen-Familie gelegt. Der überwältigende Erfolg von Kli-mahouse hat die Bozner Messe dazu bewogen, Tochterveranstaltungen dieser
Messe in Süd-, Mittel- und Norditalien durchzuführen: zuerst in Rom, danach in Bastia (Umbrien), jetzt in Bari (Apulien), Florenz und Como. Das Ziel ist, die Kul-tur des energieeffizienten und umwelt-freundlichen Bauens und Sanierens in Italien weiter zu verbreiten, da bezüglich der energetischen Gebäudesanierung in Italien ein enormes Potential besteht.Außerdem wurde das Angebot mit drei weiteren wichtigen Projekten erwei-tert: 2008 reihte sich die Fachmesse für erneuerbare Energien, „Klimaenergy“, in den Kalender der Messe Bozen ein, die sich an Unternehmer aus energieinten-siven Wirtschaftszweigen wie Industrie, Hotellerie und Handwerk sowie an Ver-treter der öffentlichen Hand richtet. Um den Kreis zu schließen und alle Bereiche der erneuerbaren Energien abzudecken, wird Klimaenergy seit 2011 von der Fach-messe für nachhaltige Mobilität „Klima-mobility“ begleitet. Und schließlich fiel 2013 der Startschuss für Klimainfisso, die italienweit einzige Fachmesse, die ausschließlich den Zulieferunternehmen der Fenster-, Türen- und Fassadenbauer gewidmet ist. Mit den sieben Fachmessen im Ener-giebereich wurde eine 360°-Plattform geschaffen, um einerseits Wirtschaft, öffentliche Hand, Forschung und Fi-nanzdienstleister zusammenzuführen und andererseits die Sensibilisierung im Bereich der umweltfreundlichen Themen in Italien voranzutreiben.Es liegt deshalb auf der Hand, dass uns das Thema Energie in all seinen Facetten äußerst interessiert. Einen Einblick in diese vielfältige Materie ermöglicht die vorliegende Broschüre mit 17 Fachbei-trägen aus der Feder einer Spezialistin par excellence: Monika Psenner, die ihr Berufsleben bei der OPEC sozusagen ausschließlich in den Dienst dieses fas-zinierenden Themas gestellt hat und uns darüber jetzt kompakt aber umfassend informiert.
Florian Schmittner Pressebüro Messe Bozen
Unser Beitrag für ein gutes Klima
Verlag
Messe Bozen AG 39100 Bozen Messeplatz 1
tel. +39 0471 516000fax +39 0471 516111
Internet
www.messebozen.it
PresserechtlIch VerantwortlIcher Reinhold Marsoner
redaktIon
Monika Psenner Florian Schmittner
lItho und druck
Ferrari - Auer
grafIk
Michelangelo Graphic Art
impressum
5
INHALTSVERZEICHNISEinleitung .....................................................................................................9
Weltweiter Energiebedarf: Ist-Situation und Zukunftsperspektiven ........ 11
Weltweite fossile Energieressourcen .........................................................17
Wie tief fällt der Erdölpreis noch? ............................................................ 23
Die Rolle der Erneuerbaren Energien im weltweiten Energiebedarf ...... 27
Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung? ............................................................... 35
Die Schiefergas Revolution .......................................................................43
Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft ...........................49
Wie sehr bestimmt der Einsatz von Produkten, die aus Erdöl hergestellt werden, unser tägliches Leben? ..................... 57
Die zunehmende Wichtigkeit nicht-konventioneller fossiler Energien ...................................................63
Steuern auf Benzin, Diesel und andere Produkte aus Erdöl: eine lukrative Einnahmequelle für den Staat? ..........................................71
Kohle im Aufwind ....................................................................................... 75
Der Energiegigant Russland ......................................................................81
China im Wettlauf um Energie-Ressourcen .............................................89
Ist Atomstrom verzichtbar? .......................................................................95
Welche Rolle spielen internationale Ölgesellschaften im Energiesektor? .................................................................................... 101
Der Europäische Gasmarkt im Umbruch ................................................107
Die Energiewende ..................................................................................... 113
Verlag
Messe Bozen AG 39100 Bozen Messeplatz 1
tel. +39 0471 516000fax +39 0471 516111
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PresserechtlIch VerantwortlIcher Reinhold Marsoner
redaktIon
Monika Psenner Florian Schmittner
lItho und druck
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Michelangelo Graphic Art
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Monika Psenner Monika Psenner wurde in Tiers/
St. Zyprian geboren. Nach
Abschluss des Humanistischen
Gymnasiums in Bozen studierte sie
Wirtschaftswissenschaften in Wien
und Innsbruck.
Von 1977 bis 2010 arbeitete sie
bei der OPEC in Wien. Sie war in
der Forschungsabteilung tätig,
wo sie Energie- und makro-
ökonomische-Statistiken und
Energiebilanzen für Publikationen,
als Entscheidungsgrundlage für
das Management und als Input
für Energie-Modelle erstellte und
analysierte.
Außerdem war sie verantwortlich
für das Verfassen von
Forschungsberichten, Vorträgen
und Präsentationen im Erdöl- und
Energiebereich für technische
Meetings und Konferenzen.
Während ihrer langjährigen
Berufstätigkeit bei der OPEC eignete
sie sich ein fundiertes Wissen im
Energiesektor an.
Diese fundierte und leicht
verständliche Artikelserie zur
Zukunft der Energie schrieb sie
exklusiv für Messe Bozen.
Monika Psenner
8
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KLIMAINFISSO 2015
5. - 7. März 2015 | Bozen, ItalienInternationale Fachmesse der Zulieferer der Fenster-,Türen- und Fassadenbauer
Do-Sa: 9.00-18.00
www.klimainfisso.it
EinzigerBranchen-Treffpunkt IN ITALIEN
InternationalerFachkongress
Modellregion Südtirol
MONTAGE-
Vorführungen
KlimainfissoTrend DIE BESTEN
FENSTERUND TÜREN
9
EinleitungDie in dieser Broschüre enthaltenen Artikel geben einen Über-
blick über die derzeitige globale Energiesituation sowie einen
Ausblick auf die zukünftige Entwicklung. Die Rolle der fossilen
Energieformen Erdöl, Gas und Kohle, sowie der besondere Stel-
lenwert des Erdöls in der modernen Wirtschaft werden erörtert.
Die zunehmende Wichtigkeit der Erneuerbaren Energien im
globalen Energiemix und deren zukünftige Entwicklung, auch im
Zusammenhang mit den klimapolitischen Zielsetzungen, wer-
den aufgezeigt. Des Weiteren wird auf die starke Zunahme der
Produktion nicht-konventioneller fossiler Energieformen, wie
Schiefergas und Schieferöl verwiesen, durch deren Nutzung die
Verfügbarkeit fossiler Energien um viele Jahrzehnte verlängert
wird und so der Umstieg auf eine Welt mit „sauberen“ erneu-
erbaren Energieformen deutlich verlangsamt wird. Schließlich
wird die besondere Rolle von Gas, die „sauberste“ fossile Ener-
gieform und deren Brückenfunktion in Richtung einer Zukunft
ohne umweltverschmutzende und gesundheitsgefährdende
Treibhausgasemissionen und anderer Schadstoffe, hervorge-
rufen durch die Verbrennung fossiler Energieträger, aufgezeigt.
Das deutsche Projekt „Energiewende“, dessen Ziel es ist, auf
eine Wirtschaft umzustellen, die auf erneuerbarer, nicht-nukle-
arer Energie basiert, bildet den Abschluss der Artikelserie.
11
Weltweiter Energiebedarf: Ist-Situation und Zukunftsperspektiven
Energie ist der Motor der modernen Wirtschaft und eine
Grundvoraussetzung von Wirtschafswachstum und Wohl-
stand. Die zentrale Bedeutung von Energie hat in der globa-
lisierten Welt noch zugenommen. Mit einem Anteil von über
80% am Gesamt-Energieverbrauch spielen vor allem fossile
Energieträger, Erdöl, Erdgas und Kohle eine zentrale Rolle,
allen voran Erdöl mit einem Anteil von 34%, gefolgt von Kohle
mit 26% und Erdgas mit 22%.
Im vergangenen Jahrzehnt ist es zu einer massiven Verteue-
rung des Erdöls von ca. 25 US$ pro Barrel auf über 100 US$ für
dieselbe Menge gekommen. Während es in der Vergangenheit
immer wieder starke Schwankungen des Ölpreises gab und es
diese auch in Zukunft geben wird, scheint der Ölpreis sich nun
auf einem viel höheren Niveau zu bewegen. Experten halten
es für unwahrscheinlich, dass die Preise auf einen niedrigen
Stand wie dem zu Beginn des Millenniums fallen werden.
Diese Entwicklung hat auf dem Energiemarkt zu beachtlichen
Veränderungen geführt. Energieträger, deren Förderung in
der Vergangenheit nicht gewinnbringend war, wurden durch
die gestiegenen Erdölpreise profitabel. Die großen Firmen im
Energiegeschäft begannen in neue Energieformen zu inves-
tieren. Nicht zuletzt als Folge des hohen Ölpreises haben
erneuerbare Energieformen wie Wind- und Solarenergie mit
zum Teil zweistelligen Wachstumsraten einen bedeutsamen
Aufschwung erfahren (Graph 1).
12
Eine weitere Folge des hohen Ölpreises ist der zunehmende
Ausbau nicht-konventioneller fossiler Energieträger wie Schie-
fergas und Schieferöl oder auch die Erschließung von Öl- und
Gasreserven in der Arktis. Diesbezüglich sei vor allem auf die
„Schiefergasrevolution“ in den USA hingewiesen: Ermöglicht
durch den Einsatz neuer Technologien hat diese Entwicklung in
den USA zu einem Öl- und Gas-Boom geführt, wie es ihn dort
seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hat. Dies brachte funda-
mentale Konsequenzen für den größten Energieverbraucher
der Welt mit sich. Neuesten Prognosen zufolge wird die USA in
wenigen Jahren von einem bedeutenden Erdgas-Importeur zu
einem Erdgas-Exporteur aufsteigen. Auch die Erdölproduktion
wird stark ansteigen. Dies bewirkt eine grundlegende Verände-
rung des internationalen Energiegefüges, da sich die strategi-
schen Interessen der Wirtschaftsmacht USA verschieben. Der
Mittlere Osten als Energielieferant verliert, zumindest für die
USA, an Bedeutung. Welche Rolle Schiefergasförderung in Zu-
kunft in anderen Regionen spielen wird, bleibt abzuwarten. Die
Sorge, dass die Erdölförderung nicht mehr gesteigert werden
kann, scheint durch diese Entwicklung in weite Zukunft gerückt
zu sein. Die Frage der Energiesicherheit ist jedoch nach wie vor
von Bedeutung, da viele Länder, die Erdöl und Erdgas fördern,
und solche, die als Transportkorridore fungieren, in politisch
instabilen Regionen liegen (z.B. Mittlerer Osten, Afrika).
Graph 1
Ölpreis und Verbrauch an Erneuerbarer Energie, 2000-2012
Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013; toe = Tonnen Erdöläquivalent
(mill. toe) 250
200
150
100
50
0
(US$/b)120
100
80
60
40
20
0
Verbrauch Erneuerbare Energie Ölpreis
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
13
Trotz hoher Energiepreise steigt der weltweite Energiever-
brauch, vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern,
weiter an. Die zunehmende Abhängigkeit von fossilen Energie-
trägern vieler Länder einerseits und die Sorgen rund um die
Umweltverschmutzung durch fossile Energieträger anderer-
seits machen die Frage nach der Entwicklung des zukünftigen
Energiebedarfs sowie des globalen „Energiemix“ besonders
brisant.
Es stellt sich die Frage: Wie wird sich der weltweite Energie-
bedarf in den kommenden Jahrzehnten entwickeln? Wird es
genügend Angebot für die ständig steigende Nachfrage geben?
Wird es gelingen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
wesentlich zu verringern und wird der Anteil der erneuerbaren
Energien erheblich zunehmen, um die durch fossile Energie-
träger verursachte Umweltverschmutzung zu reduzieren? Im
Folgenden eine kurze Zusammenfassung des gegenwärtigen
weltweiten Energiebedarfs sowie eine Vorschau auf die Ent-
wicklung in den kommenden Jahrzehnten, unter Berücksichti-
gung der neuesten Prognosen.
Die wichtigsten Faktoren, welche den Energieverbrauch be-
stimmen, sind das Bevölkerungswachstum einerseits und das
Wirtschaftswachstum sowie die zunehmende Industrialisierung
und Urbanisierung in den Schwellen- und Entwicklungsländern
andererseits. Zwischen 2010 und 2040 wird die Weltbevölke-
rung von 7 Milliarden auf 9 Milliarden anwachsen, wobei das
Bevölkerungswachstum ausschließlich in den Schwellen- und
Entwicklungsländern stattfinden wird. Die Wirtschaft wird im
selben Zeitraum in den Nicht-OECD-Ländern um 4,4% wachsen,
während sie in den OECD-Ländern um lediglich 2% zunehmen
wird. Der Nachholbedarf bezüglich Wirtschaftsentwicklung,
steigendem Lebensstandard und die daraus folgende Entwick-
lung hin zu einem gesteigerten Energieverbrauch in den Nicht-
OECD-Staaten ist enorm. Eine Kennzahl ist hier besonders
aussagekräftig: Während in den USA, in der Eurozone und in
Japan auf 1000 Einwohner zwischen 428 und 470 PKWs kom-
men, sind es in China lediglich 57 und in Indien nur 18 (Tabelle
1). Auch der Pro-Kopf-Energieverbrauch ist in den Nicht-OECD-
Ländern deutlich niedriger als in den OECD-Ländern. Während
ein US-Amerikaner im Jahr sieben Tonnen Energie verbraucht,
beträgt diese Kennzahl in Indien nur 0,6 Tonnen.
Tabelle 1
Einige Kennzahlen im Vergleich 2012Quellen: Weltbank. *Daten beziehen sich auf das Jahr 2010
Einwohner (Millionen)
Bruttosozialprodukt pro Kopf (US$)
Autos pro 1000 Einwohner*
Primärenergie-Verbrauch
pro Kopf (toe)
Urbanisierungsgrad in % der
Gesamtbevölkerung
USA 314 52340 428 7.0 83
Japan 128 47880 453 3.6 92
Euro Zone 334 37884 470 3.5 76
China 1350 5720 57 1.4 52
Indien 1237 1580 18 0.6 32
14
Neuesten Prognosen zufolge wird der weltweite Energiebe-
darf zwischen 2010 und 2040 um 35% wachsen. Als Folge des
Bevölkerungswachstums, des wirtschaftlichen Aufschwungs,
der zunehmenden Industrialisierung und Urbanisierung und
der damit verbundenen Steigerung des Wohlstandes wird das
Energiewachstum ausschließlich in den Schwellenländern,
vor allem in China und Indien, und in den Entwicklungsländern
stattfinden, während in den OECD Ländern bis 2040 ein leichter
Rückgang prognostiziert wird (Graph 2). Eine wichtige Voraus-
setzung für die Erreichung dieser Prognose ist eine Steigerung
der Energieeffizienz (beispielsweise durch die Produktion von
Autos mit sparsamen Kraftstoffverbrauch).
Bezüglich der Entwicklung der einzelnen Energieträger ergibt
sich folgendes Bild: Der Bedarf an fossilen Energieträgern –
Erdöl, Erdgas und Kohle – wird von 82% im Jahr 2010 auf 79%
im Jahr 2025 und auf 77% im Jahr 2040 sinken, letztere werden
jedoch immer noch mehr als drei Viertel des weltweiten
Energiebedarfs ausmachen. Während der Anteil von Erdgas
im Jahr 2010 22% betrug und im Jahr 2025 auf 24% und 2040
auf 27% steigen wird, wird jener von Kohle von 26% im Jahr
2010 auf 19% im Jahr 2040 sinken. Der Erdölanteil, der im Jahr
2010 34% im Jahr 2010 ausmachte, wird für die Jahre 2025 und
2040 jeweils auf 31% prognostiziert, jedoch wird Erdöl nach
wie vor der weltweite Energieträger Nr. 1 bleiben. Der Anstieg
von Erdgas einerseits und der Rückgang von Kohle anderer-
seits können als positive Entwicklung gesehen werden, da bei
Graph 2
Weltweiter Energiebedarf (mill. toe)Quelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014
OECD Nicht-OECD exkl. China & Indien China & Indien
2010 2025 2040
2000018000160001400012000100008000600040002000
0
Anteil in%
3100 24%
4200 32%
5750 44%
Anteil in%
4925 30%
5600 34%
5800 36
Anteil in%
5375 30%
6825 38%
5550 31%
(Daten beziehen sich auf den Primär-Energiebedarf)
Graph 3
Weltweiter EnergiemixQuelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014
(Daten beziehen sich auf den Primär-Energiebedarf)
2010 2025 2040
31% 31%34%
22%
26% 24%
24% 27%
6%6% 8%
8%9% 9%
19%
1% 4%2% 3% 3% 3%
Erdöl Gas Kohle Atomkraft Biomasse Wasserkraft Andere Erneuerbare Energien
15
der Verbrennung von Gas weniger Kohlendioxid und andere
Luftschadstoffe freigesetzt werden und es somit die sauberere
Alternative zu Kohle und Öl ist. Erneuerbare Energien (ohne
Wasserkraft und Biomasse) werden zwar stark zunehmen,
aber im weltweiten Energiemix im Jahr 2040 nur bescheidene
4% ausmachen.
Betrachtet man die einzelnen Wirtschaftssektoren, so ergibt
sich ein differenziertes Bild. Während im privaten- und gewerb-
lichen Sektor der Energieverbrauch im Zeitraum von 2010 bis
2040 um 28% und im Industrie-Sektor um 35% ansteigen wird,
wird der Transportsektor ein Wachstum von 42% im selben Zeit-
raum erleben. Erdöl wird im Transportsektor auch in Zukunft
die führende Rolle spielen. 2010 betrug der Anteil von Erdöl im
Transportsektor 95%, 2040 wird er immerhin noch 87% ausma-
chen. Der Anteil von Gas und Biokraftstoffen wird von lediglich
4% im Jahre 2010 auf 11% im Jahre 2040 erhöht werden.
Weitreichendere Veränderungen wird es in den kommenden
Jahrzehnten im Elektrizitätssektor geben. Diesbezüglich sei
erwähnt, dass weltweit nach wie vor 1,3 Milliarden Menschen
keinen Zugang zu Elektrizität haben. In diesem Sektor werden
die höchsten Wachstumsraten prognostiziert: 90% weltweit
zwischen 2010 bis 2040, 163% in den Nicht-OECD Ländern und
lediglich 23% in den OECD Ländern. Bei der Elektrizitätsge-
winnung werden erneuerbare Energieträger einen enormen
Zuwachs erfahren. Zwischen 2010 und 2040 wird die Strom-
gewinnung aus Windenergie mit 540% am stärksten wachsen,
andere erneuerbare Energien werden um 188% und Wasser-
kraft um 80% zunehmen. Bei den fossilen Energieträgern wird
Kohle bis 2025 noch weiter leicht ansteigen, sich dann aber
rückläufig entwickeln, während Gas mit einer Zuwachsrate
von 78% zwischen 2010 und 2040 stark ansteigen wird. Das zur
Elektrizitätsgewinnung ohnehin wenig verwendete Erdöl wird
in Zukunft weiterhin an Bedeutung verlieren. Ein Trend hin zu
„saubereren“ Energieträgern ist im Stromgewinnungssektor
eindeutig erkennbar. Atomstrom wird zwischen 2010 und 2040
um 109% ansteigen (Graph 4).
Durch die Erschließung unkonventioneller fossiler Energie-
formen, wie Schiefergas und Schieferöl scheint das Ende des
„fossilen Energie-Zeitalters“ in weitere Ferne gerückt zu sein.
Graph 4
Weltweite Elektrizitätsgewinnung nach Energieträger Quelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014
2040
2020
2010
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
Andere Erneubare Energien
Wind
Wasserkraft
Atomkraft
Kohle
Gas
Erdöl
(mill. toe)
16
Die Angst, dass Erdöl in absehbarer Zeit ausgehen könnte, ist
daher vorerst gebannt. Da Investitionen im Energiebereich
sehr kapitalintensiv sind, befürchten manche Experten, dass zu
viel Kapital in unkonventionelle fossile Energieformen inves-
tiert wird, was sich auf Investitionen in erneuerbare Energie-
träger nachteilig auswirken könnte.
Da der zukünftige Energiebedarf nach wie vor zu einem gro-
ßen Teil durch fossile Energieträger gedeckt wird, werden
energieabhängige CO2-Emissionen bis 2025 weltweit weiter
ansteigen. In den OECD-Ländern wird es als Folge sinkenden
Energiebedarfs zu einer Verringerung kommen, während in
den Nicht-OECD-Ländern bis 2025 die CO2-Emissionen signifi-
kant ansteigen werden. Erst danach wird es weltweit zu einem
Rückgang kommen (Graph 5).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bis 2040 der
Energiebedarf weltweit um 35% ansteigen wird, dies unter der
Voraussetzung, dass es gelingt die Energieeffizienz stark zu er-
höhen. Fossile Energieträger werden auch im Jahr 2040 immer
noch mehr als drei Viertel des Primär-Energiebedarfs ausma-
chen, wobei ein erheblicher Anteil von nicht-konventionellen
fossilen Energieformen wie Schieferöl und Schiefergas gedeckt
werden wird. Eine weltweite Energieversorgung ohne fossile
Energie ist noch lange nicht in Sicht. Erdöl wird mit 31% am Ge-
samtenergiebedarf auch im Jahr 2040 weltweit der Energieträ-
ger Nr. 1 bleiben, vor allem aufgrund seiner Flexibilität. Erdgas,
der „sauberste“ fossile Energieträger wird den größten Zuwachs
verzeichnen und mit einem Anteil von 27% im Jahr 2040 die
Kohle mit einem Anteil von 19% auf Platz drei verweisen. Erneu-
erbare Energien werden sich zwischen 2010 und 2040 mehr als
verdreifachen, jedoch nur einen bescheidenen Anteil von 4% am
weltweiten Gesamtenergiebedarf ausmachen. Vor allem bei der
Stromproduktion wird der Anteil an erneuerbaren Energien an
Wichtigkeit gewinnen. Obwohl es in den kommenden Jahrzehn-
ten zu keiner bedeutenden Energiewende kommen wird, so wer-
den doch durch vermehrten Einsatz von Erdgas einerseits und
die Zunahme von erneuerbaren Energien andererseits die durch
Energienutzung bedingten CO2-Emissionen bis 2025 weltweit ge-
ringfügiger ansteigen als in den vergangenen Jahrzehnten und
bis 2040 sogar leicht sinken.
Graph 5
Energieabhängige CO2-EmissionenQuelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014(Bill. Tonnen)
OECD Nicht-OECD
2010 2025 2040
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Anteil in %
17,8 58%
12,8 42%
Anteil in %
25,0 68%
11,8 32%
Anteil in %
26,6 73%
9,7 27%
17
Der derzeitige weltweite Primär-Energiekonsum basiert
zu über 80% auf fossilen Energieträgern und auch in den
kommenden Jahrzehnten werden Erdöl, Erdgas und Kohle
über 75% der weltweiten Energieversorgung ausmachen.
Angesichts der überaus großen Wichtigkeit von fossilen
Brennstoffen für die moderne Wirtschaft einerseits und
ihrer begrenzten Lebensdauer andererseits ist die Frage der
zukünftigen Verfügbarkeit von immenser Bedeutung.
Fossile Energievorräte werden in Reserven und Ressourcen
unterteilt. Sowohl bei den Reserven, als auch den Ressourcen
handelt es sich um Schätzungen. Veröffentliche Daten bezüg-
lich Reserven und Ressourcen von verschiedenen Institutio-
nen/Organisationen sind deshalb nicht immer identisch und
werden aufgrund ständig verbesserter Schätzmethoden sowie
neuer Fördertechnologien häufig revidiert.
Energieressourcen sind die Mengen an Erdöl/Erdgas, die
geologisch nachgewiesen sind, deren Förderung aber derzeit
nicht wirtschaftlich ist oder auch technisch nicht möglich ist
und jene Mengen, die noch nicht nachgewiesen sind, aber aus
geologischer Sicht in dem betreffenden Gebiet erwartet wer-
den können.
Energiereserven beschreiben jene Mengen des Erdöls/Erd-
gases, welche bereits genau erfasst und bewertet wurden und
mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich
gewonnen werden können. Es handelt sich um Lagerstätten,
für die es meist bereits ein Projekt zur zukünftigen Förderung
der Vorräte gibt. Ob Energievorräte von Ressourcen in Reser-
ven übergehen, hängt einerseits vom technischen Fortschritt
und andererseits von den Energiepreisen ab. Ein Beispiel dafür
ist das Schiefergas, dessen Vorkommen schon lange bekannt
war, dessen Förderung jedoch erst durch den Einsatz neuer
Technologien möglich wurde und dessen Gewinnung als Folge
hoher Energiepreise profitabel wurde. Darüber hinaus kann in
bekannten Erdöl- und Erdgasfeldern durch verbesserte För-
dertechniken sowie durch verbesserte Kenntnisse des geologi-
schen Aufbaus ein Reservenzuwachs erzielt werden.
Abhängig davon, ob die Gewinnung mit den klassischen Ex-
plorations-, Förder- und Transporttechniken möglich ist, oder
ob dafür alternative, aufwendigere und kostspieligere Tech-
nologien angewandt werden, wird zwischen konventionellem
und nicht-konventionellem Erdöl/Erdgas unterschieden. Die
Abgrenzung von unkonventionellem zum konventionellen Erdöl
ist nicht immer eindeutig, bzw. ist der Übergang fließend, da
alternative, aufwendigere Technologien längerfristig gesehen
zur Norm werden.
Weltweite fossile Energieressourcen
18
Erdöl
Die weltweiten nachgewiesenen Erdölreserven beliefen sich
Ende 2012 auf annähernd 1700 Milliarden Barrel (einschließlich
extra-schwerem Erdöl in Venezuela und Ölsand in Kanada).
Zehn Länder, von denen fünf im Mittleren Osten liegen, machen
85% der weltweiten Erdölreserven aus. Vergleicht man den
gegenwärtigen Erdölbedarf mit den vorhandenen Reserven, so
ergibt sich ein starkes regionales Ungleichgewicht. Während
fast die Hälfte (48%) der Reserven im Mittleren Osten liegen,
werden 33% des Erdöls im Asiatischen Raum verbraucht,
gefolgt von Nordamerika mit einem Verbrauch von 26% und
Europa & den GUS Staaten mit 21%.
Laut Internationaler Energieagentur (IEA) inkludiert nicht-
konventionelles Erdöl folgende Kategorien: extra-schweres Öl
und Bitumen (auch Öl-Sand oder Teer-Sand genannt), Schiefer-
öl (Light Tight Oil/LTO) und Kerogen (Ölschiefer). Nach Schät-
zungen der IEA belaufen sich die weltweiten Ressourcen von
konventionellem und nicht-konventionellem Erdöl auf fast 6000
Milliarden Barrel. Inkludiert man synthetisches Erdöl, das aus
Gas und Kohle gewonnen werden kann, so würde die Zahl auf
fast 8000 Milliarden Barrel ansteigen.
Graph 1
10 Länder mit den größten ErdölreservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013
Milliarden Barrel Anteil in % Kumulativer Anteil in%Venezuela 1/ 298 17,8 17,8Saudi Arabien 266 15,9 33,8Kanada 2/ 174 10,4 44,2Iran 157 9,4 53,6Irak 150 9,0 62,6Kuwait 102 6,1 68,7UAE* 98 5,9 74,5Russland 87 5,2 79,7Lybien 48 2,9 82,6Nigeria 37 2,2 84,8Restliche Länder 253 15,2 100,0Welt 1669 100,0
1/ extra-schweres Erdöl ist inkludiert2/ Ölsand ist inkludiert* Vereinigte Arabische Emirate
Nordamerika Europa & GUS Staaten Afrika
Süd- und Mitteamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik
Weltweite Erdölreserven(Ende 2012)
Weltweiter Erdölverbrauch(2012)
9%8%
8%
48%
4%
33%
26%
7%
21%20%
13%
3%
19
Graph 2 zeigt auf, in welchem Kostenbereich sich die Erdöl-
förderkosten je nach Region, nach Erdölkategorie (konventio-
nell, nicht-konventionell) oder nach Fördertechnik bewegen.
Bei der Erdölförderung im Mittleren Osten und in Nordafrika
fallen die niedrigsten Förderkosten an, während die Kosten für
konventionelles Erdöl in der restlichen Welt bereits deutlich
höher liegen. Die Verwendung aufwendiger Technologien zur
Erreichung einer höheren Ausbeute der Lagerstätten (EOR-
enhanced oil recovery) oder die Erdölförderung in schwer
zugänglichen Regionen, wie in Ultra-Tiefwasser Lagerstätten
(z.B. in Brasilien) und die Erdölförderung in Arktischen Regi-
onen führen zu noch höheren Kosten. Sehr hohe Kosten fallen
auch bei der Förderung von Schieferöl, von extraschwerem
Erdöl und bei der Erdölgewinnung aus Ölsanden an. Auch die
Gewinnung von Erdöl aus Ölschiefer sowie die Verflüssigung
von Kohle (CTL) und Erdgas (GTL) zur Herstellung von synthe-
tischem Erdöl erfordern aufwendige Technologien und sind
daher sehr teuer.
Beim derzeitigen Stand (Januar 2015) des Erdölpreises von
ungefähr 50 Dollar pro Barrel könnte ein beachtlicher Teil der
in der Graphik angeführten Alternativen aus wirtschaftlicher
Sicht gefördert werden. Der Erdölpreis wird auch in Zukunft
Schwankungen unterworfen sein, man kann jedoch davon aus-
zugehen, dass das Preisniveau nicht mehr auf einen niedrigen
Stand, wie es der zu Beginn des Millenniums war, fallen wird,
da die Ressourcen mit niedrigen Produktionskosten immer
geringer werden.
120
100
80
60
40
20
(2012 US$/Barrel)
Bereits produziertes Erdöl Mittlerer Osten & Nordafrika Anderes konventionelles Erdöl CO2 EOR
nicht CO2 EOR Erdöl in Arktischen Regionen Extra-Schweröl & Bitumen LTO (Schieferöl)
Ultra Tiefwasser Kerogen (Ölschiefer) GTL (gas to liquids) CTL (coal to liquids)
1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000
Verbleibendes Potenzial der technisch förderbaren Erdöl-Ressourcen (Milliarden Barrel)
Graph 2
Erdöl: FörderkostenQuelle: IEA World Energy Outlook 2013
20
Erdgas
Die Schätzungen der weltweit ausgewiesenen Erdgasreserven
beliefen sich Ende 2012 auf 187 Billionen Kubikmeter. Ähnlich
wie bei Erdöl sind die Erdgasreserven regional sehr ungleich
verteilt. Iran gefolgt von Russland und Katar machen mit 48.9%
fast die Hälfte der weltweiten Erdgasreserven aus. Regional
betrachtet, liegen 43% der Erdgasreserven im Mittleren Osten,
an zweiter Stelle rangiert Europa und die GUS Staaten mit
31%, wobei Russland den größten Teil ausmacht. Europa und
die GUS Staaten sind mit 33% die Region mit dem höchsten
Gasverbrauch, gefolgt von Nordamerika mit 27% und Asien mit
19%.
Zum nicht-konventionellen Gas zählen laut IEA Schiefergas,
Tight Gas und Kohleflözgas (Coalbed Methan/CBM). Methan-
hydrate, welche weltweit in sehr großen Mengen vorkommen,
zählen auch zum unkonventionellen Gas. Sie werden jedoch
meist in den Schätzungen der nicht-konventionellen Gas Res-
sourcen nicht inkludiert, da ihre Förderung sowohl aus techno-
logischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht in absehbarer Zeit
nicht möglich sein wird. Laut IEA belaufen sich die weltweiten
Ressourcen von konventionellem und nicht-konventionellem
Gas auf ungefähr 800 Billionen Kubikmeter.
