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Der Ophthalmologe Kasuistiken Ophthalmologe 2021 · 118:169–174 https://doi.org/10.1007/s00347-020-01089-3 Online publiziert: 4. April 2020 © Der/die Autor(en) 2020 S. Groselli · D. Heinrich · C. P. Lohmann · M. Maier Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Klinkum rechts der Isar, Technischen Universität München, München, Deutschland MEK-Inhibitor-assoziierte Retinopathie unter Binimetinib- Therapie bei kutanem malignem Melanom Falldarstellung Anamnese Ein 72-jähriger männlicher Patient wur- de uns durch den niedergelassenen Au- genarzt notfallmäßig zur Mitbeurteilung einer Visusminderung bei Verdacht auf eine beidseitige zentrale seröse Chorio- retinopathie (CSCR) überwiesen. Klinischer Befund Unsere Untersuchungen zeigten bei ei- nem bestkorrigierten Visus von 0,4 (+2,0 –1,0 85°) am rechten Auge und 0,9 (+1,5 –0,75 125°) am linken Auge reizfreie vordere Augenabschnitte mit beidseits inzipienter Katarakt. Der Augeninnen- druck war normoton. Fundoskopisch imponierten an beiden Augen helle, teils prominente Areale in allen Quadranten. Die Papille war randscharf und vital gefärbt. Die Gefäße waren unauffällig. Diagnostik Wir führten eine Spectral-Domain-op- tische Kohärenztomographie (SD-OCT) durch, in der wir multiple umschriebe- ne neurosensorische Netzhautabhebun- gen sowohl im Bereich der Makula wie auch in der Peripherie feststellen konn- ten. Das retinale Pigmentepithel (RPE) und die Aderhaut waren nicht betrof- fen. An der Makula konnten wir eben- falls eine seröse Flüssigkeitsansammlung zwischen RPE und den Fotorezeptorau- ßensegmenten feststellen (. Abb. 1). Wir vermuteten eine MEK (mitogen-aktivier- te Proteinkinase-Kinasen)-Inhibitor-as- soziierte Retinopathie (MEKAR). Therapie und Verlauf In Zusammenschau sämtlicher Befunde gingen wir von einer MEK-Inhibitor-as- soziierten Retinopathie im Rahmen ei- ner Binimetinib-erapie bei malignem Melanom aus. Eine Woche nach Erstvorstellung be- stelltenwirdenPatientenerneutinunsere Sprechstunde ein. Der Visus war beid- seits unverändert, der Patient berichte- te jedoch von einer Symptomverbesse- rung. Wir führten eine erneute SD-OCT- Aufnahme und eine OCT-A (optische Kohärenztomographie – Angiographie) durch. In der SD-OCT konnte man beid- seits Pigmentepithelunregelmäßigkeiten, jedoch keine intra- oder subretinale Flüs- sigkeit mehr feststellen. Die foveale De- pressionwaranbeidenAugenerhalten.In der OCT-A-Aufnahme zeigte sich beid- seits eine regelrechte Gefäßdarstellung (. Abb. 2 und 3). Fundoskopisch konnte man bereits eine Regression der hellen Areale feststellen. Der Patient teilte uns mit, dass man nun aufgrund der zahl- reich aufgetretenen Nebenwirkungen die erapie mit Binimetinib einstellen wol- le. Zwei Wochen nach Erstvorstellung war anamnestisch eine Visusverbesse- rung zu erheben, auch die Kreise und die schwarzen Flecke wurden nun von unserem Patienten nicht mehr bemerkt. Der Visus betrug am rechten Auge bestkorrigiert 0,6 und am linken 0,7. Fundoskopisch und in der OCT konnte man keine neurosensorische Abhebun- gen mehr feststellen (. Abb. 4). Es waren lediglich einige wenige hyperreflektive Areale zu sehen (blauer Pfeil . Abb. 4a). Der Patient berichtete nun, dass man die erapie aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen pausiert habe. Diskussion UV-Strahlung gilt als der bedeutsamste Risikofaktor in der Ätiologie von Haut- krebs. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass das maligne Melanom aufgrund inter- mittierender UV-Exposition und schwe- rer Sonnenbrände in der Kindheit und Jugend auſtritt. Für das maligne Mela- nom gibt es außerdem Hinweise, dass es autosomal-dominant vererbbar ist, da 5–12% der erkrankten Patienten einen oder mehrere Verwandte 1. Grades auf- weisen, die ebenfalls am malignen Mela- nom erkrankt sind. Als mögliches Vor- läuferstadium des malignen Melanoms werden benigne Nävi angenommen. Es wird vermutet, dass diese durch klonale Proliferation aus Melanozyten entstan- den sind, die wahrscheinlich aufgrund zellulärer Seneszenz die Proliferation ein- stellen. Diese Wachstumsinhibition kann z.B. durch RAS-Mutationen oder durch Mutationen im BRAF-Gen aufgehoben werden. Dies kann zur Bildung dysplas- tischer Nävi und nachfolgend zur radia- len Wachstumsphase des malignen Me- lanoms führen [8]. Der Ophthalmologe 2 · 2021 169

