Die Zustimmung in der Süchtigkeit – ein existenzanalytischer Zugang Oder: wo bleibt die Person?...
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Die Zustimmung in der Süchtigkeit –
ein existenzanalytischer ZugangOder: wo bleibt die Person?
Alfried Längle, Wienwww.existenzanalyse.org
www.laengle.info
Befragung der Kongressteilnehmer 2014 zum Thema Behandlung und Erfahrung
mit süchtigen Patienten –
Längle A, Görtz A, Kalteis K, Prochaska M, Harbich A (2014)
www.existenzanalyse.org
Überblick
N = 67 TeilnehmerInnenAlter: = 50,80 Jahre (s = 10,62 Jahre)w = 52, m = 15
76% EA, 24% andere Therapierichtungen
Jahre Berufserfahrung: Median: = 15%Wie viel Prozent der Berufserfahrung beziehen sich auf die Behandlung von Sucht? - Median: = 10%Zahl der Sucht-PatientInnen im letzten Jahr Median: = 5
Quantitative Ergebnisse
Skala von 0 bis 4 (0 = gar nicht, 1 = eher nicht, 2 = mittelmäßig, 3 = eher, 4 = sehr)
1. Wie sehr gehen SuchtpatientInnen Ihrer Erfahrung nach Unangenehmem aus dem Weg?
= 3,21 (s = 0,77)
2. Wie sicher fühlen Sie sich in der Arbeit mit SuchtpatientInnen? = 2,42 (s = 1,00)
3. Wie viel Sinn für Humor haben SuchtpatientInnen? = 2,14 (s = 0,82)
Quantitative Ergebnisse
Skala von 0 bis 4 (0 = gar nicht, 1 = eher nicht, 2 = mittelmäßig, 3 = eher, 4 = sehr)
4. Wie gerne arbeiten Sie mit SuchtpatientInnen? = 1,91 (s = 1,01)
5. Wie gut können SuchtpatientInnen sich freuen, genießen, Schönes erleben, sich an Kleinem erfreuen oder Werte empfinden?
= 1,65 (s = 0,79)…
12. Wie gut können SuchtpatientInnen Spannungen aushalten? = 0,91 (s = 0,48)
Qualitative Ergebnisse
Stichworte total N = 197
a) Was schätzen Sie an der Arbeit mit SuchtpatientInnen?
N = 81
b) Was erleben Sie als schwierig in der Arbeit mit SuchtpatientInnen?
N = 116
Qualitative Ergebnisse
Schwierige Aspekte - Generell:
1. Patientenbezogene Schwierigkeiten (76 Nennungen)
2. Mangel an Ressourcen (18 Nennungen)
3. Therapieverlauf (17 Nennungen)
Qualitative Ergebnisse
Schwierige Aspekte - Patientenbezogene:
1. Unzuverlässigkeit (25 Nennungen)
2. Unehrlichkeit (17 Nennungen)
3. geringe Therapiemotivation (18 Nennungen)
Qualitative Ergebnisse
Positive Aspekte: (81 Nennungen)
1. Spannende Herausforderung (4 Nennungen)
2. Biographiearbeit (4 Nennungen)
3. Dankbarkeit (4 Nennungen)Sensibilität, Sehnsucht nach Leben, kleine Erfolge anerkennen, Alternativen entwickeln….
Die Zustimmung in der Süchtigkeit –
ein existenzanalytischer ZugangOder: wo bleibt die Person?
Alfried Längle, Wienwww.existenzanalyse.org
www.laengle.info
1. Einleitung2. Der Wille in der Sucht3. Der gespaltene Wille4. Die Apersonalität der Sucht5. Die existentiellen Symptome6. Die existenzanalytische Haltung7. Die existentielle Schienung der Therapie
– die Arbeit mit der Zustimmung8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Überblick
1. Einleitung
Sucht – der „sieche“ Wille
Ist das spezifisch für die Psychopathologie der Sucht?
Oder doch ein Thema des Mensch-Seins?
Die Ohnmacht des Willens (Abhängigkeit, Unfreiheit) – ein generelles Thema der Therapie und Beratung
1. Einleitung
2. Der Wille in der Sucht
Suchtbehandlung = Behandlung der Unfreiheit
Zwei Missverständnisse sind häufig:
1. Wem folgt der Wille?2. Was tut der Wille in der Sucht?
Folgt der Wille
1. dem Ich?2. der Vernunft? 3. dem Wert! – Aber…
der Wert muss empfunden/ gefühlt sein, um existentielle Relevanz zu haben.
2. Der Wille in der Sucht
2. 1. Wem folgt der Wille?
1. Zunehmende Einengung (Fokussierung) der Aufmerksamkeit auf Suchtmittel
2. Attraktivität des Objekts ↑3. Vitalität und Psychodynamik gehen
woanders hin – der „alte Wille“→ „Willenshülse“
4. Einwilligung in vitalen „Wert“
2. Der Wille in der Sucht
2. 2. Was tut der Wille in der Sucht?