19%
8%
8%
6%4%
4%
5%
27%
33%
12%
43%
31%
Nordamerika Europa & GUS-Staaten Afrika
Süd- und Mittelamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik
Weltweite Erdgasreserven (Ende 2012)
Weltweiter Erdgasverbrauch (2012)
Graph 3
10 Länder mit den größten ErdgasreservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013
Billionen m3 Anteil in % Kumulativer Anteil in %Iran 33,6 18,0 18,0Russland 32,9 17,6 35,5Katar 25,1 13,4 48,9Turkmenistan 17,5 9,3 58,3USA 8,5 4,5 62,8Saudi Arabien 8,2 4,4 67,2UAE* 6,1 3,3 70,4Venezuela 5,6 3,0 73,4Nigeria 5,2 2,8 76,2Algerien 4,5 2,4 78,6Restliche Länder 40,1 21,4 100,0Welt 187,3 100,0
*Vereinigte Arabische Emirate
21
Kohle
Kohle ist der Energierohstoff mit der größten geologischen
Verfügbarkeit. Die USA verfügen mit einem Anteil von 27.6%
über die weltweit größten Kohlereserven. An zweiter Stelle
liegt Russland mit 18.2% gefolgt von China mit 13.3%, Austra-
lien mit 8.9 % und Indien mit 7%. Diese fünf Länder verfügen
zusammen über 75% der weltweiten Kohle Reserven. Kohle-
reserven sind nicht wie konventionelle Erdöl- und Erdgasre-
serven auf begrenzte Regionen konzentriert (Mittlerer Osten),
sondern es gibt sie auf allen Kontinenten. Regional gesehen ist
Asien mit 70% bei weitem der größte Kohlekonsument, wobei
China allein über 50% der weltweiten Kohle verbraucht.
Den höchsten Verbrauch bei den fossilen Energieträgern
verzeichnet derzeit Erdöl mit 38%, gefolgt von Kohle mit 34%
und Gas mit 28%. Vergleicht man die Reserven und Ressour-
cen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Kohle hat verglichen
mit Erdöl und Erdgas nicht nur die meisten Reserven sondern
übertrifft auch bei den Ressourcen Erdöl und Erdgas bei
weitem. Der Kohleanteil an den weltweiten fossilen Reserven
beträgt 58%, während Erdöl und Erdgas einen Anteil von 23%
bzw. 19% aufweisen. Bei den Ressourcen beträgt der Anteil
der Kohle sogar 91%, gefolgt von Gas mit 6% und Erdöl mit 3%.
Bemerkenswert ist, dass Erdöl einerseits den größten Anteil
am Verbrauch hat und andererseits den geringsten Anteil an
den Ressourcen. (Graph 5).
Nordamerika Europa & GUS-Staaten Afrika
Süd- und Mittelamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik
Weltweite Kohlereserven (Ende 2012)
Weltweiter Kohlerverbrauch (2012)
31%
29%
14%
1%
1%
0,3%0,1% 3%4%
70%12%
35%
Graph 4
10 Länder mit größten KohlereservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013
Milliarden Tonnen Anteil in % Kumulativer Anteil in %USA 237,3 27,6 27,6Russland 157,0 18,2 45,8China 114,5 13,3 59,1Australien 76,4 8,9 68,0Indien 60,6 7,0 75,0Deutschland 40,7 4,7 79,7Ukraine 33,9 3,9 83,7Kazachstan 33,6 3,9 87,6Südafrika 30,2 3,5 91,1Kolumbien 6,7 0,8 91,9Restliche Länder 70,1 8,1 100,0Welt 860,9 100,0
22
Die IEA schätzt die Lebensdauer der Reserven, gemessen an
der gegenwärtigen Produktion für Erdöl auf 54 Jahre, für Erd-
gas auf 61 Jahre und für Kohle auf 142 Jahre. Bei den Ressour-
cen beläuft sich die geschätzte Lebensdauer für Erdöl auf 178
Jahre, für Erdgas auf 233 Jahre und für Kohle auf über 3000
Jahre. Während die Schätzungen für die Reserven und damit
auch die mögliche zukünftige Nutzung als sehr wahrscheinlich
angesehen werden können, sind die Zahlen für die Ressourcen
mit großer Unsicherheit behaftet, da es nicht absehbar ist, wie
viel von den geschätzten Ressourcen in Zukunft als Reserven
ausgewiesen und auch tatsächlich gefördert werden können.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nach derzei-
tigem Kenntnisstand aus geologischer Sicht weltweit noch sehr
große fossile Energievorräte gibt, wobei Kohle bei weitem das
größte Potenzial aufweist. Welcher Teil der Ressourcen in Zu-
kunft auch tatsächlich genutzt werden kann, hängt unter ande-
rem vom technischen Fortschritt und vom Energiepreis-Niveau
ab. Die Umweltverträglichkeit und die öffentliche Akzeptanz
wird im Zusammenhang mit bestimmten Fördertechnologien
für die zukünftige Gewinnung fossiler Brennstoffe auch eine
wichtige Rolle spielen. Erdöl ist der fossile Energierohstoff,
dessen Vorräte am weitesten erschöpft sind. Die Zeit des billi-
gen Erdöls scheint vorbei zu sein, da die Vorräte mit niedrigen
Produktionskosten nur mehr in begrenztem Umfang vorhanden
sind und bei ständig steigendem Erdölverbrauch in absehbarer
Zeit erschöpft sein werden.
Anmerkung: Milliarden (109) entsprechen den im angelsächsischen Raum ver-
wendeten Billionen und Billionen (1012) entsprechen den im angelsächsischen
Raum verwendeten Trillionen.
Graph 5
Fossile Brennstoffe: Verbrauch, Reserven und Ressourcen im Vergleich (% Anteil)Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe, Hannover (BGR)
Erdöl Gas Kohle
Verbrauch, 2012 Reserven, Ende 2012 Ressourcen, Ende 2012
38%
34% 91%6%
3%58%
23%
19%28%
Graph 6
Fossile Energiereserven und -ressourcen (geschätzte Lebensdauer in Jahren)Quelle: IEA World Energy Outlook 2013
178
233
54
61
142
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500
3050
Erdöl
Erdgas
Kohle
(Jahre)
(Daten für Erdöl und Erdgas beziehen sich auf das Jahr 2012, Daten für Kohle auf das Jahr 2011)
Ressourcen Reserven
23
Wie tief fällt der Erdölpreis noch?
Im Zeitraum Juni 2014 bis Anfang Jänner 2015 ist der Ölpreis
um über 50% gesunken. Mit Spannung wurde auf die Ent-
scheidung der Öl-Minister der OPEC-Länder am 27. Novem-
ber gewartet, ob und in welchem Umfang die Fördermenge
gekürzt werden würde, um einen weiteren Preisverfall zu
verhindern. Doch die Fördermenge wurde zum Erstaunen
vieler Analysten nicht gekürzt.
Schon im Vorfeld der Verhandlungen ließen Saudi Arabien und
andere OPEC-Golfstaaten durchklingen, dass sie keiner För-
derkürzung zustimmen würden. Andere OPEC-Mitgliedsländer,
wie Venezuela, Iran und Irak setzten sich dagegen für eine
Kürzung der Fördermenge ein, da der niedrige Ölpreis weitrei-
chende negative Folgen für ihre ohnehin schwache Wirtschaft
hat. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Interessen der
einzelnen OPEC-Länder unterschiedlich sind und dass Saudi
Arabien, das Land mit der höchsten Produktion innerhalb der
OPEC das Sagen hat. Saudi Arabien und die anderen Golfländer
verfügen über genügend Devisenreserven, um einen niedri-
gen Ölpreis auch über einen längeren Zeitraum verkraften zu
können, während sinkende Einnahmen aus dem Erdölgeschäft
andere OPEC-Länder, wie den Iran, den Irak oder Venezuela in
große Schwierigkeiten bringen würden, da sie ihre Haushalte
nicht mehr finanzieren könnten.
Was sind die Gründe für den fallenden Ölpreis und warum will
die OPEC nichts unternehmen, um den Ölpreis wieder auf ein
höheres Niveau zu bringen?
Der starke Preisverfall ist die Folge eines Überangebots an
Erdöl auf den Weltmärkten. Vor allem die USA haben ihre
Erdölproduktion als Folge der ständig steigenden Schieferöl-
förderung in den vergangen Jahren stark erhöhen können. Im
Zeitraum Jänner 2005 bis September 2014 stieg die Produktion
Graph 1
Entwicklung des Erdölpreises (Brent) Juni 2014 - Jänner 2015 (US$/Barrel)Quelle: US Energy Information Adminstration (US$/Barrel)
120
110
100
90
80
70
60
50
40
120
110
100
90
80
70
60
50
40
giu
02, 2
014
giu
09, 2
014
giu
16, 2
014
giu
23, 2
014
giu
30, 2
014
lug
07, 2
014
lug
14, 2
014
lug
21, 2
014
lug
28, 2
014
ago
04, 2
014
ago
11, 2
014
ago
18, 2
014
ago
25, 2
014
set 0
1, 2
014
set 0
8, 2
014
set 1
5, 2
014
set 2
2, 2
014
set 2
9, 2
014
ott 0
6, 2
014
ott 1
3, 2
014
ott 2
0, 2
014
ott 2
7, 2
014
nov
03, 2
014
nov
10, 2
014
nov
17, 2
014
nov
24, 2
014
dic
01, 2
014
dic
08, 2
014
dic
15, 2
014
dic
22, 2
014
dic
29, 2
014
gen
05, 2
015
24
von 5,4 Millionen auf 8,9 Millionen Barrels pro Tag, was einen
Zuwachs von über 3,4 Millionen Barrels täglich ausmacht.
Zählt man den Anstieg der NGL1-Produktion dazu, so kommen
noch 1,3 Millionen Barrel pro Tag dazu. Als Folge der inlän-
dischen Produktionssteigerung nahmen die amerikanischen
Erdölimporte stark ab. Laut diversen Prognosen wird diese
Entwicklung auch in den kommenden Jahren anhalten. Auch
andere Nicht-OPEC Länder wie Kanada und Brasilien produzie-
ren mehr Erdöl.
Auf der Nachfrageseite hat das schwache Wirtschaftswachs-
tum vor allem in der Eurozone, aber auch niedrigere Wachs-
tumsraten in den Schwellenländern wie China, eine geringere
Nachfrage nach Erdöl zur Folge. Wie die letzten Prognosen
des Internationalen Währungsfonds, der OECD oder anderer
namhafter Institutionen zeigen, wird sich die Weltwirtschaft
nur langsam erholen und ein Anstieg des Erdölkonsums ist
deshalb kurzfristig nicht zu erwarten.
Anders als in der Vergangenheit, ist die OPEC oder besser
gesagt Saudi Arabien nicht mehr bereit die Öl-Produktion zu
kürzen und somit Marktanteil zu verlieren, sondern scheint
darauf zu setzen, dass ein wesentlicher Teil der kleinen Schie-
ferölproduzenten in den USA als Folge des niedrigen Ölpreises
die Produktion einstellen müssen und so das Angebot sinken
wird und in Folge der Ölpreis wieder steigen wird. Der Saudi-
Arabische Ölminister sagte in einem Interview, dass er davon
ausgehe, dass der Markt sich selbst wieder stabilisieren würde
und es deshalb nicht notwendig sei die Förderquoten der OPEC
zu kürzen. Was er damit genau gemeint hat, blieb er den Jour-
nalisten schuldig. Analysten interpretieren diese Aussage da-
mit, dass Saudi Arabien davon ausgeht, dass ein wesentlicher
Teil der Schieferölproduktion in den USA wegen des niedrigen
Ölpreises bald eingestellt werden muss.
1 NGL (englisch: natural gas liquids) sind liquide Erdgaskondensate, die sowohl
bei der Erdgasgewinnung als auch bei der Erdölgewinnung anfallen. NGLs
sind leichte, hochwertige Produkte, die den verschiedenen Erdölprodukten
beigemischt werden oder auch direkt verwendet werden, zum Beispiel in der
in der petrochemischen Industrie.
Graph 2
USA: Erdölproduktion 2005-2014 (Millionen Barrels proTag)Quelle: US Energy Information Adminstration
9
8
7
6
5
4
3
Gen
-05
Mag
-05
Set-
05
Gen
-06
Mag
-06
Set-
06
Gen
-07
Mag
-07
Set-
07
Gen
-08
Mag
-08
Set-
08
Gen
-09
Mag
-09
Set-
09
Gen
-10
Mag
-10
Set-
10
Gen
-11
Mag
-11
Set-
11
Gen
-12
Mag
-12
Set-
12
Gen
-13
Mag
-13
Set-
13
Gen
-14
Mag
-14
Set-
14
25
Die Entscheidung der OPEC den Erdölpreis nicht durch eine
Förderkürzung zu stoppen, wird von manchen Analysten auch
in einen geopolitischen Kontext gebracht. So sind einige Ana-
lysten der Meinung, dass durch die niedrigen Preise Russland
getroffen werden sollte, dessen Wirtschaft sehr stark von
Erdöl und Gas abhängig ist. Eine andere, immer wieder kol-
portierte Theorie, geht davon aus, dass man den Iran mit den
niedrigen Preisen schwächen will.
Wenn die Erdölpreise weiter sinken, was anzunehmen ist,
da im ersten Quartal 2015 die Nachfrage nach Erdöl saison-
bedingt weiter fallen wird, werden vor allem die kleineren
Schieferölproduzenten in den USA ihre Aktivitäten einstellen
müssen. In den USA sind sehr viele kleine Erdölgesellschaften
in der Schiefergasproduktion tätig, die bei einem anhaltenden
niedrigen Preis wegen mangelnder Rentabilität nicht mehr
produzierten könnten, während die Ölmultis über genügend
finanzielle Ressourcen verfügen, um auch bei niedrigen Prei-
sen die Produktion fortführen zu können. Wie weit die Ölpreise
tatsächlich fallen können, um die Schieferölförderung unren-
tabel zu machen, ist nicht einfach zu beantworten. Manche
Studien gehen davon aus, dass selbst bei einem Preis von unter
60 US$ pro Barrel die Schieferölproduktion noch rentabel sei.
Wie hoch die Förderkosten von Schieferöl sind, hängt auch von
der geologischen Beschaffenheit der jeweiligen Lagerstätte
ab. Manche Analysten gehen davon aus, dass bei sinkenden
Ölpreisen, die Erdölindustrie alles daran setzen wird, um die
Kosten der Schieferölförderung zu verringern, um so auch bei
niedrigeren Ölpreisen profitabel produzieren zu können.
Es gibt viele offene Fragen und erst die kommenden Wochen
und Monate werden zeigen, in welche Richtung der Erdölpreis
sich entwickeln wird. Es bleibt abzuwarten, ob bei einem weite-
ren Preisverfall die OPEC in den kommenden Monaten nicht
doch noch die Fördermengen kürzen wird und möglicherwei-
se auch einige Nicht-OPEC Länder wie Mexiko und Russland
eine Produktionskürzung vornehmen werden, um den Ölpreis
wieder auf ein höheres Niveau zu bringen. Manche Analysten
gehen davon aus, dass sich der Ölpreis mittelfristig bei etwa
80 US$ pro Barrel stabilisieren wird. Auf welchem Preisniveau
letztlich eine Stabilisierung des Ölpreises stattfinden wird, ist
derzeit schwer zu sagen.
27
Die Rolle der Erneuerbaren Energien im weltweiten Energiebedarf
Die Nutzung erneuerbarer Energien bietet im Vergleich zu
fossilen Brennstoffen viele potenzielle Vorteile. Vor allem im
Hinblick auf den Klima- und Umweltschutz sind erneuerbare
Energieträger von großer Bedeutung, da sie zur Reduzierung
von Treibhausgasemissionen und anderen Luftschadstof-
fen beitragen. Die zunehmende Verwendung erneuerbarer
Energien führt zudem zu einer größeren Diversifizierung der
Energieversorgung und verringert so die Abhängigkeit von
fossilen Brennstoffen (Erdöl, Erdgas und Kohle). Wie hoch ist
derzeit der weltweite Anteil der erneuerbaren Energien am
Gesamtenergieverbrauch und welche Entwicklung wird für
die Zukunft prognostiziert?
solar-eNERGIE
WIND
geotHermIE
WASSERKRAFTbioENERGIE
28
Zu den erneuerbaren Energiequellen zählen Wasserkraft, So-
larenergie1, Windenergie, geothermische Energie, Energie aus
Biomasse2 und Energie aus Ozeanwellen.
Im Jahre 2011 betrug der Anteil der gesamten erneuerbaren
Energien am weltweiten Primär-Energiebedarf3 13%, davon
entfielen 10% auf Bioenergie, 2% auf Wasserkraft und ledig-
lich 1% auf andere erneuerbare Energien. Der hohe Anteil an
Bioenergie ist eine Folge des hohen Verbrauchs an traditio-
neller Biomasse in den Entwicklungsländern. Laut Prognose
der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Anteil an
erneuerbarer Energie im Jahre 2035 auf 18% ansteigen. Das ist
zwar immer noch ein geringer Anteil am Gesamt-Energiebe-
darf, aber die Tendenz hin zu erneuerbarer, umweltschonender
Energie und weg von der fossilen Energie, ist evident (Graph 1).
Der Verbrauch erneuerbarer Energien ohne Wasserkraft und
Bioenergie, wird bis 2035 jährlich um durchschnittlich 7,4%
ansteigen, während für Erdöl und Kohle nur eine jährliche
Wachstumsrate von 0,5% bzw. 0,7 % prognostiziert wird.
In den industrialisierten Ländern (OECD) wird beinahe die
Hälfte der erneuerbaren Energie im Stromgewinnungssektor
genutzt, während weltweit 53% in privaten Haushalten, dem
gewerblichen und öffentlichen Sektor verbraucht werden. Der
Grund dafür ist eine weitverbreitete Nutzung von traditionel-
ler Biomasse in den Entwicklungsländern. Mit zunehmender
1 Photovoltaik, Solarzellen zur Warmwassergewinnung und thermische Solar-
kraftwerke (CSP-Concentrating Solar Power).
2 Unter Biomasse oder Bioenergie versteht man alle nicht-fossilen organi-
schen Stoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, die als Energieträger
genutzt werden. Biomasse inkludiert Brennstoffe aus Holz, Energie aus
Abfall, Biodiesel (z.B. aus Raps) und Bioethanol (z.B. aus Zuckerrohr). Unter
traditioneller Biomasse versteht man Holz, Holzabfälle und Holzkohle und
landwirtschaftliche Rückstände wie z.B. Stroh zum Kochen und Heizen,
welche heutzutage hauptsächlich in Entwicklungsländern genutzt wird.
3 Als Primärenergie bezeichnet man die Energie, die mit den ursprünglich vor-
kommenden Energieformen oder Energiequellen zur Verfügung steht, etwa
als Brennstoff (z.B. Erdöl oder Erdgas), aber auch Energieträger wie Sonne,
Wind oder Kernbrennstoffe. Primärenergie kann durch einen (mit Verlusten
behafteten) Umwandlungsprozess in Sekundärenergie umgewandelt werden
(z.B. Produkte aus Erdöl). Die wichtigste Form der Sekundärenergie ist die
elektrische Energie.
Graph 1
Weltweiter Primär-Energiebedarf nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)
29 28 27 26 25
31 30 29 28 27
21 22 23 23 24
5 6 6 6 6
2 3 3 3 3
10 10 10 10 11
1 2 3 3 4
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
2011 2020 2025 2030 2035
Kohle
Erdöl
Erdgas
Atomenergie
Wasserkraft
Bioenergie
andere erneuerbare Energien
29
wirtschaftlicher Entwicklung in den Nicht-OECD Ländern ist
ein ähnliches Verbrauchmuster wie in den OECD-Ländern zu
erwarten.
In den vergangenen Jahren haben Investitionen in erneuerbare
Energien einen starken Aufschwung erlebt und im Zeitraum
2005 bis 2012 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 28%
erzielt. Wie aus Graph 3 ersichtlich ist, gibt es eine starke Korre-
lation zwischen Investitionen in erneuerbare Energien und dem
Erdölpreis. Als Folge des hohen Erdölpreises wurde die Nutzung
erneuerbarer Energien rentabler und ihre Wettbewerbsfähigkeit
mit fossilen Brennstoffen nahm zu. Auch staatliche Fördermaß-
nahme haben zum Wachstum erneuerbarer Energien wesentlich
beigetragen. Zudem sind die Kosten der eingesetzten Technolo-
gien (z.B. die Herstellung von Photovoltaik-Modulen) stark ge-
sunken. Laut IEA beliefen sich die weltweiten Subventionen für
erneuerbare Energien im Jahre 2012 auf 101 Milliarden Dollar. Im
Vergleich dazu betrugen die Subventionen für fossile Energien
weltweit 544 Milliarden Dollar.
Graph 2
Erneuerbare Energie: Verbrauch nach Sektoren 2010 (%)Quelle: IEA Renewables Information 2012
Private Haushalte/gewerblicher & öffentlicher Sektor Kraft-Wärme Koppelungsanlagen & andere Heizanlagen Industrie Elektrizitätssektor Andere Verwendung Transport
Welt OECD
11%
26%53%
49%
8%
15%
10%
18%
2%
4%
4%0,2%
Graph 3
Weltweite Investitionen in Erneuerbare Energien Quellen: Investitionen in Erneuerbare Energien: - 2013 Renewables Global Status ReportErdölpreis - BP Statistical Review of the World Energy June 2013
0
50
100
150
200
250
300
0
20
40
60
80
100
120
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
(US$/Barrel)
Erdölpreis Investitionen in Erneuerbare Energien
(Milliarden US$)
30
Die stärksten Zuwachsraten konnten in den vergangen
Jahren Solar- und Windenergie verzeichnen. Im Zeitraum
2005 bis 2012 ist die weltweite Photovoltaik-Nutzung
jährlich durchschnittlich um 60% gestiegen während die
solarthermische Stromgewinnung im selben Zeitraum um 43%
gewachsen ist. An dritter Stelle steht die Stromgewinnung
aus Windenergie mit einem durchschnittlichen jährlichen
Anstieg von 25%. Auch die Nutzung von Solarkollektoren zur
Warmwassergewinnung und die Produktion von Biodiesel und
Ethanol konnten zweistellige Wachstumsraten verzeichnen
(Graph 4).
Im Stromgewinnungssektor spielen erneuerbare Energien
bereits jetzt eine bedeutende Rolle. Im Jahre 2012 betrug der
weltweite Anteil erneuerbarer Energien im Elektrizitätssektor
21%, wobei die Wasserkraft 16% ausmachte. Betrachtet man
die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft so liegt die
Windenergie mit 52% an erster Stelle, gefolgt von Biomasse
mit 31%, Solarenergie mit 10% und Geothermie mit 7%.
Wellenkraftwerke nutzen die Energie der Meereswellen
zur Gewinnung elektrischen Stromes. Diese Art der
Stromgewinnung steht erst am Beginn der Entwicklung und
weist lediglich einen Anteil von 0,6% auf (Graph 5).
3,3%
4%
11%
15%
17%
25%
43%
60%Photovoltaic
Solartermische Stromgewinnen
Strom aus Windenergie
Biodiesel ProduktionSolarkollektoren/
Warmwassergewinnung
Ethanol Produktion
Strom aus Geothermie
Wasserkraft
-10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
Graph 4
Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von Erneuerbarer Energie und Produktion von Biokraftstoffen, 2007-2012Quelle: REN21 Renewables 2013 Global Status Report
Graph 5
Weltweite Stromproduktion 2012Quelle: EDF – Observatoire des energies renouvables: Worldwide electricity Produktion from renewable energy sources 2013
Kohle, Erdgas, Erdöl Atomstrom Wasserkraft Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft
nach Energieträger aus erneuerbarer Energie aus erneuerbarer Energie(ohne Wasserkraft)
68%
11%
52%
31%11%
7%
7%10%
78%16%
5%2%
2%
Biomasse Sonnenenergie Wind Geothermie
31
Laut IEA nimmt die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer
Energien am Strommarkt weltweit ständig zu. Deshalb werden
auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte hohe Wachs-
tumsraten im Stromgewinnungssektor erwartet. Die stärks-
ten Zuwächse werden für Strom aus Solar- und Windenergie
prognostiziert (Graph 6).
Graph 6
Weltweite Stromgewinnung aus Erneuerbaren EnergienQuelle: IEA Renewable Energy Medium- Term Market Report 2013
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
2006 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
DurchschnittlicheWachstumsraten 2012-2018
WasserkraftBioenergieWindPhotovoltaik & CSPGeothermie & Energie aus Ozeanwellen 24.9%
5.2%
15.3%
7.0%
3.2%
TWh
Graph 7
Erneuerbare Energie: Weltweite Kapazitäten in der Stromerzeugung* 2012 (Gigawatt)Quelle: REN21 - Renewables 2013 Global Status Report
*ohne Wasserkraft
** BRICS: Brasilen, Russland, Indien, China und Südafrika
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
China
USA
Deutschland
Spanien
Italien
Indien 24
29
31
71
86
90
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Welt
EU
BRICS ** 128
480
210
32
Betrachtet man den Anteil der erneuerbaren Energien im
Elektrizitätssektor in den verschiedenen Wirtschaftsregionen
und Ländern, so ergibt sich folgendes Bild: weltweit betrug
die Kapazität an erneuerbarer Energie ohne Wasserkraft im
Jahre 2012 480 Gigawatt, wobei 210 Gigawatt oder 44% auf
die EU entfielen und 128 Gigawatt oder 27% auf die BRICS
Staaten. Vergleicht man die einzelnen Länder, so führt China
(19%), gefolgt von den USA (18%) und Deutschland (15%). Unter
den ersten 6 Ländern sind zwei Schwellenländer, ein Beweis
dafür, dass die Schwellenländer bei der Nutzung erneuerbarer
Energien einen wichtigen Platz einnehmen. China und andere
Schwellenländer setzten stark auf erneuerbare Energien und
stellen deshalb auch hohe Fördermaßnahmen zur Entwicklung
und Nutzung erneuerbarer Energien bereit.
Die Nutzung erneuerbarer Energien ist in verschiedenen
Ländern unterschiedlich verbreitet. Tabelle 1 zeigt die 5 Länder
mit der größten Kapazität für die einzelnen erneuerbaren
Energiequellen. Bemerkenswert ist, dass das wichtigste
Schwellenland China bei der Nutzung erneuerbarer Energien
einen Spitzenplatz einnimmt. So steht China bezüglich der
Gesamtkapazität erneuerbarer Energien sowohl einschließlich
als auch ausschließlich Wasserkraft an erster Stelle, während
beim Pro-Kopf-Verbrauch Deutschland führend ist. Bei Wind-
energie ist China die Nummer eins, während bei Photovoltaik
Deutschland Spitzenreiter ist. Neben den industrialisierten
Ländern sind vor allen die Schwellenländer China, Indien,
Brasilien und die Türkei bei der Nutzung erneuerbarer Ener-
gien führend. Auffallend ist, dass die Solarenergie nicht nur in
südlichen Ländern mit viel Sonneneinstrahlung stark genutzt
wird, sondern auch in Ländern mit weniger Sonne, wie z.B. in
Deutschland. China steht nicht nur bei der Nutzung erneuerba-
rer Energie an vorderster Linie, sondern chinesische Firmen
spielen auch bei der Herstellung von Photovoltaik-Modulen und
Solarzellen weltweit eine führende Rolle.
Tabelle 1
Erneuerbare Energien: Führende LänderKapazität (Ende 2012)Quelle: REN21- Renewables 2013 Global Status Report
Gesamte Erneuerbare Energie (inkl. Wasserkraft)
Gesamte Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft
Gesamte Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft pro Kopf
Bioenergie Geothermie (Elektrizität) Wasserkraft Thermische
Solarkraftwerke
1 China China Deutschland USA USA China Spanien
2 USA USA Schweden Brasilien Philippinen Brasilien USA
3 Brasilien Deutschland Spanien China Indonesien USA Algerien
4 Kanada Spanien Italien Deutschland Mexico Kanada Ägypten/Marokko
5 Deutschland Italien Kanada Schweden Italien Russland Australien
Photovoltaik Photovoltaik pro Kopf Windenergie Solarzellen
(Warmwaser)
Solarzellen-Warmwaser pro Kopf
Geothermie- Heizung
Geothermie Direkt-Heizung
1 Deutschland Deutschland China China Zypern USA China
2 Italien Italien USA Deutschland Israel China USA
3 USA Belgien Deutschland Turkei Osterreich Schweden Sweden
4 China Tschechien Spanien Brasilien Barbados Deutschland Türkei
5 Japan Griechenland Indien Indien Griechenland Japan Japan/Island
33
Manche Experten befürchten, dass durch die enormen Investi-
tionen in die Schiefergasindustrie und in andere nicht-konven-
tionelle fossile Energieformen weniger finanzielle Ressourcen
für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zur
Verfügung stehen und sich dadurch das Wachstum erneuer-
barer Energien verlangsamen könnte. Doch die zunehmende
Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den fossilen Energien
lässt hoffen, dass die erneuerbaren Energien weitere Markt-
anteile dazugewinnen werden. Laut einem 2013 veröffentlich-
ten Bericht der Internationalen Organisation für Erneuerbare
Energien (IRENA) ist schon jetzt ein Teil der erneuerbaren
Energien im Stromgewinnungssektor in bestimmten Regionen
mit fossilen Energien wettbewerbsfähig, wie zum Beispiel
Photovoltaik-Anlagen in Gegenden, welche nicht ans Stromnetz
angeschlossen sind und bis 2020 wird die Wettbewerbsfähig-
keit erneuerbarer Energieträger weiter ansteigen.
Obwohl erneuerbare Energien unbestritten umweltfreundli-
cher sind als fossile Brennstoffe, geben Umweltschützer zu
bedenken, dass z.B. durch die Errichtung von Staudämmen für
Wasserkraftwerke in bestimmten Gegenden das natürliche
Ökosystem zerstört wird. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich
auf die Produktion von Biokraftstoffen, wo es zur Verdrängung
großer Nutzflächen für Nahrungsmittel durch Energiepflanzen
kommt und als Folge die Preise für Getreide stark ansteigen.
Der Klimaschutz ist zu einem der Hauptargumente für den
Ausbau der erneuerbaren Energien geworden. Zudem wird
durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien ei-
nerseits die Energieversorgungssicherheit verbessert und
andererseits die Anhängigkeit von fossilen Energieträgern
verringert. Längerfristig gesehen ist der weitere Ausbau der
erneuerbaren Energien eine Notwendigkeit, da die Vorräte
fossiler Brennstoffe nicht unendlich zur Verfügung stehen. Wie
schnell der Anteil erneuerbarer Energien im Gesamtenergie-
mix wachsen wird, hängt zum einen von den politischen Rah-
menbedingungen ab, wobei es ausschlaggebend sein wird, ob
die Staaten die notwendigen Fördermaßnahmen anbieten. Die
klimapolitischen Zielsetzungen werden dabei eine maßgebliche
Rolle spielen. Andererseits werden wirtschaftliche Faktoren,
wie die Kostenentwicklung und der technologische Fortschritt
im Bereich der erneuerbaren Energien, das Preisniveau fossi-
ler Brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) und die CO2-Kosten die
Entwicklung der erneuerbaren Energien bestimmen.
34
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35
Erdgas ist mit einem Anteil von 21% am globalen Primärener-
gieverbrauch hinter Erdöl und Kohle der drittwichtigste Ener-
gieträger. Es gilt als umweltfreundlicher, "sauberer" fossiler
Brennstoff, da es verglichen mit Erdöl und Kohle die gerings-
ten Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2) aufweist und auch we-
niger andere Schadstoffe bei der Verbrennung freisetzt. Sieht
man sich die verschiedenen Prognosen an, so besteht Konsens
darüber, dass der Gasanteil am globalen Energiemix in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter stark ansteigen wird.