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Der Ophthalmologe

Kasuistiken

Ophthalmologe 2021 · 118:169–174https://doi.org/10.1007/s00347-020-01089-3Online publiziert: 4. April 2020© Der/die Autor(en) 2020

S. Groselli · D. Heinrich · C. P. Lohmann · M. MaierKlinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Klinkum rechts der Isar, Technischen Universität München,München, Deutschland

MEK-Inhibitor-assoziierteRetinopathie unter Binimetinib-Therapie bei kutanemmalignemMelanom

Falldarstellung

Anamnese

Ein 72-jähriger männlicher Patient wur-de uns durch den niedergelassenen Au-genarzt notfallmäßig zur Mitbeurteilungeiner Visusminderung bei Verdacht aufeine beidseitige zentrale seröse Chorio-retinopathie (CSCR) überwiesen.

Klinischer Befund

Unsere Untersuchungen zeigten bei ei-nem bestkorrigierten Visus von 0,4 (+2,0–1,0 85°) am rechten Auge und 0,9 (+1,5–0,75 125°) am linken Auge reizfreievordere Augenabschnitte mit beidseitsinzipienter Katarakt. Der Augeninnen-druck war normoton. Fundoskopischimponierten an beiden Augen helle, teilsprominente Areale in allen Quadranten.Die Papille war randscharf und vitalgefärbt. Die Gefäße waren unauffällig.

Diagnostik

Wir führten eine Spectral-Domain-op-tische Kohärenztomographie (SD-OCT)durch, in der wir multiple umschriebe-ne neurosensorische Netzhautabhebun-gen sowohl im Bereich der Makula wieauch in der Peripherie feststellen konn-ten. Das retinale Pigmentepithel (RPE)und die Aderhaut waren nicht betrof-fen. An der Makula konnten wir eben-falls eine seröse Flüssigkeitsansammlungzwischen RPE und den Fotorezeptorau-ßensegmenten feststellen (. Abb. 1). Wir

vermuteteneineMEK(mitogen-aktivier-te Proteinkinase-Kinasen)-Inhibitor-as-soziierte Retinopathie (MEKAR).

Therapie und Verlauf

In Zusammenschau sämtlicher Befundegingen wir von einer MEK-Inhibitor-as-soziierten Retinopathie im Rahmen ei-ner Binimetinib-Therapie bei malignemMelanom aus.

Eine Woche nach Erstvorstellung be-stelltenwirdenPatientenerneutinunsereSprechstunde ein. Der Visus war beid-seits unverändert, der Patient berichte-te jedoch von einer Symptomverbesse-rung.Wir führten eine erneute SD-OCT-Aufnahme und eine OCT-A (optischeKohärenztomographie – Angiographie)durch. In der SD-OCT konnte man beid-seitsPigmentepithelunregelmäßigkeiten,jedochkeine intra- oder subretinale Flüs-sigkeit mehr feststellen. Die foveale De-pressionwaranbeidenAugenerhalten.Inder OCT-A-Aufnahme zeigte sich beid-seits eine regelrechte Gefäßdarstellung(. Abb. 2 und 3). Fundoskopisch konnteman bereits eine Regression der hellenAreale feststellen. Der Patient teilte unsmit, dass man nun aufgrund der zahl-reich aufgetretenenNebenwirkungendieTherapie mit Binimetinib einstellen wol-le.