3. Der gespaltene Wille in der Sucht
Der Wille in der Sucht
ist schwach, wird mürbe
ist stark und setzt sich gegen alle Widerstände durch
Der Grund für diese Spaltung:
Der Wille bindet sich nicht mehr an die Person, sondern wendet sich von ihr ab.
Abspaltung des Ich von der Person
3. Der gespaltene Wille in der Sucht
Die Sucht passiert nicht gegen den Willen!
Der Süchtige ist nicht willenlos!
Darin liegt das „Teuflische“ und das „Tragische“ zugleich!
3. Der gespaltene Wille in der Sucht
4. Die Apersonalität der Sucht
Sucht ≠ das Problem des Willens = das Problem des entfremdeten Willens
Darum dominieren Stoff und Bedürfnis
der Süchtige ist im Vollzug seines Personseins krank geworden
Kippphänomens des Willens in der Sucht
5. Die existentiellen Symptome
Von welchem Standort aus soll die Sucht denn nun bekämpft werden?
Wie kann er etwas wollen, wenn er keine existentiellen Werte mehr erleben kann?
1. Verlust der Freiheit 2. apersonales Verhalten3. simultaner Weltverlust
6. Die existenzanalytische Haltung
Phänomenologischer Zugang:
≠ Bewusstheit führt in die Überlegenheit,
sondern Personalität (d.i. Entschiedenheit und Verantwortung in der Stellungnahme)
Ableiten von Therapieansätzen
1. Klärung des Willens (alle GM) und damit der Motivation
Es ist unmöglich, Abhilfe für etwas zu schaffen, das der Patient eigentlich (heimlich) doch will. Den Willen ernst nehmen und ihn leben!
6. Die existenzanalytische Haltung
2. Unterbrechung der Leidvermeidung und Wunschwelt
Beziehungsaufnahme zum darbenden Ich (2. GM)
und Anerkennung dieses Ichs (Selbstbild – 3. GM)
6. Die existenzanalytische Haltung
Ableiten von Therapieansätzen
3. Öffnung für Erleben und üben von Genießen (2. GM) als Basisprogramm
fühlender Wertbezug → cf. Orpheusprogramm (Musalek)
Ableiten von Therapieansätzen
6. Die existenzanalytische Haltung
7. Existentielle Schienung der Therapie
1. Fühlung zu sich selbst aufnehmen (PEA1)
„Was erleben Sie beim Trinken und was wird dadurch besser?“
7. Existentielle Schienung der Therapie
2. Stellungnahme und Zustimmung (PEA2)
„Wollen Sie im Grunde trinken, oder passiert es Ihnen mehr?“„Sind Sie mit Ihrem Trinken, der Tatsache, der Menge, der Art usw. einverstanden?“
7. Die existentielle Schienung der Therapie
3. Wollen und Können klafft (PEA3)
Entweder Zustimmung zur
a) Selbst-Distanzierung oderb) Zustimmung zum Nicht-Können
7. Die existentielle Schienung der Therapie
3. Wollen und Können klafft (PEA3)
Selbst-Distanzierung hat immer Vorrang, wenn möglich – weil mit mehr Freiheit verbunden:z.B. Unterstützung holen, Mittel einsetzen, Vorbeugen, Lernprogramme, experimentieren…
7. Die existentielle Schienung der Therapie
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Motto der EA: „Man soll nicht mehr tun als man kann“.
„Dann machen Sie’s!“ – Aber mit Zustimmung!!!
= Annahme des schicksalhaften Anteils der Krankheit
= harm reduction!
Denn…
… es ist besser, sich auf einen erreichbaren defizitären Wert einzulassen –als einem unerreichbaren idealen zu folgen und zu scheitern!
… existentiell gesehen ist es wichtiger, sich nicht im Stich zu lassen und zu sich zu stehen (Selbst-Annahme), als nicht zu trinken!
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Durchführung
1. Schritt: vorbeugen durch freiwilliges Vorweggehen in der Sucht
= Tribut an die Vergangenheit
es freiwillig leben, bevor man dazu gezwungen wird.
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Durchführung1. Schritt: vorbeugen durch freiwilliges Vorweggehen in der Sucht
Dabei achten auf das Erleben und die Zustimmung –
das „Verfallensein“ soll erlebt werden, bis es• schmerzhaft, • ekelhaft oder • uninteressant wird.
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
2. Schritt: Gegenteil: Dagegenhalten, opponieren
Versuchen, so lange es geht, dem nicht nachzugeben +
und das Erleben zu beobachten
Frage: was tut sich da in mir?
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
3. Schritt: Was suchen Sie?
Mehr Leben + Problemreduktion, Spannungsreduktion• Was kann Ihnen mehr Leben geben? • Wo ging das Leben verloren?
… Übliche Psychotherapie
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Durchführung
PERSON
Reiz Handeln
Unterbinden des automatischen Ablaufs
8. Die Paradoxe Vorgangsweise
Durchführung
Motto:
Die Person darf im Leben nicht fehlen – auch wenn es nicht ideal ist, was ich tu!
8. Die Paradoxe Vorgangsweise