Während Erdöl und Kohle weltweit im Zeitraum von 2011 bis
2035 nur ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,5%
bzw. 0,7% verzeichnen, wird für Erdgas ein Wachstum von 1,6%
prognostiziert. Laut Schätzungen der Internationalen Energie-
behörde (IEA) wird der Anteil von Gas am Primär-Energiebe-
darf von 21% im Jahre 2011 auf 24% im Jahre 2035 ansteigen.
Die Hauptursachen für das starke Wachstum sind einerseits
die Klimafreundlichkeit von Erdgas und andererseits die
weltweite Verfügbarkeit und die großen Reserven/Ressour-
cen von Erdgas. Im Vergleich zu Erdöl und Kohle gilt Erdgas
als emissionsärmster Brennstoff. Bei der Verbrennung von
Erdgas wird erheblich weniger Kohlendioxid (CO2) freigesetzt
als bei gleichem Energiegewinn mit Erdöl und Kohle. CO2 trägt
wesentlich zur Klimaerwärmung bei und eine Reduzierung
des CO2-Ausstoßes ist deshalb dringend erforderlich. Auch
andere Verunreinigungen, wie Schwefeldioxid, Ruß und andere
Partikel-Emissionen sind bei der Erdgasverbrennung wesent-
lich geringer als bei Kohle und Erdöl. Kohle verursachte im
Jahre 2011 mit 44% die größten CO2-Emissionen, gefolgt von
Erdöl mit 35% und Erdgas mit 20%. Verglichen mit Gas, setzt
Kohle fast doppelt so viele CO2-Emissionen frei (Graph 2). Zur
Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten 2001-2035
Kohle 0,7
Erdöl 0,5
Gas 1,6
Atomenergie 2,1
Wasserkraft 2,2
Bioenergie 1,5
Andere Erneuerbare Energie 7,4
Gesamt Primärenergie- Verbrauch 1,2
info
Graph 1
Weltweiter Primär-Energiebedarf: Prozentuelle Anteile nach EnergieträgerQuelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)
Kohle Gas Wasserkraft Andere Erneuerbare Energie
Erdöl Atomenergie Bioenergie
2011 2035
6%
24%27%
25%
4%
11%3%5%
21%
29%
10%
32%
1%
Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung?
36
Erreichung der klimapolitischen Zielsetzungen ist deshalb der
zunehmende Verbrauch von Erdgas bei gleichzeitiger Verringe-
rung von Kohle und Erdöl von großer Bedeutung.
20% 1%
32% 29% 21% 18%
35% 44%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Primär-Energie
Verbrauch
CO2Emissionen
ErdölKohle
ErdgasRestliche Energieträger
Graph 2
Weltweiter Primär-Energieverbrauch und CO2 Emissionen:Anteile nach Energieträger 2011Quelle: IEA CO2 Emissions from Fuel Combustion (2013 Edition)
Erdgas besteht zum größten Teil aus Methan. Gelangt Methan
bei der Erdgasförderung direkt in die Erdatmosphäre, wirkt es
dort als Treibhausgas und trägt somit sehr stark zur Klimaer-
wärmung bei. Das kommt vor allem dann vor, wenn Erdgas bei
der Erdölförderung als Begleitgas in die Atmosphäre entweicht
oder wenn es lediglich abgefackelt wird. Die Abfackelung (eng-
lisch: flaring) wird dort eingesetzt, wo eine andere Nutzung für
das Gas finanziell uninteressant ist, z.B. in entlegenen Gebie-
ten, in denen es keine Infrastruktur für den Export gibt. Obwohl
die Erdgas-Förderländer versuchen das Begleitgas soweit als
möglich zu nutzen, wurden im Jahre 2011 immer noch circa
3,6% des weltweiten Gasverbrauchs abgefackelt. Russland und
Nigeria gehören zu den Ländern mit den größten Mengen an
ungenutztem Gas, das in die Atmosphäre gelangt oder abgefa-
ckelt wird.
Gas "Flaring"
Anders als beim Erdöl wird die Verfügbarkeit von Erdgas zur
Energiegewinnung auch langfristig bei steigendem Bedarf
nicht durch die Vorratslage limitiert sein. Die Erfolge bei der
Erschließung nicht-konventioneller Erdgasvorkommen, wie
zum Beispiel Schiefergas, vor allem in den USA, haben die
weltweite Angebotssituation wesentlich verbessert. Erdgas-
vorräte gibt es auf allen Kontinenten und in sehr vielen Län-
dern, wenn auch in ungleichmäßiger Verteilung.
Mit fast 20% der weltweiten Erdgasproduktion stehen die
USA an erster Stelle, gefolgt von Russland, Katar, dem Iran
und Kanada. Auch beim Verbrauch sind die USA mit 20,9% die
Nummer 1, vor Russland, dem Iran, China und Japan. Die fünf
37
wichtigsten Exportländer sind Russland, Qatar, Norwegen, Ka-
nada und Algerien. Bei den Importen rangiert Japan mit 12% an
erster Stelle, vor Deutschland, den USA, Italien und Südkorea
(Tabelle 1). Die USA werden sich dank der steigenden Schie-
fergasproduktion noch vor 2020 von einem Nettoimporteur zu
einem Nettoexporteur entwickeln.
Der Gasverbrauch wird weltweit in allen Regionen ansteigen,
vor allem für die Nicht-OECD Länder werden hohe Wachs-
tumsraten prognostiziert. Ein starkes Wirtschaftswachstum,
die damit einhergehende Industrialisierung, der wachsende
Strombedarf und die Erschließung heimischer Ressourcen sind
dafür ausschlaggebend. Asien wird mit einem durchschnittli-
chen jährlichen Wachstum von 3,4% im Zeitraum 2012 bis 2035
die größte Steigerung verzeichnen, verursacht vor allem durch
den steigenden Energieverbrauch in China und Indien. In Indien
wird sich der Gasverbrauch bis 2035 fast verdreifachen und in
China sogar vervierfachen. Auch in Afrika mit 3,2%, im Mittle-
ren Osten mit 3% und Süd- und Mittelamerika mit 2,8% wird
der Erdgasverbrauch stark zunehmen. Als Folge von Effizi-
enzsteigerungen und einem niedrigen Bevölkerungswachstum
werden für Nordamerika und Europa inklusive der GUS-Staa-
ten nur moderate Wachstumsraten von durchschnittlich 0,8%
und 0,9% vorausgesagt.
Tabelle 1
Erdgas: Produktion, Verbrauch, Exporte und Importe 2012Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013
Produktion Milliar-den m3
An-teil in %
Verbrauch Milliar-den m3
An-teil in %
Export Milliar-den m3
An-teil in %
Import Milliar-den m3
An-teil in %
USA 665,9 19,6 USA 709,6 20,9 Russland 189,3 18,5 Japan 121,6 12,0Russland 642,9 19,0 Russland 461,5 13,6 Qatar 127,8 12,5 Deutschland 87,7 8,6Qatar 169,3 5,0 Iran 156,3 4,6 Norwegen 110,6 10,8 USA 86,7 8,5Iran 159,6 4,7 China 141,9 4,2 Kanada 87,3 8,5 Italien 66,2 6,5Kanada 154,8 4,6 Japan 125,5 3,7 Algerien 51,9 5,1 Südkorea 51,1 5,0Norwegen 116,8 3,4 Kanada 99,6 2,9 Niederlande 51,6 5,1 UK 50,6 5,0China 107,0 3,2 Saudi Arabien 92,7 2,7 USA 44,3 4,3 Frankreich 46,7 4,6Saudi Arabien 92,7 2,7 Deutschland 80,9 2,4 Indonesien 38,7 3,8 Türkei 45,1 4,4Algerien 81,6 2,4 UK 79,1 2,3 Turkmenistan 36,1 3,5 China 38,3 3,8Indonesien 79,8 2,4 Italien 73,2 2,2 Malaysien 28,9 2,8 Spanien 36,3 3,6Gesamt 2270,5 66,9 Gesamt 2020,1 59,4 Gesamt 766,5 75,0 Gesamt 630,3 62,0Rest 1122,0 33,1 Rest 1379,4 40,6 Rest 255,5 25,0 Rest 386,6 38,0Welt 3392,5 100,0 Welt 3399,5 100,0 Welt 1022,0 100,0 Welt 1016,8 100,0
38
Betrachtet man die einzelnen Sektoren, so ergibt sich ein
differenziertes Bild. Das stärkste Wachstum verzeichnet der
Transportsektor mit 6,8% im Zeitraum von 2012 bis 2035, aller-
dings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Derzeit gibt
es weltweit geschätzte 17,7 Millionen mit Gas betriebene Fahr-
zeuge, das ist lediglich ein Anteil von 1,7% an der gesamten
weltweiten Fahrzeugflotte, die weit über eine Milliarde beträgt.
Laut IEA könnte dieser Anteil bis 2035 auf 4,8% ansteigen. Zwei
Drittel der mit Gas betriebenen Fahrzeuge entfallen auf Nicht-
OECD Länder und werden hauptsächlich in Asien und Latein-
amerika genutzt. Innerhalb der OECD gibt es nur in Italien und
Südkorea eine nennenswerte Anzahl von mit Gas betriebenen
Fahrzeugen.
Es ist derzeit schon möglich aus Gas, Produkte wie Benzin,
Diesel und andere Erdölprodukte herzustellen, allerdings ist
das Verfahren sehr aufwendig und kostspielig. Amerikanische
Forscher arbeiten derzeit an einem kostengünstigeren Her-
stellungsverfahren. Anfang März 2014 hat der Energiekonzern
Shell ein neues Motoröl auf den Markt gebracht, das aus Gas
gewonnen wird. Solche Erfindungen tragen dazu bei, dass Erd-
öl in mehr Bereichen durch Gas ersetzt werden kann, als jetzt
der Fall ist. Positive Effekte dieser Entwicklungen sind weniger
CO2-Emissionen und eine Verringerung der Abhängigkeit vom
Erdöl.
Im Industrie- und Elektrizitätsgewinnungssektor betragen die
durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten im Zeitraum
2012-2035 1,9% und 1,8%. In der chemischen Industrie dient
Gas als Rohstoff zur Herstellung von Plastik, Ammoniak und
Stickstoffdünger u.v.a. Auch in der Eisen- und Stahlindustrie
spielt die Nutzung von Gas eine wichtige Rolle. Das bei der
Stromerzeugung eingesetzte Erdgas produziert nur halb so
viele CO2-Emissionen wie die herkömmliche Stromerzeugung
mit Kohle und fast gar keine Schwefelemissionen. Mittel- bis
langfristig wird Gas den Einsatz von Kohle bei der Stromer-
zeugung OECD-weit verdrängen. Gaskraftwerke zeichnen
sich durch einen sehr hohen Wirkungsgrad aus und haben
ein großes Potenzial, als Regelkraftwerke in Kombination mit
den fluktuierenden erneuerbaren Energien (z.B. Windenergie)
Graph 3
Weltweiter Erdgasverbrauch 2012-2035Quelle: BP World Energy Outlook 2014
*toe = Tonnen Erdöläquivalent
Nordamerika Süd- & Mittelamerika Europa & GUS Staaten
Mittlerer Osten Afrika Asien und Pazifik
2012 2015 2020 2025 2030 2035
500045004000350030002500200015001000500
0
3,4%
3,2%
3,0%
0,9%
2,8%
0,8%
(Mill. toe*)Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten: 2012-2035
39
eingesetzt zu werden. Vor allem die Gas-und-Dampf-Kombi-
kraftwerke (GuD Kraftwerke), in welchen die Prinzipien eines
Gasturbinenkraftwerkes und eines Dampfkraftwerkes kombi-
niert werden, erreichen einen sehr hohen Wirkungsgrad.
Graph 4
Weltweiter Gasverbrauch nach Sektoren 2012-2035Quelle: BP World Energy Outlook 2014 *toe = Tonnen Erdöläquivalent
Transport Elektrizitätsgewinnung Industrie Andere Sektoren
2012 2015 2020 2025 2030 2035
5000
4500
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
1,5%
1,9%
1,8%
6,8%
(Mill. toe) Durchschnittliche jährliche Wachstums-rate: 2012-2035
Anders als bei Erdöl gibt es für Erdgas keinen Weltmarkt,
sondern es bestehen nur regionale Gasmärkte, die weitgehend
unabhängig voneinander funktionieren. Die drei wichtigsten
Märkte sind Nordamerika, Europa und Asien. Als Folge der
steigenden Schiefergas-Produktion kam es in den USA in den
vergangenen Jahren zu einem starken Preisverfall auf dem
Gasmarkt. Im Jahr 2013 waren die Gaspreise in Europa fast
dreimal so hoch wie in den USA und in Japan betrugen sie
sogar das Vierfache. Der amerikanische Markt ist weitgehend
liberalisiert und die Preise richten sich nach dem Spotmarkt.
In Europa und Asien ist ein erheblicher Teil der Gaspreise in
langfristigen Lieferverträgen festgelegt, wobei die Preise
teilweise an den Erdölpreis gekoppelt sind. Der zunehmende
Handel mit LNG (Liquified natural gas - verflüssigtes Erdgas)
trägt zu einer größeren Diversifizierung bei und es wird mittel-
bis langfristig zu einer Globalisierung des Gasmarktes kom-
men. Dadurch werden die Preisunterschiede in den einzelnen
Märkten zunehmend geringer werden.
40
Erdgas wird entweder über Pipelines transportiert oder als
LNG (verflüssigtes Erdgas) mit speziellen LNG-Tankschiffen
befördert. Beim Transport in Pipelines verbleibt das Gas in sei-
nem gasförmigen Zustand, wird jedoch stark komprimiert um
durch das verminderte Gasvolumen eine höhere Transportef-
fizienz zu erreichen. Beim Transport in Form von LNG wird das
Erdgas in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164°C abgekühlt
und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das
ursprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel
reduziert werden kann. Das LNG wird dann in LNG-Tankern
transportiert. Im Importland wird das Gas in speziellen LNG-
Terminals wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückver-
setzt, bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird. Der
größte LNG-Exporteur ist derzeit Katar, gefolgt von Australien
und Malaysia. Der globale Erdgashandel mit LNG- und Pipe-
line-Transportsystemen ist in Abbildung 1 dargestellt.
LNG Tankschiff
Abbildung 1
Wichtigste Erdgas-Transportrouten 2012 (Weltweite Handelsströme - Milliarden m3)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013
USA
Kanada
Mexiko
Süd- & Mittelamerika
Europa & GUS Staaten
Mittel Osten
Afrika
Asia und Pazifik Pipeline
LNG
41
Durch den Bau neuer Pipelines und durch den zunehmenden
Handel mit LNG werden die Gasimporte und Gasexporte in
allen Regionen der Welt in den kommenden Jahren und Jahr-
zehnten stark wachsen. Vor allem im Asiatischen Raum wird es
starke Zuwächse geben. So werden sich in China die Gasim-
porte bis 2035 verdreifachen. Gas-Exporte/-Importe werden
laut neuesten Prognosen weltweit um jährlich durchschnittlich
3,7% bis 2030 wachsen, der LNG-Handel wird um 4,3% anstei-
gen, während Gas, das in Pipelines transportiert wird, um 3%
zunehmen wird. Im Jahre 2001 betrug der Anteil von LNG an
den Gesamt-Erdgasexporten nur 26%, im Jahre 2012 stieg er
auf 32% an und im Jahre 2035 wird er voraussichtlich bereits
46% ausmachen.
Graph 5
Weltweite Gasexporte Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013 & BP Energy Outlook 2013(Milliarden m3)
Pipeline LNG
2001 2005 2012 2035
2500
2000
1500
1000
500
0
14326%
32%
46%
26%74% 74% 68%
54%
411 533
328
966
706
1134189
Erdgas wird in der globalen Energieversorgung in den kom-
menden Jahrzehnten an Wichtigkeit zunehmen. Dank der
weitverbreiteten Verfügbarkeit und der großen Erdgasvorräte
sowie der konkurrenzfähigen Kostenstruktur wird der Erdgas-
verbrauch wesentlich stärker wachsen als der Verbrauch von
Erdöl und Kohle. Der steigende Trend bei den LNG-Exporten
wird die Flexibilität des Gasmarktes weiter verbessern und
somit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Erdöl und Kohle
erhöhen. Durch den wachsenden LNG-Markt kann zudem die
Versorgungssicherheit besser gewährleistet werden, da die
Abhängigkeit von einigen wenigen Erdgaslieferanten, wie das
jetzt vor allem in Europa der Fall ist (Importe aus Russland),
abnehmen wird. Verglichen mit Erdöl und Kohle hat Erdgas
die geringsten CO2-Emissionen und auch andere Schadstoffe,
wie Schwefeldioxid und Ruß sind bei der Erdgasverbrennung
wesentlich geringer als bei Kohle und Erdöl. Deshalb spielt
Erdgas bei der Erreichung der klimapolitischen Ziele eine zen-
trale Rolle. Erdgas wird vielfach als „Brückenenergie“ hin zu
einer Energiewende mit erneuerbaren Energien und weg von
den fossilen Energieträgern gesehen.
42
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C
M
Y
CM
MY
CY
CMY
K
KLI16-A4-de.pdf 1 25/02/2015 17:01:31
43
Die Förderung von Schiefergas hat in den USA zu einer weit-
reichenden Veränderung in der Energieindustrie geführt und
hat auch Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt.
Die Prämisse von immer knapper werdenden fossilen Ener-
gieträgern scheint durch diese neue Entwicklung erschüttert
zu sein. Was waren die Voraussetzungen und Gründe dieser
Entwicklung und wird Schiefergas in Zukunft auch außerhalb
der USA die Energielandschaft verändern?
Schiefergas zählt zum unkonventionellen Erdgas und unter-
scheidet sich in seiner Bildung und Zusammensetzung nicht
vom konventionellen Erdgas. Die Art der Lagerstätten und die
dadurch erforderliche Technologie zur Förderung des Erdga-
ses weichen jedoch erheblich vom herkömmlichen Erdgas ab.
Schiefergas ist in undurchlässigen oder nur schwer durch-
lässigen Tonsteinen (Schiefer) gespeichert. Die Gewinnung ist
technisch viel schwieriger und aufwendiger und verursacht
dadurch höhere Kosten als die Förderung von konventionel-
lem Erdgas. In Anbetracht der schwindenden konventionellen
Erdgasreserven versuchten amerikanische Firmen seit einigen
Jahrzehnten neue Fördertechnologien zu entwickeln. Durch
die Kombination von „horizontal drilling“ (horizontale Bohr-
technik) und „hydraulic fracturing“ oder „hydraulic fracking“
(hydraulische Rissbildung) gelang ein technologischer Durch-
bruch, der es möglich machte Schiefergas zu fördern. Vorkom-
men von Schiefergas sind oft mit konventionellen Lagerstätten
verbunden.
Erst die hohen Erdöl- und Gaspreise seit Anfang des vergan-
genen Jahrzehnts machten die Schiefergasförderung auch
wirtschaftlich profitabel. Eine andere wichtige Voraussetzung
für den rasanten Anstieg der Schiefergasproduktion in den
USA war die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen
im Jahre 2005 durch den US Kongress, wodurch es den Öl- und
Gasfirmen erlaubt wurde, die aus umweltpolitischer Sicht um-
strittene Technologie des „hydraulic fracking“ anzuwenden.
Die Schiefergas Revolution
Bohren in 4 Schritten
1. Eine senkrechte Bohrung bis zur gasführenden Gesteinsschicht.
2. Eine waagerechte Bohrung durch die gashaltige Schicht.
3. Unter hohem Druck wird ein Gemisch aus 'Wasser (90 %), Sand (9.5 %) und anderen Chemikalien (Säuren. Chloride, Salze etc. 0,5 %) in das Erdreich gepresst. Dadurch entstehen Risse innerhalb der gasführenden Gesteinsschicht.
4. Sobald der Druck nachlässt steigt das 'Wasser wieder zur Oberfläche auf und Gas entweicht.
Quellen: Europäische Kommission 2012,World Energy Council 2010
info
4
1
3
2
44
Während im Jahre 2000 Schiefergas nur knappe 2% der ge-
samten Gasproduktion in den USA ausmachte, waren es im
Jahre 2012 bereits 38%. Durch die steigende Produktion des
Schiefergases ist die USA im Jahre 2009 zum größten Gaspro-
duzenten der Welt aufgestiegen und hat Russland auf Platz
zwei verwiesen. Dank der Schiefergasförderung werden die
USA in den nächsten Jahren ihren gesamten Erdgasbedarf aus
heimischen Quellen abdecken und zusätzlich Gas exportieren
können. Laut neuesten Prognosen des US-Energieministeri-
ums (EIA/DOE) wird die Schiefergasproduktion in den kom-
menden Jahrzehnten weiter ansteigen und im Jahre 2040 einen
Anteil von über 50% an der Gesamt-Gasproduktion erreichen,
während die Produktion von konventionellem Gas nur gering-
fügig zunehmen wird (Graph 2).
Als Folge der steigenden Gasproduktion sind die Gaspreise
in den USA von mehr als 10 $/mmbtu1 im Jahr 2008 auf unter
3 US$/mmbtu im Jahr 2012 gesunken und betrugen 3,7 US$/
mmbtu im Jahre 2013. Bemerkenswert ist auch, dass es in den
USA seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu einer Entkoppe-
lung der Gaspreise vom Erdölpreis gekommen ist.
1 Im angelsächsischen Raum werden Gaspreise meist in BTU‘s (british thermal
units) angegeben, mmbtu steht für Millionen btu
Graph 1
USA: Gasproduktion und GaspreisQuelle: EIA / US Department of Energy
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
30
25
20
15
10
5
0
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
(Bill. Kubikfuß)
Schiefergas Konventionelles Gas Gaspreis
(US$/ mmbtu)
45
Der Gasmarkt ist in den USA liberalisiert und der Preis richtet
sich weitgehend nach dem Marktgegebenheiten. In Europa und
Japan sind die Gaspreise viel höher, weil sie zu einem erhebli-
chen Teil an die Erdölpreise gekoppelt sind und meist in lang-
fristigen Verträgen festgelegt sind. Gas kostete im Jahr 2013 in
Europa mehr als dreimal so viel und in Japan sogar mehr als
viermal so viel als in den USA (Graph 3). Neueste Prognosen
gehen davon aus, dass es als Folge vermehrter Gasproduktion
in den USA und den daraus resultierenden LNG-Exporten nach
Europa und Asien in den kommenden Jahren auch in Europa
und Japan zu spürbaren Gaspreis-Senkungen kommen wird,
während die Preise in den USA leicht ansteigen werden. Die
Preisunterschiede in den drei Wirtschaftsregionen werden so
längerfristig geringer werden.
Durch das gestiegene Angebot an Erdgas in den USA wird vor
allem bei der Stromgewinnung vermehrt Kohle durch Erdgas
ersetzt, was zu einer Verringerung von Kohlendioxid und ande-
rer Luftschadstoffe führt und somit eine positive Auswirkung
auf die Erreichung der Klimaziele hat.
Diverse Studien belegen, dass die Schiefergasindustrie
weitreichende positive Auswirkungen auf die Wirtschaft der
USA hat und dazu beitrug viele neue Arbeitsplätze zu schaf-
fen. Einerseits erlebten der Energiesektor und die damit
verbundenen Industriezweige zur Errichtung der notwendi-
gen Infrastruktur, wie z. B. die Stahlindustrie einen starken
Aufschwung. Andererseits profitierten vor allem die energiein-
tensiven Industriesektoren, wie die Chemie-, Stahl-, Alumi-
nium- und Kunststoffindustrie durch die niedrigen Gaspreise
und haben somit an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen
Ländern gewonnen. Da Erdgas ein wichtiger Rohstoff für die
Chemie- und Kunststoffindustrie ist (z.B. Herstellung von Plas-
tik, Textilien, Düngemittel etc.) erlebt dieser Industriesektor
durch das steigende Angebot an Gas und durch die niedrigen
Preise einen erheblichen Aufschwung. Die niedrigen Kosten für
Gas kommen auch den privaten Haushalten und dem gewerbli-
chen Bereich zugute.
Graph 2
USA: Erdgasproduktion 2011-2040Quelle: EIA/DOE Energy Outlook 2014
14,664,8%
7,935,2%
15,854,2%
13,345,8%
17,550,9%
16,949,1%
17,747,2%
19,852,8%
40
35
3
25
20
15
10
5
02011 2020 2030 2040
Konventionelles Gas Schiefergas
(Bill. Kubikfuß)
46
Nach neuesten Schätzungen des US-Energieministeriums
(Energy Information Administration-EIA) belaufen sich die
Schiefergasressourcen weltweit auf 7795 Billionen Kubik-
fuß (220 Billionen m3). Dabei handelt es sich um die mit den
derzeit zur Verfügung stehenden technischen Mitteln förder-
baren Vorkommen, unabhängig davon, ob die Förderung auch
wirtschaftlich sinnvoll ist. In diesen Schätzungen sind nicht
alle Schiefergasvorkommen erfasst, wie z.B. jene im Nahen
Osten, in weiten Teilen Afrikas und in der Kaspischen Region.
Schiefergaslagerstätten sind auf alle Kontinente und auf viele
Länder verteilt. Allerdings teilen sich sechs Länder weit mehr
als die Hälfte der Schiefergasvorkommen: USA, China, Argenti-
nien, Algerien, Kanada und Mexiko (Tabelle 1).
In welchem Ausmaß die Vorkommen in Ländern außerhalb
der USA wirtschaftlich sinnvoll genützt werden können, bleibt
abzuwarten. Das hängt zum einen von den geologischen Gege-
benheiten der jeweiligen Schiefergasvorkommen, der bereits
vorhandenen Infrastruktur und dem technischen Know-how
der Förderfirmen ab, andererseits spielen die Akzeptanz der
Bevölkerung bezüglich der Schiefergasförderung und die po-
litischen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. In den USA
befinden sich viele Schiefergasvorkommen in kaum besiedel-
ten Gebieten, während zum Beispiel in Europa Schiefergasre-
serven in dichtbesiedelten Regionen liegen.
Graph 3
Gaspreise und Ölpreis im VergleichQuellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, Worldbank-Commodity Prices
* Henry Hub( Louisiana) ist das wichtigste Verteilerzentrum für Gas-Pipelines in den USA
20
18
16
14
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10
8
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4
2
0 2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
Japan NLG cif
Deutschland: durchschnittliche Gas- Importpreise cif
USA Gas Preis - Henry Hub*
Erdölpreis: OECD Länder cif
(US$ / mill btu)
Tabelle 1
Weltweite Schiefergas Ressourcen 2013Quelle: US Energy Information Administration (EIA-DOE), Juni 2013
(Billionen m3) Anteil in % Kumulativer Anteil in %USA 32,9 14,9 14,9China 31,6 14,3 29,2Argentinien 22,7 10,3 39,5Algerien 20,0 9,1 48,6Kanada 16,2 7,4 55,9Mexico 15,4 7,0 62,9Australien 12,4 5,6 68,5Südafrika 11,0 5,0 73,5Russland 8,1 3,7 77,2Brasilien 6,9 3,1 80,3Andere Länder 43,5 19,7 100,0Gesamte Welt 220,7 100,0
47
Derzeit wird in den USA und in Kanada Schiefergas in wirt-
schaftlich relevanten Mengen gefördert. China und Austra-
lien produzieren bereits kleinere Mengen an Schiefergas. In
Argentinien befindet sich die Produktion noch in der Testphase,
und auch in einigen anderen Ländern werden Testbohrungen
durchgeführt (z.B. in Polen, Großbritannien und Indonesien).
China hat sich bezüglich der zukünftigen Schiefergasprodukti-
on ehrgeizige Ziele gesetzt, da einerseits die Energienachfrage
ständig wächst und andererseits durch vermehrten Einsatz
von „sauberem“ Gas, vor allem im Elektrizitätssektor, Kohle
ersetzt wird, um so der zunehmenden Umweltverschmutzung
entgegenzuwirken.
Auch viele europäische Länder verfügen über erhebliche
Schiefergasvorkommen, wobei nach jetzigem Wissensstand
Polen und Frankreich die größten Vorkommen haben. Wegen
der möglichen Umweltschäden, die bei der Schiefergasgewin-
nung entstehen können, ist man in Europa noch skeptisch und
in vielen Ländern ist der Einsatz des „Fracking“ bis auf wei-
teres verboten. Ende Jänner 2014 hat die EU Kommission den
Entwurf eines europäischen Energie- und Klimaschutzpakets
bis zum Jahr 2030 vorgestellt. Darin wird grundsätzlich die
Förderung von Schiefergas empfohlen, wenn bestimmte Aufla-
gen erfüllt werden. Die Kommission gibt "Mindestgrundsätze
vor, die die Mitgliedsstaaten befolgen sollten, um Umwelt- und
gesundheitliche Bedenken auszuräumen und Betreibern und
Investoren die Vorhersehbarkeit zu gewährleisten, die sie
benötigen". Von Umweltschutzorganisationen gab es harsche
Kritik zu dieser EU Empfehlung, da man anstatt mehr Geld in
erneuerbare Energien zu investieren vor der Schiefergaslobby
kapitulieren würde.
Weltweite Schiefergas-RessourcenQuellen: US Energyi Information Administration (EIA) - Advanced Resources International Inc. (ARI)
Bewertete Schiefergas-vorkommen inklusive Ressourcenschätzung
Bewertete Schiefer-gasvorkommen ohne Ressourcenschätzung
48
Risiken und Chancen der Schiefergasgewinnung
Welche Gefahren bringt die Förderung von Schiefergas für die
Umwelt? Umstritten ist vor allem die Methode, mit der Schie-
fergas gefördert wird. Beim „Fracking“ wird ein Gemisch aus
Wasser, Sand und giftigen Chemikalien unter hohem Druck tief
ins Erdreich gepresst. Kritiker sehen darin eine Gefahr für das
Grundwasser. Außerdem kommen beim „Fracking“ enorme
Wassermengen zum Einsatz, welche dann für andere Zwecke
nicht mehr zur Verfügung stehen. In vielen Regionen der Welt
gibt es bereits jetzt Wasserknappheit. Ein weiteres Risiko
besteht darin, dass durch den ungeheuren Pressdruck beim
Fracking Erdbeben entstehen können.
Befürworter der Schiefergasförderung führen an, dass durch
das enorme Potential in vielen Ländern auf viele Jahrzehnte
hinaus Erdgas zur Verfügung stünde. Erdgas gilt als sauberere
Alternative zu Kohle und Öl, da bei der Verbrennung weniger
Kohlendioxid und andere Luftschadstoffe freigesetzt werden.
Damit könnte die Zeit, bis der Energiebedarf vollständig aus
erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, „klimafreund-
licher“ überbrückt werden. Für viele Länder, welche Gas
importieren, würde die Abhängigkeit von einigen wenigen
Erdgas-Exportländern reduziert und somit die Sicherheit der
Energieversorgung erhöht werden (Beispiel Russland). Mehr
Angebot an Erdgas würde auch außerhalb der USA zu einer
signifikanten Senkung der Gaspreise beitragen und so auf
diverse Wirtschaftssektoren, in welchen Gas entweder als
Energiequelle oder als Rohstoff genutzt wird, eine positive
Auswirkung haben.
Ob und wie schnell die Schiefergasförderung in Zukunft
weltweit Verbreitung finden wird, hängt von verschiedenen
Faktoren ab. Der technologische Fortschritt spielt dabei eine
wichtige Rolle. Wenn es gelingt die Fördertechnologien zu
verbessern, sodass die möglichen Umweltschäden minimiert
werden, so könnte das ein wichtiger Schritt zu mehr Akzep-
tanz auch in jenen Ländern führen, die sich bislang gegen das
„Fracking“ ausgesprochen haben. Bereits bestehende Infra-
strukturen, wie Pipelines, technisches Knowhow und Besiede-
lungsdichte spielen auch eine bedeutsame Rolle. Nicht zuletzt
werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen
eine wichtige Voraussetzung dafür sein, ob die Schiefergaspro-
duktion in Zukunft auch außerhalb der USA eine wichtige Rolle
im Energieangebot spielen wird. Die Ukraine-Krise und die
daraus resultierenden geopolitischen Veränderungen könnten
dazu beitragen, dass man auch in Europa die Schiefergas-
produktion vorantreibt, um die Gas-Importabhängigkeit von
Russland zu verringern.