Zwei Wochen nach Erstvorstellungwar anamnestisch eine Visusverbesse-rung zu erheben, auch die Kreise unddie schwarzen Flecke wurden nun vonunserem Patienten nicht mehr bemerkt.Der Visus betrug am rechten Auge

bestkorrigiert 0,6 und am linken 0,7.Fundoskopisch und in der OCT konnteman keine neurosensorische Abhebun-gen mehr feststellen (. Abb. 4). Es warenlediglich einige wenige hyperreflektiveAreale zu sehen (blauer Pfeil . Abb. 4a).Der Patient berichtete nun, dass mandie Therapie aufgrund der zahlreichenNebenwirkungen pausiert habe.

Diskussion

UV-Strahlung gilt als der bedeutsamsteRisikofaktor in der Ätiologie von Haut-krebs. Es gibt zahlreiche Hinweise, dassdas maligne Melanom aufgrund inter-mittierender UV-Exposition und schwe-rer Sonnenbrände in der Kindheit undJugend auftritt. Für das maligne Mela-nom gibt es außerdem Hinweise, dasses autosomal-dominant vererbbar ist, da5–12% der erkrankten Patienten einenoder mehrere Verwandte 1. Grades auf-weisen, die ebenfalls am malignen Mela-nom erkrankt sind. Als mögliches Vor-läuferstadium des malignen Melanomswerden benigne Nävi angenommen. Eswird vermutet, dass diese durch klonaleProliferation aus Melanozyten entstan-den sind, die wahrscheinlich aufgrundzellulärerSeneszenzdieProliferationein-stellen.DieseWachstumsinhibition kannz.B. durch RAS-Mutationen oder durchMutationen im BRAF-Gen aufgehobenwerden. Dies kann zur Bildung dysplas-tischer Nävi und nachfolgend zur radia-len Wachstumsphase des malignen Me-lanoms führen [8].

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Kasuistiken

Abb. 19 Spectral-Do-main-optische Kohärenz-tomographie (SD-OCT) desrechten (a,b) und des lin-ken (c,d) Augesmit panre-tinalen serösen neurosen-sorischenNetzhautabhe-bungen (Pfeile). (Klinik undPoliklinik für Augenheil-kunde. Klinikum rechts derIsar)

Abb. 28 a–c SD-OCT-Aufnahme des rechtenAuges 1Wochenach Erstvorstellung: Pigmentepithelunregelmäßigkeiten, je-dochkeine intra-odersubretinaleFlüssigkeitmehr.d–fOCT-A (optischeKohärenzangiographie)des rechtenAuges2Wochennach Erstvorstellung: regelrechte Gefäßdarstellung

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Die Inzidenz des malignen Mela-noms nimmt am schnellsten unter allenKrebsarten zu [3]. Aktuell erkranken inDeutschland jährlich rund 18.000 Per-sonen an einem invasiven malignenMelanom, hiervon sind 51,5% männli-chen Geschlechts. Bei Männern ist dasMM die achthäufigste und bei Frauendie vierthäufigste Krebsneuerkrankung.Die Erkrankungshäufigkeit steigt mitzunehmendem Alter an. Junge Frauenerkranken häufiger als junge Männer aneinemMM. Ab dem Alter von 60 Jahrenkehrt sich das Verhältnis jedoch um,und die Inzidenz bei Männern steigt aufdas 2-Fache der Inzidenz bei Frauen an[8]. Beim Stellen der Diagnose sind beietwa 2–5% der Patienten bereits Metas-tasen vorhanden [3]. Häufig findet manMetastasen in der Leber, in der Haut, inder Lunge, im Skelett oder im Gehirn.