49
Erdöl hält mit 31% im Jahre 2011 den größten Anteil am
weltweiten Energiemix und spielt aufgrund seiner vielseiti-
gen Verwendbarkeit eine dominante Rolle in der modernen
Wirtschaft. Wird das in Zukunft auch so bleiben oder zeichnet
sich bereits eine neue Entwicklung ab?
Der rasante Aufstieg des Erdöls begann nach dem 2. Weltkrieg.
Bis in die Nachkriegszeit war Kohle der alles beherrschende
Energieträger. Die Erfindung des Verbrennungsmotors und
die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Mittleren Osten
schafften die Voraussetzung für die weltweite Nutzung des
Erdöls. Die geopolitische Bedeutung des Erdöls spielte schon
im 1. und im 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle und führte auch in
jüngerer Zeit immer wieder zu kriegerischen Auseinanderset-
zungen (z.B. Invasion in Kuwait 1990, Invasion im Irak 2003).
Der Erdölverbrauch wuchs von 10 Millionen Barrel am Tag im
Jahr 1950 auf über 30 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 1965.
Gründe für den rasanten Anstieg waren ein Überangebot und
vor allem der niedrige Preis des Erdöls. Seit Ende des zweiten
Weltkrieges war der Erdölpreis nominell unverändert geblie-
ben und inflationsbereinigt sogar gesunken. Von 1965 bis 2013
hat sich der weltweite Erdölverbrauch mehr als verdreifacht
und ist von 30 Millionen pro Tag auf über 91 Millionen Bar-
rels pro Tag gestiegen. Einen nennenswerten rückläufigen
Erdölverbrauch gab es nach 1974 und 1979 verursacht durch
Angebotskürzungen einerseits und starke Preiserhöhungen
andererseits und darauffolgender Rezession, sowie im Jahre
2008 und 2009 als Folge der Finanzkrise und der großen Re-
zession.
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
-
2013
2011
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
OECD Nicht-OECD
1. Ölpreis Schock
2. Ölpreis Schock
2008-09 Finanzkrise Rezession
(Mill. Barrels/Tag)
Graph 1
Weltweiter Erdölverbrauch 1965-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014
Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft
50
Bevölkerungs- und Einkommenswachstum sind die beiden
stärksten Faktoren, welche die Energienachfrage beein-
flussen, weshalb es zu divergierenden Entwicklungen in den
OECD- und Nicht-OECD-Ländern kommt. Der Erdölverbrauch
in den OECD-Ländern ist seit 2008 rückläufig. Der Anteil der
OECD am Gesamt-Erdölverbrauch ist von 75% im Jahre 1965
auf 49,9% im Jahre 2013 gesunken, während der Anteil der
Nicht-OECD-Länder im gleichen Zeitraum von 25% auf 50,1%
gestiegen ist. Im Jahre 2013 lag der Erdölverbrauch der Nicht-
OECD mit mehr als 50% am weltweiten Erdölverbrauch zum
ersten Mal über dem der OECD. Laut Daten der US Energy
Information Administration (EIA) hat China im September 2013
zum ersten Mal mehr Erdöl importiert als die USA.
Wegen der wichtigen Rolle, welche das Erdöl für die Wirtschaft
spielt, ist die Entwicklung des Erdölpreises von größter Bedeu-
tung. Ein erheblicher Teil des Erdöls wird in politisch instabilen
Regionen gefördert, weshalb der Erdölpreis neben marktbe-
stimmenden Faktoren auch stark von geopolitischen Ereignis-
sen beeinflusst wird. Bis 1973 war der Erdölpreis sehr niedrig
und wurde von den großen multinationalen Erdölgesellschaf-
ten bestimmt. Im Jahre 1973 kam es zu einem signifikanten An-
gebotsrückgang verursacht durch das Arabische Öl-Embargo.
Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), welche
1960 in Bagdad gegründet wurde, beschloss Ende 1973 den
Erdölpreis um das nahezu Vierfache zu erhöhen. Von diesem
Zeitpunkt an spielte die OPEC eine mehr oder weniger wichtige
Rolle für die Entwicklung des Erdölpreises.
Zu einer weiteren starken Preiserhöhung kam es 1979-1980
ausgelöst durch die Iranische Revolution und den darauf fol-
genden Iran-Irak-Krieg. Der hohe Preis hielt aber nicht lange
an. Als Folge der hohen Preise nach 1973 wurde die Erdöl-
förderung in verschiedenen Regionen, wie z. B. in der Nord-
Graph 2
Erdölpreis Entwicklung 1960-2013Quellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, US Energy Information Administration (EIA)
120
100
80
60
40
20
0
1960
1962
1964
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Arabisches Erdöl Embargo
Iranische RevolutionIran-Irak
Krieg
Finanzkrise- Rezession
Golfkrieg
Starke Nachfrage in ChinaIrak Krieg
Schwacher DollarNiedrige KapazitätsreservenOPEC Produktionskürzungen
Asien-Finanzkrise
11. Sept. 2001
(US$/Barrel)
51
see, wirtschaftlich profitabel. Es kam zu einem Überangebot
an Erdöl und in Folge zu einem Preisverfall. Im Jahre 1986
erreichte der Erdölpreis einen Tiefststand. Die OPEC-Länder
mussten empfindliche Rückgänge ihrer Produktion hinnehmen.
Um den sinkenden Erdölpreisen entgegenzuwirken, setzte die
OPEC Förderquoten für die Mitgliedsländer fest, die entspre-
chend den Marktgegebenheiten verringert oder erhöht werden,
um den Preis zu stabilisieren und ein bestimmtes Preisniveau
zu halten. Die Quotenregelung, die bis heute in Kraft ist, war
nicht immer erfolgreich, da sich nicht alle Länder an die ihnen
zugeteilten Quoten hielten.
Zu stärkeren Preiserhöhungen mit beschränkter Dauer kam es
während des Golfkrieges 1990 und nach den Ereignissen des
11. Septembers 2001. Auch während der Finanzkrise in Asien
1997-1998 fiel der Erdölpreis. Der rasante Anstieg der Erdöl-
preise nach 2003, der nur während der Finanzkrise und großen
Rezession 2008-2009 kurzfristig unterbrochen wurde, ist auf
eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen.
Zum einen ließ der starke Erdölverbrauchsanstieg in Asien,
vor allem in China, der Irak-Krieg und der schwache Dollar
die Preise in die Höhe schnellen, zum anderen trugen die
geringen freien Produktionskapazitäten in den OPEC-Ländern,
sowie Produktionskürzungen der OPEC zur Preissteigerung
bei. Viele Analysten sehen auch in den zunehmenden Speku-
Tabelle 1
Erdöl: Produktion, Verbrauch, Exporte und Importe 2012.Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013
Produktion*1000 Barrels pro Tag
Anteil in % Verbrauch
1000 Barrels pro Tag
Anteil in %
Exporte: Erdöl, Erdölprodukte & NGLs *2
1000 Barrels pro Tag
Anteil in %
Importe: Erdöl, Erdölprodukte & NGLs *2
1000 Barrels pro Tag
Anteil in %
Saudi Arabien 11584 13,3 USA 18907 21,1 Saudi Arabien 9136 13,4 USA 11179 16,3
Russland 10734 12,4 China 9600 10,7 Russland 7071 10,4 China 6441 9,4
USA 9149 10,5 Japan 4729 5,3 UAE *3 3024 4,4 Japan 4995 7,3
China 4175 4,8 Indien 3651 4,1 Kanada 3022 4,4 Indien 4157 6,1
Kanada 3770 4,3 Russland 3271 3,6 USA 2878 4,2 Südkorea 3500 5,1
Iran 3541 4,1 Brasilien 3016 3,4 Nigeria 2699 4,0 Niederlande 3114 4,5
UAE *3 3539 4,1 Saudi Arabien 3012 3,4 Kuwait 2680 3,9 Singapur 2504 3,6
Irak 3031 3,5 Deutschland 2338 2,6 Irak 2532 3,7 Deutschland 2502 3,6
Kuwait 2959 3,4 Kanada 2327 2,6 Venezuela 2205 3,2 Frankreich 2048 3,0
Mexiko 2920 3,4 Südkorea 2768 3,1 Niederlande 2149 3,2 Großbritannien 1806 2,6
Gesamt 55402 63,8 Gesamt 53619 59,7 Gesamt 37396 55,0 Gesamt 42246 61,5
Rest 31493 36,2 Rest 36180 40,3 Rest 30616 45,0 Rest 26395 38,5
OPEC *3 37527 43,2 OPEC 8591 9,6 OPEC 29988 44,1
Welt 86895 100,0 Welt 89799 100,0 Welt 68012 100,0 Welt 68641 100,0
* Inkludiert NGLs. NGLs (englisch: natural gas liquids) sind liquide Erdgaskondensate, die sowohl bei der Erdöl-, als auch bei der
Erdgasförderung anfallen können.
*2 Exporte bzw. Importe in den Niederlanden und in Singapur sind wegen der großen Raffineriezentren sehr hoch.
*3 Vereinigte Arabische Emirate
*4 Die Mitgliedsstaaten der OPEC sind: Algerien, Angola, Ecuador, Iran, Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte
Arabische Emirate und Venezuela
52
lationsgeschäften auf den Terminmärkten (futures markets)
einen wichtigen Grund für den hohen Erdölpreisanstieg und
die starken Preisschwankungen. Wenngleich der Einfluss der
verschiedenen Faktoren auf den Erdölpreis nicht quantifizier-
bar ist, so kann man doch sagen, dass der Erdölpreis nicht nur
durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Noch nie hat es im „Zeitalter des Erdöls“ einen so langen
Zeitraum mit hohen Preisen gegeben, wie das seit Mitte des
vergangenen Jahrzehnts der Fall ist. Obwohl der Ölpreis von
2012 auf 2013 leicht rückläufig war und auch für 2014 und 2015
ein weiterer leichter Rückgang prognostiziert wird, werden die
Vorhersagen, abhängig davon, wie sich die Lage im Mittleren
Osten entwickelt, möglicherweise nach oben revidiert werden
müssen. Mittel- bis langfristig kann man davon ausgehen,
dass der Erdölpreis nicht mehr auf ein niedriges Niveau, wie
das Anfang des 21. Jahrhunderts der Fall war, sinken wird.
Ein wichtiger Grund dafür ist die Verknappung jener Erdölre-
serven, die zu niedrigen Kosten gefördert werden können. Als
Folge der hohen Erdölpreise wurde die Förderung von nicht-
konventionellem Erdöl, wie Öl-Sand, Schieferöl oder Ultra-
Tiefsee-Öl vorangetrieben, deren Förderkosten zwischen 60
US$ und 100 US$ liegen. Der größte Teil der noch vorhandenen
Erdölreserven hat sehr hohe Förderkosten, weshalb niedrige
Preise nicht mehr kostendeckend wären.
Die Länder mit der höchsten Erdölproduktion sind Saudi
Arabien und Russland, gefolgt von den USA. Unter den größ-
ten zehn Erdölförderländern sind fünf OPEC Mitgliedsstaaten.
Insgesamt machte der Anteil der OPEC im Jahre 2012 43 % der
weltweiten Erdölproduktion aus, bei den Exporten von Erdöl
und Erdölprodukten betrug der Anteil 44%. Betrachtet man
nur die Erdölexporte ohne Erdölprodukte, so beläuft sich der
Anteil der OPEC auf 60%. Der größte Exporteur war 2012 Saudi
Arabien gefolgt von Russland und den Vereinigten Arabischen
Emiraten. Beim Verbrauch und bei den Importen rangieren die
USA an erster Stelle vor China und Japan.
Als Folge der Preissteigerungen in den 1970er Jahren kam es
zu einer Verringerung des Marktanteils von Erdöl am Gesamt-
Graph 3
Weltweiter Energiekonsum nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)
Kohle Erdöl Gas Atomenergie Wasserkraft & andere erneubare Energien
1990 2011 2025 2035
12,7 13,2 28,9 15,5
27,2
28,6
22,5
6,2
6,4
17,6 25,5
26,823,721,3
31,4
25,4
36,8
19,0
5,26,0
53
energiemix. Der Anteil verringerte sich von circa 45% im Jahre
1975 auf 36,8% im Jahre 1990. Im Jahre 2011 betrug der Anteil
nur noch 31,4%, machte aber immer noch den größten Anteil
am Gesamtenergiemix aus. Neben den steigenden Erdöl-
preisen hat das starke Wachstum von Erdgas und anderen
Energieträgern in den vergangenen Jahren zu einem weiteren
Verlust an Marktanteilen geführt. Laut Prognosen von renom-
mierten Institutionen besteht Konsens darüber, dass der Anteil
von Erdöl am Energiemix auch in Zukunft stetig abnehmen
wird, während Gas und erneuerbare Energien ihren Anteil
weiter ausbauen werden. Laut Internationaler Energiebehörde
wird der Anteil von Erdöl am weltweiten Energiekonsum im
Jahre 2035 auf 26,8% sinken.
Graph 4
Weltweiter Erdölverbrauch nach RegionenQuelle: BP World Energy Outlook 2013
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1990 1995 2000 2005 2010 2012 2015 2020 2025 2030 2035
Nordamerika
Mittlerer Osten
(Millionen Tonnen)
Süd- & Mittelamerika
Afrika
Europa und GUS Staaten
Asien und Pazifik
In den Nicht-OECD Ländern wird der Erdölverbrauch wei-
ter wachsen, China und Indien werden aufgrund ihrer hohen
Bevölkerungszahlen eine Schlüsselrolle spielen, während sich
in den OECD-Ländern der seit einigen Jahren fallende Trend
beim Erdölverbrauch weiter fortsetzen wird. Gründe dafür sind
einerseits die zunehmende Energieeffizienz bei der Nutzung,
die zunehmende Diversifizierung der Energieträger und die
steigende Nachfrage nach sauberer Energie wie Erdgas und
erneuerbare Energien, um die CO2-Emissionen zu verringern
und so die klimapolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Ener-
giepolitische Entscheidungen zur Senkung der CO2-Emissionen
zeigen allmählich Wirkung. Das Verbrauchswachstum wird
insgesamt durch die steigenden Rohölpreise der vergange-
nen Jahre sowie durch die weitere, stufenweise Senkung von
Subventionen auf Erdölprodukte in den Nicht-OECD-Ländern
gebremst werden. Zudem wurden in den vergangenen Jahren
durch die Erschließung neuer Erdgasvorräte die Erdgasre-
serven stark vergrößert, was in Zukunft in vielen Sektoren zu
einer Verdrängung von Erdöl durch Erdgas führen wird.
54
In den OECD-Ländern wird die Nachfrage in allen Sekto-
ren zurückgehen. Während weltweit der Erdölverbrauch im
Transportbereich erhebliche Zuwächse verzeichnet, wachsen
die anderen Sektoren nur geringfügig oder nehmen sogar ab
und werden durch andere, billigere Energieträger substitu-
iert. Besonders stark fiel der Anteil im Elektrizitätsbereich.
Im Industriebereich werden moderate Steigerungen prog-
nostiziert, da vor allem im Petrochemie-Sektor und in ande-
ren Nicht-Energiebereichen derzeit eine Substitution durch
andere Energieträger nur in beschränktem Maße möglich ist.
Im Transportbereich ist Erdöl immer noch der dominierende
Energieträger. Als Folge der hohen Preise kam es jedoch zu
einer erheblichen Effizienzsteigerung bei den Fahrzeugen.
Der Transportsektor hat mit über 50% den größten Anteil am
Erdölverbrauch, gefolgt vom Industriesektor mit 30%. Auch in
Zukunft wird die wachsende Erdölnachfrage von diesen beiden
Sektoren getragen werden.
Die im Transportsektor eingesetzte Energie wird weiterhin
vom Erdöl dominiert, jedoch wird es aufgrund der Verdrängung
durch Biokraftstoffe sowie verbesserter Motoreneffizienz zu
einer Verlangsamung des Wachstums kommen. Längerfristig
wird der Einsatz von mit Gas betrieben Fahrzeugen, Elektro-
fahrzeugen und Plug-in-Hybriden, sowie von Schienenfahrzeu-
gen eine Verringerung des Erdölverbrauchs im Transportbe-
reich herbeiführen.
Graph 5
Weltweiter Erdölkonsum nach SektorenQuelle: BP World Energy Outlook 2003
(Millionen Tonnen)
Transport Elektrizitätssektor Industrie andere Sektoren
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1990 1995 2000 2005 2010 2012 2015 2020 2025 2030 2035
55
Die weltweite Fahrzeugflotte wird von circa 1,1 Milliarden im
Jahre 2012 auf circa 2,3 Milliarden im Jahre 2035 ansteigen,
wobei die Zuwächse überwiegend in den Nicht-OECD-Ländern
stattfinden werden. Besonders in den beiden bevölkerungs-
reichsten Ländern China und Indien wird der Motorisierungs-
grad stark zunehmen. Im Jahre 2013 kamen in China auf 1000
Einwohner gerade einmal 74 Fahrzeuge, während es in Indien
nur 34 waren. Laut Schätzungen der neuesten BP-Prognose
werden im Jahre 2035 in China auf 1000 Einwohner circa 370
und in Indien circa 110 Fahrzeuge kommen. In den OECD-
Ländern wird der Motorisierungsgrad im Bereich von 600 bis
800 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner stagnieren und aufgrund
der Verdrängung durch Biokraftstoffe sowie durch verbesserte
Motoreneffizienz wird es zu einer erheblichen Verringerung
des Verbrauchs kommen.
Erdöl wird auch in den kommenden Jahrzehnten der wichtigste
Energieträger sein und die Wirtschaft weiterhin stark prägen.
Der Anteil am Gesamtenergiemix wird jedoch kontinuierlich
abnehmen und nach 2035 wird Erdöl nicht mehr die Nummer 1
im globalen Energiemix sein. Im Elektrizitätssektor wird Erdöl
langfristig nur mehr eine untergeordnete Rolle spielen und im
Haushalts- und gewerblichen Sektor sowie im Industriesektor
Anteile an andere Energieträger verlieren. Nur im Transport-
sektor wird Erdöl auch langfristig seine dominierende Rolle
beibehalten, da eine Substitution durch andere Energieträ-
ger, wie Biotreibstoffe oder Gas nur langsam voranschreitet.
Da Vorräte von billigem Erdöl immer geringer werden, wird
unkonventionelles Erdöl, wie Schieferöl, Ultra-Tiefsee-Erdöl,
Extra-Schweröl und Teer-Sand einen immer größeren Anteil
an der weltweiten Erdölförderung ausmachen.
Graph 6
Weltweite Anzahl von FahrzeugenQuelle: BP Energy Outlook 2035 - January 2014
Fahrzeugflotte
Milliarden
Motorisierungsgrad
Fahrzeuge pro 1000 Einwohner
Konsum im Transportsektor
Milliarden Tonnen Erdöläquivalent2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
800
600
400
200
0
3
2
1
01965 2000 2035 1965 2000 2035 1965 2000 2035
USA
Deutschland
Japan
China
Indien
Nicht-OECD OECD
Nicht-OECD OECD
56
KLIMAHOUSE TOSCANA 2015
17. - 19. April 2015 | Florenz, Stazione LeopoldaEnergieeffizientes Sanieren und Bauen
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2. Auflage
57
Aus Erdöl wird nicht nur Benzin, Diesel, Heizöl und Asphalt,
hergestellt, sondern Erdöl ist auch der wichtigste Rohstoff
der petrochemischen und chemischen Industrie. In unserem
Alltag benutzen wir sehr viele verschiedene Produkte, die
aus Erdöl hergestellt werden, oft ohne uns dessen überhaupt
bewusst zu sein. Wodurch kann Erdöl als Energieträger er-
setzt werden und wie können auf Erdöl basierende Produkte
in der chemischen Industrie ersetzt werden?
Weit mehr als zwei Drittel des Erdöls wird als Energie genutzt,
für Heizungsanlagen oder als Brennstoff für Autos, Flugzeu-
ge oder Schiffe. Der restliche Teil wird als Rohstoff oder als
Zwischenprodukt in der petrochemischen Industrie weiterver-
arbeitet, wo chemische Grundstoffe hergestellt werden. Die
vielen Anwendungsmöglichkeiten haben Erdöl im 20. und auch
im 21. Jahrhundert einerseits zum bedeutendsten Energieträ-
ger und andererseits zum wichtigen Handelsgut gemacht. Laut
UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und
Entwicklung) betrug der Export von Erdöl und Erdölprodukten
im Jahr 2012 weltweit mehr als 15% der gesamten Exporte.
Weltweit gibt es viele verschiedene Erdölsorten mit unter-
schiedlicher Zusammensetzung, verschiedenen Eigenschaften
und Verwendungsmöglichkeiten. Im weltweiten Erdölhandel
gibt es einige Referenzsorten, sogenannte „Benchmarks“, die
je nach Qualität unterschiedliche Preise erzielen. Die Refe-
renzsorte Brent bezieht sich hauptsächlich auf den Euro-
päischen Markt, während WTI (West Texas Intermediate) im
amerikanischen Markt und Dubai im Persischen/Arabischen
Golf als Benchmark fungieren. Die Preise der restlichen
Rohölsorten werden durch Auf- oder Abschläge von diesen
„Benchmarks“ ermittelt. Leichte Erdölsorten, wie zum Beispiel
WTI und Brent sind teurer, weil sich aus ihnen hochwertigere
und deshalb teurere Produkte herstellen lassen, während
schwere Erdölsorten einen geringeren Preis erzielen.
Je nach Förderstätte unterscheidet sich die Zusammensetzung und Qualität des Rohöls und damit variiert auch seine Beschaffenheit und Farbe
Wie sehr bestimmt der Einsatz von Produkten, die aus Erdöl hergestellt werden, unser tägliches Leben?KLIMAHOUSE TOSCANA 20
15
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2. Auflage
58
Rohöl lässt sich nicht direkt nutzen. Erst durch Destillation und
Raffination des Erdöls entsteht eine breite Palette wertvol-
ler Produkte. Damit aus Rohöl Endprodukte, wie LPG, Ben-
zin, Diesel, Heizöl entstehen, muss das Rohöl in Raffinerien
chemische und physikalische Prozesse durchlaufen, wobei
die Umwandlung in drei wichtigen Prozessen erfolgt: Destil-
lation, Konversion und Reformierung. Im ersten Prozess, der
Destillation, wird das Rohöl in verschiedene Fraktionen mit
unterschiedlicher Siedetemperatur aufgetrennt. So entstehen
Flüssiggas (LPG), Benzin und Dieselöl, Heizöle, Basis-Öle für
Schmierstoffe, Bitumen und eine Reihe von Nebenprodukten.
Abbildung 1 zeigt das Schema eines Destillationsprozesses.
Da die Produkte, welche beim Destillationsprozess entstehen,
nicht dem Marktbedarf entsprechen, bedarf es noch einer Rei-
he weiterer komplexer Raffinationsprozesse, wie „Conversion“
und „Reforming“, Entschwefelung etc.
Die Raffinerien müssen sich ständig den veränderten Markt-
gegebenheiten anpassen. Einerseits verändert sich die
Nachfrage nach Produkten und andererseits werden aus
umweltpolitischen Maßnahmen immer neue Auflagen und
Gesetzesvorschriften bezüglich der Zusammensetzung der
Erdölprodukte erlassen. In den vergangenen Jahrzehnten hat
sich eine Verlagerung von sogenannten „schweren“ Erdölpro-
dukten hin zu „leichteren“ Produkten ergeben. So sank der
Anteil von Schweröl im Jahre 1995 von 16% auf 10% im Jahre
2012, während vor allem LPG und Naphtha, Diesel und Heizöl
ihren Anteil erhöhen konnten.
Flüssiggas
Leichtbenzin / Naphtha
Schwerbenzin
Kerosin
Leichtgasöl
Schwergasöl
Ofen
athmosphärische Destillationskolonne
Rohöldestillationsanlage
Rohöl
atmosphärischer Rückstand (z.B. Bitumen)
Abbildung 1
Quelle: BP – Erdöl bewegt die Welt
59
Graph 1
Weltweiter Erdölverbrauch nach Produktgruppen (Anteil in %) Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013
LPG/Naphta Diesel/Heizöl Andere Produkte
Benzin Schweröl
1995 2012
35%
24%17%
10%14%
39%
10%
13%14%
24%
Die Petrochemie ist ein Zweig der Chemie, der sich mit der
Umwandlung von Erdöl und Erdgas in chemische Produkte und
Ausgangsverbindungen für die Herstellung chemischer Pro-
dukte beschäftigt. Rohstoff der Petrochemie ist in erster Linie
Rohbenzin, aber auch teilverarbeitete Produkte. Petrochemie-
Anlagen und Raffinerien arbeiten deshalb sehr eng zusammen.
Ungefähr zehn Prozent der aus Erdöl gewonnenen Produkte
gelangen als Ausgangsstoffe in die petrochemische Industrie.
Diese Produkte bilden den Grundstein der Petrochemie, die aus
ihnen eine große Palette verschiedenster Verbindungen fertigt.
Paraffine und Wachse werden zur Imprägnierung von Oberflä-
chen, zur Herstellung von Kerzen und in der chemischen und
pharmazeutischen Industrie verwendet. Weißöle dienen als
Grundstoffe in der pharmazeutischen Industrie. Aus Olefinen
entstehen Kunstfasern und Kunststoffe, während Aromaten
als Lösungsmittel und für vielfältige Prozesse in der chemi-
schen Industrie eingesetzt werden. Erdöl ist auch der Rohstoff
für Synthesefasern in der Textilindustrie, Kunststoffe, Folien,
Rohre, Kunststoffplatten, Synthetikkautschuk, Schaumstoffe
für Verpackung und Bauindustrie, Lacke, Farben, Düngemittel,
Pflanzenschutzmittel, Wasch- und Reinigungsmittel, Zwi-
schenprodukte für Pharmazeutika und Kosmetika (Haarspray,
Shampoo etc.). Auch der bei der Entschwefelung von Brenn-
und Treibstoffen gewonnene Schwefel findet in der chemischen
Industrie Verwendung.
Raffinerie PetrochemischeIndustrie
ChemischeIndustrie EndprodukteErdöl
Abbildung 2
60
Fast 90% der Chemieprodukte werden aus Erdöl und zu einem
geringeren Teil aus Gas gewonnen, allen voran Kunststoffe.
Sie sind im Vergleich zu natürlichen Materialen, wie Holz oder
Metall leichter und strapazierfähiger und aus dem Alltag nicht
mehr wegzudenken. Die vielen Anwendungsmöglichkeiten ha-
ben Erdöl nicht nur zum bedeutendsten Energieträger, sondern
auch zum wichtigsten Handelsgut in der modernen Industrie-
gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts gemacht. Kein ande-
rer Rohstoff lässt sich so einfach und vielfältig verarbeiten.
Obwohl durch die Förderung von nicht-konventionellem Rohöl
die Erdöl-Reserven einen bedeutsamen Anstieg erfahren ha-
ben, bleibt Erdöl trotzdem ein begrenzter Rohstoff. Auf Grund
des vielseitigen Einsatzes von Produkten aus Erdöl in der
modernen Welt, kann eine Umstellung auf eine Welt ohne Erdöl
nur in einem langen Veränderungsprozess erfolgen. Viele Ex-
perten sind der Ansicht, dass Erdöl viel zu kostbar ist, um als
Heizmittel oder im Transportsektor „verbrannt“ zu werden und
verweisen darauf, dass Erdöl vor allem ein wertvoller Rohstoff
für die chemische Industrie ist.
Welche Alternativen gibt es für Erdöl? Im Energiesektor kann
Erdöl einerseits durch Gas und Kohle, deren Reserven eine
weit längere Reichweite aufweisen, und andererseits durch er-
neuerbare Energieträger ersetzt werden. So hat zum Beispiel
der multinationale Energiekonzern Shell ein Motoröl entwickelt
und Anfang 2014 auf den Markt gebracht, welches aus Gas her-
gestellt wird. Die begrenzte Reichweite fossiler Energien, so-
wie die zunehmende Klimaproblematik erfordern längerfristig
auch einen Umstieg auf alternative, nachwachsende Rohstoffe
aus Biomasse in der chemischen Industrie. Biomasse wird
Ein kleiner Querschnitt von Produkten aus Erdöl, die in der Petrochemischen und Plastik-industrie hergestellt werdenQuelle: BP - Erdöl bewegt die Welt
61
schon jetzt in der chemischen Industrie eingesetzt, wobei die
aus pflanzlicher Biomasse gewonnenen nachwachsenden Roh-
stoffe genutzt werden (siehe Graph 2). Immer mehr chemische
Zwischen- und Endprodukte werden aus Biomasse hergestellt.
Bio-basierte Herstellungsverfahren mit Raps, Mais oder Stroh
ermöglichen neue Produkte bei Kunststoffen, Hydraulikölen,
Farben und Lacken.
Graph 2
Ursprung der Rohstoffe in der chemischen Industrie in DeutschlandQuelle: Verband der Chemischen Industrie, Frankfurt am Main 2009
NachwachsendeRohstoffe
10%
Kohle2%
Erdgas8%
Erdöl80%
Wie schnell ein Umstieg von Erdöl auf Erdgas und Kohle
einerseits und eine generelle Abkehr von fossilen Energien
als Ausgangsmaterial für chemische Produkte andererseits
erfolgen kann, wird letztlich von der weltweiten Energiepolitik
entscheidend beeinflusst werden. Für die Grundlagen- und
angewandte Forschung zur chemischen Transformation von
nachwachsenden Rohstoffen zur Herstellung der gesamten
Produktpalette in der chemischen Industrie, die jetzt aus Erdöl
und zum Teil aus Erdgas hergestellt werden, müssen noch
viele technologische Herausforderungen gemeistert werden.
Aus heutiger Sicht kann eine weitreichende Veränderung weg
von fossilen Ausgangsmaterialen und hin zu nachwachsenden
Rohstoffen in der chemischen Industrie wohl nur über einen
sehr langfristigen Zeitraum erwartet werden.
62
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63
Nicht-konventionelle fossile Energieträger sind vor allem im
Zusammenhang mit der zunehmenden Schiefergasproduk-
tion in den USA in den vergangenen Jahren ins Zentrum der
Berichterstattung gerückt. Um welche Energieträger handelt
es sich und welche Rolle spielen sie bzw. werden sie in Zu-
kunft in der globalen Energieversorgung spielen?
Steigende Energiepreise, ständig zunehmender Energiever-
brauch und die Weiterentwicklung der Fördertechnologien ha-
ben unter anderem dazu beigetragen, dass in den vergangenen
Jahrzehnten immer mehr nicht-konventionelle fossile Energien
erschlossen wurden. Sie unterscheiden sich von den konventi-
onellen nicht in ihrer Zusammensetzung, sondern lediglich in
der Art der Lagerstätte und der Fördermethode. Während bei
konventionellen fossilen Energieträgern klassische Methoden
zur Erschließung und Förderung angewendet werden, braucht
es zur Erschließung nicht-konventioneller Vorkommen neue,
zum Teil sehr aufwendige und kostspielige Technologien. Es
gibt keine einheitliche Definition für unkonventionelles Erdöl
oder Erdgas. Eine weite Auslegung des Begriffes unkonventi-
oneller Erdöle umfasst alle Vorkommen, die nur mit besonde-
rem Aufwand gefördert werden können. So werden manchmal
auch Vorkommen unterhalb gewisser Wassertiefen (z.B. in
500m Tiefe) oder in bestimmten Regionen (z.B. Arktis) als
nicht-konventionell bezeichnet. Die Abgrenzung von konventi-
oneller fossiler Energie zu nicht-konventioneller fossiler Ener-
gie ist nicht immer eindeutig und kann sich im Laufe der Zeit
verändern, d.h. unkonventionelle Fördermethoden können sich
nach jahrelanger Anwendung zu konventionellen Methoden
etablieren. In diesem Artikel wird die Definition der Bundesan-
stalt für Geowissenschaften und Rohstoffe verwendet.
Tabelle 1
Übersicht: Nicht-konventionelle fossile Energieformen
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover
ERDÖL GAS
Schwerstöl ( extraheavy oil) Tight Gas (tight gas)
Teersand (bitumen) Schiefergas (shale gas)
Schieferöl/ Tight Öl (shale oil) Kohleflözgas (coalbed methane)
Ölschiefer (kerogen) Aquifergas (aquifer gas)
Gashydrat (gas hydrate)
Anmerkung: In Klammern wird der englische Begriff angegeben, da häufig auch in deutschen Berichten die
englischen Ausdrücke verwendet werden.
Die zunehmende Wichtigkeit nicht-konventioneller fossiler Energien
64
Während bei den Reserven1 der Anteil von konventionellem
Erdöl und Erdgas überwiegt, haben bei den Ressourcen2 die
nicht-konventionellen fossilen Energien mit 63 % einen weitaus
höheren Anteil. Man kann davon ausgehen, dass durch ver-
besserte Technologien in Zukunft Ressourcen zu Reserven
klassifiziert werden. Auch die zukünftige Entwicklung des
Öl- und Gaspreises wird dabei eine Rolle spielen, ob Ressour-
cen in Zukunft auch wirtschaftlich gefördert werden können.
Derzeit wird der größte Teil des nicht-konventionellem Erdöls
und Erdgas in Nord- und Südamerika gefördert: Teersand in
Kanada, Schwerstöl in Venezuela, Schieferöl und Schiefergas
sowie Tight Gas in den USA und in kleineren Mengen auch in
Kanada. Aber auch viele andere Länder verfügen zum Teil über
große Reserven und Ressourcen von nicht konventionellem
Erdöl und Gas.
Reserven
13%
87%
37%
63%
Ressourcen
Konventionelles Erdöl und Erdgas Nicht-Konventionelles Erdöl und Erdgas
Graph 1
Vergleich: Weltweite konventionelle und nicht-konventionelle fossile Erdöl und Erdgas Reserven und Ressourcen 2012Quelle: Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Energiestudie Dezember 2013
Ölsand
Ölsand oder Teersand ist ein Gemisch aus Bitumen, Wasser,
Sand und Ton, wobei der Gewichtsanteil des Bitumens am Sand
variiert und im Durchschnitt circa 12% beträgt. Die Sandkörner
sind von einem dünnen Wasserfilm umhüllt und dieser wiede-
rum von zähflüssigem Bitumen. In den Lagerstätten ist Ölsand
nicht fließfähig und somit nicht ohne weiteres förderbar. Zur
Gewinnung von Erdöl aus Teersand werden zwei verschiedene
Fördertechniken angewandt: Ölsandabbau kann im Tagebau
(ex-situ) oder durch Bohrungen (in-situ) bei tieferliegenden
Vorkommen abgebaut werden. Der größte Teil der Förderung
erfolgt durch Bohrungen. In einem aufwendigen Verfahren wird
der teerhaltige Sand mit heißem Wasser unter Hinzufügung von
chemischen Lösungsmitteln gewaschen, um so das Bitumen zu
trennen und schließlich daraus Erdöl zu gewinnen. In einem so-
genannten „Upgrader“ wird das Bitumen zu synthetischem Erdöl
verarbeitet. Im Durchschnitt benötigt man zwei Tonnen Ölsand
um ein Barrel (159 Liter) Rohöl zu gewinnen.
1 Reserven beschreiben jene Mengen des Erdöls/Erdgases, welche bereits
genau erfasst und bewertet wurden und mit den derzeitigen technischen
Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen werden können.
2 Ressourcen sind die Mengen an Erdöl/Erdgas, die geologisch nachgewiesen
sind, deren Förderung aber derzeit nicht wirtschaftlich ist oder auch tech-
nisch nicht möglich ist und jene Mengen, die noch nicht nachgewiesen sind,
aber aus geologischer Sicht in dem betreffenden Gebiet erwartet werden
können.
65
Abbau von Ölsand in Kanada
Die weltweit größten Vorkommen von Ölsand liegen im nörd-
lichen Teil der kanadischen Provinz Alberta, wobei das poten-
zielle Abbaugebiet etwa 140.000 Quadratkilometer umfasst,
was der doppelten Fläche von Irland entspricht. Die Gewin-
nung von Erdöl aus Ölsand findet derzeit nur in Kanada statt,
wo Ende der 1960iger Jahre die Förderung begonnen hat. Die
Erdölgewinnung aus Ölsand ist sehr umstritten, da die Um-
weltbelastung sehr hoch ist: einerseits kommt es infolge der
Energieintensität zu hohen klimaschädlichen CO2-Emissionen
und möglichen Methanemissionen und andererseits führt die
Förderung von Ölsand durch den enormen Flächenverbrauch
zur Verwüstung und Vergiftung großer Landstriche und zu
einem enormem Wasserverbrauch.
Schwerstöl (extraheavy oil)
Unter Schwerstöl versteht man Rohölsorten, die eine sehr
hohe Dichte von weniger als „10 API“ und eine hohe Viskosität
aufweisen. Schwerstöl ist dem Bitumen der Ölsande ähnlich,
jedoch fließfähiger und deshalb in der Förderung weniger
aufwendig und kostenintensiv und vor allem weniger umwelt-
schädlich.
Schwerstöl ist sehr zähflüssig und erfordert deshalb spezielle Förder-Technologien
Die weltweit größten Vorkommnisse von Schwerstöl befinden
sich in Venezuela im Orinoco-Gebiet. In den 1980iger Jahren
wurde dort mit der Förderung von Schwerstöl begonnen. Soge-
nannte „Upgrader“, wie sie auch zur Verarbeitung von Ölsand
verwendet werden, sind notwendig, um das Schwerstöl so zu
66
verarbeiten, dass es auch in einer Raffinerie raffiniert wer-
den kann. Häufig wird das Schwerstöl auch mit Naphtha oder
anderen leichten Produkten gemischt, um es fließfähiger zu
machen und es so in Raffinerien besser verarbeiten zu können.
Infolge der Erschließung der großen Reserven an Schwerstöl
ist Venezuela weltweit zum Land mit den größten Erdölreser-
ven geworden. Kleinere Mengen an Schwerstöl gibt es auch
in anderen Ländern wie zum Beispiel in China, Aserbeidschan
und Großbritannien.
Schieferöl/Tight Öl und Schiefergas
Die Förderung von Schiefergas und Schieferöl wurde durch die Kombination von „horizontal drilling“ und „fracking“ möglich.
Schieferöl/Tight Öl und Schiefergas ist im Vergleich zu kon-
ventionellem in dichtem, kaum oder nur wenig durchlässigem
Gestein eingelagert, wie zum Beispiel in Sandstein-, Karbonat-
oder Tonsteinreservoiren. Weltweit gibt es in vielen Ländern
zum Teil sehr große Mengen an Reserven und Ressourcen.
Durch die Kombination zweier existierender Technologien
– horizontales Bohren (engl. horizontal drilling) und die so
genannte hydraulische Behandlung (engl. hydraulic fracturing
oder fracking) – wurde die Förderung von Schiefergas und
Schieferöl gegen Ende des 20. Jahrhunderts möglich. Der-
zeit fördern die USA und Kanada Schieferöl und Schiefergas
in kommerziellen Mengen. In China, Australien, Argentinien,
Großbritannien und einigen anderen Ländern werden derzeit
Probebohrungen durchgeführt und in den kommenden Jahren
wird es voraussichtlich auch dort zu kommerzieller Förderung
kommen. Obwohl die Fördermethode des Hydraulic Fracking
wegen der möglichen Umweltrisiken (z.B. Grundwasserver-
seuchung) sehr umstritten ist, scheint es doch so, als ob auch
außerhalb von Nordamerika die Förderung von Schieferöl und
Schiefergas unaufhaltsam ist. Alle großen internationalen
Erdöl und Erdgasfirmen engagieren sich in der Schiefergas-
und Schieferölproduktion und immer mehr Länder vergeben
Förderkonzessionen an die Ölmultis. Es ist zu hoffen, dass die
67
Fördertechnologien dermaßen weiterentwickelt werden, dass
mögliche Umweltschäden ausgeschlossen oder zumindest
minimiert werden können.
Tight Gas
Tight Gas ist meist in Sandgestein oder Kalkgestein mit gerin-
ger Durchlässigkeit gespeichert. Es zählt zum nicht-konventi-
onellen Gas, da es bei der Förderung nicht ohne spezielle Maß-
nahmen zum Bohrloch strömt. Tight Gas wird schon seit vielen
Jahren mittels „Fracking“ gefördert. Tight-Gas-Lagerstätten
liegen in circa 4000 Metern Tiefe, also deutlich tiefer als Schie-
fergas und das Risiko der Grundwasser-Kontaminierung ist
deshalb nicht so groß wie bei der Schiefergasförderung.
Ölschiefer (Kerogen)
Ölschiefer-haltiges Gestein
Ölschiefer, nicht zu verwechseln mit Schieferöl, ist ein unreifes
Erdölmuttergestein, das noch nicht die geologische Entwick-
lung durchlaufen hat, um Erdöl zu bilden. Vorkommen von Öl-
schiefer gibt es in vielen Ländern, wobei circa 3/4 der weltweit
bekannten Ressourcen in den USA liegen. Aus Ölschiefer wird
durch thermische Behandlung sogenanntes Schieferöl gewon-
nen. Die Gewinnung ist extrem aufwendig und energieintensiv.
Ölschiefer wird seit mehr als 160 Jahren in einigen Ländern
in geringen Mengen abgebaut und verarbeitet. Heute wird nur
noch in Estland, im Leningrader Becken, in Südchina und Bra-
silien Ölschiefer gefördert. Experten gehen davon aus, dass
noch eine längere Entwicklungszeit notwendig ist, bis eine
kosten- und vor allem energieeffiziente Produktionsmethode
entwickelt wird.
Kohleflözgas (coalbed-methan)
Kohleflözgas ist der Oberbegriff für alle Gase, die in Verbin-
dung mit Kohle vorkommen. Obwohl Kohleflözgas bekannt ist,
seit es Kohle gibt, wurden erst seit einigen Jahrzehnten die
technologischen Möglichkeiten entwickelt, um Kohleflözgas
auch als Energie zu nützen. Die globale Kohleflözgas-Förde-
rung ist zwar gering, zeigt aber einen steigenden Trend. Mit
einem Förderanteil von knapp 80% dominieren die USA den
Markt, aber auch in anderen Ländern, wie in Kanada, Australi-
en, Deutschland, China etc. steigt die Förderung von Kohleflöz-
gas. Bei der Förderung werden große Mengen an Grundwasser
aus den Kohlelagerstätten herausgepumpt, um so durch den
abnehmenden Wasserdruck das Gas zum Herausströmen zu
68
bringen. Bei der Kohleflözgas-Förderung kommt es einerseits
zu einem enormen Wasserverbrauch und andererseits kann
das herausgepumpte Wasser giftige Stoffe enthalten, die gra-
vierende Schäden in der Umwelt anrichten können.
Aquifergas
Unter Aquifergas versteht man im Grundwasser gelöstes
Methangas. Die Löslichkeit von Methan in Wasser ist im All-
gemeinen sehr niedrig, erhöht sich jedoch mit zunehmender
Tiefe und somit mit steigendem Druck. Als potenziell förder-
bar gelten Aquifergas-Vorkommen in heißen Grundwässern,
die unter ungewöhnlich hohem Überdruck stehen. Obwohl es
weltweit sehr große Vorkommen von Aquifergas gibt, wird es
nicht kommerziell gefördert, da nach heutigem Wissensstand
eine Förderung unwirtschaftlich wäre. Verglichen mit anderen
nicht-konventionellen Erdgasvorkommen, weist Aquifergas das
geringste wirtschaftliche Potenzial auf.
Gas aus Hydraten
Gashydrate sind feste, eisförmige Verbindungen aus Methan
und Wasser, die sich unter niedrigen Temperatur- und hohen
Druckbedingungen bilden. In fast allen Ozeanen der Welt und
in den Land- und Schelfregionen der Permafrostgebiete hat
man in den letzten Jahren enorme Gashydratvorkommen
entdeckt. Bis jetzt gibt es jedoch noch keine Fördertechnik,
um aus Gashydraten Gas zu fördern. Seit Beginn der 1970er
Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler in den USA, Kanada,
Japan, China und anderen Ländern mit der Erforschung von
Gashydraten, da sie als mögliche Energiequelle der Zukunft
eine wichtige Rolle spielen könnten. Manche Wissenschaftler
gehen davon aus, dass mithilfe von Gashydraten über Jahrhun-
derte die globale Energienachfrage abgedeckt werden könnte,
wenn es gelänge, die Gashydrate-Vorkommen großflächig
auszubeuten. Ob und wann entsprechende Fördertechnologien
entwickelt werden und was die möglichen Konsequenzen für
die Umwelt sein werden, wie zum Beispiel die Beeinflussung
des Ökosystems am Meeresboden, bleibt abzuwarten.
Synthetische Erdöle
Sogenannte Synthetische Erdöle/Erdölprodukte werden
manchmal auch zur nicht-konventionellen fossilen Energie ge-
zählt. Dabei handelt es sich um liquide Kraftstoffe aus Gas (G-
69
t-L), aus Kohle (C-t-L) oder aus Biomasse. Zur Herstellung von
Synthetischen Erdöl aus Kohle oder Gas wird das sogenannte
Fischer-Tropsch-Verfahren angewandt, welches bereits 1925
in Deutschland erfunden und zur Kohleverflüssigung genutzt
wurde. Während des 2. Weltkrieges wurde der Kraftstoff für
die Kriegsmaschinerie aus Kohle hergestellt. Das billige Erdöl
aus dem Mittleren Osten machte dieses Herstellungsverfah-
ren jedoch unrentabel. Das Fischer-Tropsch-Verfahren wurde
von der Firma SASOL in Südafrika übernommen und weiter-
entwickelt, da es für Südafrika als Folge der Apartheidpolitik
schwierig war, genügend Erdöl zu kaufen. Im Jahre 1955 wurde
die erste Kohleverflüssigungsanlage in Betrieb genommen,
weitere Anlagen folgten, die bis heute in Betrieb sind. Der
Ölmulti Royal Dutch Shell verfügt über die Technologie aus Gas
flüssigen Kraftstoff herzustellen (G-t-L). In Katar und Malay-
sia, beides Länder mit großen Gasreserven, befinden sich sol-
che Anlagen. Die Herstellung von sogenannten synthetischen
Kraftstoffen ist einerseits sehr energieintensiv und deshalb
klimaschädlich und andererseits sehr kostspielig. Ob sich sol-
che Anlagen in anderen Ländern in Zukunft auch durchsetzen,
bleibt abzuwarten.
Kleine Anlagen, um aus Biomasse (z. B. Raps, Stroh etc.)
synthetische Kraftstoffe wie Diesel herzustellen, gibt es in
vielen Ländern. Experten glauben, dass solche Anlagen auch
in großem Stile wirtschaftlich und vor allem umweltfreundlich
produzieren könnten.
Die Förderung von nicht-konventionellem Erdöl und Gas steigt
weltweit stetig und nimmt im globalen Energiemix eine immer
bedeutendere Rolle ein. Die Erschließung der nicht konventi-
onellen fossilen Energien hat dazu geführt, dass die Reserven
und Ressourcen von Erdöl und Gas signifikant angestiegen
sind. Nicht-konventionellen Vorkommen von Erdöl und Gas
sind weltweit stärker gestreut, als konventionelle Vorkommen,
was zu einer Verminderung der Anhängigkeit von einigen weni-
gen Ländern und Regionen führt. Zusammen mit den konventi-
onellen fossilen Reserven und Ressourcen reicht das Potential
noch für lange Zeit zur weltweiten Energieversorgung. Wäh-
rend es für einen Teil der Vorkommen bereits die zur Förde-
rung notwendigen Technologien gibt, stehen für andere noch
keine entsprechenden Fördermethoden zur Verfügung. Die
Förderung der meisten nicht-konventionellen fossilen Energi-
en ist vielfach mit erheblichen Umweltschäden verbunden, da
die Produktion einerseits sehr energieintensiv ist und ande-
rerseits Methoden angewendet werden, welche die Umwelt
schwer belasten. Zudem befürchten Experten, dass durch die
massiven Investitionen der großen Öl- und Gasgesellschaften
in nicht-konventionelle fossile Energien zu wenige Ressourcen
in erneuerbare und umweltverträgliche Energieträger inves-
tiert werden und so die Klimaziele nicht erreicht werden kön-
nen. Es ist letztlich eine große Herausforderung für die Politik,
die Vorteile und Nachteile abzuwägen und die entsprechenden
Weichen für eine nachhaltige zukünftige Energieversorgung zu
stellen.
71
Die seit Mitte des letzten Jahrzehnts stark gestiegenen
Erdölpreise hatten zur Folge, dass die Benzin-, Diesel- und
Heizölpreise Rekordmarken erreicht haben. Wie setzen sich
diese Preise zusammen und in welchem Ausmaße wirken sich
Steigerungen der Rohölpreise auf die Endproduktpreise aus?
Wer verdient dabei am meisten?
Die auf Erdöl basierenden Endverbraucherpreise für Treib-
stoffe und Heizöl setzen sich aus drei großen Einzelposten
zusammen: dem Einkaufspreis für das Rohöl, den Steuern und
einem Restposten, welcher Kosten für Transport, Lagerung,
Raffineriekosten, Vertriebskosten, Betriebskosten der Tank-
stellen und Gewinne beinhaltet. Laut Branchen-Experten sind
die Betriebskosten einer Tankstelle gedeckt, sobald circa fünf
Cent je Liter übrig bleiben. In vielen Fällen wird dieser Wert
aber unterschritten, was zur Folge hat, dass viele Tankstellen
um das wirtschaftliche Überleben kämpfen.
Steuern auf Benzin, Diesel und andere Produkte aus Erdöl: eine lukrative Einnahmequelle für den Staat?
72
Graph 1 vergleicht die Preise und Steuern, welche die Endver-
braucher in den OECD-Ländern für bleifreies Superbenzin im
1. Quartal 2014 bezahlen mussten. Während die Preise ohne
Steuern von Land zu Land nur leicht variieren, zeigt sich für die
Steuern je nach Land ein zum Teil enormer Preisunterschied.
In circa zwei Drittel der Länder machen die Steuern über 50%
des Preises aus. Vor allem in den Europäischen Ländern ist
der Steueranteil sehr hoch. Während in den USA die Steuern
auf Benzin nur einen Anteil von weniger als 15 % ausmachen,
liegt der Steueranteil in Japan bei circa 40% und erreicht in
einigen Europäischen Ländern über 60%. Das Land mit den
höchsten Steuern auf Benzin ist die Türkei, gefolgt von Norwe-
gen, Italien und den Niederlanden. Der Steueranteil für Benzin
macht im EU-Durchschnitt 57% aus, während der Steueranteil
bei Diesel mit 51% etwas niedriger liegt. Zur Vergleichbarkeit
werden die Benzinpreise aller Länder in US Dollar angegeben.
Wechselkursschwankungen können daher auch einen Einfluss
auf die Endverbraucherpreise in den einzelnen Ländern haben.
Der Rohölpreis wird zumeist in US Dollar festgesetzt, deshalb
wird der Preis für Benzin in den Ländern, deren Währung dem
Dollar gegenüber auf- oder abwertet, positiv oder negativ
beeinflusst.
Graph 1
Benzinpreise und Steuern in den OECD-Ländern 2014Quelle: Internationale Energieagentur (IEA) – Energy Prices and Taxes 2nd Quarter 2014
Preise ohne Steuern Steuern
0,81
0,36
0,91
0,47
0,87
0,66
0,92
0,62
0,87
0,87
0,90
0,86
0,76
0,14
0,80
0,13
0,89
0,87
1,00
0,77
0,91
0,87
0,85
0,95
0,89
0,94
0,86
0,98
0,94
0,97
0,95
0,97
0,87
1,12
0,87
1,23
0,90
1,20
0,82
1,32
0,92
1,20
0,92
1,27
0,91
1,34
0,98
1,22
0,98
1,28
0,86
1,35
0,86
1,4
5
0,93
1,4
2
0,99
1,4
4
0,95
1,04
0,88
1,18
2,6
2,4
2,2
2,0
1,8
1,6
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
USA
Mex
iko
Cana
da
Aus
tral
ien
Chile
Japa
n
Pol
en
Süd-
Kor
ea
Estl
and
Neu
seel
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Rep
.
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Öst
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Schw
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Slow
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Fran
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ch
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land
Irla
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Por
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l
Gro
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Schw
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Bel
gien
Finn
land
Gri
eche
nlan
d
Dän
emar
k
Nie
derl
ande
Ital
ien
Nor
vegi
en
Türk
ei
(US $ / Liter)
0,99
1,4
8
73
Graph 2 vergleicht die Komponenten der Benzinpreise in
verschiedenen Ländern. Während der Rohölpreis in Europa
(Beispiel Italien) und in Japan kaum divergiert, ist er in den
USA deutlich niedriger. Bezüglich des Steueranteils am Preis
zeigen sich drastische Unterschiede. Wenn also der Rohölpreis
steigt, profitieren nicht nur die Förderländer (OPEC und andere
Erdöl-Produzenten), sowie die multinationalen Ölgesellschaf-
ten (z.B. ExxonMobil, Chevron, Shell, BP etc.) sondern auch die
Verbraucherländer. Vor allem die Europäischen Länder können
satte Steuereinnahmen von den Erdölprodukten lukrieren,
aber auch Japan hat sehr hohe Steuereinnahmen. Die Steuern
auf Rohölprodukte sind auch in den EU-Ländern nicht ein-
heitlich, die einzelnen Länder erheben mehrere verschiedene
Steuern auf Benzin und andere Produkte. Dabei wird zwischen
variablen und fixen Steuern unterschieden. Variable Steuern
werden als Prozentsatz vom jeweiligen Preis erhoben (z.B. die
Mehrwertsteuer) während fixe Steuern unabhängig vom Preis
sind. Steigt der Rohölpreis, so erhöhen sich entsprechend die
Produktpreise und somit auch die variablen Steuern, was be-
deutet, dass auch die Steuereinnahmen der Verbraucherländer
steigen. Um die Endverbraucher zu entlasten, haben man-
che Verbraucherländer in der Vergangenheit die Steuern auf
Benzin gesenkt, aber nie in einem Ausmaß, welche die Preis-
steigerungen, die durch die steigenden Rohölpreise ausgelöst
wurden, ausgeglichen hätten.
Graph 2
Die Zusammensetzung der Benzinpreise im Vergleich, 2012Quelle: OPEC
1,26 $ (59%)
0,63 $ (41%)
0,14 $ (14%)
Italien
Japan
USA
0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5
Rohölpreis Transport- Raffinerie- Lager- Vertriebs- und Marketingkosten & Gewinn Steuern
Tabelle 1
EU: Anteil der Steuereinnahmen aus Erdölprodukten an den Gesamtsteuereinnahmen 2012Quelle: EUROPIA Annual Report 2012
% %Bulgarien 13,7 Irland 7,0Estland 12,3 Spanien 6,4Lettland 11,9 Großbritannien 6,3Litauen 10,8 Italien 5,9Rumänien 10,8 Malta 5,9Slowenien 10,2 Österreich 4,9Slowakei 9,7 Schweden 4,7Tschechische Republik 9,1 Deutschland 4,6Polen 9,0 Niederlande 4,5Ungarn 8,9 Finnland 4,4Griechenland 8,3 Belgien 4,1Luxemburg 8,3 Frankreich 3,6Zypern 7,3 Dänemark 3,1Portugal 7,1 EU Durchschnitt 7,0
74
Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, sind die Steuereinnahmen
aus Erdölprodukten in den EU-Ländern beachtlich. Im EU-
Durchschnitt betragen sie 7% der Gesamtsteuereinnahmen.
Auffallend ist, dass vor allem die osteuropäischen Länder und
Balkanländer einen sehr hohen Anteil aufweisen und auch
Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen einen höheren
Anteil aufweisen, als reichere Länder.
Laut Berechnungen der OPEC profitieren die OECD-Länder
mehr vom steigenden Erdölpreis als die Produzentenländer
(Graph 3.) Während die OPEC-Länder im Zeitraum 2008 bis
2012 4888 Milliarden US $ aus ihren Erdölverkäufen einnah-
men, beliefen sich die Steuereinnahmen aus Erdölprodukten in
den OECD-Ländern im selben Zeitraum auf 5553 Milliarden US
$. Allein die G7 -Länder hoben im genannten Zeitraum Steuern
von 3772 Milliarden US $ ein. Wenn solche Berechnungen auch
auf groben Schätzungen basieren, so zeigen sie doch die Grö-
ßenordnung der Steuereinnahmen von Erdölprodukten, welche
die Verbraucherländer einnehmen.
Die Verbraucherstaaten hätten die Möglichkeit, den Benzin-,
Diesel- und Heizölpreis zu senken, indem sie die entspre-
chenden Steuern modifizieren. Die politischen Optionen der
einzelnen Staaten bezüglich Änderungen bei der Besteuerung
von Erdölprodukten bieten jedoch wenig Spielraum. Einerseits
will man im Sinne des Klimaschutzes und der Einhaltung der
Klimaziele die Steuern auf Erdölprodukte nicht senken, son-
dern eher erhöhen, um den Verbrauch zu drosseln und um eine
effizientere Produktnutzung zu fördern und andererseits ist es
- vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise - unwahrscheinlich,
dass die Steuereinnahmen gekürzt werden. Die Verbraucher
werden deshalb wohl auch in Zukunft mit hohen Benzin-, Die-
sel- und Heizölpreisen rechnen müssen.
Anmerkung: Milliarden (109)entsprechen den im angelsächsischen Raum ver-
wendeten Billionen.
Graph 3
Geschätzte Steuereinnahmen der OECD-Länder versus Einnahmen aus Erdölverkäufen der OPEC-Länder, 2008 bis 2012Quelle: OPEC
OECD OPEC
5553
4888
3772 (Länder G7)
1781(Rest OCSE)
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
(Milliarden US $)
75
Bis in die Nachkriegszeit war Kohle weltweit der wichtigste
Energieträger, bevor das Erdöl die dominierende Rolle im
Energiesektor übernahm. Doch auch jetzt steht Kohle mit
knapp 30% Anteil im weltweiten Energieverbrauch nach Erdöl
an zweiter Stelle. Kohle hat verglichen mit Erdöl und Gas die
höchsten Schadstoffemissionen und ist laut Internationaler
Energiebehörde für rund 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes
verantwortlich. Die Ursachen und Prognosen.
Während der weltweite Kohleverbrauch von 1965 bis zum Anfang
des Millenniums stagnierte oder nur geringe Wachstumsraten
erreichte, stieg der Kohleverbrauch in den vergangenen 10 Jah-
ren stark. Das starke Wachstum fand allerdings ausschließlich
in den Nicht-OECD-Ländern statt. Während der Kohleverbrauch
in den OECD-Ländern seit 2003 um 0,8 % sank, stieg er in den
Nicht-OECD-Ländern um durchschnittlich 6,6%. Länder mit
den höchsten Wachstumsraten beim Kohleverbrauch sind vor
allem China und Indien mit Wachstumsraten von 8,8% und 7,5%.
China kann mit Recht als der Motor für das Comeback der Kohle
angesehen werden. Einerseits brauchen die stark wachsenden
Schwellenländerländer immer mehr Energie um die Stahlwerke
und Fabriken mit billiger Energie zu versorgen, andererseits
verfügen sie über große Kohle-Reserven. Indien und China sind
zusammen für 90 Prozent des Verbrauchsanstiegs bei der Kohle
verantwortlich. Sie decken ihren Strombedarf überwiegend mit
Kohle. Erneuerbare Energien und Kernkraftwerke spielen noch
eine geringe Rolle.
Kohle im Aufwind
76
Im Wesentlichen gibt es drei Gründe, die für das starke Wachs-
tum der Kohle verantwortlich sind:
- Verglichen mit Gas ist Kohle zur Stromgewinnung wesent-
lich billiger. Die Brennstoffkosten von Kohle liegen in Euro-
pa laut Internationaler Energiebehörde zwischen 3 und 3,5
Cent je Kilowattstunde. Elektrizität aus Erdgas verursacht
zwar nur halb so viel CO2-Emissionen wie Kohle, kostet aber
doppelt so viel. In den USA verdrängt billiges Gas als Folge
der stark gestiegenen Schiefergasproduktion teils die Kohle
und die Regierung versucht Maßnahmen zur Verringerung
der Kohlenutzung zu setzen, um die CO2-Emissionen zu
drosseln. Das hat zur Folge, dass nun verstärkt amerikani-
sche Kohle nach Asien exportiert wird und so die Kohleprei-
se weiter nach unten getrieben werden. Zudem haben die
großen Kohleförderländer wie Australien, Indonesien, Russ-
land und Kolumbien ihre Kapazitäten stark ausgeweitet, so
dass trotz steigender Nachfrage aus China ein Überangebot
besteht, was den Preis noch weiter drückt.
- Anders als bei Erdöl und Erdgas, wo sich ein Großteil der
Reserven auf wenige Länder in zum Teil geopolitisch insta-
bilen Regionen konzentrieren, sind Kohlereserven weltweit
verteilt: Mehr als 70 Staaten haben beachtliche Kohlevor-
kommen und können in vielen Fällen ihren Eigenbedarf
decken.
- Kohlereserven sind verglichen mit Erdöl und auch mit Erd-
gas in weit größerem Ausmaß vorhanden: die wirtschaftlich
abbaubaren Reserven reichen nach jetzigem Stand noch für
mehrere hundert Jahre.
Graph 1
Weltweiter Kohleverbrauch 1965-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
4500
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0 2013
2011
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
(Mill. Tonnen Erdöläquivalent)
OECD Nicht-OECD
77
Welch wichtige Rolle Kohle weltweit spielt, belegen die fol-
genden Fakten: Kohle macht weltweit fast 30% des globalen
Energiemix aus, liegt mit über 40% an der Elektrizitätsgewin-
nung an erster Stelle und die Stahlproduktion ist zu 70% von
Kohle abhängig. Kohle wird einerseits als Kraftwerkskohle zur
Elektrizitätsgewinnung und zu Heizzwecken verwendet, an-
dererseits wird Kokskohle1 in der Stahlproduktion eingesetzt.
Ungefähr 13% der weltweiten Kohleproduktion wird in der
Stahlerzeugung verwendet. Es ist deshalb nicht verwunder-
lich, dass vor allem die großen Stahlproduzenten der Welt wie
China, Japan, USA, Indien und Russland einen hohen Kohlever-
brauch haben.
Im sogenannten C-t-L-Verfahren (Kohleverflüssigungsver-
fahren) kann aus Kohle auch synthetisches Erdöl hergestellt
werden. Dieses Verfahren wurde bereits im Zweiten Weltkrieg
in Deutschland entwickelt. Da es aber sehr kostspielig ist,
wird es derzeit nur in einigen wenigen Ländern genützt, so
zum Beispiel in Südafrika und in China. Kohle wird in geringem
Ausmaße auch als Rohstoff für chemische Produkte genützt.
Vor allem China mit seinen riesigen Kohlereserven versucht
die sogenannten Veredelungsverfahren (Kohleverflüssigung
und Kohle als Rohstoff für die chemische Industrie) kosteneffi-
zienter zu machen und weiterzuentwickeln.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die weltweiten Kohlereser-
ven, die Produktion und den Konsum. Bei den Reserven stehen
die USA an erster Stelle, gefolgt von Russland und China. Diese
drei Länder verfügen zusammen über 57% der weltweiten
Kohlereserven. Nimmt man die Nummer 3, 4 und 5, nämlich
Australien, Indien und Deutschland dazu, so ergibt das mit 77%
bereits mehr als ¾ der weltweiten Kohlereserven. Unüberseh-
bar ist die dominante Rolle von China: Sowohl bei der Kohle-
produktion als auch beim -verbrauch nimmt China mit 47%
bzw. 50% den ersten Platz ein. Mit großem Abstand folgen die
1 Aus qualitativ hochwertigen Kohlesorten (Kokskohle) wird in Kokereien
durch Erhitzen Koks erzeugt. Koks wird im Hochofen zur Erzeugung von
Roheisen (Stahlgewinnung) benötigt.