Die Behandlungsmöglichkeiten fürPatienten mit metastasierendem Me-lanom, insbesondere dem BRAF-mu-tierten-Melanom, wurden in den letztenJahrenmit der Zulassung von neuenMe-dikamenten dramatisch erweitert. Derauf BRAF ausgerichtete Standardansatzhat sich von der Einzelwirkungshem-mung von BRAF auf die Kombinations-therapie mit einem BRAF- und einemMEK-Inhibitor verlagert [6]. MEK- undBRAF-Hemmer sind neuere Gruppenvon Medikamenten, die auf die Tar-getenzyme des MAPK/ERK-Signalwegswirken. Diese Kombinationstherapie ge-hört aktuell zum Versorgungsstandardfür das Stadium IIIC/IV des BRAF-mutierten Melanoms [3]. Gleichzeitigist die Immuntherapie von der zyto-kinbasierten zur antikörpervermitteltenBehandlung übergegangen. Diese Ver-änderungen in den Therapieansätzenhaben die Patientenergebnisse drastischverbessert, wobei sich die mediane Ge-samtüberlebenszeit von Patienten mitMelanom im fortgeschrittenen Stadi-um von etwa 9 Monaten vor 2011 aufmindestens 2 Jahre erhöht hat [6, 7].

MEKAR (MEK-Inhibitor assoziierteRetinopathie) werden bei Patienten mitmetastasierendemMelanom beobachtet,diemitMEK-Inhibitorund/oderinKom-bination mit BRAF-Inhibitor behandeltwerden bzw. wurden. Präklinische Stu-dien zeigten, dass eine MEK-Hemmung

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe 2021 · 118:169–174 https://doi.org/10.1007/s00347-020-01089-3© Der/die Autor(en) 2020

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MEK-Inhibitor-assoziierte Retinopathie unter Binimetinib-Therapie bei kutanemmalignemMelanom

ZusammenfassungDie Behandlungsmöglichkeiten für Patientenmit metastasierendemMelanom (MM)wurden in den letzten Jahren mit der Zulas-sung von neuen Medikamenten dramatischerweitert. Die MEK(mitogen-aktivierte Prote-inkinase-Kinasen)- und BRAF(Serin/Threonin-Kinase B-Raf kodierendes Gen)-Hemmer-Kombinationstherapie gehört aktuell zumVersorgungsstandard für das Stadium IIIC/IVdes BRAF-mutierten Melanoms. MEKAR(MEK-Inhibitor-assoziierte Retinopathie)werden bei Patientenmit metastasierendemMelanom beobachtet, die mit einer solchen

Kombinationstherapie behandelt werdenbzw. wurden. Wir berichten über den Falleines 72-jährigen Patienten, der eine solchePathologie unter der Therapiemit Binimetinibin Kombination mit Nivolumab erlitt. DieseKasuistik verdeutlicht die Wichtigkeit einerinterdisziplinären Zusammenarbeit bei derBehandlung von MM-Patienten.

SchlüsselwörterBRAF-Hemmer · Nebenwirkungen · Retino-pathie · Optische Kohärenztomographie ·Neurosensorische Netzhautabhebung

MEK inhibitor-associated retinopathy under binimetinibtreatment for cutaneous malignantmelanoma

AbstractThe treatment options for patients withmetastatic melanoma (MM) have beendramatically expanded in recent yearswith the approval of new drugs. The MEK(mitogen-acitvated protein kinase kinase)and BRAF (serine/threonine-protein kinaseB-Raf coding gene) inhibitor combinationtherapy is currently part of the standardof care for stage IIIC/IV of BRAF mutantmelanoma. The MEK inhibitor-associatedretinopathy (MEKAR) is observed in patientswith MM who are treated (or have beentreated) with such a combination therapy.