Tabelle 1
Kohle: Reserven, Produktion und Verbrauch 2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014
Reserven Milliarden Tonnen
Anteil in %
Produktion MTOE* Anteil in %
Verbrauch MTOE* Anteil in %
USA 237.295 26,6 China 1840 47,4 China 1925,3 50,3Russland 157.010 17,6 USA 501 12,9 USA 455,7 11,9China 114.500 12,8 Australien 269 6,9 Indien 324,3 8,5Australien 76.400 8,6 Indonesien 259 6,7 Japan 128,6 3,4Indien 60.600 6,8 Indien 229 5,9 Russland 93,5 2,4Deutschland 40.548 4,5 Russland 165 4,3 Südafrika 88,2 2,3Ukraine 33.873 3,8 Südafrika 145 3,7 Südkorea 81,9 2,1Kazachstan 33.600 3,8 Kazachstan 58 1,5 Deutsch-
land81,3 2,1
Südafrika 30.156 3,4 Polen 58 1,5 Polen 56,1 1,5Indonesien 28.017 3,1 Kolumbien 56 1,4 Indonesien 54,4 1,4Gesamt 811.999 91,1 Gesamt 3579 92,2 Gesamt 3289,2 86,0Rest 79.532 8,9 Rest 303 7,8 Rest 537,5 14,0Welt 891531 100,0 Welt 3881 100,0 Welt 3827 100,0
* MTOE = Millionen Tonnen Erdölequivalent Anmerkung: Daten inkludieren Steinkohle und Weichbraunkohle
78
USA mit einem Anteil von 13% an der weltweiten Produktion
und 12% am weltweiten Verbrauch. Die schnell wachsende
chinesische Wirtschaft verbraucht einerseits große Mengen an
Energie, andererseits ist es naheliegend die eigenen großen
Kohlereserven als Energieträger erster Wahl zu nutzen. Im
Jahre 2013 betrug der Anteil von Kohle am Gesamtenergiever-
brauch Chinas 67%. Um der massiven Umweltverschmutzung
Herr zu werden, die durch den hohen Kohleverbrauch (mit)
verursacht wird, versucht China vermehrt auf andere Ener-
gieträger wie Erdgas und erneuerbare Energien umzusteigen
- bisher allerdings nur mit mäßigem Erfolg.
Parallel zum Anstieg des Kohleverbrauchs sind auch die
Kohleexporte und -importe in den vergangenen Jahren stark
gewachsen. Die wichtigsten Kohle-Exportländer sind der Grö-
ße nach Indonesien, Australien, Russland, die USA, Kolumbien,
Südafrika und Kanada. Bei den Importen liegt China an erster
Stelle, gefolgt von Japan, Indien, Südkorea, Taiwan, Deutsch-
land und Großbritannien. Die Exporte von Kraftwerkskohle
sind mehr als dreimal so hoch als jene von Kokskohle.
Wie verhalten sich die Kohlepreise? Im Unterschied zu Erdöl
werden 85% der Kohle in jenem Land verbraucht, in dem sie
gefördert werden. Es gibt verschiedene Arten von Kohle und
dementsprechend auch verschiedene Preise, die sich je nach
Qualität, geographischer Lage und vertraglichen Bedingungen
unterscheiden. Kohle wird einerseits für Kraftwerke und zu
Heizzwecken genutzt und andererseits bei der Stahl- und Ei-
senherstellung gebraucht. Üblicherweise ist Kohle, welche zur
Stahl- und Eisenherstellung verwendet wird, teurer als Kraft-
werkskohle, da qualitativ hochwertiger. Generell richtet sich der
Preis nach dem Heizwert der jeweiligen Kohlesorte. Vergleicht
man die Entwicklung des Erdölpreises mit dem Kohlepreis, so
ist der langfristige Trend ähnlich. Allerdings ist der Kohlepreis
seit 2011 im Vergleich zu Erdöl und Gas stark gefallen (siehe
Graph 2). Grund dafür ist ein Überangebot an Kohle.
Wie sehen die Zukunftsprognosen für den Kohleverbrauch
aus? Wird Kohle, trotz schlechtester Klimabilanz unter den
fossilen Energieträgern, ihren Platz im weltweiten Energiemix
halten können? Laut neuesten Prognosen wird Kohle auch in
den kommenden Jahren nach Erdöl auf Platz zwei im weltwei-
ten Energiemix rangieren, der Anteil wird sich allerdings von
fast 30% im Jahre 2011 auf 25,5% im Jahre 2035 verringern.
Der Kohlekonsum wird sich in den verschiedenen Regionen
Tabelle 2
Die größten Kohle-Exportländer und Kohle-Importländer 2012Quelle: World Coal Association
(Millionen Tonnen)
Exporte Importe
Indonesien 383 China 289
Australien 301 Japan 184
Russland 134 Indien 160
USA 114 Südkorea 125
Kolumbien 82 Taiwan 64
Südafrika 74 Deutschland 45
Kanada 35 Großbritannien 45
79
unterschiedlich entwickeln. Während für die OECD-Länder ein
weiterer Rückgang prognostiziert wird, werden die asiatischen
Länder, allen voran China und Indien, den Kohlekonsum weiter
steigern. China, bereits jetzt der weltweit größte Kohleprodu-
zent, -konsument und -importeur, wird auch in Zukunft die füh-
rende Rolle im Kohlesektor spielen. Als Folge der Veränderung
von einer industrieintensiven hin zu einer mehr serviceorien-
tierten Wirtschaft, sowie infolge verbesserter Effizienz, wird
sich das Kohlewachstum nach 2030 allerdings verlangsamen.
China versucht auch vermehrt Erdgas, erneuerbare Energi-
en und Atomstrom zu nutzen, um die zum Teil verheerenden
Folgen der Schadstoffemissionen einzudämmen. Weltweit
wird Kohle im Stromgewinnungssektor auch in Zukunft eine
dominante Rolle spielen, allerdings wird der hohe Anteil von
über 40% abnehmen, während Erdgas, erneuerbare Energien
und Kernenergie ihre Anteile in den kommenden Jahrzehnten
ausbauen werden.
Wie sich der Kohlekonsum weltweit in Zukunft entwickeln
wird, hängt nicht zuletzt von der Implementierung der klima-
politischen Zielsetzungen in den einzelnen Ländern ab. Um
die klimapolitischen Ziele zu erreichen, müsste der Kohlever-
brauch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten abnehmen.
In welchem Ausmaße das gelingen wird, bleibt abzuwarten.
Graph 2
Erdölpreis und KohlepreisQuelle: World Bank - commodity price data
Der Erdölpreis bezieht sich auf die Erdölsorte Brent (US$/Barrel), der Kohlepreis auf Australische Kohle (US$/Tonne)
120
100
80
60
40
20
0
140
120
100
80
60
40
20
02013201220112010200920082007200620052004200320022001200019991998199719961995199419931992199119901989198819871986198519841983198219811980
Erdöl Kohle
(US$/Barrel) (US$/mt)
Graph 3
Weltweiter Energiekonsum nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)
1990 2011 2025 2035
25,4
36,8
19,0
6,0 12,7
28,9
31,4
21,3
5,2 13,227,2
28,6
22,5
6,2
15,525,5
26,823,7
6,4
17,6
Kohle Erdöl Gas Atomenergie Wasserkraft & andere erneuerbare Energien
81
Der Energiegigant RusslandRussland spielt auf den globalen Energiemärkten eine do-
minante Rolle. Vor allem für Europa ist Russland einer der
wichtigsten Gas- und Erdöllieferanten. Seit dem Ausbruch
der Ukraine-Krise ist Russlands Bedeutung als Energieliefe-
rant für Europa besonders präsent geworden. Wie wichtig ist
Russlands Gas und Erdöl für Europa und welchen Stellenwert
nimmt Russland im weltweiten Energieangebot ein? Gibt es
Alternativen für Europas Abhängigkeit von russischem Gas?
Russland, das flächenmäßig größte Land der Welt, verfügt
über riesige Erdöl-, Gas- und Kohlevorkommen. Die Erdöl- und
Gas-Vorkommen befinden sich in den verschiedenen Regionen
des riesigen Landes: im Ural/Wolga-Gebiet im Westen, im
Nordwesten, im Nord-Kaukasus, in Westsibirien, in Ostsibirien
und im Fernen Osten. Nicht zuletzt werden auch riesige Erdöl-
und Gasvorkommen in den Arktischen Regionen Russlands
vermutet, wobei die Exploration erst am Anfang steht. Derzeit
konzentriert sich die Erdöl- und Gasförderung hauptsächlich
auf Westsibirien und die Ural/Wolga-Region. Das rasante
Wachstum der Asiatischen Märkte und die damit verbundene
steigende Energienachfrage sowie die Anwendung neuer Tech-
nologien werden mittel- und längerfristig dazu führen, dass
die Erdöl-und Gasförderung in Ostsibirien, im Fernen Osten
Russlands sowie in den Arktischen Regionen stark ansteigen
wird. Russland verfügt auch über große Schiefergas- und
Schieferölvorkommen, deren Förderung noch gar nicht begon-
nen hat.
Energie-Museum in Moskau
82
Russland verfügt weltweit über die zweitgrößten Gas- und Koh-
levorkommen und rangiert bei Erdöl auf Platz 8. Wenn es gelingt
die Erdöl- und Erdgasressourcen in den Arktischen Regionen zu
erschließen, könnte das Russlands Reserven noch wesentlich
erhöhen. Zählt man Erdöl und Gas zusammen, so ist Russland
der weltweit größte Exporteur von fossiler Energie mit einem
jährlichen Exportvolumen von 7,5 Millionen Barrels Erdöl pro
Tag und 230 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr.
Russlands Wirtschaft ist stark von seinen Gas- und Erdölexpor-
ten abhängig. Einnahmen aus Gas und Erdöl machen mehr als
50% des Budgets und fast 70% der Exporteinnahmen aus. We-
gen der starken Energieexportabhängigkeit wirken sich Ände-
rungen der Energiepreise sehr stark auf Russlands Wirtschaft
aus.
West-Siberien
Ural-Wolga Region
Ost Siberien
Nord-Westen & Arktis
Ferner Osten
Nord-Kaukasus
7 6 5 4 3 2 1 0 0 5 10 15 20 25
Graph 1
Erdöl und Gasproduktion in Russland nach Region (2013)Quelle: US Energy Information Administration
Erdöl - Mill. Barrels pro Tag Gas - Bill. Kubikfuß
Tabelle 1
10 Länder mit den größten Reserven an fossiler Energie (Ende 2013)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Erdöl Gas KohleMilliarden
BarrelAnteil in %
Billionen m3
Anteil in %
Milliarden Tonnen
Anteil in %
Venezuela *1 298,3 17,7 Iran 33,8 18,2 USA 237,3 26,6Saudi Arabien 265,9 15,8 Russland 31,3 16,8 Russland 157,0 17,6Kanada *2 174,3 10,3 Katar 24,7 13,3 China 114,5 12,8Iran 157,0 9,3 Turkmenistan 17,5 9,4 Australien 76,4 8,6Irak 150,0 8,9 USA 9,3 5,0 Indien 60,6 6,8Kuwait 101,5 6,0 Saudi Arabien 8,2 4,4 Deutschland 40,5 4,5UAE *3 97,8 5,8 UAE *3 6,1 3,3 Ukraine 33,9 3,8Russland 93,0 5,5 Venezuela 5,6 3,0 Kasachstan 33,6 3,8Libyen 48,5 2,9 Nigeria 5,1 2,7 Südafrika 30,2 3,4USA 44,2 2,6 Algerien 4,5 2,4 Indonesien 28,0 3,1Restliche Länder 257 15,2 Restliche
Länder 39,7 21,4 Restliche Länder 79,5 8,9
Welt 1688 100,0 Welt 185,7 100,0 Welt 891,5 100,0
*1 extra-schweres Erdöl ist inkludiert
*2 Ölsand von in Entwicklung befindlichen Projekten ist inkludiert
*3 Vereinigte Arabische Emirate
83
$ 174
$ 73
$ 109
68%
32%
$ 300
$ 200
$ 100
$ 0
21% Petroleum - Produkte
14% Gas
33% Erdöl
Milliarden US Dollar
Erdöl und Gas andere Produkte
$ 171
Graph 2
Russland: Exporteinnahmen 2013Im Jahr 2013 machten Einnahmen aus Erdöl und Gas 68% von Russlands Gesamt-Exporteinnahmen ausQuelle: US Energy Information Administration Juli 2014
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Erdöl-
und Gasindustrie privatisiert, in den darauffolgenden Jahren
wurde jedoch ein großer Teil wieder verstaatlicht. Die staatli-
che Firma Rosneft ist die größte Erdölgesellschaft Russlands.
Daneben gibt es auch private Ölfirmen wie zum Beispiel Lukoil
und Novatek. Die staatliche Firma GAZPROM dominiert die
Gasindustrie und produziert circa 75% vom russischen Gas. Sie
hat auch ein Monopol auf die Gasexporte. Die Regierung plant
den Gasmarkt schrittweise zu liberalisieren, vor allem was
den Export von LNG betrifft. Für ausländische Firmen gestal-
tet sich eine Zusammenarbeit mit russischen Firmen oft sehr
schwierig. Eine wichtige Kooperation besteht zwischen Rosneft
und ExxonMobil zur Erschließung der Öl- und Gasvorkommen
im Arktischen Bereich der Barentssee. Rosneft verfügt nicht
über die notwendigen Technologien, um Erdöl und Gas in der
Arktischen Region zu fördern und ist deshalb auf das Knowhow
ausländischer Firmen angewiesen.
Über die Hälfte von Russlands Energieverbrauch wird durch
Gas abgedeckt, 22% durch Erdöl, 13% durch Kohle und je
6% durch Wasserkraft und Atomenergie. Im Unterschied zu
anderen Regionen und Ländern der Welt machen erneuerbare
Energien mit 0,1% einen unbedeutenden Teil aus.
Graph 3
Russland: Verbrauch nach Energieträger 2013(% Anteil)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Erdöl22%
Kohle13%
Gas53%
Atomenergie6%
Wasserkraft6%
Erneuerbare Energie0,1%
Wegen der billigen Energiepreise für Unternehmen und private
Konsumenten wurde in der Vergangenheit einerseits kein An-
reiz gegeben die Energieeffizienz zu steigern und andererseits
erneuerbare Energien als Alternative zu fossilen Energien zu
fördern. Die Energiepreise werden nach und nach angehoben,
weshalb es jetzt Bestrebungen bei den Konsumenten gibt, die
Energieeffizienz zu steigern und auch in erneuerbare Energien
zu investieren. Durch diese Einsparung stünde in Zukunft mehr
84
Erdöl und Gas für den Export zur Verfügung. Laut Angaben des
russischen Energieministeriums besteht bis 2020 ein enormes
Einsparungspotential im Umfang von ungefähr 40% bis 50%
des Primärenergieverbrauchs des Jahres 2010.
Graph 4
Russland: Anteil an der weltweiten Erdöl- und Gasproduktion 2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Russland 13%
Erdöl Erdgas
Russland 18%
Russland produzierte im Jahre 2013 13% des weltweiten Erdöls
und war nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdölproduzent.
Mit einem Anteil von 18% an der weltweiten Gasproduktion ist
Russland nach den USA auch der zweitgrößte Gasproduzent.
Obwohl Russland auch über sehr große Kohlevorkommen
verfügt, produziert es nur geringe Mengen an Kohle, 4,3% der
weltweiten Kohleproduktion. Die Exportkapazitäten von Erdöl,
aber besonders von Gas machen Russland zu einem überaus
wichtigen „Player“ auf den Weltenergiemärkten.
Mit 225,5 Milliarden Kubik Meter oder einem Anteil von 22%
am weltweiten Gasexport im Jahre 2013 ist Russland bei
weitem der größte Gasexporteur der Welt. Der nächstgrößte
Gasexporteur ist Katar mit einem Anteil von 12%. Ungefähr
60% des russischen Gasexports wurden im Jahre 2013 über
Pipelines nach Ost- und Westeuropa geliefert, während 22% in
die Ukraine, nach Weißrussland und in andere CIS -Länder und
12% an die Türkei geliefert wurden. Lediglich 6% wurden als
LNG nach Japan, Südkorea und Taiwan geliefert, da Russland
nur über eine Gas–Verflüssigungsanlage auf der Insel Sacha-
17,7%11,6%
11,1%11,0%
8,0%5,4%
5,2%4,4%
4,3%3,6%
3,2%2,6%
2,5%2,4%2,3%
1,6%1,1%1,1%
0,9%0,04%Taiwan
NiederlandeGriechenland
SüdkoreaFinnland
ÖsterreichSlowakei
andere CIS LänderUngarn
Tschechische Rep.Frankreich
Polenandere Europ. Länder
JapanBelgien
WeissrusslandItalien
UkraineTürkei
Deutschland
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Taiwan 0.04
Ukraine 11%
Türkei12%
Europa 60%
Südkorea1%Japan
5%
Rest CIS Länder3%
Weissrussland 8%
Graph 5
Russland: Gasexporte nach Ländern (%)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
85
lin im Fernen Osten verfügt. Um in Zukunft den LNG-Handel
auszuweiten, sind weitere LNG-Anlagen geplant, zum Beispiel
auf der Jamal-Halbinsel in Westsibirien und in Wladiwostok im
Fernen Osten.
Bestehende und geplante Gas-Pipelines von Russland nach Europa
Gas Pipeline
Geplante Gas Pipeline
EU Länder
Russland
RussiaRussland
Aus der geographischen Gegebenheit heraus ist es naheliegend,
dass Ost- und Westeuropa und die CIS-Länder die natürlichen
Abnehmer von russischem Gas sind, da vor allem auch ein ent-
sprechendes Pipeline-Netzwerk, das über Jahre gewachsen ist,
zur Verfügung steht. Ein Großteil der russischen Gaslieferungen
nach Europa durchquert die Ukraine, welche somit ein wichtiges
Transitland für russisches Gas nach Europa ist. Für jene Länder,
die einen großen Teil ihrer Gasnachfrage von Russland beziehen,
kann diese starke Abhängigkeit riskant werden, wie sich bereits
in den Jahren 2005/2006 und 2007/2008 gezeigt hat, als es zwi-
schen der Ukraine und Russland zu Gaspreisstreitigkeiten kam.
Die gegenwärtige Ukraine-Krise hat zu einer weiteren Eskala-
tion geführt. Russland ist sehr daran interessiert die geplante
„South Stream“-Gaspipeline zu bauen, die durch das Schwarze
Meer und über den Balkan Gas nach Europa liefern und so
keinen Transit durch die Ukraine benötigen würde. Die EU hat
vorläufig das Projekt „South Stream“ auf Eis gelegt. Der Bau
dieser Pipeline ist allerdings schon sehr weit fortgeschritten
und es wäre wohl im Sinne der EU und Russlands das Projekt zu
Ende zu führen.
Tabelle 2 zeigt ein sehr unterschiedliches Bild bezüglich der
Abhängigkeit der europäischen Länder von den russischen
Gasimporten. Länder wie Finnland, die Slowakei und Ungarn
sind zu 100% von russischen Gasimporten abhängig, während
86
Irland, Spanien und Großbritannien kein Gas aus Russland im-
portieren. Polen, Griechenland und Österreich beziehen ¾ oder
mehr ihrer Gasimporte aus Russland. Im Durchschnitt bezog
Europa im Jahre 2013 36% der Gasimporte aus Russland.
Welche Alternativen zu russischem Gas gibt es für Europa,
sollte es im kommenden Winter als Folge der Ukraine-Krise
zu Lieferengpässen kommen? Auf den Weltmärkten gibt es
gegenwärtig ein genügend großes Gasangebot. Europa könnte
LNG (Flüssiggas) aus diversen Ländern beziehen, allerdings zu
einem wesentlich höheren Preis. Die Gasspeicher sind laut Be-
richten der Europäischen Länder gefüllt und würden so kurz-
fristige Lieferstopps auffangen. Da die russische Wirtschaft
extrem stark von den Energieexporten abhängig ist, scheint
es eher unwahrscheinlich, dass Russland die Gaslieferungen
nach Europa stoppt. Längerfristig gesehen wird die Ukraine-
Krise vermutlich dazu führen, dass Europa seine Gasimporte
stärker diversifiziert. Länder mit entsprechendem Export-
potential gäbe es genug, vorausgesetzt die entsprechenden
Infrastrukturprojekte werden errichtet: einerseits der Bau von
Pipelines und andererseits Gasverflüssigungsanlagen in den
Gasexportländern und die dazu erforderlichen LNG-Terminals
in den Importländern. Katar, Iran und Aserbaidschan verfügen
über enorme Gasreserven und wären in der Lage einen be-
deutenden Beitrag zu Europas Gasnachfrage zu leisten. Auch
Nigeria verfügt über große Gasreserven und seit die USA kaum
noch Gas importieren, sucht Nigeria nach neuen Abnehmern.
Während der Bau von Pipelines mehrere Jahre in Anspruch
Tabelle 2
Europa's Abhängigkeit von Russischen Gasimporten(Milliarden Kubikmeter)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Gasimporte aus
Russland
Gesamt - Gasimporte
Abhängigkeit von russischen Gas-
importen in %Österreich 5,1 6,8 76Belgien 12,3 32,8 38Deutschland 39,8 95,8 42Finnland 3,5 3,5 100Frankreich 8,1 39,2 21Griechenland 2,4 3,0 79Großbritannien 0,0 51,2 0Irland 0,0 4,9 0Italien 24,9 57,1 44Niederlande 2,1 21,5 10Polen 9,6 11,4 84Slowakei 5,3 5,3 100Spanien 0,0 30,2 0Tschechische Republik 7,2 11,0 65
Türkei 26,2 44,3 59Ungarn 5,9 5,9 100Andere Europäische Länder
10,0 24,4 41
Europa Gesamt 162,5 448,4 36
Weißrussland 18,1 18,1 100
Ukraine 25,1 26,9 93Andere CIS Länder 5,6 11,4 49
87
nehmen würde, könnten LNG-Lieferungen kurzfristig per
Schiff erfolgen, vorausgesetzt die Gasverflüssigungsanlagen
und die entsprechend LNG Terminals in den Importländern
sind vorhanden.
Europa ist auch für russisches Erdöl der wichtigste Markt.
Deutschland ist der größte Importeur von russischem Erdöl,
gefolgt von den Niederlanden und China. Im Unterschied zu
Gas, gibt es bei den Erdölimporten eine viel stärkere Diversi-
fikation bezüglich der Importländer und deshalb keine starke
Abhängigkeit. Zudem ist es bei Erdöl wesentlich leichter auf
andere Exportländer auszuweichen, da der Erdölhandel viel
flexibler ist, zumal er nicht auf Pipelines oder spezielle LNG-
Tanker angewiesen ist.
Trotz geopolitischer Differenzen infolge der Ukraine-Krise wird
Russland auch in Zukunft für Europa ein wichtiger Erdöl- und
Gaslieferant bleiben. So begannen die russische staatliche
Erdölgesellschaft Rosneft und der amerikanische Ölmulti
ExxonMobil im August 2014 trotz Sanktionen gemeinsame Pro-
bebohrungen in der Karasee im Nordpolarmeer. Ob die neuen
verschärften Sanktionen dieses Projekt tatsächlich stoppen
werden, bleibt abzuwarten. Die Vorteile für Europa und Russ-
land, vor allem wegen der geographischen Nähe und der über
Jahrzehnte aufgebauten guten Beziehungen sind zu groß und
die Handelsbeziehungen zu eng verflochten, als dass sie von
geopolitischen Auseinandersetzungen dauerhaft geschädigt
werden können. Als eine logische Folge der Ukraine-Krise wird
aRussland versuchen neben Europa neue Märkte zu erschlie-
ßen, wie sich bereits gezeigt hat (kürzlich abgeschlossener
Gasliefervertrag mit China), und Europa wird sich bemühen,
seine Gasimport-Abhängigkeit von Russland zu verringern.
0 100 200 300 400 500 600 700 800
Ungarn
Bulgarien
Großbritannien
Spanien
Frankreich
Italien
Japan
Lituanien
Schweden
Finnland
Weissrussland
Polen
China
Niederlande
Deutschland
Graph 6
Russland: Erdölexporte - wichtigste Exportdestinationen 2012Quelle: Global Trade Atlas, US Energy Information Administration (EIA)
(1000 Barrels pro Tag)
89
China, mit nahezu 1,4 Milliarden Einwohnern, das bevöl-
kerungsreichste Land der Welt, ist dank seiner rasant
wachsenden Wirtschaft weltweit sowohl der größte Ener-
gieverbraucher als auch der größte Energieproduzent. Der
steigende Wohlstand erhöht den Energiekonsum fortwäh-
rend und hat China zu einem der einflussreichsten „Player“
auf den Welt-Energiemärkten gemacht. Welche Strategien
für die Zukunft hat China, um die ständig steigende Ener-
gienachfrage zu befriedigen und vor allem um die enormen
energieabhängigen CO2-Emissionen zu verringern?
In den vergangen Jahrzehnten hat die rasant wachsende chine-
sische Wirtschaft zu einem ständig steigenden Pro-Kopf-Ein-
kommen geführt. Zusammen mit der stark wachsenden Indus-
trialisierung hat sich Chinas Primär-Energieverbrauch1 in den
vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Im Jahre 2010 hat China
die USA als größten Energiekonsumenten überholt. Während
im Jahre 2012 auf 1000 Einwohner gerade 80 Autos entfielen,
werden laut neuesten Prognosen im Jahre 2035 380 Autos auf
1000 Einwohner entfallen. Allein dieser Indikator zeigt, welches
potentielle Wachstum im Energiebereich in Zukunft erwartet
werden kann.
Die rasante Entwicklung Chinas im Energiesektor in den ver-
gangenen Jahrzehnten und der zukünftige Energieverbrauch
zeigt Graphik 1. Während Chinas Anteil am weltweiten Ener-
gieverbrauch im Jahre 1990 lediglich 8,2% betrug, stieg der
Anteil im Jahre 2010 auf fast 20% an. Laut Prognosen von BP
1 Der Primärenergieverbrauch ist der Verbrauch der direkt in der Natur vor-
kommenden Energieträger Erdöl, Kohle, Erdgas, Uran sowie der erneuer-
baren Energiequellen. Primärenergie wird durch verschiedene Verfahren
in nutzbare Energie, d.h. in Endenergie umgewandelt. Ein Beispiel ist die
Erzeugung von Strom und Wärme in aus dem Primärenergieträgern Holz,
Kohle oder Gas.
Graph 1
China: Pro-Kopf-Einkommen und -EnergieverbrauchQuelle: Internationaler Währungsfond, BP Statistical Review of the World Energy June 2014
(US $) (MTOE)
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0 2012
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
BIP pro Kopf Primärenergieverbrauch
China im Wettlauf um Energie-Ressourcen
90
wird China im Jahre 2035 bereits über ein Viertel des weltwei-
ten Energieverbrauchs ausmachen. China wird dann mehr als
doppelt so viel Energie verbrauchen wie die USA und 80% des
gesamten Energieverbrauchs aller OECD-Länder ausmachen.
Mit einem Anteil von 22% am weltweiten Energieverbrauch
war China im Jahre 2013 die Nummer 1. China ist auch der
weltweit größte Konsument von Kohle und Wasserkraft. Beim
Verbrauch von Erdöl und Erneuerbaren Energien nimmt China
nach den USA Rang zwei ein, während es bei Gas auf Platz 4
liegt und bei der Elektrizitätsgewinnung aus Atomkraft Platz 5
einnimmt. (siehe Tabelle 1). Als Folge des ständig wachsenden
Erdölverbrauchs hat China 2014 zum ersten Mal die USA bei
den Netto-Erdölimporten auf Platz zwei verwiesen. China ist
weltweit der größte Kohleproduzent, -konsument und -impor-
teur. Ungefähr 50% des weltweiten Kohleverbrauchs entfällt
auf China, ein Grund dafür, dass China für die weltweit höchs-
ten CO2-Emissionen verantwortlich ist (siehe Graph 2). Als Fol-
ge der rapid steigenden Industrialisierung und Modernisierung
der Wirtschaft steht China auch bei der Elektrizitätsgewinnung
weltweit an erster Stelle. Zwischen 2000 und 2013 konnte China
seine Elektrizitätsgewinnung vervierfachen.
Mit 67% Anteil am Gesamtenergieverbrauch nimmt Kohle den
dominierenden Platz ein. Erdöl liegt mit einem Anteil von 18%
auf Platz 2, gefolgt von Wasserkraft mit 7%, Gas mit 5% und
erneuerbare Energie und Atomenergie mit 2% und 1%. Die-
ses Ungleichgewicht zugunsten von Kohle hat dramatische
Folgen bezüglich der CO2-Emissionen. China ist für die weltweit
höchsten energieabhängigen CO2-Emissionen verantwortlich.
Graph 2
Weltweiter Energieverbrauch nach RegionenQuelle: BP Energy Outlook 2035, January 2014(Millionen Tonnen Erdölequivalent)
2000018000100001400012000100008000600040002000
01990 2000 2010 2020 2025 2030 2035
OECD China Indien Restliche Länder
Tabelle 1
Energieverbrauch nach Energieträger: die 5 größten Verbraucherländer 2013 (Million Tonnen Erdöläquivalent)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Erdöl Gas Kohle Atomenergie Wasserkraft Erneuerbare Energie
Gesamtenergie-verbrauch
USA 831 USA 671 China 1925 USA 188 China 206 USA 59 China 2852
China 507 Russland 372 USA 456 Frankreich 96 Kanada 89 China 43 USA 2266
Japan 209 Iran 146 Indien 324 Russland 39 Brasilien 87 Deutschland 30 Russland 699
Indien 175 China 145 Japan 129 Südkorea 31 USA 62 Spanien 17 Indien 595
Russland 153 Japan 105 Russland 94 China 25 Russland 41 Brasilien 13 Japan 474
Welt 4185 Welt 3020 Welt 3827 Welt 563 Welt 856 Welt 279 Welt 12730
China's Anteil am weltweiten Energieverbrauch in %
12,1 4,8 50,3 4,4 24,1 15,4 22,4
91
Die gesundheitlichen Folgen sind in manchen Industriegebie-
ten Chinas dramatisch. Deshalb versucht China in Zukunft den
Anteil der Kohle im Gesamtenergiemix und generell den Anteil
von fossilen Energieträgern zu verringern. Um diese Ziele
zu erreichen, werden enorme Investitionen in Erneuerbare
Energien getätigt und für die kommenden Jahre und Jahrzehn-
te sind viele neue Atomkraftwerke geplant. Da China enorme
Schiefergasreserven hat, wird auch der Gassektor mit Hilfe
der Technologien der internationalen Ölgesellschaften stark
ausgebaut. Gas hat verglichen mit Kohle und auch mit Erdöl
weit weniger CO2-Emissionen. Man kann davon ausgehen, dass
Kohle auch in Zukunft den größten Teil am Gesamtenergiever-
brauch Chinas ausmachen wird.
Graph 3
China: Verbrauch nach Energieträger 2013 (Anteile in %)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
Kohle67%
Atomenergie1%
Wasserkraft7%
Erneubare Enerigie2%
Erdöl18%
Gas5%
Graph 4
Weltweite energiebedingte CO2-EmissionenQuelle: US Energy Information Administration – International Energy Outlook 2013
50000
45000
40000
35000
30000
25000
20000
15000
10000
5000
02010 2015 2020 2025 2030 2035 2040
China USA Indien Rest Nicht-OECD Rest OECD
(Millionen Tonnen)
92
Obwohl China neben Kohle auch über bedeutsame Erdölvor-
räte verfügt, muss es pro Jahr über 4 Millionen Barrels/Tag
importieren, um die heimische Nachfrage zu decken. Die bei-
den größten nationalen chinesischen Öl/Gas-Gesellschaften,
die China National Petroleum Company (CNPC) und die China
Petroleum and Chemical Corporation (SINOPEC) können sich
inzwischen unter die 10 weltweit größten Erdölgesellschaften
einreihen. Sie sind sowohl für den „Upstream“-Sektor (Ex-
ploration und Förderung von Erdöl und Gas) als auch für den
„Downstream“-Sektor (Raffinerie, Marketing und Vertrieb
von Erdölprodukten und Gas) in China verantwortlich. Neben
diesen beiden Gesellschaften gibt es noch eine Reihe anderer
wichtiger Firmen, die im Energiesektor tätig sind. Für techno-
logisch besonders aufwendige Tätigkeiten wie zum Beispiel
Tiefsee-Exploration oder Schiefergasförderung haben auch
internationale Ölgesellschaften Zugang zum chinesischen
Energiesektor. Die großen chinesischen Erdölgesellschaf-
ten sind auch im Erdöl- und Gassektor in vielen Ländern an
Projekten beteiligt und sind strategische Partnerschaften
mit Internationalen Ölgesellschaften eingegangen, um das
technische Knowhow zu akquirieren. Dank der enormen Devi-
senreserven (Chinas Devisenreserven sind Mitte 2014 auf die
Rekordhöhe von 3,9 Billionen US-Dollar gestiegen) ist China
auch in der Lage sich großzügig an ausländischen Energiefir-
men zu beteiligen.
Graph 5
China: Erdölimporte nach Ländern 2011 (Anteile in %)Quelle: US Energy Information Administration, Country Analysis Briefs China Feb.2014
Irak5%
Oman7%
Russland8%
Iran - 11%
Angola - 12%
Kongo - 2%Brasilien - 3%
Kuwait - 4%
Kazachstan - 4%
Venezuela - 5%
Sudan - 5%
Vereinigte ArabischeEmirate - 3%
Saudi Arabien20%
Rest11%
Um die Nachfrage mit genügend Erdölimporten zu versorgen
und um geopolitische Risiken zu minimieren, war es für China
immer vorrangig die Importe möglichst stark zu diversifi-
zieren. Deswegen sind Chinas Erdölimporte stark gestreut
(siehe Graph 5). In vielen Ländern, aus welchen China Erdöl
importiert, haben Chinas nationale Ölgesellschaften CNPC und
SINOPEC auch Beteiligungen an der Erdölförderung.
93
China importiert Gas über Pipelines aus den zentralasiatischen
Ländern Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan, sowie LNG
aus verschiedenen asiatischen Ländern, dem Mittleren Osten,
Afrika, Europa und Südamerika. Als Folge der Ukraine-Krise
hat Russland im vergangenen Mai mit China einen Gaslieferver-
trag, der schon seit circa einem Jahrzehnt erfolglos verhandelt
wurde, abgeschlossen. Die nationale russische Gasgesellschaft
GAZPROM wird 38 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr über 30
Jahre lang von den Ost-Sibirischen Gasfeldern per Pipeline nach
China liefern. Die Pipeline „Power of Siberia“ wird eine Länge
von 4000 km haben und über eine Maximalkapazität von bis zu
60 Milliarden Kubikmetern pro Jahr verfügen. Nach offiziellen
Angaben werden die Gaslieferungen nach Fertigstellung der
Pipeline im Jahr 2019 beginnen. Dieser Vertrag ist der größte
Gasliefervertrag, den GAZPROM je abgeschlossen hat und wird
für China ein Meilenstein in der Gasversorgung des Landes sein.
Geplante Gas Pipeline „Power of Siberia“ von Russland nach China
Altai Pipeline 1/ Erdöl- und Gas Lagerstätten
Geplante Gas Pipelines
Erdöl- und Gas LagerstättenPower of Siberia Pipeline
1/ Geplante Pipeline von West-Sibirien nach Nord-West China. Anstatt dieser Pipeline wird nun die „Power of Siberia“ Pipeline gebaut.
Voraussichtliche Fertigstellung der Pipeline: 2019
Länge der Pipeline: 4000 km
CHINA
CHINA
Russland
Graph 6
China: LNG Importe nach Ländern 2011 (Anteile in %)Quelle: US Energy Information Administration, Country Analysis Briefs China Feb. 2014
Indonesien17%
Ägypten - 2%Russland - 2%
andere Länder - 2%
Trinidad - 2%
Malaysia13%
Jemen7%
Nigeria6%
Katar19%
Australien30%
94
Um die ständig steigende Nachfrage nach Erdölprodukten zu
decken, hat China seine Raffineriekapazität ausgebaut und die
bestehenden Raffineriezentren modernisiert, um den verän-
derten Markgegebenheiten Rechnung zu tragen. Im Jahre 2013
betrug Chinas Raffineriekapazität circa 12,5 Millionen Barrels/
Tag. Damit kann es nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern
auch Erdölprodukte exportieren. Während in Europa in den
vergangenen Jahren viele Raffinerien wegen Überalterung,
sinkender Nachfrage oder mangelnder Profitabilität schließen
mussten, erlebt Chinas Raffineriesektor einen nie dagewese-
nen Aufschwung.
Laut Prognosen von anerkannten Institutionen wie Weltbank
oder Internationaler Währungsfond wird Chinas Wirtschaft
weiter stark wachsen, der Energieverbrauch weiter anstei-
gen und Chinas Rolle auf den Weltenergiemärkten weiter an
Bedeutung gewinnen. Eine Diversifizierung weg vom extrem
dominierenden Kohlekonsum in Chinas Energiemix hin zu
saubererer Energie wie Erdgas, erneuerbarer Energie und
Atomenergie sowie zu mehr Energieeffizienz ist oberste Priori-
tät von Chinas Energiepolitik, vor allem um die immer gravie-
render werdende Umweltverschmutzung zu verringern. Wie
schnell es gelingen wird diese Pläne zu verwirklichen und die
enormen CO2-Emissionen zu reduzieren, bleibt abzuwarten.
14
12
10
8
6
4
2
0 2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
(Millionen Barrels/Tag)
Graph 7
China: Entwicklung der Raffineriekapazität 1980-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014
95
Die Atomkatastrophe von Fukushima in Japan im Jahre 2011
hat von neuem eine breite Diskussion über die Gefahren der
nuklearen Stromgewinnung hervorgerufen. Als Folge dieser
verheerenden Katastrophe haben einige Länder wie zum Bei-
spiel Deutschland beschlossen, ihre Pläne zum Ausbau ihres
Atomprogramms zu stoppen und stufenweise ihre Atom-
kraftwerke zu schließen. Wird der Anteil von Atomstrom am
Gesamt-Stromverbrauch, der derzeit weltweit circa 15 %
beträgt, in Zukunft sinken oder steigen?
Die zivile Nutzung der Atomenergie in Atomkraftwerken
begann um die Mitte der 1950er Jahre. Im Jahr 1957 wurde
zum Zwecke der friedlichen Nutzung der Kernenergie die
Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) gegründet. In
den folgenden Jahrzehnten wurden in vielen Industriestaaten
Atomkraftwerke gebaut und deren Leistung pro Reaktor wuchs
schnell an. Seit den 1970er Jahren kam es in vielen Ländern
zu Anti-Atomkraft-Bewegungen, da viele Bürger wegen der
großen Risiken die zivile Nutzung der Atomenergie ablehnten.
Die zwei Erdölschocks mit drastisch ansteigenden Erdölprei-
sen in den 1970er Jahren ließen die Atomenergie weiter stark
anwachsen, obwohl Erdöl sowohl damals als auch heute bei
der Elektrizitätsgewinnung eine untergeordnete Rolle spielt.
Gigwatt
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Anzahl
500
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Kapazität (GW)
Anzahl der aktiven Atomkraftwerke
Graph 1
Weltweite Entwicklung der Atomkraftwerke und Kapazitäten 1954-2013Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)
Ist Atomstrom verzichtbar?
96
Der Atomunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island in den
USA 1979 sowie die Katastrophen von Tschernobyl 1986 und
Fukushima 2011 machten die Gefahren und Risiken von Kern-
kraftwerken für Bevölkerung und Natur deutlich. Seit Ende
der 1980er Jahre verlangsamte sich der Ausbau der Atomkraft
deutlich. Infolge der niedrigen Zuwachsraten sowie der Stillle-
gung von Reaktoren, insbesondere nach der Katastrophe von
Fukushima, betrug die Anzahl der Kernkraftwerke weltweit im
Jahr 2013 434 mit einer installierten Leistung von 372 GW1.
Mit circa 100 Kernkraftwerken stehen die USA an der Spitze,
gefolgt von Frankreich mit fast 60 Atomkraftwerken und Japan
mit knapp 50. Dann folgen Russland, Südkorea, China und
Indien. Obwohl an der Spitze drei OECD-Staaten liegen, so zeigt
sich doch, dass die wirtschaftlich aufstrebenden Schwellen-
länder Russland, China und Indien auch an vorderster Stelle
stehen. Auffallend ist auch, dass Länder mit einem großen
Potential an fossilen und erneuerbaren Energiereserven und
Ressourcen wie zum Beispiel Russland, Brasilien, Mexiko und
Iran, Atomenergie nutzen.
1 IAEA- International Atomic Energy Agency , Nuclear Power Reactors in the
World 2014 edition
0 20 40 60 80 100(Anzahl)
USAFrankreichJapanRusslandSüdkoreaChinaIndienKanadaGroßbritannienUkraineSchwedenDeutschlandBelgienSpanienTschechishe Rep.SchweizFinnlandUngarnSlowakeiArgentinienPakistanBrasilienBulgarienMexikoRumänienSüdafrikaArmenienIranNiederlandeSlowenien
Graph 2
Anzahl der weltweit im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke 2013: 434Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)
97
2910
11111
22222
55
6
ChinaRussland
IndienUSA
SüdkoreaVereinigte Arabi-
sche EmirateUkraine
SlowakeiPakistan
JapanFrankreich
FinnlandBrasilien
WeißrusslandArgentinien
0 5 10 15 20 25 30 35
Graph 3
Anzahl der im Bau befindlichen Atomkraftwerke: 71Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)
Derzeit befinden sich 71 Atomkraftwerke im Bau, wobei China
mit 27 Neuerrichtungen an erster Stelle liegt, gefolgt von
Russland, Südkorea, Indien und den USA. In den westeuropä-
ischen Ländern dagegen werden nur wenige neue Atomkraft-
werke gebaut. Nach dem Unfall von Fukushima hat in diversen
europäischen Ländern ein Umdenken begonnen. Weltweit ist
die Atomenergie jedoch im Wachsen begriffen. Zusätzlich zu
den 71 im Bau befindlichen Kernkraftwerken befinden sich
circa 100 Atomkraftwerke in der Planungs- und/oder Geneh-
migungsphase. Auch hier ist China an der Spitze, gefolgt von
Russland, den USA und Indien.
Graph 4
Anteil von Atomstrom an der weltweiten ElektrizitätgewinnungQuelle: ExxonMobil 2014 - The Outlook for Energy: A View to 2040
15%1 20%
26%28%
6%
7%10%
7%
7%
3%
2%
4%
6%
24%
45% 41%
33%
2010 2025 2040
16%
Erdöl Atomenergie
Gas Wasserkraft
Kohle andere erneuerbare Energien
Atomstrom hat im Jahre 2010 15% der weltweiten Stromerzeu-
gung ausgemacht. Laut Prognose von ExxonMobil wird der An-
teil im Jahre 2025 auf 16% steigen und 2040 20% ausmachen.
Prognosen anderer Firmen/Organisationen zeigen ein ähn-
liches Bild. Schaut man sich die OECD- und die Nicht-OECD-
Länder an, so ergibt sich ein differenzierteres Bild.
Tabelle 1
Anteil von Atomstrom an der Elektrizitätsgewinnung
2010 2025 2040
OECD 26% 28% 32%
Nicht-OECD 5% 8% 15%
98
Der Anteil ist und wird auch in Zukunft in den OECD-Ländern
wesentlich höher sein als in den Nicht-OECD-Ländern. Das
Wachstum in den Schwellenländern China, Russland und
Indien ist jedoch wesentlich stärker, der Anteil von 5% im Jahre
2010 wird im Jahre 2040 auf 15% steigen.
Wie stark sind die einzelnen Länder in der Elektrizitätsgewin-
nung von Atomstrom abhängig? Wie aus Graph 5 ersichtlich
ist, zeigt sich ein stark divergierendes Bild. Insgesamt gibt es
weltweit 31 Länder, die Atomenergie zur Elektrizitätsgewin-
nung nutzen. Der Anteil der Nutzung der Kernenergie zur Elek-
trizitätsgewinnung variiert je nach Land sehr stark. Frankreich
führt mit einem Anteil von über 70%, gefolgt von Belgien und
der Slowakei mit circa 50% und der Ukraine und Schweden mit
über 40%. Vor allem in den europäischen Ländern hat Atom-
strom einen hohen Anteil an der Stromgewinnung.
Uran ist der Rohstoff, der für die Atomenergieerzeugung be-
nötigt wird. Wie fossile Energieträger steht auch Uran nicht un-
endlich zur Verfügung. Die derzeitigen Uranreserven belaufen
sich laut BGR2 auf 2,16 Millionen Tonnen. 98% der Uranreser-
ven sind auf nur 11 Länder verteilt. Das Land mit den größten
Reserven ist Australien, gefolgt von Kanada, Kasachstan,
Brasilien und China. Diese 5 Länder machen bereits 84% der
gesamten Reserven aus. Nimmt man noch Russland, Südaf-
rika, Niger, die USA, Namibia und die Ukraine dazu, so kommt
man auf 98% der weltweiten Uranreserven. Die geschätzten
Uranressourcen (das sind die Vorräte, die derzeit entweder aus
wirtschaftlicher oder technologischer Sicht noch nicht geför-
dert werden können) belaufen sich auf 13 Millionen Tonnen.
In der folgenden Abbildung ist die weltweite Verteilung von
Uranreserven und Ressourcen aufgezeigt.
2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover – Energie-
studie 2013
kumulierte Förderung
URAN
Ressourcen
Reserven in Mt
Ressourcen 13,0 MtReserven 2,6 MtFörderung 2012 0,06 Mt
Uran: Weltweite Reserven und RessourcenQuelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover – Energiebericht 2013MT= MillionTonnen
99
Die Uranproduktion liegt in den Händen einiger weniger Kon-
zerne. 2012 wurden 82% der weltweiten Uranproduktion von
lediglich acht Großkonzernen gefördert. Auch auf der Ver-
braucherseite wird der größte Teil des Urans nur von einigen
wenigen Ländern verbraucht, wobei über die Hälfte auf nur
drei Länder entfällt: die USA, Frankreich und China. Uran
wird weltweit hauptsächlich über langfristige Lieferverträge
gehandelt.
Trotz der Reaktorkatastrophe von Fukushima und dem da-
rauffolgenden Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie
sowie dem Atomausbaustopp von Italien, der Schweiz und
Belgien ist die weltweite Uranproduktion in den vergangenen
Jahren weiter gestiegen. Die größten Uran-Produzenten sind
Kasachstan, Kanada und Australien mit einem Anteil von 63%
an der weltweiten Uranproduktion. In Kanada befindet sich
die weltweit größte Lagerstätte, der McArthur River, welche
Frankreich
Belgien
Slowakei
Ungarn
Ukraine
Schweden
Schweiz
Tschechische Rep.
Slowenien
Finnland
Bulgarien
Armenien
Südkorea
Rumänien
Spanien
USA
Taiwan
Großbritannien
Russland
Kanada
Deutschland
Südafrika
Mexiko
Pakistan
Argentinien
Indien
Niederlande
Brasilien
China
Japan
Iran
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
73,3%
52,1%
51,7%
50,7%
42,7%
36,4%
35,9%
33,6%
33,3%
30,7%
29,2%
27,6%
19,8%
19,7%
19,4%
19,1%
18,3%
17,5%
16,0%
15,4%
5,7%
4,6%
4,4%
4,4%
3,5%
2,8%
2,8%
2,1%
1,7%
1,5%
43,6%
Graph 5
Anteil des Atom-stroms in der Elektrizitätsge-winnung nach Ländern (Ende 2013)Quelle: Internationale Ato-menergieagentur (IAEA)
100
13% der globalen Uranproduktion abdeckt. Laut BGR ist aus
geologischer Sicht für die kommenden Jahrzehnte genügend
Uran vorhanden. Mittel- bis langfristig ist durch zunehmende
Explorationstätigkeit mit einer Ausweitung der Uranvorkom-
men zu rechnen.
Vor allem in Asien und im Mittleren Osten, aber auch in Nord-
und Südamerika wird weiter am Atomstrom festgehalten und
werden neue Kernkraftwerke geplant. Seit die Verringerung
der CO2-Emissionen auf der politischen Agenda steht, versu-
chen Vertreter der Atomlobby und Atomkraft-Befürworter
darauf hinzuweisen, dass Atomstrom billig sei und sich positiv
auf den Klimaschutz auswirke, da bei der Erzeugung keine
CO2-Emissionen anfallen. Zudem sei eine hohe Versorgungssi-
cherheit gegeben, da Uran noch reichlich vorhanden sei. Atom-
kraftgegner stehen solchen Vorschlägen negativ gegenüber,
indem sie anführen, dass Atomstrom weder billig noch sauber
sei. Das Argument vom billigen Atomstrom sei nicht haltbar, da
die Kosten des Rückbaus von Atomkraftwerken sowie die Kos-
ten von Störfällen nicht kalkulierbar seien. Ein Kostenvergleich
mit anderen Energieträgern sei gar nicht möglich, da die Frage
der Endlagerung nicht geklärt ist und somit ein wesentlicher
Teil der Kosten gar nicht erfasst werden könne. Massive Inves-
titionen in die Atomenergie würden die dringend notwendigen
Investitionen in Energieeffizienz und in erneuerbare Energien
verzögern. Die Liste der Standpunkte der Atomenergie-Befür-
worter und -Gegner ist lang.
Die Frage, ob Atomstrom unverzichtbar ist oder nicht, ist letzt-
lich eine politische bzw. eine wirtschaftliche Frage und muss
für jedes Land einzeln beantwortet werden. Wenn Länder,
wie Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie schaffen,
sollte es auch für andere Länder möglich sein, ohne Atom-
strom auszukommen. Diverse Studien haben ergeben, dass
der weltweite Stromverbrauch auch ohne Atomstrom abge-
deckt werden kann, wenn von der Politik die entsprechenden
Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie zum Beispiel
gesetzliche Richtlinien für die Steigerung der Energieeffizienz
und die Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien.
Je stärker die Abhängigkeit von Atomstrom in einem Land ist,
desto schwieriger gestaltet sich ein Ausstiegsszenario und ist
wohl nur über einen sehr langen Zeitraum zu bewerkstelligen.
Länder, die sehr stark vom Atomstrom abhängig sind, verfü-
gen oft über hochentwickelte Technologien zur Errichtung von
Kernkraftwerken, die sie nicht nur im eigenen Land nutzen,
sondern auch an andere Länder weiterverkaufen. Ein Ausstieg
aus der Kernenergie würde so große wirtschaftliche Nachteile
mit sich bringen, da wichtige, vor allem kapitalintensive In-
dustriezweige im Land aufgelassen werden müssten, Techno-
logietransfer und Exporte negativ davon betroffen wären und
Arbeitsplätze verlorengingen.
Ein Atomausstieg auf globaler Ebene wäre zwar langfristig
möglich, erscheint aber unwahrscheinlich. Aus heutiger Sicht
kann man davon ausgehen, dass der Anteil von Atomstrom an
der Stromerzeugung weltweit weiter zunehmen wird, wie die
diversen Prognosen aufzeigen.
101
Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts wurden die Erdöl-
märkte von einigen wenigen Erdölgesellschaften beherrscht,
die eine weitgehende Oligopol-Stellung innehatten. Erst mit
der Nationalisierung der Erdölindustrie und der Gründung
Nationaler Ölgesellschaften in den wichtigsten Produzenten-
ländern in den 1970er Jahren, sowie der Gründung der OPEC1
wurde die Oligopol-Stellung der Ölmultis im Erdölsektor
gebrochen. Auch der wirtschaftliche Aufschwung nationaler
Ölgesellschaften in einigen wichtigen Erdölkonsumenten-
ländern, wie zum Beispiel in Frankreich (CFP wurde später
privatisiert und in TOTAL SA umgewandelt) und Italien (Eni)
rüttelte an der Oligopol-Stellung der Ölmultis. Trotzdem
gehören sie auch heute noch zu den weltweit größten und
mächtigsten Konzernen. Welche Rolle spielen sie heute im
Energiesektor?
Als Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und Anfang des 20.
Jahrhunderts im Mittleren Osten erstmals Erdöl in kommer-
ziellem Maße gefördert wurde, kam es zur Gründung interna-
tionaler Erdölgesellschaften (IOCs). Firmen, wie Exxon, Mobil,
Shell und BP waren bereits damals im Erdölsektor tätig, wenn
auch teilweise unter anderem Namen. Da Erdöl einer der wich-
tigsten und meistverwendeten Rohstoffe ist - einerseits als
Treibstoff im Transport und als Brennstoff in der Wärmeerzeu-
gung und andererseits als Rohstoff in der Chemieindustrie -,
gehört die Erdöl- und Gasindustrie zu den wichtigsten und vor
allem auch zu den kapitalintensivsten Wirtschaftszweigen. Seit
dem Beginn der kommerziellen Erdölförderung spielten einige
wenige Ölgesellschaften die dominierende Rolle in der Erdö-
lindustrie. Sie verfügten über die Reserven, waren zuständig
für die Exploration, die Förderung, die Lagerhaltung und den
Vertrieb; ihnen gehörten die Öltanker, welche das Erdöl in alle
Welt brachten, sie verkauften die Produkte aus Erdöl (Benzin,
Diesel, Heizöl etc.) und nicht zuletzt bestimmten sie den Preis.
Die Länder, in denen die Erdölvorkommen waren, bekamen le-
diglich einen bestimmten Anteil an Steuern für das geförderte
Erdöl, welcher von den IOCs einseitig bestimmt wurde. Im Jahr
1928 trafen sich die Chefs der sieben führenden Erdölkonzer-
ne, genannt die „Seven Sisters“2 und teilten im Abkommen von
1 Die OPEC (Organisation Erdöl-exportierender Länder) wurde 1960 in Bagdad
gegründet mit dem Ziel den Produzentenländern mehr Recht über ihre Res-
sourcen zu erlangen
2 Die Gruppe inkludierte folgende sieben Erdölkonzerne: die Anglo-Persian Oil
Company (jetzt BP); Gulf Oil, Standard Oil of California (SoCal), Texaco (jetzt
Chevron); Royal Dutch Shell; Standard Oil of New Jersey (Esso) and Standard
Oil Company of New York (Socony) (jetzt ExxonMobil).
Welche Rolle spielen internationale Ölgesellschaften im Energiesektor?
102
Achnacarry die Einflusssphären und Produktionsgebiete unter-
einander auf, ohne die Regierungen oder gar die Völker der
betroffenen Regionen im Mittleren Osten mit einzubeziehen.
Fortan beherrschten diese Ölkonzerne den Erdölmarkt bis in
die Mitte der 1970er. Der Begriff „Seven Sisters“ soll auf den
italienischen Eni-Manager Enrico Mattei3 zurückgehen. Von den
damals sieben führenden Ölkonzernen existieren heute noch
vier – ExxonMobil, Chevron, Royal Dutch Shell und BP - und
sie zählen auch heute noch zu den größten und mächtigsten
Erdölkonzernen und rangieren auch unter den 20 weltgrößten
Konzernen (siehe Tabelle 4).
Die Ölkonzerne ExxonMobil, Chevron, Shell, BP hat es schon
vor 1900 gegeben, wenn auch zum Teil unter anderem Namen.
Diese vier Konzerne zusammen mit Total und ConocoPhillips
werden oft als die Super Majors im Erdölgeschäft bezeich-
net. Neben diesen Ölgesellschaften gibt es noch viele andere
internationale oder nationale Erdölgesellschaften, wie Aramco
aus Saudi Arabien, CNPC und SINOPEC aus China, Gazprom
(Russland), Eni (Italien) und viele mehr, die im Erdöl- und Gas-
geschäft eine wichtige Rolle spielen.
1960 wurde in Bagdad die OPEC4 gegründet mit dem Ziel, dass
die Mitgliedsländer die volle Souveränität über Ihre Erdölvor-
kommen erlangen. Im ersten Jahrzehnt ihres Bestands wurde
die OPEC kaum beachtet, erst in den 1970er Jahren erlangte sie
internationalen Einfluss, als die Mitgliedsländer die Petro-
leumindustrie verstaatlichten und als sie im Jahre 1973 zum
ersten Mal bei der Erdölpreisgestaltung mitwirkten. In den
1970er Jahren kam es zu einer Welle von Nationalisierungen
und Enteignungen im Erdölsektor in den ölreichen Ländern des
Mittleren Ostens und in anderen ölreichen Regionen. Parallel
dazu wurden nationale Ölgesellschaften gegründet, die zum
Teil die Aufgabenbereiche der Internationalen Ölkonzerne
(IOCs) übernahmen. Es kam zu einer grundlegenden Verände-
rung im internationalen Erdölsektor. Die internationalen Öl-
multis konnten fortan nicht mehr einseitig den Ölpreis bestim-
men und konnten auch nicht mehr über die Reserven verfügen,
da diese nun von den Ländern, in denen das Erdöl vorkam, als
ihr Eigentum verwaltet wurde. Es gab verschiedene Gründe,
3 Enrico Mattei reorganisierte und vergrößerte nach dem 2. Weltkrieg die Ita-
lienische Erdölgesellschaft Eni. Es gelang ihm wichtige Erdölkonzessionen
im Mittleren Osten auszuhandeln und ein wichtiges Handelsabkommen mit
der Sowjetunion abzuschließen, was auch dazu beitrug, die Oligopolstellung
der „Seven Sisters“ zu schwächen. Er war es auch, der sehr zum Unmut der
„Seven Sisters“. den Produzentenländern einen höheren Profitanteil an der
Erdölförderung zukommen ließ.
4 Die Gründerländer der OPEC waren Saudi Arabien, Iran, Irak, Kuwait und
Venezuela. Inzwischen hat die OPEC noch weitere sieben Mitgliedsländer:
Algerien, Angola, Nigeria, Libyen, Katar, Vereinigten Arabische Emirate und
Ecuador.
103
weshalb die Erdölländer die bis dahin geltenden Verträge
(„concession agreements“) mit den IOCs einseitig veränderten.
Ein Hauptgrund war, dass sie über die Rohstoffvorkommen in
ihren Ländern selbst bestimmen wollten. Zudem kam es in den
1970er und 1980er Jahren zu stark steigenden Erdölpreisen,
wobei die Länder auch ihren gerechten Anteil einforderten.
Anstelle der „concession agreements“, bei denen die Verhand-
lungsmacht einseitig zugunsten der Investoren, nämlich der
IOCs verteilt war, entwickelten sich neue Vertragsformen, bei
denen die IOCs in Kooperation mit den Nationalen Ölgesell-
schaften (NOCs) die diversen Tätigkeiten im Erdölsektor durch-
führten und wo vor allem die NOCs und die IOCs gleichwertige
Partner wurden. Es entwickelten sich vier typische Vertrags-
formen5 zwischen den Investoren (IOCs) und den Produzenten-
ländern bzw. den NOCs, die bis heute Anwendung finden. Die
Verhandlungsmacht der Produzentenländer ist umso stärker,
je größer die Erdöl-Reserven und die Erdölproduktion bzw. die
Erdölexporte des jeweiligen Landes sind.
Graph 1
Anteil der Nationalen Ölgesellschaften (NOCs) und Internationalen Ölgesellschaften (IOCs) an der weltweiten Erdöl- und Gas-IndustrieQuelle: EIG Petroleum Intelligence Weekly (PIW) ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012.
ErdölProduktion
Gas Produktion
Erdöl Reserven
Gas Reserven
Produkte Verkauf
RaffinerieKapazität
(Destillation)
(%)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Nationale Ölgesellschaften (NOCs) Internationale Ölgesellschaften (IOCs)
Außerdem spielt es eine Rolle, über welches technische
Knowhow die NOCs verfügen und nicht zuletzt hängt es von
den finanziellen Ressourcen des Landes ab, wie viel Verhand-
lungsspielraum für sie gegeben ist. Investitionen im Erdöl- und
Gassektor sind sehr kapitalintensiv und viele Länder haben
nicht die entsprechenden finanziellen Ressourcen und sind
daher auf Investitionen der IOCs angewiesen. Zudem ist sehr
oft ein spezielles technisches Knowhow erforderlich, um Erdöl
und -gas zu fördern, welches nur die Ölmultis haben. Auch in
diesem Falle ist eine Zusammenarbeit mit den IOCs notwendig.
Seit Erdgas im Energiesektor an Bedeutung gewonnen hat,
sind die Ölmultis auch im Gassektor stark vertreten.
Während bis in die 1970er Jahre der Großteil der weltweiten Öl-
förderung in den Händen der Ölmultis lag, beträgt ihr Anteil an
der weltweiten Ölförderung heute nur noch circa 20 Prozent,
bei Gas ist der Prozentsatz etwas höher. Den weitaus größeren
5 “modern concession contracts“, „Produktion sharing agreements“, „joint
ventures“ and „service agreements“.
104
Anteil an der weltweiten Ölförderung haben die Nationalen
Ölgesellschaften (NOCs) der erdölexportierenden Länder. Die
IOCs verfügen nur mehr über etwa als 5 % der weltweiten Öl-
und Gasreserven. Beim Verkauf von Petroleumprodukten liegt
der Anteil der IOCs immer noch bei über 30% und im Raffine-
riesektor bei etwas über 20%.
Grundsätzlich lassen sich Ölkonzerne in zwei Gruppen auftei-
len, die privaten, börsennotierten Konzerne und die staatlich
kontrollierten Erdölfördergesellschaften. Während in den USA
und in Großbritannien die Erdölgesellschaften traditionell
schon immer private, börsennotierte Konzerne waren, blieben
diese in Kontinentaleuropa bis in die 80er und 90er Jahre meist
unter staatlicher Kontrolle und wurden erst in den letzten
Jahrzehnten größtenteils privatisiert (Beispiel Total in Frank-
reich, Eni in Italien). In praktisch sämtlichen erdölexportieren-
den Ländern hingegen stehen die Erdölfördergesellschaften
unter staatlicher Kontrolle (Beispiel Aramco in Saudi Arabien,
PDVSA in Venezuela).
Wenn man sich die 10 weltgrößten Ölgesellschaften anschaut,
so finden sich darunter sowohl nationale Gesellschaften der
erdölexportierenden Länder (z. B. Saudi Aramco), staatliche
Gesellschaften großer Konsumentenländer (z.B. CNPC China)
als auch die großen internationalen Ölmultis. Verglichen mit
der Zeit vor 1970, wo lediglich die internationalen Ölmultis den
Erdölsektor beherrschten, hat sich die Struktur am Erdölmarkt
jedoch grundlegend verändert.
Bei der Erdölförderung sind vier nationale Erdölgesellschaften
von erdölexportierenden Ländern unter den ersten Fünf, an
erster Stelle rangiert die saudische nationale Ölgesellschaft
Saudi Aramco mit einem Produktionsvolumen von fast 10 Mil-
Tabelle 1
Die 10 weltweit größten Ölgesellschaftten
Saudi Aramco NIOC ExxonMobil CNPC PDVSA BP Royal Dutch Shell Gazprom Chevron Total
Saudi Arabien Iran USA China Venezuela Groß britannien Niederlande Russland USA Frankreich
Quelle: EIG-Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012. Folgende Sektoren der Erdöl-Gasindustrie wurden für den Vergleich herangezogen. Öl und Gasproduktion, Öl- und Gasreserven, Produktverkauf und Raffineriekapazität.