This article reports the case of a 72-year-old male patient, who suffered from such apathological condition under treatment withbinimetinib in combinationwith nivolumab.This case study illustrates the importanceof interdisciplinary collaboration in thetreatment of MM patients.

KeywordsBRAF inhibitor · Side effects · Retinopathy · Op-tical coherence tomography · Neurosensoryretinal detachment

zu einer akuten RPE-Toxizität führt, diezu einer RPE-Hyperpermeabilität undzum Abbau der Netzhaut-Blut-Schrankeführt. Die Läsionen sind entweder soli-täre oder multiple bilaterale seröse neu-rosensorische Netzhautablösungen. Fo-kale Läsionen sind v. a. in den äuße-renNetzhautschichten bemerkbar [3]. Esist denkbar, dass Schwankungen syste-mischer Zytokinspiegel im Rahmen derTumorabwehr zu serösen Retinopathienbeitragen.Amehestenist jedochlautGra-jewski et al. von einem multifaktoriellenProzess auszugehen, in dem Hormone,Mediatoren und Inhibitoren zusammen-wirken, die solche Retinopathien hervor-rufen könnten [1].

MEKAR-Läsionen können mit nicht-invasiven diagnostischen Bildgebungs-methodenwie OCT- und IR-Bildgebungerkannt und von serösen Netzhaut-ablösungen anderer Genese unterschie-den werden. Die Aderhautdicke ist beiMEKAR normal. In den OCT-Auf-nahmen ist hyperreflektive SRF unterder Interdigitalzone (Sub-IR) bemerkbar[3]. Die extrafovealen Läsionen befindensich meist um die Gefäßbögen. Es wirdvermutet, dass dies aufgrund der hö-heren Konzentration des Medikamentsin größeren Gefäßen geschieht [4]. Beiunserem Patienten zeigten sich multi-ple neurosensorische Abhebungen ohneVeränderungen in der OCT-A. Ein ähn-licher Fall wurde auch von Lüdeke et al.

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Kasuistiken

Abb. 38 a–c SD-OCT-Aufnahme des linkenAuges 1Woche nach Erstvorstellung: Pigmentepithelunregelmäßigkeiten, je-doch keine intra- oder subretinale Flüssigkeitmehr.d–fOCT-A (optische Kohärenzangiographie) des linkenAuges 2Wochennach Erstvorstellung: regelrechte Gefäßdarstellung

Abb. 49 a, c IR-Aufnah-me des rechten (a) und deslinken (c) Auges bei 2Wo-chen nach Erstvorstellung:2Wochen nachAbsetzendesMedikamentswarenlediglich einigewenigehyperreflektive Areale zusehen (blauer Pfeil in a).b,d SD-OCT (Spectral-Do-main-optische Kohärenz-tomographie) des rech-ten (b) und des linken (d)Auges:Man konnte keineneurosensorische Abhe-bungenmehr feststellen

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beschrieben, bei dem in der durchge-führten Fluoreszenzangiographie keineLeckage darstellbar war, weshalb derUrsprung der subretinalen Flüssigkeitbislang unklar bleibt [5].

Auch Grajewski et al. beschrieben 2ähnliche Fälle von Patienten mit meta-stasiertemkutanemmalignemMelanom,bei denen multifokale bilaterale Netz-hautläsionen in Form von serösen Ablö-sungen und vitelliformen Ablagerungenauftraten. Bei beiden Patienten ähneltendie Läsionen in den SD-OCT-Befundendenen einer zentralen serösen Chorio-retinopathie (CRCS). Auch die pseudo-vitelliformen Ablagerungen wurden beiCRCS bereits beschrieben. Die Ätiologieder CRCS ist zwar unbekannt, allerdingswurde bereitsmehrmals beobachtet, dassein erhöhterKortikosteroidspiegel imSe-rum einen negativen Einfluss auf das kli-nische Erscheinungsbild habenkann. BeiPatienten mit kutanem Melanom gibt esmehrere Berichte über eine ektopischeparaneoplastische Produktion von adre-nokortikotropem Hormon (ACTH), daszu einem erhöhten Kortisolserumspiegelführt. Daher wurde bei dem vonGrajew-skietal.dargestelltenFalleinDexametha-son-Suppressionstest durchgeführt, umeinen evtl. endogenen Hyperkortisolis-mus auszuschließen. Die endokrinologi-schen Parameter zeigten sich innerhalbdes Normalbereichs. Da dieser Test je-doch 4 Jahre nach dem Auftreten derCRCS-ähnlichen Läsionen durchgeführtwurde, ist es nicht möglich, frühere Epi-soden von ektopischer ACTH-Produk-tion bei diesem Patienten sicher auszu-schließen [2].

In einer durch Francis et al. durch-geführten Studie berichteten 12 Patien-ten (48%) zum Zeitpunkt der Ansamm-lung der SRF von Symptomen, die de-nen einer CRCS ähneln [4]. Es wur-de berichtet, dass bei Patienten, die mitdemMEK-Hemmer Binimetinib behan-delt wurden, insbesondere in den ers-ten 4 Wochen der Behandlung Sehstö-rungen auftreten. Befindet sich die Lä-sion in der Foveola, können die Patien-ten Symptome wie einen Kreis zentralim Gesichtsfeld oder verschwommenesNahsehen beschreiben [3]. Während derEntwicklungsphase verschiedenerMEK-Inhibitoren erkannte man das toxische

Potenzial für die Augen insbesondere imSinne retinaler Venenverschlüsse und ei-ner der CRCS ähnlichen serösen Retino-pathie. Beschriebene Symptome warenunter anderem Halos, Photophobie, Di-plopie und Epiphora [5]. Weitere allge-meine Nebenwirkungen von MEK-Inhi-bitoren sind Obstipation, Übelkeit, Er-brechen, Kopfschmerzen und Schwin-delgefühl.

Fazit für die Praxis

4 Augenärzte und Onkologen müssensich dieser häufigen, aber relativharmlosen und oft vorübergehendenNebenwirkung der Behandlung mitMEK-Inhibitor in Kombination mitBRAF-Inhibitor bewusst sein, umunnötige Eingriffe zu vermeiden,einschließlich des Absetzens einermöglicherweise lebensverlängern-den Therapie.

4 Hierbei ist eine interdisziplinäre Zu-sammenarbeit zwischen Onkologen,Dermatologen und Augenärzten beider Behandlung von MM-Patientenhilfreich.

4 Empfehlenswert wäre beispiels-weise eine gezielte Untersuchungvon MM-Patienten vor und wäh-rend des Therapiezeitraumes durchden Augenarzt, um den Patientenbestmöglich über die evtl. vorüber-gehenden Nebenwirkungen derTherapie aufzuklären und währenddes Behandlungszeitraumes zu be-gleiten.

Korrespondenzadresse

S. GroselliKlinik und Poliklinik für Augenheilkunde,Klinkum rechts der Isar, TechnischenUniversitätMünchenIsmaninger Str. 22, 81675 München,[email protected]

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Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. S. Groselli, D. Heinrich, C.P. Loh-mannundM.Maier geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt. Fürdie aufgeführten Studiengelten die jeweils dort ange-gebenen ethischenRichtlinien. Für Bildmaterial oderanderweitigeAngaben innerhalbdesManuskripts,über die Patienten zu identifizieren sind, liegt vonihnenund/oder ihrengesetzlichenVertretern eineschriftliche Einwilligung vor.

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WeitereDetails zur Lizenz entnehmenSie bitte derLizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.

Literatur

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7. Kellermann N, Maier M, Feucht N (2017) Vitreousmetastasis of malignant cutaneous melanomaduring treatmentwith ipilimumab. Ophthalmolo-ge114:163–166

8. LeitlinienprogrammOnkologie (Deutsche Krebs-gesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) (2014)S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs, Lang-version 1.1. http://leitlinienprogrammonkologie.de/Leitlinien.7.0.html. Zugegriffen: 5. Jan. 2020(AWMFRegisternummer:032/052OL)

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