Tabelle 2
Quelle: EIG- Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012. Die 5 größten Erdölproduzenten Die 5 größten Gasproduzenten
Name Land 1000 Barrels/Tag Name Land Mill. Kubikfuss/Tag
Saudi Aramco Saudi Arabien 9.988 Gazprom Russland 47.050
NIOC Iran 3.680 NIOC Iran 15.486
KPC Kuwait 3.145 ExxonMobil USA 12.322
CNPC China 3.050 Saudi Aramco Saudi Arabien 10.700
INOC* Irak 2.942 QP Katar 9.880
*INOC Iraki National Oil Comapny existiert nicht mehr. Sie wird als Proxy für die Staatsholding angeführt.
105
lionen Barrels pro Tag gefolgt von der Iranischen Gesellschaft
NIOC mit einer Produktion von 3,7 Millionen Barrels pro Tag.
Bemerkenswert ist, dass sich auch eine chinesische nationale
Ölgesellschaft, nämlich die CNPC unter den Top Erdölpro-
duzenten befindet. Einerseits produziert China mehr als 4
Millionen Barrels Erdöl pro Tag im eigenen Land, andererseits
versucht das energiehungrige Land sich in diversen Ländern
durch Beteiligungen Anteile an der Erdölförderung zu sichern.
Bei der Gasproduktion liegt die russische staatliche Gasgesell-
schaft Gazprom mit 47 Millionen Kubikfuß pro Tag an erster
Stelle, gefolgt von der Iranischen NIOC, während ExxonMobil
auf Platz 3 liegt.
Beim Verkauf der Petroleumprodukte sind immer noch die Öl-
multis führend und belegen weltweit vier Plätze unter den ers-
ten fünf. Auf Platz vier kommt die chinesische Ölgesellschaft
Sinopec. Im Raffineriesektor zeigt sich ein diversifiziertes Bild.
An vorderster Stelle liegt ExxonMobil mit einer Raffinerieka-
pazität6 von über 5 Millionen Barrels pro Tag, gefolgt von den
beiden chinesischen staatlichen Ölgesellschaften Sinopec und
CNPC. Shell liegt an vierter Stelle vor der Venezuelanischen
staatlichen Ölgesellschaft PDV. Zusammenfassend kann man
sagen, dass bei der Erdöl- und Gasförderung die nationalen
Gesellschaften der exportierenden Länder eine maßgebliche
Rolle spielen, während beim Verkauf der Petroleumprodukte
und auch im Raffineriesektor die Ölmultis immer noch sehr
stark vertreten sind. Die zunehmende Bedeutung chinesischer
staatliche Ölgesellschaften, sowohl bei der Erdölförderung,
als auch im Verkauf der Petroleumprodukte, aber vor allem im
Raffineriesektor ist nicht zu übersehen.
Die immer noch wichtige Rolle der internationalen Ölmultis im
Energiesektor basiert auf folgenden Fakten: zum einen verfü-
gen diese Konzerne über eine lange Erfahrung und über eine
teils konkurrenzlose technologischen Expertise, die sie bei
vielen schwierigen Projekten, wie zum Beispiel bei der Öl- und
Gasförderung in Arktischen Regionen oder in Tiefseeregionen
unersetzlich machen. Zum anderen können sie aufgrund ihrer
enormen finanziellen Ressourcen Investitionen tätigen, die
für viele nationale Ölgesellschaften nicht möglich sind. Eine
andere wichtige Voraussetzung für die immer noch führende
Rolle der Ölkonzerne im Energiesektor ist die breite Palette an
Tätigkeitsfeldern, in denen sie tätig sind. Vor allem bei der Er-
schließung der nicht-konventionellen fossilen Energieformen,
6 Die Raffineriekapazität bezieht sich auch die Destillationskapazität
Tabelle 3
Die 5 größten Konzerne im Produktgeschäft Die 5 größten Raffineriegesellschaften
Name Land 1000 Barrels/Tag Name Land Mill.
Kubikfuß/TagRoyal Dutch Shell Niederlande 6.235 ExxonMobil USA 5.375
ExxonMobil USA 6.174 Sinopec China 5.239
BP Großbritannien 5.657 CNPC China 4.421
Sinopec China 3.548 Royal Dutch Shell Niederlande 3.360
Total Frankreich 3.403 PDV Venezuela 2.822
Quelle: EIG- Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012.
106
wie Schiefergas und Schieferöl sind die Ölmultis an vorderster
Linie. Auch im Forschungsbereich und in der Entwicklung neu-
er Technologien im Energiesektor und in der Petrochemischen
und Chemischen Industrie spielen die Ölmultis eine dominante
Rolle. So wurde zum Beispiel das Verfahren aus Gas LNG (ver-
flüssigtes Gas) herzustellen und flüssige Produkte, wie Benzin
oder Diesel aus Gas herzustellen von Shell entwickelt. Auch im
Bereich der Erneuerbaren Energien haben die Ölmultis enor-
me Investitionen getätigt. Fazit ist, dass die Ölmultis im Erdöl-
und Gassektor immer noch eine sehr wichtige Rolle spielen
und man davon ausgehen kann, dass sie auch in der Zukunft
ihre enorme Bedeutung beibehalten werden.
Wie aus Tabelle 4 ersichtlich ist, gehören die Erdöl/ Gas Ge-
sellschaften zu den weltweit größten Konzernen. Gemessen
am jährlichen Umsatzerlös sind 5 der 10 weltgrößten Konzerne
im Erdöl/Gas Sektor tätig.
Tabelle 4
Die weltweit 10 größten Konzerne (gemessen am Umsatzerlös) 2013
Konzern Land Sektor Umsatzerlös
1 Walmart USA Handel $ 476,3 billion
2 Royal Dutch ShellNiederlande
Erdöl/Gas $ 459,6 billionGroßbritannien
3 Sinoppec China Erdöl/Gas $ 457,2 billion
4 China National Petroleum Corporation China Erdöl/Gas $ 432,0 billion
5 ExxonMobil USA Erdöl/Gas $ 407,7 billion
6 BP Großbritannien Erdöl/Gas $ 396,2 billion
7 State Grid Corporation of China China Stromsektor $ 333,4 billion
8 Volkswagen Deutschland Auto $ 261,5 billion
9 Toyota Japan Auto $ 256,5 billion
10 Glencore Schweiz Rohstoffe $ 232,7 billion
Quelle: Fortune Magazin 7 Juli 2014
107
Der Europäische Gasmarkt im Umbruch
Mit fast einem Viertel am Gesamtenergieverbrauch spielt Gas
eine sehr wichtige Rolle in Europa1. In einigen europäischen
Ländern, wie z.B. in Italien oder Großbritannien beträgt der
Gasverbrauch am Gesamtenergieverbrauch sogar 36 % bzw.
33%. Europa hat einen Anteil von über 40% an den weltwei-
ten Gasimporten. Die Gaspreise sind deshalb von zentraler
Bedeutung einerseits für die europäische Wirtschaft und an-
dererseits für die Verbraucher im privaten Sektor. Die EU hat
schon in den 1990er Jahren rechtliche Rahmenbedingungen
geschaffen um den Gasmarkt zu liberalisieren, auch mit dem
Ziel die Europäische Wirtschaft konkurrenzfähig zu erhalten
und für die Endverbraucher niedrigere Preise zu gewährleis-
ten. Was sind die Auswirkungen dieses Liberalisierungspro-
zesses und welche anderen Faktoren haben in den vergangen
Jahren dazu beigetragen, dass es bei der Gaspreisbildung zu
beträchtlichen Veränderungen gekommen ist?
Graph 1
Europa: Primärenergieverbrauch nach Energieträger 2013 (Anteil in %)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014
35,3
23,6
16,9
11,0
7,06,2
Erdöl Gas Kohle
Atomenergie Wasserkraft Erneuerbare Energie
Schon seit Anfang der 1970er Jahre konnte die Gasproduktion
in Europa nicht mehr mit dem Gasverbrauch Schritt halten und
Europa musste als Folge dieser Entwicklung Gas importieren.
Die Gasimporte sind seit damals ständig gestiegen. In diesem
Zusammenhang ist es immer wieder zur Diskussion über die
Importabhängigkeit und die Energiesicherheit gekommen, da
der größte Teil des importierten Gases aus nur wenigen Län-
dern kommt. Erst seit 2009 ist es als Folge der Wirtschafts-
krise zu einem leichten Rückgang des Verbrauchs und ent-
sprechend auch zu sinkenden Gasimporten gekommen (siehe
Graph 2 und Graph 3).
1 Europa inkludiert die Europäischen OECD-Länder
108
Der größte Teil des importierten Gases wird über Pipelines
nach Europa importiert, jedoch ist der Anteil an LNG2-Importen
in den vergangen Jahren stark gewachsen. Das wichtigste
Land ,aus dem Gas importiert wird, ist Russland mit einem
Anteil von 32,7% im Jahre 2013, gefolgt von Norwegen mit
20,2%, den Niederlanden mit 11,6% und Algerien mit 6,6%.
LNG-Importe machen 11,7% aus und der Anteil von Pipeline-
Importen aus anderen Ländern beträgt 17,2%. Wenn sich auch
die Anzahl der Länder vergrößert hat, so ist Europa nach wie
vor stark von einigen wenigen großen Gasexportländern, allen
voran Russland, abhängig.
Die Gaspreise wurden seit den 1970er Jahren in langfristigen
Verträgen zwischen den Exportländern und den großen Gasim-
porteuren, die meist im Strom- oder Energiesektor tätig sind,
wie z.B. Eni und Enel in Italien, GDF Suez in Frankreich oder
E.ON und RWE in Deutschland, festgelegt. Die Erlöse aus den
Gaspreisen sollten einerseits dazu beitragen die Erdgasfel-
der zu erschließen, was durch langfristige Verträge (25 bis 35
Jahre) gewährleistet war. Die Preisgestaltung sollte außer-
dem gewährleisten, die Erträge für die Fördergesellschaften
zu maximieren und zudem Gas konkurrenzfähig mit anderen
Energieformen zu machen. In den 1970er Jahren waren das vor
allem Erdölprodukte wie Schweröl und leichtes Heizöl, deshalb
wurden die Gaspreise an die Erdölpreise gekoppelt. Diese
Art der Preisbindung hat sich in Europa bis in die Gegenwart
gehalten, allerdings wird Gas seit einigen Jahren auch auf
Basis von Spot- oder Marktpreisen gehandelt. Inzwischen ist
vor allem im Elektrizitätsgewinnungssektor Kohle ein Konkur-
renzprodukt zu Gas und nicht mehr Erdölprodukte. Deshalb
argumentieren viele Analysten, dass es sinnvoller sei, die
Gaspreise an die Kohlepreise zu koppeln.
2 LNG ist verflüssigtes Gas. Es wird in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164
°C abgekühlt und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das ur-
sprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel reduziert wird.
LNG wird dann in LNG-Tankern transportiert. Im Importland wird das Gas in
speziellen LNG-Terminals wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückver-
setzt bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird.
Graph 2
Europa: Gasproduktion und Gasverbrauch Quelle: Internationale Energiebehörde
600000
500000
400000
300000
200000
100000
0
1971
1973
1975
1977
1979
1981
1983
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
(Millionen m3)
Verbrauch Produktion
109
Graph 3
Europa: Gasimporte 1990-2013Quelle: Internationle Energieagentur
500000
450000
400000
350000
300000
250000
200000
150000
100000
50000
0
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
(Millionen m3)
Algerien Niederlande Norvegen
Russland Rest pipeline Gas LNG
Anteil in % 2013
11,7 %
17,2 %
32,7 %
20,2 %
11,6 %
6,6 %
Im Unterschied zu Erdöl gibt es keinen globalen Gasmarkt,
sondern regionale Märkte, wobei die wichtigsten drei Märkte der
US-, der Europäische und der Asiatische Markt sowie vor allem
der Japanische Markt sind. Der Hauptgrund für das Fehlen eines
globalen Marktes ist darin zu sehen, dass Gas im Unterschied
zu Erdöl hinsichtlich seines Transportes nicht so flexibel ist wie
Erdöl. Gas wird zu einem großen Teil über regionale Pipelines
befördert. Allerdings hat der Transport mittels LNG-Tanker stark
zugenommen und wird laut neuesten Prognosen in Zukunft wei-
ter zunehmen. Das könnte mittel- bis langfristig in Richtung einer
Globalisierung der Gasmärkte führen. Die Preisgestaltung ist in
den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich.
Bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts zeigten die Preise in den
USA, in Europa und in Japan einen ähnlichen Verlauf und folgten
dem Trend der Erdölpreise. Seit Mitte des vergangenen Jahr-
* Durchschnitt Jan-Okt
*1 Preise basiered auf Verträgen, die an den Erdölpreis gekoppelt sind
*2 NBP Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage
*3 Henry Hub ist der wichtigste Gas Hub in den USA
Graph 4
Gaspreise in verschiedenen Regionen und ErdölpreisFonte: BP Statistical Review of the World Energy 2014
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
*
20
16
12
8
4
0
120
100
80
60
40
20
0
(US$/Barrel)(US$/mmbtu)
Japan: LNG Preis
Deutschland: Gas Importpreis*1
UK: NBP Preis *2
USA: Henry Hub Spot Preis *3
Erdölpreis (Brent)
110
zehnts kam es jedoch zu einer divergierenden Entwicklung der
Gaspreise in den verschiedenen Regionen (siehe Graph 4). Als
Folge der steigenden Schiefergasproduktion sanken die Gasprei-
se in den USA stark und folgten nicht mehr dem Trend der Erdöl-
preise. Der amerikanische Gasmarkt ist vollständig liberalisiert
und die Gaspreise bilden sich nach den Marktgegebenheiten
basierend auf Angebot und Nachfrage. Gas kostet in den USA
nur ungefähr die Hälfte wie in Europa und macht nicht einmal ein
Drittel der LNG-Preise in Japan aus. Als Folge der steigenden
Erdölpreise kam es in den vergangenen 10 Jahren bei den an das
Erdöl gekoppelten Gaspreisen zu massiven Preissteigerungen.
Der Liberalisierungsprozess des Gasmarktes nahm in Großbri-
tannien bereits in den 1990er Jahren seinen Anfang. 1996 kam
es zur Gründung des NBP (National Balancing Point) einem
sogenannten „Gas Hub“3, an welchem Gas gehandelt wird,
wobei sich die Preise nach Angebot und Nachfrage richten. Im
vergangenen Jahrzehnt wurden auch in anderen Europäischen
Ländern Gas-Hubs gegründet. Vor allem die Nordwesteuropä-
ischen Hubs sind durch Pipelines miteinander verbunden, was
3 Ein Gas „Hub“ ist ein virtueller Transaktionspunkt, an dem Gas gehan-
delt wird. Hierbei bilden sich die Preise nach Angebot und Nachfrage. Die
Marktteilnehmer an den Hubs sind LNG- und Pipeline-Gas-Anbieter, große
Elektrizitätsgesellschaften oder große Industriebetriebe, die Gas benötigen,
aber auch Finanzinvestoren, die Hedgegeschäfte abschließen. An den Gas-
Hubs wird Gas wie an einer Börse gehandelt. Neben Spotgeschäften, werden
an den Hubs auch „Futures“-Geschäfte abgewickelt.
Abbildung 1
Europa: Die wichtigsten Gas Hubs und Gasimport-Ströme
GASPL
Norwegen
Niederlande
Russland
LibyenAlgerien
LNG Importeaus Katar, Algerien, Oman,
Nigeria, Ägypten etc.
NBPTTF
ZBR
PEGN NCG
CEGH
PSVPEGS
111
einen Handel zwischen den einzelnen Hubs ermöglicht.
Der Gashandel an den Europäischen Hubs hat in den vergan-
genen Jahren stark zugenommen. An erster Stelle steht der
britische Gas Hub NBP, gefolgt von TTF in den Niederlanden.
2013 kam es in Folge sinkender Nachfrage zu einer Verringe-
rung des gehandelten Volumens. Laut neuesten Zahlen kann
im Jahre 2014 wieder mit einem Anstieg an den meisten Euro-
päischen Hubs gerechnet werden.
Der Preis, zu dem an den Hubs gehandelt wird, richtet sich
nach Angebot und Nachfrage. Als Folge der Schiefergasrevolu-
tion nahm die Gasproduktion in den USA stark zu und die Gas-
preise sanken. Zudem wurde nun LNG, das ursprünglich in die
USA exportiert werden sollte, nach Europa exportiert und zwar
zu wesentlich niedrigeren Markt- oder Spotpreisen als die
vertraglich festgelegten Preise. Als Folge der Wirtschaftskrise
kam es zu einem Rückgang des Gasverbrauchs in Europa, was
sich entsprechend auf die Preise an den Hubs auswirkte. Fazit
war, dass die Hub-Preise und die Vertragspreise immer mehr
auseinanderklafften. Die großen Gasimporteure erlitten infolge
der sehr hohen, an den Erdölpries gekoppelten Vertragspreise,
hohe finanzielle Einbußen, da sie das Gas zu Marktpreisen an
die Endverbraucher weiterverkaufen mussten. Sie versuchten
die Verträge mit den Gas-Exportländern neu zu verhandeln
mit dem Ziel, die Gaspreise nicht mehr an die Erdölpreise
zu koppeln, sondern Marktpreise als Basis für die Gaspreis-
bildung heran zuziehen. Auch die EU machte Druck, um die
Gaspreise konkurrenzfähiger zu machen und so einerseits
die Europäische Wirtschaft zu stärken und andererseits den
Endverbrauchern im Strom- und Heizungssektor niedrigere
Preise zu gewährleisten. Durch die niedrigen Gaspreise hatten
amerikanische Firmen, die in energieintensiven Sektoren tätig
waren, wie z. B. im Stahlsektor oder im Chemiesektor, einen
großen Vorteil gegenüber den Europäischen Firmen. Zusätzlich
gab es infolge niedriger Kohlepreise im Elektrizitätsgewin-
Graph 5
Schätzung der gehandelten Gasmengen an den Europäischen Gas-HubsQuelle: GDF Suez Trading
35000
30000
25000
20000
15000
10000
5000
0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
CEGH PEGs PSV NCG Gaspool TTF Zeebrugge NBP
TWh
112
nungssektor starken Konkurrenzdruck auf die Gaspreise Die
Niederländischen Gasgesellschaften und Statoil (Norwegen)
waren als erste bereit, neue Gaslieferverträge auszuhandeln
oder die bestehenden Verträge zu adaptieren, und die Erdöl-
preise nur mehr teilweise oder überhaupt nicht mehr als Basis
zur Gaspreisbildung heran zu ziehen. Inzwischen hat auch
Russland einige Verträge neuverhandelt und Marktpreise als
Basis der Preisbildung akzeptiert oder zumindest niedrigere
Gaspreise angeboten.
Wie aus Graph 6 ersichtlich, ist der Anteil der Gaspreise, die
sich an den Marktpreisen orientieren von circa 15% im Jahre
2005 auf über 50% im Jahre 2013 gestiegen und parallel dazu
hat sich der Anteil der Gaspreise, die an den Erdölpreis ge-
koppelt sind, von über 75% im Jahre 2015 auf weniger als 50%
verringert. In Nordwesteuropa spielen Marktpreise mit circa
80% eine weit größere Rolle als in den Mittelmeerländern.
Ein Grund dafür ist, dass die Liberalisierung der Gasmärkte in
Nordwest-Europa viel weiter fortgeschritten ist und die Gas-
Hubs eine viel stärkere Rolle spielen als im Süden.
Es sei hier darauf hingewiesen, dass der Gasmarktpreis nicht
immer niedriger sein muss als der an den Erdölpreis gekop-
pelte Vertragspreis. In Zeiten sehr niedriger Erdölpreise kann
der Marktpreis auch über dem Vertragspreis liegen (siehe
Graph 4). Es ist zu erwarten, dass in Zukunft noch mehr Ver-
träge auf Basis von Marktpreisen abgeschlossen werden. Viele
Analysten gehen jedoch davon aus, dass ein Teil des impor-
tierten Gases auch in Zukunft auf Basis langfristiger Verträge
und unter Zugrundelegung einer Koppelung an den Erdölpreis
oder vielleicht auch an Kohlepreise abgeschlossen werden.
Ein wichtiger Vorteil langfristiger Lieferverträge besteht darin,
dass sie einerseits mehr Liefersicherheit für die importieren-
den Firmen bieten und andererseits für die Exportländer eine
längerfristige Planung der Investitionen möglich machen. Ein
wichtiger Punkt, der in Gasliefer-Verträgen mehr berücksich-
tigt werden sollte, ist die Gewährung einer größeren Flexibilität
der Gaspreise durch Berücksichtigung der jeweiligen Ange-
bots- und Nachfrage-Situation am Gasmarkt.
Graph 6
Entwicklung der Gaspreisbildung in Europa: 2005-2013Quelle: IGU - Wholesale Gas Price Survey 2014OPE= Preis ist an den Erdölpreis gekoppelt GOG = Marktpreise basierend auf Angebot und Nachfrage
2005 2007 2009 2010 2012 2013OPE GOG
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%OPE GOG
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%OPE GOG
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Europa Nordwest Europa Mittelmeer Region
113
Der Begriff Energiewende wird seit einigen Jahren immer
wieder in den Medien erwähnt. Das deutsche Wort Energie-
wende ist sogar in die englische Sprache eingeflossen und
renommierte Zeitschriften, wie die New York Times und der
Economist benutzen es mittlerweile, wenn von Deutschlands
ehrgeizigem Plan die Rede ist, auf eine Wirtschaft umzustel-
len, die auf erneuerbarer, nicht-nuklearer Energie basiert.
Was sind die Ziele der Energiewende in Deutschland, welche
Herausforderungen und Hürden ergeben sich für die Umset-
zung der Ziele der Energiewende?
Die Energiewende bezeichnet den Umstieg der Energiever-
sorgung von fossilen Brennstoffen und Kernbrennstoffen auf
erneuerbare Energien. Das Ziel der Energiewende in Deutsch-
land ist, bis zum Jahr 2050 die benötigte Energie hauptsäch-
lich aus regenerativen Quellen, wie Wind- und Wasserkraft,
Sonnenenergie, Geothermie oder nachwachsenden Rohstoffen
zu beziehen. Zusätzlich soll durch sparsame und effiziente
Nutzung der Energie der Energieverbrauch verringert werden.
Eine wichtige Motivation der Energiewende sind die immer
stärker zu Tage tretenden ökologischen und sozialen Proble-
me, die durch die Nutzung fossiler und nuklearer Energieträ-
ger entstehen. Da ist einerseits die Umweltbelastung durch die
Verbrennung fossiler Energieträger, insbesondere durch die
Emission von Treibhausgasen und der damit einhergehenden
globalen Erwärmung und andererseits die ungeklärte Frage
Die Energiewende
114
Erneuerbare Energien
Biobrennstoffe aus Mais, Sonnenblumen, Raps, usw.
Wasserkraft Solarzellen Windenergie
Energie aus Ozeanwellen Energie aus BiomasseGeothermie
der Endlagerung des abgebrannten Spaltmaterials sowie die
Gefährdung der Bevölkerung bei Störfällen in Kernkraftwer-
ken (Beispiel Fukushima). Aus energiewirtschaftlicher Sicht
spielt die Begrenztheit der fossil-nuklearen Energieträger,
die nur für eine begrenzte Zeit (je nach Energieträger wenige
Jahrzehnte bis Jahrhunderte) verfügbar sind, eine wichtige
Rolle.
Die Tendenz weg von fossilen Energieträgern und hin zu
Erneuerbaren Energien ist mittlerweile in vielen Ländern der
Welt im Gang. Doch Deutschland geht mit seinem Konzept
der Energiewende einen viel ehrgeizigeren und radikaleren
Weg. Diesem Vorhaben wird international große Bedeutung
beigemessen, da Deutschland innerhalb der EU die größte
Wirtschaftsmacht ist und auch weltweit zu den 5 größten Wirt-
schaftsmächten zählt.
115
Was sind die Gründe, dass gerade Deutschland den Umstieg
auf erneuerbare Energien und weg von fossilen Energieträgern
und nuklearer Energie mit so viel Ehrgeiz vorantreibt? Im Un-
terschied zu anderen Europäischen Ländern ist in Deutschland
die Förderung Erneuerbarer Energien schon seit längerer Zeit
von der Politik stark gefördert worden. Zudem gibt es seit den
1970er Jahren eine starke Anti-Atombewegung. Die Partei der
Grünen war seit Mitte der 1980er Jahre im Parlament vertreten
und unterstützte zahlreiche Umweltgesetze, die auch die Ener-
giebereitstellung betrafen. Deutschland verfolgt außerdem mit
großem Ehrgeiz seine klimapolitischen Zielsetzungen, um die
Reduzierung der Treibhausemissionen gemäß dem Kyoto-Pro-
tokoll zu erreichen. Zudem findet die Energiewende bei einem
großen Teil der deutschen Bevölkerung Zustimmung1.
Die Energiewende verfolgt das Ziel, bis 2050 die Treibhause-
missionen gegenüber 1990 auf minus 80% bis minus 90% zu
senken, sowie die Nutzung der Atomenergie bis 2022 zu been-
den. Zudem soll der Anteil der Erneuerbaren Energien stetig
ausgebaut werden, wobei der Anteil am Bruttostromverbrauch
im Jahre 2020 mindestens 35% und im Jahre 2050 mindestens
80% betragen soll. Der Anteil am Bruttoenergieverbrauch soll
2020 18% und 2050 60% betragen. Bezüglich der Steigerung
der Energieeffizienz, ist das Ziel den Primärenergieverbrauch
1 Redefining the Energiewende: New German Government Coalition Issues. A
Roadmap for the Nation’s Most Ambitious Domestic Energy Reform-George-
town International Environmental Law Review. Feb. 14, 2014
Tabelle 1
Status quo und quantitative Ziele der EnergiewendeQuelle: Zweiter Monitoring Bericht: "Energie der Zukunft" Bundesministerium für Wirtschaft und Energie März 2014
Kategorie 2011 20122050
2020 2030 2040 2050
Treibhausgasemissionen
Treibhausgasemissionen -25,6% -24,7% mindestens mindestens mindestens mindestens
(gegenüber 1990) -40% -55% -70% -80% bis -95%
Erneuerbare Energien
Anteil am Bruttostrom-Verbrauch 20,4% 23,6% mindestens 35%
mindestens 50%
(2025: 40-50%)
mindestens65%
(2035: 55-60%)
mindestens 80%
Anteil am Bruttoenergie-Verbrauch 11,5% 12,4% 18% 30% 45% 60%
EffizienzPrimärenergieverbrauch(gegenüber 2008) -5,4% -4,3% -20% -50%
Bruttostromverbrauch(gegenüber 2008) -1,8% -1,9% -10% -25%
Anteil der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Koppelung 17,0% 17,3% 25%
Energieproduktivität 1.7% pro Jahr (2008-2011)
1.1% pro Jahr (2008-2012)
2.1% pro Jahr (2008-2050)
Gebäudebestand
Primärenergiebedarf - - - in der Größenordnung von -80%
Wärmebedarf - - -20% -
Sanierungsrate rund 1% rund 1% Verdoppelung von 2% pro Jahr
VerkehrsbereichEnergieverbrauch(gegenüber 2005) -0,7% -0,6% -10% -40%
Anzahl Elektrofahrzeuge 6547 10078 1 Million 6 Millionen -
116
2020 um minus 20% und 2050 um minus 50% zu senken,
verglichen mit dem Primärenergieverbrauch von 2008. Auch
im Gebäude- und im Verkehrsbereich sind starke Einsparun-
gen geplant. So soll der Primärenergieverbrauch bis 2020 um
20% gesenkt werden und bis 2050 um 80% verringert werden.
Bis jetzt hat die Energiewende vorwiegend im Stromsektor
stattgefunden. Laut letzem Monitoring-Bericht der Bundesre-
gierung entwickelt sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien
planmäßig, während die erwartete Verringerung der Treibh-
ausgasemissionen sowie die Fortschritte bei der Energieeffizi-
enz nicht erreicht werden konnten2.
Ziel der deutschen Energiewende ist der Übergang zu einer
konkurrenzfähigen und kohlenstoffarmen Wirtschaft. Eine
der wichtigsten Voraussetzungen dafür sind konkurrenzfähige
Energiepreise. Neuesten Studien zufolge bedarf das jetzi-
ge Konzept der Energiewende dringender Reformen, damit
Deutschlands Wirtschaft konkurrenzfähig bleibt. Deutschlands
Strompreise gehören zu den höchsten der Welt und sind in den
vergangenen Jahren, vor allem als Folge der starken Förde-
rung erneuerbaren Energien um circa 60% gestiegen, während
sie in den USA und in China um nicht einmal 10% gestiegen
sind. Das bringt für die deutsche Industrie massive Nachteile,
da Energiepreise eine zentrale Rolle für die Industrie spielen,
vor allem für energieintensive Branchen wie dem Chemie-,
Baustoff- oder Stahlsektor. Die deutsche Wirtschaft ist sehr
stark exportabhängig und hat einen sehr hohen Produktions-
sektor. Im Jahre 2013 machten die Exporte 51% des BIP aus,
verglichen mit 26% in China und nur 13% in den USA. Der Pro-
duktionssektor ist mit 21% des BIP einer der höchsten in den
großen Industrieländern. Dies alles zeigt auf, wie wichtig es für
die deutsche Wirtschaft ist konkurrenzfähig zu bleiben.
2 Zweiter Monitoring Bericht: Energie der Zukunft. Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie, März 2014
Graph 1
Deutschland: Anteil Erneuerbarer Energien am StromverbrauchQuelle: Das deutsche Energiewende Paradox: Ursachen und Herausforderungen, Agora Energiewende April 2014
(%)
30
25
20
15
10
5
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
117
Graph 2
Deutschland: Stromerzeugung nach Energieträger 2013Quelle: Statistisches Bundesamt
Braunkohle Steinkohle Erdölprodukte Sonstige
Kernenergie Gas Erneubare Energien
Wind Biomasse Hausmüll Wasserkraft Photovolaic
Diverse Studien belegen, dass die Energiewende in ihrer
jetzigen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-
schaft stark beeinträchtigen würde. Laut einer Studie der IHS
Inc. sind die Stromkosten in Deutschland vor allem als Folge
der massiven Förderung der Erneuerbaren Energien stark
angestiegen. Zudem sind die CO2-Emissionen als Folge des
Ausstiegs aus der Atomenergie und der erhöhten Nutzung von
Kohlekraftwerken angestiegen und haben so zu einer para-
doxen Situation geführt, da es ja Ziel der Energiewende ist die
Treibhausemissionen zu verringern. Ein wichtiger Reform-
schritt der Energiewende, um einerseits die Wettbewerbsfä-
higkeit der deutschen Wirtschaft zu wahren und andererseits
die Ziele der Energiewende zu erreichen, ist die stärkere Ein-
beziehung von Gas in den Energiemix. So sollte die heimische
Gasförderung, inklusive Schiefergas, ausgebaut werden. Das
würde einerseits die Stromkosten durch billigeres Gas senken
und andererseits durch den Umstieg von Kohlekraftwerken auf
Gaskraftwerke die Treibhausemissionen verringern. Gas, die
„sauberste“ fossile Energieform, die weit weniger Treibhaus-
emissionen verursacht als Kohle und Erdöl, könnte die Rolle
einer Brückenenergie spielen, um schrittweise die Treibhaus-
emissionen zu verringern und schließlich eine Energieversor-
gung basierend auf sauberen erneuerbaren Energieträgern zu
erzielen.
Trotz einer Reihe notwendiger Reformen und vieler noch zu
lösender Probleme ist Deutschlands Energiewende eine Initi-
ative von globaler Bedeutung. Deutschland spielt eine wichtige
Vorreiterrolle, um den schrittweisen Umstieg der Energiever-
sorgung von fossilen Energieformen und Kernbrennstoffen auf
umweltfreundliche erneuerbare Energien durchzuführen.